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53 Forschungsschwerpunkt B Tumorzellregulation Übersicht DKFZ 2002: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2000/2001 Forschungsschwerpunkt Tumorzellregulation Sprecher: Prof. Dr. Friedrich Marks (- 03/02) Pathochemie (B0100) Prof. Dr. med. Volker Kinzel 06221 42-3253, FAX 06221 42-3259 e-mail: [email protected] Biochemische Zellphysiologie (B0200) Prof. Dr. rer. nat. Walter Pyerin 06221 42-3254, FAX 06221 42-3261 e-mail: [email protected] Biochemie der Zelle (B0300) Prof. Dr. rer. nat. Dieter Werner (- 09/01) 06221 42-3407, FAX -3457 e-mail: [email protected] Molekulare Biologie der Mitose (B0400) Prof. Dr. phil. Herwig Ponstingl 06221 42-3408, FAX 06221 42-3460 e-mail: [email protected] Biochemie der gewebsspezifischen Regulation (B0500) Prof. Dr. rer. nat. Friedrich Marks 06221 42-4531, FAX 06221 42-4406 e-mail: [email protected] Differenzierung und Carcinogenese in vitro (B0600) Prof. Dr. med. Norbert Fusenig 06221 42-4507, FAX 06221 42-4551 e-mail: [email protected] Tumorbiochemie (B0700) Prof. Dr. med. Dietrich Keppler 06221 42-2400, FAX 06221 42-2402 e-mail: [email protected] Signaltransduktion und Wachstumskontrolle (B0800) Dr. rer. nat. Peter Angel 06221 42-4570, FAX 06221 42-4554 e-mail: [email protected] Genetik der Hautcarcinogenese (B0900) PD Dr. rer. nat. Petra Boukamp 06221 42-4516, FAX 06221 42-4551 e-mail: [email protected] Zentrale Spektroskopie (R0400) William E. Hull PhD 06221 42-4515, FAX 06221 42-4554 e-mail: [email protected] Im Zentrum der Arbeit des Forschungsschwerpunktes Tumorzellregulation steht der Prozess der zellulären Signalübertragung und -verarbeitung. Eine Schlüssel- reaktion der zellulären Signalverarbeitung ist die Protein- phosphorylierung. Die dabei beteiligten Enzyme, die Pro- teinkinasen und Phosphatasen, werden von mehreren Ab- teilungen untersucht. Auch das Gebiet der Lipidmedia- toren, die nahezu jeden zellulären Prozess beeinflussen, werden von mehreren Abteilungen des Schwerpunktes be- arbeitet. Die für die Biosynthese von Lipidmediatoren ver- antwortlichen Enzyme werden zunehmend als Angriffs- punkte für krebsverhütende Ansätze diskutiert. Einen spe- ziellen Aspekt der zellulären Signalübertragung stellen Transportkomplexe dar, die u.a. auch für das Ausschleu- sen von Giftstoffen aus der Zelle verantwortlich sind und deren Überaktivierung eine Ursache für die in der Klinik so gefürchtete Resistenzentwicklung von Tumoren gegen Chemotherapeutika sein kann. Grundlegende Eigenschaf- ten dieser Transportkomplexe sowie Aspekte der soge- nannten Multidrogenresistenz werden in mehreren Abtei- lungen des Schwerpunktes untersucht, wobei das vor- dringliche Ziel die therapeutische Überwindung der Zyto- statikaresistenz darstellt. Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeiten konzentriert sich auf die Entschlüsselung der mo- lekularen Mechanismen der Zell-Zell und Zell-Matrix- Wechselwirkungen und ihrer Rolle in der normalen Gewe- beregeneration sowie der Tumorentstehung und Progres- sion. Funktionelle Analysen von Transkriptionsfaktoren in genetisch veränderten Mäusen und Zellkultursystemen sind ein weiterer wichtiger Bestandteil des wissenschaftli- chen Programms des Forschungsschwerpunktes. Die Abteilung Pathochemie befaßt sich mit folgenden Aspekten der zellulären Signaltransduktion: (1) Molekulare Mechanismen und funktionelle sowie strukturelle Kon- sequenzen von Proteinphosphorylierung/Dephosphorylie- rung; (2) Mechanismen der Katalyse, Regulation und Hemmung von Proteinkinasen mit dem Ziel der Entwick- lung und Verbesserung klinisch anwendbarer Protein- kinase-Inhibitoren; (3) Struktur und Dynamik aktuell inter- essanter Proteindomänen, speziell die Wechselwirkung des HIV Glykoproteins 120 (gp 120) mit dem T-Zellrezep- tor CD4, mit dem Ziel, diese zu hemmen. Hier befinden sich HIV-Hemmstoffe zu therapeutischen Zwecken in Ent- wicklung. Die Arbeiten der Abteilung Biochemie der Zelle zielen auf die Analyse von zellulären Strukturen und Ereignissen, die für die Proliferation von Zellen von Bedeutung sind. Hierzu gehören die Identifizierung und die molekulare Charakteri- sierung von Proteinen, die am Proliferationsprozess betei- ligt sind oder Bestandteile von Zellzyklus-relevanten Zell- strukturen sind. Dabei gilt das Hauptinteresse den Protei- nen des Centrosoms und den chromosomalen Verpak- kungsproteinen vom Nicht-Histon-Typ. Der Leiter Prof. Werner ging 2001 in Ruhestand. Weitergeführte Arbeiten gelten der zellbiologischen und funktionellen Identifizierung, Analyse und Revertierung

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Forschungsschwerpunkt B Tumorzellregulation Übersicht

DKFZ 2002: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2000/2001

Forschungsschwerpunkt TumorzellregulationSprecher: Prof. Dr. Friedrich Marks (- 03/02)

Pathochemie (B0100)Prof. Dr. med. Volker Kinzel� 06221 42-3253, FAX 06221 42-3259e-mail: [email protected]

Biochemische Zellphysiologie (B0200)Prof. Dr. rer. nat. Walter Pyerin� 06221 42-3254, FAX 06221 42-3261e-mail: [email protected]

Biochemie der Zelle (B0300)Prof. Dr. rer. nat. Dieter Werner (- 09/01)� 06221 42-3407, FAX -3457e-mail: [email protected]

Molekulare Biologie der Mitose (B0400)Prof. Dr. phil. Herwig Ponstingl� 06221 42-3408, FAX 06221 42-3460e-mail: [email protected]

Biochemie der gewebsspezifischen Regulation(B0500)Prof. Dr. rer. nat. Friedrich Marks� 06221 42-4531, FAX 06221 42-4406e-mail: [email protected] und Carcinogenese in vitro (B0600)Prof. Dr. med. Norbert Fusenig� 06221 42-4507, FAX 06221 42-4551e-mail: [email protected]

Tumorbiochemie (B0700)Prof. Dr. med. Dietrich Keppler� 06221 42-2400, FAX 06221 42-2402e-mail: [email protected]

Signaltransduktion und Wachstumskontrolle (B0800)Dr. rer. nat. Peter Angel� 06221 42-4570, FAX 06221 42-4554e-mail: [email protected]

Genetik der Hautcarcinogenese (B0900)PD Dr. rer. nat. Petra Boukamp� 06221 42-4516, FAX 06221 42-4551e-mail: [email protected]

Zentrale Spektroskopie (R0400)William E. Hull PhD� 06221 42-4515, FAX 06221 42-4554e-mail: [email protected]

Im Zentrum der Arbeit des ForschungsschwerpunktesTumorzellregulation steht der Prozess der zellulärenSignalübertragung und -verarbeitung. Eine Schlüssel-reaktion der zellulären Signalverarbeitung ist die Protein-phosphorylierung. Die dabei beteiligten Enzyme, die Pro-teinkinasen und Phosphatasen, werden von mehreren Ab-teilungen untersucht. Auch das Gebiet der Lipidmedia-toren, die nahezu jeden zellulären Prozess beeinflussen,werden von mehreren Abteilungen des Schwerpunktes be-arbeitet. Die für die Biosynthese von Lipidmediatoren ver-antwortlichen Enzyme werden zunehmend als Angriffs-punkte für krebsverhütende Ansätze diskutiert. Einen spe-ziellen Aspekt der zellulären Signalübertragung stellenTransportkomplexe dar, die u.a. auch für das Ausschleu-sen von Giftstoffen aus der Zelle verantwortlich sind undderen Überaktivierung eine Ursache für die in der Klinik sogefürchtete Resistenzentwicklung von Tumoren gegenChemotherapeutika sein kann. Grundlegende Eigenschaf-ten dieser Transportkomplexe sowie Aspekte der soge-nannten Multidrogenresistenz werden in mehreren Abtei-lungen des Schwerpunktes untersucht, wobei das vor-dringliche Ziel die therapeutische Überwindung der Zyto-statikaresistenz darstellt. Ein weiterer Schwerpunkt derArbeiten konzentriert sich auf die Entschlüsselung der mo-lekularen Mechanismen der Zell-Zell und Zell-Matrix-Wechselwirkungen und ihrer Rolle in der normalen Gewe-beregeneration sowie der Tumorentstehung und Progres-sion. Funktionelle Analysen von Transkriptionsfaktoren ingenetisch veränderten Mäusen und Zellkultursystemensind ein weiterer wichtiger Bestandteil des wissenschaftli-chen Programms des Forschungsschwerpunktes.

Die Abteilung Pathochemie befaßt sich mit folgendenAspekten der zellulären Signaltransduktion: (1) MolekulareMechanismen und funktionelle sowie strukturelle Kon-sequenzen von Proteinphosphorylierung/Dephosphorylie-rung; (2) Mechanismen der Katalyse, Regulation undHemmung von Proteinkinasen mit dem Ziel der Entwick-lung und Verbesserung klinisch anwendbarer Protein-kinase-Inhibitoren; (3) Struktur und Dynamik aktuell inter-essanter Proteindomänen, speziell die Wechselwirkungdes HIV Glykoproteins 120 (gp 120) mit dem T-Zellrezep-tor CD4, mit dem Ziel, diese zu hemmen. Hier befindensich HIV-Hemmstoffe zu therapeutischen Zwecken in Ent-wicklung.

Die Arbeiten der Abteilung Biochemie der Zelle zielen aufdie Analyse von zellulären Strukturen und Ereignissen, diefür die Proliferation von Zellen von Bedeutung sind. Hierzugehören die Identifizierung und die molekulare Charakteri-sierung von Proteinen, die am Proliferationsprozess betei-ligt sind oder Bestandteile von Zellzyklus-relevanten Zell-strukturen sind. Dabei gilt das Hauptinteresse den Protei-nen des Centrosoms und den chromosomalen Verpak-kungsproteinen vom Nicht-Histon-Typ. Der Leiter Prof.Werner ging 2001 in Ruhestand.Weitergeführte Arbeiten gelten der zellbiologischen undfunktionellen Identifizierung, Analyse und Revertierung

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Forschungsschwerpunkt B Tumorzellregulation Übersicht

DKFZ 2002: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2000/2001

von Zytostatikaresistenz, auch im Rahmen klinischer Ko-operationen.

Die Abteilung Biochemie der gewebsspezifischen Re-gulation untersucht die molekularen Mechanismen derTumorentwicklung. Ab März 2002 ist sie auf zwei Arbeits-gruppen aufgeteilt. Die Arbeitsgruppe Differenzierungnormaler und neoplastischer Epidermis untersucht dieDifferenzierungswege des menschlichen Haarfollikels, desgrößten und komplexesten Anhangsorganes der Epider-mis. Die Untersuchungen konzentrieren sich auf die Diffe-renzierung des Follikels unter normalen Bedingungen, undschließen die Veränderungen bei erblichen Haaranoma-lien sowie bei der Entstehung haarfollikel-abgeleiteter Tu-moren ein. Als Differenzierungsmarker dienen die epithe-lialen Keratine, die Haarkeratine, sowie ihre assoziertenProteine. Die Arbeitsgruppe Eicosanoide und epithelialeTumorentwicklung untersucht molekulare Mechanismender Eicosanoidwirkung in einfachen und stratifizierten Epi-thelien des Menschen und der Maus. Insbesondere inter-essieren in diesem Zusammenhang die physiologischeWundheilung, pathologische, entzündlich-degenerative Er-krankungen und die Entwicklung von Haut-, Brust- undPankreastumoren. Die Arbeiten konzentrieren sich auf dieFunktion und Regulation von Cyclooxygenasen undLipoxygenasen, den Schlüsselenzymen der Eicosanoid-biosynthese, deren Expression und Aktivität bei diesenProzessen transient oder permanent gestört ist sowie aufEicosanoid-abhängige Genexpressionsmuster. Darüberhinaus werden Cyclooxygenasen und Lipoxygenasen aufihre Eignung als Zielproteine für chemopräventive Maß-nahmen geprüft.

Die Untersuchungen der Abteilung Differenzierung undCarcinogenese konzentrieren sich auf Fragen zum mole-kularen Mechanismus der Zell-Zell Interaktion in der nor-malen Haut und ihrer Veränderungen im Rahmen derHautcarcinogenese, insbesondere zur Tumor-Stroma-Wechselwirkung. Im Rahmen der Untersuchungen vonEpithel-Mesenchym-Wechselwirkungen bei der Gewebe-regeneration konnte ein neuer Mechanismus wechselseiti-ger Regulation über die Induktion parakriner Faktoren auf-gezeigt werden. Die Detailanalyse dieser Steuerungs-mechanismen und ihrer zunehmenden Entgleisung bei derTumorprogression soll helfen, das autonome Wachstumvon Tumorzellen in vivo besser verstehen und beinflussenzu können. An einem von uns entwickelten Hautcarcinog-enese-Modell wird die Wachstumsregulation und Tumor-Stroma-Wechselwirkung an verschiedenen Tumor-Ent-wicklungsstadien an Transplantations- und Zellkultur-Modellen untersucht. Derzeit im Vordergrund stehen Arbei-ten zum Mechanismus der Tumor-Angiogenese und derenBlockade als Tumor-therapeutisches Prinzip. Diese neuenTumortherapieverfahren werden in Zusammenarbeit mitanderen Gruppen und Industriefirmen mechanistisch ana-lysiert und für den praktischen Einsatz vorbereitet.

Das Forschungsprogramm der Abteilung Tumorbio-chemie konzentriert sich auf die molekulare und kineti-sche Charakterisierung von Membrantransportern. DieHemmung von Transportern der MRP-Familie, die für eine

Mehrfachresistenz gegen Zytostatika verantwortlich sind,ist ein wichtiges Ziel bei der Verbesserung der klinischenChemotherapie von Tumoren. Die Produkte von Resis-tenz-Genen und die Produkte der MRP-Genfamilie, wel-che mehrere Konjugat-Exportpumpen normaler und mali-gner Zellen umfaßt, werden nach gezielter Mutagenesemit zellbiologischen und transportkinetischen Methodenuntersucht. Die Klonierung, Expression und funktionelleCharakterisierung von Membrantransportern umfaßt auchProteine, die für die Aufnahme physiologischer und zyto-toxischer Substanzen in die Zelle verantwortlich sind undzur Familie der „organic anion transporting polypeptides“(OATPs) zählen.

Die Abteilung Molekulare Biologie der Mitose hat sichzum Ziel gesetzt, molekulare Mechanismen nachzuwei-sen, die den Ablauf von Zellteilungen regeln, ihre Störun-gen in Tumoren aufzuklären und neue Wege zur therapeu-tischen Hemmung unkontrollierter Zellteilungen zu finden.Den Schwerpunkt dieser Arbeiten bildet die Analyse dessogenannten RCC1-Ran-Regulationsweges (RCC =regulator of chromosome condensation). Dieser Signal-übertragungsweg ist an der Kontrolle der DNA-Replikationund der Zellteilung sowie am Kerntransport von Proteinenund an der Prozessierung von mRNA beteiligt. Die Klärungder Regulationsmechanismen sowie ihrer Störungen solldazu beitragen, Möglichkeiten zur gezielten Hemmungdieses Regulationsweges zu finden.

Die Projektgruppe Biochemische Zellphysiologie arbei-tet an der Aufklärung von Pathomechanismen proliferativerProzesse. Zum einen werden Mechanismen untersucht,die durch Proteinkinase CK2 (Caseinkinase II) kontrolliertwerden, einer lebenswichtigen, hoch konservierten Phos-photransferase, die an Signalvorgängen und Genexpres-sionen beteiligt und deren ungestörte Gegenwart Voraus-setzung für das (Wieder)Eintreten von Zellen in den Zell-zyklus ist. Insbesondere wird systematisch und genomum-fassend nach Genen gesucht und ihre funktionelle Bedeu-tung charakterisiert, deren Expression von CK2 kontrolliertwird und die mit dem Auslösen der Zellproliferation ver-knüpft ist. Um zu erfahren, wie der Kontrolleur selbst kon-trolliert wird, werden molekularphysiologisches Verhaltender CK2 sowie Struktur und Transkriptionskontrolle derCK2-kodierenden Gene analysiert. Zum anderen hat dieGruppe mit Untersuchungen zur zellulären und molekula-ren Biologie normaler und entarteter Knochenzellen be-gonnen und versucht mittels Chips-basierter VerfahrenGene zu identifizieren und in ihren zellulären Rollen zucharakterisieren, deren Expression mit Tumor-assoziier-ten Knochenerkrankungen und Knochenschmerz korrelie-ren. Damit sollen Ansatzpunkte für individualisierte Dia-gnose- und Therapieverfahren gefunden werden.

Die Abteilung Signaltransduktion und Wachstums-kontrolle untersucht die Mechanismen der Signalüber-tragung von physiologischen und pathologischen extra-zellulären Signalen (Strahlung und andere genotoxische

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DKFZ 2002: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2000/2001

Substanzen mit kanzerogenen oder tumorpromovierendenEigenschaften) und die dadurch ausgelösten Veränderun-gen in der Expression spezifischer Gene. Die Arbeitenkonzentrieren sich auf die Funktion und Regulation vonUntereinheiten des Transkriptionsfaktors AP-1 (Fos/Jun)und der Identifizierung und funktionellen Analyse von AP-1Zielgenen durch Genom-weite Expressionsanalyse. Eswerden sowohl genetisch veränderte Mäuse (transgeneund knockout Mäuse) als auch davon abgeleitete in vitroZellkultursysteme eingesetzt, um die spezifische Funktiondieser Untereinheiten bei der Zellproliferation, Transforma-tion, Apoptose, Embryonalentwicklung, Angiogenese undRegeneration der Haut aufzuklären. Durch die Etablierungkrankheitsrelevanter Tiermodelle und davon abgeleitete invitro Systeme versuchen wir die molekularen Ereignisseder Krebsentstehung auf der Ebene der Genregulation zuverstehen. Seit Oktober 1999 ist der Abteilung eine selb-ständige Arbeitsgruppe Hormonwirkung und Signal-transduktion angegliedert, die von Frau PD Dr. DorisMayer geleitet wird und sich mit dem Einfluß von Steroid-hormonen auf die Entstehung von Tumoren befaßt.

Das Ziel der neu gegründeten Abteilung Genetik derHautcarcinogenese ist, genetische Veränderungen zuidentifizieren und funktionell zu charakterisieren, die beider Entwicklung von UV-bedingten Hautcarcinomen eineRolle spielen.

In der dem Forschungsschwerpunkt angegliederten Zen-tralen Spektroskopie (ZS) wird, neben der routinemäßi-gen analytischen Dienstleistung (Aufklärung von Molekül-strukturen mittels Kernspinresonanz (NMR), Massenspek-trometrie (MS) sowie IR- und UV-Spektroskopie), an derEntwicklung und Anwendung neuer Analyse-Verfahren inder Krebsforschung gearbeitet. Die Schwerpunkte der MS-Anwendungen sind Phospholipid-, Protein- und Peptid-analytik. Mit der MR-Spektroskopie bzw. Hochfeld-MR-Bildgebung in vivo werden u.a. Pharmakokinetik, Tumor-metabolismus und Metastasenwachstum untersucht. ImBereich „molecular modeling“ wird ein über das Internetbenutzbares Informationssystem bereitgestellt und Unter-suchungen zur Konformation und Dynamik von Oligosac-chariden und Glykoproteinen, sowie über denen Wechsel-wirkungen werden durchgeführt.

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Forschungsschwerpunkt B Tumorzellregulation

Abteilung B0100Pathochemie

DKFZ 2002: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2000/2001

Senior WissenschaftlerDr. Dirk BossemeyerPD Dr. Dieter KüblerProf. Dr. Jennifer Reed

Post-docsDr. Michael Gaßel (01-)Dr. Dan Mihailescu (00-

GastwissenschaftlerDr. Saturnino Herrero (01-)

DoktorandenKarin Bettinger (01-)Frank GesellchenDarko GosencaAnna Lisa Picciolo (- 00)Andreas Schlosser (zusammen mit R0400)Thorsten Schneider (- 01)

Techniker/innenHannelore Horn (1/2)Norbert KönigJames RichardsUrsula Stanior

Die Abteilung befaßt sich mit molekularen Aspekten derzellulären Signaltransduktion:- mit Liganden/Rezeptor-Wechselwirkungen, der Steue-

rung des Zellzyklus durch exogene Faktoren undschwerpunktmäßig

- mit Proteinkinasen, deren Hemmung und Aspekten derProteinphosphorylierung.

Die reversible Proteinphosphorylierung ist ein universel-les Werkzeug zur schnellen Steuerung der biologischenAktivität von Proteinen. Auch beim Wachstum von Krebs-zellen spielt sie eine große Rolle. Das Verständnis dieserReaktion erfordert die Kenntnis der für Proteinphosphory-lierung verantwortlichen Schlüsselenzyme - der Protein-kinasen - auf molekularer Ebene bis hin zu ihrer Regulati-on, Funktion und Hemmung bei der lebenden Zelle.Proteinkinase-Hemmstoffe werden bereits zur Therapieverschiedener Krebsformen eingesetzt.Überraschend wenig ist über die reversiblen Konsequen-zen der Proteinphosphorylierung für die Struktur vonPeptiden bekannt. Als Beitrag dazu interessieren uns Teil-aspekte, die sich z.B. aus dem Vergleich von Dephospho-und Phosphopeptiden ergeben. Um eine ebenfalls reversi-ble Strukturveränderung bei Peptiden und dafür verant-wortliche Faltungsmotive geht es in einem HIV-Projekt, beider Milieu-bedingte Veränderungen, wie sie bei Liganden-Rezeptor-Wechselwirkungen stattfinden, eine Rolle spie-len.

Proteinkinasen der Zelloberfläche undextrazelluläre ProteinphosphorylierungD. Kübler, D. Gosenca

In Zusammenarbeit mit Prof. I. Friedberg, Universität Tel Aviv, Is-rael; W.D. Lehmann, M. Wind, H. Heid, DKFZZusatzfinanzierung: DKFZ-Israel Kooperation

An Zellentwicklung und Einbindung in die zelluläre Umge-bung sind enzymatische Aktivitäten der Zelloberfläche be-teiligt. Durch diese Enzyme können sowohl gebundeneSubstrate auf der Zelloberfläche als auch fremde Substra-te aus der Zellumgebung verändert werden. Die von unsin den letzten Jahren an vielen Zellen nachgewiesenenSer/Thr Proteinkinasen an der Zelloberfläche (Ekto-PK)besitzen Eigenschaften cAMP-abhängiger PK (PKA) undvon Proteinkinasen CK1 und CK2. Ekto-CK1 und CK2können im Tandem von intakten Zellen in das extrazellu-läre Kompartiment freigesetzt werden, womit der Wir-kungsbereich der enzymatischen Aktivität erweitert ist.Ekto-PK ermöglichen es Zellen, Substratproteine in ihrerbiologischen Wirkung spezifisch zu verändern. Damit zei-gen unsere Befunde, dass das mächtige Werkzeug derProteinphosphorylierung auch außerhalb der Zellen ge-nutzt wird und als Mechanismus der extra-intrazellulärenSignalvermittelung wirkt. Eine inzwischen große Zahl vonLiteraturdaten zu normalen und maligne veränderten Pro-zessen unterstreicht diese zentrale Rolle extrazellulärerProteinphosphorylierung. Ekto-PK und ihre Substrate bie-ten somit vermutlich wichtige pharmakologische und thera-peutische Ziele.

Ekto-PK-Substrate der Zelloberfläche können mittels ra-dioaktiver Markierung sichtbar gemacht werden. und zei-gen sich nach SDS-Gelelektrophorese und Autoradiogra-phie als Zelltyp-spezifische Spektren von Phosphoprotei-nen. Einzelne dieser Ekto-Substrate sind relativ hoch mar-kiert und kommen häufig bei Zellen vor. Durch biochemi-sche und immunologische Analysen einschließlich Mikro-sequenzierung und Massenspektroskopie-Daten ist es unsgelungen, pp120 als ein weiteres dieser stark phosphory-lierten Zelloberflächenproteine zu charakterisieren [1]. Eswurde als Homologes eines bisher nur intrazellulär (be-sonders im Nukleolus) nachgewiesenen Proteins enttarnt.Die funktionelle Charakterisierung dieses sowie andererEkto-Substrate, die Mechanismen ihrer Expression alsZelloberflächenproteine und vergleichende Untersuchun-gen an Normal- und Tumorzellen sind Ziele laufender Ar-beiten.

Zu den Substraten der Ekto-PK gehören Moleküle mit un-terschiedlichen Funktionen wie Wachstumsfaktoren, Hor-mone, Entzündungsmediatoren oder Komponenten derextrazellulären Matrix. In Zusammenarbeit mit I. Friedberg(Tel Aviv) wurden Untersuchungen zur Funktion von extra-zellulären Nukleotiden (ATP) als Zellproliferationshemmervon transformierten und Tumorzellen durchgeführt. DieATP-induzierte Zellwachstumshemmung korreliert mit derInaktivierung von Wachstumsfaktor-Rezeptor gekoppelter

Abteilung Pathochemie (B0100)Leiter: Prof. Dr. Volker Kinzel

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Forschungsschwerpunkt B Tumorzellregulation

Abteilung B0100Pathochemie

DKFZ 2002: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2000/2001

Tyrosinkinase-Aktivität und nachgeschalteter Signalwege.Die durch Ekto-PK katalysierte Phosphorylierung einesextrazellulären kleinen Proteins, das als Abkömmling einesPlasma-Glykoproteins identifiziert wurde, ist für die Zell-wachstumshemmung entscheidend. Untersuchungen zurHerstellung dieses Wachstumsinhibitors aus Vorstufen,seine (Phospho-)Aktivierung sowie die Suche nach Re-zeptoren auf Zielzellen und nachgeschalteter Signalwegesind Schwerpunkte für das Verständnis der Mechanismender ATP-induzierten Tumorzellhemmung.

Bioregulation der cAMP-abhängigenProteinkinaseD. Bossemeyer, S. Herrero de Vega, M. Gassel,N. König, V. Kinzel

In Zusammenarbeit mit Dr. R.A. Engh, Roche-Diagnostics Penz-berg; Prof. Dr. R. Huber und Dr. T. Holak, MPI für Biochemie,Martinsried; Prof. Dr. F.W. Herberg, Ruhruniversität Bochum; W.-D. Lehmann, A. Schlosser, DKFZZusatzfinanzierung: Roche-Diagnostics, Penzberg

Die Mehrzahl aller menschlichen Krebserkrankungen undviele andere Krankheiten sind eng mit der Fehlregulationvon Proteinkinasen verknüpft. Proteinkinasen als zentraleSchalter der zellulären Regulation und Signaltransduktionphosphorylieren Proteine, wodurch deren Funktionszu-stand reversibel geändert wird. Der Grundzustand dermeisten Proteinkinasen ist allerdings der der Inaktivität,ihre pathologischen Wirkungen resultieren in der Regelaus ihrer Überexpression oder Daueraktivierung. Hemm-stoffe für die Aktivität von Proteinkinasen sind daher äu-ßerst vielversprechende Agenzien in der Tumortherapiemit z. t. überwältigenden therapeutischen Erfolgen bei nurgeringen Nebenwirkungen. Dies zeigt eindrucksvoll dasBeispiel des Proteinkinaseinhibitors STI571 (Gleevec) beider Behandlung der chronischen myeloischen Leukämie.Dieser wurde auf der Basis der Struktur der ATP-Bindest-elle von Proteinkinasen, wie sie von uns für die cAMP-ab-hängige Proteinkinase 1993 mit als erstes vorgelegt wur-de, maßgeschneidert. Ein großes Hindernis bei der struk-turbasierten Entwicklung von selektiven Proteinkinaseinhi-bitoren ist der Mangel an Kristallstrukturen therapeutischrelevanter Proteinkinasen. Von den über 600 verschiede-nen Proteinkinasen des menschlichen Genoms sind bishernoch nicht einmal 5% kristallisiert. Die Arbeitsgruppe ver-sucht daher, auf zwei Wegen räumliche Strukturinforma-tionen von Proteinkinasen für die Inhibitorentwicklung zugewinnen. Der direkte Weg führt über die rekombinanteExpression, Reinigung und Kristallisation von Proteinkina-sen, z. Z. überwiegend aus der Gruppe der AGC-Kinasen,zu der u. a. so wichtige Vertreter wie PKA, PKC, PDK1,PKB gehören. Hierzu werden sowohl bakterielle als aucheukaryontische (Insektenzell-) Expressionsysteme einge-setzt. Der indirekte Weg führt über die katalytische Unter-einheit der PKA. Kokristallisationsstudien mit Proteinkina-seinhibitoren lassen Rückschlüsse darauf zu, welche Fak-toren und Eigenschaften für die Bindung von Inhibitoreneine Rolle spielen [2]. Hierzu wurden von uns schon in derVergangenheit eine Reihe von Kristallstrukturen von Pro-teinkinase/Inhibitorkomplexen veröffentlicht. Wegen der

hohen Konserviertheit des katalytischen Kerns von Pro-teinkinasen lassen sich bestimmte Eigenschaften undstrukturelle Charakteristika anderer, verwandter Kinasendurch gerichtete Mutagenese von PKA nachahmen (dabeientstehen sogenannte Surrogatkinasen). Dieser Weg bie-tet den Vorteil der leichten Gangbarkeit, da für PKA vielfäl-tige Aktivierungs- Reinigungs- und Kristallisationssystemeentwickelt wurden, die sich längst im Routineeinsatz be-währt haben.

Um eine möglichst breite und solide Basis für die Entwick-lung neuer Hemmstoffe zu schaffen, versuchen wir dar-über hinaus, die strukturellen und funktionellen Mechanis-men der Katalyse und der zellulären Inaktivierungsprozes-se von Proteinkinasen zu verstehen. Hierzu kombinierenwir strukturelle Analysen [3], gerichtete Mutagenesen vonausgewählten Aminosäureresten und konservierten Struk-turelementen und funktionelle sowie kinetische Studien, z.B. mittels Surface Plasmon Resonanz. Ein natürlicher Re-gelmechanismus von Proteinkinasen führt über die Phos-phorylierung dieser Enzyme. PKAc z. B. verfügt, je nachIsoform, über mindestens 4 Phosphorylierungsstellen. Mitdiesen Phosphorylierungen haben wir uns in einer Reihevon massenspektrometrischen Untersuchungen beschäf-tigt [4,5]. Außerdem gelang es uns, die unterschiedlichenstrukturellen Eigenschaften dieser Phosphorylierungsstel-len mittels NMR-Spektroskopie zu verstehen [6].

Die Wirkung zahlreicher Hormone wird über Änderungendes intrazellulären cAMP-Spiegels vermittelt. Hauptwirkortdieses sekundären Botenstoffes ist ein einziges Enzym,PKA. Die vielfältigen und für das jeweilige Hormon spezifi-schen zellulären Antworten lassen sich nur durch subzel-lulär unterschiedliche Verfügbarkeiten und individuell be-sondere Eigenschaften von PKA und PKA-Isoenzymen er-klären. Genetisch kennt man C�, C�, C�, sowie C�2 (ent-deckt und kloniert in der Abteilung), und einige andereSplicevarianten. C�2 ist insofern ungewöhnlich, als eseine aminoterminale Extradomäne aufweist. Gegenwärtiguntersuchen wir die Rolle von C�2 und seiner Extradomä-ne im Hinblick auf biochemische und biologische Wirkun-gen, wie Regulation, Protein-Proteinwechselwirkung,Translokation und Substraterkennung. Wir haben gefun-den, dass C�2, welches ubiquitär in Säugern und auch inVögeln vorkommt, funktionell einen Mangel an C� ausglei-chen kann [7].

Auf der Proteinebene wurden zwei isoelektrische La-dungsvarianten der Proteinkinase A detektiert und in derAbteilung charakterisiert. Dies führte zur Entdeckung einerkonservierten in vivo Deamidierungsstelle am Aminotermi-nus aller myristoylierten PKAc Isoformen, möglich nur un-ter Einsatz massenspektrometrischer Techniken, wie be-reits zuvor publiziert. Unser Verständnis der funktionellenRolle dieser Deamidierungsstelle beginnt sich aus der Un-tersuchung lebender Zellen abzuzeichnen. Die intrazellu-läre Verteilung und Lokalisation wird demnach in hohemMaße durch diese posttranslationale Modifikation be-stimmt. Als Folge wird die Phosphorylierung des Transkrip-tionsfaktors CREB (cAMP-responsive element bindingprotein) durch PKA beeinflusst. Darüber hinaus wurde dereigentliche Prozess der Deamidierung von PKA, der von

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Forschungsschwerpunkt B Tumorzellregulation

Abteilung B0100Pathochemie

DKFZ 2002: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2000/2001

Razemisierungen begleitet wird, von uns bis ins Detail un-tersucht [8,9,10,11].

Kontrolle des Zellzyklus am G2/MitoseÜbergangV. Kinzel, N. König, J. Richards

In Zusammenarbeit mit W. D. Lehmann, A. Schlosser, M. WindDKFZ

Bei vielzelligen Organismen wird die Vermehrung der Zel-len durch meist reversible Hemmung an physiologischenRestriktionspunkten im Zellzyklus, teils in G0, teils in G2Phase vor der Zellteilung (Mitose, M) kontrolliert. Protein-Phosphorylierungs- und Dephosphorylierungsvorgängespielen dabei eine Schlüsselrolle und damit implicite diedafür verantwortlichen Katalysatoren, Proteinkinasen undProteinphosphatasen. Die Kenntnis deren Regulation aufmolekularer Ebene ist daher Voraussetzung für das Ver-ständnis der normalen sowie der gestörten Zellzyklus-kontrolle.

Wir befassen uns mit der Regulation der Proteinphosphat-ase 2A (PP2A) am Übergang von G2 Phase in die Mitose.Dazu gab es bisher in der Literatur nur indirekte Hinweise.Es gelang erstmals, die Hemmung der PP2A am G2-MÜbergang und in Mitose direkt zu zeigen [Klingler M. Dis-sertation 1999]. Vermutlich wird dabei die katalytischenUntereinheit der PP2A (PP2Ac) phosphoryliert , wie mitAntikörpern erhaltene Befunde andeuten.

Ziel ist nun, zu zeigen, ob Immunreaktivität und an Proteingebundenes Phosphat einander entsprechen, d.h. derphysikalische Nachweis. Dafür ist isolierte PP2Ac nötig,deren Reinigung aus synchronen Zellen inzwischen an-nährend quantitativ in einem Schritt gelingt. Sobald die aufPhosphorylierung hinweisende Immunreaktivität dieserPP2Ac stabil gehalten werden kann, soll das Protein mitHilfe der Massenspektrometrie analysiert werden.

Strukturdeterminanten von ProteinenJ. Reed, K. Bettinger, D. Mihailescu

In Zusammenarbeit mit: Prof. J.C. Smith, Universität Heidelberg,Prof. Dr. Langosch, Technische Universität MünchenZusatzfinanzierung: HGF Strategiefond, VW-Stiftung

In jüngster Zeit wurde immer deutlicher, daß in einer Reihevon Fällen Domänen eines Proteins, die für eine bestimm-te Funktion verantwortlich sind, in isolierter Form - ohneden Kontext der nativen Proteinmatrix - sowohl ihre Struk-tur als auch ihre Funktion bewahren. Dies erleichtert Un-tersuchungen von Struktur-Funktionsbeziehungen bei sol-chen Domänen ganz erheblich, weswegen solche Studienheute in der medizinischen Grundlagenforschung sowiebei der gezielten Entwicklung von Medikamenten üblichsind. Diese Gruppe benützt biophysikalische Technikenwie Cirkulardichroismus- (CD) und magnetische Kern-resonanz-spektroskopie (NMR) in Verbindung mit compu-tergestützter Molekülmodellierung zur Analyse kritscherKontrollaspekte bei Proteindomänen von medizinischemInteresse - zum einen, was Liganden-Rezeptor Wechsel-

wirkungen im allgemeinen betrifft, zum anderen, wie post-translationale Strukturveränderungen die biologische Akti-vität beeinflussen.

Der Konformations-Schalter im HIV1 HüllproteinDer Befund dieser Gruppe, daß die CD4 Bindungsdomänedes Glykoproteins gp120 von HIV1 einen konserviertenKonformations-Schalter enthält, d.h. einen Abschnitt, dereine kooperativen Umfaltung von einer �-Struktur zu einer310 Helix bei Membranbindung erfährt, ermöglichte zweiAnsätze für eine neue Form anti-viraler Therapie. Beidezielen auf die Blockade des initialen Infektionsschrittes,der Bindung des Virus an den CD4 Rezeptor von Wirts-zellen.

Die Tatsache, daß die kooperative Umfaltung der Schalter-domäne absolut nötig ist zur Bindung an CD4, führte zurSuche nach Verbindungen, die diese Kooperativität hem-men. Die Suche war erfolgreich. Diese Substanzen verhin-dern in der Tat die Rezeptorbindung des gp120 Fragmentsan CD4 exprimierende Zellen. Im Zuge der Verfeinerungmit Hilfe von QSAR und Molekülmodellierung wurden Um-falt-Hemmer hergestellt mit einer ID50 im niedrigen nano-molaren Bereich, die auch nicht toxisch waren in Zellkul-turen. An diesem Punkt schien das Projekt reif für eine in-dustrielle Weiterentwicklung, die mit einer SteinbeisGMBH eingeleitet wurde (Transferzentrum für angewandteBiologische Chemie und Transferzentrum Glykocon-jugate).

Das hohe Maß der Konservierung der Faltungseigen-schaften der CD4 Bindungsstelle von gp120 - trotz einererheblicher Sequenzvariabilität - eröffnet zusätzlich einenneuen immunologischen Ansatz. Die Strategie besteht inder präzisen Bestimmung des Peptid-Rückgrats dieserDomäne in freier, d.h. nicht an CD4 gebundener Form. Diediversen Aminosäuresequenzen in diesem Bereich derverschiedenen HIV1 Stämme kann dann auf die konser-vierte Rückgratstruktur aufmodelliert und die so erzeugten,Molekül-Oberflächen auf Ähnlichkeiten bezüglich der La-dungsverteilung, Hydrophobizität, sterische Charakteristi-ka etc. überprüft werden. Sofern sich dann Regionen mitkonservierten Oberflächeneigen-schaften identifizierenlassen, könnten sie als Schablone zur Herstellung einesAntigens dienen, das eine vom Virus-Stamm unabhängigeImmunantwort auslösen kann.

Die starke Tendenz zur Aggregation erlaubte bisher keineNMR Messungen der Rückgrat-Struktur der verschiedenenCD4 Bindungsdomänen unter polaren Bedingungen(Lindemann et al., eingereicht). Wir haben dieses Problemdadurch gelöst, daß wir den unter apolaren Bedingungenermittelten NMR Strukturen mit Hilfe molekulardynami-scher Berechnungen erlaubten, in simuliertem Wasser zurelaxieren [12] (Mihailescu et al., submitted). Sie münde-ten alle in dieselbe Grundstruktur, die dann für die Model-lierung der Molekül-Oberflächen unterschiedlicher Se-quenzen ( 19 von insgesamt 8 HIV1 clades, der GruppenM und O) herangezogen wurden. Dabei ergab sich einübereinstimmendes, zum Pharmakophor geeignetesPhantom für den Entwurf eines stammübergreifenden Anti-gens zur Vakzine-Entwicklung.

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Forschungsschwerpunkt B Tumorzellregulation

Abteilung B0100Pathochemie

DKFZ 2002: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2000/2001

Post-translationale ModifikationenObwohl post-translationale Modifikationen bekannterweiseganz entscheidend sind für die Regulation von Zell-Wachstum und Stoffwechsel, so ist doch nur in ganz weni-gen Fällen die Art und Weise bekannt, wie sie die Funktionvon Proteinen ändern. Deshalb haben wir untersucht, wiesolche Modifikationen, speziell Phosphorylierung, die Pro-tein-Struktur lokal wie auch global beeinflussen [13]. MitHilfe von CD- und NMR-Messungen wurden an nativenwie auch künstlichen Peptidsequenzen die strukturellenKonsequenzen von Phosphorylierung, Deamidierung undMyristoylierung gemessen. Dabei ergab sich erstmals, daßPhosphorylierung direkt den bevorzugten Dihedral-Winkeldes Peptid-Rückgrats am modifizieten Aminosäurerest ver-ändert. Untersuchungen der interaktiven Effekte multiplerModifikationen am N-Terminus der katalytischen Unterein-heit der PKA als Modell haben gezeigt, wie diese in syner-gistischer Weise Struktur und Membran-Affinität beeinflus-sen [14].

Fusionsfördernde PeptideDie Fusion von biologischen Membranen ist essentiell beizahlreichen zellulären Prozessen und unterliegt vielen mi-krobiellen Infektionen. Meist wird sie in gezielter Weisedurch einen Satz spezialisierter Peptide induziert. Es wäremedizinisch nützlich, diesen Vorgang kontrollieren zu kön-nen, doch ist nicht bekannt, wie fusionsfördernde Peptidearbeiten. In einem von der VW Stiftung geförderten Projektversuchen wir herauszufinden, welche Eigenschaften die-ser ziemlich kurzen Peptide für die Fusion verantwortlichsind. Mit Hilfe synthetischer Peptide, die die fusionsför-dernden Signale von Synaptobrevin II und Syntaxin 1Anachahmen, konnten wir zeigen, daß die fusionsförderndeWirkung mit deren Fähigkeit gekoppelt ist, 1) selbst miteinander zu assoziieren und 2) dabei �-Struktur anzuneh-men [15]. Helix-fördernde Maßnahmen verringerten diefusionsfördernde Wirkung. Diese Untersuchungen sollenauf fusionsfördernde Sequenzen des vesicular stomatitisVirus ausgedehnt werden, um zu sehen, ob hier ein allge-meiner Mechanismus vorliegt. Die Aufklärung der zurMembranfusion erforderlichen Sequenzeigenschaftenkönnte die Entwicklung von Peptiden erlauben, mit derenHilfe eine spezifisch gezielte, liposomale Applikation vonMedikamenten möglich wird.

Peptidsequenzen mit SchaltereigenschaftenDer Konformations-Schalter der CD4 Bindungsdomänevon HIV1 gp120 ist kein Einzelfall. Wir haben in zahlrei-chen anderen Proteinen spezifische Sequenzen mit pola-ritätsgesteuertem Konformations-Schalter identifiziert. Wirsind nun dabei zu untersuchen, ob solche Schalter einenallgemeinen Mechanismus zur Förderung von Protein-Membran- und Protein-Protein-Wechselwirkungen darstel-len und wie sie identifiziert werden könnten. Die Fähigkeit,zu benennen, welche Eigenschaften eine Schaltersequenzals solche kennzeichnen und welche Wechselwirkungendadurch gesteuert werden, würde die Vorhersage vonProteinfunktionen allein aus Kenntnis der Sequenz starkerweitern - ein vitaler Aspekt in der Post-Genom Ära.

KooperationenDie Erfahrungen auf dem Gebiet der CD-Analysen derSekundärstruktur von Proteinen haben zu einer Reihe Ko-operationen geführt, die alle innerhalb des oben skizzier-ten Forschungsrahmens angesiedelt sind [16,17,18,19].

Publikationen (* = externe Koautoren)[1] Kübler, D. (2001) Ecto-protein kinase substrate p120 revealedas the cell-surface-expressed nucleolar phosphoprotein Nopp140:A candidate protein for extracellular Ca2+-sensing. Biochem. J.360, 579-587[2] *Engh, R.A., Bossemeyer, D. (2002) Structural aspects ofprotein kinase control - role of conformational flexibility.Pharmacology & Therapeutics, in press[3] *Engh, R.A., Bossemeyer, D. (2001) The protein kinase activitymodulation sites: Mechanisms for cellular regulation - targets fortherapeutic intervention. Adv. in Enzyme Regulation 41, 121-149[4] Schlosser, A., Lehmann, W.D. (2000) Five-membered ringformation in unimolecular reactions of peptides: a key structuralelement controlling low energy collision-induced dissociation ofpeptides. J. Mass Spectrom. 35, 1382-1390[5] Schlosser. A., Pipkorn, R., Bossemeyer. D., Lehmann, W.D.(2001) Analysis of protein phosphorylation by a combination ofelastase digestion and neutral loss tandem mass spectrometry.Analytical Chemistry 73, 170-176[6] *Seifert, M.H., *Breitenlechner, Ch., Bossemeyer. D., *Huber,R., *Holak, T.A., *Engh, R. (2002) Phosphorylation and flexibilityof cyclic-AMP dependent protein kinase (PKA). using 31P NMRspectroscopy. Biochemistry, in press[7] Thullner, S., Gesellchen, F., Wiemann, S., Pyerin, W., Kinzel,V., Bossemeyer, D. (2000) Cß2 - A splice variant ofthe Cß subunitofthe cAMP-dependent protein kinase characterized at theprotein level. Biochem. J. 351, 123-132[8] Pepperkok, R., Hotz, A., König, N., Girod, A., Bossemeyer, D.,Kinzel, V. (2000) Intracellular distribution ofmammalian proteinkinase A catalytic subunit altered by conserved Asn2 deamidation.J. Cell Biol. 148, 715-726[9] Lehmann, W.D., Schlosser, A., Erben, G., Pipkorn, R., Bosse-meyer, D., Kinzel, V.(2000) Analysis of isoaspartate in peptides byelectrospray tandem mass spectrometry. Protein Science 9, 2260-2268[10] Kinzel, V. , König, N., Pipkorn, R., Bossemeyer, D.,Lehmann, W.-D. (2000) The amino terminus of PKA catalyticsubunit - a site for introduction of posttranslational heterogeneitiesby conserved deamidation: D-Asp2 and D-isoAsp2 containingisozymes: Protein Science 9, 2269-2277[11] *Eberle, H.B., *Serrano, R.L., *Radke, S., *Füllekrug, J.,Schlosser. A., Lehmann, W.D., *Lottspeich, F., *Kaloyanova, D.,*Wieland, F.T., *Helms, J.B. (2002) Identification andcharacterization of a novel human plant-pathogenesis relatedprotein that localizes to lipid-enriched microdomains in the Golgicomplex. J. Cell Sci., in press[12] Mihailescu, D., *Smith, J.C., Reed, J. (2002) Solutionstructure of a putative HIV1 immunogenic peptide: Computersimulation of the principal CD4 binding domain of gp120. J. Med.Chem. 45, 1019-1025[13] *Eidenmüller, J., *Fath, T., *Pool, M., *Hellwig, A., Reed, J.,*Sontag, E., *Brandt, R. (2000) Structural and functionalimplications oftau hyperphosphorylation: Information from pairedhelical filament (PHF)-like tau phosphomutants. Biochemistry 39,13166-13175[14] Tholey, A., Pipkorn, R., Bossemeyer, D., Kinzel, V., Reed, J.(2001) Influence of myristoylation, phosphorylation anddeamidation on the structural behaviour of the N-terminus of thecatalytic subunit of cAMP-dependent protein kinase. Biochemistry40, 225-231

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Forschungsschwerpunkt B Tumorzellregulation

Abteilung B0100Pathochemie

DKFZ 2002: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2000/2001

[15] *Langosch, D., *Crane, J.M., *Brosig, B., *Hellwig, A., *Tamm,L.K., Reed, J. (2001) Peptide mimics of SNARE transmembranesegments drive membrane fusion depending on theirconformational plasticity. J. Mol. Biol. 311,709-721[16] Hofmann, I., Mücke, N., Reed, J., Herrmann, H., Langowski,J. (2000) Physical characterization of plakophilin 1 reconstitutedwith and without zinc. Eur. J. Biochem 267, 4381-4389[17] *Schneikert, J., *Hübner, S., *Langer, G., *Petri, T., *Jäättelä,M., Reed, J., *Cato, A.C.B. (2000) Hsp70-RAP46/chaperone-cochaperone interaction in downregulation ofDNA binding by theglucocorticoid receptor. EMBO J.19, 6508-6516[18] Pfrepper, K.-I., Reed, J., *Rackwitz, H.-R., Schnölzer, M., Flü-gel, R.M. (2001). Characterization of peptide substrates and viralenzyme that affect the cleavage site specificity of the humanspumaretrovirus protease. Virus Genes 22, 61-72[19] *Simons, A., *Ruppert, T., *Schmidt, C., *Schlicksupp, A.,Pipkorn, R., Reed, J., *White, A.R., *Bayer, T.A., *Cappai, R.,*Multhaupt, G. (2002) Copper binding of APP-family members inan evolutionary reconstruction. J. Biol. Chem., in press

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Forschungsschwerpunkt B Tumorzellregulation

B0200Biochemische Zellphysiologie

DKFZ 2002: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2000/2001

Wissenschaftliche MitarbeiterDr. Karin AckermannDr. Andreas Krehan, (-07/00)Dr. Bernd Sorg

DoktorandenThomas BarzOliver Böcher (-06/01)Gaelle Dubois (gem. m. Dr. R. Eils, H0900, DKFZ)Sabine EisenbergerGodehard HoppeKerstin Knerr

DiplomandenPatrizia Bastone (-11/01)Jochen Gerber (-12/01)Tanja NeidhartElke Schultz (-08/01)Anja Strasser (-03/01)

TechnikerMichael EmmenlauerAndrea Waxmann

Wir untersuchen Pathomechanismen proliferativer Prozes-se in zwei miteinander verzahnten Schwerpunkten. Zumeinen analysieren wir einen konkreten Steuerungsmecha-nismus zellulärer Funktionen, den Proteinkinase-CK2-Komplex, zum anderen Zusammenhänge von Genexpres-sionen mit Tumor-assoziierten Knochenerkrankungen.Proteinkinase CK2 ist eine hoch konservierte tetramereSer/Thr-Phosphotransferase bestehend aus zwei katalyti-schen Untereinheiten (CK2� und/oder CK2�‘) und zweiregulatorischen Untereinheiten (CK2�). CK2 verhält sichjanusköpfig. Einerseits lebenswichtig, kann CK2 anderer-seits Onkogencharakter entwickeln. Störungen von Aktivi-tät oder Struktur ändern das Proliferationsverhalten vonZellen und in Modellsystemen wie Hefe oder Maus denPhänotyp. Zusammen mit der breiten Palette bekannteroder vermuteter CK2-Interaktionspartner, weist dies aufBeteiligung an einer großen Zahl zellulärer Funktionenhin. Trotz intensiver Arbeit in verschiedenen Laboratorienist es bisher nicht gelungen, die erzielten Ergebnisse ineine eindeutige Vorstellung umzusetzen, welchen physio-logischen Zweck CK2 besitzt und wie die Janusköpfigkeitzustande kommt. Es ist unser Ziel, zur Lösung dieses Rät-sels beizutragen. Wir wollen Gene identifizieren und funk-tionell charakterisieren, deren Expression von CK2 kon-trolliert wird und die an der Proliferationsauslösung betei-ligt sind, und wir wollen zugehörige transkriptionsbestim-mende CK2-Interaktionspartner finden [Grein und Pyerin1999 Mol. Cell. Biochem. 191, 121-128; Li et al. 1999 J.Mol. Biol. 293, 1067-1084]. Untersucht werden dieTranskriptome des Menschen sowie der ModellsystemeMaus und Hefe. Darüberhinaus wollen wir wissen, wie dieExpression des Kontrolleurs CK2 selbst kontrolliert wird.Im Berichtzeitraum konzentrierten wir uns auf CK2-abhän-gige Genexpressionen des Hefegenoms, weil dieses kom-plett entschlüsselt und damit in seiner Gesamtheit unter-suchbar ist sowie auf Bau und Transkriptionskontrolle derGene, die die Untereinheiten menschlicher CK2 kodieren.Tumor-assoziierte Knochenerkrankungen sind eine volks-wirtschaftlich bedeutende Belastung; der Knochen ist nachLeber und Lunge das am dritthäufigsten von der Filialisie-rung maligner Tumore betroffene Organsystem. Das Wis-sen über die molekularen Hintergründe seiner tumorspe-zifischen Kolonisierung und die Pathogenese des beglei-tenden Knochenschmerzes ist lückenhaft und wider-sprüchlich. Proteinkinase CK2 spielt im Knochen wichtigeintra- und extrazelluläre Rollen. Ziel unserer Arbeiten istes, einen Beitrag zu liefern zu einer patientenspezifischen,DNA-Chips-gestützten, diagnose- und therapierelevantenmolekularen Taxonomie von Metastasierung und Tumor-schmerz. Mit den Arbeiten haben wir im Berichtzeitraumbegonnen. Sie erfolgen im Rahmen des TumorzentrumsHeidelberg-Mannheim.

Biochemische Zellphysiologie (B0200)Leiter: Prof. Dr. Walter Pyerin

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Forschungsschwerpunkt B Tumorzellregulation

B0200Biochemische Zellphysiologie

DKFZ 2002: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2000/2001

Proteinkinase CK2-Komplex im Kontextproliferativer ProzesseW . Pyerin, K. Ackermann, T. Barz, G. Dubois,T. Neidhart

In Kooperation mit: U. Wirkner, EMBL Heidelberg; H. Ansuini,Universita Perugia, Italien; O. Filhol, C. Cochet, INSERMGrenoble, Frankreich; C. V. C. Glover, University of Georgia,Athens, USA; J. DeRisi, University of California, San Francisco,USA; P. Lichter, R. Eils, DKFZ.Gefördert von: HGF-Strategiefonds III.

CK2-kontrollierte GenexpressionOb eine Zelle den Weg der Proliferation, Differenzierungoder Apoptose einschlägt, entscheidet sich in der Zellzyk-lus-Anfangsphase und ist das Resultat spezifischer, tem-porärer Programme der Expression und Repression vonGenen. Störungen sind häufige Ursache von Krankheiten,einschliesslich Krebs. Wir konnten zeigen, dass ohne dieungestörte Gegenwart des Proteinkinase-CK2-Komplexesmenschliche Zellen die Zellzyklus-Anfangsphase nichtoder nicht korrekt durchlaufen [Pepperkok et al. 1994 J.Biol. Chem. 269, 6986-6991; Lorenz et al. 1999 FEBSLetters 448, 283-288], CK2 also an der Realisierung derdafür verantwortlichen Expressionsprogramme beteiligt ist.Mit Hilfe der DNA-Chip-Technologie, die ein Erstellen vonExpressionsprofilen von hunderten und tausenden vonGenen gleichzeitig und unter identischen Bedingungen er-laubt, versuchen wir herauszufinden, welche der Gene inCK2-abhängiger Weise exprimiert werden. Wir ermittelnGenexpressionsprofile an Zellen, deren Proteinkinase-CK2-Komplex wir gezielt verändern (Nukleinsäure- undProteinebene). Wenn wir CK2-Gene im ModellsystemHefe mutieren oder deletieren, finden wir eine Reihe vonGenen signifikant in ihrer Expression erhöht oder ernied-rigt. Ein Grossteil davon lässt sich zu Gengruppen ordnen,die ganze Regulone repräsentieren. Zwei davon, dasPhosphatregulon und das Flockungsregulon, haben wirbisher näher untersucht. Insgesamt zeigen etwa 5-10% al-ler Gene des Hefegenoms in der einen oder anderen Wei-se Abhängigkeit von CK2 in ihrer Expression [1].

Das Phosphatregulon interessiert, weil die Versorgung mitPhosphat essentiell ist für alle Zellen jeden Typs. Phos-phatmangel hemmt Zellwachstum und löst Zellteilungsstopaus. Die Hefe Saccharomyces cerevisiae besitzt für dieAufrechterhaltung der Phosphatversorgung den PHO-Stoffwechselweg, der transkriptionsreguliert ist und dersich aus einer Gruppe von etwa 20 Genen zusammen-setzt. Die gezielte genetische Perturbation der vier Gene,die in Hefe die CK2-Untereinheiten kodieren, führt, wennwir die Genexpressionsprofile beim Eintritt in den Zellzyk-lus erfassen (Übergang G0/G1-Phase; frühe G1-Phase),zu einer massiven Transkriptionsänderung der PHO-Gene.Ein Fehlen der regulatorischen CK2-Untereinheiten verur-sacht eine signifikante Depression der Gene, die für diePhosphat-versorgenden Phosphatasen (PHO5, PHO11,PHO12) und Phosphattransporter (PHO84, PHO89) kodie-ren sowie deren zentralen Transkriptionsaktivator (PHO4).Im Gegensatz zu diesen exekutiven PHO-Komponentenbleibt die CK2-Manipulation für die Komponenten des zen-tralen PHO-Regulationskomplexes aber ohne Konsequen-

zen: Die Gene PHO85, PHO80 und PHO81, die jeweils füreine Cyclin-abhängige Kinase (CDK), ein Cyclin, und ei-nen CDK-Inhibitor kodieren, bleiben in ihrer Expressionunverändert. Mit unseren Daten zeigen wir erstmals, dassdie Gegenwart ungestörter CK2 für den PHO-Stoffwech-selweg von essentieller Bedeutung ist. Störung reprimiertauf Dauer die Expression der Komponenten der Phosphat-versorgung und des Phosphatsensoriums und entkoppeltsie damit von ihrem zentralen Cyclin-CDK-Kontrollkom-plex, der CK2-unabhängig und Zellzyklus-verknüpft ist [2].

Das Flockungsregulon ist für massive Änderung derLebensäusserung von Hefezellen verantwortlich. Hefen,die unter optimalen Kulturbedingungen ohne die Bildungflockender Verbände leben, flocken aus, wenn die Bedin-gungen ungünstig werden. Die Gene, die für Flockungs-proteine und mit ihnen kooperierende Faktoren der Zell-membran kodieren, sind unter Optimalbedingungen repri-miert. Unsere Untersuchungen zeigen, dass diese Repres-sion aufgehoben wird, wenn CK2 genetisch gestört wird.Folgerichtig führt dies unter Optimalbedingungen zumAusflocken der Hefezellen. Wir finden dann eine signifi-kant erhöhte Expression der Flockungsgene (FLO1, FLO5,FLO9, FLO10, FLO11) und von Genen, die bestimmteZellwandkomponenten und Kohlenhydrat-Stoffwechsel-faktoren kodieren (AMS1, YDL223W, SKN1, FIT1,YMR317W) sowie einen zugehörigen Transkriptionsaktiva-tor (SSN5). Interessanter Weise sind nicht nur Expres-sionsstärken verändert. Vielmehr wird die Expressions-erhöhung etwa von FLO11 von einer neuen Transkript-Spezies verursacht, wahrscheinlich einem bisher unbe-kannten Splice-Produkt. Anders als bei den PHO-Genen(s.o.), bleiben Änderungen an den regulatorischen Unter-einheiten der CK2 aber ohne Folgen für die Flockung,ebenso die Deletion einer der beiden katalytischen Unter-einheiten. Flockung wird nur beobachtet, wenn nicht le-bensfähige Doppelmutanten der katalytischen Unterein-heiten (cka1 cka2) durch temperatursensitive Allele vonCKA1 oder CKA2 gerettet wird und dabei die CK2-Aktivitätunterhalb eines bestimmten, das Überleben gerade nochzulassenden Niveaus bleibt. Unsere Daten zeigen, dassder Proteinkinase CK2 im Flockungsregulon eine essenti-elle Gen-reprimierende Funktion zukommt, ohne dieflockungsfreie Verbände nicht existieren können [3].

Unsere Daten weisen ferner aus, dass die CK2-Isoformen� und �‘ funktionell unterschiedliche Rollen spielen kön-nen, und dass der Untereinheit ß nicht immer dieselbe Be-deutung zukommt. Während im Falle der FLO-Gene dieExpressionskontrolle eher von der Höhe der Kinaseaktivi-tät abhängt als davon, durch welche Isoform sie zustandekommt, und eine Deletion der regulatorischen Untereinhei-ten folgenlos bleibt [3], ist bei der Expressionskontrolle derPHO-Gene eine deutliche Isofom-Spezifität der katalyti-schen Untereinheiten und eine starke Abhängigkeit vonden regulatorischen Untereinheiten zu finden [2]. Obwohlgegensätzlich in der Wirkung auf die Transkription und un-terschiedlich in der Wirkungsqualität auf die FLO- undPHO-Regulone, scheint derselbe zellphysiologischeZweck sichtbar zu werden, der eines Überlebensfaktors

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Forschungsschwerpunkt B Tumorzellregulation

B0200Biochemische Zellphysiologie

DKFZ 2002: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2000/2001

(cell survival factor; vgl. auch [Ahmed et al. 2002 Trends inCell Biology 12, 226-230]).

Hefe ist nicht nur als zelluläres Modell interessant. Viel-mehr können Hefezellen auch als „biologische Retorte“vorteilhaft eingesetzt werden, etwa beim Studium mensch-licher Genexpressionsmechanismen unter in vivo-Bedin-gungen im 1H-System (one hybrid system) mittels Repor-tergen-Expressionen. Wir haben damit beispielsweise dieFrage beantworten können, ob der zu beobachtende sti-mulierende Effekt von CK2� auf die Expression desmenschlichen Aromatase-Gens direkt oder indirekt ausge-übt wird [Ackermann and Pyerin 1999 Mol. Cell. Biochem.191, 129-134]. Die neue Generation von 1H-Systemenverwendet eine Variante des grün fluoreszierenden Prote-ins (GFP) als Reporter anstatt HIS3/lacZ. Das ist zeit- undarbeitssparend. Diese Alternative hat in seiner kommerziellerhältlichen Form allerdings das Manko einer fehlendenpositiven Bezugsgrösse. Wir haben deshalb ein Kontroll-vektor-Konstrukt mit Maus-p53-cDNA und seiner Bin-dungssequenz sowie Distanz-Modifizierungen zwischenKlonierungsstelle und Reportergen-Promotor entworfenund erfolgreich experimentell umgesetzt. Das Resultat isteine positive Kontrollvektor-Kombination für GFP-1H-Sy-steme, eine notwendige Voraussetzung für genaue DNA-Protein-Interaktionsstudien [4].

Die Kontrolle des Kontrolleurs: Die CK2-Genedes Menschen und ihre Transkriptionsregulation.Das menschliche Genom besitzt vier CK2-Gene, zweiGene für � and je ein Gen für �’ und � [Pyerin et al. 1996in: Protein Phosphorylation. F. Marks ed, VCH Weinheim,117-147]. Wir konnten bisher drei der vier menschlichenGene isolieren und ihre Strukturen entschlüsseln, dasCK2�-Gen und die beiden CK2�-Gene, von denen aller-dings nur eines aktiv ist, während das andere ein prozes-siertes Pseudogen darstellt. Im Mittelpunkt unserer Unter-suchungen im Berichtzeitraum standen vergleichendePromotoranalysen des aktiven CK2�-Gens und des CK2�-Gens. Darüberhinaus versuchten wir, das noch ausständi-ge CK2�’-Gen zu isolieren und zu charakterisieren.

Im Promoterbereich des etwa 70 kb grossen und aus 13Exonen zusammengesetzten CK2�-Gens [Wirkner et al.1998 Genomics 48, 71-78] fallen GC-Boxen auf, eineCpG-Insel, zwei Transkriptionsstarts (Positionen +1 and50) und das Fehlen einer TATA-Box. Das Gen endet 3’-wärts mit sechs potentiellen Poly-A-Stellen, wovon nurzwei verwendet zu werden scheinen. Stark Promotor-akti-ve Bereiche finden sich zwischen den Positionen -256 und144 [Wirkner and Pyerin 1999 Mol. Cell. Biochem 191, 59-64]. Wir haben diese Region mit Hilfe eines Bündels vonMethoden im Detail analysiert, darunter Reportergen-Assays (Luciferase; HeLa-, JEG-3-, SaOs-Zellen), orts-gerichtete Mutagenese, elektrophoretische Mobilitätsshiftsund Supershifts, UV-Quervernetzung, Westernblots undDNA-Affinitätschromatographie. Die höchste Transkrip-tionsaktivität konnte auf den Abschnitt –9 bis 46 einge-engt und die Transkriptionsfaktoren Sp1, Ets1 und NF-�Bals Interaktionspartner identifiziert werden. Mutationsana-lyse einzelner ihrer Bindestellen und simultane Mutationenvon zwei und mehr dieser Stellen, weisen wechselseitige

funktionsbestimmende Einflussnahmen aufeinander nach,und die Anwesenheit der Faktoren in den Kernen der ver-wendeten Zellen konnte experimentell bestätigt werden.Interessanterweise stellte sich mindestens einer der Fak-toren, Sp1, als phosphorylierbar durch das CK2-Holoen-zym (�2�2) heraus, nicht jedoch durch individuelles CK2�,dem Genprodukt. Die Phosphorylierung vermindert signifi-kant die Promotorbindung von Sp1. Bei Verfügbarkeit vonCK2� ergibt sich daraus die Möglichkeit einer steuerndenRückwirkung des Genprodukts auf die Expression des ei-genen Gens, indem das entstehende CK2� mit CK2�CK2-Holoenzym bildet, das dann Sp1 phosphorylierenund damit dessen Promotor-Bindung und/oder Interaktionmit Ets1 verändern und so die Transkriptionsaktivität desCK2�-Gens absenken kann [5].

Die Verfügbarkeit von CK2� für eine solche Regulationkönnte sich aus einer synchronen Steuerung des CK2ß-Gens mit dem CK2�-Gen ergeben. Die vergleichendeAnalyse des Promotor-Bereichs des CK2�-Gens, das wirals ein 4.2 kb umfassendes und aus 7 Exonen bestehen-des Gen charakterisiert haben [Voss et al. 1991 J. Biol.Chem. 266, 13706-13711], ergab tatsächlich starke Hin-weise dafür. Wie das CK2�-Gen, besitzt auch das CK2�-Gen mehr als nur einen Transkriptionsstart, nämlich drei(Positionen +1, 33 und 113), und der Promotorbereichweist ebenfalls GC-Boxen auf, eine CpG-Insel und besitztkeine TATA-Box. Unter Anwendung des o.g. Methoden-bündels fanden wir, dass auch hier den Transkriptionsfak-toren Ets1 und Sp1 herausragende Rollen in der Tran-skriptionsregulation zukommen. Und noch mehr: Im Be-reich maximaler Promotoraktivität findet sich ein 12 Bp-Homologiebereich kompletter Sequenzidentität in beidenGenen, ein Ets1-Doppelmotiv. Mutationen in diesem Motivhaben vergleichbare negative Expressionseffekte auf bei-de Gene, während die Überexpression von Ets1 in beidenFällen positive Effekte hat [6,7].

Wie in Fig.1 skizziert, scheinen diese Daten anzuzeigen,dass die Expression humaner CK2� und CK2� tran-skriptionell koordiniert wird, und dass diese Koordinationmassgeblich über das Ets1-Doppelmotiv und sein Zusam-menwirken mit Sp1-Motiven gesteuert wird, die in den Pro-motoren der CK2-Gene zu finden sind. Die entstehendenGenprodukte, keines für sich befähigt auf die Transkriptiondes jeweiligen Gens zurückzuwirken, werden nach Kom-plexierung zu CK2-Holoenzym in die Lage versetzt, Sp1(und Ets1?) zu phosphorylieren und dadurch die Tran-skription beider Gene nach unten zu regulieren. Als Folgeeiner solchen negativen Rückkopplung sollte sich eine sta-bile zelluläre CK2�- und CK2ß-Transkripte-Situation erge-ben. Tatsächlich finden wir zwar unterschiedliche Tran-skriptespiegel in unterschiedlichen Zelltypen, aber kon-stante Spiegel in jedem der Zelltypen, und das unabhän-gig vom Differenzierungs- und Proliferationszustand [6-8].

Im Berichtzeitraum gelang es uns, die Struktur auch desvierten der CK2-Gene des Menschen, CK2�’, weitgehendaufzuklären, die in der Literatur vorhandene chromosoma-le Lokalisierung zu korrigieren und einen ersten Satz anDaten zur Transkriptionskontrolle zu erarbeiten [Manu-skript in Vorbereitung]. Ausserdem waren Mitglieder der

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Forschungsschwerpunkt B Tumorzellregulation

B0200Biochemische Zellphysiologie

DKFZ 2002: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2000/2001

Gruppe an der Analyse von Varianten anderer Protein-kinasen beteiligt [9] sowie an der Strukturaufklärung vonNaturstoffen mit karzinogenem Potential [10].

Tumor-assoziierte KnochenerkrankungenK. Ackermann, S. Eisenberger, G. Hoppe, K. Knerr,B. Sorg, W. Pyerin

In Kooperation mit: Ch. Kasperk, G. Nöldge, P.J. Meeder, H.J.Bardenheuer, S. Kaul, Universitätsklinik Heidelberg; B. Korn,ResourcenZentrum Heidelberg; W. Weinig, J. Tuckermann, DKFZ;N. Schütze, Universitätsklinik Würzburg; J. Schmidt, GSF Mün-chen.Gefördert von: Tumorzentrum Heidelberg-Mannheim.

Osteomimikry (Metastasierung).Metastasierende Tumorzellen ändern das Verhalten vonKnochenzellen und ihr Verhalten wird, umgekehrt, vonKnochenzellen verändert. Kolonisierung das Knochenssollte demnach mit metastasierungstypischen Genexpres-sionsmustern verbunden sein. Wir wollen daher umfassen-de Genexpressionsprofile (s.o.) an Mikrodissektatenschmerzverursachender und schmerzfreier Metastasenund Osteoporosen erheben und sie vergleichend unterEinbeziehung klinischer Parameter sowie Daten aus Mo-dellversuchen analysieren. Da aus Mikrodissektaten, an-ders als aus Zellkulturen, nur begrenzte, meist äusserstgeringe Mengen an RNA zu gewinnen sind, haben wirWert darauf gelegt, verschiedene Amplifikationsverfahren

zu etablieren und an Hand ausgewählter Gene verglei-chend abzuschätzen. Ein Beispiel gibt der RT-PCR-Nach-weis von Aromatase-mRNA bei sehr geringen Transkript-Mengen [11].

Knochen ist u.a. bevorzugtes Ziel von Tumorabsiedelun-gen der Prostata. Damit sie im Knochen überleben und zuMetastasen anwachsen können, nehmen Prostatakarzi-nomzellen Eigenschaften von Knochenzellen an (Osteo-mimikry). Wir haben daher primäre Osteoblasten mit Pros-tatakarzinomzellen co-kultiviert und die Genexpressions-profile der beiden Zelltypen mit Hilfe von Microarrays(cDNA-Chips) erfasst. Während das Genexpressionsprofilder Osteoblasten kaum verändert wurde (10.000 erfassteGene), war das bei Prostatakarzinomzellen auffallend an-ders. Unabhängig vom Progressionsgrad und Metastasie-rungspotential der Zellen (LNCaP-Zellen; PC-3-Zellen),war die Expression von 78 Genen in einem Kollektiv von1.600 Genen signifikant verändert. Zusätzlich waren weite-re, Zelltyp-spezifische Expressionsänderungen zu sehen:12 Gene waren nur in den LNCaP-Zellen, 39 andere Genenur in den PC-3-Zellen verändert exprimiert. Unter diesenGenen finden sich solche, die für Adhäsions-spezifischeKomponenten des Desmosomen-Adhäsions-Netzwerkeskodieren, beispielsweise desmosomale Cadherine (Des-mocollin-1; Desmoglein-2), für das metastasierungs- undtumorprogressionsassoziierte N-Cadherin oder für Zellad-häsionskinasen. Darüberhinaus zeigen die Prostatakarzi-nomzellen deutliche Expression von Osteoblasten-spezifi-schen Genen, die beispielsweise für Kollagene, Biglykan,CBFA2, M-CSF-2-Rezeptor, Sonic hedgehog, u.a. kodie-ren und eindrücklich zeigen, wie das von Osteoblasten er-zeugte Mikromilieu zur Osteomimikry-Basis der Prostata-karzinomzellen wird und damit wesentlich zu deren Fähig-keit beiträgt, sich im Knochen anzusiedeln [12].

Zelluläre und molekulare Biologie normaler undentarteter Knochenzellen.Knochenzellen können auch selbst zu Tumorzellen entar-ten. Um diese Osteotransformation zu charakterisieren,haben wir mit dem Studium unterschiedlicher Prolifera-tions- und Differenzierungsstadien primärer Osteoblasten(Maus) begonnen und Vergleiche zu Osteosarkomzellen inKultur (SaOS-2) angestellt. Neben morphologischen Para-metern und Osteoblasten-spezifischen Markern, haben wirerste Genexpressionsprofile (cDNA-Arrays, 10.000 Gene)ermittelt. Es finden sich, wie zu erwarten, deutliche Ex-pressionsunterschiede zwischen proliferierenden und dif-ferenzierten Osteoblasten, zwischen verschiedenen Stadi-en der Differenzierung, und zwischen differenziertenOsteoblasten und Osteosarcomzellen. Die Analysenaus-wertung ist im Gange. Darüberhinaus untersuchen wir denEinfluss der Proteinkinase CK2 auf Genexpression undProliferationsverhalten (Zellzyklus-Eintritt; Zellvermehrung)von Osteoblasten und Osteosarkom-Zellen in Perturba-tionsansätzen (Transfektion katalytisch inaktiver CK2). Dieknochenaufbauenden Osteoblasten stehen in permanen-tem Wechselspiel zu den knochenabbauenden Osteoklas-ten. Störungen dieses Gleichgewichtes führen zu Kno-chenerkrankungen, etwa der volkswirtschaftlich hoch si-gnifikanten Osteoporose. Daher interessieren wir uns ex-

Abbildung 1. Hypothese einer Transkriptionskoordination dermenschlichen Proteinkinase-Gene CK2� und CK2�.Die Promotoren der Gene, die für die katalytische UntereinheitCK2� und die regulatorische Untereinheit CK2� kodieren, enthal-ten in den transkriptionsaktivsten Abschnitten (Regionen -9 bis 46und -42 bis 14) dasselbe Ets1-Bindeelement (gelb; Doppelmotiv)und Ansammlungen benachbarter Sp1-Bindeelemente (grau). DieTranskriptionsaktivierung benötigt Ets1-Sp1-Interaktion. Generier-te CK2�- und CK2�-mRNAs werden in die entsprechenden CK2-Untereinheiten translatiert (CK2�, rot ausgefüllter Kreis; CK2�,blau ausgefülltes Oval) und diese komplexieren zu tetrameremCK2-Holoenzym. Das Holoenzym, nicht hingegen katalytische Un-tereinheit alleine, kann Sp1 (und Ets1?) phosphorylieren und soallmählich die Transkription beider Gene hemmen (negative Rück-kopplung).

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Forschungsschwerpunkt B Tumorzellregulation

B0200Biochemische Zellphysiologie

DKFZ 2002: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2000/2001

perimentell auch für diesen Zelltyp. Wir haben bereitsKnochenmark-Vorläuferzellen erfolgreich zu Osteoklastendifferenziert und charakterisiert (Morphologie; Osteoklas-ten-spezifische Marker; Knochenmatrix-Resorption), undwir konnten alle drei Untereinheiten der Proteinkinase CK2auf Transkriptions- und Proteinebene nachweisen [Manu-skript in Vorbereitung].

Knochenwachstum und -stabilität hängen wesentlich vonder Versorgung mit Östrogenen ab (Östrogenmangel-Osteoporose). Andererseits sind Östrogene Wachstums-faktoren für Tumoren, die bevorzugt in den Knochen meta-stasieren, beispielsweise für Mammatumoren. EinfachesÄndern des Körper-Östrogenspiegels kann hier untaugli-ches therapeutisches Konzept sein. Daher beschäftgenwir uns mit der Transkriptionskontrolle des Aromatase-Gens in der Hoffnung, in Knochenzellen und Mammazel-len therapeutisch nutzbare Unterschiede (Antisense-Tech-nologie) in den Kontrollmechanismen zu finden. Das Pro-dukt dieses Gens, Aromatase, ist Schlüsselenzym derÖstrogensynthese. Interessanterweise besitzt dieses Gen,im Gegensatz zu den meisten Genen, ein ganzes Bündelvon Promotoren (Exone 1), die mehr oder weniger weitvom Transkriptionsstart entfernt liegen und zu gewebs-spezifischen 5’-Enden der Transkripte, aber stets demsel-ben Genprodukt führen. Wir haben daher die Promotor-Verwendung des Aromatase-Gens in Proben aus verschie-denen Knochen-Arealen und -Typen analysiert sowie inprimären Knochenzell-Kulturen (verschiedene Auswüchse)und permanenten Knochenzelllinien. Die erhaltenen Pro-motor-Verwendungen haben wir mit denen in Mamma-Zel-len verglichen. Wir finden sowohl in Knochen wie auch inMamma mehrere Promotorverwendungen und -shifts. ImGegensatz zu Literaturangaben zeigt unsere Analyse,dass die Verwendungsmuster nicht eindeutig Zelltyp-spe-zifisch sind, sondern eher überlappend und damit nur be-dingt als therapeutischer Ansatzpunkt für gegenläufigeAromatase-Expression in Knochen- und Mamma-Zellentaugen [13].

Publikationen (* = externe Koautoren)[1] Ackermann, K., Waxmann, A., *Glover, C.V.C., Pyerin, W.(2001) Genes targeted by protein kinase CK2: A genome-wideexpression array analysis in yeast. Mol. Cell. Biochem. 227, 59-66[2] Barz, T., Ackermann, K., Pyerin, W. (2002) Perturbation ofprotein kinase CK2 uncouples phosphate maintenance pathwayfrom cyclin-CDK control.[3] Ackermann, K., *Glover C.V.C., *DeRisi, J., Pyerin, W. (2002)Genome-wide transcript profiling of deletion mutantsdemonstrates protein kinase CK2 to control flocculation-linkedgene expression in Saccharomyces cerevisiae.[4] Barz, T., Ackermann, K., Pyerin, W. (2002) A positive controlfor the green fluorescent protein-based one-hybrid system. Analyt.Biochem. 304, 117-121[5] Krehan, A., *Ansuini, H., Böcher, O., Grein, S., Wirkner, U.,Pyerin, W. (2000) Transcription factors Ets1, NF�B and Sp1 aremajor determinants of the promoter activity of human proteinkinase CK2� gene. J. Biol. Chem. 275, 18327-18336[6] Krehan, A., Schmalzbauer, R., Böcher, O., Ackermann, K.,Wirkner, U., Brouwers, S., Pyerin, W. (2001) Ets1 is a commonelement in directing transcription of the ��and � genes of humanprotein kinase CK2. Eur. J. Biochem. 268, 3243-3252

[7] Pyerin, W., Ackermann, K. (2001) Transcriptional coordinationof the genes encoding catalytic (CK2�) and regulatory (CK2�)subunits of human protein kinase CK2. Mol. Cell. Biochem. 227,45-57[8] Pyerin, W., Ackermann, K. Protein kinase CK2-linked geneexpression control. (Review) Progr. Nucleic Acid Res. Mol. Biol.73, in press[9] Thullner, S., Gesellchen, F., Wiemann, S., Pyerin, W., Kinzel,V., Bossemeyer, D. (2000) The protein kinase A catalytic subunitCß2: molecular characterization and distribution of the splice vari-ant. Biochem. J. 351, 123-132[10] *Zayed, S.M.A.D., *Farghaly, M., *Soliman S.M., *Gotta, H.,Sorg, B., Hecker, E. (2001) Dietary cancer risk from conditionalcancerogens (tumor promoters) in produce of livestock fed onspecies of spurge (Euphorbiaceae): V. Skin irritant and tumor-promoting diterpene ester toxins of the tigliane and ingenane typein the herbs Euphorbia nubica and Euphorbia helioscopiacontaminating fodder of livestock. J. Cancer Res. Clin. Oncol.127, 40-47[11] Knerr, K., Ackermann, K., Pyerin, W. (2001) RT-PCRdetection of aromatase mRNA with small amounts of template.QIAGEN News 4, 21-22[12] Knerr, K., Ackermann, K., Pyerin, W. (2002) Osteomimicry ofprostate carcinoma cells: Co-cultured osteoblasts provoke alteredexpression of adhesion-related genes.[13] Hoppe, G., Ackermann, K., *Kasperk, Ch., Pyerin, W. (2002)Transcriptional control of the human aromatase gene (CYP19):Comparative promoter usage analysis in cells derived from boneand mamma.

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Forschungsschwerpunkt B Tumorzellregulation

Abteilung B0300Biochemie der Zelle

DKFZ 2002: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2000/2001

existierten und imstande sind, die Zytostatika sehr effizientaus den resistent gewordenen Zellen zu entfernen. Im Fal-le von Glufosfamid dagegen benutzt das Zytostatikum einvorbestehendes Transportsystem der Zellmembran, aufdas die Tumorzellen für ihr Funktionieren angewiesensind. Insofern fehlen hier die Voraussetzungen für die übli-cherweise sehr früh einsetzende und äußerst nachhaltige,transportervermittelte Resistenzentwicklung. Es erschiendeshalb sowohl unter zellbiologischen als auch unter klini-schen Aspekten interessant, ob und gegebenenfalls mitwelchem Aufwand Resistenz gegen Glufosfamid inglufosfamidempfindlichen menschlichen Tumorzellen er-zeugt werden kann.

Die Experimente wurden unter in vitro-Bedingungendurchgeführt. Bei epithelialen KB-Zellen gelang es untergrößten Schwierigkeiten nach sechs Monaten Glufosfa-midexposition lediglich, ein sehr niedriges Resistenzni-veau zu etablieren und aufrechtzuerhalten. Nach Absetzenvon Glufosfamid kehrte die ursprüngliche Sensibilität derZellen gegenüber der Substanz rasch zurück. Bei CEM-Leukämiezellen war die Resistenzinduktion noch wenigereffizient. Anfangs wurde bei beiden untersuchten Zellstäm-men keine Kreuzresistenz gegenüber weiteren Zytostatikabeobachtet. Nach monatelanger Weiterkultivierung mitGlufosfamid entstand jedoch das von Glufosfamidanalogabekannte Kreuzresistenzmuster. Der molekulare Mecha-nismus der induzierten low level-Resistenz ist noch unbe-kannt.

Der geschilderte Verlauf der Resistenzentwicklung läßt er-warten, daß bei vorübergehender Anwendung vonGlufosfamid beim Patienten Resistenzentwicklung keineRolle spielen dürfte. Falls es dennoch dazu kommt, sindallenfalls geringgradige Minderungen der Sensibilität ge-genüber Glufosfamid mit ausgeprägter Rückbildungs-tendenz zu erwarten. Dadurch unterscheidet sich Glufos-famid sehr vorteilhaft von konventionellen Zytostatika.

Publikation:C. Granzow, M. Wiessler, M. Heuser und M. Kopun: Induction ofglufosfamide resistance in human tumor cells withoutdevelopment of cross resistance to other cytostatic drugs. Proc.Amer. Ass. Cancer Res. 42, 323 (2001).

Abteilung Biochemie der Zelle (B0300)Leiter: Prof. Dr. rer. nat. Dieter Werner (- 09/01)

Wissenschaftliche MitarbeiterProf. Dr. med. Christof GranzowDr. rer. nat. Marijana Kopun-GranzowDr. rer. nat. Karsten Rothbarth ( - 05/02)

ExamensarbeitenTobias Baumbusch, medizinische DissertationDebora Greco, medizinische DissertationMichael Heuser, medizinische Dissertation

Technische MitarbeiterBarbara Liebetrau, TA (1/2)Ilona Jung, TA (1/2; - 09/01)Maika Schubert, TA (1/2;-01/02)Hermann Stammer, BTA (-09/01)

Die Abteilung bestand aus zwei Gruppen,der Kern-Protein-Gruppe, geleitet von Prof. Werner undder Zellpharmakologie-Gruppe, geleitet von Prof.Granzow.Prof. Werner ist in Ruhestand gegangen. Im Zentrum der Arbeiten der Zellpharmakologie-Gruppesteht die Identifizierung und Modulation der Resistenzent-wicklung durch antineoplastische Pharmaka, sowie dieEntwicklung eines verlässlichen Tests für Chemoresistenzbzw. Chemosensibilität.

Genomveränderungen multidrogen-resistenter Tumorzellen (B0301)C. Granzow, M. KopunIn Zusammenarbeit mit Manfred Wiessler, DKFZ

Induktion von Glufosfamid-Resistenz inmenschlichen TumorzellenGlufosfamid ist ein neuartiges Zytostatikum, dessen zyto-statisch wirkender Anteil zum Zwecke einer spezifischerenAdressierung von Tumorzellen mit Glucose gekoppelt wur-de. Der Glucoseanteil wird von glucosetransportierendenProteinen der Zellmembran erkannt und akzeptiert. Da Tu-morzellen mehr Glucose verbrauchen als normale Zellen,nehmen sie auch mehr zytostatische Aktivität auf und wer-den infolgedessen stärker als normale Zellen geschädigt.Im Rahmen einer klinischen Phase I-Studie zeigteGlufosfamid beträchtliche antineoplastische Wirksamkeitbei guter Verträglichkeit für die Patienten. Es ist zu erwar-ten, dass diese innovative Substanz in naher Zukunft gro-ße klinische Bedeutung erlangen wird.

Für eine Beurteilung der klinischen Wertigkeit von Zytosta-tika ist neben der Toxizität die Neigung zur Resistenzent-wicklung besonders bedeutsam, weil diese eine Limitie-rung der Wirksamkeit zur Folge hat. Üblicherweise wer-den bei der Resistenzentwicklung starke Transport-aktivitäten in den Tumorzellen induziert, die zuvor nicht

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Forschungsschwerpunkt B Tumorzellregulation

Abteilung B0400Molekulare Biologie der Mitose

DKFZ 2002: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2000/2001

Wissenschaftliche MitarbeiterPriv.-Doz. Dr. Ralf BischoffDr. Simon Fernandez (BMBF)Dipl.-Ing. Klaus Leibe (BMBF)Dr. Gernot MaierDr. Hans-Peter Zimmermann

GastwissenschaftlerDr. Alexander Marmé, Universitäts-Frauenklinik HeidelbergDr. Mikael Sjölinder, Karolinska Institutet, Stockholm,Schweden

DoktorandenKathrin Dellas-KloorLilia Moiseenko (DFG)Kerstin WeiglWeilin Wu

TechnikerJürgen KretschmerOlga KeberleinAntje KoppeClaudia Müller (DFG)Sabine Seib

SekretariatSabine Hughes

Die Forschungsarbeiten der Abteilung haben zum Ziel:• Die Aufklärung des Transports von Makromolekülen

durch die Hülle des Zellkerns, um zu verstehen, wieTransportdefekte zur Entstehung von Tumoren beitra-gen, und um Transportwege therapeutisch zu nutzen.

• Die Identifizierung neuer Tumormarker und Tumorsup-pressoren in Ovarialkarzinomen durch systematischeAnalyse des Ablese-Profils von Genen.

• Die Entwicklung hochkomplexer Peptid-Arrays zu dia-gnostischen Zwecken und zur Suche nach therapeuti-schen Wirkstoffen.

Das Ran-System imnucleocytoplasmatischen TransportR. Bischoff, M. Sjölinder, L. Moiseenko, W. Wu,H. Ponstingl

In Zusammenarbeit mit: D. Görlich, Zentrum für Molekulare Biolo-gie der Universität Heidelberg; E. Hurt, Biochemiezentrum derUniversität Heidelberg; U. Kutay, Institut für Biochemie der Eidge-nössischen Technischen Hochschule Zürich, Schweiz; I. Mattaj,EMBO Laboratorium Heidelberg; G. Schlenstedt, Institut für Bio-chemie der Universität des Saarlandes, Homburg.

Die kleine GTPase Ran regelt mit ihren Kontrollfaktorenund Bindungspartnern den Transport von Proteinen undRibonukleinsäuren durch die Porenkomplexe der Kern-membran. Wir haben die Hauptkomponenten des Systemsund mehrere Transportfaktoren isoliert und die Rolle vonRan bei der Bildung von Transportkomplexen am Aus-gangspunkt und ihrem Zerfall am Ziel untersucht. Danachliegt Ran auf der cytoplasmatischen Seite der Kernmem-bran vorwiegend als inaktives RanGDP vor, im Kern hin-gegen als aktives RanGTP. RanGAP, ein Aktivator derNukleotidhydrolyse, ist verantwortlich für die Inaktivierungim Cytoplasma, die Aktivierung im Kern bewirkt einNukleotid-Austauschfaktor, RanGEF [6,7].

Die Transportfaktoren reagieren auf die Anwesenheit oderAbwesenheit von RanGTP mit der Bildung von Komplexenmit der Fracht oder mit dem Zerfall solcher Komplexe.Importine und Exportine verhalten sich dabei gegensätz-lich: Frachtproteine im Cytoplasma mit einem Kernlokali-sations-Signal (NLS) binden in Abwesenheit von RanGTPan Importin, das Vehikel für den eigentlichen Import. DerTransport durch die Kernpore folgt einem bisher ungeklär-ten Mechanismus, der offenbar ohne energielieferndeNukleotidspaltung auskommt. Im Kern wird der Importdurch Zerfall des Komplexes beendet. Dabei bindetRanGTP sehr fest an das Importin und löst dort eine Än-derung der Molekülgestalt aus, die das Transportgut frei-setzt. Gleichzeitig wird dadurch verhindert, daß sich dieImportkomplexe wieder bilden.

Es gibt fast zwei Dutzend Transportfaktoren, die sich in ih-rer Struktur ähneln [2, 3]. Im Gegensatz zu den Importinenbinden Exportine ihre Frachten, die ein nukleäres Export-signal (NES) besitzen, im Kern unter Ausbildung einesKomplexes mit RanGTP [2, 4]. Dieser sehr feste Export-komplex wird ohne Hydrolyse des gebundenen GTP insCytoplasma befördert. Dort sind die Komplexe zunächstnicht für RanGAP zugänglich, das den Zerfall anregt. Hiergreifen das kleine cytoplasmatische RanBP1 [1, 4] unddas RanBP2 der cytoplasmatischen Fasern an den Kern-poren ein: Sie binden an RanGTP an einer anderen Stelleals die Transportfaktoren und ändern die Gestalt des Ex-portkomplexes. Nun erst wird die Inaktivierung des Ran-gebundenen GTP durch RanGAP und damit der Zerfalldes Komplexes angeregt. So wird verhindert, daß sich derexportierte Komplex wieder zurückbildet. Damit sind diebeteiligten Faktoren wieder für eine neue Transportrundebereit. Inaktives RanGDP schließlich wird durch einen be-

Abteilung Molekulare Biologie der Mitose (B0400)Leiter Prof. Dr. Herwig Ponstingl

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Forschungsschwerpunkt B Tumorzellregulation

Abteilung B0400Molekulare Biologie der Mitose

DKFZ 2002: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2000/2001

sonderen Importfaktor NTF2 in den Kern zurückgebracht,um dort durch Nukleotidaustausch an RanGEF aktiviert zuwerden.

Während RanBP1 und RanBP2 auf der cytoplasmatischenSeite der Kernporen beim Entladen der Exportkomplexeaktiv sind, haben wir im Zellkern das RanBP1-ähnlicheProtein RanBP3 gefunden, das die Bildung von Export-komplexen steuert: durch Bindung von RanBP3 an denExportfaktor Expo1 wird dessen Spezifität für unterschied-liche Frachten bestimmt [5].

Wir identifizierten auch ein humanes Homologes zuRCC1, DelGEF, das zwar die wesentlichen bekanntenStrukturmerkmale mit diesem Austauschfaktor gemeinsamhat, Ran aber trotzdem nicht aktivieren kann. Es wird imChromosomenabschnitt 11p14 codiert, auf dem man einGen für erbliche Formen von Taubheit und Retinitispigmentosa vermutet. Mit 2-Hybrid-Studien wurden fürDelGEF Bindungspartner gefunden, die auf eine Rolle inintrazellulären Transportprozessen hinweisen.

Systematische Analyse der Genexpressions-muster in OvarialkarzinomenK. Dellas-Kloor, G. Maier, A. Marmé, K. Weigl,H.-P. Zimmermann, H. Ponstingl

In Zusammenarbeit mit G. Bastert, M. Lindner, Universitäts-Frau-enklinik Heidelberg; D. Wallwiener, R. Kurek, B. Gückel, Univer-sitäts-Frauenklinik Tübingen.

Ovarialkarzinome sind die gefährlichsten unter den gynä-kologischen Tumoren, da sie ohne charakteristische Früh-symptome sind und in der Regel erst in Spätstadien er-kannt werden. Die Abteilung vergleicht die Genexpres-sionsmuster von Tumorzellen und gesunden Epithelzellenjeweils derselben Patientin. Anhand wiederkehrenderMerkmale werden diese Tumoren molekularbiologischcharakterisiert, mit dem Ziel, neue Kennzeichen von dia-gnostischer Bedeutung zu finden, Therapien an den Ein-zelfall anzupassen und die molekularen Ursachen der Tu-morentwicklung zu verstehen. Mit Antikörpern gegen cha-rakteristische Strukturen an den Zelloberflächen und mitpharmazeutisch veränderten Signalmolekülen sollen auchder Therapie neue Möglichkeiten eröffnet werden.

Das Differential Display ist das bisher empfindlichste Ver-fahren zur systematischen Analyse von Unterschieden inder Genexpression. Es erlaubt in der Form von cDNA-Fragmenten den Vergleich, die Identifizierung und die Iso-lierung von mRNAs, die in Tumorzellen erheblich stärkeroder geringer repräsentiert sind als in den entsprechendengesunden Zellen. Etwa die Hälfte der bisher gefundenenGene, deren Expressionsspiegel sich um mindestens eineGrößenordnung unterschied, codieren für bereits bekann-te Proteine [8], darunter einen Tumorsuppressor und Kom-ponenten von Signalwegen. Die übrigen, bisher unbe-kannten, sind anhand ihrer Strukturmerkmale Signalwe-gen oder Zell-Zell-Kontakten zuzuordnen.

Dieses aufwendige Verfahren kann immer nur mit Materialaus einzelnen Patientinnen durchgeführt werden. Um dia-gnostisch brauchbare Marker zu erhalten, müssen

Expressionsunterschiede aber rasch und an möglichst vie-len Patientinnen bestimmt und mit denhistopathologischen Befunden und dem klinischen Verlaufder Erkrankung verknüpft werden. Dies geschieht zur Zeitdurch quantitative PCR und durch cDNA-Chips, die nochin Entwicklung stehen. Gleichzeitig werden die Proteine,die von den interessierenden Genen codiert werden, inBakterienzellen exprimiert, um gegen sie gerichtete Anti-körper für schnellere Diagnosen zu gewinnen. In Tumorenüberexprimierte Proteine werden auch auf ihre Eignungals Angriffspunkte für Immuntherapien geprüft.

Hochkomplexe Peptid-Arrays zudiagnostischen Zwecken und zur Suchenach therapeutischen WirkstoffenR. Bischoff, S. Fernandez, K. Leibe

In Zusammenarbeit mit Dr. Frank Breitling und Dr. Volker Stadler,DKFZ.

Es wird ein Verfahren zur Herstellung von hochkomplexenPeptid-Arrays entwickelt. Es beruht auf einem modifizier-ten Laserdrucker, der statt des normalen Farbtoners Parti-kel druckt, in welche die Grundbausteine für die Peptid-synthese eingebettet sind. Durch Zufuhr von Wärme wer-den die Partikel geschmolzen, die darin eingeschlossenenMonomere freigesetzt und die Kopplungsreaktion gestar-tet. Die Partikel stellen somit eine stabile Transportform fürdie Monomere dar und liefern darüber hinaus den Reak-tionsraum für die chemische Kopplung am Bestimmungs-ort. Durch wiederholtes Bedrucken desselben Trägers undnachfolgendes Koppeln der Monomere kann so eine gro-ße Zahl von unterschiedlichen Peptiden simultan auf einerTrägerfolie synthetisiert werden. Die Anzahl der nachein-ander auszuführenden Druckvorgänge ergibt sich dabeiaus der Zahl von Grundbausteinen, welche die fertigenOligomere enthalten sollen. Die Möglichkeit, alle Teil-schritte des Syntheseverfahrens kontrollieren zu können,ergibt eine einfache, robuste, schnelle und auch preiswer-te Technologie zur Herstellung von komplexen Peptid-Arrays.

Es gibt vielfältige Möglichkeiten, die Gestaltung der Pep-tid-Arrays an die Bedürfnisse des Anwenders anzupassen.Beispielsweise können Proteine in Form von überlappen-den Bruchstücken (15-20mere) auf dem Array präsentiertwerden. Es ist gezeigt worden, daß in vielen Fällen dieStrukturinformation zur Wechselwirkung mit Bindungs-partnern auch in den Peptiden erhalten bleibt. Dies gilt inbesonderem Maße für die Bindung von Antikörpern, die oftnur kurze Abschnitte auf dem antigenen Protein erkennen.Ferner ist es möglich, „vollständige“ Bibliotheken von L-und D-Peptiden zu erstellen, die alle theoretisch mögli-chen Aminosäure-Kombinationen enthalten. Das so ge-schaffene Repertoire von unterschiedlichen Oberflächenkann für die Bindung von Makromolekülen jeglicher Art ge-nutzt werden. Der Einsatz dieser Arrays kann Muster her-vorbringen, die je nach Anwendung auch diagnostischesPotenzial haben [9, 10].

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Forschungsschwerpunkt B Tumorzellregulation

Abteilung B0400Molekulare Biologie der Mitose

DKFZ 2002: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2000/2001

Abb. Vergleich eines normalen Tonerpartikels mit einemAminosäurenPartikel

Publikationen (* = externe Koautoren) und Preise[1] Künzler*, M., Gerstberger*, T., Stutz*, F., Bischoff, F.R. &Hurt*, E. (2000) Yeast Ran-binding protein 1 (Yrb1) shuttlesbetween nucleus and cytoplasm and is exported from the nucleusvia a CRM1 (XPO1)-dependent pathway. Mol. Cell. Biol. 20,4295-4308.[2] Lipowsky*, G., Bischoff, F.R., Schwarzmaier*, P., Kraft*, R.,Kostka*, S., Hartmann*, E., Kutay*, U. &Görlich*, D. (2000)Exportin 4: a mediator of a novel nuclear export pathway in highereukaryotes. EMBO J. 19, 4362-4371.[3] Kutay*, U., Hartmann*, E., Treichel*, N., Calado*, A., Carmo-Fonseca*, M., Prehn*, S., Kraft*, R., Görlich*, D., & Bischoff, F.R.(2000) Identification of two novel RanGTP-binding proteinsbelonging to the importin b superfamily. J. Biol. Chem. 275,40163-40168.[4] Maurer*, P., Redd*, M., Solsbacher*, J., Bischoff, F.R.,Greiner*, M., Podtelejnikov*, A.V., Mann*, M., Stade*, K., Weis*,K. & Schlenstedt*, G. (2001) The nuclear export receptor Xpo1pforms distinct complexes with NES transport substrates and theyeast binding protein 1 (Yrb1p). Mol. Biol. Cell 12, 539 - 549.[5] Englmeier*, L., Fornerod*, M., Bischoff, F.R., Petosa*, C.,Mattaj*, I. & Kutay*, U. (2001) RanBP3 influences interactionsbetween CRM1 and its nuclear protein export substrates. EMBORep 2, 926 - 932.[6] Bischoff, F.R., Scheffzek*, K. & Ponstingl, H. (2001) How Ranis regulated. In „Nuclear Transport“. K. Weis (Ed.),Results andProblems in Cell Differentiation 35, 49-66. Springer, Heidelberg,New York.[7] Bischoff, F.R. & Ponstingl, H. (2001) Ran regulation byRanGEF and RanGAP. In „The small GTPase Ran“. Mark Rush &Peter d’Eustachio (Eds.) pp163-176. Kluver, Boston, Dordrecht,New York.[8] Weigl, K., Ponstingl, H., Zimmermann, H.-P., Marmé, A.,Bastert*, G., Kurek*, R., & Wallwiener*, D. (2001) Ovarial-Karzi-nom-Marker.Europäische Patentanmeldung 02 005 445.8.[9] Bischoff, F.R., Breitling, F., Saffrich, R., Poustka, A.,Hoffmann, Th., Groß, K. & Breitling, F. (2001) Genius BiotechAward des Landes Baden-Württemberg.[10] Bischoff, F.R., Breitling, F., Wallich*, R., Poustka, A., Stadler,V. & Breitling, F. (2001) Förderpreis Medizintechnik für das Projekt„Borrelien Peptidomarrays“ im Rahmen des Innovations-Wettbe-werbs 2001 des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.

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Forschungsschwerpunkt B Tumorzellregulation

B0401Peptidsyntheseeinheit

DKFZ 2002: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2000/2001

MitarbeiterMario Koch

Aufgabe der Einheit ist die Synthese unterschiedlichsterfunktionaler Peptide zur Durchführung von Studien zumVerständnis der Wechselwirkung von Struktur und Aktivität[6,7]. Spezielle Fragen hinsichtlich Identifiaktion von Anti-Epitopen innerhalb Proteinsequenzen können mittels indi-viduell synthetisierter Peptide beantwortet werden. Dyna-mische zelluläre Prozesse auf DNA-, RNA- und auf Pro-teinebene [2,3,5] können mittels spezifischer funktionalerPeptideeinheiten simuliert und verstanden werden im Zu-sammenhang von inter-und intrazellulärem Transport vonProteineinheiten (‘Bioshuttle’, siehe Schema) [1]. ModerneDiagnostikverfahren wie beispielsweise ‚MolecularImaging‘ in der MRT bzw. PET sind mittels speziell synthe-tisierter Peptideinheiten möglich. Molecular Modeling undBiocomputing Methoden an synthetischen Peptiden tragenzum Verständnis für Struktur und Funktion bei. Die Ent-wicklung von Therapieansätzen auf molekularer Ebene(Antisense- und Anti-Gen) ist in gleicher Weise zu verwirk-lichen.

Die Synthese sämtlicher Peptide erfolgt vollautomatisiertauf dem AMS 422 Multiple Peptide Synthesizer (AbimedAnalysentechnik) [4], Charakterisierung und Aufreinigungmit HPLC-, MALDI Massenspektrometrie-Methoden.

Publikationen: (* = externe Koautoren)[1] Braun K; Peschke P; Pipkorn R; Lampel S*; Wachsmuth M;Waldeck W; Friedrich E*; Debus J; A biological transporter for thedelivery of peptides to the nuclear compartment in living cells. JMol Biol in press (2002)[2] Schlosser, A., Pipkorn, R., Bossemeyer, D. and Lehmann, W-D. Analysis of protein phosphorylation by combination of elastasedigest and neutral loss tandem mass spectrometry. Protein Sci 11:2260-8, 2000[3] Kinzel,V ., König, N.,Pipkorn, R., Bossemeyer, D. andLehmann, W-D. Analysis of isoaspartate in peptides byelectrospray mass spectrometry. Prot. Sci 11: 2269-77, 2000[4] Pipkorn R, Boenke C*, Gehrke M*, Hoffmann R*. High-throughput peptide synthesis and peptide purification strategy atthe low micromol-scale using the 96-well format. J Peptide Res.59: 105-114, 2002[5] Lehmann, W-D, Schlosser, A., Erben, G., Pipkorn, R., Bosse-meyer, D. and Kinzel, V. Analysis of isoaspartate in peptides byelectrospray tandem mass spectrometry. Prot Sci 9: 2260- 2268,2000[6] Langosch, D*, Brosig, B* and Pipkorn, R. Peptide mimics ofthe vesicular stomatitis virus G-protein transmembrane segmentdrive membrane fusion in vitro. J Biol Chem 276: 32016-32021,2001[7] Tholey, A, Pipkorn, R, Bossemeyer, D. and Kinzel, V. andReed, J. Influence of myristoylation, phosphorylation anddeamidation on the structural behavior of the N-terminus of thecatalytic subunit of cAMP-dependent protein kinase. Biochemistry40: 225- 231, 2001

Transportpeptid, Adresspeptid, Wirk Substanz

Zentrale Peptid- und Proteinsyntheseeinheit (B0401)Leiter: Dr. Rüdiger Pipkorn

“Bioshuttle” - Strukturschema [1]Transport Modul -S�S- Adress Modul Spacer Substanz

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Forschungsschwerpunkt B Tumorzellregulation

Abteilung B0500Biochemie der gewebsspezifischen Regulation

DKFZ 2002: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2000/2001

Wissenschaftliche MitarbeiterDr. rer. nat Gerhard FürstenbergerPD Dr. rer. nat. Peter KriegPD Dr. rer. nat. Karin Müller-DeckerDr. rer. nat. Michael A. Rogers Dr. Kirsten ScholzDr. rer. nat. habil. Jürgen SchweizerDr. rer. nat. habil. Hermelita Winter

GastwissenschaftlerDr. Tsevtomir Lukanov (Univ. Sofia, Bulgarien, 04 - 07/00)Dr. Nao Qiao (Kanazawa University, Kananzawa, Japan,11/00 - 11/01)Dr. Svetlana Zoubova (St. Petersburg, Russland, 05/01 -05/02)

DoktorandenThorsten Lau Gwendolin ManegoldKarsten Müller Gitta NeufangMelanie Neumann Jin Kyun ParkMalte Siebert Lius-Felipe Jave-SuarezAnette Zagorski

DiplomandenWolfgang Hirschner Fey-Yin Cheang

Technische MitarbeiterDagmar Kucher (Teilzeit) Ina KutscheraSandra Pfrang Andrea Pohl-Arnold (Teilzeit)Brigitte Steinbauer (Teilzeit) IngeborgVogtUlrike Beckhaus Claudia Ehman

Auszubildende (Stand 12/01)Sabrina Balaguer Jutta BulkescherSarah Wolf

Sekretariat Wiltrud S. Bockemühl

Andere technische Dienste Roswitha Epp

Die Abteilung war in drei Arbeitsgruppen unterteilt:Gruppe 1: Eisosanoide und Tumorentwicklung

(Dr. Gerhard Fürstenberger)Gruppe 2: Proteinkinase C (Dr. Michael Gschwendt, aus-

geschieden)Gruppe 3: Differenzierung von normaler und pathologisch

veränderter Epidermis (Dr. Jürgen Schweizer)Die Forschungsprojekte gehen auf die langjährigen Arbei-ten der Abteilung über die Regulation von Wachstum undDifferenzierung sowie Krebsentwicklung in der Haut zu-rück. In diesem Zusammenhang konzentrieren sich dieUntersuchungen auf die Regulation des epidermalenArachidonsäurestoffwechsels und die molekularen Mecha-nismen der Eicosanoid-Wirkung bei diesen Prozessen. AlsDifferenzierungsmarker der normalen Epidermis und ihrerAnhangsorgane, sowie der daraus entstehenden Tumore,dienen die KeratineNach dem Ausscheiden von Prof. Marks in den Ruhestandwerden nur die Gruppen von Dr. G. Fürstenberger undDr. J. Schweizer als selbständige Einheiten weitergeführt.

Eicosanoide und epithelialeTumorentwicklungLeiter: Dr. rer. nat Gerhard Fürstenberger

Unter den aus Arachidonsäure gebildeten Eicosanoidensowie den entsprechenden Octadecanoiden (aus Linol-säure) finden sich zahlreiche hochaktive Wirkstoffe, die alsAgonisten mit spezifischen Oberflächenrezeptoren sowiemit Transkriptionsfaktoren des Typs PPAR reagieren. Eico-sanoide sind u.a. Entzündungsmediatoren und Wundfak-toren und werden von gereiztem Gewebe vorübergehendgebildet. Eine dauernde Überproduktion von Eicosanoidenfindet man dagegen bei chronisch-degenerativen Prozes-sen (rheumatische Arthritis, Atherosklerose und Alzheimer-sche Demenz) sowie bei epithelialen Tumorerkrankungen.Die biologische Aktivität der Eicosanoide und Octadeca-noide wird aufgrund ihrer Kurzlebigkeit in der Regel überdie Biosynthese reguliert, welche von zwei Enzymfamilien,den Cyclooxygenasen und den Lipoxygenasen, beherrschtwird. Beide Stoffwechselwege können zugleich eine Quel-le von reaktiven (gentoxischen) Sauerstoffspezies sein,die bei der enzymatischen Fettsäureoxidation als Neben-produkte entstehen und zu „oxidativem Stress“ beitragen[1, 16-21].

Wir untersuchen die Rolle von Cyclooxygenasen und Lip-oxygenasen in normalen Epithelien und bei der Tumorent-wicklung in der Haut, Kolon, Brustdrüse, Pankreas und derProstata von Mäusen. Durch flankierende Studien an Ope-rationsmaterial versuchen wir eine Brücke vom Tierver-such zur Klinik zu schlagen. Unsere Arbeiten haben dasZiel, das Verständnis der normalen und pathologischenFunktionen des Stoffwechsels ungesättigter Fettsäuren zuvertiefen. Die so gewonnenen Kenntnisse über Mechanis-men sollen als rationale Ansätze für die Verbesserung be-stehender und die Entwicklung neuer Methoden zurKrebsprävention bzw. -therapie dienen.

Für die beschriebenen Untersuchungen kommen trans-gene Mausmodelle mit gewebs- und differenzierungsspe-zifischer Überexpression oder Inaktivierung von Cyclooxy-genasen und Lipoxygenasen und entsprechende Zellkul-tursysteme zum Einsatz, um die spezifischen Funktionendieser Proteine bei der Entwicklung epithelialer Tumore imKontext der jeweiligen Gewebe bzw. des Gesamtorganis-mus zu untersuchen.

1. CyclooxygenasenK. Müller-Decker, W. Hirschner, T. Lau, G. Neufang,M. Neumann, A. Zagorski, F. Marks,G. Fürstenberger

Zusammenarbeit mit der dermatologischen UniversitätsklinikMannheim (Dr. C. Bayerl), dem Pathologischen Institut der Uni-versität Heidelberg, (Dr. I. Berger), der Mahodi Universität Bang-kok (Prof. V. Sirikulchayanonta), der University of California, LosAngeles (Dr. H.R. Herschman), dem Institut für Pharmakologieder Universität Frankfurt (Dr. M. Kaszkin), dem Institut für Tumor-biologie der Universität Wien (Prof. Dr. B. Marian) und dem M.D.Anderson Cancer Center, Smithville Division (Prof. D. S.M. Fi-

Abteilung Biochemie der Gewebsspezifischen Regulation (B0500)Leiter: Prof. Dr. rer. nat. Friedrich Marks ( - 03/02)

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Forschungsschwerpunkt B Tumorzellregulation

Abteilung B0500Biochemie der gewebsspezifischen Regulation

DKFZ 2002: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2000/2001

scher), sowie der Pharmacia, St. Louis, USA und der Bayer AG,Leverkusen.Zusatzfinanzierung: Industrikooperation, Deutsche Krebshilfe

Cyclooxygenasen (COX) katalysieren die Oxidation vonArachidonsäure zu einem Prostaglandin-Endoperoxid(PGH

2), das durch weitere Enzyme in die eigentlichen

Prostaglandine sowie in Prostacycline und Thromboxaneumgewandelt wird. Einige dieser Wirkstoffe sind entschei-dend an der Tumorentwicklung beteiligt: sie hemmenterminale Differenzierung und Apoptose, fördern Zellpro-liferation, Angiogenese und Metastasierung und wirkenimmunsuppressiv.Von den beiden bekannten COX-Isoenzymen wird COX-1in praktisch allen Organen konstitutiv exprimiert, COX-2dagegen in der Regel nur vorübergehend bei Stress-Situa-tionen (Verwundung, Infektion, Entzündungen) induziertEine permanente Überexpression von COX-2 wurde in al-len bisher untersuchten epithelialen Neoplasien des Men-schen und der Maus beobachtet [1, 8, 21]. Tierversucheund klinische Studien haben eine z.T. dramatische Reduk-tion der Tumorentwicklung durch Hemmung der COX-2-Aktivität gezeigt. Unseren Untersuchungen am Maushaut-modell zufolge geht die konstitutive Überexpression vonCOX-2 im proliferationsaktiven Kompartiment von präma-lignen Tumoren mit einer extremen Überproduktion derProstaglandine PGE2 und PGF2�

einher, wobei PGF2� alsendogener Tumorpromotor wirkt [1, 8, 21]. Auch Tumorevon Menschen erzeugen erhebliche Mengen an Prosta-glandinen, und eine Hemmung der Prostaglandinsynthesedurch COX-Inhibitoren unterdrückt die Tumorentwicklung[1, 8, 21]. Hierauf beruht die bereits klinisch angewendeteChemoprävention des kolorektalen Karzinoms durch Ent-zündungshemmer vom Typ der nicht-steroidalen Antiphlo-gistika (NSAID) mit Aspirin als Prototyp.

COX-Isoenzyme und epitheliale WundheilungDie Heilung epithelialer Wunden geht einher mit einertransienten Induktion der COX-2-Expression. Im Modellder Maushaut zeigte sich, dass die Heilung von Schnitt-wunden bei systemischer Verabreichung von COX-1- oderCOX-2-selektiven Inhibitoren allein nicht beeinträchtigtwird. Auch die gleichzeitige Hemmung beider Isoenzymeverzögert die Wundheilung nicht [19]. Diese Beobachtungist von Bedeutung im Hinblick auf den Einsatz von COX-Inhibitoren, insbesondere COX-2-selektiver Inhibitoren zurpostoperativen Prävention von kolorektalem Krebs.Zusatzfinanzierung: Industriekooperationen, Deutsche Krebshilfe.

COX-Isoenzyme und epitheliale Tumorentwicklung:Untersuchungen an menschlichen Gewebeproben.In Zusammenarbeit mit dem Nationalen Krebsinstitut vonThailand haben wir eine Studie über menschlichen Gallen-gangkrebs durchgeführt. Dieser Tumor ist besonders häu-fig in Südostasien und wird vermutlich durch chronischeGewebsschäden, verursacht durch einen Leberegel, pro-moviert. Dieser Effekt entspricht der tumorpromovierendenWirkung von chronischer Gewebsirritation im Mäusehaut-modell. Gallengangtumoren unterscheiden sich von Haut-tumoren dadurch, dass bei ihnen beide COX-Enzymeübermäßig gebildet werden. Im normalen Gallengang-gewebe findet sich jedoch auch hier keine COX-2 [9,20].

Eine Überexpression von COX-2 wurde auch in hepato-zellulären Leberkarzinomen, die in Südostasien ebenfallssehr häufig sind, beobachtet. Diese Untersuchungen sol-len zur Klärung der Frage beitragen, ob eine generellePrävention von Gallengang- und Leberkrebs mit Hilfe vonEntzündungs-hemmern in Südostasien möglich ist.

Funktion von COX-2 in Maushaut in vivo: TransgeneMausmodelle.Um einerseits die normalen Funktionen von COX-2, ande-rerseits die Rolle dieses Enzyms bei der Tumorentwick-lung genauer analysieren zu können, haben wir transgeneMauslinien entwickelt, die COX-2 unter Kontrolle des Ke-ratin-5-Promotors im proliferativen Kompartiment der Epi-dermis und verwandter Epithelien konstitutiv exprimieren[13]. Der ausgeprägte transgene Phänotyp dieser Tierehängt von der Expressionsstärke des Transgens und derCOX-2-Aktivität ab und wird durch selektive COX-2-Inhibi-toren vollständig unterdrückt. Auffallend sind Störungender Haarfollikelentwicklung, eine starke Talgdrüsenhyper-plasie und eine massive epidermale Hyperplasie als Folgeeiner gestörten epidermalen Differenzierung und Kompar-timentalisierung. Die epidermalen Dysplasien gleichenpräneoplastischen Veränderungen bei der chemisch indu-zierten Maushautkarzinogenese und bei seborrhoischenKeratosen des Menschen. Eine starke Gefäßneubildung inder unmittelbaren Umgebung der Dysplasien zeigt zudemeinen proangiogenen Effekt des Transgens, der mit einerverstärkten Bildung des proangiogenen ProstaglandinsPGE2 bei gleichzeitiger Verminderung des anti-angioge-nen 15-Desoxy-PGJ2 korreliert.

Durch das COX-2-Transgen wird die Krebsanfälligkeit ex-trem erhöht. So bilden sich Hauttumore allein nach Initia-tion, d.h. unter Bedingungen, bei denen bei Wildtyp-Tierenüberhaupt keine Tumore entstehen. Dieser Befund belegteinen Kausalzusammenhang zwischen COX-2 und Tumor-promotion, indem er zeigt, dass die Haut COX-2-transge-ner Mäuse auto-promoviert ist. Darüber hinaus entwickelntransgene Tiere - nicht aber Wildtyp-Tiere - im Karzinoge-neseexperiment zahlreiche Tumore in anderen das Trans-gen exprimierenden Epitehlien (unveröffentliche Ergebnis-se).

Die äußerst niedrigen Karzinogendosen, die bei COX-2-Überexpression für eine Krebsentstehung ausreichen,dürften denen in unserer täglichen Umwelt entsprechen.Danach wäre eine aberrante COX-2-Überexpression, wiesie sich nicht nur in manifesten Neoplasien sondern auchin zahlreichen Präneoplasien des Menschen findet, einKrebsrisikofaktor ersten Ranges, zugleich aber auch einvielversprechender Angriffspunkt für Chemoprävention.

Ziele zukünftiger Untersuchungen sind:1. die Charakterisierung der COX-2-abhängigen Tumor-

entwicklung in der Brustdrüse, der Prostata und demPankreas der transgenen Mauslinien

2. die Identifizierung und Charakterisierung von „strom-aufwärts“ und „stromabwärts“ von COX-2 plazierten En-zymen des Arachidonsäurestoffwechsels und Prosta-noid-Rezeptoren, die an der COX-2-regulierten Prosta-glandinsynthese bzw. der Prostanoidfunktion beteiligt

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Forschungsschwerpunkt B Tumorzellregulation

Abteilung B0500Biochemie der gewebsspezifischen Regulation

DKFZ 2002: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2000/2001

sind und deren Expression mit der COX-2-Überexpres-sion gekoppelt ist (z.B. Phospholipasen vom A2-Typ(Freisetzung von Arachidonsäure) und Prostaglandin-synthasen sowie G-Protein-gekoppelte Oberflächen-rezeptoren für Prostaglandine und Kernrezeptoren derPPAR-Transkriptionsfaktorfamilie.

3. die Analyse COX-2-abhängiger Protein-Expression

2. LipoxygenasenP. Krieg, M. Heidt, K. Müller, M. Siebert, A. Zagorski,F. Marks, G. Fürstenberger

Kooperation mit Prof. Dr. H. Bartsch und Dr. Nair, Prof. Dr. W. D.Lehmann, Dr. von der Lieth, DKFZ sowie Prof. Dr. B. Marian, In-stitut für Tumorbiologie der Universität Wien, Österreich; Prof. Dr.Hartmut Kühn, Institut für Biochemie der Charité, Berlin; Prof. A.Brash, Vanderbilt University, Nashville, USA; Prof. K. Honn,Wayne State University, Detroit, USA; Dr. P.L. Grover, Institute ofCancer Research, Haddow Laboratories, Sutton, UK und der Fir-ma L’Oreal, Paris, Frankreich.Zusatzfinanzierung DFG, Deutsche Krebshilfe

Lipoxygenasen (LOX) katalysieren die Oxidation vonmehrfach ungesättigten Fettsäuren und stellen so zusam-men mit weiteren Enyzmen eine Reihe von bioaktivenLipidmediatoren wie Hydroxyeicosatetraensäuren (HETE),Leukotriene u.a. bereit [1, 6, 18]. Die LOX- Reaktion ist zu-gleich eine Quelle für reaktive (gentoxische) Sauerstoff-spezies und damit eine mögliche Ursache für „oxidativenStress“ [1, 2].Im Maushautmodell zeigen Lipoxygenase-hemmstoffe eine ähnliche Antitumorwirkung wie die Cyclo-oxygenaseinhibitoren. Damit werden auch die Lipoxygena-sen zu potentiellen Angriffspunkten für Krebschemoprä-vention.

Charakterisierung epidermaler LipoxygenasenAusgehend von cDNA aus normaler, hyperplastischer undneoplastischer Haut haben wir sechs verschiedene LOX-Formen kloniert und charakterisiert. Zwei davon, die Blut-plättchen- und die Leukozyten-12S-LOX (p12S-LOX undl12S-LOX) waren bereits bekannt, die anderen wurdenerstmals von uns beschrieben. Dabei handelt es sich umeine e12S-LOX, eine 8S-LOX, eine 12(R)-LOX (die ersteSäuger-LOX mit R-Chiralität!) und eine Epidermis-LOX-3.Mit diesen LOX haben wir eine Unterfamilie der LOX, diesog. Epidermis-Typ LOX (eLOX) entdeckt [1, 6, 12, 18].Die entsprechenden Gene dieser Unterfamilie befindensich eng benachbart in einem Cluster auf dem zentralenAbschnitt des Mauschromosoms 11, die orthologenmenschlichen Gene auf dem syntenen Locus 17p13.1[12]. Den epidermalen LOX gemeinsam ist, dass sie diekonventionellen LOX-Substrate Arachidonsäure undLinolsäure nur mit sehr geringer Effizienz umsetzen [3,11]. Vermutlich sind komplexere Lipide, wie sie speziell inder Haut vorkommen, Substrate dieser LOX-Familie.

Expression epidermaler Lipoxygenasen.Die Haut von Mäusen zeigt ein charakteristisches, von derterminalen Keratinozyten-Differenzierung abhängigesExpressionsmuster von LOX, das sich bei Gewebsreizungund Tumorbildung ändert [6, 8]). So werden z.B. nachTPA-Behandlung die konstitutiv exprimierten p12S-LOX,e12S-LOX, 12R-LOX und Epidermis-LOX-3 sowie die in

normaler Epidermis nicht nachweisbare 8S-LOX transientinduziert, und in Hauttumoren sind 8S- und p12S-LOXaberrant exprimiert und für die massiv erhöhten Spiegelder Eicosanoide 8- und 12-HETE im Tumorgewebe verant-wortlich [1, 8, 18]. Diese hohen HETE-Spiegel korrelierenmit der Bildung von Nukleotid-Etheno-Addukten in derDNA der Tumore [2] und in primären Keratinozyten indu-zieren 8- und 12-HETE chromosomale Aberrationen [1,18]. Danach wären 8S- und Blutplättchen-12S-LOX gen-toxische und somit evtl. „prokarzinogene“ Enzyme. Im Ge-gensatz dazu wird die Expression von e12-LOX, Epider-mis-LOX-3 und 12R-LOX bei der Tumorgenese unter-drückt. Hierbei könnte es sich also um „antikarzinogene“Enzyme handeln.

Funktion epidermaler LOX in vivo: TransgeneMausmodelleHinweise auf pro- und antikarzinogene LOX-Wirkungenhaben wir bei der Analyse von transgenen Tieren erhalten,die e12S-LOX unter Kontrolle des Keratin-6-Promotorskonstitutiv überexprimieren. Bei solchen Tieren hängt dieTumorentwicklung von der Expressionsstärke des Trans-gens und einer dadurch veränderten Expression andererLOX-Isoenzyme ab. So kommt es bei niedriger Transgen-Expression zu einer Induktion der l12S-LOX und zu einerAkkumulation ihres Linolsäure-Produktes 13-Hydroxyocta-decadiensäure (13-HODE), was mit einer im Vergleichzum Wildtyp geringeren Tumorbildung korreliert. Dagegenführt eine hohe Expression des Transgens zu einer ver-stärkten Expression der p12S-LOX gepaart mit einer Akku-mulation des Arachidonsäure-Produktes 12-HETE. Dieseskorreliert mit einer verstärkten Tumorbildung. Unsere Be-obachtungen unterstützen damit nicht nur Berichte ande-rer Autoren über eine antagonistische Wirkung von 12-HETE und 13-HODE bei der epithelialen Tumorentwick-lung, sondern auch zahlreiche Untersuchungen, denen zu-folge eine Linolsäure-reiche (pflanzliche) Ernährung eherkrebsverhütend, eine Arachidonsäure-reiche (tierische)Diät dagegen eher krebsfördernd wirkt. Wie es zu dem be-obachteten „Cross-talk“ zwischen den verschiedenenLOX-Formen kommt, ist allerdings noch völlig unklar [22].

Zu den potentiell „antikarzinogenen“ LOX könnte auch die12R-LOX gehören, da deren Expression bei der Tumor-entwicklung ebenfalls unterdrückt wird. Die Rolle dieserIsoform bei der Karzinogenese soll mit Hilfe von Mauslini-en untersucht werden, bei denen das 12R-LOX-Gen ge-websspezifisch (in der Epidermis) ausgeschaltet werdenkann. Das entsprechende konditionale12R-LOX-Knockout-Konstrukt wurde bereits hergestellt.

Ziele künftiger Untersuchungen sind:1 Identifizierung der Substrate und Produkte der

epidermalen LOX2. Analyse der LOX-Funktion in Keratinocyten mit Hilfe von

induzierbaren Expressionsystemen (TET-on/off)3. Charakterisierung des „Cross-talk“ zwischen LOX-

Isoenzymen in vivo nach gewebesspezifischer Über-expression oder Ausschaltung individueller LOX in derEpidermis von Mäusen

4. Identifizierung von LOX-Isoenzymen als potentielleTargets für Krebschemoprävention.

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Forschungsschwerpunkt B Tumorzellregulation

Abteilung B0500Biochemie der gewebsspezifischen Regulation

DKFZ 2002: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2000/2001

Publikationen (* = externe Koautoren)[1] Marks, F., Fürstenberger, G.: Cancer chemoprevention throughinterruption of multistage carcinogenesis: The lessons learned bycomparing mouse skin carcinogenesis and human large bowelcancer. Europ. J. Cancer 36, 314-329 (2000).[2] Nair, J., Fürstenberger, G., Bürger, F., Marks, F., Bartsch, H.:Promutagenic etheno-DNA adducts in multistage mouse skincarcinogenesis: correlation with lipoxygenase-catalyzedarachidonic acid metabolism. Chem. Res. Toxicol. 13, 703-709(2000).[3] Bürger, F., Krieg, P., Marks, F., Fürstenberger, G.: Positionaland stereo selectivity of fatty acid oxygenation catalyzed bymurine 12S-lipoxygenase isozymes. Biochem. J. 348, 329-335(2000).[4] Müller, K., Krieg, P., Marks, F., Fürstenberger, G.: Expressionof PGF2? receptor mRNA in normal, hyperplastic, and neoplasticskin, and in other mouse tissues. Carcinogenesis 21, 1063-1066(2000).[5] *Schadow, A., *Scholz-Pedretti, K., *Scholz, K., *Lambeau, G.,*Gelb, M.H., Fürstenberger, G., *Pfeilschifter, J., *Kaszkin, M.:Characterization of group X phospholipase A2 as the majorenzyme secreted by human keratinocytes and its regulation bythe phorbol ester TPA. J. Invest. Dermatol. 116, 31-39 (2001).[6] Heidt, M., Fürstenberger, G., Vogel, S., Marks, F., Krieg, P.:Diversity of murine lipoxygenases: identification of subfamily ofepidermal isozymes exhibiting a differentiation-dependent mRNAexpression pattern. Lipids 35, 701-707 (2000).[7] Manzow, S., Richter, K.H., Stempka, L., Fürstenberger, G.,Marks, F.: Evidence against a role of general protein kinase Cdownregulation in skin tumor promotion. Int. J. Cancer 85, 503-507 (2000).[8] Marks, F., Müller-Decker, K., Fürstenberger, G.: A causalrelationship between unscheduledeicosanoid signaling and tumordevelopment: cancer chemoprevention by inhibitors ofarachidonic acid metabolism. Toxicology 153, 11-26 (2000)[9] *Chariyalertsak, S., *Sirikulchayanonta, V., Mayer, D., Kopp-Schneider, A., Fürstenberger, G., Marks, F., Müller-Decker, K.:Aberrant cyclooxygenase isozyme expression in humanintrahepatic cholangiocarcinoma. Gut 48, 80-86 (2001)[10] *Richter, M., *Weiss, M., *Weinberger, I., Fürstenberger, G.,*Marian, B.: Growth inhibition and induction of apoptosis incolorectal tumor cells by cyclooxygenase inhibitors.Carcinogenesis 22, 17-25 (2001).[11] Siebert, M., Krieg, P., Lehmann, W.D., Marks, F.,Fürstenberger, G.: Enzymatic characterization of epidermis-derived 12-lipoxygenase isoenzymes. Biochem J. 355, 97-104(2001).[12] Krieg, P., Marks, F., Fürstenberger, G.: A gene clusterencoding human epidermis-Type lipoxygenases at chromosome17p13.1: Cloning, physical mapping, and expression. Genomics,73, 323-330 (2001).[13] Neufang, G., Fürstenberger, G, *Heidt, M., Marks, F., Müller-Decker, K.: Abnormal differentiation of epidermis in transgenicmice constitutively expressing cyclooxygenase-2 in skin, Proc.Natl. Acad. Sci. (USA) 98, 7629-7634 (2001).[14] Breitenbach, U., Tuckermann, J.P., Gebhardt, C., Richter,K.H., Fürstenberger, G., *Christofori, G., Angel, P.: Keratinocyte-specific onset expression in experimental of serine proteaseBSSP carcinogenesis. J. Invest. Dermatol. 117, 634-640 (2001).[15] Marks, F.: Cancer-linked genes. Meeting Report. J. CancerRes. Clin. Oncol. 126, 661-666 (2000).[16] Marks, F.: Der Stoffwechsel der Arachidonsäure: ein riskantesBravourstück der biochemischen Evolution. Biologie in unsererZeit 30, 342-352 (2000).[17] Marks, F.: Krebs- und Alzheimer-Prävention mit nicht-steroidalen Entzündungshemmern. Deutsche Medizin. Wschr.126, 308-314 (2001).

[18] Fürstenberger, G., Marks, F., Krieg, P.: Arachidonate 8(S)-Lipoxygenase. Prostaglandins and other lipid mediators. J. LipidMed. Cell Signalling, in press[19] Müller-Decker, K., Hirschner, W., Marks, F., Fürstenberger,G.: The effects of COX isozyme inhibition on incisional woundhealing in mouse skin. J. Invest. Dermatol., in press[20] Müller-Decker, K., Chariyalertsak, S., Albert, C., Reinerth, G.,Marks, F., Fürstenberger, G.: Cyclooxygenase-2: A moleculartarget for chemoprevention of epithelial tumors of skin and colon.In: Eicosanoids and other bioactive lipids in cancer, inflammationand related diseases, 6 (Ed. Honn et al.) Kluwer Academic/Ple-num Publishers, New York. In press[21] Marks, F., Fürstenberger, G., Müller-Decker, K.: COX-2, anendogenous tumor promoter and target for the chemopreventionof colorectal cancer and other neoplastic diseases. In: „HormoneReplacement Therapy and Cancer“. In press.[22] Müller, K. Siebert, M., Heidt, M., Marks, F., Krieg, P.,Fürstenberger, G.: Modulation of epidermal tumor developmentcaused by targeted overexpression of epidermis-type 12S-lipoxygenase. Cancer Res., in press

Differenzierung von normaler undneoplastischer EpidermisLeiter: Dr. rer. nat. habil. Jürgen Schweizer

Die Proteinfamilie der Keratine umfaßt die epithelialenKeratine, die in Zellen der verschiedenen Epitheltypen das10 nm Intermediärfilamentnetz ausbilden, und die Haarke-ratine, die am Aufbau von Haaren und Nägeln beteiligtsind. Im Mittelpunkt unserer Untersuchungen steht dieCharakterisierung der komplexen Multigenfamilienmenschlicher Haarkeratine sowie Untersuchungen zu de-ren Expression und Regulation im normalen und patholo-gisch veränderten Haarfollikel. Darüberhinaus beginnenwir mit der Charakterisierung der Multigenfamilien Haar-keratin-assoziierter Proteine, KAP, die die Matrix für Haar-keratin-IFs bilden. In beiden Fällen untersuchen wir eben-falls die Beziehungen zwischen erblichen Haaranomalienund Mutationen in den Mitgliedern der Multigenfamilien.

1. Aufklärung der humanen Haarkeratin- undKAP-Multigenfamilien

J. Schweizer, M.A. Rogers, H. Winter

In Zusammenarbeit mit Dr. L. Langbein, DKFZ; Drs. N. Aoki, Y.Shimomura, Hautklinik Niigata, JapanZusatzfinanzierung DFG.

Der Haarfollikel ist das morphologisch komplexeste An-hangsorgan der Epidermis. Am Aufbau seiner unterschied-lichen Gewebekompartimente spielen sowohl epithelialeKeratine als auch Haarkeratine als zelluläre Strukturpro-teine eine wesentliche Rolle. Mit Hilfe genomischer undcDNA-Banken konnten wir die gesamte Multigenfamilieder humanen Haarkeratine aufklären. Sie umfasst insge-samt 20 Gene, die in zwei Subfamilien auf Chromosom12q13 (Typ II: 6 funktionelle Gene, 4 Pseudogene) bzw.Chromosom 17q12-21 (Typ I: 9 funktionelle Gene, 1 tran-skribiertes Pseudogen) geklustert sind [1, 2, 3]. Mit Hilfespezifischer Antikörper und cDNA-Sonden konnten wir dieexakte Abfolge der Haarkeratinexpression im haarbilden-den Kompartiment des Follikels ermitteln und einen Kata-log humaner Haarkeratine erstellen [1, 2, 3]. Im Verlaufder genomischen Untersuchungen gelang es uns, mehre-

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Forschungsschwerpunkt B Tumorzellregulation

Abteilung B0500Biochemie der gewebsspezifischen Regulation

DKFZ 2002: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2000/2001

re neue Gene epithelialer Keratine zu identifizieren, vondenen einige spezifisch in der inneren Wurzelscheide desHaarfollikels exprimiert werden [4]. Darüberhinaus konn-ten wir innerhalb der Typ I Keratingendomäne auf Chro-mosom 17 fünf KAP-Multigenfamilien charakterisierenund die Expression ihrer Mitglieder im Haarkortex nach-weisen [5].

2. Haarkeratin- und KAP-Mutationen undHaaranomalien

J. Schweizer, H. Winter, M.A. Rogers

In Zusammenarbeit mit Dr. P. Vabres, Hautklinik Poiters, Frank-reich; Dr. A. Taieb, Hautklinik Bordeaux, Frankreich; Dr. D.Schissel, US Army Hospital, Heidelberg; Drs. M. Krawczak, D.N.Cooper, Humangenetik Cardiff, UK; Dr. P.Heidt, PrimatenzentrumNijmwegen, Niederlande.Zusatzfinanzierung DFG.

In klinischen Kooperationsprojekten über Mutationen inHaarkeratingenen und erbliche Haaranomalien wurden dieUntersuchungen der Haaranomalie Monilethrix abge-schlossen. Monilethrix stellt bisher die einzige bekannteHaarkeratinkrankheit dar [6]. Untersuchungen an Patien-ten, die am sogenannten „Loose Anagen Hair“ Syndromleiden, ergaben Hinweise für die mögliche Involvierung ei-nes mutierten epithelialen Keratins der inneren Wurzel-scheide, das für die gestörte Verankerung des Haar-schaftes im Follikel verantwortlich sein könnte [8].

Die Untersuchungen an der Haaranomalie Pseudofolli-cultis barbae, die in Zusammenarbeit mit der US ArmyHeidelberg erfolgen, stehen kurz vor dem Abschluß. Ander Ausbildung der für diese Anomalie typischen entzündli-chen Prozesse im Gesichtsbereich, die durch einwachsen-de Haare verursacht werden, scheint neben dem Haar-phänotyp, die Beteiligung einer Mutation im epithelialenKeratin K6hf gesichert. Letzteres wird im sogenanntenCompanion layer, zwischen der äußeren und innerenWurzelscheide exprimiert. In mutierter Form könnte es zueiner Destabilisierung des wachsenden Haares beitragen.

Schließlich konnten wir nachweisen, daß das im Typ IHaarkeratin-Genlokus auftretende Pseudogen �hHaA ,das durch eine Punktmutation inaktiviert wurde, im Schim-pansen und Gorilla intakt ist. Augenblicklich untersuchenwir ob es in den Primatenhaaren auch zur Expression ei-nes funktionellen Haarkeratins kommt.

3. Regulation der HaarkeratinexpressionL.F. Jave-Suarez, H. Winter, J. Schweizer

In Zusammenarbeit mit Dr. B. Cribier, Hautklinik Strassburg,Frankreich

Mit der Aufklärung der Gene der humanen Haarkeratinewaren die Voraussetzungen für Studien zur Regulation derHairkeratinexpression gegeben. Ihm Rahmen einer Dok-torarbeit konnten wir nachweisen, daß des das Homöo-box-Protein HOXC13 an der Expressionskontrolle vonHaarkeratingenen beteiligt ist, die während der frühenDifferenzierungsphase im haarbildenden Kompartimenteexprimiert werden. Die Expressionskontrolle verläuft dabeiüber mehrere Bindungselemente im proximalen Promotor-bereich der Gene, von denen eines nicht von anderenHOX13 Paralogen erkannt wird. Es bestehen Evidenzen,daß der ß-Catenin/LEF-1 Transkriptionskomplex an derRegulation der Expression von Kortexkeratin-Genen betei-ligt ist. Die Untersuchungen über die Expressionskontrolleeines in der Medulla von Sexualhaaren exprimierten Kera-tins durch den Androgenrezeptor stehen kurz vor dem Ab-schluß. Im engen Zusammenhang mit diesen Studien ste-hen Untersuchungen zur Expression von Haarkeratinge-nen und Transkriptionsfaktoren in humanen haarfollikel-abgeleiteten Tumoren, die in Zusammenarbeit mit derHautklinik Straßburg durchgeführt werden und deren Zieleine verbesserte Klassifizierung dieser Tumoren ist [7].

Publikationen (* = externe Koautoren)[1] Rogers M. A, Winter H, Langbein L, Schweizer J.Characterization of a 300 kpb region of human DNA containingthe type II hair keratin gene locus. J. Invest. Dermatol. 114, 464-472, 2000[2] Langbein L, Rogers M. A, Winter H, Praetzel S, Schweizer J.The catalog of human hair keratins - II. Expression of the six typeII members in the hair follicle and the combined catalog of humantype I and II keratins. J. Biol. Chem. 276, 35123-35132, 2001[3] Rogers M. A. Keratins and keratin diseases. In: Encyclopaediaof the Human Genome, Nature Publishing Group, MacmillanPress, Hampshire, England. Im Druck[4] Langbein L, Rogers M. A, Praetzel S, Winter H, Schweizer J.A novel epithelial keratin, hK6irs1, is expressed differentially in alllayers of the inner root sheath, including specialized Huxley cells(“Flügelzellen”) of the human hair follicle. J. Invest. Dermatol, ImDruck[5] Rogers M. A, Langbein L, Winter H, Ehmann C, Praetzel S,Korn B, Schweizer J. Characterization of a cluster of human high/ultrahigh sulfur keratin-associated protein genes embedded in thetype I keratin gene domain on chromosome 17q12-21. J. Biol.Chem. 276, 19440-19451, 2001[6] Winter H, Rogers M A, Vabres , P*. Larrègue M*, Schweizer J.A novel missense mutation, A118E, n the the helix initiation motifof the type II cortex keratin hHb6 causing monilethrix. Hum.Heredity 50, 322-324, 2000[7] Cribier B*, Peltre B*, Langbein L, Winter H, Schweizer J,Grosshans E*. Expression of type I hair keratins in folliculartumors. Brit. J. Dermatol. 144, 977-982, 2001[8] Chapalain, V, Winter H, Langbein L, LeRoy JM,* Labrèze C*,Nikolic M*, Schweizer, J, Taieb A*. Is the loose anagen hairsyndrome a keratin disorder? A clinical and molecular study.Arch. Dermatol. Im Druck

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Forschungsschwerpunkt B Tumorzellregulation

Abteilung B0600Differenzierung und Carcinogenese in vitro

DKFZ 2002: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2000/2001

Wissenschaftliche MitarbeiterPD. Dr. Dirk BreitkreutzDr. Nicole Maas-SzabowskiDr. Margareta MüllerDr. Hans-Jürgen StarkDr. Silvia Vosseler

GastwissenschaftlerDr. Nicole Mirancea, Rumänien (01-12/00; 06-12/01)

DoktorandenNicole Daum Claudia GutschalkLars Langeloh Wiltrud LederleJoachim Mertens Eva ObermüllerMartina Oehme Cathrine SchmidtAnja Stärker Michael Willhauck

DiplomandenMartina Koci

Technische AngestellteRegina Beck (50%) Silke Haid (25%)Angelika Krischke Iris MartinHeinrich Steinbauer Elke TomakidiEva Goedecke Alexandra Krämer

SekretariatMartina Kegel

Im Mittelpunkt der Untersuchungen der Abteilung stehenzelluläre und molekulare Mechanismen der Zell-Zell undZell-Matrix-Wechselwirkungen von Hautzellen und ihresteuernde Rolle für die Regeneration und Differenzierungdes normalen Hautepithels einerseits und andererseits fürdie Entwicklung und Progression von epithelialen Haut-tumoren. Die ebenfalls durchgeführten Arbeiten zum Mehr-stufenprozess der Hautcarcinogenese sind im Bericht derAbteilung B0900 von der ehemaligen Mitarbeiterin FrauPD Dr. Petra Boukamp dargestellt. Ziel der Forschungs-arbeiten ist ein besseres Verständnis der molekularenVorgänge der Transformation humaner Epithelzellen zuCarcinomzellen und deren veränderter Wachstumsregula-tion im Vergleich zu den Steuerungsmechanismen im nor-malen Gewebe.Für diese überwiegend in Zellkultur durchgeführten Studi-en haben wir zelluläre Modelle und komplexe Kultursyste-me entwickelt, die der natürlichen Situation im Organismusweitgehend entsprechen. Ausgehend von normalen Epi-thelzellen der adulten menschlichen Haut (Keratinozyten)wurde eine spontan immortalisierte Zellinie (HaCaT) ent-wickelt und als weitestgehend normal funktonierendeKeratinozytenlinie charakterisiert. Ihre überwiegend regu-lären epidermalen Eigenschaften qualifizierten diese Zel-len i) als Paradigma für humane Keratinozyten und mach-ten sie ii) auch auf Grund ihrer vielfältigen Manipulierbar-keit zu einem weltweit begehrten Modellsystem, das der-zeit in weit mehr als 2000 Laboratorien für verschiedeneFragestellungen verwandt wird. Nach genetischen (Trans-fektion des Ha-ras Onkogenes und von Wachstum-faktoren) und epigenetischen Manipulationen der HaCaT-Zellen (Stresseinwirkung, extensive Passagierung in vitro)konnten tumorigene Klone mit benignen, malignen undmetastasierenden Wachstumseigenschaften identifiziertwerden.Wenn auch die Entstehung von Tumoren sowie ihr autono-mes Wachstumsverhalten ursächlich auf genetischen Ver-änderungen einer Einzelzelle begründet sind, ist das kom-plexe Phänomen des Tumorwachstums (mit Invasion undMetastasierung) nur im Rahmen der veränderten Wech-selwirkung von Tumorzellen und ihrem umgebenden Ge-webe im Organismus zu verstehen. Ohne die spezifischeInteraktion mit Bindegewebe und Blutgefäßen ist dasWachstum auch der aggressivsten Tumorzellen auf mikro-skopisch kleine Tumor-Knoten limitiert. Ebenso wird dieHomöostase eines normalen Gewebes wie der Epidermis,d.h. die Balance zwischen Wachstum und Differenzierungder Epithelzellen, über komplexe Zell-Zell und Zell-Matrix-Wechselwirkungen gesteuert. Die zellulären und molekula-ren Mechanismen dieser epithelial-mesenchymalen Wech-selwirkungen, durch die Wachstum, Differenzierung undGewebestrukturierung normaler Keratinozyten, aber auchdas Wachstumsverhalten von Tumorzellen gesteuert wer-den, waren und sind Gegenstand der Untersuchungen inden einzelnen Arbeitsgruppen der Abteilung.

Abteilung Differenzierung und Carcinogenese (B0600)Leiter: Prof. Dr. med. Norbert E. Fusenig

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Forschungsschwerpunkt B Tumorzellregulation

Abteilung B0600Differenzierung und Carcinogenese in vitro

DKFZ 2002: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2000/2001

I. Mechanismen der Epithel-Mesenchym-Wechselwirkungen zur Steuerung vonWachstum und Differenzierung normalerKeratinozyten

Für den Erhalt der Funktion und Struktur von Geweben istdas Gleichgewicht zwischen Wachstum und Differenzie-rung, die Gewebe-Homöostase, unabdingbare Vorausset-zung. Dies wird maßgeblich über Zell-Zell und Zell-MatrixInteraktionen gesteuert, wobei insbesondere den Epithel-Mesenchym-Wechselwirkungen eine herausragende Rollezukommt. Im Fall der Haut erfolgt dieser Austausch zwi-schen der Epidermis und der Dermis als dem zugehörigenBindegewebe über die Basalmembran, einer speziellenStruktur der extrazellulären Matrix. Entsprechend hattenunsere bisherigen Untersuchungen gezeigt, daß zur Kon-trolle epidermaler Wachstums- und Differenzierungs-Vor-gänge zwischen beiden Gewebekompartimenten äußerstkomplexe Regelkreise existieren. Als experimentelle Basiszur Analyse dieser Wechselwirkungen waren zunächstepidermale Keratinozyten und Fibroblasten aus verschie-denen Hautbereichen isoliert und die Expressionsprofilevon relevanten Cytokinen und zugehörigen Rezeptoren inkonventionellen Mono- und Kokulturen erfaßt worden [1,2].

Im Gegensatz zu diesem herkömmlichen Ansatz konnte inorganotypischen Zellkulturen eine der Haut ähnliche Situa-tion rekonstruiert werden. Hierbei wachsen Epithelzellenauf einer extrazellulären Matrix (Kollagen Typ 1) in engerNachbarschaft zu hierin eingebetteten Bindegewebszel-len. So bilden unter dem Einfluß dermaler Fibroblasten dieepidermalen Keratinozyten geschichtete und differenzie-rende Oberflächenepithelien, die im Gegensatz zu kon-ventionellen Kulturen eine definierte Struktur und Polaritätaufweisen. Dabei werden spezifische Gewebecharakteris-tika in Struktur und Funktion augebildet, vergleichbar mitdem Ursprungsgewebe der Epidermis [3, 4, 5].

Als experimentelles Bezugssystem für das Wachstums-und Differenzierungspotential individueller Zellpopulatio-nen unter in vivo Bedingungen diente standardmäßig dasetablierte Oberflächen-Transplantations-Modell auf derNacktmaus. Mit retransplantierten normalen Keratinozytenhatten wir eine vollständige Wiederherstellung der epider-malen Gewebestruktur und Funktion erzielen können [6].Dieser Prozeß erfolgte ähnlich der Wundregeneration überdefinierte Stadien und offensichtlich ohne direkte mesen-chymale Zellkontakte, war also weitgehend über diffusibleFaktoren reguliert. Während hierbei die Evidenz nochüberwiegend morphologisch gestützt war, ermöglichten inneueren Arbeiten die organotypischen Kokulturen einendirekten funktionellen Nachweis von Regelkreisen überlösliche Mediatoren. Die getrennte Analytik des Epithel-bzw. Bindegewebeanteils der dreidimensionalen organo-typischen Kokulturen erlaubte hierbei eindeutige Aussa-gen über den wechselseitigen Steuerungsprozess zwi-schen Keratinozyten und Fibroblasten auf molekularerEbene und damit über die regulatorische Bedeutung desdermalen Parts für die Steuerung der Epidermis-Strukturund -Funktion.

1. Paracrine Regulation der Proliferation undDifferenzierung normaler Keratinozyten

N. Maas-Szabowski, H.-J. Stark, A. Stärker,M. Willhauck

Kooperationen mit P. Angel, DKFZ; R. Wolber, Beiersdorf AG,Hamburg; Fidia Advanced Biopolymers, Abano Terme, Italien

Nach früheren ersten Hinweisen, daß die Steuerung derepidermalen Proliferation und Differenzierung maßgeblichüber diffusible Faktoren aus dermalen Zellen erfolgt, konn-ten wir in Kokulturen epidermaler Keratinozyten mit der-malen Fibroblasten einen neuen Mechanismus von dop-pelt-parakrinen Regelkreisen aufzeigen [6]. So konnte inorganotypischen Kokulturen ein bisher nicht bekanntesZusammenspiel einiger diffusibler Faktoren identifiziertwerden. In Kultur sezernieren Keratinozyten verstärktInterleukin 1(IL-1), in etwa vergleichbar der Wundsituation in vivo. IL-1induziert dann in Fibroblasten, neben Proliferation, die ver-mehrte Expression seines Signalempfängers, des IL-1-Re-zeptors, sowie die Expression und Synthese verschiede-ner Wachstumsfaktoren und Interleukine. Unter anderemwerden KGF (keratinocyte growth factor) und GM-CSF(granulocyte macrophage colonie stimulating factor) ver-stärkt exprimiert [7]. Während die Stimulation der Keratino-zyten-Proliferation durch KGF bereits bekannt war, konn-ten wir in unserem System dies auch für den hämatopoie-tischen Faktor GM-CSF zeigen. Wie wir weiter in heterolo-gen Kokulturen mit Mausfibroblastenlinien, die Defizienzenin AP-1-Transkriptionsfaktor-Untereinheiten aufwiesen,zeigen konnten, wird die Expression von KGF und GM-CSF nach IL-1-Induktion antagonistisch von den AP-1-Un-tereinheiten c-Jun und Jun-B gesteuert. Hierbei induziertc-Jun die Transkription beider Cytokine, wohingegen Jun-B die transkriptionelle Aktivität von KGF und GM-CSF un-terdrückt. In Hautäquivalenten konnte eindeutig nachge-wiesen werden, daß KGF und GM-CSF die Proliferationder Keratinozyten stimulieren und GM-CSF zusätzlich inden Differenzierungsprozess der Epithelregeneration ein-greift [8, 9]. Neben KGF und GM-CSF spielen jedoch nochweitere Cytokine eine essentielle Rolle bei der Epithel-bildung sowie der Aufrechterhaltung der Hautstruktur, dabeide Faktoren gemeinsam die Abwesenheit von Fibro-blasten in organotypischen Kulturen nicht kompensierenkonnten. In heterologen Kokultursystemen mit genetischveränderten Fibroblasten werden deshalb zur Zeit weitereFaktoren der dermal-epidermalen Kommunikation identifi-ziert. Darüberhinaus werden die molekularen Mechanis-men eingehend analysiert, die KGF und GM-CSF in denKeratinozyten auslösen, insbesondere die von ihnen indu-zierten Zielgene, die für die Entwicklung einer normalenEpidermisstruktur verantwortlich sind.

Der derzeitige Stand bei der Herstellung organotypischerKeratinozyten-Fibroblasten-Kokulturen erlaubt ihre repro-duzierbare Bereitstellung für experimentelle Zwecke undhat es somit ermöglicht, grundlegende Phänomene derepidermalen Regeneration in vitro zu untersuchen. Wichti-ge Standardisierungsmaßnahmen an diesem Kulturmodell

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Forschungsschwerpunkt B Tumorzellregulation

Abteilung B0600Differenzierung und Carcinogenese in vitro

DKFZ 2002: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2000/2001

waren hierbei einmal die Einstellung auf definiertes Kultur-medium und zum anderen die Kontrolle der Fibroblasten-population durch Verwendung postmitotischer Zellen er-reicht werden, ohne daß funktionelle Einbußen eintraten[3]. Weiterhin konnten neuerdings durch Verwendung vonbiokompatiblen Gerüstmaterialien und dermalen Fibro-blasten Dermisäquivalente in vitro produziert werden, diesich durch autonome Produktion extrazellulärer Matrixauszeichnen und eine gut geeignete mesenchymale Un-terlage für Keratinozyten in Kokultur bieten. Neben ver-besserter mechanischer Stabilität liegt ihr Vorteil auch dar-in, daß sie im Hinblick auf klinische Anwendung (TissueEngineering von Hautersatz) ein immunologisch völlig hu-manisiertes System ohne artfremdes Strukturprotein wietierisches Kollagen darstellen. In derartigen Hautäquiva-lenten werden derzeit die Einflüsse des Epithels auf dieECM-Synthese untersucht, was auch im Kontext der Cha-rakterisierung von (Wund- und Tumor-) Stromabildung invivo von Bedeutung ist.

Aufgrund ihrer genetischen Veränderungen, aber auch ih-res in vitro Wachstumsverhaltens repräsentieren die Zellender immortalen humanen Keratinozytenlinie HaCaT einFrühstadium der Hautcarcinom-Entwicklung. Die detaillier-te Analyse ihrer funktionellen Kompetenz unter optimalen,d.h. in vivo Bedingungen, hatte eine weitgehend normaleEpithelbildung, allerdings mit verzögerter Kinetik gezeigt.Alle Differenzierungsmarker wurden regelrecht exprimiert,wobei allerdings der strukturelle Aufbau des neu gebilde-ten Epithels weniger geordnet war und erst nach drei Wo-chen eine weitgehend normale (othokeratotische) Horn-schicht erkennen ließ [10]. Diese regulatorischen Defizitewurden in dem in vitro Modell der organotypischen Kokul-tur noch deutlicher. Obwohl HaCaT Zellen in konventionel-len Kulturen eine größere Wachstumspotenz zeigen alsnormale Keratinozyten, war dies bei Kultivierung auf Kolla-genmatrix und in Anwesenheit von Fibroblasten reduziert[11]. Die Analyse der molekularen Mechanismen diesergestörten Epithel-Mesenchym-Wechselwirkung, insbeson-dere der für die Proliferation normaler Keratinozyten auf-gezeigten Regelkreise, ist von großem Interesse und wirdderzeit intensiv verfolgt.

2. Epithel-mesenchymale Wechselwirkungenin der Produktion der Basalmembran

D. Breitkreutz, C. Schmidt, N. Daum, N. Mirancea

Kooperation R. Nischt und T. Krieg, Dermatologie, UniversitätKöln; U. Werner und M. Gerl, Aventis Deutschland

Entsprechend der Wachstumsregulation von Keratinozytenkonnte auch die postulierte interaktive Bildung der Basal-membran (BM) durch Keratinozyten und Fibroblasten inorganotypischen Kokulturen schlüssig demonstriert wer-den. Die separate Analyse beider Gewebekompartimenteauf mRNA und Proteinebene hatte bereits die wechselsei-tige Induktion und Dynamik der Synthese der BM-Kompo-nenten gezeigt [12]. Zellspezifisch erfolgte hierbei lediglichdie Synthese der Laminin-Isoform LN-5 in Keratinozytenund von Nidogen in Fibroblasten. Darüberhinaus konntenwir unter Verwendung definierter Medien (ohne Serum

oder Gewebeextrakte) direkte Effekte externer Faktorennachweisen. Dabei zeigte sich ein ausgeprägter Synergis-mus zwischen TGFß und Vitamin A-Säure, die beide aufder Regulation der epithelialen Differenzierung eher ant-agonistisch wirken. Eine weitere Regulationsebene bei derBM-Bildung stellt die reguläre Verknüpfung ihrer Einzel-komponenten zu stabilen Co-Polymeren (BM-Assembly)dar, ein wesentlicher Vorgang für die funktionelle BM-Sta-bilität. Mit einem definierten Laminin-Fragment konnten wirgezielt die Interaktion von Laminin-10 mit der Querver-netzungs-Komponente Nidogen unterbinden und damit diePolymerisation einzelner BM-Komponenten völlig blockie-ren. Konventionelle sowie Immun-Elektronenmikroskopiemachten dabei deutlich, daß neben dem Verlust distinkterBM-Strukturen und der aberranten Lokalisation von BM-Molekülen auch Matrix-Verankerungsstrukturen (Hemides-mosomen) der basalen Keratinozyten völlig fehlten. Ent-sprechend war ebenfalls die Organisation des Keratin-Cytoskeletts erheblich gestört. Die Effekte waren dosisab-hängig und reversibel. Außerdem waren Epithelwachstumund epidermale Differenzierung nicht nachhaltig beein-flußt, was die Spezifität dieses Eingriffs in BM-Organisati-on und Zell-Matrix-Interaktion klar unterstreicht.

Spätere Stadien der Zelltransformation in Richtung Krebs-zelle, wie sie nach Onkogen-Transfektion an dem HaCaT-Modellsystem in Form von benignen und malignen Tumor-zellen charakterisiert werden konnte, zeigten weitergehen-de Veränderungen in der Mesenchym-Wechselwirkungund extrazellulären Matrixproduktion. Besonders deutlichwurde dies in Oberflächentransplantaten auf der Nackt-maus, bei denen benigne Zellen differenzierte, leichtdysplastische Epithelien auf aktiviertem Granulations-gewebe bildeten, während maligne Zellen invasives Tu-morwachstum zeigten. Dies korrelierte mit einem massi-ven Verlust der Zellpolarität, erkenntlich an der stark ex-pandierten Zone von proliferierenden Zellen mit Basalzell-Charakter sowie aberranten Keratinmustern [13]. Ein wei-terhin typisches Merkmal maligner Zellen waren erhebli-che Störungen in der Produktion von BM-Strukturen, wo-bei BM-Komponenten auch diffus in das benachbarteTumorstroma diffundierten (bestätigt durch Immun-Elektro-nenmikroskopie). Entsprechend waren im Elektronenmi-kroskop nur marginal BM-Strukturen sichtbar, einschließ-lich defekter Zellverankerungs-Komplexe (Hemidesmoso-men) an der Zell-Matrix-Interphase. In Analogie zur Kera-tinozyten-Rekrutierung bei der Wundheilung mit ähnlichenVeränderungen dürften diese wesentlich zur erhöhten Mo-bilität der Tumorzellen - vor allem bei invasivem Wachstum- beitragen. Eine Schlüsselrolle fällt hierbei den Matrix-rezeptoren der Integrin-Familie, insbesondere Integrin�6�4 zu, das ein integraler Bestandteil der Hemidesmo-somen ist. Der Beitrag dieses Integrins zur normalen so-wie gestörten Signaltransduktion in Tumoren unter ProteinKinase C ist Gegenstand derzeitiger Untersuchungen.

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Forschungsschwerpunkt B Tumorzellregulation

Abteilung B0600Differenzierung und Carcinogenese in vitro

DKFZ 2002: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2000/2001

3. Parakrine und autokrine Mechanismen inTumorprogression und Stromamodulation

M. Müller, C. Gutschalk, E. Obermüller, M. Oehme,M. Koci

Kooperation mit Ch. Herold-Mende, HNO Klinik (Dr. C. Reisser)und Neurochirurgie Heidelberg (Dr. H.-H. Stein); A. Marmé,Universitätsfrauenklinik, G. Neufeld, Technion Haifa, Israel

Tumorprogression, d.h. die Entwicklung zunehmendmalignerer Varianten, ist durch eine verstärkte Wachs-tums-Unabhängigkeit der Tumorzellen von ihrer Umge-bung (Stroma) charakterisiert, großteils bedingt durch eineveränderte Wachstumsfaktorexpression. In dieser Gruppeist es kürzlich gelungen, einen bisher unbekannten Wegder autonomen Wachstumsregulation von besonders ag-gressiven (metastasierenden) HaCaT Tumorzellen zu ent-schlüsseln und auch dessen Bedeutung für humane Tu-more, wie Glioblastome, Meningiome und Kopf-Hals-Tu-more zu belegen. Unabhängig von der Art der tumorige-nen Transformation der HaCaT Zellen (H-ras Onkogenoder Kultur-Stress) konnte, durch in vivo Passage als s.c.Nacktmaustumore, reproduzierbar die Malignität (Aggres-sivität) von HaCaT Tumorzellen bis hin zur Metastasierunggesteigert werden [14]. Mit dieser Tumorprogression gehtstets eine de novo Expression der hämatopoietischenWachstumsfaktoren G-CSF und GM-CSF einher [15]. Bei-de, ursprünglich als regulierende Faktoren des hämato-poietischen Systems identifizierte Proteine, wurden vonuns erstmals als Progressions-assoziierte Faktoren fürepitheliale und neuronale Tumorzellen nachgewiesen.Während die Expression der Rezeptoren für G-CSF undGM-CSF bereits in nicht tumorigenen HaCaT Zellen zu fin-den ist, werden die Faktoren ausschließlich in hochgradigmalignen Zellen exprimiert. Benigne Tumorzellen, die nor-malerweise zystische Tumore bilden, konnten durch dieTransfektion mit beiden Faktoren zu malignen Tumorzellentransformiert werden. Die Neoexpression von G-CSF undGM-CSF steuert die Tumorprogression durch eine auto-krine Stimulation von Tumorzellproliferation und Migration,aber auch über eine verstärkte Induktion von Tumorstromaund Angiogenese in vivo. Darüberhinaus wirken beideFaktoren chemotaktisch für Leukozyten und könnten aufdiesem Wege auch für die Expression und Aktivierung vonMatrix-Metalloproteinasen in Makrophagen und Granulo-zyten und damit für die Gewebedegradation im Rahmender Invasion eine entscheidende Rolle spielen. In Weiter-führung dieses Projekts gilt unser Interesse jetzt beson-ders den Veränderungen in der Tumor-Stroma-Interaktion,die in den hochgradig malignen Zellen durch die de novoExpression von G-CSF und GM-CSF bewirkt werden. Zurweiteren Analyse der veränderten Wachstumsregulation inFrüh- versus Spät-Stadien der HaCaT-Tumorzellen findenderzeit cDNA-Array Studien zur Identifizierung zusätzlicherverändert exprimierter Wachstumsfaktoren statt.

Den Daten zur Wirkung von G-CSF und GM-CSF auf Tu-morwachstum und Progression steht die zunehmende kli-nische Verwendung beider Faktoren in der adjuvantenTumortherapie zur Vermeidung von Strahlen und Chemo-therapie-induzierter Neutropenie und Mucositis gegen-über, die daher möglicherweise kritisch bewertet werden

muß. Dies wird unterstützt durch die von uns nachgewie-sene funktionelle Rolle von G-CSF und GM-CSF alsautokrine Stimulatoren von Tumorzell-Proliferation und -Migration in humanen Gliomen und Meningiomen [16, 17].Der Beitrag beider Faktoren zur Tumorprogression spie-gelt sich außerdem in einer statistisch signifikanten Korre-lation der Expression beider Faktoren in Gliomen undKopf-Hals-Tumoren mit einer kürzeren Überlebenszeit fürdie Patienten sowie in einem Überlebensnachteil mancherPatienten bei G-CSF unterstützter Therapie von Kopf-Hals-Tumoren. Daher wollen wir in Fortführung dieser Stu-dien die funktionelle Bedeutung von G-CSF und GM-CSFfür Tumorprogression, Invasion und Metastasierung dieserTumortypen in vivo im Nacktmausmodell verifizieren.

4. Tumor-Stroma-Wechselwirkungen steuernInvasion und Angiogenese

S. Vosseler, H.-J. Stark, W. Lederle, M.M. Müller,M. Willhauck, J. Mertens

In Kooperation mit J.M. Foidart, Universität Lüttich, Belgien; E.Fink, Universität München, V.M. Kähäri, Universität Helsinki, Finn-land, W. Hartschuh, Universität Heidelberg

Zahlreiche Arbeiten aus jüngster Zeit belegen die ent-scheidende Rolle von stromalen Zell- und Matrix-Elemen-ten für Tumorentstehung, Invasion und Metastasierung.Neben der bekannten induzierenden Rolle von Tumorzel-len auf Stromaveränderungen wird die Bedeutung von sti-mulierenden und hemmenden stromalen Einflüssen aufdas Tumorwachstum zunehmend erkannt.

Epitheliale Tumore wie Hautcarcinome weisen große Ähn-lichkeiten mit der Wundheilungssituation auf, bei der sichder mesenchymale Gewebeanteil in spezifischer Weise zuGranulationsgewebe umbildet. Daher liegt ein Schwer-punkt unserer Forschungsaktivitäten auf der Analyse undfunktionellen Charakterisierung solchen Granulationsge-webes. Erste Ergebnisse zeigten, daß die Stroma-Modula-tion durch Induktion einer Fremdkörperreaktion das inva-sive Wachstum maligner Tumorzellen entscheidend beein-flußt, je nach chemischer Zusammensetzung der verwen-deten Materialien. Von der weiteren eingehenden Untersu-chung dieses Phänomens sind wertvolle Erkenntnisseüber stromale Parameter, die den Tumorphänotyp kontrol-lieren, zu erwarten.

In vitro Ansätze, bei denen Tumor-Stroma-Äquivalentedurch dreidimensionale Kultivierung von isolierten Zellenaus dem Stroma von Plattenepithelkarzinomen hergestelltund mit malignen und prämalignen Zellen kombiniert wer-den, sollen über die tumorregulierenden Mechanismen derstromalen Zellen Aufschluß geben und diese einer detail-lierten Analyse zugänglich machen.

Eines der wesentlichsten Elemente der veränderten Tu-mor-StromaWechselwirkung ist die durch Tumorzellen in-duzierte Angiogenese. Neben ihrer Bedeutung für die Er-nährung und Sauerstoffversorgung des Tumorgewebeswerden der Gefäßneubildung zusätzliche, für das Tumor-wachstum wesentliche Funktionen zugesprochen. Dem-entsprechend konnten wir im Transplantationssystem eine

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Forschungsschwerpunkt B Tumorzellregulation

Abteilung B0600Differenzierung und Carcinogenese in vitro

DKFZ 2002: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2000/2001

bisher nicht bekannte Interaktion von Angiogenese undTumorinvasion nachweisen. Durch Blockade der Tumor-in-duzierten Angiogenese mittels Antikörper-vermittelter Inak-tivierung eines Rezeptors (VEGF-R2) des potentestenAngiogenesefaktors VEGF (vascular endothelial growthfactor) wurde nicht nur ein Einsprossen der Gefäße in denTumor (Vaskularisierung), sondern überraschenderweiseauch die Invasion der Tumorzellen unterbunden. Dieserbedeutende Befund einer so entscheidenden Wechselwir-kung zwischen Gefäßsystem und Tumorinvasion ließ sichinzwischen auch an aggressiven Tumorvarianten, sowohlim Transplantationssystem als auch nach konventionellersubcutaner Injektion, erhärten. Wenn auch die mechanisti-schen Zusammenhänge noch unklar sind, belegen dieseErgebnisse eindeutig die essentielle Rolle der Gefäßneu-bildung, d.h. von aktivierten Endothelien, für die Tumor-invasion [18].

In einer Kooperationsstudie mit Prof. Hartschuh (Universi-tätshautklinik, Heidelberg) konnten wir zeigen, daß eineverstärkte Vaskularisierung von epithelialen Hauttumorenerst in Spätstadien auftritt [19]. Erst bei einem größerenTumordurchmesser erfolgt die verstärkte Induktion vonAngiogenese in diesen Tumoren, nicht jedoch in Frühsta-dien (aktinische Keratose), wie dies bei anderen Organ-tumoren berichtet wurde. Interessanterweise korreliert dieverstärkte Vaskularisierung von Plattenepithelcarcinomender Haut mit der ansteigenden Metastasierungshäufigkeit.

Ein weiterer bedeutender funktioneller Aspekt der Tumor-Stroma-Interaktion ist die Produktion und Regulation vonMatrix-degradierenden Proteinasen, denen eine besonde-re Rolle bei der Tumorinvasion zukommt. So konnte dieExpression verschiedener Proteasen, insbesondere MatrixMetalloproteinasen (MMPs) in unterschiedlichen Transfor-mationsstadien von HaCaT Zellen nachgewiesen und ihreInduktion über verschiedene Signalwege belegt werden[20-23]. Eine funktionelle Korrelation zu dem Transformat-ions-Stadium der Zellen, d.h. zu ihrem invasiven Verhal-ten, war jedoch nicht zu belegen. Andererseits konnten wirzeigen, daß die Expression von MMPs in benignen undmalignen Tumorzellen durch Stromazellen in vitro und invivo reguliert wird [24]. Außerdem scheinen nur maligneTumorzellen in der Lage, bestimmte MMPs im benachbar-ten Stroma zu induzieren, nicht jedoch benigne, wie der-zeit laufende Studien zeigen.

Weitere Befunde aus einer Kooperation weisen darauf hin,daß nicht die Proteaseproduktion an sich Invasions-för-dernd ist, sondern ihre balancierte Expression und Aktivie-rung. In Fortführung dieser Zusammenarbeit konnte nach-gewiesen werden, daß das Fehlen eines natürlichen Inhi-bitors des Plasmin-Protease-Systems (PAI-1) sowohlTumorvaskularisierung wie Invasion völlig hemmt [25].

Die in drei verschiedenen Systemen mit unterschiedlichenKomponenten nachgewiesene Rolle der einsprossendenGefäße für die Tumorinvasion spricht für einen komplexenmultifaktoriellen Mechanismus der Wechselwirkung, wobeiWachstumsfaktoren, Proteasen und ECM-Komponentensynergistisch wirken, um Tumorinvasion zu ermöglichen[18, 25, 26].

Alle diese Befunde lassen erkennen, daß nicht nur in nor-malen, sondern auch in Tumorgeweben wechselseitige In-teraktionen zwischen Epithelzellen und Zellen des Binde-gewebes stattfinden, die Proliferation, Differenzierung undmöglicherweise Migration von normalen und Tumorzellen,aber auch die Synthese und Aktivierung von Proteasensteuern. Die detaillierte Analyse dieser Wechselwirkungenund ihrer Rolle bei der Regulation der Invasion ist Aufgabelaufender Untersuchungen, die sowohl an in vivo (Ober-flächentransplantaten) wie an in vitro Modellen (organo-typischen Hautkulturen) erfolgen.

Publikationen (* = externe Koautoren)[1] Maas-Szabowski, N., *Shimotoyodome, A, Fusenig, N.E.:Keratinocyte growth regulation in fibroblast cocultures via adouble paracrine mechanism. Journal of Cell Science 12:1843-1853 (1999)[2] Fusenig, N.E.: Culture of specific cell types: keratinocytes. In:Culture of animal cells (R.A. Freshney, ed.) Wiley, New York,Chichester, pp. 346-349 (2000)[3] Stark, H.-J., *Baur, M., Breitkreutz, D., *Mirancea, N., Fusenig,N.E.: Organotypic keratinocyte cocultures in defined medium withregular epidermal morphogenesis and differentiation. Journal ofInvestigative Dermatology 112:681-691 (1999)[4] *Tomakidi, P., *Schuster, G., Breitkreutz, D., *Kohl, A., *Ottl, P.,*Komposch, G.: Organotypic cultures of gingival cells: anepithelial model to assess putative local effects of orthodonticplate and occlusal splint materials under more tissue-likeconditions. Biomaterials 21:1549-1559 (2000)[5] Stark, H.-J., Maas-Szabowski, N., *Smola, H., Breitkreutz, D.,*Mirancea, N., Fusenig, N.E.: Organotypic keratinocyte-fibroblastcocultures: in vitro skin equivalents to study the molecularmechanisms of cutaneous regeneration. In: Cultured humankeratinocytes and tissue engineered skin substitutes (R.E. Horch,A.M. Munster, B.M. Achauer, eds.), Thieme Verlag, Stuttgart, NewYork, pp. 163-172 (2001)[6] Maas-Szabowski, N., Stark, H.-J., Fusenig, N.E.: Cellinteraction and epithelial differentiation. In: Culture of epithelialcells. Second Edition. (R.I. Freshney, M.G., Freshney, eds.) Wiley,New York, in press (2002)[7] Maas-Szabowski, N., Stark, H.-J., Fusenig, N.E.: Keratinocytegrowth regulation in defined organotypic cultures through IL-1-induced keratinocyte growth factor expression in restingfibroblasts. Journal of Investigative Dermatology 114:1075-1084(2000)[8] Szabowski, A., Maas-Szabowski, N., Andrecht, S., Kolbus, A.,Schorpp-Kistner, M., Fusenig, N.E., Angel, P.: c-Jun and JunBantagonistically control cytokine-regulated mesenchymal-epidermal interaction in skin. Cell 103:745-755 (2000)[9] Maas-Szabowski, N., Szabowski, A., Stark, H.-J., Andrecht, S.,Kolbus, A., Schorpp-Kistner, M., Angel, P., Fusenig, N.E.:Organotypic cocultures with genetically modified mousefibroblasts as a tool to dissect molecular mechanisms regulatingkeratinocyte growth and differentiation. Journal of InvestigativeDermatology 116:816-820 (2001)[10] Breitkreutz, D., Schoop, V.M., *Mirancea, N., *Baur, M.,Stark, H.-J., Fusenig, N.E.: Epidermal differentiation andbasement membrane formation by HaCaT cells in surfacetransplants. European Journal of Cell Biology 75:273-286 (1998)[11] Schoop, V., *Mirancea, N., Fusenig, N.E.: Epidermalorganization and differentiation of HaCaT keratinocytes inorganotypic coculture with human dermal fibroblasts. Journal ofInvestigative Dermatology 112:343-353 (1999)[12] Smola, H., Stark, H.-J., Thiekötter, G., Mirancea, N., Krieg, T.,Fusenig, N.E.: Dynamics of basememt membrane formation bykeratinocyte-fibroblast interactions in organotypic skin culture. Ex-perimental Cell Research 239:399-410 (1998)

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Forschungsschwerpunkt B Tumorzellregulation

Abteilung B0600Differenzierung und Carcinogenese in vitro

DKFZ 2002: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2000/2001

[13] Tomakidi, P., *Mirancea, N., Fusenig, N.E., *Herold-Mende,C., *Bosch, F.X., Breitkreutz, D.: Defects of basement membraneand hemidesmosome structure correlate with malignantphenotype and stromal interactions in HaCaT-ras transplants. Dif-ferentiation 64:263-275 (1999)[14] Müller, M., Fusenig, N.E.: Constitutive expression of G-CSFund GM-CSF in human skin carcinoma cells with functionalconsequence for tumor progression. International Journal ofCancer 83:780-789 (1999)[15] Müller, M.M., Peter, W., Mappes, M., Hülsen, A., Steinbauer,H., Boukamp, P., *Vaccariello, M., *Garlick, J., Fusenig, N.: Tumorprogression of skin carcinoma cells in vivo promoted by clonalselection, mutagenesis, and autocrine growth regulation bygranulocyte colony-stimulating factor and granulocyte-macrophage colony-stimulating factor. American Journal ofPathology 159:1567-1579 (2001)[16] Müller, M.M., *Herold-Mende, C.C., *Riede, D., *Lange, M.,*Steiner, H.-H., Fusenig, N.E.: Autocrine growth regulation bygranulocyte colony-stimulating and granulocyte macrophagecolony-stimulating factor in human gliomas with tumorprogression. American Journal of Pathology 155:1557-1567(1999)[17] *Braun, B., *Lange, M., *Oeckler, R., Müller, M.M.: Expressi-on of G-CSF and GM-CSF in human meningiomas correlates withincreased tumor proliferation and vascularization and thus withtumor progression. Submitted (2002)[18] Fusenig, N.E., Skobe, M., Vosseler, S., Hansen, M., Lederle,W., Airola, K., *Tomakidi, P., Stark, H.-J., Boukamp, P.,Breitkreutz, D.: Tissue models to study tumor-stroma interactions.In: Proteases and their inhibitors in cancer metastasis. (R.J. Mu-schel, J.-M. Foidart, eds.) Kluwer Academic Publishers,Dordrecht, The Netherlands, in press (2002)[19] Strieth, S., Hartschuh, W., Pilz, L., Fusenig, N.E.: Angiogenicswitch occurs late in squamous cell carcinomas of human skin.British Journal of Cancer 82:591-600 (2000)[20] *Ala-aho, R., *Johansson, N., *Grénman, R., Fusenig, N.E.,*Foschi, M., *López-Otín, C., *Kähäri, V.-M.: Inhibition ofcollagenase-3 (MMP-13) expression in transformed humankeratinocytes by interferon-� is associated with activation ofextracellular signal-regulated kinase-1,2 and STAT1. Oncogene19:248-257 (2000)[21] *Bachmeier, B.E., Boukamp, P., *Lichtinghagen, R., Fusenig,N.E., *Fink, E.: Matrix metalloproteinases-2, -3, -7, -9, and -10,but not MMP-11, are differentially expressed in normal, benigntumorigenic and malignant human keratinocyte cell lines.Biological Chemistry 381:497-507 (2000)[22] *Johansson, N., *Ala-aho, R., *Uitto, V.-J., *Grénman, R.,Fusenig, N.E., *López-Otín, C., *Kähäri, V.-M.: Expression ofcollagenase-3 (MMP-13) and collagenase-1 (MMP-1) bytransformed keratinocytes is dependent on the activity of p38mitogen-activated protein kinase. Journal of Cell Science113:227-235 (2000)[23] *Baumann, P., *Zigrino, P., *Mauch, D., Breitkreutz, D.,*Nischt, R.: Membrane-type 1 matrix metalloproteinase-mediatedprogelatinase activation in non-tumorigenic and tumorigenic hu-man keratinocytes. British Journal of Cancer 83:1387-1393 (2000)[24] *Airola, K., Fusenig, N.E.: Differential stromal regulation ofMMP-1 expression in benign and malignant keratinocytes. Journalof Investigative Dermatology 116:85-92 (2001)[25] *Bajou, K., *Masson, V., *Gerard, R.D., *Schmitt, P.M., *Al-bert, V., *Praus, M., *Lund, L.R., *Frandsen, T.L., *Brunner, N.,*Dano, K., Fusenig, N.E., *Weidle, U., *Carmeliet, G., *Loskutoff,D., *Collen, D., *Carmeliet, P., *Foidart, J.M., *Noel, A.: Theplasminogen activator inhibitor PAI-1 controls in vivo tumorvascularization by interaction with proteases, not vitronectin:implications for anti-angiogenic strategies. Journal of Cell Biology152:777-784 (2001)[26] Fusenig, N., Vosseler S.: Bedeutung der Angiogenese für dieTumorinvasion. Med-Report 21:2 (2000)

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Forschungsschwerpunkt B Tumorzellregulation

Abteilung B0700Tumorbiochemie

DKFZ 2002: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2000/2001

Wissenschaftliche MitarbeiterDr. sc. hum. Yunhai CuiDr. med. Markus Donner (- 01/01)Prof. Dr. rer. nat. Wolfgang HagmannDr. sc. hum. Gabriele JedlitschkyDr. rer. nat. Jörg KönigDr. sc. hum. Inka Leier (U12/00)Dr. rer. nat. Anne Nies

Gastwissenschaftler/StipendiatenDr. med. H. Kojima (Japan, Humboldt-Stipendium, 08/01 -)Dr. M. Komatsu (Ph.D.) (Japan, Forschungsstipendium derKagoshima Universität Japan, 10/01 -)

Doktoranden/innenRenata Gologan (- 03/00)Verena KeitelYoung-Min Lee (07/01 -)Christoph Michalski (04/01 -)Dipl. Pharmazeut. Maria Rius Montraveta (12/00 -)Dipl. Biol. Birgit Stöckel (- 03/00)

Technische AssistentinnenManuela BromUlrike Buchholz (halbtags) (- 09/00)Johanna Hummel-Eisenbeiß (halbtags)Marion Pfannschmidt (Gast)Jana Schubert (03/00 -)Bettina Walter (halbtags) (11/00 -)

SekretariatFriederike Kremp

Der Transport körpereigener und körperfremder Substan-zen über Zellmembranen wird durch Transportproteinekontrolliert. Zahlreiche Gene kodieren für die Proteine,welche die Aufnahme von Substanzen in die Zelle und dieAbgabe aus der Zelle vermitteln. ATP-abhängige Mem-branproteine transportieren körpereigene Substanzen, To-xine, Kanzerogene, Zytostatika und deren Konjugate überdie Plasmamembran aus normalen und malignen Zellen inden extrazellulären Raum. Untersuchungen in der Abtei-lung Tumorbiochemie haben zur Entdeckung der moleku-laren Identität von ATP-abhängigen Transportern für Kon-jugate und Komplexe lipophiler Verbindungen mit Glutath-ion, Glucuronat oder Sulfat geführt. Eine Überexpressiondieser Transportproteine der Plasmamembran, zu denendie Mitglieder der Multidrug Resistance-Proteine (MRP-Proteine) zählen, kann zur Resistenz von Tumoren gegen-über verschiedenen Zytostatika führen. Die Proteine derMRP-Familie (MRP1-9) unterscheiden sich erheblich in ih-rer Sequenz und Substrat-Spezifität vom MDR1-P-Glyko-protein, welches ebenfalls eine Zytostatika-Resistenz be-wirken kann. Hemmstoffe des Transports von Zytostatika-Konjugaten und -Komplexen durch MRP-Proteine könnendazu dienen, diese neuen Formen der Zytostatika-Resi-stenz zu überwinden.Zu den physiologischen Substraten von Konjugat-Export-pumpen der MRP-Familie zählen unter anderem dasGlutathionkonjugat Leukotrien C4, Glucuronide von Biliru-bin, Gallensäuren und Steroidhormonen, sowie zyklischeNukleotide (cGMP und cAMP). Die fehlende Lokalisationder MRP2-kodierten Konjugat-Exportpumpe in der apika-len Membran der Hepatozyten ist die Ursache des erbli-chen Dubin-Johnson-Syndroms des Menschen, das durcheine konjugierte Hyperbilirubinämie charakterisiert ist. DieKlonierung von MRP2, MRP3, MRP5 und MRP6 ermög-lichte die Herstellung stabil transfizierter Zellen und spezi-fischer Antikörper. Durch Immunfluoreszenz- und konfoka-le Laser-Scanning-Mikroskopie wurde die dynamische in-trazelluläre Verteilung von MRP2, die basolaterale Lokali-sation von MRP3 und die apikale Lokalisation von MRP2in verschiedenen Geweben bestimmt. Die MRP2-Expressi-on und –Lokalisation wurde auch im klarzelligen Nieren-zellkarzinom und im hepatozellulären Karzinom nachge-wiesen. Unsere Untersuchungen zeigen, dass MRP2 zurlange bekannten Chemoresistenz dieser malignen Tumo-ren beitragen kann.

Zusatzfinanzierung: DFG über SFB 352 und SFB 601;Forschungsschwerpunkt Transplantation; Tumorzentrum Heidel-berg-Mannheim; Deutsch-Israelische Zusammenarbeit (DKFZ/NCRD); Fonds der Chemischen Industrie.

Homepage: www.dkfz.de/tumorbiochem/

Abteilung Tumorbiochemie (B0700)Leiter: Prof. Dr. med. Dietrich Keppler

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Forschungsschwerpunkt B Tumorzellregulation

Abteilung B0700Tumorbiochemie

DKFZ 2002: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2000/2001

Identifikation und genomische Organisationvon hepatozellulären Aufnahmetransporternfür organische AnionenJ. König, Y. Cui, A. Nies, D. Keppler

Auf Grund der Ähnlichkeit mit der Sequenz eines bekann-ten Aufnahmetransporters für organische Anionen konntenwir die gesamte cDNA eines neuen Aufnahmetransporters,OATP2 (Gensymbol SLC21A6), klonieren. Die OATP2-cDNA ist 2073 Basenpaare lang, was einem Translations-produkt von 691 Aminosäuren entspricht [1]. Ausgehendvon dieser DNA-Sequenz konnte eine weitere homologeSequenz identifiziert werden, welche 85 % Nukleotidse-quenz-Identität mit der OATP2-Sequenz aufwies. Das ent-sprechende Protein wurde als OATP8 (GensymbolSLC21A8) bezeichnet. Die Identität zwischen OATP2 undOATP8 auf Proteinebene beträgt 80 % [7]. Weitere be-kannte Familienmitglieder der SLC21A-Familie (OATP-A;OATP-B; OATP-D; und OATP-E) weisen eine Aminosäure-Identität von weniger als 40 % im Vergleich zu OATP2 undOATP8 auf [7].

Mit Hilfe von Antikörpern, welche gegen verschiedene Epi-tope der Transporter gerichtet waren, konnten sowohlOATP2 als auch OATP8 in der basolateralen Membran hu-maner Hepatozyten nachgewiesen werden. Diese Lokali-sation stimmte überein mit der vorhergesagten Funktiondieser Proteine als Aufnahmetransporter für anionischeSubstanzen aus dem Blut in die Hepatozyten [1, 7, 12,19]. In Cholangiozyten, den Epithelzellen der Gallenwege,konnten beide Transporter nicht nachgewiesen werden.Mittels molekularbiologischer Techniken konnte die Mes-senger-RNA für beide Transporter nur in Hepatozytennachgewiesen werden. Die genomische Organisation vonOATP2 und OATP8 konnte zusammen mit der genomi-schen Organisation von OATP-A, dem dritten, gut charak-terisierten Aufnahmetransporter der SLC21A-Familie mitHilfe von Sequenz-Datenbanken etabliert werden. Trotzder geringen Aminosäure-Identität zwischen den Transpor-tern (40 % zwischen OATP8 und OATP-A) zeigten sich beider Analyse der genomischen Organisation erstaunlicheÜbereinstimmungen [7]. Alle drei Gene wurden auf Chro-mosom 12 lokalisiert. Ein Vergleich der genomischen Or-ganisationen zeigte, dass alle drei Transportergene aus 14Exons bestehen und die mittlere Exonlänge 150 Basen-paare beträgt. Zwischen allen drei Genen stimmen9 Exons in der Länge überein, zwischen OATP2 undOATP8 sind sogar 13 der 14 Exons in der Länge identisch.Werden die Exon-Intron-Grenzen auf die entsprechendeAminosäure-Sequenz übertragen, so zeigt sich, dass sichalle Grenzen an identischen Stellen in dieser Anordnungder drei Sequenzen befinden. Dies deutet auf ein hohesMaß an evolutionärer Verwandtschaft hin.

Funktionelle Charakterisierung derAufnahme-Transporter OATP2 und OATP8Y. Cui, J. König, D. Keppler

Die funktionelle Charakterisierung der Aufnahme-Trans-porter OATP2 (SLC21A6) und OATP8 (SLC21A8) wurdemit Hilfe von stabil transfizierten Zellen durchgeführt [1, 7,12]. Beide Transportproteine weisen ein breites Spektruman Substraten auf. Das humane OATP2 transportiert so-wohl endogene Metaboliten, wie z. B. Bilirubin, Mono- undBis-glucuronosyl-bilirubin, 17�-Glucuronosyl-estradiol, De-hydroepiandrosteronsulfat, Triiodthyronin, Cholyltaurin,Leukotrien C4 und Prostaglandin E2 als auch Arzneimittelwie Pravastatin, einem Inhibitor der Cholesterol-Biosyn-these, und Enalapril, einem ACE-Hemmer. Sulfobromoph-thalein, eine zur Testung der Transport-Funktion der Leberverwendete Substanz, ist ein hoch-affines Substrat fürOATP2 mit einer Michaelis-Menten-Konstanten (Km) von140 nM. Die Substrat-Spezifität des humanen OATP8 istähnlich wie die des OATP2, was der nahe verwandtenAminosäuren-Sequenz beider Proteine entspricht. Wir ha-ben jedoch deutliche Unterschiede der Transportkinetikund in der Substrat-Spezifität festgestellt [12]. Von physio-logischer Bedeutung ist der Unterschied beim Bilirubin-Transport: Im Gegensatz zu OATP2, kann OATP8 unkon-jugiertes Bilirubin nicht transportieren [12].

Regulation der apikal lokalisierten Export-pumpe MRP2 (ABCC2) und der basolaterallokalisierten Exportpumpe MRP3 (ABCC3)B. Stöckel, J. König, A. Nies, Y. Cui, M. Brom,D. Keppler

Einige Mitglieder der MRP-Familie werden zwar in Hepa-tozyten synthetisiert, sind aber in verschiedenen Mem-brandomänen lokalisiert: MRP2 (ABCC2) befindet sich inder apikalen Domäne und transportiert Substanzen in dieGalle, wogegen MRP3 (ABCC3) in der basolateralenMembran lokalisiert ist und Substanzen aus dem Hepato-zyten zurück ins Blut pumpt. Da das Substratspektrum bei-der Transporter überlappend ist, kommt einer Regulationder Transporterexpression für eine geordnete Funktiongroße Bedeutung zu. Untersuchungen an den homologenTransportern der Ratte zeigten, dass unter normalen Be-dingungen MRP2-mRNA hoch exprimiert ist, MRP3-mRNAaber nur schwach nachweisbar ist. Unter Bedingungen ei-ner gestörten Transportfunktion von MRP2, mit verminder-ter Expression der MRP2-mRNA, wird die MRP3-Expressi-on induziert. Zur genaueren Untersuchung dieser Regula-tion klonierten wir die 5´-reglatorischen Bereiche desMRP2-Gens und des MRP3-Gens in ein Reportergenplas-mid und untersuchten die Promotoraktivitäten beiderTransportergene unter Normalbedingungen und nach Zu-gabe verschiedener Substanzen [4].

Unter Normalbedingungen ist die basale MRP2-Promotor-aktivität hoch, jedoch beträgt die basale Aktivität desMRP3-Promotors unter den gleichen Bedingungen nur4 % der MRP2-Promotoraktivität. Nach der Behandlungder transfizierten Zellen mit Nocodazol, einem Inhibitor der

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Forschungsschwerpunkt B Tumorzellregulation

Abteilung B0700Tumorbiochemie

DKFZ 2002: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2000/2001

Bildung der Mikrotubuli, vermindert sich die Aktivität desMRP2-Promotors um 50 %, die Aktivität des MRP3-Pro-motors hingegen verstärkt sich um mehr als 1000 %. Un-sere Ergebnisse zeigen eine geregelte, jedoch inverse Re-gulation der Aktivität beider Promotoren.

Vektorieller Transport durch doppel-transfi-zierte polarisierte ZellenY. Cui, J. König, D. Keppler

Rekombinante Transportproteine wurden bisher einzelnuntersucht. Der vektorielle Transport durch Epithelzellenerfordert aber sowohl Protein-vermittelte Aufnahme-Pro-zesse als auch Export-Prozesse. Um diesen vektoriellenTransport besser verstehen zu können, haben wir einedoppel-transfizierte Zell-Linie hergestellt [19]. In polarwachsende MDCK-Zellen wurden die cDNAs von MRP2und OATP8 stabil transfiziert. Immunfluoreszenz-Untersu-chungen zeigten, dass OATP8 in der basolateralen Mem-bran, MRP2 dagegen in der apikalen Membran der trans-fizierten MDCK-Zellen lokalisiert ist. Der Vergleich vondoppel-transfizierten Zellen mit einzel-transfizierten Zellenzeigte, dass ein transzellulärer Transport von Sulfobro-mophthalein, einem Substrat für OATP8 und MRP2, nurdann mit ausreichender Geschwindigkeit stattfand, wennder Aufnahme-Transporter OATP8 und die ExportpumpeMRP2 gleichzeitig in den Zellen exprimiert wurden. Auchandere Substrate beider Transportproteine wurden nurdurch die doppel-transfizierten MDCK-Zellen vektorielltransportiert. Die doppel-transfizierten MDCK-Zellen stel-len ein zelluläres Modellsystem dar, um Arzneimittel undArzneimittelkandidaten auf deren Wechselwirkung mit demvektoriellen Transport von organischen Anionen zu unter-suchen. Ferner kann dieses Modellsystem die Suche nachInhibitoren für MRP2, einem Zytostatika-Resistenz-vermit-telnden Transporter, erleichtern.

Funktionelle Rekonstitution von gereinigtemMRP2W . Hagmann, J. Schubert, J. König, D. Keppler

In Zusammenarbeit mit: M. Schnölzer und T. Kempf, ZentraleProteinanalytik, DKFZ

Die Reinigung von MRP2 ist eine unabdingbare Voraus-setzung zur genauen Charakterisierung der funktionellenEigenschaften dieses Transporterproteins. Nach erfolgrei-cher Klonierung und Reinigung von MRP2 mit Hilfe einercarboxy-terminal eingefügten His6-Sequenz konnten wirzeigen, dass dieses gereinigte Protein nach Rekonstitutionin Proteoliposomen funktionell insoweit intakt war, als esSubstrat-stimulierbare ATPase-Aktivität aufwies (Hagmannet al., Eur. J. Biochem. 265: 281-289, 1999). Die intakteRekonstitution von transport-aktivem MRP2 erforderteeine Optimierung der Solubilisations- und Rekonstitutions-bedingungen. Damit konnten wir zeigen, dass MRP2 alsProtein allein in der Lage ist, in der geeigneten Lipidvesi-kelumgebung als Transporter zu funktionieren. Die Trans-portrate für LTC4 in rekonstituierten MRP2-Proteoliposo-men betrug 2.7 pmol x min-1 x mg MRP2-1 [26], die Km-Werte für ATP und LTC4 beliefen sich dabei auf 560 µMbzw. 450 nM. Dieser Transport durch gereinigtes MRP2war durch den Inhibitor MK571 hemmbar (IC50 = 12 µM).Bindungs- und Immunpräzipitationsstudien zeigten, dassMRP2 mit dem Chaperon Calnexin assoziieren kann. Al-lerdings konnten wir in Rekonstitutionsversuchen mit ge-reinigtem Calnexin und MRP2 keinen Einfluss diesesChaperons auf die Transportfunktion von MRP2 feststellen[26]. Das gereinigte MRP2 wird in weiteren Studien einge-setzt, um mögliche Partner zu finden, die in Wechselwir-kung mit MRP2 dessen zelluläre Lokalisation und Funktionals Transporter beeinflussen.

Transwell membrane

MDCK-OATP8

OATP8

MDCK-MRP2

MRP2

MDCK-MRP2/OATP8

MRP2

OATP8

Tight junction

MDCK-Control

Basolateral

Apical

Substrat-Transport durch doppel-transfizierte Zellen [19].

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Forschungsschwerpunkt B Tumorzellregulation

Abteilung B0700Tumorbiochemie

DKFZ 2002: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2000/2001

Expression und Lokalisation von MRP-Iso-formen im Hepatozellulären Karzinom desMenschenA. Nies, J. König, M. Pfannschmidt, D. Keppler

In Zusammenarbeit mit: W. J. Hofmann, Universität Heidelbergund E. Klar, Universität Heidelberg

Die ausgeprägte Resistenz des hepatozellulären Karzi-noms (HCC) des Menschen gegenüber verschiedenstenZytostatika ist ein wichtiger Grund für das häufige Versa-gen einer Chemotherapie dieses bösartigen und weltweitsehr häufigen Tumors. Wir konnten durch semi-quantitati-ve RT-PCR zeigen, dass MRP2 und MRP3 mRNA im HCCstark exprimiert werden [18]. Beide MRP-Isoformen kön-nen Resistenz gegenüber Zytostatika vermitteln, indem siediese über die Plasmamembran aus den Zellen heraus-transportieren, so dass keine wirksamen Zytostatikakon-zentrationen erreicht werden [11, 21]. Durch Immunfluo-reszenz-Untersuchungen mit Isoform-spezifischen Antikör-pern lokalisierten wir MRP2 in der apikalen Membran vonTumorzellen; hierbei wurden häufig trabekuläre oderpseudoglanduläre Strukturen beobachtet. MRP3 war hin-gegen in der basolateralen Plasmamembran lokalisiert[18]. In einigen HCC-Proben wurde auch MRP1 mRNAdetektiert, allerdings wurde MRP1-Protein ausschließlichin intrazellulären Membranstrukturen nachgewiesen. Un-sere Untersuchungen zeigen, dass die Lokalisation vonMRP2 in der apikalen und MRP3 in der basolateralenMembran von Tumorzellen zur Zytostatika-Resistenz desHCC beitragen kann. Expression und Lokalisation vonMRP2 und MRP3 wurde auch in HepG2-Zellen nachge-wiesen [2].

Zellbiologische Charakterisierung einesMRP2-Proteins mit einer Mutation, die zumDubin-Johnson Syndrom führtV. Keitel, A. Nies, M. Brom, D. Keppler

In Zusammenarbeit mit: J. Kartenbeck, Zellbiologie, DKFZ (Im-mun-Elektronenmikroskopie von MRP2); H. Spring, Strukturanaly-se, DKFZ (Konfokale Laser-Scanning-Mikroskopie)

Mutationen im MRP2-Gen, die zum Verlust des MRP2-Proteins in der apikalen Membran führen, sind die moleku-lare Basis für das Dubin-Johnson Syndrom, welches miteiner konjugierten Hyperbilirubinämie einhergeht [21], daMRP2 die ATP-abhängige Exportpumpe für Bilirubin-Kon-jugate in der apikalen Membran von Hepatozyten ist [10,11, 21, 24]. Eine 6-Nukleotide umfassende Deletion imMRP2-Gen führt zum Verlust von Arg1392 und Met1393(MRP2DR,M) in der carboxy-proximalen ATP-Bindungsdo-mäne und zum Fehlen des MRP2-Proteins in der apikalenMembran von Hepatozyten des Menschen (Tsujii et al.,Gastroenterology 117: 653-660, 1999). Wir haben diese 6-Nukleotide umfassende Deletion in die MRP2-cDNA ein-gebracht und nach Expression der mRNA die Lokalisationdes mutierten MRP2-Proteins in polarisierten HepG2-Zel-len untersucht [9]. HepG2-Zellen, die von einem Hepato-blastom des Menschen abgeleitet sind, eignen sich gut fürdie Untersuchung der domänenspezifischen Sortierung

von MRP-Isoformen [2]. Die mRNA wurde in HepG2-Zel-len exprimiert und führte zur Synthese eines mutiertenMRP2DR,M-Proteins, welches nur unvollständig glykosy-liert war. Das mutierte Protein akkumulierte im endoplas-matischen Retikulum und wurde nicht zur apikalen Mem-bran transportiert [9]. Der Abbau des unreifen MRP2-Pro-teins erfolgte in Proteasomen. Unsere Untersuchungenklärten erstmalig den Pathomechanismus einer MRP2-Mu-tation auf, die zum Verlust von MRP2 in der apikalenMembran von Hepatozyten des Menschen und zumDubin-Johnson Syndrom führt.

Charakterisierung von MRP5 (ABCC5) alsATP-abhängige Exportpumpe für zyklischeNukleotideG. Jedlitschky, D. Keppler

In Zusammenarbeit mit: B. Burchell, University of Dundee, Schott-land, UK

Der zelluläre Export von zyklischen Nukleotiden (3'-5'-cGMP und 3'-5'-cAMP) wurde in einer Vielzahl von Gewe-ben und Zellen beobachtet und kann zur Regulation derintrazellulären Konzentration der zyklischen Nukleotidebeitragen. Unsere Untersuchungen haben erstmals diephysiologische Funktion von rekombinantem MRP5, das inV79-Zellen exprimiert wurde, identifiziert [8]. Dementspre-chend ist MRP5 eine ATP-abhängige Exportpumpe für 3'-5'-zyklisches GMP mit einem Km-Wert von 2,1 µM [8]. DerATP-abhängige Export von 3'-5'-zyklischem AMP erfolgtmit niedrigerer Affinität (Km = 379 µM). Verschiedene Sub-stanzen, die als Hemmstoffe der Zyklonukleotid-Phospho-diesterase bekannt waren, wurden als wirksame Hemm-stoffe des MRP5-vermittelten Transports von cGMP identi-fiziert, wobei die Hemmkonstante Ki für Sildenafil 267 nMund für Trequinsin 250 nM betrug [8]. MRP5 könnte dem-nach ein neues pharmakologisches Zielmolekül sein, umdurch dessen Hemmung die intrazellulären Konzentratio-nen an zyklischem GMP zu steigern [8].

Publikationen (* = externe Koautoren)[1] König, J.; Cui Y.; Nies, A.T.; Keppler, D.: A novel human orga-nic anion transporting polypeptide localized to the basolateral he-patocyte membrane. American Journal of Physiology and Gastro-intestinal Liver Physiology 278 (2000) G156-G164.[2] Cantz, T.; Nies, A.T.; Brom, M.; *Hofmann, A.F.; Keppler, D.:MRP2, a human conjugate export pump, is present and transportsFluo 3 into apical vacuoles of Hep G2 cells. American Journal ofPhysiology and Gastrointestinal Liver Physiology 278 (2000)G522-G531.[3] Leier, I.; Hummel-Eisenbeiss, J.; Cui, Y.; Keppler, D.: ATP-de-pendent para-aminohippurate transport by apical multidrug resis-tance protein MRP2. Kidney International 57 (2000) 1636-1642.[4] Stöckel, B.; König, J.; Nies, A.T.; Cui, Y.; Brom, M.; Keppler,D.: Characterization of the 5'-flanking region of the human multi-drug resistance protein 2 (MRP2) gene and its regulation in com-parison with the multidrug resistance protein 3 (MRP3) gene.European Journal of Biochemistry 267 (2000) 1347-1358.[5] Uemura, M.; Lehmann, W.-D.; *Schneider, W.; *Seitz, H.K.;Benner, A.; *Keppler-Hafkemeyer, A.; *Hafkemeyer, P.; *Kojima,H.; *Fujimoto, M.; *Tsujii, T.; *Fukui, H.; Keppler, D.: Enhancedurinary excretion of cysteinyl leukotrienes in patients with acutealcohol intoxication. Gastroenterology 118 (2000) 1140-1148.

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Forschungsschwerpunkt B Tumorzellregulation

Abteilung B0700Tumorbiochemie

DKFZ 2002: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2000/2001

[6] *Timár, J.; *Rásó, E.; *Döme, B.; *Li, L.; *Grignon, D.; *Nie, D.;*Honn, K.V.; Hagmann, W.: Expression, subcellular localizationand putative function of platelet-type 12-lipoxygenase in humanprostate cancer cell lines of different metastatic potential. Interna-tional Journal of Cancer 87 (2000) 37-43.[7] König, J.; Cui, Y.; Nies, A.T.; Keppler, D.: Localization and ge-nomic organization of a new hepatocellular organic anion trans-porting polypeptide. Journal of Biological Chemistry 275 (2000)23161-23168.[8] Jedlitschky, G.; *Burchell, B.; Keppler, D.: The multidrug resis-tance protein 5 functions as an ATP-dependent export pump forcyclic nucleotides. Journal of Biological Chemistry 275 (2000)30069-30074.[9] Keitel, V.; Kartenbeck, J.; Nies, A.T.; Spring, H.; Brom, M.;Keppler, D.: Impaired protein maturation of the conjugate exportpump multidrug resistance protein 2 as a consequence of adeletion mutation in Dubin-Johnson syndrome. Hepatology 32(2000) 1317-1328.[10] Keppler, D.; Kamisako, T.; Leier, I.; Cui, Y.; Nies, A.T.; Tsujii,H.; König, J.: Localization, substrate specificity, and drug resis-tance conferred by conjugate export pumps of the MRP family.Advances in Enzyme Regulation 40 (2000) 339-349.[11] Keppler, D.; König, J.: Hepatic secretion of conjugated drugsand endogenous substances. Seminars in Liver Disease 20(2000) 265-272.[12] Cui, Y.; König, J.; Leier, I.; Buchholz, U.; Keppler, D.: Hepaticuptake of bilirubin and its conjugates by the human organic aniontransporter SLC21A6. Journal of Biological Chemistry 276 (2001)9626-9630.[13] *Hirrlinger, J.; König, J.; Keppler, D.; *Lindenau, J.; *Schulz,J.B.; *Dringen, R.: The multidrug resistance protein MRP1mediates release of glutathione disulfide from rat astrocytesduring oxidative stress. Journal of Neurochemistry 76 (2001) 627-636.[14] Kamisako, T; Leier, I.: Characterization of ATP-dependentmonoglucuronosyl bilirubin transport across rat canalicular mem-brane vesicles. Hepatology Research 19 (2001) 103-107.[15] *Cuff, R.L.; *Wade, L.T.; *Rychlik, B.; Jedlitschky, G.A.;*Burchell, B.: Characterization of glucuronidation and transport inV79 cells co-expressing UGT1A1 and MRP1. Toxicology Letters120 (2001) 43-49.[16] *Beuers, U.; * Bilzer, M.; *Chittattu, A.; *Kullak-Ublick, G.A.;Keppler, D.; *Paumgartner, G.; *Dombrowski, F.:Tauroursodeoxycholic acid inserts the apical conjugate exportpump, Mrp2, into canalicular membranes and stimulates organicanion secretion by protein kinase C-dependent mechanisms incholestatic rat liver. Hepatology 33 (2001) 1206-1216.[17] Donner, M.G; Keppler, D.: Up-regulation of basolateral multi-drug resistance protein 3 (Mrp3) in cholestatic rat liver.Hepatology 34 (2001) 351-359.[18] Nies, A.T.; König, J.; Pfannschmidt, M.; Klar, E.; *Hofmann,W.J.; Keppler, D.: Expression of the multidrug resistance proteinsMRP2 and MRP3 in human hepatocellular carcinoma. Internatio-nal Journal of Cancer 94 (2001) 492-499.[19] Cui, Y.; König, J.; Keppler, D.: Vectorial transport by double-transfected cells expressing the human uptake transporterSLC21A8 and the apical export pump ABCC2. Molecular Pharma-cology 60 (2001) 934-943.[20] Rost, D.; König, J.; *Weiss, G.; *Klar, E.; *Stremmel, W.;Keppler, D.: Expression and localization of the multidrug resis-tance proteins MRP2 and MRP3 in human gallbladder epithelia.Gastroenterology 121 (2001) 1203-1208.[21] Keppler, D.; König, J.; Nies, A.T.: Conjugate export pumps ofthe multidrug resistance protein (MRP) family in liver. In: TheLiver: Biology and Pathobiology. Eds: I. M. Arias et al. New York:Lippincott Williams & Wilkins (2001) 373-382.

[22] König, J.; Cui, Y.; Nies, A.T.; Keppler, D.: New organic anion-transporting polypeptides in the human hepatocyte basolateralmembrane. In: Biology of Bile Acids in Health and Disease. Eds.:G.P. van Berge Henegouwen et al. Dordrecht: Kluwer Acad. Publ.(2001) 88-94.[23] *Beuers, U.; *Bilzer, M.; *Chittattu, A.; *Kullak-Ublick, G.A.;Keppler, D.; *Paumgartner, G.; *Dombrowski, F.: Effects oftauroursodeoxycholic acid on protein kinase C isoforms and oncanalicular Mrp2 in experimental cholestasis. In: Biology of BileAcids in Health and Disease. Eds.: G. P. van Berge Henegouwenet al. Dordrecht: Kluwer Acad. Publ. (2001) 245-248.[24] Keppler, D.; Cui, Y.; Keitel, V.; Nies, A.T.; König, J.:Canalicular conjugate export and the hepatobiliary elimination ofbilirubin. In: Hepatobiliary Transport: From Bench to Bedside.Eds.: S. Matern, J. Boyer, D. Keppler, P.J. Meier-Abt. Dordrecht:Kluwer Acad. Publ. (2001) 49-53.[25] *Burchell, B.; *Ethell, B.; *Coffey, M.J.; *Findlay, K.;Jedlitschky, G.; *Soars, M.; *Smith, M.; *Hume, R.: Interindividualvariation of UDP-glucuronosyltransferases and drug glucuroni-dation. In: Interindividual Variability in Human Drug Metabolism.Eds.: G.M. Pacifici, O. Pelkonen. London: Taylor & Francis (2001)358-394.[26] Hagmann, W; Schubert, J; König, J; Keppler, D.:Reconstitution of transport-active multidrug resistance protein 2(MRP2;ABCC2) in proteoliposomes. Biological Chemistry, Juni2002.

Schlagworte (alphabetisch)AufnahmetransportercGMPDubin-Johnson-SyndromMembrantransportMRP1MRP2MRP3MRP5Multidrug Resistance-ProteineOATP2OATP8Promotor-RegulationTransportproteinevektorieller Transportzyklische NukleotideZytostatika-Resistenz

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Forschungsschwerpunkt B Tumorzellregulation

Abteilung B0800Signaltransduktion und Wachstumskontrolle

DKFZ 2002: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2000/2001

Wissenschaftliche Mitarbeiter:Dr. Marina Schorpp-KistnerDr. Hartmut RichterDr. Bettina Hartenstein (07/99 -) *Dr. Jochen Hess (01/00 -)Dr. Niamh Keon (- 07/00) *Dr. Ute Breitenbach (- 03/01)Dr. Sabine Gack (03/01 -)

DoktorandenChristine Munz *(- 08/00)Sven Andrecht * (- 11/01)Axel SzabowskiDirk Schmidt * (- 01)Hanna Bierbaum*Nicola Viebig (04-10/00)Bernd Dittrich (11/00 -)*Regina Müller (11/01 -)Lore Florin (12/01 -)

Medizin StudentenChristoffer Gebhardt (- 06/00)Christian Krause (08-12/00)

Diplomanden:Jens Eberlein (- 04/00)

Technische AngestellteSibylle TeurichSusanne Adams (- 09/00)Melanie Sator-Schmitt

AuszubildendeTanja Raubinger (09/00 -)Daniel Sandmaier (- 08/00)Sven Rüffer (10/00 -)Nicole Echner (10/01 -)Steffen Baumert (10/01 -)

ZentralSabrina Zahner, Sekretärin (halbtags)

*) Drittmittel

Die Funktion und Regulation von Transkriptionsfak-toren und deren Zielgene in der Regulation von phy-siologischen und pathologischen ProzessenIn der Abteilung „Signaltransduktion und Wachstums-kontrolle“ werden die Reaktionen von Organismen und ih-ren Zellen auf Umwelteinflüsse (Strahlung, chemischeKarzinogene) untersucht und mit den Reaktionen aufkörpereigene Substanzen verglichen. Ziel dieser Arbeitenist es, verstehen zu lernen, über welche Mechanismen dieZellen auf diese äußeren Signale mit Veränderungen inder Expression spezifischer Gene reagieren, und welcheFunktion die dabei involvierten Genprodukte spielen. Diesbeinhaltet auch das Verständnis der molekularen Ereignis-se auf der Ebene der Genregulation, die eine „normale“Zelle in eine Krebszelle umwandelt.Die Arbeiten der Abteilung konzentrieren sich in erster Li-nie auf die Funktion und Regulation des Transkriptions-faktors AP-1 und der Identifizierung AP-1-regulierter Ziel-gene. AP-1 ist der Sammelbegriff für verschiedene homo-und heterodimere Proteinkomplexe, deren Untereinheitensich aus den Mitgliedern der Fos, Jun und CREB/ATFProteinfamilien zusammensetzten. Da sich zum einen dieSequenzspezifität der verschiedenen Dimere leicht unter-scheidet, und zum anderen die Transkription der fos undjun Gene als auch die Transaktivierungsfunktion der davonabgeleiteten Proteine Unterschiede aufweist, geht manheute davon aus, daß die verschiedenen Dimer-Kombina-tionen spezifische Funktionen bei komplexen biologischenProzessen wie Zellproliferation, Transformation, Differen-zierung, Angiogenese, Immunantwort, Apoptose und Pro-tektion gegenüber DNA-schädigenden Substanzen spielen[1,2].Schwerpunkte der Arbeiten der Abteilung sind das Ver-ständnis der:a) Mechanismen der Aktivitätskontrolle von AP-1 in Ab-

hängigkeit von extrazellulären Signalenb) Aufklärung der Funktion der verschiedenen Jun und

Fos Proteine bei physiologischen und pathologischenProzessen

c) Isolierung, Regulation und Funktionsanalyse von AP-1-abhängigen Zielgene

d) Klonierung und Charakterisierung neuer Tumor-assozi-ierter Gene

Für die beschriebenen Fragestellungen kommen sowohl invivo Mausmodelle als auch in vitro Zellkultursysteme zumEinsatz, um die spezifischen Funktionen dieser zellulärenRegulatoren der Genexpression und deren Zielgene imGesamtorganismus bei komplexen Prozesse zu definierenund um informative Modelle für menschliche Krankheitenzu entwickeln.

Abteilung Signaltransduktion und Wachstumskontrolle (B0800)Leiter: Peter Angel, Ph.D.

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Forschungsschwerpunkt B Tumorzellregulation

Abteilung B0800Signaltransduktion und Wachstumskontrolle

DKFZ 2002: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2000/2001

Zell-autonome Funktionen von c-Jun bei derRegulation von Zellproliferation und Antwortauf genotoxische SubstanzenA. Kolbus, A. Szabowski, P. Angel

In Kollaboration mit Ingrid Herr, Klaus-Michael Debatin, SvenBaumann, Sören Eichhorst, Sabine Kirchhoff, Peter Krammer,DKFZ Heidelberg; Martin Schreiber und Erwin F. Wagner, Institutfür Molekulare Pathologie Wien, Österreich; Stefan Scherer, Man-fred Schartl, Universität Würzburg; Michael Karin, UC San Diego,La Jolla, USA

Die Synthese der Fos und Jun Proteine wird nach Be-handlung von Zellen mit DNA-schädigenden Substanzen(Strahlung, chemische Karzinogene, z.B. alkylierendeAgenzien) stark erhöht [1,2]. Dies läßt darauf schließen,daß diese Transkriptionsfaktoren eine wichtige Rolle beider zellulären Antwort auf solche Streßfaktoren spielenkönnten. Durch Untersuchungen mit Fibroblasten, die ausc-Jun oder c-Fos Knockout-Mäusen etabliert wurden,konnte diese Annahme experimentell bestätigt werden.Während c-Fos-defiziente Zellen eine Hypersensitivität ge-genüber UV Strahlung und chemischen Mutagenen (z.B.Alkylantien) aufweisen, verlieren c-Jun-defiziente Zellendie Fähigkeit, nach Behandlung mit UV Strahlung oderchemischen Mutagenen in Apoptose zu gehen [3]. Obwohlc-Jun, in Kooperation mit p53, für die UV-induzierte Ex-pression des DNA Reparaturgens MSH2 benötigt wird [4],können die Unterschiede zwischen Wildtyp und Mutanten-zelle nicht durch Unterschiede in der Fähigkeit der Zellen,die entstandenen DNA Schäden zu reparieren, erklärt wer-den [3]. Vielmehr beruht dies auf dem Verlust der Indukti-on von Fos/Jun-abhängigen Genen, was am Beispiel derfehlenden transkriptionellen Aktivierung zweier bekannterAP-1 Zielgene, Kollagenase und Stromelysin, exempla-risch sichtbar wurde [3]. Neben diesen bekannten Ziel-genen konnten wir das CD95-L Gene als neues c-Jun/AP-1 Zielgen definieren. CD95-L bindet an das Zelloberflä-chenantigen CD95 und es kommt nachfolgend zur Aktivie-rung einer Serie von Caspasen, an deren Ende die DNAFragmentierung und Zelltod steht. Die Induktion derCD95-L Expression und die nachfolgende autokrine oderparakrine Aktivierung des CD95 Signalwegs scheint in denuntersuchten Zellen für die Induktion der Apoptose durchUV und chemische Mutagene essentiell zu sein, da neu-tralisierende CD95-L Antikörper mit diesem Prozess inter-ferieren, und in c-Jun-defizienten Zellen durch die Zugabevon rekombinantem CD95-L sehr effizient Apoptose aus-gelöst werden kann. Dies bedeutet, daß c-Jun eine essen-tielle Rolle bei der Synthese von Apoptose-auslösendenProteinen (z.B. CD95-L) spielt. Die Komponenten desCD95-spezifischen Signalwegs, der zur Auslösung vonApoptose führt, werden jedoch unabhängig von c-Junexprimiert [3]. Neben der “Stress”-induzierten Apoptose inFibroblasten spielt AP-1-abhängige Induktion von CD95-Lauch bei der (durch Chemotherapeutika) induziertenApoptose in Hepatokarzinomzellen [5] und in aktivierten T-Zellen [6] eine wichtige Rolle.

Mit Hilfe der c-Jun-defizienten Fibroblasten konnten wirauch die Funktion von c-Jun bei der Regulation der Zell-proliferation aufklären. Es zeigt sich, daß der Verlust von

c-Jun zu einer erhöhten Rate von p53 und p21 führt, wo-durch die Aktivität von Cyclin-assoziierten Protein Kinasengehemmt wird und die Zellen nur sehr ineffizient durch dieG1/S Phase des Zellzyklus gehen. Alle diese Effekte wer-den durch zusätzliche Deletion des p53 Gens revertiert.Dies bedeutet, daß die Hauptfunktion von c-Jun bei derRegulation der Proliferation in der Repression der p53 Ex-pression liegt [7]. Die Repression der p53 Expression wirddabei über eine AP-1-ähnliche Erkennungssequenz imp53 Promotor vermittelt, an die c-Jun mit einem bishernoch nicht genau definierten Partner bindet und als Inhi-bitor agiert [7,8].

Funktion von JunB in vivo und in vitroS. Andrecht, D. Schmidt, B. Hartenstein, N. Keon,S. Gack, H. Bierbaum, M. Sator-Schmitt,T. Raubinger, S. Adams, P. Angel,M. Schorpp-Kistner

In Kollaboration mit Zhao-Qi Wang, Emanuelle Passegue und Er-win F. Wagner, Institut für Molekulare Pathologie Wien, Österreich

Die Ergebnisse unserer bisherigen Arbeiten ergaben deut-liche Hinweise darauf, daß die verschiedenen Mitgliederder Jun Proteinfamilie (c-Jun, JunB, JunD) spezifische,zum Teil nicht-überlappende Funktionen in AP-1-abhängi-gen Prozessen spielen. Diese Annahme wurde durch denspezifischen Phänotyp der JunB knockout Mäuse unterstri-chen, der sich deutlich von denjenigen unterscheidet, diedurch den Verlust anderer AP-1 Untereinheiten (z.B.c-Jun, JunD, Fos Proteine) hervorgerufen werden [2]. Tie-re mit einem heterozygoten JunB Genotyp (junB+/-), bei de-nen in allen Zellen noch eine intakte Kopie des junB Gensvorhanden ist, zeigten beim Vergleich mit Wildtyp Mäusenkeine offensichtlichen phänotypischen Unterschiede. Diegenotypische Analyse der Nachkommen aus der Rück-kreuzung von junB+/- Tieren ergab, daß keine lebensfähi-gen junB -/- Tiere auftraten. Dies bedeutet, daß das Fehlendes JunB Proteins einen letalen Phänotyp der Embryo-genese verursacht [9]. Die junB -/- Embryonen entwickelnsich normal bis zum Tag 7.5 der Embryogenese und ster-ben dann innerhalb von zwei Tagen. Die histologischenund biochemischen Analysen ergaben, daß es zu Fehlent-wicklungen bei der Blutgefäßbildung der extraembryona-len Gewebe (Dottersack, Plazenta) kommt, und dadurchder notwendige Transport von Nährstoffe von der Mutterzum Embryo nicht im ausreichenden Umfang stattfindet.Um die kritischen Zielgene zu identifizieren, deren Expres-sion von JunB reguliert wird, und deren Genprodukte eineentscheidende Funktion bei der Entwicklung von extraem-bryonalen Geweben spielen, haben wir vor allem ein invitro Differenzierungssystem mit JunB-defizienten embryo-nale Stammzellen (ES) einsetzten, das die in vivo Defektebei der Ausbildung von Blutgefäßen widerspiegelt. Mit Hil-fe dieser in vitro generierten sog. “embryoid bodies”, konn-ten wir VEGF (ein Hauptregulator der Vaskulogenese undAngiogenese) als JunB-abhängiges Zielgen identifizieren,wobei die exogene Zugabe von VEGF die beobachtetenDefekte zum großen Teil kompensieren kann [10]. Vorläufi-ge Daten lassen darauf schließen, daß JunB direkt an denVEGF Promotor bindet, und zusammen mit dem Transkrip-

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Forschungsschwerpunkt B Tumorzellregulation

Abteilung B0800Signaltransduktion und Wachstumskontrolle

DKFZ 2002: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2000/2001

tionsfaktor HIF1� dieVEGF Expression positivreguliert [10].

Durch Einkreuzen einerjunB transgenen Mausliniekann der embryonal letalePhänotyp wieder revertiert werden, was die Spezifität desPhänotyps aufzeigt. Diese sog. “rescue” Linie weist einweitgehend ubiquitäres Muster der junB Transgen Expres-sion auf. In Zellen der myeloiden Subklasse von Immun-zellen sind in diesen Tieren jedoch nur geringe Menge anJunB Transgen nachweisbar. Dieser Verlust an JunB istmit der Entwicklung eines myeloproliferativen Defekts ver-bunden, der einer chronischen myeloiden Leukämie (CML)beim Menschen ähnelt [11]. Der pathologische Phänotypist durch eine erhöhte Anzahl von Granulozyten Vorläufer-zellen und reifen neutrophilen Granulozyten gekennzeich-net. Diese Daten weisen JunB als kritischer Regulator derDifferenzierung von Blutzellen aus und sind ein weitererBeleg für die postulierte Funktion von JunB alsTumorsupressor [11].

Obwohl junB-/- Embryonen in der frühen Phase der Em-bryonalentwicklung sterben, ist es uns gelungen darausprimäre Fibroblasten zu isolieren und durch spontane Im-mortalisierung permanente Linien zu generieren [12-14].Diese Zellen wurden dann, analog zur Analyse von c-Jun-defizienten Fibroblasten [3,7] für die Aufklärung der Rollevon JunB in der Proliferationskontrolle und Antwort aufStrahlung und Oncoproteine untersucht. JunB greift anzwei Stellen im Zellzyklus regulatorisch ein: zum einenführt das Fehlen von JunB zu einem beschleunigten Über-gang der Zellen von der G1 in die S-Phase. Dies beruhtsehr wahrscheinlich auf einer reduzierten Expression desCDK Inhibitors p16ink und einer spontan erhöhten Expres-sion von c-Jun. Im weiteren Verlauf der Zellzyklusprogres-sion kommt es in junB-defizienten Zellen zu einem verzö-gerten Übergang von S nach G2/M was mit einer verrin-gerten Expression und Kinaseaktivität von Cyclin A assozi-iert ist. Alle Defekte können durch Einbringen eines JunB-ER Expressionsvektors Hormon-abhängig revertiert wer-den [12,13]. Durch den Nachweis i) der Bindung von JunBin vitro an eine CRE Sequenz im Cyclin A Promotor, ii) derCRE-abhängigen transkriptionellen Aktivierung des ZyklinA Promotors durch Überexpression von JunB (zusammenmit ATF2) und iii) der verringerten AP-1 Bindungsaktivität

an das CRE Element in JunB-defizienten Zellen konntenwir erstmals Cyclin A als direktes und positiv reguliertesJunB Zielgen identifizieren [12,13].

Trans-regulatorische Funktion der Jun Proteinein Zellproliferation und DifferenzierungA. Szabowski, S. Andrecht, A. Kolbus,M. Schorpp-Kistner, P. Angel

In Kollaboration mit Nicole Maas-Szabowski und Norbert Fusenig,DKFZ

Neben der Aufklärung der Zell-autonomen Funktion derJun Proteine in der Zellzykluskontrolle und bei positivenoder negativen Interaktionen mit anderen Transkriptions-faktoren (z.B. Smad Proteine, 15; Glucocorticoid Rezeptor,16] konnten wir durch Verwendung der junB-/- Fibroblastenerstmals den Einfluß von c-Jun und JunB bei der Regulati-on der Proliferation und Differenzierung in trans identifizie-ren [8,14,17,18]. Dabei haben wir uns im besonderen mitdem Zytokin-abhängigen regulatorischen Wechselspielzwischen dem dermalen und epidermalen Kompartimentder Haut beschäftigt. Unter Verwendung eines Co-Kultur-systems mit primären menschlichen Keratinozyten undmurinen Fibroblasten und eines 3-dimensionalen organo-typischen in vitro Hautmodells haben wir die Fibroblasten-abhängige Proliferation und Differenzierung von primärenKeratinozyten untersucht. Durch Verwendung der gene-tisch veränderten c-jun-/- und junB-/- Fibroblasten wird dieProliferation und Differenzierung der Keratinozyten massivverändert. Dies beruht darauf, daß c-Jun und JunB gegen-läufig die Expression von KGF und GM-CSF regulieren (s.Abb. 1). Im Gegensatz zu GM-CSF und KGF war die Zu-gabe anderer Zytokine (EGF, bFGF) nicht ausreichend,den Phänotyp der verringerten Epithelbildung in Gegen-wart von c-Jun-defizienten Fibroblasten zu kompensieren[17]. Andererseits sind Zytokine, die c-Jun-unabhängigexprimiert werden, ebenfalls in diesem Regelkreis invol-viert [8,14,17]. Den direkten Nachweis der kausalen Rolledieser AP-1-abhängigen Zytokine konnten wir durch Ver-

HE Loricrin

MEF

wt

MEF

c-jun-/-

MEF

junB-/-

Keratinozyt

IL-1

c-Jun

JunBkgf

gm-csf

il-1

KGFGM-CSF

Fibroblast

Proliferation

&

Differenzierung

Abb. 1: AP-1 abhängige Re-gulation der Keratinozyten-proliferation undDifferenzierung.Links: Histologische undImmunfluoreszenzfärbungvon in vitro Hautmodellen mitgenetisch veränderten Fibro-blasten.Rechts: Schematische Dar-stellung der c-Jun- und JunB-abhängigen Regulation derdoppelt parakrine Interaktionzwischen Fibroblasten undKeratinozyten.Details siehe [14].

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Forschungsschwerpunkt B Tumorzellregulation

Abteilung B0800Signaltransduktion und Wachstumskontrolle

DKFZ 2002: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2000/2001

wendung von neutralisierenden GM-CSF Antikörper er-bringen, die die Epithelbildung in Gegenwart von WildtypFibroblasten drastisch reduzierte und den pathologischenPhänotyp der junB-/- Co-Kulturen fast völlig aufhob. InÜbereinstimmung mit früheren Vermutungen führt die Ver-wendung von neutralisierenden Antikörper gegen Il-1ebenfalls zu einer partiellen Reversion des Phänotyps derjunB-/- Fibroblasten organotypischen Kultur und Kulturen,die auf Wildtyp Fibroblasten basieren, zeigen nur nocheine geringe Epithelbildung [8,14,17]. Diese Daten unter-streichen noch einmal das Modell des doppelt-parakrinenWirkmechanismus z.B. bei der Wundheilung, wo durchSynthese und Ausschüttung von Il-1 durch Keratinozytendie Produktion von Zytokinen in Fibroblasten (darunterKGF und GM-CSF) gesteuert wird, die dann parakrin wie-der auf Keratinozyten wirken und Proliferation und Diffe-renzierung regulieren. Wir glauben, daß die weiteren Ana-lysen der Jun-defizienten Fibroblasten (und hier vor allemdie junB-/- Fibroblasten) in diesem in vitro Hautmodell ne-ben dem Verständnis der physiologischen Prozesse derHaut (Differenzierung, Wundheilung) auch die Etablierungmolekularbiologischer Werkzeuge zur Analyse von patho-logischen Veränderungen der Haut (Psoriasis, chronischeEntzündungen, verzögerte Wundheilung; Tumor-erkrankungen) bringen wird.

Regulation und Funktion des AP-1-abhängi-gen Zielgens Kollagenase:ein Modell zur Analyse regulatorischerMechanismen der Protein/Protein Wechsel-wirkung zwischen AP-1, Cbfa1 und demGlucocorticoid RezeptorArbeiten aus unserem Labor und zahlreicher anderer La-bors haben Metalloproteinasen (vor allem die interstitielleKollagenase, Kollagenase-3) als Modellsystem für AP-1-abhängige Genexpression in Zellkultur und im Tier eta-bliert [18-22]. Das Gen der interstitiellen Kollagenase-3(MMP-13) kodiert für eine Proteinase, die im Zusammen-spiel mit anderen Mitglieder der Matrix Metalloproteinase(MMP) Familie und in Abhängigkeit von der Expressionvon Inhibitoren von MMPs (TIMPs; [23,24] und darin ange-gebene Referenzen) eine essentielle Rolle bei physiologi-schen Prozessen (Gewebeumbau bei der Embryogenese,Organogenese) und beim pathologischen Gewebeumbau(chronische Entzündung, Tumor Progression) zugeschrie-ben wird.

Positive Interferenz zwischen AP-1 und Cbfa1J. Hess, J. Tuckermann, M. Becker, C. Munz,S. Teurich, P. Angel

iIn Kollaboration mit Michael Owen, ICRF, London, UK; J. Labra-dor und Rüdiger Klein, EMBL Heidelberg; Karen Pittois und J.Merregaert, Universität Antwerpen, Belgien; Jörg Schmidt, For-schungszentrum für Umwelt und Gesundheit Neuherberg,Oberschleißheim; Agamemnon Grigoriadis Guy´s Hospital, Lon-don UK; Gillian Murphy and Rosalind Hembry, StrangewaysResearch Laboratory, Cambridge, UK.

Durch den Nachweis der zelltyp-spezifischen Expressionvon Kollagenase-3 in osteoblastoiden Zellen während der

Embryonalentwicklung der Maus und in adulten Mäusen[19,21,22] konnten wir starke Evidenzen für eine Funktiondieses Proteins bei der Knochenentwicklung und Metabo-lismus erhalten. In transgenen Mäusen, die das c-fos Genüberexprimieren, korreliert die Lokalisation der verstärktenKollagenase Expression mit den pathologischen Verände-rungen, vor allem der Ausbildung von Knochentumoren(Osteosarkome), die als Konsequenz einer lang anhalten-den Fos Expression auftreten [24].

Da Kollagenase-3 spontan fast ausschließlich im Knochen[21,22,24], die Jun und Fos Proteine jedoch noch in vielenanderen Geweben exprimiert werden, stellt sich die Fragenach dem Mechanismus der Zelltyp-Spezifität. Diesekönnte durch Osteoblasten-spezifische Aktivatoren vermit-telt werden, die mit AP-1 funktionell kooperieren. DurchUntersuchungen der Aktivierung des Kollagenase Promo-tors durch Parathormon (PTH, einer der wichtigsten Regu-latoren des Knochenmetabolismus) konnten wir zwei cis-wirkende Elemente definieren, die zusammen mit AP-1 fürdie Induktion notwendig sind [19,26]. Diese Elemente die-nen als Erkennungssequenz für den TranskriptionsfaktorCbfa-1. Dieser Faktor wurde kürzlich als essentielle Kom-ponente der Osteoblasten-Differenzierung und der endo-chondralen Ossifikation beschrieben. Unsere Arbeitenzeigten, dass AP-1 und Cbfa1 direkt miteinander in Wech-selwirkung treten, und dass dies über den “Leucine zipper”(Fos, Jun Proteine) bzw. die “Runt”-Domäne (Cbfa1) ver-mittelt wird [26]. Diese Daten weisen darauf hin, daß ne-ben seiner Funktion bei der Differenzierung von Osteo-blasten Cbfa1 im Zusammenspiel mit AP-1 auch einewichtige Rolle beim Knochenmetabolismus zu spielenscheint.

Negative Interferenz zwischen AP-1 und demGlucocorticoid RezeptorJ. Tuckermann, J. Eberlein, H. Richter

In Kollaboration mit Holger Reichardt, Günther Schütz, G. Fürs-tenberger, DKFZ; Martin Göttlicher, Falk Weih, Peter Herrlich, In-stitut für Genetik, Forschungszentrum Karlsruhe

Neben der positiven Regulation von AP-1 durch überge-ordnete Proteinkinasen (JNKs) und der Wechselwirkungmit anderen zellulären Proteinen (Smads, Cbfa1; sieheoben) erfährt aber auch die negative Regulation von AP-1durch Protein/Protein Interaktionen eine zunehmende Be-achtung. Bei letzterem gilt unser Interesse vor allem derphysiologischen Relevanz der negativen Regulation vonAP-1 Aktivität durch aktivierte Glucocorticoid Rezeptoren(GR) im Gesamtorganismus. Anhand einer “knock-in”Maus, die einen mutierten GR exprimiert (GRdim, im Laborvon Günther Schütz generiert), konnten wir nachweisen,daß für die Repression von AP-1-abhängiger KollagenaseExpression in primären embryonalen Mausfibroblasten nurdie reprimierende, jedoch nicht die aktivierende Funktiondes GR (mittels DNA Bindung an “Glucocorticoid-respon-sive-elements”, GREs) notwendig ist [16,21]. Die Signifi-kanz dieses Regulationsmechanismus im Gesamtorganis-mus konnten wir durch die Unterdrückung der TPA-indu-zierte Expression von Kollagenase-3 in der Maushautdurch gleichzeitige Applikation des synthetischen Gluco-

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Forschungsschwerpunkt B Tumorzellregulation

Abteilung B0800Signaltransduktion und Wachstumskontrolle

DKFZ 2002: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2000/2001

corticoids Dexamethason bestätigen. Dabei fanden wir,daß Glucocorticoid Gabe die TPA-vermittelte Induktion vonKollagenase-3 in Wildtyp und GRdim Mäusen mit gleicherEffizienz unterdrückt [20,21]. Wir haben dieses experimen-telle System auch benutzt, um die ersten Gene in Haut zuklonieren, deren Expression durch Glucocorticoide indu-ziert werden. In Übereinstimmung mit den Eigenschaftendes mutierten GR in der GRdim Maus wird die Expressionbeider Gene, Plasmaglutathion Peroxidase-3 (PGX-3) undHeat Shock Protein-27 (HSP-27), nur in der Haut vonWildtyp Mäusen, jedoch nicht GRdim Mäusen durch Dexa-methason induziert [20,21]. Durch diese Daten konnte be-legt werden, daß die Repression der AP-1 Aktivität durchGlucocorticoide in vivo tatsächlich keine Expression vonGRE-gesteuerten Gene benötigt.

Parallel zu AP-1 wird die Aktivität des TranskriptionsfaktorsNF�B in ähnlicher Weise durch den GR negativ reguliert.Da NF�B eine wichtige regulatorische Rolle bei der Im-munantwort zugeschrieben wird, haben wir TPA-induzier-ten Entzündungsreaktionen in der Haut untersucht. Eszeigte sich, dass sowohl diese Reaktion, als auch andereParameter (z.B. Zytokin Expression in T-Zellen und Makro-phagen) in Wildtyp und GRdim Mäusen mit gleicher Effizi-enz durch Glucocorticoide unterdrückt werden [27]. Diesbedeutet, dass Glucocorticoid-vermittelte Immunsuppres-sion vor allem durch die DNA Bindungs-unabhängigeFunktion des GR vermittelt wird.

Klonierung neuer tumor-assoziierter Gene inder MausU. Breitenbach, C. Gebhardt, H. Richter, J. Hess,P. Angel

In Kollaboration mit Gerhard Fürstenberger, Gunnar Wrobel, JörgSchlingemann, Peter Lichter, DKFZ; Peter Steinlein, Institut fürMolekulare Pathologie, Wien, Österreich; Zena Werb, Universityof California, San Francisco, USA

Sequentielle Behandlung der Maushaut mit TPA führt zurAusbildung von Papillomen und nachfolgend zum Auftre-ten von Karzinomen (Mehrstufenmodell der chemisch-in-duzierten Hautkarzinogenese). In Zellinien, die sich vonden verschiedenen Tumorstadien ableiten, wurde eineKorrelation zwischen basaler Expression von Kollagenase-3 und zunehmender Malignität der Tumorzellen gefunden.Dies läßt vermuten, daß dieses Enzym auch zur Ausbil-dung und Ausbreitung von Hauttumoren beitragen könnte.Durch Herstellung von konditionalen (“floxed”) Kollagen-ase-3 Maus Mutanten, in denen spezifisch die Expressionin Keratinozyten ausgeschaltet werden kann, versuchenwir zur Zeit diese Frage zu beantworten.

Basierend auf den experimentellen Bedingungen, die zueiner deutlich erhöhten Expression des Kollagenase-3Gens in TPA-behandelter Maushaut führen, haben wir imBerichtszeitraum die Anwendung der Methode der sub-traktiven cDNA Klonierung (SSH) zur Isolierung differenti-ell exprimierter Gene im Labor etabliert. Wir haben die iso-lierte Kollektion von etwa 3000 TPA-induzierten cDNAs aufsolche Gene untersucht, die eine konstitutiv hohe Expres-sion in den Hauttumoren aufweisen. In dieser Subgruppe

von zum Teil völlig unbekannten Genen haben wir alsneue Tumor-assoziierte Gene die noch wenig charakteri-sierte Serin Protease BSSP [28] und Mitglieder der S100Proteine [29] identifiziert. Zur Zeit wird das Expressions-muster dieser Gene und der spezifische Transkript-positi-ve Zelltyp in verschiedenen Stadien der chemisch indu-zierten Hautkarzinogenese (Papillome, Karzinome) be-stimmt, um mögliche Anhaltspunkte über die Funktion die-ser Proteine im Verlauf der Tumorgenese zu bekommen.In Kollaboration mit Dr. Peter Steinlein, IMP Wien, undProf. Peter Lichter (DKFZ Heidelberg) haben wir mittler-weile die isolierte cDNA Kollektion auf DNA-Chips aufge-bracht und damit die Methodik des “large-scale geneexpression profiling” in der Abteilung etabliert. Ziel ist es,zum einen das Expressionsmuster diese cDNAs in Tumo-ren aus anderen Geweben zu untersuchen. Zum anderenwollen wir die Expression der bisher isolierten, neuen Tu-mor-assoziierten Gene der Maus in menschlichen Tumo-ren bestimmen, um mögliche neue, spezifische Marker-gene für diese Tumore zu etablieren.

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Forschungsschwerpunkt B Tumorzellregulation

Abteilung B0800Signaltransduktion und Wachstumskontrolle

DKFZ 2002: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2000/2001

Publikationen (* = externe Koautoren)[1] Angel, P. (2001) AP-1. In: Encyclopedic Reference of Cancer.M. Schwab (Ed.) pp. 60-67. Springer Verlag, Heidelberg.[2] Schorpp-Kistner, M., *Herrlich, P. and Angel, P. (2002). TheAP-1 family of transcription factors: Structure, regulation andfunctional analysis in mice. N.LeThangue (Ed.) In press[3] Kolbus, A., Herr, I., *Schreiber, M., Debatin, K.M., *Wagner,E.F. and Angel, P. (2000) c-Jun-dependent induction of CD95L iscritically involved in the induction of apoptosis by alkylatingagents. Mol. Cell. Biol.20, 575-582[4] *Scherer, S., *Maier, S., *Seidert, M., *Hanselmann, R., *Zang,K.D., *Müller-Hermelink, H.K., Angel, P., *Welter, C. and *Schartl,M. (2000) p53 and j-Jun functionally synergize in the regulation ofthe DNA repair gene hMSH2 in response to UV. J. Biol. Chem.275, 37469-37473.[5] Eichhorst, S., Müller, M., Li-Weber, M., Schulze-Bergkamen,H., Angel, P. and Krammer P. (2000) A novel AP-1 element in theCD95 ligand promotor is required for induction of apoptosis inhepatocellular carcinoma cells upon treatment with anticancerdrugs. Mol. Cell Biol. 20, 7826-7837.[6] Baumann, S., Eichhorst, S., Hess, J., Krüfer, A., Angel, P.,Krammer, P. and Kirchhoff, S. (2002) A novel function for FosB inactivation-induced cell death in T cells. Oncogene, submitted forpublication.[7] *Schreiber, M., Kolbus, A., *Piu, F., Szabowski, A., *Möhle-Steinlein, U., *Tian, J., *Karin, M., Angel, P. and *Wagner, E. F.(1999) Control of cell cycle progression by c-Jun is p53dependent. Genes Dev., 13, 607-619.[8] Szabowski, A. (2001) Identifikation einer trans-regulatorischenFunktion von c-Jun und JunB bei der Regulation vonZellproliferation und –differenzierung. Dissertation, UniversitätSaarbrücken[9] Schorpp-Kistner, M., *Wang, Z.Q., Angel, P. and *Wagner, E.F.(1999) JunB is Essential for the Formation of the mammalianPlacenta. EMBO J.,18, 934-948[10] Schmidt, D. (2002) Role of JunB in Hypoxia-mediated CellResponse and Tumour Angiogenesis. Dissertation, UniversitätFreiburg.[11] *Passegue, E., *Jochum, W., Schorpp-Kistner, M., *Möhle-Steinlein, U. and *Wagner, E.F. (2001) Chronic myeloid leukemiawith increased granulocyte progenitors in mice lacking JunBexpression in the myeloid lineage. Cell, 104, 21-32[12] Andrecht, S. (2001) Identifikation von positiven und negativenFunktionen des Transkriptionsfaktors JunB bei der Zellzyklus-regulation. Dissertation, Universität Hannover.[13] Andrecht,S., Kolbus,A., Hartenstein, B., Angel,P. andSchorpp-Kistner,M. (2002). Positive and Negative Functions ofJunB in Cell Cycle Progression. J. Biol. Chem., zur Publikationeingereicht[14] Szabowski, A., Maas-Szabowski, N., Andrecht, A., Kolbus, A.,Schorpp-Kistner, M., Fusenig, N. und Angel, P. (2000) c-Jun andJunB antagonistically control cytokine-regulated mesenchymal-epidermal interaction in skin. Cell, 103, 745-755[15] *Verrecchia, F., *Tacheau, C., Schorpp-Kistner, M., Angel, P.und *Mauviel, A. (2001) Induction of the AP-1 members c-Jun andby TGFß/Smad suppresses early Smad-driven gene activation.Oncogene, 20, 2205-11[16] Reichardt, H. M., Kaestener, K.H., Tuckermann, J., Kretz, O.,Wessely, O., Bock, R., Gass, P., Schmid, W., *Herrlich, P., Angel,P. and Schütz, G. (1998). DNA-binding of the glucocorticoidreceptor is not essential for survival. Cell 93, 531-541.[17] Maas-Szabowski, N., Szabowski, A., Andrecht, S., Kolbus, A.,Schorpp-Kistner, M., Angel, P. und Fusenig, N. (2001) Organo-typic Cocultures with genetically modified mouse fibroblasts as atool to dissect molecular mechanisms regulating keratinocytegrowth and differentiation. J. Invest. Dermatol., 116, 816-20

[18] Angel P., Szabowski, A. and Schorpp-Kistner, M. (2001)Function and regulatrion of AP-1 subunits in skin physiology andpathology. Oncogene, 20, 2413-23.[19] Porte, D., Tuckermann, J., Becker, M., Baumann, B., Teurich,S., *Higgins, S., *Owen, M., Schorpp-Kistner, M., and Angel, P.(1999) Both Ap-1 and Cbfa1-like factors are required for inductionof interstitial collagenase by parathyroid hormone. Oncogene, 18,667-678.[20] Tuckermann, J., Reichardt, H., Arribaz, R., Richter, H.,Schütz, G. and Angel, P. (1999) The dimerization-independentfunction of the glucocorticoid receptor mediates repression of AP-1-dependent gene expression in skin, J. Cell Biol. 147, 1365-1370.[21] J. Tuckermann (2000) In vivo Modulation des Transkriptions-faktors AP-1 durch Glucocorticoide. Dissertation, Fakultät für Bio-und Geowissenschaften, Universität Karlruhe.[22] Tuckermann, J., *Pittois, K., Partridge, N.C., *Merregaert andAngel, P.(2000). Collagenase-3 (MMP-13) and integral membraneprtoein 2a (Itm2a) are marker genes of chondrogenic/osteoblasticcells in bone fromation: sequential temporal, and spatialexpression of Itm2a, alkaline phosphatase, MMP-13, andosteocalcin in the mouse. J. Bone Res. 15, 1257-65.[23] *Vallon, R. and Angel, P. (2000). Expression of humancollagenase I (MMP-1) and TIMP-1 in a Baculovirus basedexpression system. Meth. Mol. Biol. 151, 203-214.[24] *Dew, G., *Murphy, G., *Stanton, H., *Vallon, R., Angel, P.,*Reynolds, J.J. and *Hembry, R.M. (2000) Localisation of matrixmetalloproteinases and TIMP-2 in resorbing mouse bone. CellTissue Res., 299, 385-94.[25] Tuckermann, J., *Vallon, R., Gack, S., *Grigoriadis, A.E.,Porte, D., *Lutz, A., *Wagner, E.F. *Schmidt, J. and Angel, P.(2001) Expression of collagenase-3 (MMP-13) in c-Fos-inducedosteosarcomas and chondrosarcomas is restricted to a subset ofcells of the osteo/chondrogenic lineage. Differentiation 69, 49-57.[26] Hess, J., Porte, D., Munz, C. and Angel, P. (2001) AP-1 andCbfa/Runt physically interact and regulate PTH-dependentMMP13 expression in osteoblasts through a new OSE2/AP-1composite element. J. Biol. Chem. 276, 20029-38.[27] Reichardt, H., Tuckermann, J., *Göttlicher, M., Vujic, M.,*Weih, F., Angel, P., *Herrlich, P. and Schütz, G. (2001)Immunosuppression in the absence of DNA-binding by theglucocorticoid receptor in vivo. EMBO J., 20, 7168-713[28] Breitenbach, U., Tuckermann, J., Gebhardt, C., Richter, K.H.,Fürstenberger, G., Christofori, G. and Angel, P. (2001)Keratinocyte-specific onset expression in experimental of serineprotease BSSP carcinogenesis. J. Inv. Dermatol., 117, 634-640.[29] Gebhardt, C., Breitenbach, U., Tuckermann, J., Richter, K.H.and Angel, P. (2002) Calgranulins S100A8 and S100A9 arenegatively regulated by glucocorticoids in a c-Fos-dependentmanner and overexpressed throughout skin carcinogenesis,Oncogene, in press.

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Forschungsschwerpunkt B Tumorzellregulation

B0810Hormonwirkung und Signaltransduktion

DKFZ 2002: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2000/2001

Wissenschaftlicher MitarbeiterDr. rer. nat. Bernd Schnarr ( - 09/00) *

DoktorandenBarbara De Servi (07/01 - ) *Kathrin Kopplow ( - 12/00)Yongde Liao (10/01 - ) *Senad Medunjanin (01/01 - )Martina Schmitt (- 2/00)Kathrin Strunz (- 12/00)

DiplomandenAlexandra Dreuw (10/00 - 05/01)Stephanie Geiger (10/01 - )

GastwissenschaftlerYun Niu (China, 04/00 - 05/01)

Technischer AngestellterJürgen Ohsam (- 04/01)

* Sonderfinanzierung

Hormone sind körpereigene Substanzen, die bei einerVielzahl von Wachstums- und Differenzierungsprozesseneine wichtige Rolle spielen. Synthetisiert in endokrinen Or-ganen erreichen sie ihre Zielorgane auf dem Blutweg.Nach Bindung an spezifische Rezeptoren, die auf derPlasmamembran bzw. im Cytosol oder im Zellkern derZielzellen lokalisiert sind, wird eine Vielzahl von Signal-übertragungsprozessen aktiviert, die u.a. in der Stimulati-on der Zellproliferation enden. Aufgrund dieser wachs-tumsfördernden Eigenschaften gelten zahlreiche Hormoneals Tumorpromotoren. Dies gilt sowohl für Steroidhormoneals auch für Peptidhormone.Die von Steroiden und Peptidhormonen aktivierten Signal-kaskaden sind prinzipiell unterschiedlich, Peptidhormonebinden an Rezeptoren in der Plasmamembran und setzendadurch eine Kaskade von Phosphorylierungsreaktionenan Proteinen in Gang. Steroidhormone binden an Rezep-toren, die entweder im Cytoplasma oder im Zellkern loka-lisiert sind. Nach Aktivierung und Translokation in den Zell-kern werden sie primär als Transkriptionsfaktoren bei derRegulation der Expression von Zielgenen wirksam. Jüng-ste Forschungsergebnisse haben gezeigt, dass es vielfälti-ge Interaktionen zwischen Peptidhormon- undSteroidhormon-vermittelten Signalwegen gibt.Die Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit Mechanismen derTumorentstehung unter dem Einfluß von Peptid- undSteroidhormonen sowie mit deren Wechselwirkung inepithelialen Mamma- und Leberzellen.

I. Der Insulin / IGF-I Rezeptor-Signalweg inBrustkrebszellen

Expression von IRS-1 und IGF-I Rezeptor inMamma-CarcinomenD. Mayer, B. Schnarr, K. Strunz, Y. Niu, J. Ohsam,A. Dreuw

In Kooperation mit J. Wacker, Universitätsfrauenklinik, Heidelberg;A. Benner, Zentrale Einheit Biostatistik, DKFZZusatzfinanzierung: „Organtumorsystem Mammacarcinom“ desDKFZ

Der Insulin / IGF-I Rezeptor-Signalweg wird aktiviert durchdie beiden Wachstumsfaktoren IGF-I und IGF-II sowiedurch das Hormon Insulin. IGF-I und IGF-II können vonverschiedenen Gewebekomponenten menschlicher Brust-tumoren, dem Stroma (Bindegewebe) und den epithelialenCarcinomzellen synthetisiert werden. Sie können dasWachstum der Krebszellen parakrin oder autokrin stimu-lieren. Auch wurden hohe Insulin-Blutspiegel (z.B. bei TypII-Diabetikerinnen) mit einer erhöhten Brustkrebsinzidenzin Verbindung gebracht. Nach Bindung der Liganden anden Insulinrezeptor bzw. den IGF- I Rezeptor werden die-se dimerisiert und durch Autophosphorylierung verschie-dener Tyrosinreste durch die intrinsische Rezeptor-Tyro-sinkinase aktiviert. Beide Rezeptor-Tyrosinkinasen phos-phorylieren das Insulinrezeptor-Substrat-1 (IRS-1), einesder wichtigsten Signalproteine der Zelle. Aus Zellkulturex-perimenten ist bekannt [1], dass die Expression des IGF-IRezeptors und des IRS-1 durch das Steroidhormon Estra-diol (E2) induziert werden. Estradiol stimuliert außerdemdas Wachstum normaler Brustdrüsenepithelzellen sowievon Brustkrebszellen, sofern diese den Estrogenrezeptorexprimieren. Wir haben uns die Frage gestellt, ob es einenZusammenhang gibt zwischen dem Differenzierungsgradvon Brusttumoren und der Expression des IGF-I Rezep-tors, des Insulinrezeptors und IRS-1 sowie des Estrogen-rezeptors. An 69 Brustkrebsproben verschiedenen Diffe-renzierungsgrades und 21 normalen Brustdrüsengewebenwurde immunhistochemisch die Expression von Insulinre-zeptor, IGF-I Rezeptor, IRS-1 und Estrogenrezeptor sowiedie Zellproliferation (% Ki-67 positive Zellen) bestimmt.IGF-I Rezeptor und IRS-1 wurden in hohen Spiegeln in gutund mäßig differenzierten Carcinomen (Grad I und II) undin geringen Mengen in niedrig differenzierten Tumoren(Grad III) nachgewiesen [Abb.1]. Vorläufige durch in situ-Hybridisierung der entsprechenden mRNA gewonnene Er-gebnisse zeigen, dass die Expression der Proteine tran-skriptional reguliert wird. Die Expression des Insulinrezep-tors zeigte keine eindeutige Korrelation mit dem Grad derTumordifferenzierung. Genaue statistische Analyse zeigte,daß der Verlust an IGF-I Rezeptor und IRS-1 einen ge-naueren Marker für die Entdifferenzierung der Carcinomedarstellt als die bekannte Reduktion der Estrogenrezeptor-Expression und die Zunahme der Zellproliferation. Die Be-funde zeigen eindeutig, daß die Progression von Brust-krebs von einer Reduktion an IGF-I Rezeptor und IRS-1begleitet wird, und daß die IGF-I Rezeptor / IRS-1 Expres-

AG Hormonwirkung und Signaltransduktion (B0810)Leiterin: PD Dr. rer. nat. Doris Mayer

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Forschungsschwerpunkt B Tumorzellregulation

B0810Hormonwirkung und Signaltransduktion

DKFZ 2002: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2000/2001

sion negativ mit der hohen Proliferationsrate in niedrig dif-ferenzierten Mammacarcinomen korreliert ist [2]. Aus die-sem Grund wurde vorgeschlagen, IGF-I Rezeptor undIRS-1 als neue Marker für das (oft schwierige) Gradingvon Tumoren einzusetzen.

II. DHEA- Effekt auf BrustkrebszellenD. Mayer, M. Schmitt, B. Schnarr

In Kooperation mit R. Morfin, Laboratoire de Biotechnologie,Conservatoire National des Arts et Métiers, Paris, Frankreich ;K. Klinga, Hormonlabor der Universitätsfrauenklinik, Heidelberg;A. Benner, Biostatistik, DKFZ

Das Nebennierenrindenhormon Dehydroepiandrosteron(DHEA) stellt in vivo eine Vorstufe in der Biosynthese vonTestosteron und Estradiol in peripheren Organen dar. Epi-demiologische Studien haben gezeigt, daß Frauen mit ho-hem DHEA-Blutspiegel in der Postmenopause ein erhöh-tes Brustkrebsrisiko aufweisen. Die Substanz kann inBrustgewebe und Brusttumoren aus dem Blut angereichertwerden. Wir haben untersucht, ob DHEA auf Brustkrebs-

zellen proliferationssteigernd wirkt und wenn ja, ob dieseWirkung auf die Konversion zu Estrogenen zurückgeführtwerden kann. Wir konnten zeigen, daß estrogenabhängigeMCF-7 Brustkrebszellen DHEA in physiologisch relevantenMengen zu Estradiol umwandeln (~200 pM im Mediumnach 4-tägiger Inkubation mit 100 nM DHEA). Außerdemwurden Estron und Testosteron identifiziert [3, 4]. SowohlEstradiol (1 nM) als auch DHEA (100 nM) wirkten prolifera-tionsstimulierend auf MCF-7 Zellen, letzteres mit einerVerzögerung von 2 ½ Tagen, was für eine Notwendigkeitder Konversion des DHEA zu Estrogen spricht. Estrogen-unabhängige Brustkrebszellen (MDA-MB-436) wurdennicht stimuliert.

Eine von MCF-7 abgeleitete Zellinie, die mit einem Lucife-rase-Reportergen unter der Kontrolle des Estrogen Re-sponsive Elements und des �-Globulinpromotors (ERE-luc) stabil transfiziert wurde, wurde eingesetzt, um Effektevon DHEA auf die estrogenabhängige Genexpression zumessen. DHEA zeigte eine deutliche Induktion der Luci-ferase. Sowohl die Stimulation der Zellproliferation und alsauch die Induktion der Luciferase-Expression durch DHEAkonnte durch die Anti-Estrogene ICI 182,780 und Tamoxi-fen gehemmt werden, ebenso durch den Aromatase-Hem-mer 4-Hydroxyandrostendion, was die Notwendigkeit derKonversion von DHEA zu Estrogen unterstreicht [4]. Einandrogener Effekt von DHEA auf MCF-7 Zellen konntedurch ein negatives Ergebnis nach Doppeltransfektion vonMCF-7 Zellen mit dem Androgenrezeptor und einem ARE-Luc Reportergen-Konstrukt ausgeschlossen werden. Ausden Ergebnissen wurde geschlossen, daß DHEA aufBrustkrebszellen mitogen wirkt, daß es in erheblichenMengen zu Estrogenen, insbesondere Estradiol konvertiertwird, und daß die Konversion eine Voraussetzung für denproliferationssteigernden Effekt von DHEA darstellt.

III. DHEA-Effekt auf LeberzellenD. Mayer, K. Kopplow

In Kooperation mit: G. Hobe, Hans-Knöll-Institut, Jena;J. Swierczynski, Dept. Biochemistry, Medical University Gdansk,Polen; P. Bannasch, Cytopathologie, DKFZ; A. Benner,Biostatistik, DKFZ; K. Forstner, FIMT Asperg.

Die Untersuchungen zur carcinogenen und tumorpromo-vierenden Wirkung von DHEA auf die Rattenleber wurdenfortgesetzt [5-10]. Dabei stand der Befund im Vordergrund,daß DHEA tumorpromovierend wirkt, obwohl es insgesamtdie Proliferation präneoplastischer Läsionen hemmt. DieIdentifizierung der Tumorvorstufe, die möglicherweisedurch DHEA spezifisch promoviert wird, ist Gegenstandaktueller Untersuchungen. Weiterhin wurde der biochemi-sche und molekulare Mechanismus der proliferationshem-menden Wirkung von DHEA weiteruntersucht. VorläufigeErgebnisse dokumentieren einen Einfluß von DHEA aufdie Cytokin- und Wachstumsfaktor-Produktion in derRattenleber [11].

Abb. 1.: Expression von IRS-1 und IGF-I Rezeptor in Brustge-webe und in Mamma-Carcinomen unterschiedlichen Differenzie-rungsgrades

A-C: normales Brustdrüsenläppchen. D-F: gut differenziertesintraduktales Carcinom (Pfeile) umgeben von Bindegewebe. G-I:niedrig differenziertes duktales Carcinom. A, D, G: Hämatoxilin-Eosin gefärbte Schnitte. Immunhistochemischer Nachweis vonIRS-1 (B, E, H) und IGF-IR (C, F, I) in Serienschnitten von A, Dund G. Starke Expression von IRS-1 (B) und etwas geringereExpression von IGF-IR (C) in allen epithelialen Zellen des nor-malen Drüsenläppchens. D-F: Grad-1 Carcinom (Pfeile) zeigtstarke Expression von IRS-1 (E) und mäßige bis starke Expres-sion von IGF-IR (F). G-I: Grad-3 Carcinom mit schwacher Ex-pression von IRS-1 (H) und IGF-IR (I). K. Perinukleäre Lokali-sation von IRS-1 in Tumorzellen (Pfeile). L und M sind Kontrol-len zur Dokumentation der Spezifität der Antikörper.

H&E IRS-1 IGF-IR

Normal-gewebe

G1

G3

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Forschungsschwerpunkt B Tumorzellregulation

B0810Hormonwirkung und Signaltransduktion

DKFZ 2002: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2000/2001

Publikationen (* = externer Koautor)[1] Dreuw, A.: Wirkung von IGF-I und Estradiol auf die Tyrosin-Phosphorylierung des Insulin-like Growth Factor-I Rezeptors undauf die estragonabhängige Genexpression in Mammakarzinom-zellen. Diplomarbeit, Biologische Fakultät, Universität Heidelberg(2001)[2] Schnarr, B., Strunz, K., Ohsam, J., Benner, A., *Wacker, J.,Mayer, D.: Downregulation of insulin-like growth factor-1 receptorand insulin receptor substrate-1 in advanced human breastcancer. Int. J. Cancer (Pred. Oncol.) 89, 506-513 (2000)[3] Schmitt, M., *Klinga, K., Mayer, D.: Dehydroepiandrosterone(DHEA) stimulates proliferation of of MCF-7 cells after beingmetabolized to estrogens. Proc. Am. Assoc. Cancer Res. 41, 139(2000)[4] Schmitt, M., *Klinga, K., Schnarr, B., *Morfin, R., Mayer, D.:Dehydroepiandrosterone stimulates proliferation and geneexpression in MCF-7 cells after conversion to estradiol. Mol. Cell.Endocrinol. 173, 1-13 (2001)[5] Bannasch, P., Metzger, C., Mayer, D.: Hepatocarcinogenesisby dehydroepiandrosterone. I. Sequential cellular changes duringneoplastic develoment. In: Dehydroepiandrosterone (DHEA).Biochemical, physiological and clinical aspects (W. Regelson, M.Kalimi, eds.) Walter de Gruyter, Berlin, 237-249 (2000)[6] *Hobe, G., *Hillesheim, H.-G., *Schön, R., *Undisz, K., *Valen-tin, U., *Reddersen, G., *Ritter, P., Bannasch, P., Mayer, D.:Studies on the metabolism of DHEA in rats and mice. In:Dehydroepiandrosterone (DHEA). Biochemical, physiological andclinical aspects (W. Regelson, M. Kalimi, eds.) Walter de Gruyter,Berlin, 343-362 (2000)[7] Mayer, D., Metzger, C., Bannasch, P.: Hepatocarcinogenesisby dehydroepiandrosterone. II. Biochemical and molecularchanges during neoplastic development. In: Dehydroepiandro-sterone (DHEA). Biochemical, physiological and clinical aspects(W. Regelson, M. Kalimi, eds.) Walter de Gruyter, Berlin, 251-260(2000)[8] Mayer, D., Metzger, C., Nehrbass, D., Bannasch, P.:Characteristics of dehydroepiandrosterone-inducedhepatocarcinogenesis in the rat. In: Hormonal Carcinogenesis III(Eds. Li, J.J., J.R. Daling, S.A. Li) Springer-Verlag, New York, pp.477-483 (2000)[9] *Swierczynski, J., *Slominska, E., *Smolenski, R.T., Mayer, D. :Increase in NAD but not ATP and GTP concentrations in rat liverby dehydroepiandrosterone feeding. Pol. J. Pharmacol. 53, 125-130 (2001)[10] Mayer, D.: Hormonal and carcinogenic effects ofdehydroepiandrosterone on liver. In: Surgical Pathology, Update2001, 18th European Congress of Pathology (Eds. S. Hauptmann,M. Dietel, M. Sobrinho-Simões), ABW Wissenschaftsverlag Berlin,pp. 363-367 (2001)[11] Kopplow, K. Untersuchung des Einflusses von Dehydroepi-androsteron auf die Proliferationsaktivität von Hepatozyten unddie Expression von Zellzyklusparametern in der Rattenleber. Dis-sertation, Naturwissenschaftlich-Mathematische Gesamtfakultät,Universität Heidelberg (2002)

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Forschungsschwerpunkt B Tumorzellregulation

Abteilung B0900Genetik der Hautcarcinogenese

DKFZ 2002: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2000/2001

Wissenschaftler:Dr. Susanne PoppDr. Sabine Rosenberger (05/00 - )Dr. Vera Vormwald Dogan (05 - 12/00)Dr. Reynel Figueroa ( - 07/00)Dr. Karin Greulich-Bode (10/00 - )Dr. Sascha Beneke (09/01 - )

Doktoranden:Ana CerezoHeike Lindenmaier ( - 04/01)Sharareh Moshir (07/01/ - )Sibylle Ermler (08/01 - )

Techniker:Alena Jirschik (05/01-)Hermann Stammer (10/01 - )

Hautcarcinome (Basalzell- [BCC] und Plattenepithelcarci-nome [SCC]) sind nicht nur bereits heute die häufigstenTumortypen, die Zahl steigt auch ständig und dies speziellin immunsupprimierten Patienten. Darüber hinaus kehrtsich das Verhältnis von nahezu nie metastasierendenBasalzell Carcinomenen zu den malignen PlattenepithelCarcinomen um, so dass auch die Mortalitätsrate steigt.Obwohl schon seit langer Zeit bekannt ist, dass übermäßi-ge Sonnenbestrahlung (Sonnenbrände) bei der Entste-hung von Hautcarcinomen eine wesentliche Rolle spielt,ist noch wenig über die molekularen Mechanismen be-kannt. Das Ziel unserer Studien ist es deshalb, die Rollevon Risikofaktoren (UV-A, erhöhte Temperatur) besserverstehen zu lernen, neue genetische Aberrationen zuidentifizieren und deren Funktion aufzuklären. Dies soll ei-nerseits dazu beitragen, die Differentialdiagnose unter-schiedlicher Hauttumortypen zu verbessern und anderer-seits sollen dadurch die molekularbiologischen Grundla-gen für neue Behandlungsmöglichkeiten geschaffen wer-den. Mit Hilfe experimenteller Modellsysteme werden inder Abteilung 2 Hauptthemen bearbeitet: 1) Molekular-und funktionelle genetische Studien, um relevante Onko-gene und Tumorsuppressorgene zu identifizieren und de-ren Funktion in der Entstehung bzw. Progression vonHautcarcinomen aufzuzeigen. 2) Eine spezifische Aberra-tion, die für nahezu alle Tumore gilt, ist die erhöhte Ex-pression der Telomerase. Ziel unserer Studien ist es, dieRolle und Regulation der Telomerase und ihre Rolle in derTelomerlängenregulation bei der Hautcarcinomentstehungund in der Hautalterung zu definieren.

1. Genetische Mechanismen derHautcarcinogenese

P. Boukamp, S. Popp, B. Jelinek, A. Jirschik

In Kooperation mit: Prof. W. Hartschuh, Dermatologie Heidelberg;Prof. Irenen Leigh, Dermatologie London, UK; Prof. Ingrid Moll,Dermatologie Hamburg; Dr. A. Bürkle, DKFZ Heidelberg (jetztNewcastle upon Tyne, UK); Dr. A. Jauch, Humangenetik Heidel-berg; Dr. Frank de Gruijl (Utrecht, Niederlande); Prof. KarinScharffetter-Kochanek Dermatologie Köln,

Wesentliche Erkenntnisse der letzten zwei Jahrewaren:1. Zugewinn von 11q13 wird durch erhöhte Temperatur

sowie UV-A Strahlung induziert und ist ein wichtiges ge-netisches Ereignis in Hautcarcinomen

2. Die genetische Analyse über CHG und M-FISH erlaubtdie Aufstellung eines genetischen Stammbaums unddamit die direkte Ableitung von Metastasen.

Erhöhte Temperatur und UV-A als potentielle„Carcinogene“ für die Entstehung vonHautcarcinomenUm die Rolle der „Umweltfaktoren“ bei der Entstehung vonHautcarcinomen experimentell untersuchen zu können,verwenden wir das von uns etablierte HaCaT in vitro Haut-carcinogenese Modell. Diese Modell repräsentiert unter-schiedliche Stadien (Fusenig, N.E. Boukamp, P. MolecularCarcinogenesis, 23: 144-158 (1998)) und erlaubt es somit,gezielt Fragen zur tumorigenen Transformation oder auchmalignen Konversion anzugehen.

So war es uns möglich, mit Hilfe der HaCaT Zellen zu zei-gen, daß Langzeitkultivierung bei 40°C statt 37°C aus-reichte, um die Zellen tumorigen zu transformieren [1] d.h.nach s.c. Injektion der Zellen in Thymus-aplastischeNacktmäuse entstanden Tumore. Wie schon zuvor fürHaCaT Zellen demonstriert, die das Harvey-ras Onkogenenthielten, war der Tumorphänotyp abhängig von dem Al-ter der Ausgangskultur (frühe versus späte Passagen derHaCaT Zellen korreliert mit benignem bzw. malignemTumorphänotyp). Zudem wiesen die rekultivierten Tumor-zellen eine erhöhte Tumorigenitätsrate auf, was für eineweitere Selektion durch die in vivo Passage spricht [2].Mittels Vergleichender genomischer Hybridisierung (CGH)und Multiplex Fluoreszenz in situ Hybridisierung (M-FISH)der rekultivierten Tumore konnten wir zeigen, dass in allentumorigenen Varianten eine gemeinsame genetische Aber-ration vorlag, nämlich eine Amplifikation von 11q13 [1]. Er-ste Versuche, in denen HaCaT Zellen für mehrere Wochenmit UV-A bestrahlt wurden, haben ebenfalls zur tumorige-nen Transformation der Zellen geführt. Interessanterweiseweisen auch diese tumorigenen Varianten einen Zugewinnvon 11q13 auf. Es ist deshalb unsere jetzige Arbeitshypo-these, dass erhöhte Temperatur bzw. UV-A Strahlung inden Epidermiszellen der Haut über DNA Strangbrüche füreine bestimmte Art von genetischen Schäden (Amplifikati-on, Deletionen, Translokation) verantwortlich sind.

Abteilung: Genetik der Hautcarcinogenese (B0900)Leiterin: Priv.-Doz. Dr. Petra Boukamp

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Forschungsschwerpunkt B Tumorzellregulation

Abteilung B0900Genetik der Hautcarcinogenese

DKFZ 2002: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2000/2001

Ein erster Hinweis, daß es sich bei dem Zugewinn von11q13 um ein für Hautcarcinome häufigeres genetischesEreignis handelt, kamen durch die genetische Charakteri-sierung eines neuen in vivo Hautcarcinogenese Modells.Mit dieser, von dem selben Patienten stammenden Tumor-sequenz, bestehend aus dem Primärtumor, zwei Rezidi-ven und einer Lymphknotenmetastase, konnten wir dannzweifelsfrei belegen, dass die Metastase genetisch ausdem Primärtumor hervorgegangen war, während sich dieRezidive parallel dazu und jeweils unabhängig voneinan-der entwickelt hatten [3]. Dies könnte bedeuten, daß sichdie Metastase bereits sehr früh während der Tumorpro-gression gebildet hatte. Darüber hinaus lag auch hier einZugewinn von 11q13 vor und diese Aberration blieb in al-len Tumorstadien erhalten, was dafür spricht, daß die Tu-morzellen durch sie einen Selektionsvorteil hatten. Derzeituntersuchen wir an einer größeren Zahl von Hautcarcino-men und benignen Hauttumoren i) ob der Zugewinn von11q13 ein generell relevantes genetisches Ereignis ist,ii) für welches Stadium der Tumorentwicklung er charakte-ristisch ist und iii) und welche anderen genetischen Aber-rationen häufig zu beobachten sind, um damit neue dia-gnostische und möglicherweise prognostische Marker fürdie Hautcarcinogenese zu definieren.

Der angiogene Switch, eine wesentliche Voraus-setzung für die maligne Konversion: zur Rollevon Thrombospondin (TSP-1)Zusätzlich zur Amplifikation von 11q13, die für das unein-geschränkte Wachstum aller Tumorzellen (benigne undmaligne) wesentlich ist, konnten wir den Verlust von Chro-mosom 15 als wichtiges genetisches Ereignis für die mali-gne Progression der HaCaT Zellen und der SCL-I Platten-epithelcarcinomlinie der Haut definieren. Wiedereinfüh-rung einer Kopie von Chromosom 15 in die SCL-I Zellenführte nach s.c. Injektion der Zellen in Nacktmäusen zu ei-ner signifikanten, wenn auch temporären Tumorsuppres-sion [4]. Als potentielles Tumorsuppressorgen identifizier-ten wir TSP-1, ein Matrixglycoprotein, das auf 15q15 loka-lisiert ist. Überexpression dieses Gens induzierte die glei-che Tumorsuppression wie das gesamte Chromosom 15und verursachte eine massive Ablagerung von TSP-1 Ma-trix an der Tumor/Stroma Grenze um den Tumor herum.Diese Matrix verhinderte das Einwachsen von Blutgefäßenund damit das Expandieren der Tumorzellen in das umge-bende Stroma.

Diese Tumorsuppression war aber nur temporär und nach8-10 Wochen wurde Tumorwachstum beobachtet. Da dasTumorwachstum mit der Auflösung der TSP-1 Matrix korre-lierte, ist es Ziel weiterer Studien, zu ermitteln, welche Pro-teasen für die Degradation verantwortlich waren und obdieses kausal für das Tumorwachstum waren. Erste Studi-en zur Proteaseexpression der Tumorzellen zeigten, daßdie malignen Tumorzellen signifikant mehr Proteasenexprimieren als die benignen bzw. nicht-tumorigenenHaCaT Zellen [5, 6]. Ein wesentlicher Anteil der Proteasenwird zusätzlich aber auch von den Tumor-umgebendenStromazellen synthetisiert. Wir sind deshalb derzeit dabeidie Proteaseexpression im Tumorstroma in vivo zu charak-terisieren. Darüber hinaus ist aus der Literatur bekannt,

daß der Transformierende Wachstrumsfaktor TGF-ß1anddie TSP-1 Matrix bindet und dadurch aktiviert wird. DaTGF-�1 bekanntermaßen die Expression von Proteasen inStromazellen induzieren kann, ist es ein weiteres Ziel un-serer Studien, die Rolle der Interaktion von TGF-�1 undTSP-1 für dieses Hautcarcinogenese Modell zu ermitteln.

2. Telomeraseaktivierung eine besondereForm der genetischen Aberration:Telomerase-, und Telomerlängenregulationin normalen and transformierten humanenKeratinozyten

P. Boukamp, S. Beneke, A. Cerezo, S. Ermler,K. Greulich-Bode, S. Moshir, S. Rosenberger,H. Stammer

In Kooperation mit: Dr. J. R. Bickenbach, University of Iowa, IowaCity, USA; Dr. M. Hergenhahn, DKFZ; Kirsten Vang Nielsen,DAKO Dänemark, Prof. Holger Kalthoff, Universität Kiel, Prof. Sa-bine Werner, ETH Zürich, Schweiz

Wesentliche Erkenntnisse der letzten zwei Jahrewaren:1. Das Mass der Telomerverkürzung während der

zellulären Alterung ist abhängig vom Spenderalters,d.h. es muß Faktoren geben, die die Rate derTelomerverkürzung modulieren können.

2. Der Telomer-bindende Faktor TRF-2 spielt eine Rolle inder zellulären Alterung

Regulation der Telomeraseaktivität undTelomerlängeEin Enzymkomplex, der als essentiell für das uneinge-schränkte Wachstum von Tumorzellen gilt, ist der Ribo-nucleoproteinkomplex Telomerase. Normale Zellen verlie-ren Replikations-bedingt kontinuierlich Sequenzen amEnde der Chromosomen, den Telomeren und man gehtdavon aus, daß dieser Telomerverlust für die begrenzteLebensspanne normaler Zellen verantwortlich ist. D.h derVerlust von Telomersequenzen ist der Zählmechanismus,die innere Uhr der „zellulären Alterung“. Würde dies auchfür Tumorzellen gelten, so würden diese durch ihre Viel-zahl von Teilungen eine so kritische Telomerlänge errei-chen, dass dies einem Wachstumsstop und schlussend-lichen das Absterben der Zellen zur Folge hätte. Telome-rase ist nun in der Lage, de novo Sequenzen an die Telo-mere zu hängen und so eine Stabilisierung der Telomer-länge zu gewährleisten. Im Gegensatz zur ursprünglichenAnnahme konnten wir aber schon sehr früh zeigen, dassTelomerase nicht nur in Tumorzellen exprimiert wird, son-dern Aktivität auch in der normalen Epidermis der Hautnachweisbar ist [Härle-Bachor, C, Boukamp, P. Proc. Natl.Acad. Sci. USA, 93:6476-6481 (1996)]. Inzwischen ist klar,dass alle regenerativen Gewebe auch im adulten mensch-lichen Organismus Telomerase-positiv sind [7]. In der Epi-dermis, wie auch in anderen Geweben, ist die Telomerase-aktivität eng mit der Proliferation verknüpft und wird mitBeginn der Differenzierung abgeschaltet. Erste Studienzur Telomeraseregulation hatten gezeigt, dass Calcium einwichtiger Inhibitor der Telomeraseaktivität ist (Bickenbach,J.R. et al. J. Invest. Dermatol., 111: 1045-1052 (1998)).

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Forschungsschwerpunkt B Tumorzellregulation

Abteilung B0900Genetik der Hautcarcinogenese

DKFZ 2002: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2000/2001

Die intrazelluläre Erhöhung des Calciumspiegels führt so-mit nicht nur zur Induktion der epidermalen Differenzie-rung, sondern scheint auch vorgeschaltet, die Telomerase-aktivität zu inhibieren. Wir sind derzeit dabei, den Telome-rasekomplex im Detail zu charakterisieren, um die Fakto-ren zu identifizieren, die für die Calcium-bedingte Regulati-on verantwortlich sind.

Im Gegensatz zu den Keratinozyten der Epidermis sinddie Fibroblasten der Dermis Telomerase-negativ. Erwar-tungsgemäß findet man auch bei Langzeitkulturen einekontinuierliche Abnahme der Telomerlänge. Überraschen-derweise beobachteten wir jedoch einen vom Spender-alter abhängigen Grad des Telomerverlusts [8]. So wardieser bei Zellen von Kleinkindern deutlich vermindert unddie Zellen hörten trotz relativ langer Telomere auf zu proli-ferieren (Seneszenz). D.h. der Grad der Telomerverkür-zung kann moduliert werden und somit ist die Telomerlän-ge per se kein striktes Mass für die replikative Historie derZellen. Darüber hinaus scheint auch die Telomerase derKeratinozyten nicht in der Lage zu sein, den Replikations-bedingten Telomerverlust auszugleichen. Da dies gleicher-maßen für das hematopoietische System gilt, bleibt nun zuklären, warum Telomerase speziell in diesen Gewebenexprimiert wird [9].

TRF2, ein wichtiger Faktor für die zellulärenAlterungEin Faktor, der bei der Telomerlängenregulation eine wich-tige Rolle spielen soll und dessen Anwesenheit Vorausset-zung für die Chromosomenintegität ist, ist der Telomer-repeat-bindende Faktor TRF-2. Es wird postuliert, dassTRF2 eines der Proteine ist, die das Telomerende vorDegradation schützt. Wir konnten nun zeigen, dass TRF2im Laufe der zellulären Alterung signifikant hochreguliertwird. Dieses ist offensichtlich von funktioneller Relevanz,da Verminderung des TRF2 Spiegels in alten Zellen mit-tels anti-sense Oligonucleotiden zu einer verbessertenProliferation und einer morphologischen „Verjüngung“ derKulturen führte [8]. Wir sind deshalb derzeit dabei, die Rol-le von TRF2 für die zelluläre Alterung im Detail zu charak-terisieren.

Publikationen (* = externe Koautoren)[1] Boukamp, P., Popp, S., Bleuel, K., Tomakidi, E., Bürkle, A.,Fusenig, N.E.: Tumorigenic conversion of immortal human skinkeratinocytes (HaCaT) by increased temperature. Oncogene, 18:5638-5645 (1999)[2] 3. Müller MM, Peter W, Mappes M, Huelsen A, Steinbauer H,Boukamp P, Vaccariello M, Garlick J, Fusenig NE.: Tumorprogression of skin carcinoma cells in vivo promoted by clonalselection, mutagenesis, and autocrine growth regulation by G-CSF and GM-CSF. Am. J. Pathol., 159:1567-1579 (2001)[3] 4. Popp, S., *Waltering, S., *Holtgreve-Grez, H., *Jauch, A.,*Proby, C., *Leigh, I.M., Boukamp, P.: Genetic characterization ofa human skin carcinoma progression model: from primary tumorto metastasis. J. Invest. Dermatol., 115: 1095-1103 (2000)[4] 5. Bleuel, S., Popp, S., Fusenig, N.E., *Stanbridge, E.J.,Boukamp, P.: Tumor suppression in human skin carcinoma cellsby chromosome 15 transfer or TSP-1 overexpression throughhalted tumor vascularization. Proc. Natl. Acad. Sci. USA, 96:2065-2070 (1999)[5] 6. *Bachmeier, B.E., *Nerlich, A.G., Boukamp, P.,*Lichtinghagen, R., *Tschesche, H., *Fritz, H., *Fink, E.: Humankeratinocyte cell lines differ in the expression of the collagenolyticmatrix metalloproteinases-1,-8, and -13 and of TIMP-1. BiolChem. 381: 509-516 (2000)[6] 7. *Bachmeier, B.E., Boukamp, P., *Lichtinghagen, R.,Fusenig, N.E., *Fink, E.: Matrix metalloproteinases-2,-3,-7,-9 and-10, but not MMP-11, are differentially expressed in normal, benigntumorigenic and malignant human keratinocyte cell lines. Biol.Chem. 381: 497-507 (2000)[7] 9. Bachor, C., *Bachor, O.A., Boukamp, P.: Telomerase isactive in normal gastrointestinal mucosa and not upregulated inprecancerous lesions. J. Cancer Res. Clin. Oncol., 125: 453-460(1999)[8] 11. Figueroa, R., Lindenmaier, H., Hergenhahn, M., *VangNielsen, K., Boukamp, P.: Telomere erosion varies during in vitroaging of normal human fibroblasts from infant and adult donors.Cancer Res. 60: 2770-2774 (2000)[9] 12. Boukamp P.: Ageing mechanisms: the role of telomereloss. Clin Exp Dermatol. 26:562-565 (2001)

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Forschungsschwerpunkt B Tumorzellregulation

R0400Zentrale Spektroskopie

DKFZ 2002: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2000/2001

Wissenschaftliche MitarbeiterProf. Dr. Wolf-Dieter Lehmann, Spezialist fürMassenspektrometrie (MS)Dr. Claus-Wilhelm von der Lieth, Spezialist für EDV undModeling

Technisches PersonalGabriele Schwebel-Schilling (04.92 -), CL für NMR-Dienst-leistungGerhard Erben (08.93 -), CTA für Dienstleistung (IR, UV,MS) und Methodenentwicklung (MS, HPLC)

SekretariatSabrina Zahner (1/2)

Im Zeitraum 2000-2002 waren folgende zusätzliche Perso-nen über Haus- oder Drittmittel-Zeitverträge (H oder D) inder ZS an verschiedenen Forschungsprojekten tätig:

Wissenschaftliche MitarbeiterDr. Dieter Albert (D 09/98 - 12/00; H 01/01 - 12/02)Dr. Andreas Bohne-Lang (D 01/01 - 12/02)Dr. Martin Frank (D 06/01 - 05/03)

GastwissenschaftlerJaroslav Tóth, Lehrstuhl für Pharmakognosie und Botanik,Fakultät für Pharmazie, Comenius Universität, Bratislava,Slowakische Republik (DFG-Stipendium für NetzbasierteForschungskooperationen: 10 - 12/01)

DoktorandenAndreas Bohne (D - 12/00)Klaus Lohmann (D 05/01 - )Alexander Loß (D 01/01 - )Thomas Lütteke (H 10/01 - )Mogjiboraliman Salek (H 02/01 - )Andreas Schlosser (H - 03/02; mit Abt. B0100)Mathias Wind (H 01/00 -)

Technisches PersonalGerda Baumann, CTA (D 06/98 - 12/00, 1/2)

Neben der vielfältigen analytischen Dienstleistung (Auf-tragsmessungen zur Bestätigung bzw. Aufklärung vonMolekülstrukturen mittels NMR, IR, UV, und MS) wird inder Zentralen Spektroskopie (ZS) an die Einführung bzw.Entwicklung neuer Meß- bzw. Analyse-Verfahren und ihreAnwendung in der Krebsforschung intensiv gearbeitet.Diese Methoden werden bei eigenständigen bzw. koope-rativen Forschungsaktivitäten in den Bereichen Biochemie,molekulare Struktur, Dynamik, und Wechselwirkung,sowieTumormetabolismus und Tumortherapie eingesetzt.Die Schwerpunkte der MS-Anwendungen liegen in Prote-in- und Peptidanalytik mit nano- bis picomol Mengen (prä-zises Molgewicht, Charakterisierung mittels eines enzyma-tischen Verdau, Sequenzierung, Bestimmung von Phos-phorylierung und anderen post-translationalen Modifikatio-nen) sowie quantitative Bestimmung von zellulären Phos-pholipidenprofilen.Mit der Hochfeld-MR-Spektroskopie wird die Entwicklungneuartiger Pharmaka und die Identifikation von Natur-stoffen mit krebspräventiver Wirkung unterstützt. Mit der31P-MR-Spektroskopie werden metabolische Eigenschaf-ten von Tumorzellen in Kultur sowie in vivo (Tiermodell)untersucht (Korrelation des Tumorwachstum mit Phospho-lipid-Metabolitenprofilen).Die nichtinvasive Hochfeld-MR-Bildgebung wird einge-setzt, um das Wachstum von Tumoren und Metastasen ininneren Organen von tumortragenden Mäusen zu visuali-sieren und die Wirkung einer Therapie zu untersuchen.Im Internet-Zeitalter ist die Bereitstellung von spektrosko-pischen Daten und Molekülstrukturen in Form von „benut-zerfreundlichen“ Datenbanken und Informationssystemeneine zunehmend wichtige Arbeit. Schwerpunkte in „mole-cular modeling“ sind die Oligosaccharide (Konformationund Dynamik), Glykoproteine, sowie Protein-Oligosaccha-ride-Wechselwirkungen (Lektine, Virusinfektion) und dieEntwicklung neuer Pharmaka.Die Forschungsaktivitäten der ZS sind in vier Bereichengegliedert, die im Folgenden näher beschrieben werden.Unsere Internet-Addresse:http://www.dkfz-heidelberg.de/zspek/zshome.htm

Zentrale Spektroskopie (R0400)Leiter: Dr. William E. Hull, Spezialist für Kernspinresonanz (NMR)

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Forschungsschwerpunkt B Tumorzellregulation

R0400Zentrale Spektroskopie

DKFZ 2002: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2000/2001

Entwicklung von WWW-basiertenAnwendungen und Datenbanken fürstrukturbiologische Fragestellungen(Schwerpunkt Glykobiologie) (R0401)C.-W. von der Lieth, A. Bohne-Lang, K. Lohmann,A. LoßIn Zusammenarbeit mit: Prof. E. Schwarzer, Universität Hildes-heim; Prof. Dr. E. Lang, Fachhochschule Darmstadt; Prof. Dr. R.Geyer, Universität Giessen; PD. Dr. U. Zähringer, Forschungszen-trum Borstel.Zusatzfinanzierung: DFG-Projekt (D376); Konzeption und Ent-wicklung einer Web-basierten Arbeitsumgebung von glykowissen-schaftliche Fragestellungen und Bereitstellung von fachbasiertenInformationsangeboten; für C.-W. von der Lieth; 1 Postdoc (A.Bohne-Lang), 2 Doktoranden (A. Loß, K. Lohmann) 01.01.01 -31.12.02.

Die rasche Entwicklung der Möglichkeiten des Internet hatsowohl die Art und Weise, wie Wissenschaftler weltweitmiteinander kommunizieren als auch die Möglichkeiten derwissenschaftlichen Informationsbeschaffung entscheidendverändert. Über das WWW sind jetzt auch viele Datenban-ken mit strukturellen, biologischen und spektroskopischenDaten mittels standardisierter, graphisch orientierter Be-nutzerführungen verfügbar. Vorteile sind: der Zugriff aufdie aktuellsten Daten, eine für viele Anwendungen sehrähnliche, graphisch orientierte und intuitiv bedienbare Be-nutzeroberfläche sowie eine weitgehende Unabhängigkeitvon der jeweils vorhandenen Hardware-Konfigurationen,so daß die Anwendungen von praktisch jedem Arbeits-platzrechner aus durchgeführt werden können. Die inhalt-liche Verknüpfung von verteilten, wissenschaftlichen Da-tenbanken, die im Bereich der biologischen Makromolekü-le zumeist über die Sequenzinformation realisiert wird, er-laubt mit hoher Effizienz und aus unterschiedlichen undweltweit verteilten Quellen die rasche Zusammenführungvon Informationen, die zu einem Molekül gehören.

Aus diesen Gründen sondieren und testen wir kontinuier-lich die über das WWW verfügbaren Angebote an spektro-skopischen, strukturellen und biologischen Daten und ma-chen sie in Form von Linksammlungen verfügbar [1]. AlsSchwerpunkt betreiben wir eigenständige Entwicklungenim Bereich der Glykobiologie, in dem bisher nur wenigeAngebote weltweit verfügbar sind [2]. Da Oligosaccharidewesentlich komplexere Strukturen bilden (unterschiedlicheVerknüpfungen der Residuen, Verzweigungen) als Oligo-nukleotide bzw. Proteine, erwies es sich als notwendig,eine einfache, eindeutige lineare Codierung von Kohlen-hydratenstrukturen abzuleiten, die der üblichen Spracheder Glykowissenschaftler sehr nahe kommt und die eineeinfache Verknüpfung von Einträgen in verschiedenen,verteilten Datenbanken ermöglicht [3] (LINUCS : LInearNotation for Unique description of CarbohydrateSequences. www.dkfz.de/spec/

linucs/). Exemplarisch wurde die Verwendung derLINUCS-Codierung in der SWEET-DB [4] realisiert(www.dkfz.de/spec/sweetdb) in der momentan Daten ausvier verschiedenen Quellen miteinander über die chemi-sche Struktur miteinander verknüpft werden.

Oligosaccharide sind hochgradig flexible Verbindungen.Während das Programm SWEET-II die Erzeugung einermöglichen Konformation eines Oligosacchariden erlaubt,kann die Anwendung GLYDICT [5,6] (www.dkfz.de/spec/glydict/) ein komplettes Ensemble von möglichen Konfor-mationen von N-Glykanen berechnen. Dieses Verfahrenberuht auf einem wissensbasiertem Ansatz, bei dem zu-nächst der konformationelle Raum aller Teilstrukturen (Tri-,Tetra- und Pentasaccharide), aus denen sich N-Glykaneaufbauen lassen, durch Langzeit-Molekulardynamik Simu-lationen systematisch abgetastet werden. Die erhaltenenKonformationskarten für jede glykosidische Bindung imOligomer werden analysiert und für jeden stabilen Konfor-mer die entsprechende Torsionswinkeln und dazugehören-den Energien in der Wissensbasis abgelegt. Die erzeug-ten 3D-Strukturen können mittels eines automatisch aufdem lokalen Rechner startenden Programms (Plugins) vi-sualisiert und abgespeichert werden. Ein Algorithmus, derdie automatische Verknüpfung der generierten N-GlykanStrukturen mit bestimmten Glykosylierungstellen einesProtein vornimmt (siehe Abb. 1), befindet sich in der Ent-wicklung [7].

Weitere seit längeren verfügbare und weltweit intensiv ge-nutzte Anwendungen sind:SWEET-II: Erzeugung von verläßlichen räumlichen Struk-turen für Oligosacchariden auf der Basis der in der Litera-tur standardisierten Schreibweise für Kohlenhydratketten(www.dkfz.de/spec/sweet2).

PDB2MultiGIF: Darstellung von sich bewegenden bzw.drehenden Molekülen in Standard Web-Browsern.(www.dkfz-heidelberg.de/spec/pdb2mgif/)

Abb. 1: In silico Glykosylierung eines Proteins. Laut Röntgenstruk-tur hat die Neuraminidase Hemaglutin (Influenza Virus, PDB-Ein-trag 1INY) drei Glykosylierungsstellen, aber die Röntgen-Diffrak-tionsdaten reichen nicht, um die gesamten Zuckerketten darzu-stellen. Daher wurden neun repräsentativen N-Glykanstrukturen(Konformationen) mit dem Programm GLYDICT erzeugt und aneinem der Glykosylierungsstellen verknüpft. Die relativ starreProteinteile der Strukturen (Band Darstellung links) wurden genauüberlagert, so daß der erreichbare konformationelle Raum der fle-xiblen N-Glykanstrukturen (Stabmodell rechts) dargestellt wird.

GLYPEPS: nutzt die Möglichkeiten mittels MALDI-TOFund ESI MS-Techniken, die Präzisionsmassen von Pep-

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R0400Zentrale Spektroskopie

DKFZ 2002: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2000/2001

tiden mit hoher Genauigkeit bestimmen zu können, undverwendet die Information zur Auffinden Peptidmodifika-tionen (z.B. Glykosylierungen).(www.dkfz.de/spec/glypeps)

Die aktuelle Nutzungsstatistiken unserer WWW-Datenban-ken und Anwendungen können abgerufen werden unter(http://www.dkfz.de/spec/statistik/). In den Jahren 2000/2001 hatten wir im Durchschnitt täglich mehr als 500 Auf-rufe mit steigender Tendenz zu verzeichnen. Es ist ge-plant, weitere Anwendungen über WWW-basierte Zugriffeverfügbar zu machen. Dies gilt insbesondere für die denBereich glykowissenschaftlicher Fragestellungen.

Mit unseren WWW-basierten Anwendungen im Bereichder Glykobiologie beteiligen wir uns an dem US amerikani-schen Consortium for Functional Glycomics(glycomics.scripps.edu/). Ziel dieses Konsortiums ist, dieFunktion von kohlenhydrat-bindenden Proteine bei der in-ter- und intrazellulären Kommunikation bzw. Signaltrans-duktion zu entschlüsseln. Aufbauend auf unseren Metho-den verschiedene Datenbanken über eine eindeutigeStrukturbeschreibung der Kohlenhydrate zu verknüpfen,sind wir intensiv an der konzeptionelle Arbeit für die neuzu schaffenden Datenbanken des Konsortiums beteiligt.

Publikationen (* = externe Koautoren)[1] Bohne, A.; *Lang, E.; von der Lieth, C.-W.: Molecular visuali-zation programs on the web. Drugs of the Future 25 (2000) 489-500.[2] Bohne, A.; *Wetter, T.; *Lang, E.; von der Lieth, C.-W.: Glyko-wissenschaften, ein neuer Einsatzbereich in der Bioinformatik. In:Informatik 2000 - Neue Horizonte im neuen Jahrhundert. K. Mehl-horn, G. Snelting (Eds.), Springer, Berlin, pp. 181-196 (2000).[3] von der Lieth, C.-W.; Expanding Proteomics to Glycobiology,In: Pacific Symposium on Biocomputing, Vol 7. R.B. Altman, A.K.Dunker, L. Hunter, K. Lauderdale T.E. Klein (Eds.), WorldScientific Publishing, London (2002) pp. 283-284.[4] Bohne-Lang, A.; *Lang, E.; *Forster, T.; von der Lieth, C.-W.:LINUCS: Linear Notation for Unique Description of CarbohydrateSequences. Carbohydrate Res. 336 (2001) 1-11.[5] Loss, A.; *Bunsmann, P.; Bohne, A.; *Loss, A.; *Schwarzer, E.;*Lang, E.; von der Lieth, C.-W.: SWEET-DB: an attempt to createannotated data collections for carbohydrates. Nucleic Acids Res.30 (2002) 405-408.[6] Bohne, Andreas: Ein wissensbasiertes System zur schnellenErzeugung von 3D-Strukturen biologisch relevanter N-Glykanesowie ihrer mimikrierenden Glykoclusterstrukturen. Dissertation:Medizinischen Fakultät, Univ. Heidelberg (2001).[7] Bohne A. and von der Lieth, C.-W.: Glycosylation of proteins: acomputer-based method for the rapid exploration of the comfor-mational space of N-Glycans. In: Pacific Symposium on Biocom-puting, Vol 7. R.B. Altman, A.K. Dunker, L. Hunter, K. LauderdaleT.E. Klein (Eds.), World Scientific Publishing, London (2002) pp.285-296.

Methodenentwicklung und Anwendung derMassenspektrometrie in der Krebsforschung(R0402)W.D. Lehmann, A. Schlosser, M. Wind, A. Salek,G. ErbenIn Zusammenarbeit mit: D. Bossemeyer, D. Kübler, V. Kinzel, H.Wesch, A. Alonso, G. Füstenberger, F. Marks, D. Keppler, M. Ei-senhut, A. Bohne, W. von der Lieth, R. Pipkorn (DKFZ).B. Brügger, J. B. Helms, F. Wieland, Biochemiezentrum, Universi-

tät Heidelberg; E. Mayatepek, Kinderklinik, Universität Heidelberg;N. Jakubowski, Inst. f. Angewandte Spektroskopie (ISAS), Dort-mund; M. Linscheid, Humboldt-Universität Berlin; E. Nigg, MPI fürBiochemie, Martinsried.

Polare Lipide und speziell modifizierte Proteine sind es-sentielle Bestandteile von zellulären Signalübertragungs-Prozessen (Kaskaden) und kontrollieren damit zahlreichezentrale Zellfunktionen. Ihre molekulare Charakterisierungund Quantifizierung ist daher ein essentieller Baustein beider Erforschung ihrer Funktionen. Aufgrund der technolo-gischen Fortschritte sind in den letzten Jahren viele Sig-nal-aktive Verbindungen der direkten molekularen Analytikmit Massenspektrometrie zugänglich geworden, so daßdiese Technik mittlerweile die Methode der Wahl für dieSpurenanalytik von polaren Lipiden und modifizierten Pep-tiden/Proteinen darstellt. Wir haben im Berichtszeitraumdazu die folgenden Ergebnisse erarbeitet.

Analytik Polarer LipideHochempfindliche Charakterisierung und Quantifizierungvon oxidierten Lipiden in Körperflüssigkeiten [1,2], in invitro Lipoxygenase-Assays [3] sowie von Membranlipiden[4]. Diese Arbeiten wurden mit Electrospray (ESI) TandemMS-Methoden durchgeführt, die zuvor überwiegend im ei-genen Labor entwickelt wurden. Damit gelingt es z.B. inMembranen von isolierten Zellorganellen, das Cholesterin/Sphingomyelin-Verhältnis zu bestimmen [4], ein analyti-scher Parameter bei der Charakterisierung z.B. von soge-nannten lipid rafts in Zellmembranen. Weiter wurde mitdiesen Methoden eine Strukturanalytik von iodiertenlipophilen nuklearmedizinischen Markern durchgeführt [5].

Erkennung und Lokalisation von kovalentenProteinmodifikationenTheoretische und Mechanistische ArbeitenBestimmte kovalente Proteinmodifikationen wie Glykosy-lierung oder Lipidierung sind anhand der Präzisionsmasseeines entsprechend modifizierten Peptidfragments erkenn-bar. Dieses Phänomen wurde beschrieben und eine Inter-net-Suchmaschine zur Erkennung abweichender Peptid-Präzisionsmassen geschaffen [6]. Bei Kollisions-induzier-tem Zerfall von modifizierten Peptiden in der TandemMassenspektrometrie (die MS-Methode zur Strukturanaly-tik) wurde die Bildung von 5-Ring Strukturen als zentralesElement bei vielen Schlüsselfragmentierungen erkannt [7].

Isoaspartat-Bildung und RacemisierungDie Isoaspartat-Bildung ist eine weit verbreitete spontanablaufende kovalente Proteinmodifikation, die mit zuneh-mender Proteinalterung zunimmt und in der Regel zuFunktionsbeinträchtigung oder Funktionsverlust des Prote-ins führt. Bislang sind nur wenige Analysenmethoden zurAnalytik von Isoaspartat in Proteinen verfügbar. Wir habendie Tandem Massenspektrometrie als neue Methode fürdiesen Zweck erfolgreich eingesetzt [8] und in Rinder-Pro-teinkinase A neben der Isoaspartat-Bildung am N-terminuszusätzlich eine Racemisierung von L-Aspartat zu D-Aspar-tat nachweisen können [9].

N-terminale MyristoylierungEine N-terminale Myristoylierung konnte mit Tandem MS-Methoden an einem Golgi-Membranprotein (rekombinantund nativ) eindeutig nachgewiesen werden [10].

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R0400Zentrale Spektroskopie

DKFZ 2002: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2000/2001

N-terminale Oxalyl-ModifikationEine Sauerstoff-induzierte Proteinspaltung mit Nachweiseiner N-terminalen Oxalyl-Modifikation am abgespaltenenPeptid-Bruckstück wurde mit Tandem MS nachgewiesen[11].

PhosphorylierungDie reversible Phosphorylierung an Serin, Threonin undTyrosin ist eine der häufigsten und funktionell wichtigstenkovalenten Proteinmodifikationen. Die Verbesserung derAnalytik der Proteinphosphorylierung und deren Anwen-dung steht seit einigen Jahren Im Mittelpunkt unsererForschungsaktivitäten. Eine vollständige Erfassung allerPhosphorylierungsstellen der Proteinkinase A wurde durchKombination von Tandem Massenspektrometrie undproteolytischem Abbau durch Elastase erreicht [12]. DerNeutralverlust-Scan Modus wurde systematisch für denNachweis von Serin- und Threonin-Phosphorylierung opti-miert [12]. Die Element-Massenspektrometrie mit Phos-phor-Detektion wurde als neue Methode zum Nachweisvon Phosphopeptiden eingeführt und erprobt [13]. Mitgleichzeitiger Bestimmung von Schwefel und Phosphorwurde der Phosphorylierungsgrad von Phosphoproteinenbestimmt [14]. Mittlerweile wurde diese neue Methodik zurCharakterisierung bislang unbekannterPhosphorylierungsstellen eingesetzt.

Publikationen (* = externer Koautor)[1] Uemura, M.; Lehmann, W.D.; *Schneider, W.; *Seitz, H.K.;Benner, A.; *Keppler-Hafkemeyer, A.; *Hafkemeyer, P.; *Kojima,H.; *Fujimoto, M.; *Tsujii, T.; *Fukui, H.; Keppler, D.: Enhancedurinary excretion of cysteinyl leukotrienes in patients with acutealcohol intoxication. Gastroenterology 118 (2000) 1140-1148.[2] *Mayatepek, E.; *Zelezny, R.; Lehmann, W.D.; *Hammond,J.W.; *Hoffmann, G.F.: Defects of the synthesis of cysteinylleukotrienes: a new group of inborn errors of metabolism. J.Inherit. Metab. Dis. 23 (2000) 404-408.[3] Siebert, M.; Krieg, P.; Lehmann, W.D.; Marks, F.; Fürsten-berger, G.: Enzymic characterization of epidermis-derived 12-lipoxygenase isoemzymes. Biochem J. 355 (2001) 97-104.[4] *Brügger, B.; *Sandhoff, R.; *Wegehingel, S.; *Gorgas, K.;*Malsam, J.; *Helms, J.B.; Lehmann, W.D.; *Nickel, W.; *Wieland,F.T.: Evidence for segregation of sphingomyelin and cholesterolduring formation of COPI-coated vesicles. J. Cell Biol. 151(2000) 507-517.[5] Eisenhut, M.; Hull, W.E.; *Mohammed, A.; *Mier, W.; Lay, D.;*Just, W.; *Gorgas, K.; Lehmann, W.D.; Haberkorn, U.: Radio-iodinated N-(2-diethylaminoethyl)benzamide derivatives with highmelanoma uptake: structure-affinity relationships, metabolic fate,and intracellular localization. J. Med. Chem. 43 (2000) 3913-3922.[6] Lehmann, W.D.; Bohne, A.; von der Lieth, C.-W.: Theinformation encrypted in the accurate mass of peptides -improved protein identification and assistance in glycopeptideidentification and characteriization. J. Mass Spectrom. 35 (2000)1335-1341.[7] Schlosser, A.; Lehmann, W.D.: Five-membered ring formationin unimolecular reactions of peptides: a key structural elementcontrolling low-energy collision-induced dissociation of peptides.J. Mass Spectrom. 35 (2000) 1382-1390.[8] Lehmann, W.D.; Schlosser, A.; Erben, G.; Pipkorn, R.; Bosse-meyer, D.; Kinzel, V.: Analysis of isoaspartate in peptides byelectrospray tandem mass spectrometry. Prot. Sci. 9 (2000) 2260-2268.

[9] Kinzel, V.; König, N.; Pipkorn, R.; Bossemeyer, D.; Lehmann,W.D.: The amino terminus of the PKA catalytic subunit - a site forintroduction of postranslational heterogeneities by deamidation: D-Asp2 and D-isoAsp2 containing isozymes. Prot. Sci. 9 (2000)2269-2277.[10] *Eberle, H.B.; *Serrano, R.L.; *Radke, S.; *Füllekrug, J.;Schlosser, A.; Lehmann, W.D.; *Lottspeich, F.; *Kaloyanova, D.;*Wieland, F.T.; *Helms, J.B.: Identification and characterization ofa novel human plant-pathogenesis related protein that localizes tolipid-enriched microdomains in the Golgi complex, J. Cell Sci. 115(2002) 827-838.[11] *Wagner, A.F.V.; *Schultz, S.; *Bomke, J.; *Pils, T.; Lehmann,W.D.; *Knappe, J.: YfiD of E. coli and Y061 of bacteriophage T4as autonomous glycyl radical cofactors reconstituting the catalyticcenter of oxygen-fragmented pyruvate formate-lyase. Biochem.Biophys. Res . Commun. 285 (2001) 456-462.[12] Schlosser, A.; Pipkorn, R.; Bossemeyer, D.; Lehmann, W.D.:Analysis of protein phosphorylation by combination of elastasedigestion and neutral loss tandem mass spectrometry. Anal.Chem. 73 (2001) 170-176.[13] Wind, M.; *Edler, M.; *Jakubowski, N.; *Linscheid, M.; Wesch,H.; Lehmann, W.D.: Analysis of protein phosphorylation bycapillary liquid chromatography coupled to element massspectrometry with 31P detection and to electrospray massspectrometry. Anal. Chem. 73 (2001) 29-35.[14] Wind, M.; Wesch, H.; Lehmann, W.D.: Proteinphosphorylation degree - Determination by capillary liquidchromatography and inductively coupled plasma massspectrometry. Anal. Chem. 73 (2001) 3006-3010.

Methodische Entwicklung und Anwendungder Hochfeld-Kernmagnetischen-Resonanz-(MR)-Spektroskopie und Bildgebung (R0403)W.E. Hull, D. AlbertIn Zusammenarbeit mit: M. Wießler, R. Owen, H. Bartsch,J. Debus, P. Krammer, H. Walczak, R. Pipkorn (DKFZ); M. Eisen-hut, Abt. Nuklearmedizin der Universität Heidelberg; S. Lebedkin,Forschungszentrum Karlsruhe; T.K. Lindhorst, Universität Ham-burg; H. Kunz, Universität Mainz; I. Walter-Sack, Innere MedizinVI, Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie,Universitätsklinikum Heidelberg.Zusatzfinanzierung: BMBF Glycobiotechnology Program (B256);Synthese und Molekulardynamic neuer Saccharid-basiertenDendrimere als Basis für neue Medikamente; für C.-W. von derLieth und W.E. Hull in Kooperation mit M.Wießler (DKFZ) and Bei-ersdorf AG; 1 Postdoc (D. Albert), 1/2 CTA (G. Baumann),01.01.98 - 31.12.00.

In der ZS werden die MR-Forschungsaktivitäten mittelsdrei Großgeräten durchgeführt: ein 14-Tesla 4-KanalSpektrometer (600 MHz 1H-Frequenz), hauptsächlich fürStrukturforschung im Bereich Proteomics und Glycomics;ein 11,7-Tesla Spektrometer (500 MHz 1H-Frequenz) fürdie analytische in vitro NMR-Spektroskopie (MRS); einmultifunktionelles 7,0-Tesla System mit 15-cm Magnet-bohrung für in vitro Analytik, z.B. an Bioflüssigkeiten, undin vivo MRS und MR-Bildgebung am Tiermodell. Für dieroutine MR-Analytik steht ein 5.8-Tesla (250 MHz) Gerätzur Verfügung.

Die sogenannte in vitro MRS wird für analytische Aufga-ben und Molekül-Strukturforschung eingesetzt; sie befaßtsich üblicherweise mit reinen Substanzen in Lösung, Chro-matographie-Fraktionen oder Reaktionsgemischen. Eskönnen aber auch biologische Flüssigkeiten wie Urin und

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Forschungsschwerpunkt B Tumorzellregulation

R0400Zentrale Spektroskopie

DKFZ 2002: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2000/2001

Plasma (Pharmakokinetik-Studien) oder Suspensionen in-takter Zellen bzw. Zellextrakte untersucht werden.

Die sogenannte in vivo MRS wird hauptsächlich für nicht-invasive metabolische Untersuchungen an soliden Tumo-ren im Tiermodell eingesetzt. Mit MR-Bildgebung kann dasWachstum von Tumoren bzw. Metastasen im lebendenTier visualisiert werden.

Einige der aufwendigeren kooperativen Forschungsprojek-te, die über die Routine-Analytik hinausgehen, werden imFolgenden beschrieben.

Struktur-Analytik mittels MRSIn verschiedenen Kooperationen wurden die Methodender hochauflösenden 1H- und 13C-MRS intensiv für dieStrukturbestimmung und Charakterisierung einzelner Mo-leküle eingesetzt.

Fulleren-Chemie. Fullerene sind exotische Kohlenstoff-Moleküle, die auf mögliche Anwendungen in der Nano-technologie und Pharmakologie intensiv untersucht wer-den. Die wichtigsten analytischen Techniken sind Raman-und 13C-NMR-Spektroskopie. Eine dreijährige Kooperationmit dem MPI für Kernphysik, der Universität Heidelberg,und das Forschungszentrum Karlsruhe ging vorläufig zuEnde mit einer Arbeit über den C70-Dimer C140 [1].

Neue Radiodiagnostika. Die Früherkennung von aggres-siven, metastasierenden Krebserkrankungen bleibt einwichtiges Ziel der Diagnostik. Weil Hautkrebs (Melanom)eine steigende Frequenz in der Bevölkerung zeigt, wird in-tensiv an die Entwicklung neuer melanom-spezifischerRadiodiagnostika für den Nachweis von Tumoren und Me-tastasen mittels bildgebender Verfahren wie Szintigraphieund SPECT (single-photon emission computed tomogra-phy). In der Abt. Nuklearmedizin der Universität Heidel-berg wurden eine Reihe neuer radioiodinierter N-(2-Di-ethylaminoethyl)-Benzamid-Derivate entwickelt und ihreAufnahme in Melanom-Gewebe untersucht. Für die Cha-rakterisierung und Strukturbestätigung der verschiedenenSubstanzen wurden zahlreiche 1H- und 13C-NMR-Spektrenanalysiert [2].

MGMT Inhibitoren. Eine große Reihe potentieller Inhibi-toren des DNA-Repair Proteins O6-Methylguanin-DNA-Methyltransferase (MGMT) wurden synthetisiert (Abt.Wiessler, C0300); die Strukturen und ihre Reinheit wurdendurch NMR charakterisiert, und ihre in vitro Aktivitätenwurden getestet [3]. Zu dem wurden ausführliche Moleku-lar-Dynamik Studien (siehe R0404 unten) der Protein-Inhi-bitor-Komplexe unternommen, um die Struktur-Aktivitäts-beziehungen aufzuklären. Die effektivste Substanzen wa-ren �-[O6-Bromthenyl-Guan-9-yl]-(CH2)n -�-D-Glucoside mitn = 8,10,12.

Entwicklung eines synthetischen Antitumorvakzins. In derArbeitsgruppe von H. Kunz (Uni Mainz) wird ein 12-merPeptid, GVTSAPDTRPAP, einer Teilsequenz der tumor-assoziierten Glykopeptid MUC1 (überexprimiert bei Epi-thelkarzinomen), über einem Alkyläther-Spacer mit einemT-Zell-Epitop YSYSPFV gekoppelt. Das Konjugat soll einetumorspezifische T-Zell-Proliferation stimulieren, d.h. alssynthetisches Vakzin wirken. Unser Beitrag zu diesem

Projekt war die Bestimmung der für die immunogene Wir-kung wichtigen konformationellen Eigenschaften des 12-mer MUC1-Peptides mittels zweidimensionaler 1H-NMRMessungen bei 500 MHz und Molecular Modeling. Dazuwurde ein Sialyl-GalNAc-O-Threonin-Derivat dieses Pep-tids auch untersucht. Die Ergebnisse der Studie (die nochzu veröffentlichen sind) zeigen, daß der MUC1-Peptid eineoffene, relativ flexible Struktur besitzt, ohne Bevorzugungeiner bestimmten Konformation. Dagegen zeigt das glyko-sylierte Peptid eine deutlich eingeschränktere Konforma-tion, insbesondere um die Glykosylierungsstelle, (eine ge-knickte Struktur mit zwei „half turns“). Diese letzteren Ei-genschaften könnten für die immunogene Wirkung desVakzins von Bedeutung sein (siehe Abb. 2).

Abb. 2: Energie-minimierte und durch NMR bestätigte Strukturdes glykosylierten MUC1-Peptides mit Wasserstoffbrücken in den„half-turns“ T1-A3 und D5-R7; P4-P10 ist das antigene Epitop.

ChemopräventionKrebspräventive Substanzen in Olivenöl. Das Ernährungs-schema im Mittelmeerraum (hohe Anteile von Früchten,Gemüse, Fisch, und Olivenöl) bietet, laut Statistik, einebreite protektive Wirkung gegen Krebs (insbesondereKolorektalekarzinom und Mammakarzinom) und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Es gibt zunehmende Hinweise,daß Olivenöl, insbesondere das kaltgepresste „extravirgin“Produkt, eine große gesundheitsfördernde Rolle spielenkann [4]. In der Abt. Toxikologie und Krebsrisikofaktoren(C0200: Abt. Bartsch, Gruppe Owen) wird die chemoprä-ventive Wirkung des Mittelmeerdiäts untersucht, und seit1998 wird die MR-Analytik intensiv eingesetzt, um eine de-taillierte Bestandsaufnahme der Antioxidantien (Phenoleund Derivate) in Olivenöl zu erstellen [5,6]. Es könnte zumersten Mal gezeigt werden, daß, zusätzlich zu den einfa-chen Phenolen und Secoiridoiden, auch die Lignane (+)-1-Acetoxypinoresinol and (+)-Pinoresinol als Hauptkompo-nenten in nativem Olivenöl vorhanden sind [7]. Die Ligna-ne wirken protektiv gegen Brust-, Kolon-, und Prostata-krebs, sind aber nicht in raffiniertem Olivenöl oder anderenKern-Ölen vorhanden.

Neben Olivenöl wurde das Olivenfruchtfleisch (brined olivedrupes) auch untersucht. Durch die NMR-Analytik konntenmehrere phenolische Antioxidantien identifiziert werden[8]. Grüne Oliven enthalten hauptsächlich Hydroxytyrosolwährend schwarze Oliven eine Vielzahl von interessanten

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Forschungsschwerpunkt B Tumorzellregulation

R0400Zentrale Spektroskopie

DKFZ 2002: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2000/2001

Verbindungen aufweisen (Abb. 3): die einfache Phenoletyrosol, dehydrocaffeic acid, dehydro-p-coumaric acid; dasDisaccharid Acteosid, sowie die Flavonoide Luteolin undApigenin. Die Konzentrationen dieser potentiell krebsprä-ventiven Substanzen waren im Fruchtfleisch sogar höherals in den entsprechenden geernteten Ölen.

Zimtsäure ist auch ein wichtiger Inhaltstoff in Früchten,Gemusen und chinesischen Medikamenten und zeigtprotektive Wirkung gegen reaktiver Sauerstoff in in vitroAssays. Die resultierende hydroxylierten Spezies(Coumarinsäuren) wurden mittels NMR identifiziert.

Glykobiotechnologie: Thioharnstoff-Zucker-DerivateDie Entdeckung von Harnstoff-gekoppelten Sacchariden inBreitbandantibiotika hat das Interesse an diesen Substan-zen und ihren Schwefel-Analoga (Thioharnstoff-Derivaten)geweckt. Solche Moleküle haben interessante chemischeund biologische Eigenschaften und können als Bausteinefür multivalente Glykodendrimere dienen.

Die Thioharnstoff-Verbindungen R-NH-C(=S)-N’H-R’ be-sitzen N-C und C-N’ Bindungen mit Doppelbindungscha-rakter (eingeschränkte Rotation) so daß vier Kombinatio-nen von cis (E) oder trans (Z) Bindungen möglich sind(EE, EZ, ZE, ZZ). Die Populationen der verschiedenenThioharnstoff-Isomeren (Konformationen) sind abhängigvon den Substituenten R und R’ (z.B. Methyl, Phenyl,Glucosyl, Mannosyl, usw.), der Temperatur und dem Lö-sungsmittel und beeinflussen daher die chemischen Reak-tionen dieser Substanzen.

Abb. 3:Wichtige Antioxidantien im Fruchtfleisch von schwarzen Oliven.

Eine Reihe Modellsubstanzen mit R,R’ = Methyl, Ethyl,oder Phenyl wurden mittels 1H- und 13C-MRS untersucht.Bei Temperaturen unter -50°C ist die Umwandlung derIsomeren langsam, so daß einzelne Konformationen nach-weisbar sind. Bei den symmetrischen Molekülen mit R,R’ =Methyl wird die EZ = ZE Konformation (bevorzugt) aber

die EE Form auch beobachtet; bei R,R’ = Ethyl oder Phe-nyl wurde ZZ statt EE als zweite Konformation festgestellt.

In einer Kooperation mit T.K. Lindhorst (Uni. Kiel) wurdenverschiedene C1-Thioharnstoff-Zucker-Derivate mit derStruktur Pyranose-NH-C(=S)-N’H-R’ mit ein- und zweidi-mensionaler MRS untersucht (Pyranose = 2,3,4,6-Tetra-O-acetyl Glucose, Mannose, oder Galactose). Bei �-Man-nose mit Thioharnstoff in axialer Position wird die EZ Kon-formation bevorzugt aber EE und ZE wurden auch nach-gewiesen. Besonders interessant ist die Tatsache, daß beiZE die Mannose-Ringkonformation von der gewöhnlichen4C1 Sesselform in den selten beobachteten 1C4 Sessel mitequatorialem Thioharnstoff umklappt.

Um den stereoelektronischen Effekten hinter diesem Ver-halten besser zu verstehen wurden intensiven MolecularModeling Studien (semi-empirischen sowie ab initio Me-thoden) durchgeführt - u.a. unter die Nutzung der erweiter-ten Parallelrechner-Kapazitäten der ZDV. Die Arbeiten andiesem Projekt sind weitgehend abgeschlossen und dieErgebnisse werden im Jahr 2002 veröffentlicht.

19F-MR-Studien zur Fluorpyrimidin-Chemothera-pieFluorpyrimidin Chemotherapie (z.B. mit 5-Fluoruracil,5-FU) ist eine der ältesten aber noch weitverbreiteten Be-handlungsmethoden, insbesondere für Kolonkarzinom undLebermetastasen. 19F-MRS bietet die einmalige Möglich-keit die zahlreichen Metaboliten eines Medikamentes wieFluoruracil z.B. in Blutplasma, Urin, oder Tumorgewebenachzuweisen und zu quantifizieren. Mehrere Studien die-ser Art wurden seit 1986 in der Abteilung erfolgreichdurchgeführt.

Nach einem Hilferuf aus der Pharmakologie der Universi-tätsklinikum Heidelberg, haben wir unsere Erfahrung undMeßmethodik zur Verfügung gestellt, um zum ersten Maleine detaillierte Pharmakokinetik für 5-FU in Blutplasmabei einem Krebspatient mit terminaler Niereninsuffizienz(Hämodialyse-Patient) aufzuzeichnen [9]. Die Behandlungsolcher Patienten ist äußerst schwierig weil sie, durch diefehlende Nierenfunktion, keine selbständige Ausscheidung(Clearance) der anfallenden, zum Teil giftigen 5-FU Meta-boliten zeigen und daher sehr anfällig für systemische toxi-sche Nebenwirkungen sind.

Die NMR-Daten zeigten, daß nach 5 täglichen Bolus-Infu-sion von 5-FU, und trotz Hämodialyse jeden zweiten Tag,bedenklich hohe Konzentrationen von dem Hauptkatabolit�-Fluor-�-Alanine (FBAL) in Plasma erreicht wurden. Aucheine Langzeitinfusion führte zu einem sehr hohen FBAL-Spiegel. Nach weitergehenden NMR-Analysen konnte so-gar die FBAL-Metaboliten Fluorhydroxypropionsäure(FHPA) und das Neurotoxin Fluoracetat (FAC) in mikromo-lare Konzentrationen (Abb. 4) bei den zwei bis jetzt unter-suchten Patienten nachgewiesen werden. Beide Patientenzeigten deutliche systemische Nebenwirkungen der Thera-pie, einer zeigte starke neurologische Störungen.

Hier konnte zum ersten Mal die 19F-MRS die Grenzen der5-FU Therapie bei Dialyse-Patienten deutlich machen. Es

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Forschungsschwerpunkt B Tumorzellregulation

R0400Zentrale Spektroskopie

DKFZ 2002: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2000/2001

wurde damit klar, daß die Anwendung dieser problemati-schen Therapie eine noch gründlichere, tägliche Dialyseverlangt.

Abb. 4: 282 MHz 19F-MRS of Blutplasma eines Dialyse-Patientenmit Kolonkarzinom, 26 Std. nach Ende einer 5-FU Behandlung(2.9 g Infusion über 21 Std) und vor der Hämodialyse. Durch diefehlende Nierenfunktion wird eine sehr hohe Konzentration vonFBAL (311 µM) erreicht; bedenkliche Menge von den FBAL-Meta-boliten, die neurotoxische Substanzen FHPA und FAC, werdenauch nachgewiesen. Der Patient zeigte starke neurologische Ne-benwirkungen.

19F-MRS Untersuchungen zu einem Gentherapie-ModellIn einer Kooperation mit der Abt. Debus (E0500) wurde die19F-MRS eingesetzt, um metabolische Fragen zu einemGentherapie-Modell zu beantworten (Cytosin-Deaminase/5-Fluorcytosin Therapie des Dunning Prostatekarzinomsder Ratte). Die Prostatekarzinom Zell-Linie AT-1 wurde mitdem Gen für Cytosindeaminase (CD von E. coli) transfi-ziert. Diese CD+-Zellen waren empfindlich gegenüber Be-handlung mit dem Prodrug 5-Fluorcytosin (5-FC), das in-trazellulär durch CD in das hochwirksame Zytostatikum 5-Fluoruracil (5-FU) umgewandelt wird. Es wurde aber inZellkultur und Tierexperimenten festgestellt, daß bei die-sem Modell der für eine praktische Therapie so wichtigeBystander Effect (die wirksame Tötung benachbarter,nicht-transfizierter CD--Zellen durch den in den CD+-Zellenproduzierten 5-FU) nicht funktionierte.

Um den Grund dieser Fehlschlag zu entdecken, wurde 19F-MRS Messungen an Suspensionen von intakten CD+-Zel-len nach Inkubation mit 5-FC durchgeführt. Die spektro-skopische Daten zeigten, daß die Aufnahme des 5-FC indie CD+-Zellen und seine Umwandlung in 5-FU relativlangsam abläuft. Dagegen war die Aktivierung des 5-FUdurch Anabolismus zu zytotoxischen Fluor-Nukleotiden (F-Nuctd) wie FUTP (die die Zelle nicht verlassen) relativschnell; der Export des produzierten 5-FU in das Medium(notwendig für einen Bystander Effect) war wiederum sehrlangsam. Ein hoher negativer Konzentrationsgradient zwi-schen intra- und extrazellulärem 5-FU blieb erhalten, auchnach 16-Std. Inkubation (Abb. 5). Diese effektives„trapping“ des intrazellulären 5-FU in den CD+-Zellen ver-hindert einen effiizienten Bystander Effect; durch die Wir-kung der in CD+-Zellen produzierten F-Nuctd werden dieseZellen (die 5-FU Fabrik) relativ schnell getötet, so daß die

Produktion und der Export von 5-FU wiederum begrenztwird.

Interessanterweise, funktioniert diese CD/5-FC Genthe-rapie mit Bystander Effect in einigen anderen Zell- bzw.Tiermodellen doch ausgezeichnet. Unsere MRS-Studiezeigt aber klar und deutlich, warum die Therapie für diegewählte Prostatekarzinom-Linie nicht funktionierte undwie wichtig es ist, die metabolischen Bedingungen einermöglichen Gentherapie durch entsprechende Untersu-chungen abzuklären.

Abb. 5: 19F-MRS (470 MHz, 4°C) von (A) einer Suspension intak-ter CD+-Zellen, geerntet nach 16-Std. Inkubation with 774 µM 5-FC (4-Std. MRS-Meßzeit) und (B) dem Inkubationsmedium zurZeit der Ernte (1-Std. Meßzeit). In der Zellsuspension werden dreiSignale für intrazelluläres 5-FC (314 µM), 5-FU (52 µM) und einenicht-aufgelöste Mischung von Fluor-Nukleotiden (163 µM)detektiert. In dem Kulturmedium wird, neben 5-FC, nur eine sehrniedrige Konzentration von 5-FU (6.4 µM) nachgewiesen (sehrschwache Bystander Effect).

NMR-basiertes Screening von Liganden für denTRAIL-R2 RezeptorIn einer Kooperation mit der Abt. Krammer (G0300) undder Gruppe Walczak (G0310) wird seit dem 3. Quartal2001 mit Hilfe der außerordentlichen Leistung des neuen600 MHz NMR-Spektrometer an einem neuen Strukturfor-schungsprojekt im Bereich Apoptose gearbeitet.

Durch die NMR-Spektroskopie können die Wechselwirkun-gen von Liganden und Rezeptoren (Struktur und Dynamik)detailliert auf der molekularen Ebene untersucht werden.NMR-Screening bietet die Möglichkeit, niedermolekularen,peptidischen oder nicht-peptidischen Liganden, welchez.B. die Einleitung der Apoptose beeinflussen können, zuentdecken bzw. zu optimieren, mit folgenden Vorteilen:- hohe Empfindlichkeit, auch für die Erkennung schwach

bindender Liganden;- Bestimmung der 3D-Struktur des Liganden im gebunde-

nen Zustand (im Komplex);- Bestimmung der beteiligten Bindungsstellen am Rezep-

tor;- gezielte, rationale Optimierung der Ligandstruktur.Bei den typischen NMR-Screening Anwendungen werdenetwa 0,1 - 1 µmol eines Proteines oder seiner Rezeptor-

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domäne benötigt. In der Arbeitsgruppe Walczak werdenz.Z. entsprechende Mengen eines wasserlöslichenFusionsproteins, gebildet aus der extrazellulären Domänevon TRAIL-R2 und der Fc-Region des menschlichen IgG,aufbereitet. TRAIL (TNF-Related Apoptosis InducingLigand oder APO-2L), ein neulich identifiziertes Mitgliedder TNF-Familie von Liganden kann Apoptose in einerVielzahl von Tumorzellen hervorrufen mit minimalerToxizität gegen normale Zellen. TRAIL induziert Apoptoseüber zwei Rezeptoren, die eine Todesdomäne enthalten:TRAIL-R1 (DR4) und TRAIL-R2 (DR5). Das Fusionspro-tein TRAIL-R2-Fc hemmt spezifisch die TRAIL-induziertenicht aber die CD95L-induzierte Apoptose. TRAIL-R2-Fcist daher ein geeignetes Modellsystem, um passendeLiganden für den membrangebundenen TRAIL-R2 Rezep-tor zu finden.

Mit Hilfe der vorliegenden Röntgenstruktur des TRAIL/TRAIL-R2 Komplexes wurden durch Molecular Modelingkurze Abschnitte (Teilsequenzen) im Ligand gefunden,welche für die Affinität und Spezifizität von TRAIL verant-wortlich sein könnten. Die entsprechende Oligopeptidesind bereits synthetisiert (Gruppe Pipkorn) und werden zurZeit mittels 1H-NMR vollständig charakterisiert. So balddas TRAIL-R2-Fc Fusionprotein bereitgestellt wird, kanndas Screening beginnen und die Eigenschaften, die für dieAffinität und die Spezifizität der TRAIL/TRAIL-R2 Wechsel-wirkung verantwortlich sind, näher definiert werden. Zurweiteren Optimierung der Liganden müssen die günstig-sten bzw. aktivsten Konformationen der gefundenen Pep-tide stabilisiert werden, z. B. durch intramolekulare Ver-knüpfungen.

Ein Kandidat-Sequenz ist der 19-mer aus dem BereichTyr189 - Val207 der TRAIL-Sequenz - ein Bereich, derwahrscheinlich eine wichtige Rolle bei der Spezifizität desLiganden spielt. Im TRAIL-TRAIL-R2 Komplex ist dieser19-mer in einem konformativ fixierten Loop oder „hairpin“-ähnlicher Struktur angeordnet und geht gleichzeitig Wech-selwirkungen mit zwei Rezeptormolekülen ein (Abb. 6),wobei die dreidimensionale Ausrichtung der Seitenketteneine entscheidende Rolle spielt.Abb. 6: Wechselwirkung zwischen der Teilsequenz Tyr189 -Val207 in TRAIL (mitte) mit zwei Molekülen des TRAIL-R2

Um die Bindungsaffinität eines Modell-Peptides zu erhö-hen, muß der zugängliche Konformationsraum der relativflexiblen Peptidkette eingeschränkt werden, z.B. durch dasEinbringen jeweils einen Cystein-Rest am Anfang undEnde der Teilsequenz und die Zyklisierung durch eineDisulfid-Brücke. Zusätzliche Stabilisierung soll durchWechselwirkungen zwischen den Aminosäureseitenkettenerfolgen.

Nach einer in der Literatur aufgestellten These, bildetTRAIL-R2 in Abwesenheit des TRAIL-Liganden einenselbstassoziierten Trimer (mittels sogenannten PLAD-Do-mäne), der die Apoptose nicht im Gange setzen kann. DieKomplexierung des TRAIL-R2 Trimers mit einem TRAIL-Trimer führt zu einer Trennung der PLAD-Kontakte undlöst schließlich die Apoptose aus. Eine ähnliche Wechsel-wirkung zwischen dem TRAIL-R2 Trimer und drei Moleküleunseres bivalenten zyklischen Peptides ist evtl. auch mög-lich.

Mit diesem Projekt sollen hochaffine und selektiveLiganden für den TRAIL-R2 Rezeptor aufgebaut werden,wobei die Struktur (Konformation) der Liganden (frei undim Komplex mit dem Rezeptor) bezüglich der Bindungs-affinität, -spezifizität und biologischer Wirkung gezielt opti-miert werden soll. Dadurch erhoffen wir niedermolekulareSubstanzen liefern zu können, die die Apoptose in Krebs-zellen auslösen und von therapeutischem Interesse sind.

Publikationen (* = externer Koautor)[1] *Lebedkin, S.; Hull, W.E.; *Soldatov, A.; *Renker, B.; *Kappes,M.M.: Structure and properties of the fullerene dimer C140produced by pressure treatment of C70. J. Chem. Phys. 104(2000) 4101-4110.[2] *Eisenhut; M., Hull, W.E.; *Mohammed, A.; *Mier, W.; *Lay, D.;*Just, W.; *Gorgas, K.; Lehmann, W.D.; Haberkorn, U.: Radio-iodinated N-(2-diethylaminoethyl)benzamide derivatives with highmelanoma uptake: structure-affinity relationships, metabolic fate,and intracellular localization. J. Med. Chem. 43 (2000) 3913-3922.[3] Reinhard, J.; Hull, W.E.; von der Lieth, C.-W.; *Eichhorn, U.;Kliem, H.-C.; *Kaina, B.; Wiessler, M.: Monosaccharide-linkedinhibitors of O6-methylguanine-DNA methyltransferase (MGMT):synthesis, molecular modeling and structure-activity relationships.J. Med. Chem. 44 (2001) 4050-4061.[4] Owen, R.W.; *Giacosa, A.; Hull, W.E.; Haubner, R.; Würtele,G.; Spiegelhalder, B.; Bartsch, H.: Olive oil consumption andhealth: the possible role of antioxidants. Lancet Oncology 1(2000) 107-112.[5] Owen, R.W.; *Giacosa, A.; Hull, W.E.; Haubner, R.;Spiegelhalder, B.; Bartsch, H.: The antioxidant/anticancerpotential of phenolic compounds isolated from olive oil. Eur. J.Cancer 36 (2000) 1235-1247.[6] Owen, R.W.; Mier, W.; *Giacosa, A.; Hull, W.E.; Spiegelhalder,B.; Bartsch, H.: Phenolic compounds and squalene in olive oils:the concentration and antioxidant potential of total phenols, sim-ple phenols, secoiridoids, lignans and squalene. Food Chem.Toxicol. 38 (2000) 647-659.[7] Owen, R.W.; Mier, W.; *Giacosa, A.; Hull, W.E.; Spiegelhalder,B.; Bartsch, H.: Identification of lignans as major components inthe phenolic fraction of olive oil. Clin. Chem. 46 (2000) 976-988.[8] Owen, R.W.; Haubner, R.; Mier, W.; *Giacosa, A.; Hull, W.E.;Spiegelhalder, B.; Bartsch, H.: The isolation, structure elucidationand antioxidant potential of the major phenolic and flavonoidcompounds in brined olive drupes. Clin. Chem. (2002), submitted.Rezeptorproteins (Oberflächen).

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[9] *Rengelshausen, J.; Hull, W.E.; *Schwenger, V.;*Göggelmann, C.; *Walter-Sack, I.; *Bommer, J.:Pharmacokinetics of 5-FU and its Catabolites Determined by 19F-MRS for a Patient on Chronic Hemodialysis. Am. J. Kidney Dis.39 (2002) U30 - U36.[10] Corban-Wilhelm, H.; Hull, W.E.; Becker, G.; Bauder-Wüst, U.;Greulich, D.; Debus, J.: Cytosine deaminase gene therapy in aDunning rat prostate tumour model: characterisation of 5-fluoro-cytosine metabolism and the bystander effect with 19F-NMRspectroscopy. Gene Therapy (2002) submitted.

Molecular Modeling (R0404)C.-W. von der Lieth, M. Frank, A. Bohne-LangIn Zusammenarbeit mit: M. Wießler, H.-C. Kliem, M. Pawlita, P.Altevogt (DKFZ); J.F.G. Vliegenthart, Bijvoet Center forBiomolecular Research, Universität Utrecht, Niederlande; H.-J.Gabius, H.-C. Siebert, Tierärtzliche Fakultät, LMU München, T.K.Lindhorst, Universität Kiel.Zusatzfinanzierung: BMBF Glycobiotechnology Program (B256);Synthese und Molekulardynamik neuer Saccharid-basiertenDendrimere als Basis für neue Medikamente; für C.-W. von derLieth und W.E. Hull in Kooperation mit M. Wießler (DKFZ) andBeiersdorf AG; 1 Doktorand (A. Bohne); 1 Workstation; 12.02.98 -31.12.00.Zusatzfinanzierung: DFN-Projekt (B919); Dynamische Moleküle:Darstellung und Analyse der Dynamik von biologischen Makromo-lekülen per Internet; für C.-W. von der Lieth; 1 Postdoc (M.Frank), versch. HiWis; 1 Linux-Cluster (Teilfinanzierung); 01.06.01- 31.05.03.

3D Struktur in LösungDie möglichst genaue Kenntnis der dreidimensio-nalen(3D) Struktur von biologisch aktiven Verbind-ungen undderen Flexibilität und Dynamik in Lösung ist oft der ent-scheidende Schlüssel zu einem tieferen Verständnis ihrerWirksamkeit. Röntgenstrukturanalyse und Neutronenbeu-gung liefern verläßliche 3D Strukturen von chemischenVerbindungen im kristallinen Zustand. Mit multidimensio-nalen NMR-Techniken und effektiven Modellierungspro-grammen ist es möglich, die räumliche Strukturen und Dy-namik von Molekülen in Lösung zu untersuchen. DieNMR-Daten liefern geometrische Informationen (Atomab-stände, Diederwinkel, Stereochemie), die als Eingangs-informationen und/oder Nebenbedingungen z.B. in einergeometrischen Optimierung oder in einer Kraftfeldberech-nung verwendet werden können.

Die rasche Entwicklung der Computertechnologien erlaubtes, das dynamische Verhalten von zunehmend größerenmolekularen Ensembles unter Berücksichtigung der jewei-ligen physiologischen Bedingungen zu simulieren. ZurAuswertung werden effiziente Werkzeuge benötigt, dieeine weitgehend automatische Analyse der anfallendenriesigen Datenmengen erlaubt. Das in der Arbeitsgruppeentwickelte Programm CAT (Conformational AnalysisTools) [1] ermöglicht eine detaillierte Analyse dynamischerVorgänge innerhalb von biologischen Markomolekülen undderen Wechselwirkungen untereinander.

Intensive Studien zum Abtasten des konformationellenRaumes von flexiblen Molekülen wurden mittels Moleku-lar-Dynamik Simulationen an Glykodendrimeren und N-Glykanen durchgeführt [2,3]. Um aussagekräftige Be-schreibungen des dynamischen Verhaltens von sehr be-weglichen Molekülen zu erhalten, erwies es sich als not-

wendig, neue Möglichkeiten zur Beschreibung der Auf-enthaltswahrscheinlichkeiten von funktionellen Gruppenzu entwickeln.

Kohlenhydrat-Protein-WechselwirkungenDie Untersuchung biologischer Kommunikations -prozessestellt einen vielversprechenden Ansatz dar, um Erkenntnis-se aus der Grundlagenforschung in eine rationale Entwick-lung von neuen Strategien zur Diagnose und Therapie vonKrebserkrankungen einzubringen. Zunehmend zeigt sichauch die Bedeutung von Kohlenhydraten (Oligosacchari-de) heraus. Diese Moleküle werden kovalent an Proteineoder Lipide gebunden, die in der Zellmembran verankertsind. Solche Glykoproteine bzw. Glykolipide stellen we-sentliche Komponenten der Zelloberfläche dar und sindsomit besonders exponiert, um an Zell-Zell und Zell-MatrixErkennungs- bzw. Signalprozessen mitzuwirken [4,5]. Sowird z.B. der erste Schritt des Anheftens von Leukozytenan die Endothelzellen der Blutgefäße - ein entscheidenderSchritt im Entzündungsprozeß - durch Selektine vermittelt,die spezifische Oligosaccharide auf der Zelloberfläche er-kennen.

Die Bindung von Kohlenhydraten an Modell-Lektinen wur-de mittels Transfer-NOE-NMR-Experimenten und ver-schiedenen Methoden des Molecular Modeling (Homolo-gie-Modelierung, Berechnung der Wechselwirkungsener-gien, systematische Konformationssuche, usw.) in ver-schiedenen Lösungsmitteln untersucht [5,6,7]. Dabei stell-te sich heraus, dass aprotische Lösungsmittel, in denenzusätzlich NOE-Kontakte gemessen werden können, ei-nen starken Einfluß auf die Entropie des Komplexes hatund insgesamt zur Verminderung der Bindungsstärke füh-ren [7].

Intensiven Molekular-Dynamik Simulationen für Komplexeder O6-Methylguanin-DNA Methyltransferase mit einer Fa-milie neuer synthetischen Inhibitoren wurden durchgeführt.Die Inhibitoren waren Guanin-Derivate, die über unter-schiedlich lange Alkylketten mit Glucose gekoppelt wur-den. Es gelang uns, ein 3D-Modell zu entwickeln, dass aufatomarer Ebene die unterschiedliche Bindeverhalten derverschiedenen Inhibitoren quantitativ beschreiben konnte[8]. Angewandt wurde hierzu eine neue methodische Ent-wicklung, die es erlaubt, die Interaktionen zwischenLigand und Rezeptor (Abb. 7) auf der Basis der einzelnenAminosäurereste in der Bindungstasche und einzelner Tei-le des Ligands zu analysieren, d.h. die Wechselwirkung inindividuellen Bestandteile zu zerlegen. Dazu konnte auchdie interne Dynamik sowohl des Proteins als auch desInhibitors berücksichtigt werden. Die durch Modeling er-rechneten Bindungsenergien zeigten eine gute Korrelationmit den gemessen Inhibitionskonstanten.

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Abb. 7: Das Bild zeigt einen sogenannten Snapshot aus einer Mo-lekular-Dynamik Simulation für den Komplex zwischen MGMT unddem Inhibitor �-[O6-Bromthenyl-Guan-9-yl]-(CH2)8 -�-D-Glucoside.Die Röntgenstruktur des MGMT (PDB entry: 1QNT) wurde alsTemplat verwendet. Der Inhibitor (Stabmodell) und die wasserzu-gängliche Oberfläche des Proteins werden dargestellt (Seiten-ketten der Aminosäuren sind beschriftet). Die Bromthenyl-Gruppeund Teil des Guanins sind in dem tunnel-ähnlichen Bereich derBindungstasche zu sehen (vorne, rechts; Arg135, Ser159,Gly160); die Alkylkette und Glucose-Einheit liegen entlang einerhydrophobischen Mulde (nach hinten, links).

Modellieren Sequenz-homologer ProteineDie Zahl der experimentell gelösten 3D Proteinstrukturenhat in den letzten Jahren stark zugenommen, so dassauch für viele in der Krebsforschung relevante Moleküleverläßliche Strukturen mit einem wissensbasierten Ansatzmodelliert werden können. Zudem hat sich auch die Quali-tät der verwendeten Algorithmen kontinuierlich verbessert.Da zudem praktisch alle notwendigen Daten und ein Groß-teil der Programme über das Internet abgerufen werdenkönnen, entwickelt sich eine ständig steigende Nachfrage,diese Möglichkeiten auch für Fragestellungen aus demDKFZ zu nutzen. Aus diesem Grunde bieten wir einerseitsFortbildungskurse an, andererseits versuchen wir in Formvon Linksammlungen den interessierten Kollegen eineneinfachen Zugang zu den Datenbanken und Programmenzu eröffnen. Werden neben den Standardanwendungenzusätzliche, komplexe Modellierungsschritte [9] erforder-lich, so führen wir diese in Kooperation durch.

Publikationen (* = externe Koautoren)[1] Frank, Martin: Konformationsanalyse von Oligosacchariden imfreien und gebundenen Zustand. Dissertation: Naturwissenschaft-lich-Mathematischen Gesamtfakultät, Univ. Heidelberg (2000).< http://www.ub.uni-heidelberg.de/archiv/605/>[2] von der Lieth, C.-W.; Frank, M.; *Lindhorst, T.K.: Moleculardynamics simulations of glycoclusters and glycodendrimers, Re-views in Molecular Biotechnology 90 (2002) 311-337.[3] Frank, M.; Bohne, A.; *Wetter, T., von der Lieth, C.-W.:Knowledge-Based Approach for the Rapid Generation of aRepresentative Ensemble of N-Glycan Conformations, In SilicoBiology (2002), in press.[4] *Rüdiger, H.; *Siebert, H.-C.; *Solís, D.; *Jiménez-Barbero, J.;*Romero, A.; von der Lieth, C.-W.; *Diaz-Mauriño, T.; *Gabius, H.-J.: Medicinal chemistry based on the sugar code: fundamentals oflectinology and experimental strategies with lectins as targets.Current Medicinal Chemistry 7 (2000) 389-416.

[5] *Solís, D.; *Jiménez-Barbero, J.; *Kaltner, H.; *Romero, A.;*Siebert, H.-C.; von der Lieth, C.-W.; *Gabius, H.-J.: Towardsdefining the role of glycans as hardware in information storageand transfer: basic principles, experimental approaches andrecent progress. Cells Tissues Organs 168 (2001) 5-23.[6] *Asensio, J.L.; *Siebert, H.-C.; von der Lieth, C.-W.; *LaynezJ.; *Bruix, M.; *Soedjanaamadja, U.M.; *Beintema J.J.; *Cañada,F.J.; *Gabius, H.-J.; *Jiménez-Barbero, J.: NMR investigations ofprotein-carbohydrate interactions: studies on the relevance of Trp/Tyr variations in lectin binding sites as deduced from titrationmicrocalorimetry and NMR studies on hevein domains. Determi-nation of the NMR structure of the complex betweenpseudohevein and N,N*,N(-triacetylchitotriose. Proteins:Structure, Function, and Genetics 40 (2000) 218-236.[7] *Siebert, H.-C.; *André, S.; *Asensio, J.L.; *Cañada, F.J.;*Dong, X.; *Espinosa, J.F.; Frank, M.; *Gilleron, M.; *Kaltner, H.;*Kozár, T.; *Bovin, N.V.; von der Lieth, C.-W.; *Vliegenthart,J.F.G.; *Jiménez-Barbero, J.; *Gabius, H.-J.: A new combinedcomputational and NMR-spectroscopic strategy for theidentification of additional conformational constraints of the boundligand in an aprotic solvent. ChemBioChem 1 (2000) 181-195. [8] Reinhard, J.; Hull, W.E.; von der Lieth, C.-W.; *Eichhorn, U.;Kliem, H.-C.; *Kaina, B.; Wiessler, M.: Monosaccharide-linkedinhibitors of O6-methylguanine-DNA methyltransferase (MGMT):synthesis, molecular modeling and structure-activity relationships.Journal of Medicinal Chemistry 44 (2001) 4050-4061. [9] Oleszewski, M.; Gutwein, P.; von der Lieth, W.; *Rauch U.;Altevogt, P.: Characterization of the L1-neurocan-binding site.Implications for L1-L1 homophilic binding. Journal of BiologicalChemistry 275 (2000) 34478-34485.