7
ZEITSCHRIFT FOU NUMISMATIK. REDIGIRT VON ALFRED VON SALLET. V E E R Z E H l ^ T E R B A N J 3 . BERLm WEIDMANNSCHE BUCHHANDLUNG. 1887.

FOU NUMISMATIK.numismatics.org/zfn/38060000322081/41925.pdf · Das Motiv, die Komposition, die Natiirwahrhcifc, sowie das Streben, die hdchste Anstrengimg-, deren eiii Menscli und

  • Upload
    others

  • View
    1

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: FOU NUMISMATIK.numismatics.org/zfn/38060000322081/41925.pdf · Das Motiv, die Komposition, die Natiirwahrhcifc, sowie das Streben, die hdchste Anstrengimg-, deren eiii Menscli und

Z E I T S C H R I F T

F O U

N U M I S M A T I K .

R E D I G I R T

V O N

A L F R E D V O N S A L L E T.

V E E R Z E H l ^ T E R B A N J 3 .

B E R L m

W E I D M A N N S C H E B U C H H A N D L U N G .

1 8 8 7 .

Page 2: FOU NUMISMATIK.numismatics.org/zfn/38060000322081/41925.pdf · Das Motiv, die Komposition, die Natiirwahrhcifc, sowie das Streben, die hdchste Anstrengimg-, deren eiii Menscli und

Eine &rappe des Myron P

„Unter den Kennzeichen, aus welchen zu schliessen ist, dassauf dem Munzbild die Kopie eines offentlicli aufgestellteii Kunst-werkes vorliegt, ist das sicherste, wo das Bildwerk unmittelbarm den architektonischen Rahmen — gebracht wird —; ein anderesMerkmal bildet die Barstellung der Figur auf einer besonderenBasis" sagt Herr Dr. R. Weil in dieser Zeitschrift XIII, 1885S , 4 0 4 '

Die Richtigkeit diescr Aufstellung bestiitigen die Stateren derStadt Side, auf welchen Athene — sobald sie die Nike auf derHand tragt, die Lanze neben ihr gestellt ist und der Apollon derKehrseite sich auf den Lorbeerbaiini stutzt — auf einer Basis oderI'Hnthe steht ), weil sic dann eine so gouaue Kopie der Partbenoa desPhfijfJiaa ist, als dem Stcmpelscbneidcr die kleinen Verhaltnissceiiier Miinze erhiubtcn.

Es sind dies die Exemplare spiitoren Sty Is, auf denen der

l)Blau, Zeitschr. d, D. Morgenl. Geaellschaft IX S. 69—91, Taf. I,U, Zwei Expl, und iler Abguss eines dritten liegen mir vor. Dass boiLuynes Satrapies, pi. Ill, 5, 6; VU) 5 die Basis zu fehlen sclieint, liegt wohlan der Lrhaltung dieser Exemplare.

Page 3: FOU NUMISMATIK.numismatics.org/zfn/38060000322081/41925.pdf · Das Motiv, die Komposition, die Natiirwahrhcifc, sowie das Streben, die hdchste Anstrengimg-, deren eiii Menscli und

J. p. Six: Eine Gruppe des Myron? 1 4 3

Apollon der Ruckseite bisweilen mit einem Chiton und einemMantel bekleidet ist^); eine so ungewohnliche Erscheinung, dassich mich ofter gefragt liabe, ob hier nicht Alexander der Grosse,der 333 in Side war''), als Apollon dargestellt sei. Um seineZeit sind diese Stateren jedenfalls gepriigt.

Anf den altercn Stateren der Stadt, aus der ersten Halftedes 4. Jahrhundert, wo die Gottin meist die Eule und nur seltendie Nike anf der Hand triigt, fehlt die Basis, da es dem Kunstlernicht um die genaue Kopie eines berulimten Bildwerkes zut h u n w a r.

Aus dieser Beobaclitung mochte ich folgern, dass wenn aufeinem seltenen Stater von Mallos der lowenwurgende Heraklesauf eine Basis gestellt ist, wir auf ein, damals beriihmtes, wennauch uns bisher unbekanntes, offentlich aufgestelltes Kunstwerkscbliessen konnen, wo von die einzige KunSe sich duixh dieseHunze erhalten hat. Gemeint ist folgender Stater:

Herakles nackt und unbartig, auf eiiicr Basis odereinem Saulenkapitell stehend. von vorn gesehen, beugtsich nach rechts um mit beiden Armen den NemeischenLowen zu wilrgen, der gegen ihu aufgesprungen ist unddie Tatzen in sein linkes Bein und seinen rechten Armgeschlagen hat. Neben seinem rcchtcn Fiisse die auf-gericiitete Keule^) und maAAojtwj^. Perlkreis.

it*/. Der Konig von Persien, an der Zackenkrone keuntlich,rechtshin eilend, in der ]inken Hand den Bogen, in derrechten dicLanze haltond. Iiu Feldc links ein Gerstenkorn.

(), 10,40. Mus. Hunter p, 185; Dutens Expl. p- 28 PI- I, 6;Mion. S. VH, p. 226 Nr. 2S5; Imhoof AnuuairCSee. Fr. d. Num. VH, 1883, p. 109 Fl. I, 29.

1) Blau ). c, T. I, 11; Luynes I. c. pi. VII, 5; MUnzk. in Berlin, Ztschr.f. Num. X, 1883, T. I, 4, und der Holzschn. obon; moinc Sammlung.

2) Arianus. Anab. I 2G, 4. Uki nv^Qog (fe int — xaiaUTnav efttfi{>ovQttv iy 2i r} nQo^et int 2vkXtov.

3) Im Original lag die Keulo wolil da, wo (lie Miinze sie aufgerichtet

Page 4: FOU NUMISMATIK.numismatics.org/zfn/38060000322081/41925.pdf · Das Motiv, die Komposition, die Natiirwahrhcifc, sowie das Streben, die hdchste Anstrengimg-, deren eiii Menscli und

144 J . P . S i x :

10.39. Mus. Pembroke II, T. LXXV, Catal. Nr. 1015;Mion. Ill p. 591 Kr. 248; Leake, Asia p. 80. —Beide mit Nachstempel.

10.40. Munzk. Berlin, Sallet Zeitschr. f. Num. XIV 1886,S. 14. Holzschn. obeii.

10,25. Meine Sammlung. Beide ohne Nachstempel."Wie Iralioof erkannt hat, ist dieser Stater kurz uach dem

Frieden des Antalkidas, 387, gepragt.Zur selben Zeit findet sich dieselbe Gruppe, nur dass der

Lowe das linke Hinterbein auf den Boden setzt — denn dieBasis fehlt —, auf den seltenen Mimzen eines Kyprisclien Konigsdessen undeutlicheu Namen ich Da-mo-ni-(kos) gelesen habeund der in Kition, um 374—368, regiert zu liaben scliien*).Seitdem aber ein Stater des Baalram, Vater des Milikiaton,entdeckt worden ist ), mochte ich den Demonikos von 387 — alsdie Athener unter Chabrias dem Euagoras die ganze Insel unter-warfen ) bis ungefahr zum Tode des Euagoras, 374, herrschenlassen, und die Jahre 374—368 dem Baalram geben. Dann sind diegleichen Darstelkmgen des lowenwurgendcn Hcrakles in Mallosund Kypros auch gleichzeitig.

Noch ein anderes Mai begegnen wir dieser Gruppe auf denbekaimten Munzen von Herakleia in Italien und hier scheintder Typus eiugebiirgert zu. seiii durch einen Stempelschneider,dessen Namen mit 4) anfangt und der, wie Poole vor kurzem ge-zeigthat''), ein Athener oder doch ein Kunstler aus der attischen

1) Num. Chron. 1882, II p. 91; Revue num. 1883, p. 334 Nr. 42, 43.Dem Baalram gehort Nr. 41. Auf dem p. 287 Nr. 24 beschriebenen Stater1st statt Ju(xQvt. xaatys. ZU lesen und die Verwandtschaft desDemonikos und des Nikokles ist somit nicht bezeugt.

2) Revue num. 1884, p. 290 Vign.3) Diodor. XV, 2; Nepos, Cbabr. 2. Chabrias fecit idem Cypri, sed

publico ab Atheniensibus Euagorae adjutor datus neque prius inde discessit^uam totam insulam bello deviceret.

4) Num. Cbron. 1883, HI P- 269—277. pi. XI. Fur Herakleia kOnnteaucb an den KUnstler denken, der mit A und kleiner Eule zeichnet,K. Mttuzk. 1873, T. VIII, 526.

Page 5: FOU NUMISMATIK.numismatics.org/zfn/38060000322081/41925.pdf · Das Motiv, die Komposition, die Natiirwahrhcifc, sowie das Streben, die hdchste Anstrengimg-, deren eiii Menscli und

Eine Gnippe des Myron? 1 4 5

Schule war, der, am Eiule des 5. JaUrlmnderts, fiir Tliurioi — wo-hin er durch die von Athcn ausgesaiidte Kolonie aiigezogen seinmag —, fiir Neapolis, Terina, Paudosia, Velia und Horakleia dieheniichen Typcii scliuf, die aii die besten Kunstwerke, welcbe da-mals in Atlien entstanden warcn und bewundert ^vurdeu, erinneru.

Audi die auf der Prora sitzende Atiiene, auf den Miluzen(les Denionikos, ist eine Rominiscenz an die Balustrade des Nike-tempels in Athen^), cbonsogut wie die reizenden Nikeu, welclie(lie Praguiigcn der Terinaer ziereu. So tragc ich kein Bedenkenauch den mit dein Lowen kampfendeu Herakles fiir Atheu inAnspruch zu nehnien.

Es fragt sich nun, welclieni der bekaunten Kiinstler des5. Jahrhunderts das Original — gewiss eine Brouzearbeit, daes in Marmor kauni auszufiihren ist — mit einiger Wahrschoin-liclikeit zugeschrieben wei'den kann.

Da die Statercn von Side, wclchc die Parthcnos auf eiueBasis gestellt zeigen, fast ein Jalirhundert jiinger sind als dasgoldelfenbeincrne Tcnipolbild des Pheidias, so kann aucli derHerakles der Statercn von 387 ung., schou urn die Mittc des5, Jahrlinnderts entstanden scin, um so mehr als der lowcn-wiirgende Herakles stehend fast uur auf scliwarzfigurigen Vasciivorzukommen sclieint*) und, sovicl niir bekannt ist, auf rotli-figurigen kaum gefunden wird ). Die Milnzen von Syrakus uudanderen Stadten zeigen ilin, nacli 400, uieist in knieender Stellung.Auch in Mallos kommt er in dicser Haltung vor uud zwar, wieich vermuthet habe ), uin 387, kurz bcvor der bcschriebeneStater gepragt wurde.

1) Kekule, Die Roliefs an der Balustrade der Athena-Nike, 1881, p. 12J Jahu, Vasens. in BlQuchen Nr. G34, 645, 886, 1328; Furtwangler,

Yasens. in Berlin Nr. 1720 (Exekias).3) Furtwangler, 1. c. Nr. 2S82 (mit Reliefs). Die Besclired)ung stimmt

zu den MUnzcn.

4) Num. Chron. 1884, IV p. 157. Imboof, Annuaire 1. c. i). UI, 45pi. VI, 30. Der Gerstenkorn im Felde melireren Stateren zeigt wie dieReihe zu ordnen ist. Imhoof, Num. Zeitschr. XVI, 1884 S. 282— 284.

Page 6: FOU NUMISMATIK.numismatics.org/zfn/38060000322081/41925.pdf · Das Motiv, die Komposition, die Natiirwahrhcifc, sowie das Streben, die hdchste Anstrengimg-, deren eiii Menscli und

1 4 6 J . P . S i x :

Da giebt es kaum eine Wahl imter den attischeii Kunstlern.Das Motiv, die Komposition, die Natiirwahrhcifc, sowie das

Streben, die hdchste Anstrengimg-, deren eiii Menscli und einThier fahig sind, auszuclriicken, alles weist auf Myron.

Wir wissen, wie seine Tluere geschatzt warcn; melirereBilder des Herakles werdeu von ilim erwalint, ,olme dass wirjedocli aus diesen zu kurzen Erwalinungeii cine Vorstellung eut-nelimen konnen, wie der Heros dargestellt war.

Die Zeit des Myron ist nicht genau zu bestimmen. Pliniussetzt ilin um 420 und dieses Datum mag sich auf irgend einsseiner "Werke beziehen; allgemein wird aber jetzt angenommen,dass er schon mehrere Jahrzebiite friilier thiitig war ),

Soyiel ist jedoch aus seinen bekannten Arbeiten zu erselien,dass er "weder zu frtih jiocli zii spat lebte, um ihm eine Komposition wie der Herakles, abzusprechen.

Zwar zeigt die Metope am Theseion, auf welchcr der Kampfmit dem Nemeischen Lowen abgebildet ist 2), den Lowen in einerwesentlich anderen Haltung als auf den erwahnten Miinzenj aberdel viereckige Rahmen einer Metope bedingt ein anderes Schemaals eine frei stebende Gruppe, die von alien Seiten betrachtetwerden will, und wenn auch, wie niclit oline G-rund behauptetworden ist, die Metopen am Tbeseion unter Myrons Einflussentstanden sein mogen''), so ist damit nicht erwiesen, dass sieaucli von ihm komponirt sind, und selbst wenn dieses der Fallware, wiirde ein Kunstler ersten Ranges, wie er war, wenn erzum zweiten Male dasselbe Motiv in auderer Zeit, in anderemMaterial und zu anderem Zwecke ausfiihrte, cs nienials giinzlich^ngeandert nach dem ersten Schema wiederholen, Um so mehrfallt die unverkennbare Ahnlichkeit in der Haltung des Heraklesder Metope mit dem der Miinzen ins Gewicht.

1) Brunn, Griech.KUnstler I, S. 142 j Overbeck, Gr.PlastikI, S.207; MurrayGr. Sculpture p. 213; L. Mitchell, Anc. Sculpture p. 291.2) Monumeuti d. Inst. d. Corr. Arcli. X, T. LVIII, 1,3) Julius, Annali d. Inst. 1878, p. 202; Murray 1. c. p. 251; Orerbeck, 1. c.S. 347; Vriedericlis-Woltera, Bausteine, S. 249.

Page 7: FOU NUMISMATIK.numismatics.org/zfn/38060000322081/41925.pdf · Das Motiv, die Komposition, die Natiirwahrhcifc, sowie das Streben, die hdchste Anstrengimg-, deren eiii Menscli und

Eiue Gruppe des Myron? 1 4 7

Docli genug der Vermiithungcn auf einem mir freniden Ge-biete. Ob der riclitige Name erratheii ist, inogeu andere, die inder attischen Kiinst bcsser bewaiulert sind, beurtlieilen. Mirwar niir daran golegon zii zeigoii, dass der Stater you Hallosuns wahrsclieiiilich die Abbildiuig crhalten hat eiiier damals be-riihmten Erzgruppc eiiics der trefflichsteu attischen Bildhauerdes 5. Jahrhundcrts^).

Nur als Vei'iiiutliung, die ich lueinem Soliiie, Dr. J. Six, ver-danke, fugte ich den Nanien des i\Iyron hinzu.

1) Ebenso lasst der auf scinem Esel gelagerte Diouysos der iim 410—400in Mende geprilgten Tetradrachmeu auf ein attisches Kunstwerk scliliessen.Dies zeigt eine iinedirte Silbcrnuinzc, iS. 2, im Berliner Bliinzkabiuet, welchedie alteste Praguiig des Euagoras I. vou Salamis, 410—37G, zu sein scheint.Auf der Vorderseite Diouysos wie ia Meiide. Im vertieftem Vierecke derRUckseite ftthrt die Nike, im streugen Styl gezeicbuet, ein Rind, das demFr ies des Pa r thenon en tnommen se in konn te .

Amsterdam, Jul i 1886.J. P. Six.