Frauen Und Das Grundeinkommen (Veranstaltung_Artikel_Thesenpapier)

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  • 7/28/2019 Frauen Und Das Grundeinkommen (Veranstaltung_Artikel_Thesenpapier)

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    29. Mai, 20.00 Uhr, Melanchthon Akademie

    Frauen und GrundeinkommenWie beeinflusst ein existenzsicherndes Grundeinkommen die Lebensgestaltung von Frauen und

    das Geschlechterverhltnis?

    Darber wollen wir mit unseren Referentinnen diskutieren. Der theoretisch wissenschaftliche

    Aspekt wird betont durch Frau Dr.Ute Fischer, Mitbegrnderin der Initiative Freiheit statt

    Vollbeschftigung www.freiheitstattvollbeschftigung.de und wissenschaftliche Mitarbeiterin von

    Prof. Neuendorff am Lehrstuhl fr Arbeitssoziologie der Uni Dortmund. Sie ist Diplom-Volkswirtin

    und promovierte Soziologin und beschftigt sich seit 15 Jahren mit Arbeitsforschung und dem

    Geschlechterverhltnis.

    Auerdem haben wir zu Gast Frau Martina Debus-Crott und Frau Christine Stolze-Pfafferodt, die als

    Beraterinnen in derPro Familia

    Beratungssstelle in Kln-Chorweiler arbeiten und durch ihrePraxiserfahrung mit Frauen in Notsituationen, in denen sowohl die oft schwierigen finanziellen

    Verhltnisse als auch die Abhngigkeitssituationen der Frauen von anderen Menschen und/oder

    Sozialbehrden eine belastende Rolle spielen, tagtglich konfrontiert sind.

    Rckblick auf die Veranstaltung vom 29. Mai

    Unsere Veranstaltung Wie beeinflusst ein existenzsicherndes Grundeinkommen das

    Geschlechterverhltnis und die Lebensgestaltung von Frauen?

    fand groen Zuspruch bei den anwesenden Frauen und Mnnern, auch weil der theoretische

    Ansatz durch die Soziologin Ute Fischer und der praxisbezogene Teil mit den Beraterinnen von Pro

    Familia sich gut ergnzten. Alle drei Referentinnen besttigten unsere These, dass die im BGE

    innewohnende Freiheit und die damit verbundene Gleichrangigkeit unterschiedlicher

    Ttigkeitsfelder fr Frauen eine erhebliche Entlastung bringt.

    Ute Fischer betonte die Bedeutung fr das Geschlechterverhltnis, da ein BGE die Gleichstellung

    der Geschlechter befrdern wrde. Gleichheit in Freiheit entlastet auch Mnner, da es ihnen den

    Druck nimmt, als Ernhrer fr eine potentielle Familie verantwortlich zu sein.

    Martina Debus-Crott und Christine Stolze-Pfafferodt beschrieben anschaulich, welchem Wust von

    Papierkram junge Frauen ausgesetzt sind, die schwanger werden und ALG II beziehen.

    In der lebhaften Diskussion wurde vor allem deutlich, dass die Zahlung eines Grundeinkommens

    die Infragestellung und Diffamierung persnlicher Lebensentwrfe beenden knne.

    Die Psychologin Christine Stolze-Pfafferodt hob die Bedeutung von Stress und Angst hervor, die bei

    Frauen in Konfliktsituationen entstehen und sich negativ auf sie selbst, wie auch auf die

    Schwangerschaft auswirken.

    Vieles konnte nur angerissen werden, von unseren Thesen wurden einige mehr, einige weniger

    ausfhrlich behandelt. Umso mehr freuten wir uns ber das Angebot aller Referentinnen, zu einem

    zustzlichen Abend unter thematisch hnlichen Schwerpunkten noch einmal zu uns zu kommen.

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    Wie beeinflusst ein existenssicherndes Grundeinkommen das Geschlechterverhltnisund die Lebensgestaltung von Frauen?

    1. Entscheidung fr Kinder wird erleichtert!2. Frderung der Unabhngigkeit3. Ermglichung von freiberuflicher Ttigkeit4. Nimmt den Druck auf Mtter mit kleinen Kindern bei Erwerbslosigkeit und

    Trennung/Scheidung5. Entlastet die Partnerschaft6. Schafft die Basis fr gleichberechtigte Begegnung in Liebesbeziehungen7. Entlastet getrennte Paare mit Kindern8. Bringt Entspannung in die Situation Alleinerziehender9. Erleichtert die Entscheidung zur Pflege von Angehrigen10.Trgt der Arbeitsmarktsituation Rechnung11.Schafft langfristig gesellschaftliche Akzeptanz fr persnliche Lebensgestaltungen

    Zu 1)

    Immer mehr Paare entscheiden sich gegen eigene Kinder, wobei wesentliche Grnde inder unsicheren Arbeitsmarktlage, als auch in den heutigen unsicherenPartnerschaftsgestaltungen liegen drften. Die Perspektive, langfristigeUnterhaltsleistungen erbringen zu mssen, schreckt viele Mnner davon ab, sich fr einKind zu entscheiden. Frauen mit Kinderwunsch stehen oft vor der Frage: begebe ich michin die finanzielle Abhngigkeit eines Mannes oder eines Amtes mit allen darauserwachsenden Konsequenzen der Unfreiheit. Auch Frauen, die schwanger werden, ohneeine feste Beziehung zu haben und/oder sich noch am Beginn ihres Berufslebens befinden,knnten sich mit BGE leichter fr das Kind entscheiden. Bei prekr Beschftigten (einesteigende Gruppe der Erwerbsttigen) und Menschen mit sporadischen Verdiensten (z.B.im knstlerischen Bereich oder bei Freiberuflern) wird die Kinderfage fast schonautomatisch verneint, weil die Unsicherheiten zu gro sind. Die heutigen Gesetze zuMutterschutz, Elterngeld und Arbeitsplatzgarantie etc. knnen von diesem Personenkreisnicht genutzt werden.

    Zu 2) Das jetzige System der sozialen Sicherung (Hartz IV) frdert die Abhngigkeit von

    Frauen, ist somit eine Rolle rckwrts im Kampf der Frauen fr mehr Gleichberechtigungund Unabhngigkeit. In heutigen Zeiten der Partnerschaften auf Zeit entsteht dadurch einhoher Druck fr potentielle Beziehungspartner und das grundstzlich gewnschteverbindliche Einlassen auf eine Partnerschaft wird manches Mal schon im Keim erstickt,wenn einer der Partner von Sozialleistungen abhngig ist. So verhindert man bereits dieersten Schritte in einer beginnenden Beziehung, wenn von vornherein feststeht, dassDerjenige, der Geld verdient, sofort zum Unterhalt des anderen herangezogen wird.

    Zu 3)

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    Viele Lebensbiografien von Frauen zeichnen sich durch Brche aus, die durch Zeiten vonKindererziehung, befristeten Beschftigungsverhltnissen, Trennungen etc. geprgt sind.Das bedeutet, dass oft keinerlei Rcklagen gebildet werden konnten. Wenn diese Frauennun versuchen, sich eine eigene Selbstndigkeit aufzubauen, sind sie vom ersten Tag angezwungen, von ihrer Ttigkeit zu leben, zumindest dann, wenn sie weder ein

    Finanzpolster noch einen gut verdienenden Ehemann vorweisen knnen. Einausreichendes Grundeinkommen knnte einen Grndungsboom auslsen, da es einenormes Potential und viel Phantasie unter den Frauen gibt, das unter Existenzdruck undmterschikanen nicht wachsen kann.

    Zu 4)

    Mtter von kleinen Kindern stehen bei Erwerbslosigkeit und nach Trennungen undScheidungen unter einem hohen finanziellen Druck, der oft dazu fhrt, dass sie in derMhle zwischen Sozialbehrden und prekren Beschftigungsmglichkeiten (sofern dennwenigstens diese vorhanden sind) zermahlen werden. Das fhrt in der Folge dazu, dass

    sie den Druck an ihre Kinder weitergeben (burnout-Syndrom der Mtter,Verhaltensaufflligkeit der Kinder etc.) und /oder schnell bereit sind, sich in fragwrdigeBeziehungen zu begeben, um wenigstens den Existenzdruck zu minimieren. DieLeidtragenden sind in erster Linie die Kinder, aber auch die Mtter selbst.

    Zu 5)

    Ein existenzsicherndes Grundeinkommen entlastet die Partnerschaften und nimmt auchden Druck auf die Mnner, die dem Anspruch, eine Familie ernhren zu mssen, oft nichtgewachsen sind. Auch weil sie selbst vielleicht gerade Sozialleistungen beziehen mssenoder sich in einem unsicheren und/oder befristeten Arbeitsverhltnis befinden. Wie auszahlreichen Untersuchungen hervorgeht, ist das Thema Geld das grte Konfliktthemaberhaupt in Partnerschaften. In nicht wenigen Fllen fhren schwierige finanzielleVerhltnisse und der, aufgrund der Sozialisation und auch der kulturellen Prgungen alsbesonders extrem empfundene Druck auf die Mnner auch zu Gewalt gegen Frauen undKinder. Ein BGE wrde zu mehr Entspannung innerhalb der Beziehungen beitragen, unddamit vielleicht auch zu mehr Bestndigkeit, da Entscheidungen freinander in einerAtmosphre der Freiheit getroffen werden knnen, und somit tragfhiger sind.

    Zu6)

    Das BGE schafft die Vorraussetzung zum Verzicht auf Rollenklischees und ermglichteine individuelle Gestaltung der Partnerschaft. Schon bei der Partnerwahl ist derVersorgungsdruck berflssig und Mnner knnen sich von ihrer oft vorhandenen starrenund einengenden Identifikation ber Beruf und Karriere befreien. Das fhrt auchinnerhalb der Paarbeziehung zu mehr Verhaltensoptionen.

    Zu 7)

    Elternpaare, die sich trennen, knnen mit BGE entspannter miteinander umgehen, da dasleidige Thema Geld nicht mehr so eine groe Rolle spielt. Es ermglicht ihnen so einproblemloseres Elternsein trotz Trennung. Besonders, wenn kleine Kinder zu betreuen

    sind, ermglicht das Grundeinkommen einem oder beiden Partnern zeitweise auf denBeruf zu verzichten oder weniger zu arbeiten, um fr die Kinder da sein zu knnen.

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    Zu 8)

    Alleinerziehende beiderlei Geschlechts knnten sich ohne schlechtes Gewissen und allzugroe finanzielle Sorgen selbst zeitweise um ihre Kinder kmmern, statt, wie heute sohufig, fr einen Betreuungsplatz arbeiten zu gehen. Wobei sowohl der Betreuungsplatz(Stichwort Schlieungen der Horte) als auch die Arbeit oft nicht optimal sind und zuStress und berforderung fhren knnen.

    Zu 9)

    Unsere Bevlkerung wird immer lter. In der Angehrigenpflege sind berwiegendFrauen ttig. Manche verzichten fr die Pflege der eigenen Mutter oder derSchwiegermutter auf ein eigenes Gehalt, wenn denn die Mglichkeit der Erwerbsttigkeitgrundstzlich besteht. Frauen, die ALG II beziehen, werden von den mtern in Ein-Euro-

    Jobs gedrngt, obwohl sie viel lieber ihre Angehrigen pfegen wrden. So mu die Mutterins Seniorenheim und die Frau in den Ein-Euro-Job, anstatt der Frau die Mglichkeit zugeben, selbst fr ihre Mutter da zu sein, wenn sie es denn mchte. Ist sie erwerbsttig undwrde trotzdem gern mehr fr ihre alten Eltern da sein, knnte sie mit dem BGE dieArbeitszeit reduzieren, um sich um die Eltern zu kmmern. Das Gleiche gilt natrlichauch fr Mnner.

    Zu 10)

    Insgesamt trgt das BGE sowohl der heutigen Arbeitsmarktsituation Rechnung, als auchden Lebensentwrfen der Menschen. Die frhere Versorgerehe ist genauso auf demRckmarsch wie lebenslange Partnerschaften und lebenslange Arbeitsstellen. Das Lebenbesonders in den Stdten ist heute so vielfltig und bunt mit allen Unsicherheiten inPartnerschaft und Beruf, dass eine Grundversorgung Aller sowohl der gesellschaftlichenStimmung als auch kulturellen Vielfalt und damit den Frauen und Mnnern und Kinderngut tun wrde!

    Zu 11)

    Zeiten von freiwilliger oder unfreiwillliger Erwerbslosigkeit bzw. die Zeit zwischen zweiJobs (bei Freiberuflern und Knstlern hufig) knnen zur Familiengrndung genutzt

    werden, statt diese immer weiter hinauszuschieben, bis es nicht mehr mglich ist.Erwerbsbiografien sind zunehmend brchig. Das BGE ermglicht die Freiheit, dieeigenen Prioritten im Leben individuell zu setzen. Langfristig erhalten auf diese Weisedie persnlichen Gewichtungen im Leben die Anerkennung, die sie verdienen. DieAbwechslung von Zeiten der Erwerbsttigkeit mit anderen Zeiten, die individuell genutztwerden knnen (z.B. zur Familienarbeit) wird normal und entgeht damit derDiffamierung.