75
Fortbildung am 10.3.09 Ärztl. Kreisverein Darmstadt Eßstörungen im Kindes- u. Jugendalter Norbert Kohl, Kinderklinik Darmstadt

Fortbildung am 10.3.09 Ärztl. Kreisverein Darmstadt · • Die Bulimia nervosa ist etwa doppelt bis dreimal so häufig wie die AN, die Adipositas 5-10-mal so häufig • Ca. 10-15

  • Upload
    lydieu

  • View
    214

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Fortbildung am 10.3.09 Ärztl. Kreisverein Darmstadt

Eßstörungen im Kindes- u. Jugendalter

Norbert Kohl, Kinderklinik Darmstadt

Bedeutung des Essens

•  Anfang und Grundlage des Lebens •  Anfang von Bindung und Beziehung •  Anfang von Bedürfnis •  Teil eines sozialen Kontextes •  Symbolische Bedeutung

Gesellschaft

•  Veränderte Produktionsbedingungen mit Rückgang körperlicher Arbeit und uneingeschränkte Verfügbarkeit von Nahrung

führen zu •  Zunahme von Adipositas und Fettsucht

und übertriebenem Schlankheitsideal

•  Bedeutung TV-Konsum + Internet

Welche Ess-Störungen gibt es ?

•  Fütterstörungen im Säuglingsalter •  Essverhaltens-Störungen im Kleinkindalter •  picky eating bei Kindern •  Pica u. Rumination bei behinderten Kindern •  Adipositas bei Kindern und Jugendlichen •  Anorexia nervosa •  Bulimia nervosa •  Binge eating disorder

Frühkindliche Ess-Störungen

•  Fütterungsprobleme bei Säuglingen mit Regulationsstörungen

Frühkindliche Ess-Störungen

•  Fütterungsstörung bei Bindungsstörung

Frühkindliche Ess-Störungen

•  Frühkindliche Anorexie •  Neurosensorische Essverhaltensstörung •  Postmedical disorder food aversion •  Postraumatische Essverhaltensstörung •  Säuglings-Adipositas ?

Eßverhaltensstörungen im Kleinkindalter

•  Hyperphagie bei z.B. syndromalen Störungen (z.B. Prader-Willy-Syndrom)

•  Hyperphagie bei Depression, Überfütterung und/oder mangelnder Grenzsetzung

•  Hypophagie bei chronischen Erkrankungen (z.B. Vitium, Nierenzysten, Zöliakie, GÖR)

•  Hypophagie bei Deprivation/emot. Störungen

DD Anorexie/Adipositas bei Kleinkindern

•  Hormonelle Störungen (Hypo-/Hyperthyreose Hypercortisolismus; Hyperinsulinismus)

•  Genetische Störungen (z.B. Leptindefizienz) •  Syndromale Störungen (z.B. Silver-Russel-

Syndrom, SOTOS-Syndrom) •  CED, Malabsorptionssyndrome, Zöliakie

picky eating

Pica

Übergewicht - Adipositas

Definition

Arbeitsgemeinschaft Adipositas im Kindes- und Jugendalter (www.a-g-a.de) Empfehlung der alterbezogenen BMI-Perzentilenkurven (Krohmeyer-Hauschild/Wabitsch/Kunze) > BMI-P 90 Übergewicht > BMI-P 97 Adipositas > BMI-P 99,5 extreme Adipositas (permagna)

BMI

body mass index: Gewicht in kg / Grösse in meter im Quadrat Normal bei Erwachsenen: 18,5 - 25

BMI-Perzentilen

Zahlen für die USA •  60% Übergewicht •  20% Adipositas

Jährlich •  280.000 Todesfälle durch Folgeerkrankungen •  120 Milliarden US $ Kosten

Kinder und Jugendliche in Deutschland •  15% Übergewicht (BMI > 90. Perzentile) •  6,3% Adipositas (BMI > 97. Perzentile)

•  14-17-jährige 17% bzw. 8,5 %

•  Zwischen 1985 und 1999 Verdopplung

Ursachen 1

•  Polygene Adipositas •  Monogene Adipositas (selten)

(Leptindefizienz, Leptinrezeptor-Defekt, Mutation im POMC-Gen bzw. MC4R)

•  Syndromale Adipositas (Prader-Willy, Bardet-Biedl)

Ursachen 2

•  Diabetes mellitus und Übergewicht der Mutter in der Schwangerschaft

•  Nicht gestillte Kinder - eiweissreiche Säuglingsnahrung

•  Ernährungsfaktoren •  Ess-Störung der Mutter •  Sexueller Missbrauch

„Dicksein beginnt im Mutterleib“

Fetale metabolische Programmierung •  Überernährung, Übergewicht oder evtl. Diabetes

der schwangeren Mutter wirken auf den Zellstoffwechsel des Feten, beeinflussen dort Genexpression und über das mTOR-Protein (wichtiges Signal- und Regulationseiweiss) Zellwachstum und Zellzyklus.

•  Set-point-Theorie: Die Überernährung der Mutter führt zur Fehlprogrammierung des Hypothalamus u. fehlerhaftem neurolog. und genomischen Lernen.

Ursachen 3

Diskutiert werden: •  Verschiedene Salze der Glutaminsäure, die als

Nahrungsmittelzusätze/Gewürzstoffe verwandt werden (E620 - E625)

•  Bisphenole (Hauptbestandteil in Polycarbonat-Kunststoffen wie Babyflaschen u.v.a.)

•  Adenoviren Typ HAdV-36

Risikofaktoren •  Hohes oder niedriges Geburtsgewicht •  Übergewicht der Eltern, bes. der Mütter •  Niedriger sozialer Status, Migration •  Wandel in der Ess-Kultur •  Neue Medien (TV/Computer/Spieleboxen) •  Bewegungsmangel •  Attraktive, energiedichte Nahrungsmittel

Folgen allgemein: •  Seelische Belastungen (mobbing) •  Beeinträchtigung von Bewegungsapparat •  Adipositas im Erwachsenenalter •  Folgeerkrankungen (Herz-Kreislauf,

Diabetes) •  Verkürzte Lebenserwartung

Begleiterkrankungen im Kindes-/Jugendalter

•  Metabolisches Syndrom (9% alle 4 Faktoren) •  Hypertonie (30%), Atherosklerose •  Frühe Menarche, Diabetes mellitus Typ II •  Cholelithiasis, Steatohepatitis •  OSAS, Asthma (doppelt so häufig) •  Fehlhaltung u.ä. •  Depression, geringes Selbstwertgefühl, Bulimie

Spätfolgen im Erwachsenenalter •  Adipositas •  Diabetes mellitus Typ II, Asthma bronchiale •  Linksventrikuläre Hypertrophie, Hypertonie,

Atherosklerose, KHK u.a. •  Erhöhung Triglyceride, Cholesterin, Harnsäure •  Osteoporose •  Erhöhtes Malignomrisiko

Therapie •  Teilnahme an Schulungsprogrammen

(z.B. KIDS-Programm) •  Stationär in Reha-Kliniken (z.B. Bad Orb) Drei Säulen •  Ernährung, Bewegung, nachhaltige Verhaltens-

bzw. mentale Änderung Wichtig •  Motivation, Einbeziehung d. Familie, Nachsorge

Therapie-Erfolg

•  Kurzzeitig meist mässig bis gut (aktuelle multicentrische Beobachtungsstudie der BZgA mit ca. 1916 Kindern/Jugendlichen, davon 49% adipös, 37% extrem adipös): Am Ende der Intervention zeigte das Gewicht bei 57% Abnahme, 18% Gleichstand, 12,5 % Zunahme

•  Langfristig wahrscheinlich schlecht (nur wenig valide Daten), Zahlen schwanken für einz. Programme zwischen 20 u. 80%

Diskussionspunkte

•  Adipositas-Chirurgie bei Jugendlichen? •  Medikamentöse Therapie ?

•  Wieviel bringen Gewichts-Reduktionsraten

von viell. 5–10 % hinsichtlich der Begleit- und Folge-Erkrankungen

Magersucht

Maria, 32 Jahre, Ärztin Psychotherapie von 1992-98

•  „Als ich mit 15 Jahren dachte, hässlich, fett und nichts wert zu sein…………….“

•  „…Mit dem niedrigen Gewicht waren alle Gefühle verschwunden, und ich fühlte mich wieder klein und leicht wie ein Baby…..“

•  „…Durch das Zunehmen ist immer viel Bewegung in die Therapie und mein Gefühlsleben gekommen….“

•  „…. Ums Essen mache ich mir heute keine Gedanken mehr, aber es fällt mir noch schwer, ein positives Bild von mir zu haben …….“

Was ist Magersucht ?

Haupt-Kriterium

neben dem Untergewicht (>15% unter Idealgewicht)

Gefühl, zu dick zu sein

Angst vor Fett (-Sein) Deshalb absichtliche

Nahrungsrestriktion u.a.

Ausserdem: Ständige Beschäftigung mit

Nahrung, Kalorien, u. Gewicht

Körper-Selbstbild

Epidemiologie I

•  10% aller weiblichen Jugendlichen sind essgestört •  20% aller 9-jährigen in GB machen eine Diät

•  Häufigkeit der Magersucht: insgesamt 0,1 - 0,3 % der Bevölkerung 0,5-1% der Mädchen/Frauen zwischen 10 u. 35 Jahren

•  100.000 (- 200.000) Frauen mit AN in Deutschland d.h. ca. 500 im Raum Darmstadt (Stadt u. Landkreis)

Epidemiologie II

•  Die Bulimia nervosa ist etwa doppelt bis dreimal so häufig wie die AN, die Adipositas 5-10-mal so häufig

•  Ca. 10-15 % Anstieg der AN in den letzten 25 Jahren •  Zunehmend früheres Auftreten, ab 8.-10. Lebensjahr •  Erkrankungsbeginn: 75% zw. 13. und 16. Lebensjahr

ca. 10 % < 12. Lebensjahr •  Erkrankungsgipfel im 14. und 18. Lebensjahr •  63% der Pat. mit Anorexie werden stationär behandelt,

89 % ambulant

Risikofaktoren

•  Frühkindliche Mangel-Erfahrung •  Frühe Bindungsstörungen •  Geringes Selbstbewusstsein •  Traumata, z.B. sex. Missbrauch •  Dysfunktionale Familie •  Qualität von TV- u. Zeitschriftenkonsum •  Übergewicht, Diäten, Kritische Kommentare •  Frühe Menarche •  Herkunftsfamilie: Depressionen, Ess-Störung

und Alkoholabusus

Katamnest. Studie Heidelberg Zipfel und Herzog (2000)

Nach 21,3 Jahren (84 Pat. mit AN, mittl. Alter bei NU 42 Jahre)

•  vollständige Heilung 50,6% (Heilung oft nach 5-6 (-12) Jahren, oft mehrere Therapie-Episoden)

•  Teilsymptome 20,8% •  Vollbild Anorexie (bes. BP-Typ) 10,4% •  Verstorben (bulimischer Typ) 16,7 %

•  Osteoporose knapp 25% Dialysepflicht 5%

Katamese II

Psychosozialer Verlauf nach 21 Jahren •  Partnerschaft 60 % •  Kinder 68 % •  Erwerbstätigkeit 71 % Die Remision der Anorexia nervosa korreliert mit

der Dauer der ambulanten Psychotherapie.

Todesursachen

•  Suicid 17 % •  Infektionen 41 % •  Herz-Kreislauf 25 % •  Unbekannt 17%

Ursachen

Ursachen

•  Genetik ? •  Störungen Neurotransmitter ? •  Störungen der Familiendynamik? •  Störungen der kindlichen Entwicklung? •  Geburtsgewicht? •  Persönlichkeitsstörungen? •  Kulturelle Faktoren?

organische Faktoren

•  Zwillingsstudien sprechen für genetischen Einfluss

•  Störung Hypothalamus-Hypophyse-Endorgan •  Serotonin- und Noradrenalin- Stoffwechsel verändert •  Endorphine im Liquor erhöht (Auto-Addiction-Hypothese) •  Magenentleerung ist verlangsamt (Cholezystokinin?) •  Relevanz der Befunde ? Wissenschaftsverständnis? •  Frühe Gen-Umwelt–Interaktion?

Serotonin I

•  Kohlenhydratreiche Nahrung erhöht über Insulin-Ausschüttung Tryptophan im Blut und damit serotonergen „output“ im Gehirn

•  Fettreiche Ernährung verdrängt Tryptophan aus der Albuminbindung •  Kurzeitige Nahrungskarenz à gesteigerte Serotonin-Synthese •  Mittelfristig führt Nahrungskarenz bei jungen Ratten zur Hemmung

des Serotonin-reuptakes (entspricht der SSRI-Wirkung)

•  Richtung, Art und Intensität der durch Hunger verursachten Stimmungsänderung ist dabei von äusseren Faktoren mit-abhängig.

•  Psychoneurobiologisch gesehen kann durch Essen und Fasten infolge Bahnungseffekten Abhängigkeit bzw. Sucht entstehen

•  Essgewohnheiten haben hohes psychisches

Abhängigkeitspotential insbes. bei sensiblen Menschen, die ein unzureichendes Repertoire an geeigneten Strategien zur Bewältigung von Belastungen besitzen (G. Hüther, 1998)

Serotonin II

Leptin 1

Leptin

•  Bildung im Fettgewebe, abhängig von Fettgehalt und Energiezufuhr, wirkt auf Hypothalamus, verringert Nah-rungsaufnahme, steigert Energieverbrauch u. Lipolyse, enge Beziehungen zwischen Leptin, Insulin und Cortisol

•  Antagonist des Neuropeptids Y (NPY), sinkt im Hunger-zustand, nimmt bei Gewichtszunahme überproportional zu, Hinweise, dass eine zu schnelle Gewichtszunahme einen Rückfall bei Magersucht verursachen kann

•  Niedriger Leptinspiegel korreliert mit motor. Überaktivität •  Letztlich sind Veränderungen des Leptin-Spiegels aber

als sekundäre Phänomene zu begreifen.

Auschluss-Diagnosen •  Tumor-Erkrankung, z.B. Gehirn, Abdomen •  Anämie, Leukämie •  Diabetes mellitus, Hyperthyreose •  Maldigestion und Malabsorption, z.B. Zöliakie,

Pankreasdysfunktion, M. Crohn •  Stenosierende Prozesse im GIT, z.B. Achalasie •  Chronische Infektionen (HIV, Tbc), •  Herzinsuffizienz, long-QT

•  Niereninsuffizienz, Osteoporose, Hypokaliämie

Cave

Lt. Prof. Bürgin beträgt die Rate an Hirn-Tumoren bei AN ist ca. 1%

Körperliche Probleme I

•  Hormone: T3, GRH und Leptin sind niedrig, Cortisol

und STH sind hoch, STH ist aber unwirksam •  Elektrolyte: evtl. K, Ca, Mg, PO4 niedrig, Natrium

niedrig bei Wasserintoxikation

•  Herz: evtl. long QT, Mitralklappenprolaps, Arrythmien, evtl. refeeding-syndrom

•  Niere: Insuffizienz, Steine, evtl. langfristig Dialyse •  GI: Obstipation, verlangsamte Magenentleerung,

Magenruptur, Schädigung von Zotten und Epithel

Körperliche Probleme II

•  Gehirn: kognitive Defizite, gestörtes Hunger- und Sättigungsgefühl

•  Knochen: Osteoporose •  Gynäkologisch: Amenorrhoe

•  Praepubertät: Verzögerung der Pubertät, Wachstumsstörung mit Minderwuchs

Psycholog. Interpretationen 1

1.  Behaviorismus und Neo-Behaviorismus (Verselbständigung des Abnehmen-Wollens)

2.  Psychoanalyse Triebtheorie (Abwehr sexueller Wünsche) Ich-Psychologie bzw. Objektbezieh.-Theorie

(Selbstbehauptung gegen Ohnmachtsgefühl, Kampf um Kontrolle u. Identität, Triumph über den eigenen Körper)

3. Familiendynamik (Machtkampf, Autonomie gegen Eltern)

Psycholog. Interpretationen 2

•  Nahrung = Mutter (Abwehr des Essens als Kampf gegen symbiotische Wünsche bzw. als Möglichkeit der Trennung von der Mutterfigur)

•  Nahrungsaufnahme = Sexualität (Verweigerung der Nahrung bedeutet Regression vor der adolesz. Triebforderung)

•  Nahrungsverweigerung = Selbst (AN als fehlschlagender Versuch Selbst- und Selbstwerterleben wiederherzustellen)

•  Patient als Symptomträger eines „kranken“ Systems

•  Magersucht als sinnvolle Vereinigung der Paradoxie zwischen demonstrierter Abhängigkeit und phantasierter Unabhängigkeit

•  sich dünn machen/sich verdünnisieren, um zu entkommen

Psychodynamik

•  Wesentlich ist in der Regel ein massiver

innerer u. familiärer Autonomie-Konflikt •  In der Kindheit häufig nicht-adaequate

Liebe und mangelnde Grenzsetzung •  Häufig unklare Grenzen u./o. Übergriffe

und Koalitionen in der Familie •  Mangelndes Selbstbewusstsein verbindet

sich mit trotziger Stärke

Komorbidität

•  Depressivität (15 – 80%)

(Folge der Anorexie, begleitend oder ursächlich?)

•  Ängste, Phobien (30 - 40%)

•  Zwangsstörungen (40 - 70%) •  Persönlichkeitsstörungen (ca. 21%)

(schlechte Prognose der Anorexie)

Ungünstiger Verlauf

•  Kombination mit bulimischem Verhalten •  Laxantienabusus •  Praemorbide Fettsucht •  Später Beginn •  Beginn vor der Pubertät •  Lange vorbestehende Krankheitsdauer

•  Labor: BB mit Thrombo, Leber- und Nierenwerte, Bili, Elektrolyte (bes. Ca, K, Na, PO4), GE + Albumin, BSG, BZ, SBH. Amylase, Lipase, Cholesterin, Triglyc.,Leptin

•  Gerinnung, T3, T4, TSH •  evtl. Zink, Eisen, Ferritin, Vit. A, D, E, B12 + Folsäure •  Urinstatus mit Ketonkörpern + spezif. Gewicht •  Hämoccult, Elastase-1-Messung, evtl. Parasiten •  OGT-Testung •  EKG, Echo, Sono-Abdomen, ggfs. MDP, evtl. EEG •  C-MRT bei Erstmanifestation u. atypischen Verlauf

Untersuchungen

Medikamentöse Therapie

•  L-Thyroxin bei Hypothyreose (TSH +++) •  Calcium + Vitamin D bei Mangel bzw. zur

Osteoporose-Prophylaxe •  Evtl. Multivitamine + Mineralstoffe •  Evtl. Antidepressive Therapie mit SSRI (z.B.

Fluoxetin, Paroxetin) bei schwerer Depression und ausgeprägter Zwangsstörung. SNRI ??

•  Evtl. Therapie mit typischen (z.B.Truxal) u./o. atypischen Neuroleptika (z.B. Olanzapin)

Therapie-Modelle

•  Psychoanalyse und tiefenpsychologisch orientierte Psychotherapie

•  Fokale psychodynamische Psychotherapie (FPT) •  Klassische und Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) •  Systemische Familientherapie •  Dialektisch-behaviorale Therapie (DBT) •  Ernährungstherapie + Psychoedukation •  Körper- und Bewegungstherapie •  Kreativtherapien (Gestaltungs- u. Musiktherapie) •  Gruppentherapie, Soziales Kompetenztraining •  Elterngruppen und Selbsthilfegruppen

Krise als Chance

•  Anorexie als produktiver Lösungsversuch (leider nur abschüssige Sackgasse)

•  Grosse Kraft und Stärke in Symptomatik, die auch anders genutzt werden kann

•  Anorexie als Moratorium zur Nachreifung (um Anforderungen der Adoleszenz zu begegnen)

•  Chance für familiären Wandel

Zeit

Prognose

Remission

Besserung

chron. Krank

•  Remission 45%, Besserung 30%, chronisch krank 25%

•  10-50% AN „cross-over“ zur Bulimie

•  Mortalität AN ca. 1-16%, unbehandelt ca. 20%

•  Rückfall insgesamt 50%, stationäre Pat. 30%

Wichtig •  Arbeit mit der Familie, z.B. begleitende

Elterngespräche, Selbsthilfegruppen für Angehörige

•  Häufig werden bei Besserung die Mütter krank, deshalb ist oft Therapie für diese sinnvoll

Sabine, 14 Jahre

„ …heute geht es mir schon viel besser. Seit dem 3. Aufenthalt in der Klinik ist bereits fast 1 Jahr vergangen, trotzdem gehe ich immer noch regelmäßig zur Therapie. Ich glaube, ich bin jetzt soweit, mein Gewicht stabil halten zu können und mich mit der Therapie zu Hause halten zu können. Ich habe jedoch Angst, wieder normal und gesund zu werden, weil ich nicht weiß, was passiert, wenn ich wieder zunehme und normal werde und keine Magersucht mehr habe, denn ich weiß gar nicht mehr, wie es ohne sie war.“

Cave:

Bei 10–25 % der Patientinnen geht Magersucht in Bulimie über.

Auch die forcierte Therapie einer Magersucht kann im Verlauf zu einer Bulimie führen !

Bulimie

Bulimie Kriterien für Bulimia nervosa (APA 1994) •  A Regelmäßige Essanfälle. Essanfälle haben folgende Merkmale :

(1) In einem abgrenzbaren Zeitraum wird eine Nahrungsmenge gegessen, die deutlich größer ist als die Menge, die die meisten Anderen im selben Zeitraum und unter den gleichen Umständen essen würden. (2) Während des Essanfalls wird der Verlust der Kontrolle über das Essen empfunden (z.B. das Gefühl, nicht mit essen aufhören zu können oder nicht im Griff zu haben, wie viel gegessen wird).

•  B Regelmäßiges unangemessenes Kompensationsverhalten, um einen Gewichtsanstieg zu vermeiden, wie selbst-herbeigeführtes Erbrechen, Missbrauch von Abführmitteln, Einläufen o.a., Fasten od. exzessiver Sport.

•  C Die Essanfälle und das unangemessenes Kompensationsverhalten treten beide im Durchschnitt mindestens zweimal pro Woche für 3 Monate auf.

•  D Die Bewertung der eigenen Person wird durch Figur und Gewicht übermäßig beeinflusst

•  Wesentlich sind Heisshungerattacken und das meist heimliche Erbrechen

•  Es besteht (wie bei der Magersucht) eine krank-hafte Furcht zu dick zu sein bzw. vor Gewichts-zunahme u. die Pat. beschäftigen sich häufig mit Essen, Gewicht und ihrem Aussehen, ekeln sich

•  Manchmal anfangs anorektische Phasen, Pat. sind nicht „stark genug“ zu hungern.

•  Häufig psychisch labile oder traumatisierte Pat. (relativ häufig sexueller Missbrauch)

Therapie •  ist im Grunde schwierig •  Lt. Studien 50% erfolgreich •  Frage: Katamnese nach mindest. 5 Jahren •  Verschiedene Therapie-Richtungen:

Verhaltenstherapie vs. Psychoanalyse aber auch Familientherapie, DBT, EMDR

Medikamente •  Bei Anorexie helfen i. d. R. keine Medikamente.

Hungern selbst wirkt schon antidepressiv. Bei starken Zwängen und Depressionen kann man u.U. spez. SSRI (moderne Antidepressiva) versuchen. Ggfs. bei schwerer Krankheit sog. atypische Neuroleptika (z.B. Zyprexa)

•  Bei Bulimie wird häufig Fluoxetin (SSRI) in höherer Dosierung gegeben. Out of label kann man ggfs. Stimulantien versuchen.

Binge Eating Kriterien für Binge Eating Disorder (BED) (APA 1994) •  A Regelmäßige Essanfälle (Merkmale w.o.) •  B Die Essanfälle sind mit folgenden Merkmale verbunden:

(1) es wird wesentlich schneller gegessen als normal, (2) es wird gegessen, bis man sich unangenehm voll fühlt, (3) es werden große Mengen gegessen, ohne körperlich hungrig zu sein, (4) es wird allein gegessen, weil es einem peinlich ist, wie viel man isst, (5) man fühlt sich von sich selbst angeekelt, depressiv oder sehr schuldig nach dem Überessen.

•  C Es besteht hinsichtlich der Essanfälle merkliche Verzweiflung •  D Die Essanfälle treten im Durchschnitt an mindestens 2 Tagen pro Woche

über 6 Monate auf und sind sind nicht mit der regelmäßigen Anwendung von unangemessenem Kompensationsverhalten verbunden und treten nicht im Verlauf einer Anorexia nervosa oder Bulimia nervosa auf.

Kliniken

•  Klinik am Korso, Bad Oeynhausen •  Klinik Roseneck, Prien a. Chiemsee •  Parkland-Klinik, Bad Wildungen •  Kitzberg-Klinik, Bad Mergentheim •  Wittekind-Klinik, Bad Essen •  Michael-Balint-Klinik, Königsfeld •  Klinik Haus Vogt, Titisee-Neustadt •  Filderklinik, Abt. Jugendmedizin, Stuttgart

www.

•  www.adipositas-online.de •  www.bulimie-online.de •  www.hungrig-online.de •  www.magersucht-online.de

Literatur

•  Reich u.a.: Ess-Störungen – Magersucht, Bulimie, Binge Eating, TRIAS 2004

•  M. Fichter: Magersucht und Bulimie, Mut für Betroffene, Angehörige und Freunde, KARGER 2007

•  Hilde Bruch: der goldene Käfig: das Rätsel der Magersucht, FISCHER Ratg. 2004

•  Gerlinghoff, Backmund: Wege aus der Ess-Störung u.v.a. www.t-c-e.de

Danke

für Ihre Aufmerksamkeit