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Förderprogramme für Vor- und Grundschule Marcus Hasselhorn Wolfgang Schneider (Hrsg.) Tests und Trends – Jahrbuch der pädagogisch- psychologischen Diagnostik

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    Förderprogramme für Vor- und Grundschule

    Marcus Hasselhorn Wolfgang Schneider(Hrsg.)

    Tests und Trends – Jahrbuch der pädagogisch- psychologischen Diagnostik

  • Förderprogramme für Vor- und Grundschule

    Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form vervielfältigt und an Dritte weitergegeben werden. Aus Hasselhorn und Schneider (Hrsg.): Förderprogramme für Vor- und Grundschule

    (9783840927720) © 2016 Hogrefe Verlag, Göttingen.

  • Tests und Trends – Jahrbuch der pädagogisch-psychologischen DiagnostikBand 14Förderprogramme für Vor- und Grundschuleherausgegeben von Prof. Dr. Markus Hasselhorn, Prof. Dr. Wolfgang Schneider

    Herausgeber der Reihe:

    Prof. Dr. Markus Hasselhorn, Prof. Dr. Wolfgang Schneider, Prof. Dr. Ulrich Trautwein

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  • Marcus HasselhornWolfgang Schneider(Hrsg.)

    Förderprogramme für Vor- und Grundschule

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    (9783840927720) © 2016 Hogrefe Verlag, Göttingen.

  • Prof. Dr. Marcus Hasselhorn, geb. 1957. 1977–1983 Studium der Psychologie und Pädagogik. 1986 Promo-tion. 1993 Habilitation. 1993–1997 Professor für Entwicklungspsychologie an der TU Dresden. 1997–2007 Leiter der Abteilung Pädagogische Psychologie und Entwicklungspsychologie an der Universität Göttingen. Seit 2007 Leiter der Arbeitseinheit Bildung und Entwicklung am Deutschen Institut für Internationale Päda-gogische Forschung (DIPF) in Frankfurt am Main.

    Prof. Dr. Wolfgang Schneider, geb. 1950. 1969–1975 Studium der Psychologie, Theologie und Philosophie. 1976–1981 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Psychologischen Institut der Universität Heidelberg. 1979 Pro-motion. 1981–1982 Visiting Scholar an der Stanford University (USA). 1982–1991 Wissenschaftlicher Mit-arbeiter am Max-Planck-Institut für psychologische Forschung in München. 1988 Habilitation. 1990–1991 Vertretung und seit 1991 Inhaber des Lehrstuhls für Pädagogische und Entwicklungspsychologie an der Uni-versität Würzburg.

    Copyright-Hinweis:Das E-Book einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar.Der Nutzer verpflichtet sich, die Urheberrechte anzuerkennen und einzuhalten.

    Hogrefe Verlag GmbH & Co. KGMerkelstraße 337085 Göttingen DeutschlandTel.: +49 551 999 50 0Fax: +49 551 999 50 111E-Mail: [email protected]: www.hogrefe.de

    Satz: Matthias Lenke, WeimarFormat: PDF

    1. Auflage 2016© 2016 Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Göttingen(E-Book-ISBN [PDF] 978-3-8409-2772-0; E-Book-ISBN [EPUB] 978-3-8444-2772-1)ISBN 978-3-8017-2772-7http://doi.org/10.1026/02772-000

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    Anmerkung:Sofern der Printausgabe eine CD-ROM beigefügt ist, sind die Materialien/Arbeitsblätter, die sich darauf befinden, bereits Bestandteil dieses E-Books.

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  • Inhaltsverzeichnis

    Vorwort der Reihenherausgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII

    Kapitel 1Förderung schulrelevanter Kompetenzen in Vorschule und SchuleMarcus Hasselhorn und Wolfgang Schneider . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

    Kapitel 2Elternbasierte Sprachförderung im Vorschulalter: Das Lobo-ProgrammJulia-Katharina Rißling, Franz Petermann und Jessica Melzer . . . . . . . . . . . . . . . 13

    Kapitel 3„MARKO-T“ – Ein mathematisches Förderprogramm evaluiert an Kindern mit dem Förderschwerpunkt LernenAntje Ehlert und Annemarie Fritz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

    Kapitel 4Entwicklungsorientierte Prävention von und Intervention bei Rechenschwäche mit „Mengen, zählen, Zahlen“ (MZZ)Kristin Krajewski und Stefanie Simanowski . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49

    Kapitel 5„Mina und der Maulwurf“ – Ein mathematisches Gruppentraining eingesetzt bei Kindern mit SprachverständnisschwierigkeitenAntje Ehlert und Annemarie Fritz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69

    Kapitel 6Evidenzbasierte Förderung schulischer Fertigkeiten am Computer: Lernspiele mit Elfe und MathisWolfgang Lenhard und Alexandra Lenhard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87

    Kapitel 7„Lautarium“ – Ein computerbasiertes Trainings programm für Grundschulkinder mit Lese- RechtschreibschwierigkeitenMaria Klatte, Claudia Steinbrink, Kirstin Bergström und Thomas Lachmann . . . . 115

    Kapitel 8„PHONIT“ – Ein Trainingsprogramm zur Förderung der phonologischen Bewusstheit und Rechtschreibleistung für den Grund- und Förder-schulbereichClaudia Stock . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143

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  • InhaltsverzeichnisVI

    Kapitel 9Die Lautgetreue Lese-Rechtschreibförderung als Basis eines umfassenden Behandlungssystems bei Lese-RechtschreibstörungenCarola Reuter-Liehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161

    Kapitel 10„Das Marburger Rechtschreibtraining“ – Ein Förderprogramm für Kinder mit einer Lese- und/oder RechtschreibstörungGerd Schulte-Körne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185

    Kapitel 11Computergestützte Ansätze zur Förderung der Leseleistung durch Manipulation individueller LesezeitenSven Lindberg, Telse Nagler, Irit Bar-Kochva und Marcus Hasselhorn . . . . . . . . 199

    Kapitel 12„conText“ – Training des Leseverständnisses mithilfe semantischer TechnologienWolfgang Lenhard und Alexandra Lenhard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209

    Kapitel 13„Calcularis“ – Eine adaptive Lernsoftware zur MatheförderungMichael von Aster, Tanja Käser, Juliane Kohn, Karin Kucian, Larissa Rauscher und Christian Vögeli . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225

    Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249

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  • Vorwort der Reihenherausgeber

    Seit dem Beginn der Neuen Folge der Reihe „Tests und Trends – Jahrbuch der pädagogisch-psychologischen Diagnostik“ im Jahr 2000 wurde in den nun mehr als 15 Jahren ihres Bestehens immer der neueste Stand diagnostischer Möglich-keiten in unterschiedlichen Inhaltsbereichen schulischen Lernens dokumentiert .

    Der hier vorliegende 14 . Band der Neuen Reihe beschäftigt sich im Unterschied dazu mit Möglichkeiten der Förderung von schulrelevanten Kompetenzen, die schon im Vorschulalter identifiziert werden können, und von schulischen Kom-petenzen . Während in den bislang vorliegenden Bänden unserer Reihe großer Wert darauf gelegt wurde, sprachliche, schriftsprachliche und mathematische Kompetenzen in unterschiedlichen Altersgruppen zuverlässig zu diagnostizieren, geht es im vorliegenden Band darum, Fördermaßnahmen in unterschiedlichen Inhaltsbereichen vorzustellen, die sich im Rahmen von wissenschaftlichen Eva-luationsstudien als effektiv erwiesen haben . Es werden Trainingsprogramme vorgestellt, die für den Einsatz in Vorschule und Schule geeignet scheinen . Wäh-rend die für den Vorschulbereich entwickelten und hier näher beschriebenen Verfahren mehrheitlich die mathematische Kompetenzentwicklung betreffen, wurden für den schulischen Bereich vor allem Programme berücksichtigt, die Lese- und Rechtschreibförderung anbieten . Der Überblick ist sicherlich nicht umfassend, da gerade in jüngerer Zeit eine ganze Reihe von Förderprogrammen publiziert worden ist . Für die Berücksichtigung im vorliegenden Band war jedoch maßgeblich, dass sich die Programme in der Praxis bereits bewährt haben .

    Insgesamt gesehen bietet der vorliegende Band einen Überblick über interessante neuere und teilweise auch schon länger verfügbare Förderprogramme, die sich in Vorschule und Schule sinnvoll einsetzen lassen .

    Wir hoffen sehr und sind insgesamt auch zuversichtlich, dass dieser Band dazu beitragen kann, einer breiten Leserschaft relevantes Wissen über effektive För-dermaßnahmen zu schulrelevanten Kompetenzen zu vermitteln, wie sie sich für den Vorschul- und Schulbereich anbieten .

    Frankfurt, Würzburg und Tübingen, im November 2015 Marcus Hasselhorn, Wolfgang Schneider und Ulrich Trautwein

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  • Kapitel 1

    Förderung schulrelevanter Kompetenzen in Vorschule und Schule

    Marcus Hasselhorn und Wolfgang Schneider

    Zusammenfassung

    Die gezielte Förderung schulrelevanter Kompetenzen im Vorschul- und Schulalter rückt insbe-sondere im Rahmen der Diskussion, wie ein inklusives Bildungssystem praktisch umgesetzt werden kann, immer mehr in den Fokus der pädagogischen Praxis und der Öffentlichkeit . För-derprogramme zur individuellen Förderung schulrelevanter Kompetenzen könnten in diesem Kontext zu einem wichtigen Werkzeug für Lehrkräfte an Regelschulen oder sogar für frühpäda-gogische Fachkräfte werden . Im vorliegenden Beitrag wird zunächst skizziert, was man unter schulrelevanten Kompetenzen versteht . Dabei wird insbesondere auf die Unterscheidung zwischen bereichsübergreifenden und bereichsspezifischen Kompetenzen eingegangen . Anschließend wer-den einige allgemeine Antworten zur Frage gegeben, welche schulrelevanten Kompetenzen sich wie fördern lassen .

    1.1 Einleitung

    Für eine langfristig erfolgreiche Teilhabe an unserer Gesellschaft müssen Kinder lesen, schreiben und rechnen lernen . Der Erfolg des Lernens der Schriftsprache, der Arithmetik, aber auch aller anderen schulischen Anforderungen hängt von einer Reihe allgemeiner und spezifischer kognitiver Voraussetzungen ab . In den letzten Jahrzehnten wurden spezifische Vorläuferkenntnisse und -fertigkeiten der Schriftsprache sowie einige mathematische Basisfertigkeiten identifiziert, die besonders relevant sind . Gemeinsam mit der Funktionstüchtigkeit des Arbeits-gedächtnisses sind sie mitentscheidend dafür, wie gut Kinder lesen, schreiben und rechnen lernen . Wenn dann der schulisch angeleitete Erwerb von Schriftsprache und Mathematik eingesetzt hat, wird die Bedeutung der Vorläuferkenntnisse und frühen Fertigkeiten durch Kenntnisse und bereichsspezifische Fertigkeiten abge-löst . All diese Kenntnisse und Fertigkeiten fassen wir im Folgenden unter dem Begriff der schulrelevanten Kompetenzen zusammen .

    In diesem Beitrag werden zunächst diese schulrelevanten Kompetenzen skizziert, wobei zwischen bereichsübergreifenden und bereichsspezifischen schulischen Kompetenzen unterschieden wird . Anschließend wird auf die grundlegenden

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  • Marcus Hasselhorn und Wolfgang Schneider2

    Diskussionen der letzten Jahrzehnte zum erfolgreichen Trainieren schulrelevan-ter Kompetenzen in Schule und Vorschule bzw . zum Aufbau und zur Verbesserung dieser Kompetenzen durch Förderprogramme eingegangen .

    1.2 Was sind schulrelevante Kompetenzen?

    Erfolg schulischen Lernens hängt nicht nur von geeigneten Lernangeboten ab, sondern auch von einer Reihe individueller Voraussetzungen, die sich grob in kognitive und motivational-volitionale Kompetenzen unterscheiden lassen (Has-selhorn & Gold, 2013) . Kompetenzen werden nach Weinert (2001) als kogni-tive Fähigkeiten und Fertigkeiten zur Lösung von Problemen bezeichnet, ver-bunden mit motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften, diese in variablen Situationen zu nutzen . Ausgehend von dieser Definition haben sich Wissenschaftler damit beschäftigt, für viele Schulfächer Kompetenzmodelle zu formulieren, empirisch erfassbar zu machen und kompetenzförderliche Unter-richtskonzepte zu entwickeln . Im Zentrum des von Weinert in die Diskussion eingebrachten Kompetenzbegriffs stehen kognitive Fähigkeiten und Fertigkeiten . Diese kognitiven Voraussetzungen eines Individuums sind entscheidend dafür, was wie lernbar ist . Verändern diese sich z . B . mit dem Alter oder infolge eines durchgeführten Förderprogramms, so verändert sich auch das Lernpotenzial des Individuums .

    Was aber sind die kognitiven Voraussetzungen, die für das Lernpotenzial ent-scheidend sind? Lange Zeit schien es eine einfache Antwort auf diese Frage zu geben . Sie lautete: Intelligenz ist die wichtigste kognitive Voraussetzung für erfolgreiches Lernen . Will man eine möglichst sparsame Antwort auf diese Frage haben, so ist es durchaus angemessen, diese Antwort zu geben . Dennoch hat die Forschung der letzten Jahrzehnte gezeigt, dass eine differenzierte Sichtweise auf die kognitiven Kompetenzen von Lernenden von größerer praktischer Nütz-lichkeit ist . So hat zwar der psychometrische Fokus auf der allgemeinen Intel-ligenz den Vorteil, das diese Fähigkeit in allen erdenklichen schulischen Lern-kontexten hilfreich ist und daher mehr Intelligenz auch zu höherem Lernerfolg führt . So belegen z . B . zahlreiche Studien die besondere Bedeutung der Intelli-genz für die Vorhersage schulischer Leistungen (s . Übersicht bei Rost, 2009) . Insgesamt weisen die Befunde darauf hin, dass etwa 30 % bis 45 % der Schul-leistungsvarianz in der Grundschule durch Intelligenzunterschiede erklärt werden können . Steigern lässt sich der Prozentsatz aufgeklärter Varianz allerdings, wenn man intellektuelle Kompetenzen aus der Perspektive der Informationsverarbei-tung betrachtet . Informationsverarbeitungsanalysen schulischer Lernprozesse haben dabei ergeben, dass zwischen bereichsübergreifenden und bereichsspezi-fischen Kompetenzen zu unterscheiden ist . Während erstere sich auf Kompeten-zen beziehen, die in sehr viel verschiedenen Lerndomänen sich als leistungsdien-lich erweisen, dabei allerdings nur einen begrenzten Varianzanteil aufzuklären

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  • Förderung schulrelevanter Kompetenzen in Vorschule und Schule 3

    imstande sind, sind letztere nur in wenigen Lerndomänen (bereichsspezifisch) hilfreich, tragen dort allerdings oft zu einem hohen Prozentsatz aufgeklärter Varianz bei .

    1.2.1 Bereichsübergreifende Kompetenzen

    Als bereichsübergreifend bezeichnet man Kompetenzen, die in unterschiedlichen Situationen und Inhaltsbereichen beim Erwerb von Wissen, bei der Verarbeitung relevanter Information sowie bei der Lösung neuer Probleme genutzt werden können . Dazu gehören vor allem Techniken und Strategien des Lernens, insbe-sondere allgemeine Fertigkeiten der Planung, Steuerung, Überwachung und Be-wertung eigenen Lernens . Diese werden in der pädagogisch-psychologischen Forschung unter den Konstrukten Metakognition und Selbstregulation subsumiert (vgl . Hasselhorn & Labuhn, 2008) . Insbesondere bei Anforderungen einer sub-jektiv mittleren Schwierigkeit tragen metakognitives Wissen und entsprechende Fertigkeiten zur Reflexion über den eigenen Lernprozess und zur Nutzung bzw . Regulation von zielgerichteten Lernaktivitäten bei . Metakognitives Wissen und die entsprechenden Fertigkeiten unterliegen deutlichen Entwicklungsverände-rungen bis über das Jugendalter hinaus und lassen sich durch geeignete Maßnah-men durchaus beeinflussen (vgl . Schneider, 2015) .

    Neben dieser strategischen Facette bereichsübergreifender Kompetenzen hat sich insbesondere das Konstrukt des Arbeitsgedächtnisses als bedeutsam erwiesen . (vgl . Hasselhorn & Grube, 2007) . Das Konstrukt basiert auf der Vorstellung, dass wir über eine Art Kurzzeitspeicher verfügen, der uns ermöglicht, Gesehenes oder Gehörtes vorübergehend zu speichern und zu verarbeiten . Der Fokus dieser Be-trachtungsweise liegt auf der den Lern- und Denkprozessen zugrunde liegenden Verarbeitungskapazität . So erfordern anspruchsvolle Aufgaben nicht nur den Rückgriff auf Wissen und den Einsatz angemessener Strategien, sondern noch etwas viel Grundlegenderes: die Aufrechterhaltung von Informationen . Empirisch liegen mittlerweile erste Hinweise darauf vor, dass der Erwerb grundlegender schulischer Fertigkeiten wie beispielsweise Lesen besser auf der Basis von Ar-beitsgedächtnistests als durch Tests zur Erfassung der allgemeinen Intelligenz vorhersagbar ist (z . B . Alloway & Alloway, 2010) . Defizite im Arbeitsgedächtnis können sowohl zu Lese- Rechtschreibproblemen als auch zu Problemen im ma-thematischen Bereich führen (Schuchardt, Kunze, Grube & Hasselhorn, 2006) .

    1.2.2 Bereichsspezifische Kompetenzen

    Neben den skizzierten bereichsübergreifenden schulrelevanten Kompetenzen kennt man mittlerweile eine Reihe von bereichsspezifischen Vorläufern des er-folgreichen Lernens von Lesen, Schreiben und Rechnen . So haben vor mehr als

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  • Marcus Hasselhorn und Wolfgang Schneider4

    drei Jahrzehnten kanadische, amerikanische und skandinavische Arbeitsgruppen die Entdeckung gemacht, dass man aus der Qualität früher phonologischer Ver-arbeitung beim Kind vorhersagen kann, wie gut es lesen und schreiben lernen wird . Phonologische Verarbeitung ist die Bezeichnung für verschiedene Kom-petenzen im Umgang mit der Lautstruktur von Sprache . Neben dem bereits vor-gestellten Verarbeiten sprachlich-klanglicher Informationen im Arbeitsgedächtnis lassen sich zwei weitere Komponenten der phonologischen Informationsverar-beitung unterscheiden: die phonologische Bewusstheit und die Geschwindigkeit des Zugriff auf sprachliche Einträge im Langzeitgedächtnis .

    Phonologische Bewusstheit bezeichnet die Fähigkeit, bei der Wahrnehmung, der Verarbeitung, dem Abruf und der Speicherung von sprachlichen Informationen Wissen über die Lautstruktur der Sprache heranzuziehen . Zur phonologischen Bewusstheit gehört die Erkenntnis, dass Sätze aus Wörtern und Wörter aus Silben bestehen, und die Fähigkeiten, Reime zu erkennen, Wörter in einzelne Laute zu zerlegen sowie mehrere Laute zu einem Wort zusammenzufügen . Die Lautanalyse spielt beim Schreiben eine wichtige Rolle, die Fähigkeit zur Lautsynthese ist besonders für das Lesen bedeutsam . Diese höheren Fähigkeiten der phonologi-schen Bewusstheit werden in der Regel erst im Schriftsprachunterricht erworben, wenn erstmals ausdrücklich die Aufmerksamkeit der Kinder auf die formale Struktur der Sprache gelenkt wird .

    Es soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, dass die von uns hier vorgenom-mene Klassifizierung der phonologischen Bewusstheit als eher bereichsspezifi-sche Kompetenz in neuerer Zeit kontrovers diskutiert wird . So finden sich in der neueren Literatur vereinzelt Hinweise darauf, dass die frühe phonologische Bewusstheit auch Kompetenzen im mathematischen Bereich vorhersagen kann (vgl . Landerl & Kaufmann, 2008; Schneider, Küspert & Krajewski, 2013) . Die-ser Frage sollte in weiteren Arbeiten gezielt nachgegangen werden .

    Die Geschwindigkeit beim Zugriff auf das Langzeitgedächtnis basiert auf der Fähigkeit, visuelle Symbole in eine lautsprachliche Struktur zu übertragen, um ihre Bedeutung aus den sprachlichen Einträgen im eigenen Langzeitgedächtnis abzurufen . Beim Lesen und Schreiben müssen Zuordnungsregeln von Phone-men zu Graphemen bzw . umgekehrt aus dem Langzeitgedächtnis abgerufen werden . Neben den Komponenten der phonologischen Informationsverarbei-tung hat sich in jüngerer Zeit auch der Wortschatz, die Vertrautheit mit Schrift-sprache und die frühe Kenntnis einzelner Buchstaben als hilfreiche Voraus-setzung für den erfolgreichen Einstieg in Lese- und Rechtschreibprozesse herausgestellt . Diese Erkenntnis ließ sich insbesondere aus Längsschnittstu-dien ableiten, die im Vorschulalter einsetzten und weit in die Schulzeit hinein-reichten .

    In einer neueren Arbeit von Ennemoser, Marx, Schneider und Weber (2012) wurden die Ergebnisse zweier ähnlich gelagerten Längsschnittstudien kombiniert,

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  • Förderung schulrelevanter Kompetenzen in Vorschule und Schule 5

    um genauere Aufschlüsse über die Relevanz unterschiedlicher Vorläufermerkmale für die spätere Lese- und Rechtschreibkompetenz zu gewinnen . Beide in die Analyse einbezogenen Längsschnittstudien erstreckten sich vom letzten Kinder-gartenjahr bis zum Ende der Grundschulzeit . In beiden Studien wurden vor Schul-beginn neben der nicht sprachlichen Intelligenz (logische Denkfähigkeit) die drei oben genannten Merkmale der phonologischen Informationsverarbeitung sowie Aspekte der linguistischen Kompetenz (z . B . Wortschatz, semantisches Wissen, grammatikalische Kompetenz) einbezogen . Als schulische Kriteriumsmaße fun-gierten die Lesegeschwindigkeit, das Lese- und Textverständnis und die Recht-schreibleistung . Als wichtigstes Ergebnis ließ sich festhalten, dass die Lesege-schwindigkeit bis zum Ende der vierten Klassenstufe am besten durch die vor Schulbeginn erfasste Geschwindigkeit der sprachlichen Informationsverarbei-tung (Benenngeschwindigkeit) vorhergesagt werden konnte, weiterhin auch durch die phonologische Bewusstheit . Beide Vorläufermerkmale lieferten auch einen bedeutsamen Beitrag für die Vorhersage der Lesekompetenz, doch erwies sich hier die linguistische Kompetenz als vergleichsweise stärkster Prädiktor . Schließ-lich stellte die früh erhobene phonologische Bewusstheit das wichtigste Vorher-sagemerkmal für die spätere Rechtschreibleistung dar, gefolgt von Arbeitsge-dächtnis und Intelligenz .

    In den letzten Jahren ist die Suche nach analogen basalen Vorläufern der Schul-mathematik intensiviert worden . Mittlerweile liegen auch dazu eine Reihe von theoretischen Entwürfen vor, in denen mathematische Basisfertigkeiten und de-ren Entwicklung in den ersten Lebensjahren ausführlich beschrieben werden (vgl . Krajewski & Ennemoser, 2013) . Zu diesen Basisfertigkeiten, die sich im Verlauf der Vorschulzeit qualitativ verfeinern und quantitativ stetig verbessern, zählen beispielsweise ein Verständnis von Zahlen und Zahlwörtern und die Verknüpfung von Zahlwörtern mit Mengen sowie die Fähigkeit zum Mengenvergleich . Auch beim Erwerb mathematischer Kompetenzen im Grundschulalter handelt es sich um eine komplexe Sequenz kumulativer Lernprozesse . Beispielsweise ist für die Beherrschung der Grundrechenarten die Qualität basalen arithmetischen Wissens entscheidend (vgl . Grube, 2005): Wer früh über ein vollständiges und hochauto-matisiert nutzbares Wissen hinsichtlich der Ergebnisse von Addition, Subtraktion, Multiplikation und Dvision verfügt, besitzt einen enormen Vorteil beim Bewäl-tigen auch von komplexeren Rechenanforderungen .

    1.3 Welche schulrelevanten Kompetenzen lassen sich wie erfolgreich fördern?

    Die Hoffnung, durch gezielte Förderung bereichsübergreifender kognitiver Kom-petenzen Kinder und Jugendliche in die Lage zu versetzen, alle schulischen (später auch beruflichen) Anforderungen besser zu bewältigen, hat Pädagogen immer wieder inspiriert . Schon vor mehr als einem Jahrhundert wurde die Idee

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  • Marcus Hasselhorn und Wolfgang Schneider6

    der formalen Bildung diskutiert, der zufolge stets mehr gelernt als gelehrt wird . Unterricht in geeigneten formal-bildenden Fächern – so die Annahme – sollte neben dem Kenntniszuwachs in den Fächern auch eine allgemeine Verbesserung des Lern- und Denkvermögens nach sich ziehen . In seiner Präzisierung der Theorie der formalen Bildung hat Ernst Lehmensick (1926) die Unterscheidung zwischen funktionaler Bildung und methodischer Schulung eingeführt . Unter funktionaler Bildung verstand er die Bemühungen der Stärkung allgemeiner geistiger Kräfte, während sich die methodische Schulung auf das Einüben all-gemeiner Techniken und Strategien des Lernens bezieht . Zu den interessantes-ten und erfolgreichsten Ansätzen dieser Art in Deutschland gehört das in den 1980er-Jahren von Karl Josef Klauer entwickelte Förderprogramm „Denktrai-ning“ . Im Rahmen des Denktrainings lernen die Kinder spielerisch Grundstruk-turen wie Unterschiede oder Gemeinsamkeiten zu erkennen und angemessene Lösungs- und Kontrollprozesse auszuführen . Die von Klauer und Phye (2008) zusammengefassten Studien zeigen auf, dass das Denktraining bei Kindern nicht nur zu leichten Intelligenzsteigerungen führen kann, sondern dass auch Trans-fereffekte auf das schulische Lernen nachweisbar sind . Insbesondere für Kinder mit allgemeinen Lernschwächen ist dieses Programm daher sicherlich ein ge-eignetes Mittel für individuelle Fördermaßnahmen . Möglicherweise ist die Wirk-samkeit dieses Ansatzes darauf zurückzuführen, dass im Rahmen des Denktrai-nings Techniken und Denkheuristiken vermittelt werden, die starke Ähnlichkeit mit metakognitiven Strategien haben, deren Vermittlung sich insbesondere in der Sekundarstufe als sehr sinnvoll zur allgemeinen Förderung erwiesen haben (vgl . Mähler, Hasselhorn, Schreblowski & Hager, 2007; Schneider & Artelt, 2010) .

    Noch relevanter als die Intelligenz scheint die Kapazität bzw . die Funktionstüch-tigkeit des Arbeitsgedächtnisses für die erfolgreiche Bewältigung schulischer Anforderungen zu sein (s . o .) . Daher ist der Gedanke nahe liegend, das Arbeits-gedächtnis als zentrale bereichsübergreifende schulrelevante Kompetenz zu trai-nieren . Fördermaßnahmen zur Verbesserung des Arbeitsgedächtnisses setzen vor allem bei den drei Komponenten des Arbeitsgedächtnisses, dem phonologischen Arbeitsgedächtnis, den zentral-exekutiven Kontrollprozessen sowie dem Wissen über die Funktionsweise des eigenen Gedächtnisses an (Mähler & Hasselhorn, 2001; Melby-Lervåg & Hulme, 2013) . Die Befunde zur Förderung von Arbeits-gedächtnisfunktionen sind allerdings wenig vielversprechend . Zwar konnten Arbeitsgedächtnistrainings in vereinzelten Studien, beispielweise bei Kindern mit im Vorhinein niedrigen Arbeitsgedächtnisleistungen (Holmes, Gathercole & Dunning, 2009), Effekte auf die Leistungen bei Arbeitsgedächtnisanforderungen erzielen, doch sind diese Effekte in der Regel nur gering und zeigen sich ledig-lich kurzfristig (Melby-Lervåg & Hulme, 2013) . Zudem finden sich bei Arbeits-gedächtnistrainings selten Transfereffekte auf andere Lern- und Leistungsberei-che (z . B . Alloway, 2012) . Dies spricht dafür, dass die Grundkapazitäten des Arbeitsgedächtnisses kaum durch zeitlich überschaubare Trainings verändert werden können .

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  • Förderung schulrelevanter Kompetenzen in Vorschule und Schule 7

    So kommt es nicht von ungefähr, dass die erfolgreichsten Förderprogramme im Vorschul- und Schulalter vor allem an bereichsspezifischen schulrelevanten Kom-petenzen ansetzen .

    1.3.1 Vorschulische Förderung

    Frühe Förderung schulischer Kompetenzen ist Prävention von individuellem Bildungsmisserfolg, wobei je nach Anlass unterschiedliche Ebenen zum Tragen kommen, die als universelle (primäre), selektive (sekundäre) und indizierte (ter-tiäre) Präventionen bezeichnet werden (vgl . Ziegenhain, 2008) . Universelle Prä-ventionen beziehen sich auf Angebote, die allen Kindern bzw . Familien zur Ver-fügung stehen (z . B . Kindergarten) . Frühförderung im eigentlichen Sinne bezieht sich auf Angebote, die selektiv für bestimmte Risikogruppen konzipiert sind und durch die ein ungünstiger Entwicklungsverlauf im Einzelfall verhindert werden soll (z . B . Sprachförderangebote für Kinder aus Familien mit Migrationshinter-grund, Grundschulförderklasse) . Liegen schließlich bereits diagnostizierte Stö-rungen oder Beeinträchtigungen vor, so sind indizierte Interventionen zur Kom-pensation der Defizite angebracht .

    Insbesondere für die Prävention von Schulversagen sind in den vergangenen zwei Jahrzehnten verschiedene pädagogisch-psychologisch begründete und empi-risch bewährte Ansätze vorgelegt worden . Ein klassisches Beispiel für selektive Maßnahmen bei Risikopopulationen sind die in den 1960er-Jahren im Rahmen der Diskussion zur kompensatorischen Erziehung entwickelten Head-Start-Programme für soziale benachteiligte Kinder im Vorschulalter in den USA . Der Nutzen solcher Maßnahmen mit Breitenwirkung ist lange kontrovers dis-kutiert worden, da es zunächst den Anschein hatte, dass kurzfristige Steigerun-gen z . B . der Intelligenz bald wieder verloren gingen . Einige Langzeitstudien, wie z . B . das Perry Preschool Program zur Förderung drei- bis vierjähriger sozial benachteiligter afro-amerikanischer Kinder (Weikart & Schweinhart, 1997), führten jedoch zu ermutigenden langfristigen Effekten im Sinne besseren Schul- und Berufserfolgs und Vermeidung krimineller Karrieren, was offenbar stärker durch die frühe vorschulische Prävention als durch spätere Interventionen zu erklären war .

    Die vielleicht größte Erfolgsgeschichte pädagogisch-psychologischer For-schung zur präventiven Förderung schulrelevanter Kompetenzen dreht sich um das Training phonologischer Bewusstheit zur Prävention von Lese-Rechtschreib-schwächen in der Grundschule . Diese Trainingsprogramme basieren auf sprach-lich-spielerischen Übungen und sollen in kurzen täglichen Sitzungen im letzten Kindergartenhalbjahr durchgeführt werden . In groß angelegten Evaluations-studien haben sich entsprechende Förderprogramme als kurz- und langfristig effektiv erwiesen (vgl . zum Überblick Schneider & Marx, 2008) . Hier sei aller-dings angemerkt, dass neuere Metaanalysen zu Evaluationsstudien im deutsch-

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  • Marcus Hasselhorn und Wolfgang Schneider8

    sprachigen Raum größere Unterschiede in den Erfolgsquoten registrierten, die möglicherweise mit der Art der Umsetzung der Programme und der Erfahren-heit von Erzieherinnen zusammenhängen (z . B . Fischer & Pfost, 2015; Wolf, Schroeders & Kriegbaum, im Druck) . Die Nachhaltigkeit der Fördermaßnahmen scheint insbesondere dann gegeben zu sein, wenn das pädagogische Fachperso-nal gezielt und ausführlich in die Förderprogramme eingearbeitet wird und die erforderliche Motivation zur Umsetzung der Maßnahmen im Kindergartenalltag gegeben ist .

    Ein aktuelles Hauptaugenmerk im deutschen Sprachraum gilt der Entwicklung von Sprachförderprogrammen, die zur Erweiterung des Wortschatzes, zur Ver-besserung der Begriffsbildung, der syntaktischen Fähigkeiten und der Lautdis-krimination beitragen . Offensichtlich gilt für Kinder mit sprachlichen Entwick-lungsverzögerungen, dass die Wirksamkeit früher Sprachförderprogramme umso größer ist, je früher mit der Intervention begonnen wird (Yoder, 1999) . Inwiefern solche Programme zur Sprachförderung langfristig Schulversagen verhindern können, ist ungeklärt; ältere Studien mit Programmen zur Sprachförderung kom-men zu eher bescheidenen Ergebnissen (vgl . Schmidt-Denter, 2002) . Mittlerweile hat man erkannt, dass die Programme an Wirksamkeit gewinnen, wenn es gelingt, die Eltern mit in die Förderung einzubeziehen . Der Beitrag von Rißling, Peter-mann und Melzer in diesem Band informiert über ein aktuelles Beispiel dieses erweiterten Ansatzes .

    In jüngster Zeit sind auch die relevanten Vorläufer des erfolgreichen Erwerbs grundlegender arithmetischer Fertigkeiten erforscht worden . Erste Schritte einer mathematischen Frühförderung zielen auf das Verstehen des Zahlenraumes und auf die Mengenbewusstheit von Zahlen und Zahlrelationen . Ein im Rahmen pädagogisch-psychologischer Grundlagenforschung entwickeltes Erfolg verspre-chendes Förderkonzept in diesem Bereich ist das vor kurzem vorgelegte Würz-burger Trainingsprogramm „Mengen, zählen, Zahlen“; es dient zur vorschuli-schen Förderung der Mengenbewusstheit von Zahlen und Zahlrelationen und wird von Krajewski und Simanowski in diesem Band ausführlicher beschrieben . Ein alternatives Förderprogramm ist das Programm MARKO-T . Ehlert und Fritz berichten in diesem Band von einer erfolgreichen Evaluation dieses Programmes bei Kindern mit dem Förderschwerpunkt Lernen .

    1.3.2 Förderung im Schulalter

    In jüngster Zeit wurden viele Programme entwickelt und/oder evaluiert, die ge-zielt bereichsspezifische schulrelevante Kompetenzen fördern . Etliche von ihnen werden in diesem Band vorgestellt . Dazu zählen die computerbasierte Förderung des Lesens und Rechnens mit den Lernspielen „Elfe“ und „Mathis“ (Lenhard & Lenhard, in diesem Band), das computerbasierte Trainingsprogramm „Lautarium“ für Kinder mit Lese-Rechtschreibschwierigkeiten (Klatte, Steinbrink, Bergström

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  • Förderung schulrelevanter Kompetenzen in Vorschule und Schule 9

    & Lachmann, in diesem Band), das Trainingsprogramm „PHONIT“ zur Förde-rung der phonologischen Bewusstheit im Grundschulalter (Stock, in diesem Band), das Behandlungssystem der lautgetreuen Lese-Rechtschreibförderung von Reuter-Liehr (in diesem Band), das Marburger Rechtschreibtraining (Schulte- Körne, in diesem Band), das Programm „conText“ zur Förderung des Lesever-ständnisses (Lenhard & Lenhard, in diesem Band) . Lindberg, Nagler, Bar-Kochva und Hasselhorn (in diesem Band) berichten darüber hinaus über aktuelle „Fading“-Ansätze zur computerbasierten Förderung von Leseflüssigkeit und basalen Lesestrategien . Diese Arbeiten verdeutlichen, dass wir mittlerweile über eine größere Palette von Förderansätzen zur Verbesserung von schriftsprachli-chen Leistungen verfügen, die an unterschiedlichen Problemschwerpunkten ansetzen und jeweils belegen können, dass sie in der Tat effektiv sind und zu nachhaltigen Verbesserungen führen . Diese positive Bewertung gilt auch für die in diesem Band vorgestellten und im Bereich der Mathematik erprobten Maß-nahmen, nämlich die Förderprogramme „Mina und der Maulwurf“ (Ehlert & Fritz, in diesem Band) und „Calcularis“ (von Aster, Käser, Kohn, Kucian & Vö-geli, in diesem Band) .

    Aus den unterschiedlichen Beiträgen zu diesem Band sollte erkennbar sein, dass innerhalb der letzten Jahre im Bereich der Förderung schulrelevanter Kom-petenzen in Schule und Vorschule größere Fortschritte erzielt werden konnten . Die Forschungslage ist insgesamt sehr vielversprechend, und es bleibt zu hoffen, dass sich der Trend zur Entwicklung und Bereitstellung wissenschaftlich fun-dierter Förderprogramme auch in den kommenden Jahren fortsetzt .

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  • Kapitel 2

    Elternbasierte Sprachförderung im Vorschulalter: Das Lobo-Programm

    Julia-Katharina Rißling, Franz Petermann und Jessica Melzer

    Zusammenfassung

    Sprache ist zentraler Bestandteil unserer Kultur . Die meisten Kinder bewältigen die Anforderun-gen des Laut- und Schriftspracherwerbs ohne Schwierigkeiten . Ist die Sprachentwicklung jedoch beeinträchtigt, beeinflusst dies die soziale und emotionale Entwicklung und die gesellschaftliche Teilhabe eines Kindes . Selbstverständlich hängt auch der Erfolg aller Bildungsangebote von der korrekten Beherrschung der Sprache ab . Die Förderung sprachlicher Kompetenzen stellt somit ein zentrales Thema im Vor- und Grundschulalter dar, mit hoher Relevanz für das Bildungssystem und hoher Bedeutsamkeit für die klinische Praxis . Die Entwicklung von Präventions- und För-derprogrammen ist daher von besonderer Bedeutung . Eine wichtige Verbindung zwischen der gesprochenen Sprache und der Schriftsprache bildet die phonologische Bewusstheit . Sie gilt als guter Prädiktor der späteren Leseleistung und Förderungen der phonologischen Bewusstheit wirken sich positiv auf den Schriftspracherwerb aus . Programme, welche die Eltern aktiv in die Förderung mit einbeziehen, sind bisher jedoch die Ausnahme . Als Training für Eltern von Kindern im Alter von vier bis sechs Jahren setzt das Lobo-Programm an dieser Stelle an: In speziellen Kursen werden die Eltern durch spielerische Übungen angeleitet, ihren Kindern zu Hause die Lautstruktur der Sprache zu vermitteln und so für den späteren Schriftspracherwerb erforderliche Kompetenzen zu fördern .

    2.1 Einleitung

    Sprache ermöglicht die Aneignung von Wissen, die Vermittlung von Gedanken und Gefühlen und ist in verschiedenen Formen zentraler Bestandteil unserer Kultur . Bei ungestörter sprachlicher Entwicklung beherrscht ein Kind die zen-tralen Strukturen und Regelhaftigkeiten seiner Erstsprache mit etwa vier bis fünf Jahren (von Suchodoletz, 2013b) . Im weiteren Entwicklungsverlauf werden die lautsprachlichen Fähigkeiten erweitert und ein Kind erhält zunehmend Zugang zur Schriftsprache (Fox-Boyer, Glück, Elsing & Siegmüller, 2014; Klicpera, Schabmann & Gasteiger-Klicpera, 2013) .

    Die meisten Kinder bewältigen die Anforderungen des Laut- und Schriftsprach-erwerbs ohne Schwierigkeiten . Ist die Entwicklung dieser Kompetenzen jedoch beeinträchtigt, beeinflusst dies erheblich die psychische und emotionale Entwick-

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  • Julia-Katharina Rißling, Franz Petermann und Jessica Melzer14

    lung sowie die schulische Bildung und die gesellschaftliche Teilhabe (u . a . Pe-termann & von Suchodoletz, 2009) . Defizite im Laut- und Schriftspracherwerb stehen dabei in einem engen Zusammenhang (Botting, Simkin & Conti-Ramsden, 2006; Ricketts, 2011) . So ist etwa die Hälfte aller Kinder mit einer Lese- und Rechtschreibschwäche auch von lautsprachlichen Problemen betroffen (Rückert, Kunze, Schillert & Schulte-Körne, 2010; von Suchodoletz, 2013a) . Der PISA-Bericht 2012 zeigt zudem, dass trotz teils deutlicher Verbesserungen im Vergleich zu den Vorjahren weiterhin 14 % der Schülerinnen und Schüler in Deutschland im Lesen nicht über das notwendige Grundkompetenzniveau verfügen (OECD, 2013) .

    Diagnostik und Förderung sprachlicher Kompetenzen sind somit zentrale Themen im Vor- und Grundschulalter, mit hoher Relevanz für das Bildungswesen und hoher praktischer Bedeutsamkeit für die Prävention bei Entwicklungsstörungen . Es existieren jedoch nur wenige standardisierte Förder- und Präventionspro-gramme für diesen Entwicklungsbereich, die auch in ihrer Wirksamkeit empirisch überprüft sind (Koglin, Fröhlich, Metz & Petermann, 2008) .

    Sprachförderung soll Kindern mit umgebungsbedingten Sprachauffälligkeiten, zum Beispiel aufgrund von mangelnder sprachlicher Anregung oder aufgrund von Mehrsprachigkeit, optimale Bildungsbedingungen ermöglichen (Schrey-Dern, 2014) . Insbesondere im Hinblick auf die Einschulung sollen durch vor-schulische Förderungen die sprachlichen Fähigkeiten trainiert werden, um einen optimalen Schulstart zu ermöglichen und um Defiziten beim Schriftspracherwerb vorzubeugen . Die Entwicklung von Präventionsprogrammen und Maßnahmen, die eine frühe Identifikation von Risikokindern ermöglichen, ist dabei von be-sonderer Bedeutung . Eine wichtige Verbindung zwischen der gesprochenen Sprache und der Schriftsprache und somit auch einen bedeutsamen Präventions-ansatz bildet die phonologische Bewusstheit, da sie die Zuordnung von Buch-staben zu Lauten ermöglicht (Schulte-Körne, 2011; Zourou, Ecalle, Magnan & Sanchez, 2010) . Insbesondere im Vorschulalter sowie in den ersten Schuljah-ren zeigen Trainings zur phonologischen Bewusstheit positive Effekte auf die sprachliche Entwicklung sowie die schriftsprachlichen Kompetenzen eines Kindes .

    2.2 Phonologische Bewusstheit

    2.2.1 Das Konzept der phonologischen Bewusstheit

    Die phonologische Bewusstheit bezieht sich auf die Einsicht in die lautsprach-liche Struktur der Sprache und bezeichnet die Fähigkeit, die Aufmerksamkeit unabhängig vom Inhalt des Gesagten auf formale Aspekte der Sprache zu richten,

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  • Elternbasierte Sprachförderung im Vorschulalter: Das Lobo-Programm 15

    diese wahrzunehmen und zu manipulieren (Ptok et al ., 2008; Petermann, Fröh-lich, Metz & Koglin, 2010) . Kinder lernen, dass Sprache in kleine Einheiten zerlegt sowie zu größeren, komplexeren Einheiten zusammengesetzt werden kann . Dabei entsteht im Laufe dieser Entwicklung ein immer differenzierteres und explizites Bewusstsein . So erwerben bereits Kinder im Vorschulalter ein implizites Wissen darüber, dass Reime gleich klingen oder Wörter in Silben zerlegt werden können . Diese Fähigkeit wird als phonologische Bewusstheit im weiteren Sinne bezeichnet (Schäfer, 2014; Schnitzler, 2008) . Aufbauend auf diesen Fähigkeiten entwickeln die Kinder zunehmend auch ein Bewusstsein für kleinere sprachliche Einheiten, was als phonologische Bewusstheit im engeren Sinne bezeichnet wird und vor allem durch die Fähigkeit zur Phonemsynthese und Phonemanalyse gekennzeichnet ist (Ptok et al ., 2007) . Abbildung 2 .1 gibt einen Überblick über den Aufbau der phonologischen Bewusstheit im engeren und im weiteren Sinne .

    Abbildung 2.1:Konzept der phonologischen Bewusstheit im engeren und weiteren Sinne (nach Petermann et al .,

    2010, S . 35)

    Phonologische Bewusstheit im weiteren Sinne

    Phonologische Bewusstheit im engeren Sinne

    Fähigkeiten für größere Einheiten

    Fähigkeiten für kleinste sprachliche Einheiten

    Implizite Bewusstheit Explizite Bewusstheit

    Reimen [Maus/Haus] Silben [Telefon ➝ Te-le-fon]

    Phonemebene z. B. Anlauterkennung

    Die phonologische Bewusstheit bildet die Schnittstelle zwischen dem Laut- und Schriftspracherwerb (Zourou et al ., 2010) . So ist sie für die Wortanalyse und Dekodierungsfähigkeit von Bedeutung und stellt eine bedeutsame Hilfe beim Erlernen des alphabetischen Systems dar (Ptok et al ., 2008) . Darüber hinaus bleibt sie als wichtige Teilkomponente der Sprachentwicklung und des Schrift-spracherwerbs über die gesamte Grundschulzeit hinweg relevant und stellt einen wichtigen Ansatz für die Förderung laut- und schriftsprachlicher Kompetenzen dar (Schnitzler, 2008) .

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  • Julia-Katharina Rißling, Franz Petermann und Jessica Melzer16

    2.2.2 Phonologische Bewusstheit und Schriftspracherwerb

    Mangelnde phonologische Fähigkeiten werden als Ursache für die Entwicklung von Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben diskutiert (Brunner & Stuhr-mann, 2013; Klicpera et al ., 2013; Zourou et al ., 2010) . Sind Phoneme schlecht im phonologischen Arbeitsgedächtnis repräsentiert, wird der Ablauf der Gra-phem-Phonem-Zuordnung erschwert, was wiederum Schwierigkeiten im Schrift-spracherwerb zur Folge haben kann (Linkersdörfer, 2011) .

    Verschiedene Studien konnten nachweisen, dass die phonologische Bewusstheit einen wichtigen Prädiktor der späteren Leseleistung darstellt und sich Förderun-gen der phonologischen Bewusstheit positiv auf den Schriftspracherwerb aus-wirken (u . a . Bus & van IJzendoorn, 1999; Ehri et al ., 2001) . Dabei scheinen sich Ansätze, die einen Schwerpunkt in der Vermittlung der Graphem-Phonem-Zu-ordnung in Kombination mit der Förderung der phonologischen Bewusstheit aufweisen, besonders förderlich auf die Entwicklung schriftsprachlicher Fähig-keiten auszuwirken (Klicpera et al ., 2013; Küspert, Weber, Marx & Schneider, 2007; Schäfer, 2014) . Eine aktuelle Metaanalyse zur Wirksamkeit von Program-men zur Förderung der phonologischen Bewusstheit von Fischer und Pfost (2015) für den deutschen Sprachraum belegt die kurzfristige Wirksamkeit auf die pho-nologische Bewusstheit von Kindern . Langfristig zeigen sich Fördereffekte auf die Rechtschreibleistung, wobei die Effekte für den deutschsprachigen Raum insgesamt geringer ausfallen als in vergleichbaren englischsprachigen Analysen (Fischer & Pfost, 2015) . Die Autoren sehen eine mögliche Erklärung für diese abweichenden Ergebnisse in der unterschiedlichen Orthografie: Im Vergleich zum Englischen gestaltet sich die Graphem-Phonem-Korrespondenz im Deut-schen deutlicher, sodass eine spezielle Förderung geringere Effekte auf die Le-sekompetenz zeigt als bei inkonsistenter Graphem-Phonem-Korrespondenz (Fischer & Pfost, 2015; Goswami, Ziegler & Richardson, 2005) . Kempert et al . (2015) verweisen hier jedoch auf verschiedene Längsschnittstudien zur Förderung der phonologischen Bewusstheit, die positive Effekte auf die Lese- und Recht-schreibung auch bei Sprachen mit transparenten Orthografien belegen . Die Autoren betonen die Notwendigkeit, die Ergebnisse vorschulischer und schuli-scher Fördermaßnahmen getrennt zu betrachten, um eindeutigere Aussagen tref-fen zu können (Kempert et al ., 2015) .

    2.2.3 Ansätze zur Förderung der phonologischen Bewusstheit

    Zur Förderung der phonologischen Bewusstheit liegen verschiedene Ansätze vor . Es muss zwischen additiven Förderkonzepten der phonologischen Bewusstheit und freien, alltagsintegrierten Erziehungskonzepten unterschieden werden (Schä-fer, 2014) .

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  • Elternbasierte Sprachförderung im Vorschulalter: Das Lobo-Programm 17

    Alltagsintegrierte Maßnahmen fördern die Kinder in alltäglichen Situationen, in denen Kommunikationsanlässe geschaffen werden und die Fachkräfte als sprachliche Vorbilder agieren (Jungmann, Koch & Etzien, 2013) . Nach Ruberg und Rothweiler (2012) soll die Förderung dabei angepasst an den Entwicklungs-verlauf der Kinder erfolgen und in natürlichen Kommunikationssituationen eine Anregung zum Sprechen bieten . Typische Übungen zur phonologischen Be-wusstheit, wie Reim- und Klatschspiele, würden somit in den Alltag integriert werden .

    Additive Förderkonzepte verstehen sich als programmgestützte Maßnahmen . Je nach Schwerpunkt der Programme werden verschiedene Sprachbereiche oder vorsprachliche Basisfähigkeiten nach einem vorgeschriebenen Zeitplan mit stan-dardisierten Materialien gefördert (Jungmann et al ., 2013) . Kany und Schöler (2010) fordern als zentrale Standards für Förderprogramme Transparenz, eine methodisch kontrollierte Konstruktion, klare Durchführungshinweise sowie Informationen zu den Anforderungen an die Anwender und den jeweiligen An-wendungsbereichen . Zudem sollte die Wirksamkeit empirisch belegt sein . Es existieren jedoch nur wenige standardisierte Förder- und Präventionsprogramme für diesen Entwicklungsbereich, die diese Forderungen erfüllen (Koglin et al ., 2008) . Zu den bekanntesten und am besten evaluierten Programmen im Bereich der Förderung der phonologischen Bewusstheit und sprachlicher Kompetenzen gehören das „Heidelberger Elterntraining“ (Buschmann, 2011), das Programm „Hören, lauschen, lernen“ (Küspert & Schneider, 2006) und die „Lobo vom Globo-Programme“ . Die Lobo vom Globo-Programme bestehen aus insgesamt drei Trainings zur Förderung der phonologischen Bewusstheit und sprachlicher Kompetenzen . Die Programme können aufeinander aufbauend oder jedes für sich eingesetzt werden und ermöglichen sowohl ein elternbasiertes Training (Petermann et al ., 2010) als auch eine kindergartenbasierte Förderung (Fröhlich, Metz & Petermann, 2010) und ein Training zur Förderung in der Schule (Metz et al ., 2010) .

    Bei der Förderung der phonologischen Bewusstheit unterscheiden sich die An-sätze nicht nur hinsichtlich ihrer konzeptuellen Grundlage, sondern auch hin-sichtlich des Alters der geförderten Kinder und dem Durchführungssetting . So sind Programme, die die phonologischen Fähigkeiten eines Kindes zu Beginn der Grundschulzeit fördern, relativ selten; bieten jedoch den Vorteil, dass sie aufgrund der Schulpflicht alle Kinder erreichen . Insbesondere bei Kindern, die Schwierigkeiten in der laut- oder schriftsprachlichen Entwicklung aufweisen, zeigen schulische Förderungen oft jedoch nur begrenzte Effekte, weil der Leis-tungsabstand zwischen den Gleichaltrigen bereits zu groß ist (Küspert, 2007) . Ein Großteil der Förderprogramme ist daher speziell auf das Vorschulalter aus-gerichtet, wobei sich hier wiederum die Mehrheit auf eine Förderung im Kin-dergarten bezieht . So können im Kindergartenalltag viele Situationen genutzt werden, um sprachanregende Momente zu schaffen und Erzieher haben die

    Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form vervielfältigt und an Dritte weitergegeben werden. Aus Hasselhorn und Schneider (Hrsg.): Förderprogramme für Vor- und Grundschule

    (9783840927720) © 2016 Hogrefe Verlag, Göttingen.