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FRAGEN SIE EINFACH MEINS 64 17/2017 H ach, ich würde so gern mal … Wie oft haben wir diesen Satz schon gesagt. Und unsere Sehnsucht dann am Ende doch wieder auf Eis gelegt. Weil der Beruf, die Kinder, die Familie für uns wichtiger waren. Wichtiger als wir selbst und unsere Träume. „Dass diese Dinge für uns bis Ende 40 den größten Raum einnehmen, braucht niemand zu bereuen. Das ist völlig in Ordnung, denn es entspricht einem ganz normalen Lebensrhythmus“, sagt Brigitte Hieronimus. Die Bio- grafieberaterin aus Borken im Müns- terland weiß aber auch: Jetzt, mit 50+, wenn die Kinder aus dem Haus sind und der Gatte inzwischen auch weiß, wie man sich eine Mahlzeit zubereitet, schlagen wir ein neues Kapitel auf. „Manchen von uns fällt es anfangs noch schwer, die gewohnte Rolle der Mutter und Ehefrau abzustreifen. Aber wenn wir bereit sind und das erst mal loslassen, haben wir beide Hände frei Jetzt probieren wir endlich das aus, was wir immer schon mal machen wollten. Weil es uns Spaß macht und unglaublich guttut! VON CLAUDIA RESHÖFT Mut zum Ich Is t doch egal, was die anderen denken – jetzt sind wir mal dran! FOTOS: MARION LOSSE, PRIVAT Biografie- Beraterin und Coach Brigitte Hieronimus veranstaltet Seminare: www.brigitte- hieronimus.de Neues le R nen und können uns ein neues Gewand anlegen, das für diesen Lebensab- schnitt besser passt“, verspricht sie. Nutzen wir den geistigen Sturm und Drang 50+! Mit der hormonellen Umstellung beginnt quasi eine zweite Pubertät, „eine Art geistiger Sturm und Drang vor dem Ruhestand“, wie Brigitte Hieronimus die Zeit des Aufbruchs nennt. Ideal, um mit dieser Energie unsere Leidenschaften aus dem Schlummer zu wecken. Wir wollten immer mal einen Bild- hauer-Kurs besuchen, Italienisch ler- nen, einen Blog schreiben? Dann mal los! Es gibt niemanden, der uns daran hindern kann – außer: „Oft sind wir selbst diejenigen, die uns ausbremsen: Kann ich nicht! Dafür fehlt mir das Talent! Was sollen die anderen von mir denken! Mit negativen Überzeugungen wie diesen torpedieren wir unsere Per- sönlichkeit“, sagt die Expertin und rät, hemmende Gedanken über Bord zu werfen. Und stattdes- sen spontanen Impul- sen nachzugeben. „Wir dürfen und soll- ten alles ausprobieren. Ob man sich nun für einen Eurythmiekurs oder zum Yoga anmeldet. Es geht ja nicht um ein perfektes Ergebnis, sondern um die Freude, neue Facetten an uns zu ent- decken.“ Und was, wenn ich keinen blassen Schimmer habe, was ich als Nächstes anpacken könnte, Frau Hieronimus? „Erinnern Sie sich, wofür Sie in der ersten Lebenshälfte ge- schwärmt haben? Dort liegt der Schlüs- sel für Ihre Interessen oder Talente.“ So war es auch bei ihr selbst. Irgend- wann stellte sie fest, dass Menschen immer wieder ihren Rat suchten, und machte schließlich eine Ausbildung zum Coach. Da war sie Mitte 40. Wie die Begeisterung uns neues Feuer verleiht Wer sich traut, seine Leidenschaft zu entfachen und vielleicht sogar neue zu entdecken, profitiert mehrfach: Wir wecken un- sere Sinne, entfachen einen Funken der Begeisterung, fühlen uns leben- diger, selbstbewusster. Brigitte Hieronimus sagt: „Wenn wir uns dem zuwenden, was wir lieben, können wir so- gar im größten Trümmer- haufen einen Lustgarten errichten.“ Na dann: Schöpfen wir doch aus dem Vollen! Für eine neue Leidenschaft ist es nie zu spät

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FRAGEN SIE EINFACH MEINs

64 17/2017 17/2017 65

Hach, ich würde so gern mal … Wie oft haben wir diesen Satz schon gesagt. Und unsere Sehnsucht dann am Ende doch wieder auf Eis gelegt. Weil der

Beruf, die Kinder, die Familie für uns wichtiger waren. Wichtiger als wir selbst und unsere Träume. „Dass diese Dinge für uns bis Ende 40 den größten Raum einnehmen, braucht niemand zu bereuen. Das ist völlig in Ordnung, denn es entspricht einem ganz normalen Lebensrhythmus“, sagt Brigitte Hieronimus. Die Bio­grafieberaterin aus Borken im Müns­terland weiß aber auch: Jetzt, mit 50+, wenn die Kinder aus dem Haus sind und der Gatte inzwischen auch weiß, wie man sich eine Mahlzeit zubereitet, schlagen wir ein neues Kapitel auf.

„Manchen von uns fällt es anfangs noch schwer, die gewohnte Rolle der Mutter und Ehefrau abzustreifen. Aber wenn wir bereit sind und das erst mal loslassen, haben wir beide Hände frei

Jetzt probieren wir endlich das aus, was wir immer schon mal machen wollten. Weil es uns Spaß macht und unglaublich guttut!VON Claudia ReShöft

Malen ist wie MeditationVor 25 Jahren hatte MEINS-Redak-teurin Kathi, 47, zuletzt einen Pinsel in der Hand. Jetzt belegt sie einen Malkurs und weiß wie-der, wie glücklich das macht. Können wir Malen verlernen oder ist es wie Radfahren? diese frage bewegt mich. „Malen kann jeder, und verlernen kann man es schon gar nicht. Wir kommen nur aus der Übung“, sagt der Künst-ler Michael Frahm. hier, in sei-nem idyllisch gelegenen Kunst-haus Basthorst nahe Schwerin, gibt er Malkurse für jede alters-klasse und jedes Können. Ich will es jetzt wissen und buche einen dreistündigen Schnupperkurs, zusammen mit fünf anderen Ladys, alle über 50.

Wir stehen in seinem lichtdurch-fluteten Atelier, jede an ihrer Staffelei. Wir sollen blauen Him-mel mit Wolken malen, sagt Michael. Bevor wir die Pinsel ein-

tauchen, gibt er tipps – die Blautöne sollten gemischt werden, damit der himmel natürlich aussieht. Meine Mal-Kolleginnen starten gleich los, sie alle haben ihre Leidenschaft für Pinsel und farbe jetzt im Ruhestand wiederent-deckt. Renate, 65, hat sich zu hause im ehemaligen Kinderzimmer ein eige-nes atelier eingerichtet: „Mein Refugi-um“, wie sie sagt. auch Kirsten, 64, hat

wieder angefangen zu malen und unter-nimmt sogar regelmäßig Kunstreisen. Während neben mir schon himmli-sche impressionen entstehen, habe ich Panik vor der weißen leinwand. Michael macht mir Mut: „Setz erst ein-mal den blauen untergrund, dann erst die Wolken!“ Ich starte vorsichtig, und dann gleitet mein Pinsel wie fernge-steuert über das Bild. ich spüre: Malen hat etwas Meditatives. So, der himmel sitzt, ich bin zufrieden, Michael auch. Jetzt tupfe ich noch ein paar fluffige Wolken auf das Blau, ver-wische die Konturen mit einem feuch-ten Pinsel. Oben soll es heller sein, unten dunkler, wie in der Realität.

dann ist es fertig, und mein herz hüpft vor Freude, als ich das Ergebnis betrachte. drei Stunden sind nur so verflogen, und ich weiß jetzt: Malen wird mein altes, neues hobby.

Malkurse 50+ Z. B. Grundmalkurs f. Anfänger, 3 Std., 69 Euro (inkl. Getränken, Leinwand, Farbe und Hilfsmitteln) oder Tages-malkurs, 6 Std., 129 Euro (inkl. s. o.); Infos: Kunsthaus Basthorst, www.kunsthaus-basthorst.de, Tel. 03863/217 98 14

Mut z um Ich

ist doch egal, was die

anderen denken –

jetzt sind wir mal

dran!

Gute Laune Kirsten, 64 (l.), hat MEINS-Redakteurin Kathi ein Maler-Käppi geliehen. Dann schwingen sie die Pinsel

teaMarbeitMichael Frahm inmitten seiner Schülerinnen: v. l. Renate, 65,Kirsten, 64,Gertraud, 65,Marianne, 64,Kathi, 47, undSybille, 66

effektvoLL Mit einem feuchten Pinsel wird die Farbe verwischtfO

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Biografie-Beraterin und Coach Brigitte Hieronimus veranstaltet Seminare: www.brigitte-hieronimus.de

Neues leRnen

und können uns ein neues Gewand anlegen, das für diesen Lebensab­schnitt besser passt“, verspricht sie.

nutzen wir den geistigen Sturm und Drang 50+! Mit der hormonellen Umstellung beginnt quasi eine zweite Pubertät, „eine Art geistiger Sturm und Drang vor dem Ruhestand“, wie Brigitte Hieronimus die Zeit des Aufbruchs nennt. Ideal, um mit dieser Energie unsere Leidenschaften aus dem Schlummer zu wecken.

Wir wollten immer mal einen Bild­hauer­Kurs besuchen, Italienisch ler­nen, einen Blog schreiben? Dann mal los! Es gibt niemanden, der uns daran hindern kann – außer: „Oft sind wir selbst diejenigen, die uns ausbremsen: Kann ich nicht! Dafür fehlt mir das Talent! Was sollen die anderen von mir denken! Mit negativen Überzeugungen wie diesen torpedieren wir unsere Per­sönlichkeit“, sagt die Expertin und rät, hemmende Gedanken über Bord zu werfen. Und stattdes­sen spontanen Impul­sen nachzugeben. „Wir dürfen und soll­ten alles ausprobieren. Ob man sich nun für

einen Eurythmiekurs oder zum Yoga anmeldet. Es geht ja nicht um ein perfektes Ergebnis, sondern um die Freude, neue Facetten an uns zu ent­decken.“ Und was, wenn ich keinen blassen Schimmer habe, was ich als Nächstes anpacken könnte, Frau Hieronimus? „Erinnern Sie sich, wofür Sie in der ersten Lebenshälfte ge­schwärmt haben? Dort liegt der Schlüs­sel für Ihre Interessen oder Talente.“ So war es auch bei ihr selbst. Irgend­wann stellte sie fest, dass Menschen immer wieder ihren Rat suchten, und machte schließlich eine Ausbildung zum Coach. Da war sie Mitte 40.

Wie die begeisterung uns neues feuer verleiht Wer sich traut, seine Leidenschaft zu entfachen und vielleicht sogar neue zu entdecken, profitiert mehrfach: Wir wecken un­sere Sinne, entfachen einen Funken der Begeisterung, fühlen uns leben­

diger, selbstbewusster. Brigitte Hieronimus sagt: „Wenn wir

uns dem zuwenden, was wir lieben, können wir so­gar im größten Trümmer­haufen einen Lustgarten errichten.“ Na dann: Schöpfen wir doch aus

dem Vollen!

Für eine neue Leidenschaft ist es nie zu spät

Malen kann jedeR , und wiR veRleRnen es auch nicht

kreativ Gertraud denkt sogar über ein Kunststudium nach

StoLz Michael Frahm ist ein guter Lehrer, Kathis Bild kann sich sehen lassen

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Malkurs