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Manche mögen es für nebensächlich halten, wenn diese Frauen in zwei Wochen in Deutschland Fußball-Weltmeisterinnen werden wollen. Wir sehen das anders. Die Nationalmannschaft der Autoren stellt uns elf Spielerinnen in Gedichten und Geschichten vor Liebe Lira, Du hast viele Fans, so viele wie der Rasen im Turbine-Stadion Grashal- me zählt, aber ich versichere Dir: Ich bin Dein größter. Ich bin es schon lange. Schon ehe ich Deine unwider- stehlichen Sololäufe verfolgen durf- te, schon ehe Du mit diesem artisti- schen Chip unter die Latte Deinen Elfmeter zum 5:4 im Champions- League-Finale gegen Lyon verwan- delt hast, schon ehe ich Deine Bio- grafie „Mein Tor ins Leben“ las – schon vor alledem war ich Dein. Meine Bewunderung oder besser: Verschossenheit geht weiter zurück. Ins Jahr 2007, auf den 6. Oktober 2007, um genau zu sein. Du warst zu Gast im ZDF-Sportstudio, standest – very ladylike – im anthrazitfarbenen Zweiteiler neben Wolf-Dieter Po- schmann und hast auf die Torwand geschossen. Zwei von dreien unten rechts ganz nebenbei, danach erst hat die Kamera auf Deine Füße ge- schwenkt. Auf diese alcantara- schwarzen Pumps mit ihren nadel- spitz zulaufenden 7-Zentimeter- Absätzen, auf denen ich keine drei Schritte weit laufen könnte, ohne mir die Knöchel zu brechen. Spätestens da war es um mich geschehen. Ele- ganz und Präzision, Anmut und Entschlossenheit – ich kenne keine Fußballerin, ach was, keine Frau, die das in dieser Perfektion vereint. Mit genau dieser Mischung machst Du Dich und uns alle am 17. Juli zu Weltmeistern. Darauf gehe ich jede Wette ein. Dein größter Fan, Thomas Thomas Klupp Liebesbrief an Lira (Fatmire »Lira« Bajramaj) 4 12.06.11 Sonntag, 12. Juni 2011 BM-VP2 Belichterfreigabe: -- Zeit::: Belichter: Farbe: BM/BM/BM-VP2 12.06.11/1/004 CSCHUELE 5% 25% 50% 75% 95% + Berliner Illustrirte Zeitung Pfingsten 2011 4 Titel 5 12.06.11 Sonntag, 12. Juni 2011 BM-VP2 Belichterfreigabe: -- Zeit::: Belichter: Farbe: BM/BM/BM-VP2 12.06.11/1/005 CSCHUELE 5% 25% 50% 75% 95% + Titel 5 natze ging immer quer auf den platz durchs leben die torlinie war nie ihr aus ihre pupillen scharfmacher suchmaschinen sie zoomt den ball auf augenhöhe jeder blickwechsel ein reflex sie sieht was kommt was kommen muss bevor es kommt ein fuss der schuss ihr gegenschuss die sprung gelenke photomotoren bild für bild belichtet sie die mauern traumpässe rücken die im abseits stehen den regen die stadien in der kälte der städte das herzschlagfinale sie lässt kein tor zu und öffnet es in die welt für die weite zwischen den pfosten wenn sie dort steht als stünde sie still Albert Ostermaier ode an natze (Nadine Angerer) Frauen-WM: Dieser Sommer ist mir in besonders schlechter Erinnerung. Ich lebte damals noch in Berlin und wollte einen neuen Roman schrei- ben, obwohl ich eigentlich gut ver- sorgt war oder zumindest – wie wir alle – auch so schon genug zu tun hatte. („Damals“: als könnte dich so ein Wörtchen vor dem Heute be- schützen.) Jedenfalls verabredete ich mich so oft wie möglich und unter den lä- cherlichsten Vorwänden mit Faller zum Mittagessen. Faller war mein bester Freund, wir kannten uns eigentlich vom Tennis, später dann vom Fußball. Er hatte seine Runde am Donnerstag, bei der ich ab und zu mitspielte, und ich hatte eine Auto- renmannschaft am Montag, bei der Faller nie mitspielte (wir waren tatsächlich so schlecht, dass es nur mit Literatur zu erklären oder aus- zuhalten war). Faller arbeitete beim LKA in der Datenverarbeitung. Er war lang- weilig, aber auf eine angenehme, zuverlässige Art. Vor sieben Jahren hatte ihn seine große Liebe verlassen, und man konnte sich immer super mit ihm über Fußball unterhalten. Dann hatte Faller plötzlich eine neue Freundin, die ich nie zu Gesicht bekam. Sie arbeitete auch beim LKA, in einer anderen Abteilung, und Faller erzählte mir, dass sie ein biss- chen wie Linda Bresonik aussah. Vom Typ her, ein bisschen streng, aber nicht ungeil. Ich wusste nicht, wer Linda Breso- nik war. Faller erzählte mir die ganze Linda-Bresonik-Geschichte, und ich fand sie nicht schlecht. Oder zu- mindest völlig okay, wenn man lieber nicht über sich selbst reden will. Andreas Merkel Linda Bresonik, ein Roman In der Abwehr spielen immer die Denker Das sieht man an Babett Wär ich beim Reimen gelenker Ich schrieb’ ihr ein Sonett Auf dem Rückflug von den Olympi- schen Spielen in China, bei denen sie mit der Nationalmannschaft die Bronzemedaille gewann, hat sie neun Stunden geschlafen, während neben ihr Dirk Nowitzki saß. Wer sich von großen Namen so wenig aus der Ruhe bringen lässt, hat als Abwehr- spielerin eine Zukunft. In Oschatz ist sie geboren, im tiefen Sachsen, kurz vor dem Ende der DDR. In diesem fernen Land bekamen Generationen von Jugendlichen zur Jugendweihe den RFT-Kassettenrekorder „Babett“ geschenkt. Wenn in Deutschland eines Tages wieder Luxus-Produkte so genannt werden sollten, dann könnte es wegen Babett Peter sein. Jochen Schmidt Vorzüge von Babett Peter Sie ist das Ass der Fußballfrauen, mit Schüssen Die wie gepeitschte Vorhände sind, und einem Freistoß Wie schneidendem Slice. Wenn sie volley zu einem Über- Kopf-Ball ansetzt, gleicht er einem Schmetterschlag. Sie verwandelt ihre Matchbälle wie eine Ballmaschine Kennt niemals einen Stopp, ob longline oder cross Kritik gibt ihr erst recht den Kick, und selbst Nach einem Kreuzbandriss ist sie wieder im Vorteil. Ja, Vorteil Inka Grings, die nur Spiel, Schuss Und Sieg kennt. Dreihundertdreißig direkte Punkte Im Lokalverein und einundsechzig Winner Für das deutsche Team: First Service für unser Land. (Und ein Lob auch auf den örtlichen Tennisverein Dessen Herren ihren Aufnahmeantrag einst returnierten – Nur deshalb schlug sie mit sechs bei den Fußballmädchen Auf und wurde der Nationaldamen schnellstes Ass.) Norbert Kron Lob der Grings (Inka Grings) Die Studenten heute: faul, ohne Ehrgeiz, ohne Leidenschaft, sagt ein Hochschullehrer kopfschüt- telnd zum anderen und nimmt, Punkt 15 Uhr, den Ausgang. Saskia Bartusiak, Olympiamedaillen- gewinnerin, Europameisterin, Weltmeisterin mit 28 Jahren, wissenschaftlich diplomiert: „Die Entwicklung von sozioökonomi- schen Bedingungen im deutschen Frauenfußball am Beispiel von Nationalspielerinnen zwischen 1997 und 2009“, Goethe-Universität, Frankfurt, Fakultät für Sportwissenschaften. Auch wenn sie nur selten käme, und wenn sie, in der letzten Reihe sitzend, nur träumte von: Weiter Abschlag, Geplänkel im Mittelfeld, plötzlicher Pass in die Tiefe, Zug zum Tor, grenzenloser Jubel Wäre ich ihr Dozent, ich fragte neugierig wie sie das schaffte, immer im Wechsel Klausuren und Grätschen, Prüfungen und Temposprints, Hausarbeiten und Auswärtsspiele, und hoffte insgeheim, sie würde mich, statt einer Antwort, zum Kicken mitnehmen. Daniel Siemens Die Studentin (Saskia Bartusiak) Als Kind war ich ein glühender Ver- ehrer von verrückten Sportlern wie Wolfram Wuttke oder Dennis Rod- man oder Ailton, die zwar unter uns wandeln, aber keine von uns sind. Solche Menschen hingen auf riesigen Postern in meinem Zimmer. Nun bin ich älter geworden, ich verehre keine Sportler mehr, und in meinem Zim- mer hängt überhaupt kein Poster mehr. Beim ersten Frauenfußballspiel, das ich mir live im Fernsehen an- geschaut habe, war sie dabei. Un- auffällig zwar, aber diesen Namen kann man einfach nicht vergessen, wenn man ihn einmal behalten hat. Kerstin Garefrekes ist nicht wie Wolfram Wuttke und auch nicht wie Ailton. Sie ist wie Kerstin Garefrekes. Sie hat mehr als 120 Länderspiele absolviert und dabei als Mittelfeld- spielerin mehr als 40 Tore geschos- sen. Und sie war immer dabei, wenn die Nationalelf einen Titel oder eine olympische Medaille gewonnen hat. Sie trägt keine Pumps mit Sieben- Zentimeter-Absätzen, sie feiert ihre Erfolge nicht in Nobeldiskotheken. Wahrscheinlich sitzt sie einen Tag, nachdem sie Weltmeisterin gewor- den ist, wieder in ihrem Büro in der Stadtkämmerei Frankfurt und denkt über irgendeinen Paragraphen nach. Genau deshalb ist sie so anders als die anderen Sportler, die ich kenne. Würde mir meine Frau in unse- rem Schlafzimmer ein Poster er- lauben, dann hinge da eines von Kerstin Garefrekes. Jürgen Schmieder Kerstin Garefrekes Frauenfußball interessiert mich nicht die Bohne. Außer Simone. Blitzschnell, schussstark, immer fair – so ist Simone Laudehr. Schön, dass ich denselben Planeten bewohne wie Simone. So komme ich ihr ganz bestimmt einmal näher, der guten Simone Laudeher. Dann sitzen wir bei einem Glas Mineralwasser ohne,* ich und Simone, und ich sage: „Sie gefallen mir. Sie gefallen mir sehr, meine liebe Simone Laudehr. Schenk meinem bescheidenen Leben die Krone, geliebte Simone, und aus Laudehr und Laudehr- verehrer werden Frau Zehrer-Laudehr und Herr Laudehr-Zehrer.“ * Der Verfasser bedauert, dass Lau- dehr nicht Tanja heißt, denn viel lieber tränke er mit ihr eine Flasche Schampanja. Klaus Cäsar Zehrer Ode auf Simone Laudehr birgit prinz ist fit. birgit prinz trimmt. birgit prinz trinkt nicht. birgit prinz isst viel kiwis. birgit prinz springt wie hirschkitz. birgit prinz ist riesig. schiri ist blind. schiri trimmt nicht. schiri trinkt whisky. schiri frisst risi-bisi. schiri ist dick. schiri ist winzig. schiri ist windig. schiri liebt schicki-micki-stil. schiri liebt teenies mit minipli. birgit prinz liegt mit schiri im clinch. spiel ist irrsinnig wichtig. spiel ist krimi: vier vier! birgit prinz spielt mit instinkt. birgit prinz schießt mit links. birgit prinz tiriliert: yippieh! ding ist drin! itzt gilt’s! schiris sicht ist limitiert. schiri sieht ding nicht drin. schiri gibt’s nicht. birgit prinz sichtlich irritiert: wie? schiri grinst. birgit prinz mit ingrimm: ich find’s nicht witzig. schiri: hihihi. birgit prinz hitzig: irrwitz! schiri stiehlt mir sieg! schiri nickt listig. birgit prinz stinkt’s. birgit prinz wird richtig wild. birgit prinz schrill: blindfisch! schiri spricht mist! birgit prinz imitiert film „kill bill“. birgit prinz nimmt schiri ins visier. sprint! birgit prinz kickt. birgit prinz drischt schiri ins nichts. schiri fliiiiiegt bis rimini. birgit prinz: sieg! Florian Werner birgits irrwitz (Birgit Prinz) Trainer sind Feldherren. Sie tragen das Schlachtfeld als Magnettafel bei sich. Sie führen darauf Strategien und Systeme gegeneinander, machen einen Matchplan. Sie fordern Schussstärke und Präzision. Schlim- mer noch, Trainer sind Sexbestien. Sie wollen, dass man den Gegner zu fassen bekommt. Dass er deinen Atem spürt. Dass du ihn permanent deckst. Nicht dass all diese Metaphern- gebirge abgetragen wären, aber verbraucht haben sie sich doch, die martialischen Sprachmuster. In schöner Gleichzeitigkeit hat sich der Frauenfußball emanzipiert. Nur brauchte es dafür naturgemäß Frau- en mit Kämpferherz, die voran- gingen: Am 28. Mai 1988 drang Silvia Neid mit einem grandiosen Volley- schuss als erste Frau in die Domäne des Männerfußballs ein – Tor des Monats in der ARD-Sportschau. Seitdem ist sie dabei, ein Gesamt- kunstwerk zu schaffen, das ihre männlichen Kollegen nur beneiden können: Als Spielerin sieben Deut- sche Meistertitel, sechs DFB-Pokal- siege, 111Länderspiele mit 48 Toren, drei EM-Titel. Als Trainerin führte sie das Nationalteam zum WM-Titel in Shanghai und zum EM-Sieg in Helsinki. Neid weiß auch, dass sie in ihren modischen Anzügen und Blusen das Ideal der modernen erfolgreichen Geschäftsführerin abbildet. In der Kabine kennen wir sie nicht, nur am Mikrofon. Dort stellt sie sich immer vor ihre Frauen- schaft, wenn es nicht so läuft. Und wenn sie dann wieder gewonnen hat, wirkt sie gelöst, lächelt ausgiebiger als ihre männlichen Kollegen. Nein, sie ist keine Amazonenkönigin. Jan Böttcher Das Herz der Feldherrin (Silvia Neid) Kim Kulig Noch nie, liebe Kim, habe ich eine Dame mit einer solchen Fackel gese- hen wie dich. Fackel, das sagt man wo ich herkomme gerne, ich weiß nicht, wie das in Schwaben ist. Das müss- test Du mir mal erzählen. Rums, Granate, Klebe? Oder a Schüssle? Entschuldigt, liebe Schwaben, aber eins ist sicher: Für die Art, wie Kim die Dinger aufs Tor jagt, müsstet ihr ein neues Wort erfinden! Das ist Dynamik, von der nachts träumt, wer sich jahrelang durch den deutschen Amateurfußball ge- schleppt hat. Niemand denkt doch mehr an Klinsi oder Buchwald, nee, die Kim ist der neue Schlagerexport aus dem Ländle. Vielleicht, liebe Kim, liegt es an der guten Milch, dem vorzüglichen Klima und den ge- pflegten Rasenplätzen bei euch im warmen Süden – ich aber glaube, eine wie du wäre auch an jedem anderen Ort, Castrop-Rauxel oder Bremerhaven, zu dem geworden, was sie ist. Jahrgang 1990: Als ich es zum ersten Mal las, wurde mir schwinde- lig. So alt bin ich ja nun auch wieder nicht. Aber in deinem Geburtsjahr saß ich immerhin als 8-jähriger Steppke vorm TV-Gerät und be- staunte den Kaiser mit offenem Mund. Liebe Kim, jemand wie du zeigt mir auch eines: dass unsere Zeit gnadenlos tickt, und darum so kost- bar ist. Das erkenne ich daran, wie du jeden einzelnen Steilpass wie ein Geschenk behandelst. Lass uns unse- re Zeit nutzen, ich schön weiter auf den Äckern dieser großen Fußball- nation, und du in den Herzen unse- rer Stadien. Ich freue mich riesig darauf, dir zuzuschauen. Und bin mir milliardenprozentig sicher: Du lässt in den nächsten Wochen die Keeperinnen dieser Welt erzittern! Marius Hulpe Die Deutsche Fußballnationalmannschaft der Autoren, kurz Autonama, wurde 2005 von Thomas Brussig anlässlich der ersten Autoren-Weltmeisterschaft in San Cascia- no (Toscana) gegründet. Seitdem haben sich bereits mehr als 60 deutsche Roman- ciers, Dramatiker und Lyriker das weiß- schwarze Nationaltrikot übergezogen. Die meisten Teammitglieder leben und ar- beiten in Berlin, wo sie jeden Montag- abend gemeinsam trainieren. Auswärts- spiele führten die Autonama, die von der Kulturstiftung des DFB unterstützt wird, u.a. nach Tel Aviv, Riad, London, Malmö, Lillehammer und Wien. Bei wichtigen Partien stehen prominente Fußballlehrer wie Hans Meyer, Uwe Rapolder oder Dettmar Cramer am Spielfeldrand. 2010 gewann die Autonama mit einem Fi- nalsieg über das türkische Autorenteam die Autoren-Europameisterschaft 2010 in Unna und Dortmund und sicherte damit ihrem Gasttrainer Jörg Berger, einen Monat vor seinem Tod, seinen letzten Titel. Bei Suhrkamp veröffentlichte die Mannschaft bislang zwei Anthologien mit Fußballtexten: „Titelkampf“ (2008) und „Fußball ist unser Lieben“ (2011). Die Texte über die WM-Fußballerinnen wur- den teilweise aus „Fußball ist unser Lie- ben“ entnommen, teilweise für die Berli- ner Illustrirte Zeitung neu geschrieben. KURZBIOGRAFIEN DER AUTOREN Jan Böttcher, geb.1973 in Lüneburg, lebt in Berlin, spielt im Mittelfeld und ist Trai- ner der Autorennationalmannschaft. Letzte Buchveröffentlichung: Nachglühen (2008). Falko Hennig, geb. 1969 in Berlin, lebt in Berlin und spielt in der Verteidigung. Letzte Buchveröffentlichungen: Volle Pulle Leben (Hg., 2005), 100% Berlin (2008), Der Eisbär in der Anatomie (2010). Marius Hulpe, geb. 1982 in Soest, lebt in Hildesheim und spielt in der Verteidi- gung. Letzte Buchveröffentlichungen: Wiederbelebung der Lämmer (2008), Privataufnahme (2009). Thomas Klupp, geb. 1977 in Erlangen, lebt in Berlin und spielt im Mittelfeld. Letzte Buchveröffentlichung: Paradiso (2009). Norbert Kron, geb. 1965 in München, lebt in Berlin und spielt im Mittelfeld. Letzte Buchveröffentlichungen: Der Begleiter (2008), Autopilot (2002). Andreas Merkel, geb. 1970 in Rendsburg, lebt in Berlin und steht im Tor. Buchver- öffentlichungen: Große Ferien (2000), Das perfekte Ende (2002). Albert Ostermaier, geb. 1967 in Mün- chen, lebt in München und steht im Tor. Letzte Buchveröffentlichung: Zephyr (2008), letztes Theaterstück: Leila und Madschnun (2010). Jochen Schmidt, geboren 1970 in Berlin, lebt in Berlin und spielt in der Verteidi- gung. Seine letzten Buchveröffentlichun- gen sind: Meine wichtigsten Körperfunk- tionen (2007), Schmidt liest Proust (2008), Weltall. Erde. Mensch. (2010). Jürgen Schmieder, geb. 1979 in Tirschen- reuth, lebt in München und spielt im Sturm. Letzte Buchveröffentlichungen: Mein Bauch gehört mir (2008), Du sollst nicht lügen (2010), Ich will in den Himmel (2011). Daniel Siemens, geboren 1975 in Biele- feld, lebt in Bielefeld und spielt in der Verteidigung. Seine letzten Buchveröffent- lichungen sind: Metropole und Verbre- chen (2007), Horst Wessel. Tod und Ver- klärung eines Nationalsozialisten (2009). Florian Werner, geb. 1971in Berlin, lebt in Berlin und spielt in der Verteidigung. Letzte Buchveröffentlichungen: Die Kuh: Leben, Werk und Wirkung (2009), Dunk- le Materie: Die Geschichte der Scheiße (2011). Klaus Cäsar Zehrer, geb. 1969 in Schwa- bach, lebt in Berlin und spielt im Mittel- feld. Letzte Buchveröffentlichungen: Knut Großmut, der Raubtierbändiger (2010), Der Kackofant (2011). Romanciers, Dramatiker und Lyriker: Das ist die Nationalmannschaft der Autoren Sie läuft so Wie eine Gazelle, Nicht nur so schön, Sondern auch so schnelle. Krahn erinnert an das altgriechische geranoV: Kranich. Aber auch an eine Einrichtung zur Verladung von Lasten. Metapher kam spontan: Kopfbälle wie ein Kran. Aber Kräne köpfen nicht, und auch die Kraniche ziehen. Annike Krahn! Schon mit vier Jahn Führte dich ein Galan An den Fußball heran. Ach, Annike Krahn! Alle, die dich sahn, um die war es geschahn. (Gerate in Reimeswahn.) Ach, Annike Krahn! Bochum hats dir angetan. Die Stadt ist dein Kumpan. Das Bein ist dein Organ, Du nutzt es filigran, Ach, Annike Krahn! Falko Hennig Ode an Annike Krahn dapd/Sebastian Widmann (3), dapd/Thomas Lohnes, dpa/Friso Gentsch, dpa/Thomas Eisenhut (2), dpa/Carmen Jaspersen, Getty Images/ Alexander Hassenstein (2), Getty Images/Lars Baron

Frauen im grünen Bereich

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Oden an die deutsche Frauenfußballnationalmannschaft

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Page 1: Frauen im grünen Bereich

Manche mögen es für nebensächlich halten, wenn diese Frauen in zwei Wochen in Deutschland Fußball-Weltmeisterinnen werden wollen.Wir sehen das anders. Die Nationalmannschaft der Autoren stellt uns elf Spielerinnen in Gedichten und Geschichten vor

Liebe Lira,Du hast viele Fans, so viele wie der

Rasen im Turbine-Stadion Grashal-me zählt, aber ich versichere Dir: Ichbin Dein größter. Ich bin es schonlange. Schon ehe ich Deine unwider-stehlichen Sololäufe verfolgen durf-te, schon ehe Du mit diesem artisti-schen Chip unter die Latte DeinenElfmeter zum 5:4 im Champions-League-Finale gegen Lyon verwan-delt hast, schon ehe ich Deine Bio-grafie „Mein Tor ins Leben“ las –schon vor alledem war ich Dein.Meine Bewunderung oder besser:Verschossenheit geht weiter zurück.Ins Jahr 2007, auf den 6. Oktober2007, um genau zu sein. Du warst zuGast im ZDF-Sportstudio, standest –very ladylike – im anthrazitfarbenenZweiteiler neben Wolf-Dieter Po-schmann und hast auf die Torwandgeschossen. Zwei von dreien untenrechts ganz nebenbei, danach erst hatdie Kamera auf Deine Füße ge-schwenkt. Auf diese alcantara-schwarzen Pumps mit ihren nadel-spitz zulaufenden 7-Zentimeter-Absätzen, auf denen ich keine dreiSchritte weit laufen könnte, ohne mirdie Knöchel zu brechen. Spätestensda war es um mich geschehen. Ele-ganz und Präzision, Anmut undEntschlossenheit – ich kenne keineFußballerin, ach was, keine Frau, diedas in dieser Perfektion vereint. Mitgenau dieser Mischung machst DuDich und uns alle am 17. Juli zuWeltmeistern. Darauf gehe ich jedeWette ein.

Dein größter Fan, ThomasThomas Klupp

Liebesbrief an Lira(Fatmire »Lira«Bajramaj)

4 12.06.11 Sonntag, 12. Juni 2011 BM-VP2Belichterfreigabe: -- Zeit:::Belichter: Farbe:

BM/BM/BM-VP212.06.11/1/004 CSCHUELE 5% 25% 50% 75% 95%

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Berliner Illustrirte Zeitung ✦ Pfingsten 20114 Titel

5 12.06.11 Sonntag, 12. Juni 2011 BM-VP2Belichterfreigabe: -- Zeit:::Belichter: Farbe:

BM/BM/BM-VP212.06.11/1/005 CSCHUELE 5% 25% 50% 75% 95%

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Titel 5

natze ging immer quer auf den platz durchs leben die torlinie war nie ihr aus ihre pupillen scharfmacher suchmaschinen sie zoomt den ball auf augenhöhe jeder blickwechsel ein reflex sie sieht was kommt was kommen muss bevor es kommt ein fuss der schuss ihr gegenschuss die sprung gelenke photomotoren bild für bild belichtet sie die mauern traumpässe rücken die im abseits stehen den regen die stadien in der kälte der städte das herzschlagfinale sie lässt kein tor zu und öffnet es in die welt für die weite zwischen den pfosten wenn sie dort steht als stünde sie still

Albert Ostermaier

ode an natze(Nadine Angerer)

Frauen-WM: Dieser Sommer ist mirin besonders schlechter Erinnerung.Ich lebte damals noch in Berlin undwollte einen neuen Roman schrei-ben, obwohl ich eigentlich gut ver-sorgt war oder zumindest – wie wiralle – auch so schon genug zu tunhatte. („Damals“: als könnte dich soein Wörtchen vor dem Heute be-schützen.)

Jedenfalls verabredete ich mich sooft wie möglich und unter den lä-cherlichsten Vorwänden mit Fallerzum Mittagessen. Faller war meinbester Freund, wir kannten unseigentlich vom Tennis, später dannvom Fußball. Er hatte seine Rundeam Donnerstag, bei der ich ab und zumitspielte, und ich hatte eine Auto-renmannschaft am Montag, bei derFaller nie mitspielte (wir warentatsächlich so schlecht, dass es nurmit Literatur zu erklären oder aus-zuhalten war).

Faller arbeitete beim LKA in derDatenverarbeitung. Er war lang-weilig, aber auf eine angenehme,zuverlässige Art. Vor sieben Jahrenhatte ihn seine große Liebe verlassen,und man konnte sich immer supermit ihm über Fußball unterhalten.

Dann hatte Faller plötzlich eineneue Freundin, die ich nie zu Gesichtbekam. Sie arbeitete auch beim LKA,in einer anderen Abteilung, undFaller erzählte mir, dass sie ein biss-chen wie Linda Bresonik aussah.Vom Typ her, ein bisschen streng,aber nicht ungeil.

Ich wusste nicht, wer Linda Breso-nik war. Faller erzählte mir die ganzeLinda-Bresonik-Geschichte, und ichfand sie nicht schlecht. Oder zu-mindest völlig okay, wenn man liebernicht über sich selbst reden will.

Andreas Merkel

Linda Bresonik,ein Roman

In der Abwehr spielen immer dieDenker Das sieht man an Babett Wär ich beim Reimen gelenker Ich schrieb’ ihr ein Sonett

Auf dem Rückflug von den Olympi-schen Spielen in China, bei denen siemit der Nationalmannschaft dieBronzemedaille gewann, hat sie neunStunden geschlafen, während nebenihr Dirk Nowitzki saß. Wer sich vongroßen Namen so wenig aus derRuhe bringen lässt, hat als Abwehr-spielerin eine Zukunft. In Oschatz istsie geboren, im tiefen Sachsen, kurzvor dem Ende der DDR. In diesemfernen Land bekamen Generationenvon Jugendlichen zur Jugendweiheden RFT-Kassettenrekorder „Babett“geschenkt. Wenn in Deutschlandeines Tages wieder Luxus-Produkteso genannt werden sollten, dannkönnte es wegen Babett Peter sein.

Jochen Schmidt

Vorzüge vonBabett Peter

Sie ist das Ass der Fußballfrauen, mitSchüssen Die wie gepeitschte Vorhände sind,und einem Freistoß Wie schneidendem Slice. Wenn sievolley zu einem Über- Kopf-Ball ansetzt, gleicht er einemSchmetterschlag.Sie verwandelt ihre Matchbälle wieeine Ballmaschine Kennt niemals einen Stopp, ob longline oder cross Kritik gibt ihr erst recht den Kick, undselbst Nach einem Kreuzbandriss ist siewieder im Vorteil.Ja, Vorteil Inka Grings, die nur Spiel,Schuss Und Sieg kennt. Dreihundertdreißigdirekte Punkte Im Lokalverein und einundsechzigWinner Für das deutsche Team: First Servicefür unser Land.

(Und ein Lob auch auf den örtlichenTennisverein Dessen Herren ihren Aufnahmeantrageinst returnierten – Nur deshalb schlug sie mit sechs beiden Fußballmädchen Auf und wurde der Nationaldamenschnellstes Ass.)

Norbert Kron

Lob der Grings(Inka Grings)Die Studenten heute: faul, ohne

Ehrgeiz, ohne Leidenschaft,sagt ein Hochschullehrer kopfschüt-telnd zum anderen und nimmt, Punkt 15 Uhr, den Ausgang.Saskia Bartusiak, Olympiamedaillen-gewinnerin,Europameisterin, Weltmeisterin mit28 Jahren,wissenschaftlich diplomiert:„Die Entwicklung von sozioökonomi-schen Bedingungenim deutschen Frauenfußballam Beispiel von Nationalspielerinnenzwischen 1997 und 2009“,Goethe-Universität, Frankfurt, Fakultät für Sportwissenschaften.Auch wenn sie nur selten käme,und wenn sie, in der letzten Reihesitzend, nur träumte von:Weiter Abschlag,Geplänkel im Mittelfeld,plötzlicher Pass in die Tiefe,Zug zum Tor,grenzenloser Jubel …Wäre ich ihr Dozent, ich fragteneugierigwie sie das schaffte, immer im WechselKlausuren und Grätschen,Prüfungen und Temposprints,Hausarbeiten und Auswärtsspiele,und hoffte insgeheim,sie würde mich, statt einer Antwort,zum Kicken mitnehmen.

Daniel Siemens

Die Studentin(Saskia Bartusiak)

Als Kind war ich ein glühender Ver-ehrer von verrückten Sportlern wieWolfram Wuttke oder Dennis Rod-man oder Ailton, die zwar unter unswandeln, aber keine von uns sind.Solche Menschen hingen auf riesigenPostern in meinem Zimmer. Nun binich älter geworden, ich verehre keineSportler mehr, und in meinem Zim-mer hängt überhaupt kein Postermehr.

Beim ersten Frauenfußballspiel,das ich mir live im Fernsehen an-geschaut habe, war sie dabei. Un-auffällig zwar, aber diesen Namenkann man einfach nicht vergessen,wenn man ihn einmal behalten hat.Kerstin Garefrekes ist nicht wieWolfram Wuttke und auch nicht wieAilton. Sie ist wie Kerstin Garefrekes.Sie hat mehr als 120 Länderspieleabsolviert und dabei als Mittelfeld-spielerin mehr als 40 Tore geschos-sen. Und sie war immer dabei, wenndie Nationalelf einen Titel oder eineolympische Medaille gewonnen hat.

Sie trägt keine Pumps mit Sieben-Zentimeter-Absätzen, sie feiert ihreErfolge nicht in Nobeldiskotheken.Wahrscheinlich sitzt sie einen Tag,nachdem sie Weltmeisterin gewor-den ist, wieder in ihrem Büro in derStadtkämmerei Frankfurt und denktüber irgendeinen Paragraphen nach.Genau deshalb ist sie so anders als dieanderen Sportler, die ich kenne.

Würde mir meine Frau in unse-rem Schlafzimmer ein Poster er-lauben, dann hinge da eines vonKerstin Garefrekes.

Jürgen Schmieder

Kerstin Garefrekes

Frauenfußball interessiert mich nichtdie Bohne.Außer Simone.Blitzschnell, schussstark, immer fair –so ist Simone Laudehr.Schön, dass ich denselben Planetenbewohnewie Simone.So komme ich ihr ganz bestimmteinmal näher,der guten Simone Laudeher.Dann sitzen wir bei einem Glas Mineralwasser ohne,*ich und Simone,und ich sage: „Sie gefallen mir. Siegefallen mir sehr,meine liebe Simone Laudehr.Schenk meinem bescheidenen Lebendie Krone,geliebte Simone,und aus Laudehr und Laudehr-verehrerwerden Frau Zehrer-Laudehr undHerr Laudehr-Zehrer.“* Der Verfasser bedauert, dass Lau-dehr nicht Tanja heißt, denn viel liebertränke er mit ihr eine FlascheSchampanja.

Klaus Cäsar Zehrer

Ode auf Simone Laudehr

birgit prinz ist fit.birgit prinz trimmt.birgit prinz trinkt nicht.birgit prinz isst viel kiwis.birgit prinz springt wie hirschkitz.birgit prinz ist riesig.schiri ist blind.schiri trimmt nicht.schiri trinkt whisky.schiri frisst risi-bisi.schiri ist dick.schiri ist winzig.schiri ist windig.schiri liebt schicki-micki-stil.schiri liebt teenies mit minipli.birgit prinz liegt mit schiri im clinch.spiel ist irrsinnig wichtig.spiel ist krimi: vier vier!birgit prinz spielt mit instinkt.birgit prinz schießt mit links.birgit prinz tiriliert: yippieh! ding istdrin! itzt gilt’s!schiris sicht ist limitiert.schiri sieht ding nicht drin.schiri gibt’s nicht.birgit prinz sichtlich irritiert: wie?schiri grinst.birgit prinz mit ingrimm: ich find’snicht witzig.schiri: hihihi.birgit prinz hitzig: irrwitz! schiristiehlt mir sieg!schiri nickt listig.birgit prinz stinkt’s.birgit prinz wird richtig wild.birgit prinz schrill: blindfisch! schirispricht mist!birgit prinz imitiert film „kill bill“.birgit prinz nimmt schiri ins visier.sprint!birgit prinz kickt.birgit prinz drischt schiri ins nichts.schiri fliiiiiegt bis rimini.birgit prinz: sieg!

Florian Werner

birgits irrwitz(Birgit Prinz)

Trainer sind Feldherren. Sie tragendas Schlachtfeld als Magnettafel beisich. Sie führen darauf Strategienund Systeme gegeneinander, macheneinen Matchplan. Sie fordernSchussstärke und Präzision. Schlim-mer noch, Trainer sind Sexbestien.Sie wollen, dass man den Gegner zufassen bekommt. Dass er deinenAtem spürt. Dass du ihn permanentdeckst.

Nicht dass all diese Metaphern-gebirge abgetragen wären, aberverbraucht haben sie sich doch, diemartialischen Sprachmuster. Inschöner Gleichzeitigkeit hat sich derFrauenfußball emanzipiert. Nurbrauchte es dafür naturgemäß Frau-en mit Kämpferherz, die voran-gingen: Am 28. Mai 1988 drang SilviaNeid mit einem grandiosen Volley-schuss als erste Frau in die Domänedes Männerfußballs ein – Tor desMonats in der ARD-Sportschau.Seitdem ist sie dabei, ein Gesamt-kunstwerk zu schaffen, das ihremännlichen Kollegen nur beneidenkönnen: Als Spielerin sieben Deut-sche Meistertitel, sechs DFB-Pokal-siege, 111 Länderspiele mit 48 Toren,drei EM-Titel. Als Trainerin führtesie das Nationalteam zum WM-Titelin Shanghai und zum EM-Sieg inHelsinki. Neid weiß auch, dass sie inihren modischen Anzügen undBlusen das Ideal der modernenerfolgreichen Geschäftsführerinabbildet. In der Kabine kennen wirsie nicht, nur am Mikrofon. Dortstellt sie sich immer vor ihre Frauen-schaft, wenn es nicht so läuft. Undwenn sie dann wieder gewonnen hat,wirkt sie gelöst, lächelt ausgiebigerals ihre männlichen Kollegen. Nein,sie ist keine Amazonenkönigin.

Jan Böttcher

Das Herz derFeldherrin(Silvia Neid)

Kim KuligNoch nie, liebe Kim, habe ich eineDame mit einer solchen Fackel gese-hen wie dich. Fackel, das sagt man woich herkomme gerne, ich weiß nicht,wie das in Schwaben ist. Das müss-test Du mir mal erzählen. Rums,Granate, Klebe? Oder a Schüssle?Entschuldigt, liebe Schwaben, abereins ist sicher: Für die Art, wie Kimdie Dinger aufs Tor jagt, müsstet ihrein neues Wort erfinden!

Das ist Dynamik, von der nachtsträumt, wer sich jahrelang durch dendeutschen Amateurfußball ge-schleppt hat. Niemand denkt dochmehr an Klinsi oder Buchwald, nee,die Kim ist der neue Schlagerexportaus dem Ländle. Vielleicht, liebeKim, liegt es an der guten Milch, demvorzüglichen Klima und den ge-pflegten Rasenplätzen bei euch imwarmen Süden – ich aber glaube,eine wie du wäre auch an jedemanderen Ort, Castrop-Rauxel oderBremerhaven, zu dem geworden, wassie ist.

Jahrgang 1990: Als ich es zumersten Mal las, wurde mir schwinde-lig. So alt bin ich ja nun auch wiedernicht. Aber in deinem Geburtsjahrsaß ich immerhin als 8-jährigerSteppke vorm TV-Gerät und be-staunte den Kaiser mit offenemMund. Liebe Kim, jemand wie duzeigt mir auch eines: dass unsere Zeitgnadenlos tickt, und darum so kost-bar ist. Das erkenne ich daran, wie dujeden einzelnen Steilpass wie einGeschenk behandelst. Lass uns unse-re Zeit nutzen, ich schön weiter aufden Äckern dieser großen Fußball-nation, und du in den Herzen unse-rer Stadien. Ich freue mich riesigdarauf, dir zuzuschauen. Und binmir milliardenprozentig sicher: Dulässt in den nächsten Wochen dieKeeperinnen dieser Welt erzittern!

Marius Hulpe

Die Deutsche Fußballnationalmannschaftder Autoren, kurz Autonama, wurde 2005von Thomas Brussig anlässlich der erstenAutoren-Weltmeisterschaft in San Cascia-no (Toscana) gegründet. Seitdem habensich bereits mehr als 60 deutsche Roman-ciers, Dramatiker und Lyriker das weiß-schwarze Nationaltrikot übergezogen. Diemeisten Teammitglieder leben und ar-beiten in Berlin, wo sie jeden Montag-abend gemeinsam trainieren. Auswärts-spiele führten die Autonama, die von der

Kulturstiftung des DFB unterstützt wird,u.a. nach Tel Aviv, Riad, London, Malmö,Lillehammer und Wien. Bei wichtigenPartien stehen prominente Fußballlehrerwie Hans Meyer, Uwe Rapolder oderDettmar Cramer am Spielfeldrand. 2010gewann die Autonama mit einem Fi-nalsieg über das türkische Autorenteamdie Autoren-Europameisterschaft 2010 inUnna und Dortmund und sicherte damitihrem Gasttrainer Jörg Berger, einenMonat vor seinem Tod, seinen letzten

Titel. Bei Suhrkamp veröffentlichte dieMannschaft bislang zwei Anthologien mitFußballtexten: „Titelkampf“ (2008) und„Fußball ist unser Lieben“ (2011). DieTexte über die WM-Fußballerinnen wur-den teilweise aus „Fußball ist unser Lie-ben“ entnommen, teilweise für die Berli-ner Illustrirte Zeitung neu geschrieben.

KURZBIOGRAFIEN DER AUTORENJan Böttcher, geb.1973 in Lüneburg, lebtin Berlin, spielt im Mittelfeld und ist Trai-

ner der Autorennationalmannschaft.Letzte Buchveröffentlichung: Nachglühen(2008).Falko Hennig, geb. 1969 in Berlin, lebt inBerlin und spielt in der Verteidigung.Letzte Buchveröffentlichungen: VollePulle Leben (Hg., 2005), 100% Berlin(2008), Der Eisbär in der Anatomie(2010).Marius Hulpe, geb. 1982 in Soest, lebt inHildesheim und spielt in der Verteidi-gung. Letzte Buchveröffentlichungen:

Wiederbelebung der Lämmer (2008),Privataufnahme (2009).Thomas Klupp, geb. 1977 in Erlangen,lebt in Berlin und spielt im Mittelfeld.Letzte Buchveröffentlichung: Paradiso(2009).Norbert Kron, geb. 1965 in München, lebtin Berlin und spielt im Mittelfeld. LetzteBuchveröffentlichungen: Der Begleiter(2008), Autopilot (2002).Andreas Merkel, geb. 1970 in Rendsburg,lebt in Berlin und steht im Tor. Buchver-

öffentlichungen: Große Ferien (2000),Das perfekte Ende (2002).Albert Ostermaier, geb. 1967 in Mün-chen, lebt in München und steht im Tor.Letzte Buchveröffentlichung: Zephyr(2008), letztes Theaterstück: Leila undMadschnun (2010).Jochen Schmidt, geboren 1970 in Berlin,lebt in Berlin und spielt in der Verteidi-gung. Seine letzten Buchveröffentlichun-gen sind: Meine wichtigsten Körperfunk-tionen (2007), Schmidt liest Proust

(2008), Weltall. Erde. Mensch. (2010).Jürgen Schmieder, geb. 1979 in Tirschen-reuth, lebt in München und spielt imSturm. Letzte Buchveröffentlichungen:Mein Bauch gehört mir (2008), Du sollstnicht lügen (2010), Ich will in den Himmel(2011).Daniel Siemens, geboren 1975 in Biele-feld, lebt in Bielefeld und spielt in derVerteidigung. Seine letzten Buchveröffent-lichungen sind: Metropole und Verbre-chen (2007), Horst Wessel. Tod und Ver-

klärung eines Nationalsozialisten (2009).Florian Werner, geb. 1971 in Berlin, lebtin Berlin und spielt in der Verteidigung.Letzte Buchveröffentlichungen: Die Kuh:Leben, Werk und Wirkung (2009), Dunk-le Materie: Die Geschichte der Scheiße(2011).Klaus Cäsar Zehrer, geb. 1969 in Schwa-bach, lebt in Berlin und spielt im Mittel-feld. Letzte Buchveröffentlichungen: KnutGroßmut, der Raubtierbändiger (2010),Der Kackofant (2011).

Romanciers, Dramatiker und Lyriker: Das ist die Nationalmannschaft der Autoren

Sie läuft soWie eine Gazelle, Nicht nur so schön, Sondern auch so schnelle. Krahn erinnert an das altgriechische geranoV: Kranich.Aber auch an eine Einrichtung zur Verladung von Lasten. Metapher kam spontan:Kopfbälle wie ein Kran.Aber Kräne köpfen nicht,und auch die Kraniche ziehen.Annike Krahn!Schon mit vier JahnFührte dich ein GalanAn den Fußball heran.Ach, Annike Krahn!Alle, die dich sahn,um die war es geschahn.(Gerate in Reimeswahn.)Ach, Annike Krahn!Bochum hats dir angetan.Die Stadt ist dein Kumpan.Das Bein ist dein Organ,Du nutzt es filigran, Ach, Annike Krahn!

Falko Hennig

Ode an Annike Krahn

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