Frederich. Der Einfluss der augustinischen Anschauungen von pax, iustitia : und den Aufgaben der christlichen Obrigkeit auf die Erlasse und Gesetze der Deutschen Könige und Kaiser

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    Digitized by the Internet Archivein 2011 with funding from

    University of Toronto

    http://www.archive.org/details/dereinflussderauOOfred

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    TT 4-

    1 -h

    perinfluss der augustitttseben Anschauungen Vonpax,ittstitia und den Aufgaben der christlichen Obrigkeitauf die Crlasse und Gesetze der Deutschen Honige und

    Kaiser Von der Ottonen- bis in die Stauferzeit*

    Inaugural -Dissertationzur Erlangung der Doktorwrdeder Philosophischen Fakultt der KniglichenUniversitt zu Greifswald :: vorgelegt von

    Leonhard Prederich.

    Buchdruckerei Hans Adler, Inh. E. Panzig&Co. :: Greifswald 1914.

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    Gedruckt mit Genehmigung der Philosophischen Fakulttder Universitt Greifswald.

    Dekan: Prof. Dr. Ja ekel.Referent: Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Bern he im.

    Tag der mndlichen Prfung: 20. November 1913.

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    Meinen lieben Eltern!

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    Inhalt.Seite

    I. Einleitung: Die augustinische Geschichtsanschauung . 114II. Der Einflu der augustinischen Anschauungen auf die

    Erlasse und Gesetze.1. der Schsischen Knige und Kaiser 14152. der Frnkischen Knige und Kaiser 15313. Lothars von Sachsen und der Staufischen Knige

    und Kaiser 31 68III. Schlu 68-69

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    Mit dem Aufblhen des Christentums erwchst derMenschheit eine neue Kulturepoche. Es ist das Band, dasRomanentum und Germanentum in einem groen Universal-reich zusammenhlt, als dieses die morschen und lngst er-schtterten Grundfesten des rmischen Reiches durch jahr-hundertelang unaufhrliche Ste zu Falle gebracht hat.Nachdem das Reich dann unter den schwachen Nachfolgerndes groen Karl zerfallen ist, wird es im Jahre 962 von Otto L,dem zweiten Deutschen Knige aus dem Schsischen Hause,erneuert, indem dieser in der Peterskirche zu Rom vom Papstdie rmische Kaiserkrone empfngt. Er erhlt die Krone vondem Vertreter der auf Erden verwirklichten ,,civitas Dei"vom Oberhaupt der Kirche. Damit bernimmt der DeutscheKnig als Kaiser die Pflicht, fr die Ausbreitung des Gottes-staates in einem groen Universalreich frdernd zu wirken,seine Untertanen anzuhalten zur Erfllung der gttlichenGebote und Unterordnung unter die gttliche Weltordnung.

    Es fut diese das ganze mittelalterliche Denken be-herrschende Ansicht auf der Lehre Augustins vom Gottes-staat", wie er sie niedergelegt hat in seinem Werke ,,De civitateDei": Zwei Reiche stehen sich im Jenseits wie auf Erdengegenber: das Reich Gottes und das Reich des Teufels,der aus dem Himmel gestrzt ist. Dieses ist mit LuzifersAbfall begrndet und dehnt sich seit dem Sndenfall aufErden aus. Der Sndenfall bewirkt unter den bis dahineinander gleichen Menschen Zwist, Ungehorsam und Gewalt-tat. Daraus erwchst die Unterordnung der Menschen untereinander, es entsteht der Staat. In den heidnischen Staatenfindet das Teufelsreich seine Ausbreitung. Dieses Reich desTeufels steht in stetem Kampfe mit dem Gottesreich, dasdurch Christus auf Erden begrndet und durch die christ-liche Kirche hinieden verkrpert wird. Bei seinem Scheiden

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    8 teilt Christus, da er die Schwche der Menschen kennt,seine Gewalt in die geistliche und die weltliche. Jene liegtin den Hnden der geistlichen, diese in denen der weltlichenObrigkeit. Im Himmel wie auf Erden stehen sich nun jenebeiden Reiche: das Gottes und das des Teufels gegenber.Wer auf Erden dem Gottesreich angehrt, wird nach seinemTode im Gottesreiche des Jenseits ein ewiges, freudenreichesDasein fhren, whrend die Anhnger des Teufels auf ewigzur Verdammnis bestimmt sind. Im Kampfe zwischen Gutund Bse wird der Mensch durch die christliche Obrigkeituntersttzt, aufda er dem Gottesreich erhalten werde undnicht dem Satanas verfalle.

    Die Hauptaufgabe der Obrigkeit ist in diesem Sinnedas Wirken in und fr pax und iustitia.

    Pax ist fr Augustin der harmonische Zustand allesvon Gott Geschaffenen, indem dies in und gem dem vonihm geschaffenen und gewollten Kosmos in ungestrtemGleichgewicht ruht: ,,vera pax". Augustin sagt in nhererAusfhrung dieses Grundgedankens: 1 ) ,,pax hominis mortaliset Dei: ordinata in fide sub aeterna lege oboedientia"der im Glauben unter das ewige Gesetz geordnete Gehorsam,,,pax hominum: ordinata concordia": die geordnete Ein-tracht, ,,pax domus: ordinata imperandi atque obediendiconcordia cohabitantium" : die geordnete Eintracht im Be-fehlen und Gehorchen unter den Zusammenwohnenden,,,pax civitatis: ordinata imperandi atque obediendi con-cordia civium": die geordnete Eintracht der Brger im Be-fehlen und Gehorchen, ,,pax caelistis civitatis: ordinatissimaet concordissima societas fruendi Dei et invicem in Deo": diehchst geordnete und eintrchtigeGemeinschaft imGenusse vonGott und von einander inGott, ,,pax omniumrerum: tranquilli-tas ordinis ; ordo est parium dispariumque rerum sua cuiquetribuens dispositio" : das ruhige Gleichgewicht in der einemjeden seine Stellung gebenden Verteilung der gleichen undungleichen Dinge. Die harmonische Ordnung alles Seins,der von Gott gewollte Zustand der Harmonie zeigt sich hierauf Erden berall, beim Individuum, in der Familie, im Staat

    !) cf. De civitate Dei XIX, 23.

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    9 -im Gehorsam gegen Gottes Gebote und in der geordnetenEintracht im Befehlen und Gehorchen, wie es einem jedenzukommt. Das ist also die Voraussetzung der ,,vera pax".Lucifer, der, aus dem Paradies verjagt, als Satanas die Seelender Menschen fr sich, seine ,,civitas diaboli" zu gewinnensucht, trachtet danach, mit seinen Anhngern, den ,,membradiaboli", die ,,vera pax" durch ,,amor sui": durch Eigenliebeund superbia": durch Erhebung gegen Gott und seineWeltordnung zu stren. Die Teufelsgemeinschaften sind esso, die uns, durch berhebung gegen Gottes Willen ausEigennutz (superbia" und inoboedientia") entstanden, undmit Zwietracht (discordia") erfJlt, die ,,civitatis diaboli"kennzeichnen. Die in diesen Kreisen herrschende pax"ist nicht die wahre, die ,,vera pax", sondern nur eine schein-bare: ,,falsa, terrena, iniqua pax". Sie mu diese Reiche desTeufels dem Untergang zufhren. Ihre Anhnger, die ,,mem-bra diaboli", die Teufelskinder sind es, die in stetem Kampfstehen mit den ,,filii Dei", indem eben jene den Friedendieser: die ,,vera pax" zu stren suchen. Diese ,,filii Dei"hingegen setzen alles daran, die ,,vera pax" zu erhaltendurch jene Unterordnung unter Gottes Willen und Gebote,die Augustin im ganzen als ,,iustitia" bezeichnet. ,,Iustitia"ist ihm Unterordnung des Einzelnen sowie alles Seins unterdie von Gott geschaffene Weltordnung, unter Gott und seineGebote, soda alles den ihm zukommenden Platz einnimmt.Augustin gibt diesen erweiterten und vertieften Sinn deralten Definition: 1 ) ,,iustitia ea virtus est, quae sua cuiquedistribuit", indem er der beschrnkten, weltlichen Bedeutungdes Begriffes bei den Heiden diese christliche Bedeutungscharf entgegenstellt.

    Obedientia, humilitas, amor Dei sind Begleittugendender iustitia. Das Gegenteil ist die iniustitia, iniquitas, undderen Begleittugenden sind: inobedientia, superbia, amor sui.

    Die christliche Obrigkeit hat nach auen und nachinnen die ,,iustitia" zu vertreten; die Untertanenauf ihren Bahnen zu lenken, ist die hchste Aufgabe des

    x ) De civitate Dei XIX, 21, Bd. 2, 341 5.

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    christlichen Herrschers. Er hat nicht sein eigenes,persnliches Interesse zu verfolgen, sondern sein ganzesWirken mu dahin gehen, seine Untertanen zur iustitia"anzuhalten und so die ,,pax" zu verwirklichen. Durch ge-rechte, vterliche Frsorge, ja schlielich auch durch Strengemu er dies zu erreichen suchen. Dann ist er der wahre Hirt,zu dem der Herr sagt: ,,pasce oves meas". Falls sich dieUntertanen gegen die iustitia" auflehnen, gegen sie ver-stoen, somit also die ,,vera pax" gefhrden, darf der rexnicht mig zusehen, das wre ,,falsa pax" dulden, nein, ermu, wenn es nottut, selbst zum Schwert greifen, sei es gegenVerbrecher das Schwert des Gerichts, sei es gegen Rebellenund Ketzer das des Kampfes, um die von Gott gewollteOrdnung aufrecht zu erhalten. Tut er dies, so ist er ,,pastoriustus", Mitglied der ,,civitas Dei". Der Herrscher aber,der seiner Eigenliebe und persnlichen Macht nachgeht, istein iniustus", iniquus", tyrannus" und hat keinen Platzin der ,,civitas Dei". Folgt er ja doch nicht der iustitia",sondern der iniustitia", superbia" und dem amor sui",indem er sich ber die gttlichen Gesetze erhebt and keines-wegs Sorge trgt fr die Verwirklichung der von Gott ge-wollten Weltordnung. Wir sehen also: der Knig mu als,,pastor iustus" iustitia" walten lassen, um so die pax"in der ,,Ecclesia Dei", der Gemeinschaft aller ,,amatoresDei" zu wahren.Diese augustinischen Anschauungen dringen allmhlichmehr und mehr durch, auf allen Gebieten treten sie uns ent-gegen1 ). Gregor d. Gr. hat sein ganzes System auf dieseraugustinischen Theorie aufgebaut, durch seine ,,Moralia" sowiedes angeblichen Cyprians Schrift : ,,de XII abusivis saeculi" hatsie auer durch Augustins Werke eine so gewaltige Ausbreitunggefunden. Pseudo-Cyprian weist uns rein augustinisch die

    x ) cf. E. Bernheim: Politische Begriffe des Mittelalters imLichte der Anschauungen Augustins." Deutsche Zeitschrift fr Ge-schichtswissenschaft. 1896/7.

    H. v. Eicken: Geschichte und System der mittelalterlichen Welt-anschauung.

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    - 11 fKennzeichen 1 ) des Gottes- und Teufelsfrsten, er charakteri-

    siert den rex, den Augustin ,,pastor iustus" oder ,,rex felix"nennt, speziell als ,,rex iustus", und als solcher erscheint vonnun ab meistens der gottgefllige Herrscher der ,,civitas Dei".

    Wir sehen, da augustinische Gedanken nicht nurdurch Kenntnis des Kirchenvaters selbst, sondern besondersauch durch die Schriften seiner Anhnger verbreitet werden.So hat z. B. Gregor VII. anscheinend nicht aus Augustinselbst geschpft; da er aber ganz die groartigen Ideenseines gewaltigen Vorgngers: Gregors d. Gr. in sich aufnimmtund sie ausbaut, ist er in Wirklichkeit einer der glhendsten,eifrigsten Verfechter augustinischer Gedanken. Und berallbegegnen wir in zunehmendem Mae diesen Gedanken beiden Vertretern der geistlichen und weltlichen Obrigkeit,bei den theologischen Schriftstellern und bei den Geschichts-schreibern. Augustinische Gedanken beherrschen mehr undmehr in dem Mae den mittelalterlichen Geist, da jeder,der diese Zeit oder sei es auch nur einen Bruchteil derselben,einen Vorgang oder eine Persnlichkeit dieser Zeit im tiefstenWesen und Denken erkennen will, an diesen grundlegendenIdeen nicht Verstndnis- oder interesselos vorbergehendarf; ebensowenig, wie man heutigen Tages bei einer Dar-stellung unserer Zeit die wichtigsten parteipolitischen, sozialenund wirtschaftspolitischen Ideen und Begriffe auerachtlassen drfte.Im Rahmen dieser Untersuchungen sei besonders dasGebiet der Gesetze und Erlasse herausgegriffen und auf denEinflu jener augustinischen Anschauungen von ,,pax",iustitia" und den Pflichten der christlichen Obrigkeit geprft.Freilich darf man nicht verkennen, da oft auf diesem Ge-biete, wenn von ,,pax" sowie iustitia" die Rede ist, derengere, klassische Sinn dieser Worte vorliegt: ,,pax" gleichuerem, weltlichen Frieden, iustitia" gleich Gerechtigkeitim blichen Sinne gerechten Gerichts. Natrlich ist auchdiese ,,pax", auch diese iustitia" von Gott gewollt, Gott

    1 ) cf. Siegmund Hellmann: Pseudo-Cyprians ,,de XII abusivissaeculi." Text und Untersuchungen zur Geschichte der altchrist-lichen Literatur, herausgeg. v. A. Harnack und K. Schmidt.

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    12 wohlgefllig; doch fr unsere Betrachtung scheiden pax"und iustitia" in dieser ursprnglichen Bedeutung aus.Ferner ist zu beachten : Augustins Lehre hat eine so gewaltigeWirkung auf die mittelalterlichen Geister ausgebt, weilsie ein System ist, das auf den christlichen Gedanken auf-gebaut ist, wie sie uns in der heiligen Schrift und sonst ent-gegentreten. Augustin hat so schon eine vertiefte Bedeutungvon ,,Frieden" und ,, Gerechtigkeit dort vorgefunden, aberer hat diese Begriffe erst systematisch verarbeitet, und indiesem systematischen Sinne treten sie uns entgegen undsind sie zu fassen, wenn sie als Inbegriff der Pflichten undAufgaben christlicher Obrigkeit ausgesprochen werden. Undwas diese Pflichten der christlichen Obrigkeit betrifft, sosei vorausgeschickt, da es freilich schon von jeher, selbstvor der Annahme des Christentums dem germanischenKnig als Pflicht galt, die Friedensordnung aufrecht zu er-halten. Da aber, wo sich diese Aufrechterhaltung der paxund der concordia nicht als weltlich-staatsrechtliche, sondernals christlich-religise Pflicht zeigt, besonders in der Ver-bindung mit dem Begriff iustitia", da ist die spezifischaugustinische Vertiefung und Frbung unverkennbar. Wasferner die Pflicht des rex betrifft, fr die Kirche zu sorgen,so sei betont, da sich unsere Deutschen Knige und Kaiservon alters her als Schtzer der Kirche fhlen, wie sich ausihrer ganzen Stellung, ganz deutlich auch aus den uns er-haltenen pacta der Knige mit den Ppsten zeigt. Diesealte Pflicht geht von den rmischen Kaisern auf unsereDeutschen Knige und Kaiser ber. Wir sind demnach nichtberechtigt, berall augustinischen Einflu da sehen zu wollen,wo sich diese Stellung der Frsten als Schtzer der Kirchezeigt, vielmehr ist augustinischer Einflu nur da zu konsta-tieren, wo nicht auf Grund alten Rechts der Kaiser oder Knigdie Kirche schtzt, sondern wo er als christlicher Friedens-frst, als rex iustus der civitas Dei sich verpflichtet fhlt,iustitia walten zu lassen und so die pax in der ecclesia Deizu wahren. Es gilt also, von Fall zu Fall zu prfen, ob be-sondere Anzeichen fr das Vorhandensein augustinischerGedanken sich finden. Ins Auge zu fassen sind natrlich

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    auch die Darstellungen gleichzeitiger Autoren, insofern sieuns Aufschlu geben knnen, wieweit schon den Zeitgenossender eine oder andere Knig und Kaiser als gottgeflligerFriedensfrst, als rex iustus erscheint und dessen Wirkenfr pax und iustitia so gewertet wird. Freilich ist das Forschenin dieser Hinsicht oft nicht sehr ertragreich, zuweilen sogarvergeblich. Der Grund liegt darin, da eben in dieser Periodedes Mittelalters Viten von Knigen und Kaisern selten sind,wie sie uns sonst so manche wichtigeKunde ber dieStellung undTtigkeit des einen oder anderen Frsten berliefern. Nichtetwa, da in jener Zeit diese literarische Gattung ganz versiegte,man befat sich aber vorwiegend mit der Lebensfhrunghoher Geistlicher und Heiliger in erbaulich-religisem Sinne.Die Schicksale der Laien, sei es auch der hchstgestellten,finden in der damaligen Geschichtsschreibung hauptschlichBeachtung nur in den Annalen und auch hier oft nur in zweiterLinie, wenn z. B. die Geschicke eines Klosters, eines Bistumsim Brennpunkt des Interesses stehen. Auerdem gestattendiese Annalen, oft mit der oberflchlichen Aufzhlung vonTatsachen sich begngend und bei dem ihnen charakteristi-schen, kurzen Stil, vielfach keinen Einblick in des VerfassersAuffassung von der Herrscherstellung des einen oder anderenFrsten. Doch gengen oft schon die charakteristischenAusdrcke, die den wahrhaft christlichen Herrscher imaugustinischen Sinne bezeichnen, um zu zeigen, wie die augu-stinische Auffassung vom kniglichen Herrscheramt, diedieser Knig oder Kaiser in seinen Erlassen und Gesetzenkundgibt, auch seiner Mitwelt nicht verborgen geblieben ist.

    Da die augustinischen Ideen allmhlich mehr undmehr herrschend wurden, hat seinen Grund in der Pflege,die sie in kirchlichen Kreisen empfingen. Da diese damalsdie Trger gelehrter Bildung waren, haben sie die ihnenvertrauten Gedanken zu frdern und weiterzupflanzen ge-sucht, sie auch in der Laienweit zur herrschenden Welt-auffassung gemacht. So wissen wir von Karl d. Gr. undvielen anderen, da sie sich aufs eifrigste mit den LehrenAugustins befat haben. Und auch in die Reichsgesetzeund Erlasse, deren nchterner Charakter ja schon durch ihr

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    14 Wesen und ihren Zweck bestimmt ' ist, dringen diese Ge-danken allmhlich ein, immer mehr wachsend, je nher dasuniversal-theokratische Kaisertum seinem Hhepunkt steht.Das karolingische Kaisertum steht auf dieser Hhe, aber mitdem Niedergang der Bildung treten zunchst auch jeneaugustinischen Ideen zurck.

    So ist in den Erlassen und Gesetzen der SchsischenKaiser 1 ) ein ausgesprochener Einflu augustinischer Ge-danken nicht zu finden. Sie gebrauchen zwar gelegentlichdie Worte pax und iustitia, aber nicht in erkennbarem Zu-sammenhange jener Gedanken ; und besonders zeigen sich in denArengen 2 ) der Urkunden, die ja infolge der in ihnen sichfindenden prinzipiellen Begrndung des betreffenden Er-lasses ganz besonders derartige Gedankendarlegung gestatten,wohl Hinweise auf die gttliche Einsetzung und Missionchristlicher Obrigkeit, die im allgemeinen den augustinischenIdeen entsprechen, doch kaum in spezifisch augustinischenWendungen, wie das in den zeitgenssischen Geschichts-werken3 ) der Fall ist.

    Bezeichnend ist fr dieses Verhltnis folgendes: ImTitel des Herrschers bleibt das ,,Dei gratia" oder ,,Dei faventedementia" aus karolingischer Zeit, aber das spezifischaugustinische Beiwort pacificus, das Karl der Groe socharakteristisch im Geiste des Augustinus in den altblichenbyzantinischen Kaisertitel einfgte, das dann seit der Ver-krzung des Kaisertitels unter Ludwig dem Frommen ver-schwand, wurde von Otto d. Gr. nicht wieder aufgenommen,

    1) M. Manitius: Deutsche Geschichte unter den schsischen und

    salischen Kaisern.2) M. Mller :D ie Einleitungsformeln (Arengen) in den Urkun-den von Konrad I. bis Otto III. Diss. Greifswald 1910.K. A. Gecks: Die Einleitungsformeln (Arengen) in den Urkun-

    den Heinrichs II. und Konrads II. Diss. Greifswald 1913.3) cf. E. Bernheim: Die augustinische Geschichtsanschauung

    in Ruotgers Biographie des Erzb. Bruno von Kln (Zeitschrift der Za-vignystiftung fr Rechtsgesch., kanonische Abt. II., p. 299ff.). Fernerdie beiden im Erscheinen begriffenen Greifswalder Dissertationen vonG. Bagemihl: Die Persnlichkeit Ottos II. u. s. w. und von F. Feind:Die Persnlichkeit Heinrichs II. u. s. w., Greifswald 1914.

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    15 whrend es noch auerhalb der Kanzlei in geistlichen Kreisenwohl betont blieb. Denn dies Beiwort pacificus tritt auf ineiner Urkunde Heinrichs IL, die von Empfngerhand x ) her-rhrt, ferner in dem vom Frankfurter Konzil erlassenenPrivilegium2 ), das die Grndung des Bistums Bamberg be-sttigt, und in zwei Diplomen 3 ) des Papstes Bendikt VIII.In der kaiserlichen Kanzlei selbst hingegen hat sich augustini-scher Einflu offenbar nicht stark geltend gemacht.

    Allmhlich dringen Augustins Ansichten vom Gottes-staat mehr und mehr in das ganze mittelalterliche Fhlenund Denken ein, zumal da um die Wende des ersten Jahr-tausends jene mystische Bewegung die Christenheit ergreift,die, ein baldiges Weltende voraussehend, zur Vertiefung undVerinnerlichung des ganzen religisen Denkens so erheblichbeigetragen hat. Auf allen Gebieten der Literatur zeigt sichjetzt der Einflu unseres Kirchenvaters, kein Wunder daher,da er jetzt, in der ersten Hlfte des elften Jahrhunderts,sich nach und nach auch in den Erlassen und Gesetzen desReichs geltend macht.

    Betrachten wir die Frnkischen Kaiser 4 ), so ver-treten auch sie, wie die Ottonen, die Auffassung von dergttlichen Mission ihres Amtes in Arengen der Urkunden soweit die Diplomata untersucht sind , doch meist ohnecharakteristisch augustinische Wendungen. Wir findensolche zuerst bei Heinrich III. 5 ) in dem Erla, durch dener im Jahre 1040 dem Kloster der heiligen Gertrudis in Ni-velles die Ortschaft Nivelles zuerkennt6 ). Hier sehen wir inden einleitenden Worten, da der Knig sich von Gott gesetztfhlt, um ganz augustinisch als Hauptaufgabe seinerHerrscherpflicht die tranquillitas" in der ,,Kirche" zu hegen,

    x) M. G. Diplomata III., 111.2) M. G. L. L. IV., 1, 59.

    3) J. v. Pflugk-Harttung: Acta pontificum Romanoium inedi-

    ta, II, p. 62, 63.4

    ) cf. p. 14 Anm. 1.5

    ) F. Steinhoff: Das Knigtum und Kaisertum Heinrichs III.Diss. Gttingen.

    6) Abgedruckt in den Jahrbchern der deutschen Geschichte:Heinrich III., Bd. I, 525-526.

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    die Augustin speziell als die zustndliehe Seite der pax be-zeichnet 1 ): Ouoniam nulla nostra presumptione sed solaDomini miseratione suseepimus regni gubernacula, quo pernos optata tranquillitate saneta frueretur ecclesia, nostrumomnino in hoc laborare, solius autem Dei erit perficere."

    Weiterhin finden wir die Spuren augustinischer Ge-danken in Heinrichs Gesetz vom Jahre 1052, das verbietet,die Witwe oder Braut eines verstorbenen Verwandten zuheiraten. Heinrich sagt in bezug darauf in der Einleitungdieses Ediktes2 ): ,,nos quoque erga ea, quae ad christianasreligiones et ad eultum iustitiae pertinent, iugiter sollicitaridebemus." Hier ist iustitia" offenbar im Sinne Augustinsgesagt. Von Gerechtigkeit in gerichtlichem Sinne ist keines-wegs die Rede, vielmehr meint Heinrich: die christlicheReligion und die von Gott gewollte Ordnung, fr die zu sorgen,seine Pflicht sei, gebieten ihm, die folgenden Eheverbote zuerlassen. Wir finden hier also bei Heinrich III. offenbarenEinflu der augustinischen Anschauungen von iustitia".Heinrich fhlt sich verpflichtet, sie zu frdern.

    Leider sind uns von Erlassen und Gesetzen Heinrichsnur wenige erhalten, wir wrden sonst sicherlich noch desfteren auf augustinische Ideen stoen. Ganz besondersist es zu beklagen, da die Dokumente verloren gegangensind, die uns Heinrichs Bemhungen fr den ,,Frieden''zeigen. Heinrich III. ist es bekanntlich, der im eifrigen Be-wutsein seiner Pflicht mit Begeisterung und Feuer wiederholtden Versuch macht, zur Befriedigung des Reiches in diesemSinne zu wirken. Die Anfnge dieser ganzen, stark religisgefrbten Friedensbewegung, deren augustinischer Geist jaunverkennbar, liegen im ostfrnkischen Reiche3 ), wo unterschwachen Herrschern heillose Anarchie herrscht, Recht undGesetz daniederliegen und jeder nur seinem eigenen Vorteil

    1) cf. De civitate Dei XIX, 13.

    2) M. G. L. L. IV, 1, 101.

    3) A. Kluckhohn: Geschichte des Gottesfriedens. Herzberg-Frnkel: Die ltesten Land- und Gottesfrieden in Deutschland. (For-

    schungen zur deutschen Gesch. Bd. 23.)L. Huberti: Studien zur Rechtsgeschichte der Gottesfriedenund Landfrieden.

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    17 lebt. Raub, Mord, Verwirrung und Gesetzlosigkeit herrschen:die wahren Kriterien der civitas diaboli. Da greift die Kirchezur Selbsthilfe, weil die Staatsgewalt zu schwach. Eineaquitanische, dann auch eineburgundische Synode beschlieenVon Mittwoch abend bis Montag frh sowie an bestimmtenFeiertagen, Festen und Festzeiten hat Friede und Ruhe zuherrschen, die Waffen haben zu ruhen. Es sind dies fr alleEwigkeit festgelegte Termine, die als Synodenbeschlu imNamen Gottes sanktioniert sind: Treuga Dei. Die pax,die durch diese Erlasse festgelegt wird, gilt als unmittelbarerWille Gottes und wird so unter jenem Motto des Gottes-friedens eingefhrt. So sagt die oben erwhnte burgundische1 )Synode: ,,pacem et .... treuvam Dei divina inspirantemisericordia de coelo nobis transmissam .... causam a Deonobis coelitus inspiratam." Es ist unverkennbar, da dieseBewegung des Gottesfriedens ihrem ganzen Wesen nach aufdie Anschauungen Augustins von der civitas Dei und dercivitas diaboli zurckgeht. Indem diese Bewegung nun,gefrdert durch das Wirken der Kluniazenser, nach Deutsch-land dringt, wird sie hier vom Knigtum aufgenommen.Schon Heinrich II hat sich durch besondere Maregeln umdie Aufrechterhaltung friedlicher Ruhe und Ordnung bemht,wie uns durch Widukind, Thietmar, Adalbold u. a. 2 ) berichtetwird; um eigentliche ,,Landfrieden" handelt es sich dabeinoch kaum. Auch Heinrich III. wirkt zunchst noch nichtdurch Gesetz, sondern durch persnliches Beispiel und all-gemeine Friedensbefehle: Auf der Synode zu Konstanz vomJahre 1043 betritt Heinrich selbst die Kanzel, gibt der all-gemeinen Friedensstimmung Ausdruck, fordert das gesamteVolk zum ,,Frieden" auf und verkndet selbst allen seinenGegnern Vergebung der ihm zugefgten Unbill. 3 ) hnlicheFriedensverkndigungen Heinrichs finden sich noch ver-

    1) Jahrbcher der deutschen Geschichte: Heinrich III., Bd. I.,

    142.2

    ) cf. G. Waitz: Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 6, Kiel1875, p. 424ff.

    a ) Ann. Sang. 1043. M. G. S. S. I, 85.Ann. Saxo 1043. M. G. S. S. VI, 686.Herim. Chron. 1043. M. G. S. S. XX, 800.

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    schiedentlich erwhnt. 1 ) Urkundliche Zeugnisse seinerFriedensbestimmungen sind uns nicht erhalten, wir habenaber in den Berichten gleichzeitiger Autoren den Beweis2 ),da Heinrich sich im Sinne Augustins als rex iustus, alsFriedensfrst fhlt und in diesem Sinne handelt. BischofBonitho sagt so z. B. im Buch 5 seines Werkes ,,Ad Amicum" 3 )von Heinrich: ,,Heinricus vir sapientissimus et totus chri-stianissimus. Hie in primordio sui regni Ungaros tumul-tuantes vicit et citissime sedavit .... rite omnibus regnipacatis negoeiis." Wir sehen hier Heinrich III. als denFriedensfrsten, wie er nicht nach altgermanischem Her-kommen, sondern als ,,Christian issimus rex" die Friedens-ordnung wahrt.

    Auch Wipo preist Heinrich als den von Gott gesandtenFriedensfrsten. In seinem Tetralogus" 4 ) sagt er von ihmV. 6971:

    ,,Nos operam dabimus, quo possit dicere mundus:Tertius Heinricus fuit olim pacis amicus;Fama sui meriti superabit tempora mundi."V. 79 heit es von ihm:,,Si petimus pacem, tu rex praestaveris illam"

    und V. 95100:,, Salve certa quies populorum tempore nostro;Salve pax orbis, mundi fortissima turris,Hostes ecclesiae quae sternis semper abunde;Unde sui capitis mundus praevidit honorem.Tu caput es mundi, caput est tibi rector Olympi,Cuius membra regis iusto moderamine regis "Schlielich lesen wir V. 130135:,,Sed tarnen ex eunetis sex regem significabuntVirtutes aliasque satis praecedere norun t :

    1 ) Ann. Altah. 1044. M. G. S. S. XI, 382.Lambert Ann. 1044. M. G. -S. S. V, 153 u. a.2

    ) cf. G. lkow: Die Anschauungen zeitgenssischer Autorenber Heinrich III. im Zusammenhang mit den Theorien Augustins,der Sibyllinischen Prophetie und der Apolvalypsekommentare. Diss.Greifswald 1913.

    3) Jaffe: Bibl. Rer. Germ. III., 025.

    4) M. G. S. S. XI., 245-254.

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    19 Mens humilis, pietatis amor, pax missa per orbem,Nobilitas et forma decens, fiducia belli;Has voco praecipuas et regis honoribus aptas,His rex Heinricus Christi clarescit amicus."Aus all dem klingt hervor das Lob Heinrichs als Fr-

    derers der pax, als Schtzers der Kirche und Herrschers derGotteskinder. Der Verfasser sieht in Heinrich zweifellosden berufenen Friedensfrsten, den verkrperten rex iustusder civitas Dei, wie ihn Augustin schildert, der als Vor-kmpfer dieser civitas Dei auch zum Schwert greift (fiduciabelli). Ohne diese Bezugnahme auf Augustins Ideen vomwahren und falschen Frieden mte es ganz sinnwidrig er-scheinen, wenn in einem Atem Heinrich als Friedensspenderund als ,,fiducia belli" gepriesen wrde.Und Heinrichs Bemhungen fr den Frieden warenauch nicht vergebens. Das zeigt uns z. B. die ,,Vita Hein-rici quarti imperatons" 1 ), in der es zu Anfang von Kapitel 2 vonHeinrich III. heit : ,,non bella pacem disturbabant, non classicaquietem rumpebant, non rapina grassababatur, nonfidesmen-tiebatur. Adhuc iusticia sui vigoris, adhuc potestas sui iuriserat." Wir sehen: ,,iustitia" herrscht im Reiche Heinrichs unddie ,,pax" ist nicht gestrt. Die augustinische Beleuchtung, inder Heinrich III. seiner Zeit erscheint, ist unverkennbar.

    Die Regierung Heinrichs IV. 2 ) steht im Zeichen desKampfes zwischen ,,regnum" und sacerdo^ium". Indemsich Kaiser sowie Papst als oberster Herrscher der Christen-heit fhlen, mu ein jeder von sich annehmen und behaupten,da er die Sache der ,,iustitia", der ,,pax", kurz: der ,,civitasDei" vertritt, whrend er von dem Gegner meint, da erin ,,superbia" und amor sui" die ,,pax" stre, kurz: dieSache der ,,civitas diaboli" vertrete. Und so finden wir dennauch in der Tat in dieser Zeit die Ansichten Augustins aufdie Denk- undHandlungsweise der fhrenden Persnlichkeiten3 )

    *) M. G. S. S. XII. 268-283.2 ) Meyer v. Knonau : Jahrbcher des deutschen Reichs unter

    Heinrich IV. und Heinrich V., 1 5.8 ) G. Werdermann: Heinrich IV., seine Anhnger und seineGegner im Lichte der augustinischen Geschichtsauffassung des Mit-

    telalters. Diss. Greifswald L913.2*

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    21 praemissae sibi ecclesiae periculum, qui vidit etiam archanaDei raptus ad tercium caelum ? Dicit enim: ,,In novissimistemporibus instabunt tempora periculosa, et erunt hominesse ipsius amantes, questum pietatem existimantes" et cetera.His non ad erubescendum vestram ammonemus dilectionem,scientes in istis velut in aliis vestram perfectionem. Sed utad cautelae et discretionis Studium evigiletis, pia exhortationimanu pulsamus ; ne iuxta vocem apostoli credatis omni spiri-tui, qui, speciem quidem habentes pietatis, opera exercentimpietatis et, variis et vanis insudentes laboribus, inserunt semultis doloribus. Hec cum nobis melius videatis, perpendite,quid iusticie et veritati debeatis." Heinrich warnt also vorden Listen und Rnken des diabolus, der die Gotteskinderabtrnnig zu machen sucht, indem er sie macht zu se ipsosamantes", d. h. zu Leuten, die sich in amor sui hinwegsetzenber Gottes Gebote, nur uerlich, nicht in Wahrheit An-hnger der pietas" sind. Zu iustitia" und veritas" for-dert er auf.Im Anfang des Jahres 1076 fordert Heinrich IV. vonder Synode zu Worms Hildebrand auf, vom usurpierten StuhlSt. Peters herabzusteigen 1 ). Unter den Schandtaten, die erihm vorhlt, ist unter anderm: reverentissimos ....episcopos . . . superbissimis iniuriis acerbissimisque con-tumeliis contra divina ethumana iura exagitasti." Hier findenwir offenbaren augustinischen Einflu: nicht von berm-tigen" Unrecht spricht Heinrich, sondern von einem Unrecht,das gegen Gott, seinen Willen und seine Gesetze verstoe.So ist hier der Begriff superbus" zu fassen. Es ist frHeinrich hier ganz im Sinne Augustins superbia" Kenn-zeichen der civitas diaboli, wie iustitia Grundlage der civitasDei ist. Indem Gregor VII. sich jener superbia" hingibt,stellt er sich auerhalb der civitas Dei, gehrt er zu denmembra diaboli. Und ebenso wirft er ihm vor, da er ihmsuperbo ausu" seine erbliche Wrde (den Patriciat) geraubthabe2 ).

    *) M. G. L. L. IV, 1, 108/9.2 ) cf. die p. 20 zitierte Dissertation von B. Kumsteller.

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    Bald darauf ladet Heinrich, nachdem er vom Papstgebannt und seines Thrones fr verlustig erklrt worden ist,die Bischfe zur Reichsversammlung um Pfingsten nachWorms, um Gregor seines Amtes zu entsetzen. In demSchreiben 1 ) an den Bischof Altwin von Brixen sagt er, indemer die Gefahr schildert, die dem Reiche durch Hildebranddrohe, der das geistliche und weltliche Schwert in seinerHand zu vereinigen suche: ,,Hildebrandum ... de sede paciscatholicae unicae pacis vinculum dissipantem." Hier ist,,pax" nicht nur als ,,uerer Friede" zu fassen, den Gregorgestrt habe, indem er den Kampf zwischen regnum undsacerdotium heraufbeschworen, habe, sondern im SinneAugustins als ,,Harmonie des Gottesstaates". In scharferAntithese wird hervorgehoben, da die Versumnis derGrundpflicht, der Sorge fr ,,catholicae pacis vinculum"ausgehe ,,de sede pacis". Und weiterhin macht Heinrichdem Papst den Vorwurf: ,,regnum et sacerdotium Deo nes-ciente sibi usurpavit. In quo piam Dei ordinationem con-tempsit." Hier wird es nochmals deutlich hervorgehoben:die von Gott gewollte Ordnung hat er gestrt, indem er diebeiden getrennten Gewalten, die nach Augustin in ihremgeordneten. Zusammenwirken die pax gewhrleisten, in seinerHand zu vereinigen gesucht hat.

    Hierher gehrt auch Heinrichs Schreiben 2 ), das wohlvon der Synode zu Utrecht, nach anderer3 ) Meinung nochvon der Reichsversammlung zu Worms an Gregor gesandtist, mit der Aufforderung, den Stuhl St. Petri zu verlassen.In diesem Erla erscheint Heinrich als der von G-ott gesetzteHerrscher, whrend Gregor die gttliche Ordnung zu strensucht, seine Stellung nicht durch Gott, sondern durcheigene Anmaung einnimmt, nicht der ,,pax", sondern der,,confusio" dient. Diese ,,confusio" ist als Gegensatz zurpax" der typische Zustand des Teufelsreiches, in dem ebendie rechte Ordnung gestrt ist. Besonders wird Gregor als

    *) M. G. L. L. IV, 1, 112.2

    ) M. G. L. L. IV, 1, 110-111.3

    ) W. v. Giesebrecht: Geschichte der Deutschen Kaiserzeit, III.,356-357.

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    23 Frderer dieser confusio" und Gegner der ,,pax" gekenn-zeichnet durch die Worte: ,,ferro sedem pacis adisti, et desede pacis pacem turbasti, dum subditos in praelatos armasti,dum episcopos nostros a Deo vocatos tu non vocatus sper-nendos docuisti." Deutlich tritt es uns hier entgegen, wieder Mann, der seine Stellung wider Gottes Willen innehat,die wahre, friedliche Ordnung strt, indem er die Untertanengegen die ihnen Vorgesetzten aufreizt; und die Antithesedes frheren Schreibens tritt hier noch schrfer hervor: desede pacis pacem turbasti." Besonders zeigt sich GregorsStellung als Teufelsfrst auch in der Anmaung gegen denVertreter der von Gott eingesetzten weltlichen Gewalt: ,,inipsam regiam potestatem nobis a Deo concessam exurgerenon timuisti, .... quasi in tua et non in Dei manu sit velregnum vel imperium. Qui dominus noster Jesus Christusnos ad regnum, te autem non vocavit ad sacerdotium."Die gttliche Bestimmung des regnum und seines Frstentritt klar hervor im Gegensatz zu Gregor, der sich den StuhlPetri gegen Gottes Willen angemat habe.

    Von der Synode zu Brixen vom Juni des Jahres 1080haben wir die Anklage- und Absetzungsschrift 1 ) Heinrichsund 28 deutscher Bischfe gegen Gregor VII. Hier heites: ,,visum est iustum .... ut quem praesules ecclesiarumprius a superba praelatione deponerent eundem postmodumregalis potentia licentius persequendum decerneret." Hierist wiederum .,superbus" nicht als bermtig" zu fassen,sondern augustinisch als Gegensatz zu iustus", als Ausdruckder berhebung ber die Gesetze Gottes und der Strungdes von Gott gewollten, wahren Friedens in der civitas Dei.Derselbe Vorwurf wird Gregor im folgenden gemacht, wenngesagt wird: ,,regi catholico ac pacifico corporis et animaeintentat mortem" und ,,seminavit .... inter pacificos lites."Hier wird Gregor offensichtlich als Verwirrer der ,,pax" undFeind ihrer Anhnger, also als Freund der discordia und dermembra diaboli gebrandmarkt. Nur unter Bercksichtigungder augustinischen Anschaungen sind also diese Worte inihrer schweren Bedeutung zu erkennen.

    ~)~M7 G. L. L. IV., 1, 118.

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    24 Augustinische Anschauungen zeigen sich weiterhin in

    einem Schreiben 1 ) Heinrichs IV. an die Rmer vom Jahre1081, in dem er diesen anzeigt, da er nach Italien kommenwerde. Zunchst dankt er ihnen, da sie ihm stets Beistandgeleistet htten ,,in quantum per quorundam pestilentiumet superborum improbitatem licuit". Dann heit es: ,,Post-quam vero virum induimus, tantus in nos tyrannicae per-fidiae furor intumuit, ut ad eum opprimendum omnem curamlaboris nostri nos intendere necessitas suprema cogeret."Er will die ,,disturbatores pacis et concordiae" und die ,,diu-turna discordia regni et sacerdotii" vernichten, die ,,pax"und die unitas" wiederherstellen: ,,diuturna discordia regniet sacerdotii de medio tollatur et omnia ad pacem et unitatemin Christi nomine revocentur." Der Einflu unseres Kirchen-vaters ist berall ersichtlich: Heinrichs Feinde sind diesuperbi", die ,,disturbatores pacis et concordiae" mit ihrertyrannica perfidia", die er bekmpft, um ,,pax" und ,,uni-tas" zu sichern.

    In demselben Jahre schreibt Heinrich einen zweitenBrief an die Rmer 2 ). Er gibt seiner Enttuschung Ausdruck,da sie nicht, wie er erwartet htte, in Unterordnung unterGottes Willen sich als Anhnger der iustitia", die er vertrete,sondern als seine Feinde: als Vertreter der iniustitia"gezeigt htten: ,,Auctoritas Romana semper vigere debetiustitia .... et etiam in tantum de iustitia vestra, de paternaefidelitatis, quam nobis servastis, fiducia sperabamus, quod,si etiam soli veniremus vel cum paucissimis militibus, omniaiusta in regno ac sacerdotio vobiscum tractare possemus.Sed longe aliter ac sperabamus vos inveniebamus. Quia,quos putavimus amicos, sensimus inimicos; cum pro meraiustitia ad vos veniremus: ut pacem inter regnum ac sacer-dotium vestro consilio et canonica auctoritate componere-mus." Die Schuld mit er den Machinationen des Papsteszu, der ihnen eingeredet, Heinrich vertrete die Sache der,,iniustitia", whrend es doch in Wirklichkeit umgekehrtsei: ,,scimus utique et libenter credimus: vos iustitiae amicos

    !) Jaffe: Bibl. Rer. Germ. V., 138.2) Jaffe: Bibl. Rer. Germ. V., 498-502.

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    iustitiam, quam nulli negastis, nobis quoque non negassetis,nisi nos pro iniustitia et vestra confusione venisse audissetis.Non enim ignoramus illius dompni Hildebrandi machinatio-nes." Nachdem er dann Gregor als Verwirrer der gttlichenOrdnung gebrandmarkt hat: ,,qui longe lateque orbemseduxit et ecclesiam sanguine filiorum maculavit, dum filiosin parentes et parentes in filios insurgere fecit et fratrem infratrem armavit", bittet er die Rmer, sich von Gregorab- und der wahren iustitia" zuzuwenden: ,,Nolite diutiusecclesiam per Hildebrandum opprimere, nolite contra iusti-tiam secum pugnare Ad ultimum nichil querimus nisiiustitiam in loco, ubi maxime decet esse iustitia." Fast jederSatz atmet augustinischen Geist, und nur wenn man ihn indiesen Zeilen recht erkennt und wrdigt, erfat man denGedankengang und tiefen Sinn in Heinrichs Worten: Hein-rich ist nach Italien gekommen als Vertreter der ,,iustitia"und Frderer der ,,pax", um die Vertreter des Teufelsreichesniederzuwerfen. Interessant ist, es zu beobachten, wie Hein-rich dauernd des Papstes Hauptschlagwort: ,,iustitia" ge-braucht, gerade diese iustitia zu vertreten behauptet. Ernimmt damit gewissermaen dem Papste, der seinerseitsder iustitia gegen den rex iniquus zu dienen glaubt, denWind aus den Segeln.

    Seiner Pflicht als rex iustus, die pax auf Erden zu frdernund so zur Verwirklichung des Gottesreiches beizutragen,kommt Heinrich nach, indem er in der Auffassung seinerganzen Stellung sicher von augustinischen Ideen beeinflut allgemeine Friedensgesetze erlt. Die Regierung Hein-richs III. hatte, so glanzvoll sie erscheinen mag, infolge ver-fehlter Poltik nicht dazu beigetragen, die Sttzen des Knig-tums zu festigen, die Ordnung im Reiche dauernd zu sichern.Heinrich IV. nimmt nun, was die Vorgnger noch nichtgetan 1 ), die Friedensfrsorge durch gesetzliche Vereinbarungin die Hand: die Einrichtung von Landfrieden. Leider sinduns ber die Fridensbestimmungen Heinrichs keine urkund-lichen Dokumente erhalten, weder ber den Gottesfrieden

    *) cf. p. 16-18.

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    26vomJahre 10851 ) noch ber den Landfrieden vom Jahre 1 1032 ).Von jenem haben wir vielleicht nur die an ihn anschlieendeVerkndigung fr den Bamberger Sprengel, von diesem nureine Aufzhlung, herrhrend von einem Teilnehmer jenesMainzer Reichstages, auf dem Heinrich den Landfriedenverkndete. Jetzt wird zum ersten Male fr das ganze Reichein ,,pacis decretum" als Gesetz erlassen, nachdem schonvorher in kleineren Bezirken wie: Kln4 ) und Lttich5 ) derGottesfrieden durch die Geistlichkeit verordnet worden. Wirsehen also: Heinrich IV. nimmt sich jener Friedensbewegungan, die, von augustinischem Geist beseelt, die pax der civitasDei zu verwirklichen sucht; und mit Recht heit es also inKapitel 8 seiner Vita vonihm: pacemetiusticiamrevocabat."

    Doch Heinrichs Wirken fr den Frieden wird vereiteltdurch innere Unruhen, die der Abfall des eigenen Sohneshervorruft. Im Jahre 1105 schreibt6 ) Heinrich so an denPapst Paschalis II. und beklagt sich ber diesen Abfallseines Sohnes ,,posthabita omni fide et iusticia". Auch hier,wo ja wieder von Gerechtigkeit im gerichtlichen Sinne keines-wegs die Rede ist, hat man den Begriff iustitia" augustinischzu fassen. Ebenso liegt jener weitere Sinn in HeinrichsWorten,wenn er 7 ) im Juli des Jahres 1106 seinen Sohn auffordert:,,permittas nos pacifice et quiete vivere", zumal er dieiustitia" verfolge.

    Vom Juli oder August des Jahres 1106 ist uns einSchreiben8 ) Heinrichs an die Groen des Reiches erhalten,mit der Bitte, sie mchten auf Heinrich einwirken, da ei-sernen Widerstand gegen den Vater aufgeben mchte, ,,quia

    1) Ekkehard: 1085; S. S. VI, 205.Ann. Saxo: 1085; S. S. VI, 722.

    2) Ann. Aug.: 1103; S. S. III., 135.Sigib.: 1103; S. S. VI, 368Vita c. VIII.; S. S. XII., 277.3

    ) L. Weiland: M. G. L. L. IV, 1, 606.4) M. G. L. L. IV., 1, 602.

    5) Aegidius III., 13; S. S. XXV., 88-90.

    6) Jaffe: Bibl. Rer. Germ. V., 230-232.

    7) M. G. L. L. IV, 1, 128-129.

    8) Jaffe: Bibl. Rer. Germ. V., 505.

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    * 27 manifestum est, non eum divine legis zelo vel Romane ecclesiedilectione, sed concupiscentia regni, patre iniuste eo privato,hoc incepisse." Wir sehen hier ganz im Sinne Augustinsden von Gott gesetzten Knig gegenber dem Usurpator,der sich nicht in Uneigenntzigkeit seiner Pflicht als rexunterzieht, sondern aus Eigenliebe und Eigennutz. Dasliegt zweifellos in jenem ,,concupiscentia regni". Es klingthier in seiner Bedeutung stark an an den rex iniquus der augu-stinisch-cyprianischen Theorie, der sich in amor sui undsuperbia die Herrschaft anmat, der, wie Augustin XIX, 14sagt, durch ,,cupiditas dominandi" und ,,principandi super-bia" sein knigliches Amt gewinnt.

    Wie wir in den Erlassen Heinrichs unleugbar auf zahl-reiche Spuren der augustinischen Anschauungen von ,,pax",iustitia" und den Pflichten der christlichen Obrigkeit stoen,so erschien Heinrich seinen Anhngern als der berufeneFriedensfrst, als Verkrperung des Idealherrschers, wie ernach Augustins Lehre sein soll. 1 ) Betrachten wir z. B. die,,vita Heinrici IV. imperatoris" 2 ), so sehen wir den Verfasserzu Anfang Heinrichs Tod beklagen mit den Worten: ,,illorecedente iusticia terras reliquit, pax obiit, fraus in locumfidei subintravit. Chorus laudantium Daum conticuit, so-lemnitas officii divini siluit, vox exultationis et salutis intabernaculis iustorum non auditur; quia qui haec omniasolemniter ordinavit, non invenitur", und weiter3 ) wird vonihm lobend hervorgehoben: ,,Prohibebat quoque bella, vio-lentiam et rapinas, nitebatur pulsam pacem et iusticiamrevocare, neglectas leges restituere et sceleris licentiam re-secare." Wir sehen hier ganz deutlich Heinrich IV. als rexiustus, der die iustitia" pflegt und fr die pax" sorgt.Mit seinem Scheiden sind beide mit aus der Welt ge-schieden.

    1) G. Werdermann: Heinrich IV., seine Anhnger und seineGegner im Lichte der augustinischen Geschichtsauffassung des Mit-

    telalters. Diss. Greifswald 1913.C. Mirbt: Die Stellung Augustins in der Publizistik des Grego-

    rianischen Kirchenstreits. Leipzig 1888.2

    ) M. G. S. S. XII. 268-283.3 ) p. 272.

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    Auch Bischof Benzo von Alba preist in seinen libriad Henricum IV." 1 ) den Kaiser als gottgeflligen Friedens-fsrtsen. Im einleitenden Lobgedicht besingt er in ihm denSchpfer von Ruhe, Frieden und Wohlfahrt, dessen Regimentauch sichtlich von Gott gesegnet ist durch ,,opum affluentia",nach Pseudo-Cyprian ein Hauptkriterium der Herrschaft desrex iustus: ,,Subiugavit totum mundum Romana potentia;euneta redigens sub lege, sub oboedientia; pax ubique, perpessalus, opum affluentia" und im 1. Buch2 ), Kap. 4 kennzeichneter ihn als Werkzeug Gottes, whrend seine Gegner ,,Rebellen"und Anhnger der superbia" heien: ,,ipse Deus anteChristum suumvadit, eo quodsuperbia rebellium coram facieaugusti sicut stipula cadit."

    Auch die Augsburger3 ) Annalen wissen HeinrichsFriedensttigkeit trotz ihres kurzen Annalenstils erkennenzu lassen: ,,diversis conciliis cum imperatore de pace traeta-batur, sed a pacis annulatur inimicis." Hier und inanderen mittelalterlichen Ouellen sehen wir Heinrich IV.als Frderer von pax und iustitia, in dem weiteren SinneAugustins aufgefat. Wir haben in der Betrachtung seinerErlasse und Gesetze dieselbe Ansicht bei ihm selbst gefunden.

    Einflu augustinischer Ideen zeigt sich auch bei Hein-rich V. 4 ) Vom Jahre 1107 haben wir ein Schreiben5 ) Hein-richs an den Bischof Otto von Bamberg mit der Aufforderungam bevorstehenden Zug gegen Robert von Flandern teil-zunehmen. In den einleitenden Worten deutet Heinrichan, da der Friede, der im ganzen Reiche herrsche, aufGottes Walten zurckzufhren sei: Cum Dei Providentiaet magnae pietatis eius consilio de nostro regno ubique paci-ficato gauderemus. ..." Sicherlich sind diese Worte durchaugustinische Gedanken beeinflut: Gottes Wille ist es, dadie pax auf Erden gefrdert werde; um sie zu sichern, setzt

    *) M. G. S. S. XI., 591-681.2

    ) M. G. S. S. XI, 601.3

    ) M. G. S. S. III., 135.4) Meyer v. Knonau: Jahrbcher des Deutschen Reichs unterHeinrich IV. und V. Bd. 6, 7, 1907. 1909.

    5 ) Jaffe: Bibl. Rer. Germ. V., 257.M. G. L. L. IV, 1, 1333.

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    29 er ja die Obrigkeit ein. Andererseits wird Robert, der Feindund Strer dieser pax gekennzeichnet: constituimus ....nos facturos expeditionem in Flandriam supra tarn prae-sumptuosum hostem, qui noster miles debet esse; ne diutiusde inminutione et dedecore regni nostri impune superbiat."Sicherlich liegt hier im superbire in Verbindung mit prae-sumptuosus nicht nur der engere, gewhnliche Sinn desTrmmphierens", sondern es wird gleichzeitig in vertiefter,augustinischer Bedeutung bezeichnend genug Robert, derStrer der vom legitimen Herrscher vertretenen, friedlichenHarmonie, als Teufelsglied gebrandmarkt. Gerade durchdie klar hervortretende Gegenberstellung des gottgeflligenund gottgeschaffenen Friedens einerseits und des ,,superbire*seines Strers andererseits wird die augustinische Frbungklar erkennbar und so der Sinn dieser Worte in seiner ganzenTiefe verstndlich.

    Als Heinrich im Januar des Jahres 1111 auf dem Wegenach Rom ist, schreibt er einen Brief 1 ) an die Rmer. Indiesem sagt er: ,,in Italiam venimus illamque prae ceteristerris discordem et divisam pro tempore ad iusticiam et con-cordiamcoegimus." Hier ist wiederum iustita nicht im klas-sischen Sinne zu verstehen, sondern offenbar im Sinne Au-gustins gesprochen: Nicht zur ,, Gerechtigkeit" hat er dasuneinige und zersplitteret Italien gezwungen, sondern zurUnterordnung unter die von Gott gewollte, friedlich-har-monische Ordnung und Unterordnung unter die Obrigkeit,die nicht Gegenstze und Feindschaften, sondern Eintrachtund Frieden will. Und in diesem Sinne ist hier bezeichnend derBegriff iustitia" mit dem Begriff concordia" verbunden.In demselben Briefe heit es weiter: pro facienda et reci-pienda iustitia pacifice venimus." Auch hier erscheint dieenge Verbindung von iustitia und pax in demselben Sinne.

    Auch das Wormser Konkordat 2 ), das ,,veram pacem"zwischen regnum und sacerdotum herbeifhren soll, ist seinemganzen Wesen nach geschlossen unter dem herrschendenEinflu augustinischer Gedanken. Das zeigen uns deutlich

    1) M. G. S. S. IV., 1, 134.

    2) M. G. L. L. IV, 1, 159-161.

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    30 zwei Briefe des Papstes Calixt IL, der eine vom 19. Februaralso vor Abschlu der pax, der andere vom 31. Dezemberdes Jahres 1122, also nach ihrem Abschlu verfat 1 ). Injenem bittet Calixt den Kaiser, er mge die pax" nichtverweigern, sich nicht auf superbia" sttzen, noch deniniqui", den Feinden Gottes, Gehr schenken: ,,Non con-fidas in superbiis iniquorum, quoniam Deus superbis re-sistit. Habes milites adiutores tuos; habet aecclesia regemregum omnium defensorem suum." Er solle vielmehr seineZustimmung geben, da sowohl Staat wie Kirche zu ihremRechte kmen. Dann wrde er dem wahren Herrscheridealnahe kommen und sich nicht nur irdischen, sondern auchewigen Lohn erwerben: ,,Dimitte, quod tuae ministrationisnon est, ut digne valeas ministrare, quod tuum est. Obtineataecclesia, quod Christi est, habeat imperator, quod suumest. Sit pars utraque suo contenta officio, nee sibi ad invicemambitione aliqua sua usurpent, qui debent omnibus iusticiamobservare. Si nos audire et religiosorum ac sapientum con-silio nostris volueris monitis obedire, et Deo et seculo magnumgaudium dabis et cum temporalis regni et imperii fastigioetiam aeterni regni gloriam consequeris. Preterea nos ettotam aecclesiam ita tibi nexibus dilectionis devincies, utvere prineeps, vere rex et vere imperator per omnipotentisDei gratiam videaris." Und im zweiten Briefe, in dem Calixtdem Kaiser seine Freude ber den geschlossenen Friedenkundgibt, ist darauf hingewiesen, da nun die beiden Hupterder Christenheit, die geistliche und die weltliche Macht, infriedlichem Zusammengehen die Menschheit zum Heile leitenknnten: ,,Perpendat imperialis excellentia tua, quantumdiutina aecclesia imperiique discordia Europe fidelibusintulerit detrimentum, et quantum nostra pax et nostraunitas afferre poterit boni fruetus, cooperante Domino, in-crementum." Die Worte des Papstes, wie sie sich in beidenBriefen zeigen, stehen unverkennbar ganz im Zeichen augu-stinischer Weltanschauung.

    l ) M. G. L. L. IV., 1, 159f.

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    Wir sehen also, da das Wormser Konkordat ent-standen ist, um ganz im Sinne Augustins iustitia, pax,unitas zu frdern.

    In diesem Zusammenhang erhlt denn auch HeinrichsWirken fr den Landfrieden 1 ), deren er mehrere erlassen hat,augustinische Frbung. Leider sind uns von ihnen keinerlei ur-kundliche Dokumente erhalten. Aus den Nachrichten bei Ekke-hard1 ) ber dieseFriedensbestimmungen ist aber ersichtlich,daihm Heinrich in dieser Frsorge als Friedensfrst, als rexiustuserscheint, insofern die Errichtung des Landfriedens durch Hein-rich nicht nur als Herstellung geordneterVerhltnisse erscheint,sondern auch speziell als Einschreiten gegen das berhand-nehmende Wirken des inimicus". So sagt er vom Jahr 1121,Heinrich habe in Wrzburg dafr gesorgt, da, obwohl die,,pacem odientes" neue Unruhen stiften wollten, ,,pacemfirmissimam et omnibus universalem sub vitae periculolegaliter institutam, regalia vel fiscalia regno, aecclesiasticaaecclesiis, predia depraedatis, heredidates heredibus, omniquepersonae vel conditioni propriam adiudicatam esse iusticiamAd haec predones furesque edictis imperialibus persequendossive legibus antiquitus constitutis coercendos, unanimi con-iuratione confirmatum est; et quicquid scandali, quicquidperturbationis usquequaquam per regna Germaniae inimiciseminario sucreverat, omnimodis eradicari decretum est."Lothar von Sachsen zeigt Einflu ugustinischerGedanken zunchst in dem Briefe 2 ) an Innocenz IL vomOktober des Jahres 1135, in dem er diesem die UnterwerfungFriedrichs von Schwaben und Konrads mitteilt. Lotharbeginnt mit dem Worten: ,,Commonuit nos sepe et rogavitpaternitas tua, ut, quantum possemus, salva imperiali re-verentia, rigorem nostrum contra inperii inimicos remit-teremus ipsisque propter necessitatem, qui ecclesie inminebat,locum consequende gratie nostre concederemus. Quod utcompetentius fieret, non nostre sed divine fuit ordinationis;

    !) Ekkeh. M. G. S. S. VI, 255 ad. a. 1119;Ekkeh. M. G. S. S. VI, 257 ad. a. 1121 ;Ekkeh. M. G. S. S. VI. 262 ad. a. 1124.2

    ) Jaffe: Bibl. Rer. Germ. V., 52.*}.

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    32 que omnia, quemadmodum voluisti et petisti, sui miseri-cordia ad honorem ecclesie et imperii mitigavit et composuit.Siquidem, tarn materiali quam spiritali uterque convictusgladio, Fridericus in Babenberh, Conradus in curia proximecelebrata ad gratiam nostram venit." Hier sehen wir den Er-folg des Kaisers in Herbeifhrung des Friedens hingestellt alsWirken der Gnade Gottes. Das ist nicht nur Ausdruck derFrmmigkeit und der Unterwerfung unter Gott, sondernLothar stellt mit diesen Worten gleichzeitig seine Sache alsdie Gott wohlgefllige,. Gottes Willen entsprechende hin. Erfhlt sich also offenbar als der augustinische, gottgeflligeHerrscher, dessen Gegner von Gott geschlagen werden. Die-ser tiefe, augustinische Sinn liegt zweifellos diesen Wortenzugrunde, und noch deutlicher tritt er hervor in der sich an-schlieenden Erwhnung der 2 Schwerter: des weltlichenund des geistlichen, die vereint die Gegner besiegt htten,indem eben, wie es dem Willen Gottes entspricht, jene beidenGewalten Hand in Hand gingen und so die gottgefllige Ord-nung durch Unterwerfung ihrer Gegner herstellten.Im Jahre 1136 erlt Lothar eine Verordnung 1 ), dieden Vasallen verbietet, ihre Benefizien ohne Wissen derLehnsherren zu veruern. Hier finden wir die motivierendeWendung: ,,dum . . . pro iusticia ac pace regni componendaconsederemus." Die Begriffe iustitia" und ,,pax" sind hieroffenbar nicht im gewhnlichem Sinne zu verstehen. Dennin diesem Erla ist weder von Gerechtigkeit oder Ungerech-tigkeit noch von Krieg oder Frieden die Rede. Ebensowenighandelt es sich um die Ttigkeit des Kaisers, insofern er alsRichter fr Gerechtigkeit, als oberster Schutzherr fr denFrieden zu sorgen hat. Von all dem ist nicht die Rede, vielmehrhandelt es sich darum, da der Lehnsmann nicht eigenmchtigsein Benefizium veruert und sich dadurch nicht den Lehns-pflichten entzieht. Das kann nur jenen Begriffen unterstelltwerden, wenn sie im augustinischen Sinne gemeint sind, insoferndurch das Gesetz verhtet werden soll, da die geordnete ber-und Unterordnung des einen unter den anderen : die pax fernergestrt werde.

    x ) M. G. S. S. IV, 1, 175-176.

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    Auch der Friedensbewegung nimmt sich Lothar an1 );freilich sind uns Dokumente ber diese seineErlasse nicht er-halten. Doch zeigen uns die Berichte darber, da Lothar wegendieser Wirksamkeit seiner Zeit als Vorkmpfer des gttlichenFriedens galt 2 ). So sagen z. B. die Annales Rodenses3 ): ,,Hicpace affluebat, concordia regnabat, moderatione fulgebat pace belloque clarissimus erat." Da Lothars Zeit durchausnicht friedfertig, sondern sehr unruhig und bewegt ist, so hatman hier zumal in der engen Verbindung mit ,,bellum" ,,pax" nicht im gewhnlichen, sondern im erweiterten, au-gustinischen Sinne zu fassen; ist doch der Krieg gegen diemembra diaboli durchaus keine Strung der vera pax.

    Der Annalista Saxo4 ) berichtet zum Jahre 1135: ,,Subillo enim imperium pace affluebat, copia rerum exuberabat,religio monasteriorum florebat, iusticia regnabat, iniquitascontiscebat", und zum Jahre 11265 ) finden wir am Randedes Kodex von fremder Hand hinzugefgt: ,,Incipiunt annipacifici." Unverkennbar tritt es uns entgegen, da Lotharschon seinen Zeitgenossen als rex iustus et pacificus galt. Undnoch spter heit es im Chronicon Burchardi et Cuonradi6 ) 7 ):,,Huius Lotharii quidam scriptor mores his verbis descripsit:Erat, inquit, vir ille strenuus belli ductor . . . terribilis inimi-cis Dei et sanctae ecclesiae, veritatis amicus, iustitiae socius,iniustitiae inimicus ..."

    Wie sich Konrad IIP) bewut ist, die Pflichten christ-licher Obrigkeit im Sinne Augustins als von Gott gesetzter rex

    x ) Electio Loth. c. 7. M. G. S. S. XII., 512-Ann. Hild. 1135. M. G. S. S. III., 116.Ann. Erph. 1135 M. G. S. S. VI, 540.2) cf. Karl Lemann: Die Persnlichkeit Kaiser Lothars III. imLichte mittelalterlicher Geschichtsanschauung. Diss. Greifswald 1912.

    3) M. G. S. S. XVI.

    4 ) M. G. S. S. VI, 770.5

    ) M. G. S. S. VI, 763.6

    ) M. G. S. S. XXIII., 342.7

    ) die hier angefhrten und andere Belege fr diese StellungKnig Lothars s. Lemann, p. 16 31; cf. oben Anm. 2.8) Jastrow und Winter: Deutsche Geschichte im Zeitalter derHohenstaufen.

    Ph. Jaffe: Geschichte des Deutschen Reiches unter Konrad III.W.Bernhardi: Jahrbcher des DeutschenReiches unterKonrad III.

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    34zu erfllen, sehen wir aus dem Briefe an Erzbischof Konradvon Salzburg vom Mai des Jahres 1138, durch den er ihn zurReichsVersammlung nach Regensburg einldt1 ). Knig Kon-rad sagt hier, er knne den Rat des Erzbischofs nicht entbeh-ren, er wolle mit ihm beraten ,,Deo auctore omnia consiliaprivata et publica regno communia et . . . familiaria"; ersolle daher unbedingt erscheinen: ,,ad futuram curiam ...dilectionem vestram summopere invitamus, ubi per vestrasmanus, nobis cooperantibus, aliquid ad bonum pacis et con-cordiae Dominum operaturum speramus." Deutlich sehenwir hier Knig Konrad sich seiner Stellung als Gottes Werk-zeug bewut. Er will ,,Deo auctore" mit dem Erzbischof be-raten, und von der Reichsversammlung sagt er nicht etwa, erselbst wolle fr ,,pax" und concordia" sorgen, sondern erhoffe, da Gott mit des Knigs Beistand fr ihre Frderungsorgen werde.

    Augustinische Frbung lt sich auch in dem Erlavom Jahre 1145 erkennen, durch den Konrad die ReichsabteiSt. Gislen in seinen Schutz stellt 2 ). Die einleitenden Wortedieses Privilegs lauten : ,,Equitas iusticie et regni auctoritasnos ammonent, omnium ecclesiarum, et maxime earum, quaead regnum pertinent, paci et quieti clementer providere."Wir sehen : Konrad fhlt sich auf Grund der ,,equitas iusticie"verpflichtet, fr die ,,pax" zu sorgen. Die enge Verbindungder beiden Begriffe gibt Konrads Worten eine nicht zu ver-kennende, tiefere, augustinische Bedeutung. Erwhnt seiauch, da Friedrich I. diese Verfgung im Mrz des Jahres11743 ) wiederholt.Vom Jahre 1147 haben wir eine Urkunde, durch dieKonrad einen Tauschvertrag4 ) zwischen der Abtei Pfortaund dem Grafen Lambert de Monte besttigt. Die einleitendenWorte dieses Erlasses lauten: Cunradus ordinante divini-

    J ) M. G. L. L. IV., 1, 177.Ph. Jaffe: Bibl. Rer. Germ. V., 530-531.*) Bhmer: Acta imperii selecta, herausgeg. v. Ficker, p. 80.3

    ) Ph. Jaffe: Bibl. Rer. Germ. V., 125.4

    ) Stumpf: Reichskanzler, III.: Acta imperii adhuc ineditaNr. 114.

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    35 -tatis dementia Romanorum rex omnibus, qui sub cultu uniusveri dei habitant in terra: Pax vobis in veritate et iusticiafirmetur." Wir haben hier die Besttigung eines TauschVer-trages; von Gerechtigkeit im gerichtlichen Sinne oder vomFrieden ist keineswegs die Rede. Es sind vielmehr diese Wortehier im vertieften, augustinischen Sinne zu fassen, was durchdie enge Verbindung der beiden Begriffe pax" und iustitia"klar hervortritt.

    Betrachten wir ferner Konrads Erla vom Februar desJahres 1150 fr die Abtei Corvei1 ) gegen die Anmaungenihrer Ministerialen, so lesen wir zu Anfang: ,,Si paci et tran-quillitati ecclesiarum Dei pia et benigna sollicitudineprospicimus, hanc vicissitudinem nos a pio creatorenostro accepturos speramus, ut et regni nobis a Deocommissi gubernacula in hoc tempore cum pace et tranquilli-tate possidere valeamus ac post regnum huius temporis inregno eterne beatitudinis requiem apud iustum iudicemDeum inveniamus." Hier sehen wir deutlich, wie die Aufrecht-erhaltung der Friedensordnung nicht als weltlich-staatsrecht-liche, sondern als christlich-religise Pflicht aufgefat wird 2 ).Konrad erhofft dafr, da er die pax" und die tranquilli-tas ecclesiarum" frdert, von Gott weltlichen und im Jen-seits sogar ewigen Lohn. Derartig hohen Preis kann er abernicht schon erwarten, wenn er nur den ueren Frieden auf-recht erhlt, fr die Gerechtsame einer Abtei, eines Bistumu. s. w. sorgt, sondern nur, wenn er die wahren Pflichtenchristlicher Obrigkeit erfllt, d. h. : wenn er fr die pax"im erweiterten Sinne Augustins und im besonderen auch frdie tranquillitas ecclesiarum" sorgt.Was Konrads III. Stellung in den Augen seiner Zeit-genossen betrifft, so finden sich kaum Quellen, die in ihm denaugustinischen Friedensknig shen; vielmehr erblicken siein ihm fast alle mehr oder weniger den Usurpator der Krone,keineswegs aber den erfolgreichen Frderer der iustitia undSchtzer der pax, ja Otto von Freising erblickt seine Regie-

    J ) M. Cx. L. L. IV, 1, 182-185.2 ) cf. p. 12.

    3*

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    36 rung sogar im Lichte der Teufelsherrschaft voller Fehdenund Mierfolge1 ).Da aber nicht alle Zeitgenossen Konrad in diesemLichte erblicken, das zeigt uns einBlick auf einen der bedeutend-sten, einflureichsten Mnner jener Zeit: Wibald von Stablound Corvei. Wie er als Kanzler und Staatsmann mit seinenAnschauungen auf die Politik des Reiches besonders unterKonrad III. von grtem Einflu gewesen ist, das hat E.Rehfeld 2 ) treffend gezeigt. Nicht mit Unrecht sieht manwohl, wie Rehfeld feststellt, in der Mehrzahl der ErlasseKonrads und des jungen Knigs Heinrich Wibaldschen Geist.Da eine solche Tatsache bei einem so bedeutenden Mann inso einflureicher Stellung nicht wundernehmen kann, habenwir bereits oben dargelegt. Wie Wibald fr die Politik desReiches zur Zeit Knig Konrads von grter Bedeutung ge-wesen ist, ersehen wir nicht zum mindesten aus der unterWibalds Namen, erhaltenen BriefSammlung3 ), die neben ei-genen auch kaiserliche, ppstliche und andere Schreiben ent-hlt. Diese BriefSammlung nun, wenn auch nur fr die Jahre11461157 erhalten, zeigt uns, da Wibald, durchaus keinHeuchler oder sklavischer Anhnger Konrads, in diesemganz im Sinne Augustins das Ideal des gottgeflligen Herr-schers der civitas Dei sieht. Wir sehen, wie er, ein treuer Sohnder Kirche, den Kaiser in seiner Politik des Einverstndnisseszwischen regnum und sacerdotium bestrkt, da er ganzaugustinisch im Zusammengehen beider Gewalten dasHeil der Christenheit sieht. So legt er dem jungen Heinrich,fr den er ja in Wirklichkeit die Staatsgeschfte leitet, ob-wohl Heinrich von Mainz zum Reichsverweser bestellt ist, ineinem Schreiben an Papst Eugen III. vom Jahre 1147 4 ) dieWorte in den Mund: ,,materialis cum spiritali gladio in aeccle-

    1) cf. E. Bernheim: Der Charakter Ottos von Freising und seinerWerke. Mitteilungen des Instituts fr sterr. Geschichtsforschung, VI,

    1, 1885.2

    ) E. Rehfeld: Die politische Stellung Wibalds von Stablo undKorvei im Zusammenhang mit seinen Grundanschauungen. Diss.Greifswald 1913.

    3) Jaffe: Bibl. Rer. Germ. I.

    4) ep. 42.

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    37 sia nostris temporibus concorditer operando fructificent."Eben dieser Brief zeigt auch, da Wibald in Konrad den gott-geflligen Frderer der civitas Dei sieht, indem er weiterhinden jungen Knig Heinrich von seinem Vater sagen lt 1):,, . . . qui Romani imperii dignitatem per extera regna traducitet pro dilatanda aecclesia se ipsum periculis omnibus expo-nendo perpetuum foedus cum aecclesia pepigit." Und die-selbe Auffassung von Konrads Herrscheramt und Regierungs-ttigkeit zeigt er, wenn er die Niederwerfung der Weifen ,,decelis traditam victoriam" 2 ) nennt und durch ,,divina demen-tia" 3 ) geschenkt, um ,,magnos in regno motus" zu verhten.Konrad gilt ihm eben als Vertreter friedlich-ruhiger, gtt-licher Harmonie, und die Umtriebe des alten Weif knnennur ,,motus" erregen, d. h. : die pax stren. Eben diese Grund-ideen liegen auch Wibalds Brief an den Kaiser von Konstan-tinopel vom Jahre 1150 zu Grunde4 ), in dem er den gemein-samen Feind beider Reiche sowie des Papstes : Roger von Si-zilien einen ,,tyrannus" und Dei inimicus" nennt. Der Ge-gensatz zu Konrad als rex iustus und Frderer der civitasDei liegt auf der Hand.

    Auch die Erlasse und Gesetze Friedrichs I. 5 ) zeigenvielfach Spuren augustinischer Anschauungen.

    So heit es schon in der Wahlanzeige6 ) Friedrichs anden Papst vom Mrz des Jahres 1152: ,,intendentes, ut iuxtaprofessionis nostrae formulam, quam ab orthodoxis presulibusin ipso regni throno et unctione sacra accepimus, honoremvobis et dilectionem et sacrosanctae matri nostre Romanaeaeclesiae et omnibus ecclesiasticis personis promptam et de-bitam iusticiam ac defensionem exhibeamus, viduis ac pu-pillis et universo populo nobis commisso legem et pacem facia-mus et conservemus. Cum enim duo sint, quibus principali-ter hie mundus regitur, videlicet auetoritas sacra pontificum

    1) cf. die oben angefhrte Dissert. von Rehfeld, p. 16.

    2) ep. 234.

    3) ep. 226.

    4) ep. 246.

    5) H. Simonsfeld: Jahrbcher des Deutschen Reiches unter

    Friedrich I.6

    ) M. G. L. L. IV, 1, 191.

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    38 et regalis potestas . . " Friedrich I. bewegt sich mitdiesen Worten ganz in den Gedanken Augustins. Er fhltsich durchaus als gottgeflliger Herrscher der civitas Dei,und als solcher gibt er der Absicht Ausdruck, der rmischenKirche und allen kirchlichen Personen gegenber es nie ander gebhrenden iusticia" fehlen zu lassen, stets ihnen seinedefensio" zuteil werden zu lassen. Und besonders will er wieder ganz im Sinne Augustins den Witwen und Waisendie lex" und die pax" wahren. Und dann finden wir hiernoch jenen oft zitierten Satz aus dem Briefe des Papstes Ge-lasius an Kaiser Anastasius von Byzanz, der der augustini-schen Theorie gem die Notwendigkeit eines Zusammen-gehens geistlicher und weltlicher Obrigkeit zum Heile derChristenheit betont. Wir sehen also: Friedrich bewegt sichin dieser seiner Wahlanzeige, um dem Papst als wahrer rexiustus zu erscheinen, ganz im Ideenkreise unseres Kirchen-vaters.So erlt er auch gleich im ersten Jahre seiner Regie-rung eine Constitutio de pace tenenda" 1 ). Hier sagt Fried-rich: tarn divinas quam humanas leges in suo vigore ma-nere cupientes et ecclesias sive ecclesiasticas personas subli-mare et ab incursu et invasione quornmlibet defensare inten-dentes, quibuscumque personis ius suum observare volumuset pacem diu desideratam et antea toti terrae necessariamper universas regni partes habendam regia auctoritate indi-cimus." Friedrich will jedem sein Recht wahren; er erinnertmit diesen Worten an die Definition der iustitia, die Augu-stin im christlichen Sinne aufgenommen hat 2 ), und in Ver-bindung damit glaubt er die pax": die von Gott gewolltefriedlich-ruhige Harmonie herzustellen, von der er mit Rechtsagt : diu desideratam et antea toti terrae necessariam." Hier,wie so oft ,die charakteristischeVerbindung von iustitia und paxVom Juni des Jahres 1155 haben wir einen Erla3 ),durch den Friedrich das Stift St. Maria de Portu zu Ravenna

    x ) M. G. L. L. IV, 1, 194-198.2 ) cf. p. 12.3 ). Stumpf: Reichskanzler III.: Acta imperit adhuc inedita,

    Nr. 341.

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    39 in seinen Schutz nimmt und ihm zugleich gewisse Privilegienbesttigt. Friedrich sagt in der Einleitung dieses Erlasses:,,Transitorii regni dignitas et imperialis potestas ac sublimi-tas ad hoc potissimum ab omnium regum domino nobisconcessa est, ut servos militesque Christi . . . attencius de-beamus defendere et sub nostra imperiali protectione con-gruis honoribus refovere." Hier zeigt sich die christlicheObrigkeit von Gott dazu gesetzt, die ,,servos militesqueChristi" zu schtzen und zu untersttzen, ganz wie es Augu-stin vom gottgeflligen Herrscher der civitas Dei fordert.Augustmische Gedanken zeigen ihren Einflu auch injener wichtigen Urkunde vom September des Jahres 1156,durch die, nachdem zwischen Heinrich Jasomirgott undHeinrich dem Lwen ber den Besitz Bayerns ein Abkom-men getroffen und jener mit sterreich als selbstndigemHerzogtum belehnt worden ist, dem neuen Herzogtum her-vorragende Privilegien besttigt werden1 ). Friedrich sagthier, er habe die Zwistigkeiten zwischen beiden Herzgengeschlichtet,, eius cooperante gratia, a quo celitus in terrampax missa est hominibus." Deutlich wird es betont, da jene,,pax" von Gott ausgehe, von ihm der Welt geschenkt sei.Ohne Zweifel ist sie so hier im erweiterten, augustinischenSinne zu fassen: mit Hilfe Gottes, des Frderers ruhig-har-monischer Weltordnung, ist es gelungen, ,,litem et contro-versiam" zwischen beiden Frsten zu schlichten; und so fatauch Otto von Freising ganz besonders diese FriedensstiftungFriedrichs auf.Vom Ende des Jahres 1156 haben wir ein Schreiben 2 )Friedrichs an den noch unter seiner Regierung recht einflu-reichen Wibald vonCorvei3 ). Hier erklrt Friedrich: ,,ad in-feriores Reni partes accedere statuimus, ut cornua superbiaeeorum, qui manus suas in serenissimum imperium nostrumextendere ausi sunt, in brachio virtutis nostrae ita recidamus,ut filii et nepotes eorum exemplo patrum correcti discant im-perio se non opponere, sed eius mandatis debito honore et re-

    1) M. G. L. L. IV, 1, 220-223.

    2) jaffe: Bibl. Rer. Germ. I. 579.

    3 ) cf. p. 36, 37.

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    40 verentia subiacere." Offenbar ist hier die Bedeutung des Be-griffes superbia" als ,,bermut" nicht erschpfend, vielmehrliegt diesem Worte die tiefere, augustinische Bedeutung zu-grunde; ganz besonders die Verbindung ,,cornua superbiae"weist deutlich auf den teuflischen Charakter dieser superbiahin. Friedrich kennzeichnet seine Gegner als Anhnger desauf superbia beruhenden Teufelsreiches; er selbst fhlt sichalso als Verfechter der iustitia, als von Gott gesetzter Knig.Im Oktober des Jahres 1157 erlt Friedrich eine En-zyklika1 ) gegen die vom Papst behauptete Abhngigkeit desKaisertums von ppstlicher Verleihung, deren einleitendeWorte lauten: Cum divina potentia, a qua omnis potestasin caelo et in terra, nobis christo eius regnum et imperiumregendum commiserit et pacem aecclesiarum imperialibusarmis conservandam ordinaverit, non sine maximo dolorecordis conqueri cogimur dilectioni vestrae, quod a capitesanctae aecclesiae, cui Christus pacis ac dilectionis suae cha-racterem impressit, causae dissensionum, senimarium malo-rum, pestiferi morbi venenum manare videntur; de quibus,nisi deus avertat, totum corpus aecclesiae commaculari, uni-tatem scindi, inter regnum et sacerdotium scisma fieri per-timescimus." Wir finden den Kaiser der von Gott gegebenenAufgabe sich bewut, fr die ,,pax aecclesiarum" zu sorgen,wenn es ntig ist, sogar imperialibus armis" diese seine Auf-gabe durchzufhren, die er ausdrcklich als christlich-reli-gise Pflicht 2 ) des rex betont. Andererseits wird das Hauptder Kirche, ganz im Gegensatz zu dessen Friedensaufgabe die Antithese erinnert an die ganz hnliche3 ) in dem Schrei-ben Heinrichs IV. , hingestellt als der Strer der auf wah-rem Frieden und eintrchtigem Zusammengehen beruhendenunitas" zwischen regnum und sacerdotium. Noch deutlichertritt dieser Vorwurf zutage, wenn Friedrich im folgenden sichbeklagt ber die mammona imiquitas," die altitudo super-biae," den fastus arrogantiae" und die execrabilis cordiselatio" der ppstlichen Gesandtschaft, die doch eigentlich

    1) M. G. L. L. IV, 1, 230-231.

    2) cf. p. 10.

    3) cf. p. 22, 23.

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    41 die Aufgaben htte erfllen sollen, die unitas aecclesiae etimperii" durch pax," concordia" und obedientia" zufrdern. Ganz offensichtlich wird hier der gottgeflligenSache des Knigs die auf superbia, arrogantia, discordia,inobedientia und elatio cordis beruhende Haltung des Pap-stes als jede unitas hindernd entgegengestellt, und dieser so-mit durch die augustinischen Schlagworte unverkennbar alsmembrum diaboli hingestellt, der die gottgewollte friedlich-harmonische Ordnung stre. Denn diese will keineswegseine berordnung der geistlichen Macht ber die weltliche,sondern ,,duobus gladiis necessariis regendum orbem sub-iecit." Sie will also, wie Friedrich mit diesen Worten wiederganz augustinisch hervorhebt, ein auf Gleichberechtigungberuhendes, harmonisches Handinhandgehen der beidenhchsten Gewalten, und jede Auflehnung dagegen ist pre-sumptuosa elatio": teuflische berhebung und Ungehorsamgegen Gottes Gebot.Im November des Jahres 1158 verkndet Friedrich zuRoncalia seine Bestimmungen ber den allgemeinen . Land-frieden 1 ). Alle seine Untertanen sollen ,,veram et perpetuampacem" wahren. Wir sehen: ,,vera pax". Nur in augustini-scher Bedeutung ist dieser Ausdruck in seiner ganzen Tiefegefat. Diese Bestimmungen sind eben wie auch die sonstigenFriedensgesetze erlassen, nicht nur im Sinne weltlicherFriedensstiftung, sondern zugleich und umfassender, tieferim Sinne christlichen, gottgeflligen Friedens, um dieharmonische Ruhe des Gottesstaates auf Erden zu ver-wirklichen.

    Sehr deutlich zeigen sich ferner Spuren augustinischerGedanken in Friedrichs Erla 2 ) vom Juni des Jahres 1170,der den Vgten jedes Recht ber das Kirchenvermgen unddie Priester versagt. Hier heit es in den einleitenden WortenImperatorie maiestatis est officium negotiis imperii iuxtalegum instituta et canonum decreta pacem et iustitiam pro-videre et precipue ecclesie Dei..." Die augustinischen Be-griffe pax" und iustitia" finden wir hier eng verbunden.

    1) M. G. L. L. IV., 1, 244-247.

    2) M. G. L. L. IV., 1, 329-330.

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    42 Fr sie zu sorgen imperatorie maiestatis est officium."Friedrich fhlt also diese Pflicht des augustmischen pastoriustus und drckt es hier in unverkennbaren Worten aus.Kurzsichtig wre es daher, hier pax" und iustitia" imengeren, klassischen Sinne zu fassen. Das hiee, den Geistund die Bedeutung jener Worte Friedrichs vllig verkennen.Vom Jahre 1176 haben wir einen Erla, in dem Fried-rich seine Zustimmung zum Friedensentwurf der StadtCremona gibt 1 ). Auch in ihm zeigt sich augustinischer Einfluwirksam, wenn es heit: Quia igitur nostri iuris est etoffich, pacem amplecti et diligere." An sich knnte manhier zwar pax" im engeren, klassischen Sinne des Sprach-gebrauchs als ,,ueren, weltlichen Frieden" fassen, dochgibt die enge Verbindung mit ,,amplecti" und ,,diligere"dem Worte offenbar augustinisch-christliche Frbung. Deraltgermanische Knig soll den Frieden nicht ,,lieben" und,,umfangen"; das ist vielmehr die typische Pflicht des christ-lichen, gottgeflligen Herrschers, whrend bei jenem nur voneinem ,,ordinre" oder ,,instituere" der pax die Rede ist.

    Betrachten wir nun den Brief des Kaisers an Prlaten,Ministerialen, Geistlichkeit und Volk von Salzburg2 ) vomAugust des Jahres 1177, so sehen wir ihn beginnen mit denWorten: Cum Deo pacis auctori et amatori placuit ..."Hier ist pax" nicht nur als Friede in der Kirche und zwischenStaat und Kirche aufzufassen, dessen Urheber und FrdererGott ja auch ist, sondern in diesen allgemein einleitendenWorten ist pax" ganz im Sinne Augustins zu verstehen:Gott als Schpfer und Frderer des harmonisch-ruhigenGleichgewichts alles Seins hat es gefallen, Frieden zwischenStaat und Kirche zu stiften. Wenn wir in diesem Sinnejenes pacis auctori et amatori" fassen, werden wir sicherlichdem Sinn dieser Worte weit mehr gerecht, als wenn wirden Begriff pax" hier nur als ueren Frieden" erklren.

    Augustinischer Einflu findet sich weiterhin offenbarin der Versicherung Friedrichs, die er im September 1177dem Papst gibt, da er den zwischen Kirche und Staat ge-

    !) M. G. L. L. IV., 1, 349.2 ) M. G. L. L. IV, 1, 368-370.

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    schlossenen Frieden halten wolle 1 ). Wenn wir hier lesen:Cum imperatoria maiestas a rege regum ad hoc in. terrisordinata sit, ut per eius operam totus orbis pacis gaudeatincremento", so ist in der Tat die augustinische Frbungdieser Worte unverkennbar.

    Wie wir aus seinen Gesetzen und Erlassen erkennen,da Friedrich sich als gottgeflligen Herrscher der civitasDei wei und hinstellt, so haben. Zeitgenossen Friedrichsseine ganze Persnlichkeit, sein Leben und Wirken in diesemSinne aufgefat. Deutlich zeigt uns das die Betrachtung derWerke eines der bedeutendsten Geister dieser Zeit: Ottosvon Freising, der dem Kaiser so nahe stand. Dieser singtbegeistert das Lob Friedrichs als des von Gott gesandtenFriedensfrsten. Bei der bersendung seines Werkes ,,deduabus civitatibus", spter Chronicon" genannt, redet ihnOtto in einem Begleitschreiben folgendermaen an 2 ): ,,Vosautem, princeps clarissime, qui re et nomine Pacificus" iureappellamini, quia noctem nebulosam ac pluviosam ad delecta-bilia matutinae serenitatis spectacula, cuique quod suum estconservando,reduxistis,pacemque amabilemmundo reddidistis,Deo qui et principium perseverantiam largiente." Be-trachten wir diese Worte nher, so sehen wir, da Friedrich ge-priesen wird als der ,,rex pacificus" im Sinne Augustins, als derHerrscher, der seiner Pflicht, den wahren Frieden zu wahren,vollauf nachgekommen ist; das alte Epitheton3 ) wird vonOtto lebendig erfat. Dieselbe Auffassung zeigen uns auchOttos Gesta Friderici imperatoris" 4 ). Fast in jedem Kapitelwird hier Friedrich gezeigt als der von Gott gesandte Friedens-frst, der Ruhe und Harmonie der Welt zurckbringt, alsrex iustus et pacificus die pax und die iustitia frdert. Fried-rich gilt ihm als von der Vorsehung gesetzt, um den ersehntenFrieden zwischen Staufern und Weifen herbeizufhren 5 ).

    - 1 ) M. G. L. L. IV, 1, 371-372.2

    ) M. G. S. S. XX, 116.3

    ) cf. p. 14.4

    ) M. G. S. S. XX, 338-493.5

    ) cf. E. Bernheim: Der Charakter Ottos v. Freising und seinerWerke. Mitteilungen des Instituts fr sterr. Geschichtsforschung.VI, 1. 1885, p. 36, 37.

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    44 hnliche Auffassung zeigen uns die Gesta Friderici"

    Gottfrieds von Viterbo. Er sagt in den ersten 1 ) seiner Ge-dichte von der Stadt Mailand:

    ,,Urbs Melana potens, meritis dicenda leenaViribus eximia, populis et milite plenaSeva, superba, fera, tota rebellis erat."

    und im sechsten 2 ) von den Rmern, die nach Friedrichs un-verhoffter Kaiserkrnung einen Tumult entfesselt hatten:

    ,,Rege coronato dum Teutona turba recedit,Mox decus imperii Romana superbia ledit."Schlielich lesen wir im 10. Gedicht vom beginnenden

    Zwiespalt mit Hadrian:,,Cesar ut in patriam vexilla retorsit ab UrbeGrandis et orribilis discordia crevit in orbe."

    und von Hadrians Tod im 12. Gedicht3 ):,,. . .moritur werra'pro pace relicta.Nam caput orribilis scismatis ipse fuit."Wir sehen hier berall Friedrichs Gegner als Vertreter

    der ,,discordia", ,,superbia" und als ,,Rebellen", Friedrichselbst gilt ihm also als Frderer von conocordia, iustitiaund pax.

    Die machtvolle Persnlichkeit Friedrichs, der meistschon durch sein bloes Erscheinen Ruhe und Frieden imReiche herstellte, aber auch mit dem Schwerte die ,,Rebellen"zur vera pax zwang, ist von seiner Mitwelt in dieser Richtungvoll gewrdigt worden.

    Betrachten wir die Gesetze und Erlasse Heinrichs VI.,so zeigt sich hier die auffllige Erscheinung, da sich Einfluaugustinischer Gedanken nirgends findet. Bei Heinrichsuniversalpolitischer Auffassung vom Kaisertum, das er sichals Oberherrschaft ber smtliche Reiche der Christenheitdenkt, erscheint dies um so eigenartiger. Es mag daherdahingestellt bleiben, ob diese Tatsache ihren Grund hat inder geringen Zahl der uns von Heinrich berkommenenErlasse und Gesetze, oder ob wirklich dessen harter, nchter-

    !) M. G. S. S. XXII., 307.2

    ) M. G. S. S. XXII., 311.3) M. G. S. S. XXII., 314.

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    45 ner, nur dem realen Erfolg huldigender Charakter den Ge-danken Augustins fremd gegenberstand.Als im Jahre 1198 nach Heinrichs VI. Tode zweiKnige Anspruch auf den Thron machten1 ) und gleichzeitigeine energische, gewiegte Persnlichkeit den Thron St. Petersinnehatte, da war es selbstverstndlich, da jeder der beidenGegenknige den Papst, das Haupt der Kirche sich zu ge-winnen suchte, um durch Anerkennung seitens des Ver-treters Christi auf Erden als der einzig wahre Knig, als rexiustus zu erscheinen. So ist es ganz dem Geist der Zeit ent-sprechend, wenn jeder der beiden, Philipp sowohl wie Otto,seine Wahl als allein der iustitia entsprechend und die paxfrdernd hinstellt und sich auch sonst als eifriger Bettigerder kniglichen Aufgaben im Sinne Augustins beweist.Das verlangt in dieser von jenen augustinischen Ideen er-fllten Zeit schon die politische Klugheit.

    Philipp von Schwaben ist nicht einstimmig ge-whlt worden, vielmehr sind die Reichsfrsten in zwei groeLager gespalten. Im Mai des Jahres 1199 erbitten daher dieAnhnger Philipps unter den Groen des Reichs fr diesenUntersttzung und Begnstigung vom damaligen PapstInnocenz III. 2 ) Hier heit es, indem auf die zwiespltigeKnigswahl hingewiesen wird: ,,Verum quoniam propterpaucos principes iustitie resistentes ad negotia imperii utiliterpertractanda ad hec usque tempora non convenimus . . . .Die augustinische Frbung dieser Worte ist unverkennbar.Nicht der ,, Gerechtigkeit" im Sinne des gerechten Gerichtswidersetzen sich einige Frsten, sondern der Unterordnungunter Gottes Gebote und Gesetze, wie sie Vorbedingungder Civitas Dei. Indem so Philipps Gegner als ,,iustitiaeresistentes" hingestellt werden, erscheint er selbst als iusti-tiae amator, als der von Gott gewollte rex iustus. Und auchweiterhin kommt dieser Gedanke zum Ausdruck, wennPhilipps Gegner turbatores" genannt werden, sie also nichtals ,, Gegner" des neuen Knigs, sondern speziell als ,, Strer",

    1) E. Winkelmann: Philipp v. Schwaben und Otto IV. vonBraunschweig.

    2) M. G. L. L. IV., 2, 3-4.

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    46 Verwirrer", natrlich pacis: der gottgewollten, friedlichenHarmonie hingestellt werden. So heit es denn auch zumSchlu, der Papst mge sich fr Philipp entscheiden ,,utiusticie non dominetur iniquitas." Auch hier sind natrlich dieBegriffe iustitia" und ,,iniquitas" nicht anders als im spe-ziellen Sinne Augustins zu fassen.Im Juni des Jahres 1206 sendet Philipp von Schwabenan Innozenz III. einen umfassenden Rechtfertigungsbrief 1 )ber seine politische Haltung seit dem Tode seines Bruders,des Kaisers Heinrich. In diesem Schreiben betont er wieder-holt, da er ,,per iustam principum electionem" die Kroneerhalten habe. Wir sehen hier die ,,Rechtmigkeit" derWahl Philipps nachdrcklich betont. Andererseits liegt aberhier doch wohl in dem ,,iustus" neben dem nchstliegendenBegriffe des Rechtmigen" ein augustinischer Unterton,der dann weiterhin hervorbricht und gerade wegen seinesengen Zusammenhanges mit den folgenden, offenbar augu-stinisch gefrbten Worten um so mehr anzunehmen ist.Philipp hebt weiter hervor, da er nicht nur per iustamprincipum electionem" die Krone bernommen habe, sondernweil er eingesehen habe, da im Falle einer Ablehnung seiner-seits ,,talis debeat elegi .... cum quo nos nunquam pacemet concordiam habere possemus." Also auch die Liebe zu,,pax" und ,,concordia" haben ihn bewogen, die Krone ,,periustam principum electionem" anzunehmen. Wir sehen, wiePhilipp dem Papst zu zeigen sucht, da er seine Herrschaftgrnde auf iustitia" zur Wahrung von ,,pax" und concor-dia". Und da er nicht etwa aus Eigenliebe nach dem Thronstrebe, da er also kein iniquus, tyrannus, der sich von amorsui treiben lasse, das betont er, wenn er hervorhebt : ,, . . . .hocnon fecimus ob alicuius honoris ambitionem, non ob fastumglorie et potentie, non ob aliquam rerum avaritiam." Natr-lich finden sich hier nicht ohne besondere Absicht jene augu-stinischen Schlagworte, wo es gilt, den Vertreter St. Petrivon der Berechtigung der Thronbesteigung Philipps zu ber-zeugen. Innocenz soll erkennen, da Philipp der Herrscher

    2 ) M. G. L. L. IV, 2, 10-13.

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    sei, mit dem vereint er die civitas Dei hinieden frdernknne zum Heile der Menschheit.Auch Philipps Gegenknig Otto IV. sucht sich alsder von Gott gesetzte rex iustus in den Augen seiner Mitwelthinzustellen, um sich dadurch Anerkennung zu verschaffen.Bereits im Juli des Jahres 1198 richtet er ein Schreiben anInnocenz III., durch das er ihm seine Wahl zum Knig mit-teilt gleichzeitig mit