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1 Universität Zürich Institut für Erziehungswissenschaft Freiestrasse 36 CH-8032 Zürich Telefon +41 44 634 27 42 Telefax +41 44 634 49 22 www.ife.uzh.ch SNF Sinergia-Antrag Die gesellschaftliche Konstruktion schulischen Wissens – Zur Transformation des schulischen Wissenskorpus und dessen bildungspolitischer Konstruktionsprinzipien in der Schweiz seit 1830 (Kurztitel: Transformation schulischen Wissens seit 1830) Rahmenantrag: Die gesellschaftliche Konstruktion schulischen Wissens – Zur Transformation des schulischen Wissenskorpus und dessen bildungspolitischer Konstruktionsprinzipien in der Schweiz seit 1830 Prof. Dr. Lucien Criblez, Universität Zürich Seite 2 Teilprojekt A: Transformation schulischen Wissens in den Schulfächern Französisch, Deutsch und Geschichte der Westschweiz (1830-2010) Prof. Dr. Rita Hofstetter, Prof. Dr. Bernard Schneuwly, Universität Genf Seite 15 Teilprojekt B: Die Entwicklung der Lehrpläne, der politischen Bildung und des muttersprachlichen Unterrichts im Kanton Tessin (1830-2010) Dr. Wolfgang Sahlfeld, Scuola universitaria professionale della Svizzera italiana (SUPSI) Seite 22 Teilprojekt C: Die Lehrpläne in der deutschsprachigen Schweiz seit 1830 – Inhalte und Konstruktionsprinzipien schulischen Wissens im Wandel Prof. Dr. Lucien Criblez, Universität Zürich Seite 28 Teilprojekt D: Deutsch und Französisch in der Volksschule der deutschsprachigen Schweiz (seit 1830) Prof. Dr. Claudia Crotti, Prof. Dr. Daniel Wrana, Prof. Dr. Thomas Lindauer, Pädagogische Hochschule der FHNW Seite 36 Teilprojekt E: Historisch-politische Bildung in Deutschschweizer Lehrmitteln und Lehrplänen seit 1830 Prof. Dr. Sabina Brändli, Pädagogische Hochschule Zürich Seite 45 Literatur Seite 52

Freiestrasse 36 CH-8032 ZürichIm beantragten Sinergia-Projekt sollen das schulische Wissen, die mit dessen Konstruktion verbundenen Didaktisierungs-prozesse (Selektion, Anordnung,

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Page 1: Freiestrasse 36 CH-8032 ZürichIm beantragten Sinergia-Projekt sollen das schulische Wissen, die mit dessen Konstruktion verbundenen Didaktisierungs-prozesse (Selektion, Anordnung,

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Universität Zürich Institut für Erziehungswissenschaft Freiestrasse 36 CH-8032 Zürich Telefon +41 44 634 27 42 Telefax +41 44 634 49 22 www.ife.uzh.ch

SNF Sinergia-Antrag

Die gesellschaftliche Konstruktion schulischen Wissens – Zur Transformation des schulischen Wissenskorpus und dessen bildungspolitischer Konstruktionsprinzipien in der Schweiz seit 1830 (Kurztitel: Transformation schulischen Wissens seit 1830)

Rahmenantrag: Die gesellschaftliche Konstruktion schulischen Wissens – Zur Transformation des schulischen Wissenskorpus und dessen bildungspolitischer Konstruktionsprinzipien in der Schweiz seit 1830 Prof. Dr. Lucien Criblez, Universität Zürich Seite 2 Teilprojekt A: Transformation schulischen Wissens in den Schulfächern Französisch, Deutsch und Geschichte der Westschweiz (1830-2010) Prof. Dr. Rita Hofstetter, Prof. Dr. Bernard Schneuwly, Universität Genf Seite 15 Teilprojekt B: Die Entwicklung der Lehrpläne, der politischen Bildung und des muttersprachlichen Unterrichts im Kanton Tessin (1830-2010) Dr. Wolfgang Sahlfeld, Scuola universitaria professionale della Svizzera italiana (SUPSI) Seite 22 Teilprojekt C: Die Lehrpläne in der deutschsprachigen Schweiz seit 1830 – Inhalte und Konstruktionsprinzipien schulischen Wissens im Wandel Prof. Dr. Lucien Criblez, Universität Zürich Seite 28 Teilprojekt D: Deutsch und Französisch in der Volksschule der deutschsprachigen Schweiz (seit 1830) Prof. Dr. Claudia Crotti, Prof. Dr. Daniel Wrana, Prof. Dr. Thomas Lindauer,

Pädagogische Hochschule der FHNW Seite 36 Teilprojekt E: Historisch-politische Bildung in Deutschschweizer Lehrmitteln und Lehrplänen seit 1830 Prof. Dr. Sabina Brändli, Pädagogische Hochschule Zürich Seite 45 Literatur Seite 52

Page 2: Freiestrasse 36 CH-8032 ZürichIm beantragten Sinergia-Projekt sollen das schulische Wissen, die mit dessen Konstruktion verbundenen Didaktisierungs-prozesse (Selektion, Anordnung,

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Rahmenantrag: Die gesellschaftliche Konstruktion schulischen Wissens – Zur Trans-formation des schulischen Wissenskorpus und dessen bildungspolitischer Konstruk-tionsprinzipien in der Schweiz seit 1830 (Kurztitel: Transformation schulischen Wissens seit 1830)

Prof. Dr. Lucien Criblez, Universität Zürich

1 Zusammenfassung des Forschungsplans

Schule ist seit dem 19. Jahrhundert die öffentliche Institution, um Kinder und Jugendliche durch Enkulturation, Qualifika-

tion und Sozialisation in die Gesellschaft einzuführen; sie leistet einen wesentlichen Beitrag zum intergenerationalen Kul-

tur-, Werte- und Wissenstransfer. Die Definition der in der Schule zu vermittelnden Wissensbestände und gesellschaftli-

chen Werte ist vielfältigen Einflüssen ausgesetzt und verändert sich im gesellschaftlichen Transformationsprozess ebenso

wie die sie bestimmenden Akteure und deren Erwartungen und Wertvorstellungen. „Schulisches Wissen“ wird immer wie-

der von neuem gesellschaftlich konstruiert und legitimiert. Dieser teils explizite, teils implizite Prozess findet bis anhin v.a.

über die Definition von Lehrplänen und Lehrmitteln statt. Das beantragte Sinergia-Projekt beabsichtigt einerseits die histo-

rische Rekonstruktion schulischen Wissens – definiert in Lehrplänen und Lehrmitteln – und dessen historischer Transfor-

mation in ausgewählten Kantonen der drei grossen Sprachregionen der Schweiz und andererseits die Rekonstruktion der

entsprechenden bildungspolitischen Konstruktionsprinzipien durch die Analyse des öffentlichen Legitimationsdiskurses

und der sich ändernden Akteurkonstellationen. Im Vordergrund des Forschungsinteresses stehen drei Fragen, die stets in

der historischen (Veränderungs-)Perspektive untersucht werden:

1. Inhalte: Welche Inhalte sollen schulisch vermittelt werden, und wie werden Inhalte in Lehrplänen und Lehrmitteln defi-

niert und (didaktisch) (ko-)konstruiert?

2. Legitimation von Inhalten und Konzepten: Wie werden Definitionen, Selektionen, Priorisierungen und Ordnungsprinzi-

pien von Lehrplänen und Lehrmitteln im öffentlichen Diskurs pädagogisch, psychologisch, didaktisch und politisch,

aber auch religiös und ideologisch legitimiert?

3. Akteure und Akteurkonstellationen: Welche Akteure verfügen in der schulischen Wissenspolitik über Definitionsmacht

und wie verändern sich entsprechende Akteurkonstellationen?

Das Gesamtprojekt richtet sich auf den Zeitraum von 1830 bis Anfang 21. Jahrhundert und den geographischen Raum

Schweiz aus. Mit der Beteiligung von Forschungsgruppen aus der deutsch-, französisch- und italienischsprachigen Schweiz

sind sowohl kantonale als auch sprach- und kulturraumbezogene Vergleiche möglich. Die Subprojekte umfassen einerseits

Lehrplananalysen, andererseits Lehrmittelanalysen zu ausgewählten Fächern: Schulsprache (Französisch, Italienisch,

Deutsch), Fremdsprache (Französisch und Deutsch) sowie Geschichte/Politische Bildung. Die Lehrmittelstudien erlauben

neben Vergleichen zwischen Kantonen und Sprachräumen auch Vergleiche zwischen Fächerkulturen. Methodisch kommen

v.a. die historische Dokumentenanalyse und diskursanalytische Verfahren zum Einsatz. Analysiert werden insbesondere

relevante Schulerlasse, Lehrpläne und Lehrmittel sowie die darauf bezogenen öffentlichen, standespolitischen und politi-

schen Legitimationsdiskurse.

Das Projekt ist zum einen der historischen Bildungsforschung verpflichtet, zum andern wird für die Fachdidaktik eine bis-

lang kaum bearbeitete historische Perspektive eröffnet. In der momentanen Umbruchphase von einer bisher fast aus-

schliesslich kantonalen zu einer sprachregionalen Lehrplan- und Lehrmittelpolitik, die durch die neue Bildungsverfassung

(2006) und das HarmoS-Konkordat der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (2007) eingeleitet

wurde, leistet das Projekt sowohl einen Beitrag zur diachronen Analyse der Lehrmittel- und Lehrplanpolitik, als auch einen

Beitrag zum Verständnis langfristiger Wissenstransformationsprozesse in Schule und Gesellschaft.

2 Forschungsplan

Seit dem 19. Jahrhundert gilt die Schule neben der Familie als die gesellschaftliche Institution, die alle Kinder und Jugend-

lichen qua Enkulturations-, Qualifikations- und Sozialisationsleistungen in die bestehende Gesellschaft einführt. Diese ge-

sellschaftliche Leistung umfasst wesentlich die Vermittlung eines für eine funktionierende Gesellschaft als notwendig er-

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achteten gemeinsamen Kanons von Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten und – damit eng verbunden – den Aufbau ge-

meinsamer Werthaltungen. Beides ist immer wieder umstritten und Anlass öffentlicher Kontroversen gewesen.

Seit dem Übergang der Schule von der kirchlichen in die demokratie-staatliche Trägerschaft, Organisation und Aufsicht

konnten weder ein verbindlicher Kanon noch Werte autoritär und dogmatisch festgelegt werden. Der Wissenschaft als neu-

er Bezugsgrösse für den schulischen Kanon kam keine der Kirche vergleichbare normative Autorität zu, weil aufgrund ih-

res weltanschaulichen Wertfreiheitsgrundsatzes das Werteproblem nicht in ihrem Kompetenzbereich lag. Gesellschaftliche

Demokratisierungs-, Individualisierungs- und Pluralisierungsprozesse haben zudem dazu geführt, dass die Legitimität staat-

lich-administrativer Definitionen (Lehrpläne haben Verordnungscharakter) von schulischem Wissen (vgl. 2.1.1) immer

wieder in Frage gestellt wurde; dies insbesondere auch, weil das starke Wachstum wissenschaftlichen Wissens seit dem

19. Jahrhundert stärkere Selektionen notwendig machte.

Schulisches Wissen wird gesellschaftlich konstruiert und muss im gesellschaftlichen Transformationsprozess den Erforder-

nissen der jeweiligen Gesellschaft (explizite und implizite zeitgenössische Erwartungen und Werte) immer wieder neu an-

gepasst werden (Goodson, 1997). Der Begriff des schulischen Wissens wird deshalb im geplanten Projekt breit gefasst und

umfasst neben Inhaltswissen immer auch Fähigkeiten und Fertigkeiten (vgl. 2.1.1). Die entsprechenden Adaptationsprozes-

se beziehen sich einerseits auf das stetig wachsende und sich verändernde wissenschaftliche Wissen, andererseits auf je

zeitspezifische gesellschaftliche, soziale und wirtschaftliche Problemlagen, daraus abgeleitete Erwartungen an die Schule

sowie dominierende Wert- und Normvorstellungen. Vor diesem Hintergrund haben die modernen Rechtsstaaten – im

schweizerischen Bildungsföderalismus: die Kantone – seit dem 19. Jahrhundert Verfahren schulischer „Wissenspolitik“

(Stehr, 2003) entwickelt, um festzulegen, was die Schule allen Kindern und Jugendlichen vermitteln soll. Soweit diese Ver-

fahren politisch transparent sind, beziehen sie sich vorwiegend auf Lehrpläne und Lehrmittel. Während Lehrpläne als In-

strument der Legitimation und Planung allgemeine sowie stufen-, klassen- und fachspezifische Ziele definieren und norma-

tiv sowohl „Schulfächer“ und deren Zeitanteile als auch entsprechende Inhalte festlegen, strukturieren Lehrmittel v.a. den

alltäglichen Unterricht und bieten Lehrerinnen und Lehrern Verfahrens- und Verhaltensanleitung in grundsätzlich offenen

Handlungssituationen. Der Schule wird also seit dem 19. Jahrhundert die wesentliche Funktion zugeordnet, zu gesellschaft-

lichen (Tradition und Innovation), wirtschaftlichen (Qualifizierung) und politischen (Demokratisierung und Nation-

Building) Zwecken gesellschaftlich als wichtig erachtetes Wissen und Können, u.a. wissenschaftliches Wissen, zu popula-

risieren und zu verbreiten (vgl. 2.1.1; Daum, 2002; Henningsen, 1966). Durch einen definierten Kanon und damit verbun-

dene Werte werden ein gemeinsamer Wissensstand, Fertigkeiten sowie Grundwerte und Haltungen in der Bevölkerung ge-

sichert und immer wieder aufgebaut. „Wenn man der Existenz der Gesellschaft einen Wert beimisst […], muss die Erzie-

hung unter den Bürgern eine ausreichende Gemeinschaft von Gedanken und Gefühlen sichern, ohne die jegliche Gesell-

schaft unmöglich ist“ (Durkheim, 1922/1972, S. 38f.).

Im beantragten Sinergia-Projekt sollen das schulische Wissen, die mit dessen Konstruktion verbundenen Didaktisierungs-

prozesse (Selektion, Anordnung, methodische Aufbereitung, Medialisierung usw.) bzw. didaktischen Transpositionen

(Chevallard, 1985) und deren Veränderungen seit der Etablierung ‚moderner’ Schulsysteme im 19. Jahrhundert analysiert

werden. Dies geschieht anhand der Entwicklung der Lehrpläne und Lehrmittel ausgewählter Schulfächer in ausgewählten

Schweizer Kantonen. Die Auswahl der Kantone begründet sich mit Kriterien der Repräsentanz, aber auch damit, mit einem

möglichst heterogenen Sample die Vielfalt der Schweizer Kantone abdecken zu können (vgl. 3.1). Die Fächerauswahl er-

klärt sich dadurch, dass diejenigen Schulfächer ausgewählt worden sind, von denen ein wesentlicher Beitrag zur Formie-

rung von Identitäten und kulturellen Zugehörigkeiten erwartet wird. Um die Konstruktionsprozesse und -prinzipien des

schulischen Wissens und deren Transformation besser verstehen zu können, sollen zudem die Legitimationsdiskurse und

die Akteurkonstellationen analysiert werden. Dies führt zu drei grundlegenden Fragekomplexen:

1. Inhalte: Welche Inhalte sollen1 schulisch vermittelt werden und wie verändern sich diese Inhalte über Zeit (Inhalte in

Lehrplänen und Lehrmitteln, Definitions- und Selektionsprozesse, horizontale Ordnung in Schulfächern, hierarchische

Ordnung [Zeitanteile, Promotionsfächer vs. Wahlfächer], vertikale Ordnung [Verteilung auf Schuljahre, Reihenfolgen],

1 Die Sollens-Formulierung verweist darauf, dass Lehrpläne und Lehrmittel als Untersuchungsgegenstände programmatisch-normativen Charakter ha-

ben. Davon zu unterscheiden ist real durchgeführter Unterricht, der im beantragten Projekt jedoch nicht untersucht wird.

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didaktische Prinzipien [vom Leichten zum Schweren, vom Nahen zum Fernen, Spiralcurriculum usw.])? Auf der

Grundlage welcher impliziten und/oder expliziten Lehr-/Lernkonzepte wird dieses schulische Wissen didaktisiert?

2. Legitimation von Inhalten und Konzepten: Wie werden Definitionen, Selektionen und Ordnungsprinzipien im öffentli-

chen (Fach-)Diskurs pädagogisch, psychologisch, didaktisch und politisch, aber auch religiös und ideologisch legiti-

miert und wie verändern sich diese Legitimationen über Zeit? Welche gesellschaftlichen, sozialen, wirtschaftlichen Er-

wartungen werden mit der Definition schulischen Wissens verbunden und wie verändern sich diese Erwartungen? Wie

wird die sehr weit reichende staatliche Kontrolle des schulischen Wissens über Lehrpläne und Lehrmittel begründet?

3. Akteure und Akteurkonstellationen: Welche Akteure (Parlamente, Regierungen, Verwaltungen, Kirchen, Lehrerverbän-

de, Parteien, Wirtschaftsverbände usw.) verfügen in der schulischen Wissenspolitik über Definitionsmacht und wie ver-

ändern sich die entsprechenden Akteur- und „Macht“konstellationen?

Als gemeinsame Forschungsheuristik wird generell ein induktives, stark am Quellenmaterial orientiertes Vorgehen ange-

strebt (qualitative Induktion durch historische Rekonstruktion). Das Projekt ist einerseits der historischen Bildungsfor-

schung verpflichtet und nutzt deren Ergebnisse, weitet allerdings deren Orientierung an den Bildungsinstitutionen auf die

Bildungsinhalte und die Bildungspolitik aus, genauer: auf die inhaltliche Programmatik, wie sie sich in Lehrplänen und

Lehrmitteln zeigt, und wie sie in öffentlichen Diskursen legitimiert wird. Andererseits versteht sich das Projekt als Initiative

für einen neu zu etablierenden historischen Ansatz in der Fachdidaktik, der den inzwischen eher empirisch ausgerichteten

Fachdidaktiken eine historische Dimension verleiht2 und in diesem Sinne einen erziehungswissenschaftlichen Beitrag zur

Geschichte des Wissens leistet.

2.1 Stand der Forschung

Die Darstellung des Forschungsstandes bezieht sich auf drei Bereiche, die hinsichtlich theoretischer und heuristischer Ori-

entierung des Sinergia-Projekts und/oder hinsichtlich neuerer Forschungsergebnisse für das Projekt leitend sind: Erstens

verstehen wir das beantragte Projekt als in der Wissenssoziologie fundiertes Projekt (2.1.1). Zweitens gehen wir auf den

internationalen und nationalen Forschungsstand zur Lehrplan- und Lehrmittelforschung ein (2.1.2). Drittens verstehen wir

die Konstruktion schulischen Wissens als wesentlichen Teil einer Educational Policy, wobei in diesem Projekt v.a. bil-

dungspolitische Diskurse und Legitimationen, die Definitionsmacht unterschiedlicher Akteure und die Veränderung der

Akteurkonstellationen interessieren (2.1.3).

2.1.1 Schulisches Wissen

Schule ist zur Institution der Tradierung von Wissen zwischen den Generationen per excellence geworden und das Projekt

fragt danach, welches Wissen schulisch vermittelt werden soll und wie dieses Wissenskorpus gesellschaftlich immer wieder

neu konstruiert und legitimiert wird (Goodson, 1997). Ausgangspunkt ist dabei die in der wissenssoziologischen Tradition

(u.a. Berger & Luckmann, 1969/1980; Knoblauch, 2005; Maasen, 2009; Meja & Stehr, 1982) begründete Annahme der

gesellschaftlichen Bedingtheit allen Wissens: Wenn Wissen durch seine „Seinsverbundenheit“ (Mannheim, 1929/1952,

S. 229) (mit)bestimmt wird, ist es gesellschaftlich bedingt und damit historischen Veränderungen unterworfen. Dies gilt

besonders für schulisches Wissen, das in komplexen Verfahren der Lehrplan- und Lehrmittelentwicklung definiert wird.

Wir bezeichnen diese Prozesse in Anlehnung an Stehr (2003) als „schulische Wissenspolitik“.

Was aber ist (schulisches) Wissen? „Wir bezeichnen […] all das als Wissen, was als solches gilt, also als solches durch eine

bestimmte gesellschaftliche Instanz legitimiert ist“ (Namer, 1981, S. 192). Schulisches Wissen ist dann dasjenige Wissen,

das durch politisch legitimierte Instanzen in (mehr oder weniger) transparenten Verfahren als solches legitimiert worden ist:

Regierungen verabschieden Lehrpläne; Bildungs- bzw. Erziehungsräte und/oder Lehrmittelkommission entscheiden in den

Kantonen über die Einführung von Lehrmitteln; die entsprechenden Verfahren sind in Gesetzen und Verordnungen defi-

niert und die wesentlichen Akteure und Akteurgruppen entsprechend legitimiert. Die Analyse der gesellschaftlichen Kon-

struktion schulischen Wissens kann sich deshalb nicht ausschliesslich auf die Inhalte und die formalen Verfahren beziehen,

2 Die historische Dimension ist in der didaktischen Forschung der drei Sprachregionen bislang unterschiedlich gewichtet worden, in der französischspra-

chigen Forschung tendenziell höher als in der deutsch- oder italienischsprachigen Forschung.

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sondern muss die Akteure und die Legitimationsprozesse als Bedingungsfaktoren bzw. als „Kontextualität der Wissenskon-

struktion“ (Knorr, 1981, S. 233) einbeziehen.

Inhaltlich ist schulisches Wissen nicht einfach gleichzusetzen mit wissenschaftlichem Wissen, und Schulfächer sind nicht

deckungsgleich mit wissenschaftlichen Disziplinen (Goodson et al., 1999), obwohl seit dem 19. Jahrhundert die Wissen-

schaft zur wichtigsten Bezugsgrösse für die schulischen Inhalte geworden ist. Durch die zunehmende Partizipation der Be-

völkerung am politischen Prozess und den ständig wachsenden Qualifikationsbedarf von Wirtschaft und Gesellschaft steigt

auch der Bedarf, wissenschaftlich produziertes Wissen zu ‚übersetzen’, um die Kluft zwischen der Wissenschaft und ihrer

sozialen Umwelt zu verringern. Die bisherige Schulgeschichtsschreibung geht davon aus, dass die Volksschule seit den

1830er-Jahren einen wesentlichen Teil dieser Übersetzungsarbeit leistete und so die gesellschaftlich-wirtschaftlichen Trans-

formationen von der Agrar- über die Industrie- zur Wissensgesellschaft qua Demokratisierung von Wissen unterstützte.

Aber diese Prozesse – wie genau welches wissenschaftliche Wissen zu welchen Zeitpunkten mit welcher Legitimation in

schulische Programme aufgenommen worden ist – sind bislang kaum untersucht worden. Dem Konzept der „Popularisie-

rung“ des Wissens (Daum, 2002; Fried & Stolleis, 2009; Kretschmann, 2003) liegt denn auch die Annahme einer Hierar-

chie der Wissensformen, also der Suprematie wissenschaftlichen Wissens, zugrunde (Weingart, 2003). Allerdings wird

wissenschaftliches Wissen erst durch einen komplexen didaktischen Transformationsprozess zu schulischem Wissen. Popu-

larisierung wissenschaftlichen Wissens in schulischen Zusammenhängen ist deshalb nicht ein linearer Prozess, sondern ein

ko-konstruktiver Prozess, in dem unterschiedliche Akteure in sich ändernden Konstellationen wissenschaftliches Wissen

transformieren.

Schulisches Wissen soll im geplanten Projekt nicht kategorial verstanden werden (also nicht im Sinne von Wissenskatego-

rien), sondern empirisch: Als schulisches Wissen gilt, was in Lehrplänen und Lehrmitteln normativ als in der Schule zu

vermitteln definiert wird. Im geplanten Projekt soll unter dem Begriff des schulischen Wissens neben Inhaltswissen (fachli-

ches Wissen) einerseits auch – in Comenius‘ Sinn von scire (vgl. Schneuwly, 2009) – Können (Fähigkeiten, Fertigkeiten),

andereseits aber auch didaktisches Wissen/Know-how verstanden werden. Die französischsprachige Forschungstradition

unterscheidet deshalb ‚savoir à enseigner‘ und ‚savoir pour enseigner‘ (Hofstetter & Schneuwly, 2009). In der neueren

Lehrplandiskussion wird oftmals die Trias Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten genannt oder es wird auf die Trias von

Sach-, Sozial- und Selbstkompetenz verwiesen (z.B. Lehrplan 21, 2010; Rosenmund et al., 2002). Für die Analyse von

Lehrplänen und Lehrmitteln muss diese Trias zusätzlich erweitert werden durch explizit genannte oder implizit zugrunde

gelegte Werte, die mit dem entsprechenden schulischen Wissen und Können vermittelt werden sollen. So waren Lehrpläne

und Lehrmittel bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts zumindest teilweise konfessionell orientiert; aber auch Ideolo-

gien und politische Weltanschauungen prägten das in der Schule zu vermittelnde Wissen. Diese mit dem schulischen Wis-

sen verbundenen Werteorientierungen, die der Vermittlung von Identität und kultureller Zugehörigkeit dienen, sollen in die

Analysen mit einbezogen werden.

2.1.2 Lehrplan- und Lehrmittelforschung

Lehrpläne konkretisieren, differenzieren und legitimieren den gesetzlich festgelegten öffentlichen Auftrag der Schule

(Künzli, 2011). Lehrmittel unterstützen die Lehrerinnen und Lehrer bei der Festlegung, der Planung und der Durchführung

von kleiner portionierten Unterrichtssequenzen für den Unterrichtsalltag. Beide dienen deshalb unterschiedlichen Akteuren

(Lehrpersonen, Behörden usw.) als Planungsinstrumente mit unterschiedlicher Reichweite. Sie stehen in einem hierarchi-

schen Verhältnis: Der Lehrplan bildet einen Referenzrahmen, der die Herstellung und Zulassung von Lehrmitteln stark prä-

judiziert. Schulische Ziele und Inhalte werden in Lehrmitteln differenziert, konkretisiert und in alltagstaugliche Unter-

richtsprogramme umgesetzt. Von Schulbüchern wird deshalb ein hohes Potenzial an situativer Anpassungsfähigkeit für

unterschiedliche Unterrichtssituationen erwartet. Sie sind nicht auf längerfristige Steuerung ausgerichtet wie Lehrpläne.

Lehrpläne und Lehrmittel leisten aber viel mehr als den Transport kanonisierter Inhalte: Sie reduzieren Komplexität, legen

zeitliche Abfolgen fest und bestimmen Aufgabenkulturen ebenso wie die von Schülerinnen und Schülern zu erbringenden

Leistungen (Oelkers, 2008). Zudem werden mit den Inhalten immer auch Werte vermittelt, explizit durch die Wert- und

Normorientierung von Lehrplänen und Lehrmitteln, implizit durch die notwendigen Selektionsprozesse.

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Lehrplanforschung gehörte v.a. in den 1970er- und 1980er-Jahren als so genannte Curriculumforschung zu den viel beach-

teten pädagogischen Forschungsthemen (Hameyer et al., 1983; zu Kontext und Vorgeschichte: Göldi, 2010). Bis dahin wa-

ren Lehrpläne Stoffpläne ohne klare Ziel-Inhalt-Relation. Die Curriculumtheorie kann deshalb als Perspektivenwechsel

(neu: Lernzielorientierung, Kompetenzorientierung) hinsichtlich der Konstruktion schulischen Wissens interpretiert werden

(Criblez & Huber, 2008). Im Vordergrund des Interesses der Curriculumforschung standen die wissenschaftlich legitimierte

Formulierung von Lernzielen sowie deren Operationalisierung und Überprüfbarkeit. Seither ist mit Lehrplanrevisionen der

Anspruch verbunden, dass sie als Teil einer „rationalen Bildungspolitik“ (Widmaier, 1966) wissenschaftlich fundiert wer-

den.

Im schweizerischen Forschungskontext war Lehrplanforschung vor den 1970er-Jahren inexistent; auch aus den letzten 20

Jahren liegen nur wenige wissenschaftliche Arbeiten vor. In der Regel wurde die historische Dimension nicht bearbeitet;

keine einzige Studie ist auf die Analyse der langfristigen Veränderung von Lehrplänen ausgerichtet. Die meisten Studien

betreffen inhaltliche oder Governance-Aspekte: Die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren

(EDK) hat im Vorfeld der Entwicklung von Bildungsstandards und der Projekte zur Einführung sprachregionaler Lehrpläne

(CIIP, 2011; Lehrplan 21, 2010) erstmals überhaupt Lehrplanvergleiche vorgelegt.3 Im Rahmen des Nationalen For-

schungsprogramms 33 zur „Wirksamkeit unserer Bildungssysteme“ wurden in den 1990er-Jahren die Organisation der

Lehrplanarbeit und damit verbundene Konflikte sowie die Erwartungen an Lehrpläne und deren Nutzung erforscht (Künzli

et al., 1999; Künzli & Hopmann, 1998). Bähr und Künzli sprechen dem Lehrplan einerseits eine regulierende Wirkung zu,

andererseits stellen sie in ihren Analysen „sekundäre Lehrplanbindungen“ (1999, S. 3) fest: Lehrpläne sind heute zwar

kaum mehr Referenzdokumente für den alltäglichen Unterricht von Lehrerpersonen, aber für das Handeln anderer Akteure,

etwa der Bildungsverwaltung und der Schulaufsicht, sind sie es durchaus – zudem müssen Lehrmittel lehrplankonform

sein.

Die Lehrmittelforschung4 wird im deutschen Sprachraum als „stiefmütterlich behandeltes Feld“ (Depaepe & Simon, 2003,

S. 65) oder als „Aschenputtel“ (Oelkers, 2010, S. 20) der erziehungswissenschaftlichen Disziplin beschrieben. Tröhler und

Oelkers (2001) erklären dieses Schattendasein damit, dass in der Unterrichtsforschung v.a. die bildungsphilosophisch moti-

vierte Allgemeine Didaktik und nicht fach- oder stufendidaktische Fragen den Diskurs dominiert hätten. Weinbrenner

(1995) kritisiert zudem, dass sich die Schulbuchforschung auf herkömmliche Inhaltsanalysen konzentriere und schlägt eine

stärker prozessorientierte, produktorientierte und wirkungsorientierte Schulbuchforschung vor. Im Gegensatz zu Deutsch-

land hat die Schulbuchforschung keine institutionelle Verankerung. Im Bereich Lehrmittelnutzung (Schröder, 2008) und

Lehrmittelproduktion (Fuchs et al., 2010) wurde bislang wenig publiziert. Für die Schweiz liegen in der Lehrmittelfor-

schung insbesondere inhaltliche Analysen zu einzelnen Fachbereichen und Querschnittsfragen vor (vgl. dazu die Anträge

zu den Teilprojekten); aber nur wenige Einzelstudien sind auf die lange Entwicklung seit der Gründung der modernen

Volksschule ausgerichtet. Lehrmittel gelten nach Stein (1977) und Wiater (2003) als Politikum, als Informatorium und als

Paedagogicum, haben also unterschiedliche Funktionen. Wie die Lehrpläne übernehmen auch sie die Funktionen der Selek-

tion und Normierung von Inhalten im Sinne des öffentlichen Auftrages von Schule und sind Instrumente der Repräsentati-

on, Strukturierung und Steuerung schulischen Wissens. Choppin (1992; 2007) versteht Lehrmittel sowohl als dokumentari-

sche Quelle als auch als kulturelles, bisweilen ideologisches Transportmittel gesellschaftlich tradierenswerter Inhalte.

Tyack, Tobin und Cuban gehen davon aus, dass Lehrmittel ein zentrales Element der „grammar of schooling“ sind, den

Schulunterricht also stark prägen und damit zu Konstanz und geringer Reformierbarkeit von Strukturen und Funktionswei-

sen von Schule beitragen (Tyack & Tobin 1994; Tyack & Cuban, 1995).

Im internationalen Kontext ist auf deutschsprachige Arbeiten hinzuweisen, die einerseits im Umfeld der Internationalen

Gesellschaft für historische und systematische Schulbuchforschung (u.a. Heinze & Matthes, 2010; Matthes & Heinze, 2005

2006) und andererseits am Georg-Eckert-Institut für Internationale Schulbuchforschung in Braunschweig entstanden sind

(u.a. Koppetsch, 1993; Kotte, 1997). Diese Analysen sind jedoch mehrheitlich Fallstudien und eher selten (international)

vergleichend angelegt (z.B. Matthes & Miller-Kipp, 2011). Im französischsprachigen Forschungskontext sind insbesondere

3 Vgl. http://www.edk.ch/dyn/12154.php (Januar 2011). 4 In der Schweizer Forschungsliteratur wird vorwiegend von „Lehrmittelforschung“ gesprochen, was neben dem Schulbuch sämtliche Unterrichtsmedien

mit einschliesst. In Deutschland ist eher der Terminus Schulbuchforschung“ gebräuchlich (Wiater, 2003).

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die beiden umfassenden Datenbanken „Emmanuelle“ und „Emmanuelle 5“ zu erwähnen, die zum einen die in Frankreich

publizierten Lehrmittel seit 1789, zum anderen Publikationen zur historischen Schulbuchforschung erfassen.5 Die englisch-

sprachigen curriculum studies können sowohl im Bereich der historischen Lehrplanforschung (Langzeitstudien: Kliebard

2004; Willis et al. 1993; Einzelfalluntersuchungen: Burlbaw & Field, 2005; Goodson, 1988), als auch im Bereich der Lehr-

plantheorie international rezipierte Standardwerke vorweisen (Pinar, 2004a). Insbesondere in den USA ist die Curriculum-

forschung und -theorie seit den 1970er-Jahren sehr aktiv und schreibt anhand des Curriculums sowohl Schulgeschichte als

auch Schultheorie. Sie geht dabei von der täglichen Schulpraxis aus („curriculum is a site on which the generations struggle

to define themselves and the world“) und versteht Curriculum als „theoretically enriched practice“ (Pinar, 2004b, S. XVII).

In diesem Zusammenhang lenkte sie bspw. die Aufmerksamkeit auf das verborgene Curriculum (hidden curriculum).

Die amerikanischen curriculum studies betätigen sich inzwischen auch international vergleichend (Pinar, 2003, 2004b). Die

Stanford-Gruppe um Meyer und Ramirez hat in jüngster Zeit verschiedene international vergleichende Analysen vorgelegt,

die Schulbuchinhalte – z.B. globale soziale Bewegungen wie Menschenrechts- oder Umweltschutzbewegung (Bromley,

Meyer & Ramirez, 2011; Meyer, Bromley & Ramirez, 2010) – vor dem Hintergrund politischer, aber auch sozio-kultureller

und sozialer Diskurse und Entwicklungen in verschiedenen Ländern bearbeiten. Eine der ersten Studien zur Massenbildung,

die auf Lehrplanvergleichen basiert, verweist auf die erstaunliche Homogenität zwischen den Nationen hinsichtlich des

Verständnisses von Elementarbildung als Instrument für Fortschritt und Gerechtigkeit –, in dem weder das Lokale, noch

das Nationale dominierend zu sein scheint (Meyer et al., 1992). Vor dem Hintergrund solcher Ergebnisse aus der internati-

onalen Forschung sollen unsere Hypothesen über die mehrsprachige Schweiz und ihre verschiedenen Schulkulturen geprüft

werden. Die Frage, inwieweit sich Ergebnisse amerikanischer Studien auf Schweizer Verhältnisse übertragen lassen bzw.

wie sich aus ihnen Analysekategorien und -hinweise für das geplante Projekt gewinnen lassen, wird in der Explorations-

phase nach Sichtung erster empirischer Daten Thema sein.

2.1.3 Policy-Analyse / Educational Governance

Die Policy-Analyse6 bietet eine adäquate Forschungsperspektive, um die Komplexität im politischen Mehrebenensystem

der Schweiz hinsichtlich unterschiedlicher Argumentationszusammenhänge, Akteure und deren Handlungskoordination zu

erfassen. Sie widmet sich der Interaktion unterschiedlicher (individueller, kollektiver und institutioneller) Akteure sowie

deren Handlungsorientierungen und Wertvorstellungen im politischen Prozess (Schneider & Janning, 2006; Schubert &

Bandelow, 2009). Öffentliche Politik, hier Bildungspolitik im Sinne von schulischer Wissenspolitik, wird unter der Per-

spektive der Policy-Analyse nicht als Handeln einzelner und voneinander unabhängiger Akteure verstanden, sondern als

Resultat des Handelns unterschiedlicher Akteure in unterschiedlichen Konstellationen (Braun & Giraud, 2003). Staatliche

Akteure spielen eine zentrale Rolle, weil der Staat im Schulbereich gleichzeitig als Regulierer und Träger von Schulen so-

wie als Monopolarbeitgeber auftritt. Trotzdem kooperieren staatliche Akteure in unterschiedlichen Konstellationen mit wei-

teren Akteuren (u.a. privaten Lehrmittelverlagen, Lehrerverbänden usw.). In der Policy-Analyse werden deshalb Argumen-

tationsformen und -muster verschiedener beteiligter Akteure (Saretzki, 2003) ebenso analysiert wie die sich verändernden

Akteurkonstellationen. Mit diskursanalytischen Verfahren kann die Verschränktheit verschiedener diskursiver Praxen un-

terschiedlicher Akteure untersucht werden.7

Ergänzend dazu thematisieren Governance-Konzepte die Koordination und Steuerung interdependenter Handlungen gesell-

schaftlicher Akteure (Benz, 2004) in komplexen Strukturen. Dabei interagieren die unterschiedlichen Akteure miteinander

und stehen in wechselseitigen Abhängigkeiten. Die Governance-Forschung im Bildungsbereich interpretiert vor diesem

Hintergrund die Schule als komplexes Mehrebenensystem mit unterschiedlichen Akteuren, die gemeinsam Leistungen des

Schulsystems ko-produzieren (Altrichter & Maag Merki, 2010; Altrichter et al., 2007; Kussau & Brüsemeister, 2007a,

2007b). Der Staat verfügt als Akteur über direkte und indirekte Steuerungsinstrumente (Braun & Giraud, 2003): Zum einen

5 Vgl. http://www.inrp.fr/emma/web/; http://www.inrp.fr/she/choppin_emma5_banque.htm (Dezember 2011). 6 Die inhaltliche Dimension der Politik gilt als Hauptgegenstand der Policy-Analyse, wobei mit dem englischen Begriff ‚Policy‘ politische Inhalte gemeint

sind: Zielsetzungen, Programme, Massnahmen, Problemlösungen. Die ‚Policy‘ wird von ‚Polity‘ (institutionelle Aspekte) und ‚Politics‘ (politische Prozes-se) abgegrenzt. Die Unterscheidung ist heuristisch hilfreich, im Forschungsprozess aber nicht trennscharf anzuwenden (Schubert & Bandelow, 2009, S. 4ff.). 7 Zur Diskursanalyse (Verständnis, Forschungsstand und Methodik): vgl. v.a. Teilantrag D, 3.3.

Page 8: Freiestrasse 36 CH-8032 ZürichIm beantragten Sinergia-Projekt sollen das schulische Wissen, die mit dessen Konstruktion verbundenen Didaktisierungs-prozesse (Selektion, Anordnung,

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sind dies regulative Instrumente wie Gesetze oder Verordnungen, im Projektzusammenhang v.a. Lehrpläne und die ent-

sprechenden schulgesetzlichen Grundlagen. Lehrmittel hingegen sind weniger eindeutig zu klassieren: Sie können als indi-

rekte Steuerungsinstrumente in dem Sinne gelten, als der Staat versucht, „die Adressaten über die Bereitstellung von Ver-

haltensangeboten“ (Braun & Giraud, 2003, S. 166) zu beeinflussen. Da die Kantone aber die Verwendung bestimmter

Lehrmittel für obligatorisch erklären können, sind Lehrmittel auch Teil der direkten, regulativen Wissenspolitik (Höhn,

2005; Senn, 1994).

2.2 Stand der eigenen Forschung im Themenbereich

Der Antragsteller Lucien Criblez beschäftigt sich seit 20 Jahren mit Historischer Bildungsforschung und Bildungspolitika-

nalysen. Das beantragte Projekt bewegt sich thematisch optimal an der Schnittstelle der beiden Denominationen des Zür-

cher Lehrstuhls: der Historischen Bildungsforschung und der Steuerung des Bildungssystems. Historisch hat er sich insbe-

sondere mit der Geschichte der Volksschule und der Lehrerinnen- und Lehrerbildung beschäftigt. Dazu liegen in kantons-

vergleichender Perspektive Studien zur Demokratisierung der Volksschule im 19. Jahrhundert sowie zur Geschichte der

Primarlehrerinnen- und -lehrerbildung vor, die mit der Mitgesuchstellerin Rita Hofstetter und andern publiziert worden sind

(Criblez et al., 1999, 2000). Wie die Schule als Teil des Nation-Building-Prozesses im 19. Jahrhundert politisch in An-

spruch genommen wurde, zeigt ein weiterer, gemeinsam publizierter Beitrag (Criblez & Hofstetter, 1998). Der Antragstel-

ler hat auch zur schweizerischen Bildungspolitik zwischen 1930 und 1945 gearbeitet und dabei die Ideologisierung der

Lehrmittel sowie die Einführung einer zweiten Nationalsprache in der Primaroberstufe als Teil der geistigen Landesvertei-

digung analysiert (Criblez, 1995). Zurzeit führt er u.a. ein vom Nationalfonds unterstütztes Forschungsprojekt zur Inventa-

risierung und Aufbereitung bildungsstatistischer Langzeitreihen durch.8

Die Beschäftigung des Antragstellers mit Steuerungsfragen hat sich in den letzten Jahren von der institutionellen auf die

inhaltliche Ebene verschoben. So war der Antragsteller Mitherausgeber eines Sammelbandes zum Verhältnis von Lehrplä-

nen und Bildungsstandards (Criblez et al., 2006) und weiterer Publikationen zu Bildungsstandards (Criblez & Huber, 2008;

Criblez et al., 2009). Am Lehrstuhl des Antragstellers wurden 2009/2010 zwei Evaluationsstudien zur Einführung der neu-

en Englisch-Lehrmittel „Voices“ (Sekundarstufe I) und „Explorers“ (Primarmittelstufe) durchgeführt. In beiden Studien

standen wesentlich Fragen der inhaltlichen und didaktischen Konstruktion und Legitimation von Lehrmitteln im Vorder-

grund des Interesses.9 Die vorliegende Sinergia-Eingabe setzt die Ausweitung der Beschäftigung mit der inhaltlichen Steue-

rung von Schulen in historischer Perspektive fort. Dem Themenbereich zugehörig hat der Nationalfonds ein Projekt des

Antragstellers bewilligt, in dem die aktuelle Lehrmittelpolitik detailliert analysiert werden soll.10

3 Detaillierter Forschungsplan

Der Rahmenantrag bildet die theoretische und konzeptionelle Grundlage für die Teilprojekte; er kommuniziert die überge-

ordneten, forschungsleitenden Fragestellungen und präsentiert den State of the Art im Allgemeinen. Das Leading house

(Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Zürich) übernimmt das übergeordnete Projektmanagement und die all-

gemeine Koordination und Kommunikation (vgl. 3.1.2).

3.1 Fragestellungen und Eingrenzungen

Im beantragten Sinergia-Projekt sollen erstmalig das schulische Wissen, dessen Konstruktionsprinzipien und Legitimation

sowie die entsprechenden Transformationsprozesse in der Schweiz seit 1830 diachron (im Zeitverlauf) und synchron (im

Vergleich zwischen Kantonen und Sprach-/Kulturräumen [deutsch-, französisch- und italienischsprachige Schweiz] sowie

zwischen Schulfächern) an Lehrplänen und Lehrmitteln für ausgewählte Kantone und Schulfächer untersucht werden. Im

Speziellen sollen drei Fragekomplexe bearbeitet werden, wobei der erste Fragekomplex auf eine eigentliche Inhaltsanalyse

von Lehrplänen und Lehrmitteln zielt, die beiden andern v.a. dazu beitragen sollen, die Rahmenbedingungen und Kon- 8 „Bildung in Zahlen – Zur historischen Erschliessung bildungsstatistischer Daten in der Schweiz“ (SNF-Projekt 130398). 9 „Schlussbericht: Begleitung der Einführung des Englischlehrmittels ‚Voices‘ auf der Sekundarstufe I“ (http://www.ife.uzh.ch/index.php?treenode_id=690&research_id=193 [November 2011]; „Schlussbericht: Explorers – Lehrpersonenbefragung 2010. Evaluation der Erfahrungen der Mittelstufenlehrpersonen mit dem Englischlehrmittel Explorers im Kanton Zürich“ (http://www.bi.zh.ch/internet/bildungsdirektion/de/unsere_direktion/bildungsrat/beschluesse_2010/beschluesse_2011.html [Januar 2012]). 10 „Lehrmittelpolitik als schulische Wissenspolitik“ (SNF-Projekt 134903/1), Beginn: Januar 2012.

Page 9: Freiestrasse 36 CH-8032 ZürichIm beantragten Sinergia-Projekt sollen das schulische Wissen, die mit dessen Konstruktion verbundenen Didaktisierungs-prozesse (Selektion, Anordnung,

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textfaktoren der gesellschaftlichen Konstruktion schulischen Wissens besser zu verstehen. Bei allen drei Fragekomplexen

interessieren zudem die Unterschiede zwischen den Kantonen und den Sprach-/Kulturräumen sowie die diskursive Ver-

flechtung mit den jeweiligen korrespondierenden Kultur-/Sprachräumen (Frankreich, Italien, Deutschland/Österreich).

1. Wie verändern sich die Lehrpläne seit 1830 in den grossen Sprachregionen (deutsch-, französisch- und italienischspra-

chige Schweiz)? Im Vordergrund des Interesses stehen historische Verlaufsanalysen sowie interkantonale und sprachre-

gionale Vergleiche der Inhalte und inhaltlichen Konzeption von Lehrplänen (Fächer, Fachanteile, inhaltliche Ausrich-

tung, Schwerpunktsetzungen usw.), von Konstruktionsprinzipien (Stoffpläne, Curricula, Kerncurricula, Bildungsstan-

dards) sowie von Ressourcendefinitionen (insbesondere: Lektionendotationen), aber auch Fragen danach, wie sich Fä-

cherkonstellationen und -kulturen verändern.

Welche Inhalte werden über Lehrmittel vermittelt und wie verändern sich die inhaltlichen Schwerpunktsetzungen über

Zeit? Im Fokus dieser Frage stehen die in verschiedenen Fächern und auf unterschiedlichen Klassenstufen eingesetzten

Lehrmittel, deren Inhalte sowie die Veränderungsdynamik über Zeit. Im Vordergrund stehen methodisch wiederum In-

haltsanalysen. Die Lehrmittelanalysen beschränken sich auf folgende Fächer (vgl. Tab. 1):

• Muttersprache (Französisch, Italienisch, Deutsch);

• Fremdsprache (Französisch, Deutsch);

• Geschichte und Politische Bildung (inklusive Heimatkunde, Vaterlandskunde usw.).

Welche impliziten und/oder expliziten (fach-) didaktischen Lehr-/Lernkonzepte korrespondieren mit diesem in Lehrplä-

nen und Lehrmitteln abgebildeten schulischen Wissen?

2. Wie wird die Definition und Selektion von Inhalten, und wie werden die didaktisch-methodischen Konzeptionen von

Lehrplänen und Lehrmitteln im öffentlichen und bildungspolitischen Fachdiskurs legitimiert? Welche Funktionen

kommen dabei den wissenschaftlichen Bezugsdisziplinen, den Kantonen bzw. dem Nationalstaat und den Konfessionen

zu und wie verändern sich diese Funktionen über Zeit?

3. Wie verändern sich die bildungspolitischen Akteure und Verfahren zur Festlegung des schulischen Wissens in den Kan-

tonen und Sprachregionen? Im Rahmen dieser Fragestellung sollen die Akteurkonstellationen, die Kompetenzverteilung

zwischen unterschiedlichen Akteuren (Parlamente, Regierungen, Bildungs-/Erziehungsräte, Lehrplan- und Lehrmittel-

kommissionen, Lehrerverbände, Schulsynoden etc.) und deren Funktionen und Funktionsweisen sowie die Entschei-

dungsverfahren und -abläufe im historischen Veränderungsprozess analysiert werden.

Untersuchungszeitraum: Die Diskussion über Lehrpläne und Lehrmittel erhält mit der Etablierung der Volksschule in staat-

licher Trägerschaft und unter staatlicher Aufsicht in den 1830er-Jahren neue Relevanz. Es wird davon ausgegangen, dass

insbesondere im mittleren Drittel des 19. Jahrhunderts irreversible Prozesse der Formalisierung (Criblez et al., 1999) und

der „Verfächerung“ (Chervel, 1998; Goodson, 1993) stattfinden, die eine Untersuchung schulischen Wissens erst umfas-

send ermöglichen. Die Bearbeitung des langen Zeitraumes seit 1830 macht aus forschungspragmatischen Gründen eine

Selektion der Kantone und der in den Lehrmittelanalysen bearbeiteten Schulfächer notwendig (siehe Teilprojekte).

Für die Periodisierung des untersuchten Zeitraumes sind zunächst die bekannten „Etappen des Bundesstaates“ massgeblich.

Die (meist stark politisch orientierte) Schweizer Geschichte, wie sie in diversen, auch aktuellen Überblicksdarstellungen

abgebildet wird, stellt jedoch nur zum Teil eine geeignete Rahmung dar. Der Prozess des Nation-Building ist zwar für die

Legitimation eines allgemeinen Volksschulunterrichts zentral, als Forschungsrahmen für das gesamte Projekt jedoch insbe-

sondere für das 20. Jahrhundert zu eng. In der Überblicksdarstellung von Studer (1998) wird die Staats- und Nationsbildung

der Schweiz 1848–1998 zunächst entlang der unbestrittenen politikgeschichtlichen Zäsuren der nationalen Geschichte in

Phasen gegliedert.11 Darauf zeigen Beiträge zur wirtschaftlichen Veränderung, zur Aussenpolitik oder zur Integration der

Frauen, dass hier der Wandel anderen Rhythmen gehorcht und stärker von globalen Ereignissen und Entwicklungen (Welt-

kriege, Weltwirtschaft, 68er- und Frauenbewegung) beeinflusst wird. Jüngere Überblicksdarstellungen der Schweizer Ge-

schichte (Reinhardt, 2006, 2010; Maissen, 2010; Furrer et al., 2008) betonen denn auch die Bedeutung von sozialen, wirt-

schaftlichen und kulturellen Prozessen.

11 Sonderbund, Bundesstaatsgründung, Demokratisierung im jungen Bundesstaat, Integration der Katholisch-Konservativen Ende 19. Jahrhundert, In-

tegration der linken Opposition im 20. Jahrhundert.

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Um den Wandel schulischen Wissens und die damit verbundenen Bildungsziele und -inhalte analysieren zu können, muss

der gesellschaftliche Wandel umfassender in den Blick genommen werden, im Sinne einer Schulgeschichte als Teil einer

umfassenden Gesellschaftsgeschichte (Wehler, 1988). Zentrale forschungsheuristische Bezugspunkte für eine Periodisie-

rung sind deshalb neben dem Prozess des Nation-Building die Entkirchlichung und Laisierung von Gesellschaft und Schu-

le, die Veränderung des Qualifizierungsbedarfs in Wirtschaft und Arbeitswelt, die Genderfrage, die Frage der nationalen

und kulturellen Identität, die Veränderung des Verhältnisses zwischen Bund und Kantonen, die Entwicklung von neuen

Lehr-/Lernkonzepten in den Bezugswissenschaften, die Entwicklung der entsprechenden wissenschaftlichen Bezugsdiszip-

linen der untersuchten Unterrichtsfächer und die technologische Veränderung der Unterrichtsmedien.

Im Sinne zu prüfender Arbeitshypothesen geht das Projekt von folgenden generellen Entwicklungen aus: Die konfessionelle

(katholisch – protestantisch) und politische (konservativ – liberal) Ausrichtung der Kantone war für die Lehrplan- und

Lehrmittelentwicklung im 19. Jahrhundert von grosser Bedeutung (Späni, 1999; als kantonale Fallanalyse: Annen, 2006),

wurde im 20. Jahrhundert allmählich relativiert und erstere verlor nach dem 2. Vatikanischen Konzil weiter an Bedeutung.

In den Lehrplänen dürfte sich dies v.a. im Stellenwert des Faches Religion zeigen, bei den Lehrmitteln hauptsächlich im

Fach Geschichte und im muttersprachlichen Unterricht. Kantone mit generell liberaler politischer Ausrichtung waren bis

zur Bildungsexpansionsphase der 1960er- und 1970er-Jahre dem Ausbau der Schulen gegenüber tendenziell aufgeschlosse-

ner eingestellt als (katholisch-)konservative Kantone. Diese wiederum hielten in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts

länger an geschlechterdifferenzierten Bildungsinhalten fest. Im Hinblick auf genderspezifische Konstruktionen des schuli-

schen Wissens gehen wir von einer zunehmenden genderspezifischen Differenzierung der Curricula und Stundentafeln bis

zur Mitte des 20. Jahrhunderts und einem anschliessenden Vereinheitlichungsprozess aus. Der Beitrag der Schule zum Na-

tion-Building-Prozess zeigte sich regional unterschiedlich und veränderte sich massgeblich: Zunächst stand die Verpflich-

tung auf den jeweiligen Kanton im Vordergrund (Criblez & Hofstetter, 1998), nach 1870 dann v.a. die Verpflichtung auf

den Bundesstaat und die Bildung des Bürgers (Hettling, 1998), der in der halbdirekten Demokratie auch über ein Mindest-

mass an Bildung verfügen sollte, um seine demokratischen Rechte wahrnehmen zu können.

Hinsichtlich der Qualifizierung für Wirtschaft und Arbeitswelt dürfte sich v.a. im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts in den

Lehrmittelanalysen der Aufstieg der realistischen Fächer (Naturwissenschaften, Geografie) sowie der modernen Fremd-

sprachen (2. Landessprache) zeigen. Seit den 1990er-Jahren ist eine stärkere Orientierung der letzten Schuljahre der Volks-

schule an den Bedürfnissen der Arbeitswelt festzustellen (Berufsorientierung, Neuorganisation 9. Schuljahr, Kompetenzori-

entierung). Insgesamt setzten sich die Kantone im 19. Jahrhundert als „Gestalter“ der Volksschule gegenüber den Gemein-

den durch; Versuche der Zentralisierung scheiterten in den 1870er-Jahren, das Volksschulwesen blieb bis 1970 in aus-

schliesslich kantonaler Regelungshoheit. Erst anschliessend nahmen die interkantonalen und seit Mitte der 1990er-Jahre

auch die nationalen Bemühungen um Harmonisierung zu. Hinsichtlich der Lehr-/Lernkonzepte gehen wir – neben fachspe-

zifischen Entwicklungen – insbesondere von methodischen Innovationen während der Reformpädagogik und dann wieder

seit den 1970er-Jahren aus. Letztere werden u.a. durch neue Unterrichtstechnologien und seit den 1990er-Jahren durch ei-

nen weiteren Verwissenschaftlichungsprozess im Kontext der Gründung Pädagogischer Hochschulen befördert.

Die folgende Phasenheuristik wurde aus den Ergebnissen der neueren Schulgeschichtsforschung generiert, die in der Regel

jedoch nie den gesamten, im Projekt zu untersuchenden Zeitraum abdecken (z.B. zur allg. Schulgeschich-

te/Bildungsgeschichte: Badertscher & Grunder, 1997; Criblez et al., 1999; Criblez 1995; zur Lehrerinnen- und Lehrerbil-

dung: Crotti, 2005; Hodel, 2005; Lussi, 2008). Eine generelle Periodisierung kann zudem nicht für alle interessierenden

gesellschaftlichen Kontexte und schulischen Entwicklungen in gleicher Weise Gültigkeit beanspruchen. Grob lassen sich

sechs Perioden bestimmen:

• ca. 1830-1870: Aufbau kantonaler Schulsysteme (Primarschulen, Sekundarschulen), erste Lehrpläne; Produktion von

Lehrmitteln als Qualitätssicherungsinstrument, Entkirchlichung und Laisierung der Schule, Verberuflichungsprozess

der Volksschul-Lehrkräfte

• ca. 1870-1910: Professionalisierung der Schule, staatliche Lehrmittelverlage, Schule als Teil des Nation-Building-

Prozesses, Aufstieg der realistischen Fächer (Naturwissenschaften, Geografie) und modernen Fremdsprachen

• ca. 1910-1935: Reformpädagogik, neue Unterrichtskonzepte, neue Lehr-/Lernkonzepte

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• ca. 1935-1960: Schule als Teil der nationalen Einigung nach innen, allgemeine Verankerung der 2. Nationalsprache

als Fremdsprache auf der Sekundarstufe I

• ca. 1960-1990: Bildungsexpansion, vollständige Koedukation, Curriculumtheorie, Verwissenschaftlichung des Lehr-

plandiskurses, neue Unterrichtstechnologien (audio-viduell-basierte Lehrmittel, Sprachlabor [Bosche & Geiss, 2010]),

neue Lehr-/Lernkonzepte, Medienvielfalt in der Lehrmittelproduktion, Massenproduktion von Lehrmitteln als Ver-

brauchsgegenstände, Vorverlegung des Beginns des Fremdsprachenunterrichts in die Primarstufe, beginnende

Schulkoordination

• nach 1990: verstärkte Harmonisierung, international-vergleichende Leistungsmessung, Output-Orientierung, Informa-

tionstechnologien, Frühenglisch/Frühfranzösisch, Verwissenschaftlichung des Lehrmitteldiskurses

Schulstufen/-typen: Alle Teilprojekte bearbeiten die Lehrpläne und Lehrmittel der Schulstufen und -typen, die heute zur

Primarstufe und zur Sekundarstufe I gehören, nicht aber der Schulen der Vorschulstufe und der Sekundarstufe II. Eine be-

sondere Herausforderung stellt dabei die Primaroberstufe mit ihren kantonal je unterschiedlich konzipierten und bezeichne-

ten Schultypen dar. Für die bearbeiteten Kantone muss deshalb die Lehrplan- und Lehrmittelentwicklung immer im Kon-

text bildungspolitischer Veränderungen des Schulsystems interpretiert werden. Die bildungshistorischen Kontextanalysen

stützen sich auf Sekundärliteratur zur Entwicklung der kantonalen Schulsysteme, in einzelnen Fällen werden Lücken in der

Schulgeschichte auch aus den Primärquellen (insbesondere: Rechtserlassen und Rechenschaftsberichten) erschlossen wer-

den müssen. Alle Teilprojekte verfügen über entsprechende bildungshistorische Kompetenzen und Erfahrungen.

Bearbeitete Schulfächer: Die Veränderung der Qualifizierungsfunktion der Schule im Hinblick auf die gesellschaftliche

und wirtschaftliche Entwicklung zeigt sich insbesondere in den Lehrplänen. Die historische Dynamik der Schulfächer und

deren Konstruktionsprinzipien werden deshalb in den Lehrplananalysen für alle Fächer untersucht. Für die Lehrmittelanaly-

sen sind vorderhand drei Fächer ausgewählt worden, denen für den Aufbau von Identitäten und kulturellen Zugehörigkeiten

besondere Bedeutung zugeschrieben wird: Muttersprache, Fremdsprache als zusätzliche Landessprache, Geschich-

te/Politische Bildung.12 Der soziale und kulturelle Wandel zeigt sich am schulischen Wissen dieser Fächer deutlicher als in

den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern, die eher auf Nützlichkeitserwartungen reagieren müssen, oder in mu-

sisch-kreativen Fächern. Der untersuchte Fächergruppe wird eine stärkere nationale und identitätsstiftende Funktion zuge-

ordnet als den andern erwähnten Fächern.

Tab. 1: Übersicht über die Subprojekte

UniGE SUPSI UZH PH FHNW PH ZH Teilprojekt A B C D E Kantonsauswahl GE, FR, VD TI AG, AI, BE, BS,

LU, SG, SZ, ZH AG, BE, SG, SZ, ZH

AG, SG, SZ, ZH

Lehrpläne / Fächerauswahl

Französisch, Deutsch, Geschichte, Politische Bildung

Alle Fächer Alle Fächer [Französisch, Deutsch]

[Geschichte, Politische Bildung]

Lehrmittel Mutter-sprache

Muttersprache Französisch

Muttersprache Italienisch

Muttersprache Deutsch

Lehrmittel Fremd-sprache

Fremdsprache Deutsch

Fremdsprache Französisch

Lehrmittel Geschichte, Politische Bildung

Geschichte, Politische Bildung

Educazione civica Geschichte, Politische Bildung

Antragsstellende/r Rita Hofstetter & Bernard Schneuwly

Wolfgang Sahlfeld Lucien Criblez Daniel Wrana & Thomas Lindauer

Sabina Brändli

Geographisch ist das Projekt auf die Schweiz ausgerichtet und auf die drei grossen Sprachregionen fokussiert. Die Kan-

tonsauswahlen sind den je spezifischen Gegebenheiten und Fragestellungen der einzelnen Teilprojekte angepasst (zur de-

taillierten Begründung: vgl. Teilprojekte). Tab. 1 zeigt eine Übersicht über die einzelnen Subprojekte. Die drei Teilprojekte

der deutschsprachigen Kantone beziehen sich alle auf ein gemeinsames Sample. Die Lehrmittelanalysen (Teilprojekte D

12 Es ist geplant, die Analyse weiterer Schulfächer (Mathematik, naturwissenschaftliche Fächer, Singen/Musik, Zeichnen/Bildnerisches Gestalten, Hand-

arbeit und Hauswirtschaft) in einem späteren Sinergia-Anschlussprojekt zu beantragen. Turnen folgt, seit 1875 eidgenössisch geregelt (Criblez, 1995),

einer andern Entwicklungslogik.

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12

und E) arbeiten je mit einer Teilmenge daraus (vgl. Tab. 2, grau markierte Kantone; zur detaillierten Begründung vgl. Teil-

projekte).

Für die erste Projektphase der Analysen von Lehrplänen und Lehrmitteln werden für die deutsch- und die französischspra-

chige Schweiz die Kantone kriterienbezogen ausgewählt. Für die Auswahl sind einerseits Kriterien der Repräsentanz ent-

scheidend: Grösse, Lage und Ausprägung (städtisch/ländlich), konfessionelle und politische Ausrichtung im

19. Jahrhundert, Status/Funktion innerhalb des Bundesstaats. Andererseits soll die Auswahl Kantonsvergleiche hinsichtlich

unterschiedlicher Kriterien zulassen; deshalb wird in den Teilprojekten auf ein möglichst heterogenes Sample geachtet. In

der zweiten Projektphase sind sprachregionale Vergleiche vorgesehen, insbesondere um die Zusammenhänge von Fächer-

kulturen und Kulturräumen analysieren zu können. Das Projekt nimmt damit drei vergleichende Perspektiven ein: eine dia-

chron vergleichende Perspektive (Entwicklungsperspektive), eine interkantonal und Sprachraum vergleichende Perspektive

(zwischen den Kantonen/(sprach-)regional) sowie eine Schulfach vergleichende Perspektive.

Tab. 2: Zusammenführung der Samples der Teilprojekte der deutschsprachigen Schweiz

(E) = markante Entwicklung innerhalb des Untersuchungszeitraums

3.1.1 Quellen, Methoden der Datengenerierung und Datenanalyse

Als Primärquellen dienen die in den untersuchten Kantonen verwendeten Schulerlasse (Gesetze, Verordnungen usw.),

Lehrpläne und Lehrmittel (obligatorische und zugelassene). Für die Analyse der Verfahren zur Festlegung schulischen

Wissens (Lehrplanarbeit) und zur Produktion von Lehrmitteln sowie zur Bestimmung der beteiligten Akteure werden wei-

tere Quellen wie Rechenschaftsberichte der Kantonsregierungen13, Materialien der kantonalen Bildungsverwaltungen, kan-

tonale Schulblätter, Materialien von Schulbuchproduzenten und -verlagen, Lehrerinnen- und Lehrerzeitschriften sowie Ma-

terialien von Lehrerverbänden herangezogen.14 Zur ersten Erschliessung der Primärquellen kann z.T. auf die Bibliographie

zur schweizerischen Landeskunde, Teilband Lehrmittel (Sichler, 1908), sowie für die 1930er-/1940er-Jahre auf die gesamt-

schweizerischen Verzeichnisse der in den Schulen verwendeten Lehrmittel (Vereinigung, 1933/1937, 1945) zurückgegrif-

13 Die Rechenschaftsberichte der Erziehungsdirektionen aller Kantone über den gesamten Zeitraum und eine Sammlung der Schulgesetze liegen in digita-lisierter Form aus dem vom Antragsteller durchgeführten SNF-Projekt „Bildung in Zahlen“ (100017_130398) vor. 14 Quellenmaterialien wie bspw. Lehrerzeitschriften können sehr gut arbeitsteilig von den einzelnen Teilprojekten aufgearbeitet und der gesamten For-

schungsgemeinschaft zur Verfügung gestellt werden.

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fen werden. Als Sekundärliteratur spielen schul- und bildungshistorische Darstellungen sowie wissenschaftshistorische

Analysen zu den bearbeiteten Schulfächern eine wichtige Rolle.

Methodisch kommt grundsätzlich die historische Dokumenten- und Inhaltsanalyse zum Einsatz. Im Vordergrund stehen

zirkuläre, hermeneutisch-textanalytische Verfahren (Gadamer, 1986a, 1986b). Eine gemeinsame, sich am oben dargestell-

ten Phasenmodell orientierende, induktive Forschungsheuristik (Lorenz, 1997; Wiersing, 2007 [Lemnata „Geschichte“ &

„Historie“]) wird es erlauben, die im Quellenmaterial vorgefundenen Daten in dreifacher Hinsicht zu vergleichen (diachro-

ner Vergleich, interkantonal und Sprachraum vergleichend sowie Schulfach vergleichend). Für die 1. Fragestellung (Lehr-

plan- und Lehrmittelinhalte) wird mit einer inhaltsanalytisch orientierten qualitativen und teilweise quantitativen Dokumen-

tenanalyse gearbeitet. Dabei ist es sinnvoll, dass die Teilprojekte zu Lehrplänen und Lehrmitteln je eigene Analysekatego-

rien bilden, die wiederum kantons- und sprachregionenübergreifend abgeglichen werden, um Vergleiche zu ermöglichen.

Die 2. und 3. Fragestellung nach der Legitimation schulischen Wissens und den Akteuren wird ergänzend mit diskursanaly-

tischen Verfahren (Sarasin, 2003) bearbeitet, wobei hierfür insbesondere die Rechenschaftsberichte der Erziehungsdirekti-

onen und der Diskurs in den entsprechenden Schulzeitschriften als Quellenkorpus dient.

3.1.2 Mehrwert eines Sinergia-Projekts

Im föderalistischen Bildungssystem der Schweiz waren historische Analysen bislang v.a. an Einzelschulen oder Kantonen

orientiert (Criblez & Jenzer, 1995; Brändli, 2011). Das Sinergia-Programm des SNF ermöglicht es, aus dieser kleinräumi-

gen Institutions- und Kantonsorientierung auszubrechen und eine prinzipiell vergleichende Perspektive einzunehmen: Ers-

tens können Entwicklungen in den Schweizer Kantonen, einer Art föderalistischem „Labor“ der Schulentwicklung, verglei-

chend analysiert werden. Zweitens können die Entwicklungen in den drei Sprachräumen verglichen werden und Gemein-

sames und Spezifisches der inhaltlichen Konstruktion von Schule in den drei grossen Kulturräumen innerhalb der Schweiz

und ihren Bezügen zum deutschen, französischen und italienischen Sprach- und Kulturraum herausgearbeitet werden. Drit-

tens lassen sich auch Vergleiche zwischen Fächerkulturen realisieren sowie Lehrplan- und Lehrmittelanalysen verschiede-

ner Fächer systematisch aufeinander beziehen. Im Weiteren erlaubt der in der Schweiz erstmalig realisierte grössere For-

schungszusammenhang zwischen den drei grossen Sprachregionen, ein forschungspolitisches Zeichen zu setzen: Ein

Hauptgewinn dieses Sinergia-Projekts ist der gemeinsame Diskurs über Sprach- und Forschungskulturgrenzen hinweg, der

erfahrungsgemäss kaum stattfindet. Es wird zudem eine systematische Vernetzung zwischen historisch orientierten Bil-

dungsforschenden und Fachdidaktiker/innen innerhalb der Schweiz sowie zwischen Universitäten und Pädagogischen

Hochschulen auf- und ausgebaut. Letztlich ist die enge Kooperation zwischen Historischer Bildungsforschung und Fachdi-

daktik ein Beitrag zum Aufbau einer historischen Perspektive in der Fachdidaktik, was in diesem Umfang auch internatio-

nal eine Pionierleistung darstellen dürfte.

Der kollektive Teil des Sinergia-Projektes ist vor dem oben skizzierten bildungsföderalistischen Hintergrund von besonde-

rer Bedeutung: Durch eine Internetplattform wird der permanente Informations- und Dokumentenaustausch, in themati-

schen Foren auch die gemeinsame Diskussion spezifischer Fragen gewährleistet. In sechs zweitägigen Kolloquien werden

gemeinsam Forschungsfragen, Probleme und Resultate sowie Inputs von aussen diskutiert. Die Kolloquien finden in den

drei Sprachregionen statt; sie sind thematisch wie folgt ausgerichtet: 1. Theoriefragen; 2. Methodenfragen; 3. Lehrpläne:

interne Diskussion erster Ergebnisse; 4. Lehrmittel: interne Diskussion erster Ergebnisse; 5. Ergebnisdiskussion mit einge-

ladenen internationalen Expertinnen und Experten zu Lehrplänen/Lehrmitteln; 6. Ergebnisdiskussion mit Wissenschaftshis-

torikerinnen und -historikern zu den untersuchten Schulfächern. Das Sinergia-Projekt dient insbesondere auch der Ausbil-

dung des Nachwuchses: Für Doktorierende werden zusätzlich vier Tageskolloquien mit Workshops organisiert, die sich

spezifischen methodischen, theoretischen und inhaltlichen Fragen der jeweiligen Qualifikationsarbeiten widmen. Vorgese-

hen sind im Weiteren gemeinsame Auftritte an Kongressen und gemeinsame Publikationen mit Ausstrahlung in die drei

Sprach- und Kulturräume. Nach Abschluss des Sinergia-Projektes soll ein internationaler Kongress organisiert werden.

3.2 Zeitplan

Das Sinergia-Projekt ist für einen Zeitraum von insgesamt 36 Monaten konzipiert (Okt. 2012 – Sept. 2015). Der allgemeine Zeit- und Arbeitsplan sieht folgende Phasen vor:

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Tab. 3: Zeit- und Arbeitsplan

3.3 Bedeutung der Forschungsarbeit

Das beantragte Sinergia-Projekt lenkt den Blick der bisher stark auf Institutionen ausgerichteten historischen Bildungsfor-

schung auf Inhalte und Akteure. Die diachrone Perspektive ermöglicht es, aktuelle Debatten über Lehrpläne und Lehrmittel

in einem grössen historischen Kontext zu situieren. Das Projekt leistet dadurch einen Beitrag zu aktuellen bildungspoliti-

schen Problemstellungen (sprachregionale Lehrpläne, sprachregionale Lehrmittel) und ist gleichzeitig ein Beitrag zu Ge-

schichte des (Schul-)Wissens. Die enge Verbindung der Analysen von Lehrplänen und Lehrmitteln im Zeitverlauf ergänzt

die in der Schweiz im Aufbau begriffene wissenschaftliche Fachdidaktik mit einer historischen Perspektive.

Das Projekt ist in seiner Kombination von Lehrplan- und Lehrmittelgeschichte eine Pionierleistung; die bisherige For-

schung ist entweder auf Lehrpläne oder Lehrmittel ausgerichtet gewesen. Im beantragten Projekt können integrativ neue

Erkenntnisse über die Entwicklung schulischen Wissens generiert werden, die kantonsspezifische, sprach- und kulturraum-

spezifische sowie fächerspezifische Differenzierungen erlauben. Das Projekt ermöglicht für die Schweiz eine Erweiterung

der Curriculumtheorie im Sinne des angelsächsischen Forschungsverständnisses, also zu Lehrplänen und Lehrmitteln, aber

auch Akteuren und bildungspolitischen Verfahren: Generiert werden neue theoretische Kenntisse einerseits zu den Mecha-

nismen von Selektion und Konstruktion schulischen Wissens, andererseits zum Einfluss kantonaler und nationaler Faktoren

auf diese Mechanismen. Folglich geht es um eine Erweiterung der Schulgeschichte um die inhaltliche Dimension, die Er-

kenntnisse über die Funktion von Lehrplänen und Lehrmitteln, aber auch zu Akteuren und Verfahren hervorbringt. Letzt-

lich stellt das beantragte Projekt für den schweizerischen Forschungskontext einen Beitrag zu einer nationalen Schulge-

schichtsschreibung dar, ein grosses, seit Jahrzehnten von verschiedenen Seiten geäussertes Desiderat.

Die Zusammenarbeit von fünf Forschungsteams aus drei unterschiedlichen Sprachregionen der Schweiz, aber auch die in-

tensive gemeinsame Forschungstätigkeit zwischen Universitäten und Pädagogischen Hochschulen ist in der Schweiz, aber

auch in der Erziehungswissenschaft, in diesem Umfang ein einmaliges Unterfangen.

Page 15: Freiestrasse 36 CH-8032 ZürichIm beantragten Sinergia-Projekt sollen das schulische Wissen, die mit dessen Konstruktion verbundenen Didaktisierungs-prozesse (Selektion, Anordnung,

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Teilprojekt A: Transformation schulischen Wissens in den Schulfächern Französisch, Deutsch und Geschichte der Westschweiz (1830-2010)

Prof. Dr. Rita Hofstetter, Prof. Dr. Bernard Schneuwly, Universität Genf

1 Zusammenfassung des Forschungsplans

Lehrpläne und Lehrmittel werden als Resultate didaktischer Transposition verstanden, die das Ergebnis des Handelns ver-

schiedener Akteure sind. Ihr Handeln ist sowohl durch kulturspezifische und lokale Faktoren als auch durch internationale

Entwicklungen bedingt, aber auch durch Faktoren, die im Wissen und seiner Vermittlungsbedingungen im Rahmen der

Schule selbst liegen. Diese Faktoren verändern sich im historischen Prozess, was sich in der Form, in der Art der Erarbei-

tung als auch in der Auswahl und Organisation des Wissens in Lehrplänen und -mitteln niederschlägt. Das vorliegende

Teilprojekt untersucht Lehrpläne und Lehrmittel in der Westschweiz. Das Hauptgewicht liegt dabei auf den Fächern Fran-

zösisch als Erstsprache, Deutsch als Fremdsprache und Geschichte mit Staatskunde. Sie haben als gemeinsames Merkmal,

dass sie mehr als andere Fächer zur Konstruktion sozialer Identität beitragen. Lehrpläne und Lehrmittel dieser Fächer wer-

den in drei sich kontrastierenden Kantonen (Freiburg, Genf, Waadt) analysiert und in ihrer historischen Entwicklung an-

hand der im Rahmenantrag dargestellten Periodisierung untersucht und verglichen.

Dabei werden sechs Thesen überprüft, die die allgemeinen Hypothesen des Sinergia-Projektes konkretisieren (vgl. 3.1): Sie

beziehen sich auf den Prozess der Erarbeitung der Lehrpläne und Lehrmittel, auf die Unterschiede zwischen den Fächern in

Bezug auf die Konstruktion sozialer Identität, auf den Einfluss kantonaler Faktoren und auf die Besonderheit der franzö-

sischsprachigen Kultur im Vergleich zur italienisch- und zur deutschsprachigen Kultur. Untersuchte Quellen sind die Lehr-

pläne und die Lehrmittel in drei Kantonen, sowie Dokumente, die deren Erarbeitung und Diskussion in den politischen In-

stanzen, in der Schuladministration, in der Lehrerprofession und in der Öffentlichkeit dokumentieren.

2 Stand der Forschung

Im 19. Jahrhundert entsteht eine Neuordnung der Erziehung durch die Verallgemeinerung der Bildung (Petitat, 1982)15 und

durch die Investition für den Aufbau von Schulen, die de iure (Kintzler, 1996) den allgemeinen Zugang zu Bildung garan-

tieren. Zugleich wird der Staat Garant der Bildung. Die daraus entstehende moderne Schulform (forme scolaire: Vincent,

1980; grammar of schooling: Tyack & Cuban, 1996) zeichnet sich u.a. aus durch zunehmende (schriftliche) Bestimmung

von zu lernendem Wissen (scripturalisation: Lahire, 2005) und durch die zunehmend fachlich organisierte Form dieses

Wissens (Chervel, 1998). Diese moderne Schulform entsteht unter dem Druck vielfältiger Anforderungen: der Notwendig-

keit von Qualifikation für die Beteiligung am Staatswesen, an sozialer Produktion (Arbeit) und an sozialer Reproduktion

(Familie) (Durkheim, 1922/1972); der sozialen Differenzierung (Bourdieu & Passeron, 1964); des soziopolitischen Zusam-

menhalts, z.B. durch die Konstruktion kultureller Zugehörigkeit (Crubellier, 1993; D’un pays et du monde, 1993), und der

nationalen Identität (Rosanvallon, 1992). Der Staat und vielfältige, mit ihm zusammenhängende, Institutionen und Akteure

sind an der Bestimmung schulischen Wissens und seiner Organisation beteiligt. Die Erarbeitung von Lehrplänen und -

mitteln ist die bevorzugte Form dieser Bestimmung schulischen Wissens, die in ständig ändernden Formen von sozialen

Anforderungen und Erwartungen geprägt wird (Forquin, 1991).

Die zunehmende Verfestigung des Wissens in Form von Schulfächern (Chervel, 1998; Goodson, 1993) bildet einen lang-

wierigen Prozess, der sich in einem ständig wandelnden Verhältnis zu den akademischen Fächern und anderen Formen von

Wissen vollzieht. Die Erarbeitung und Veränderung schulischen Wissens wird in der französischen Literatur als „didakti-

sche Transposition“ (Chevallard, 1985) bezeichnet, d.h. als Übertragung von Wissen aus seinem ursprünglichen Kontext

der Verwendung (als wissenschaftliches Wissen, Expertenwissen, aber auch praktisches Wissen) in ein neues „Milieu“ –

die Schule –, wo es Gegenstand des Lehrens und Lernens ist. Dieser Prozess ist nicht Resultat bewussten Handelns einzel-

15 Wir führen v.a. französischsprachige Literatur an; für weiter Hinweise, siehe Rahmenantrag.

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ner, sondern Ergebnis des Handelns vieler Akteure. Zwei innerschulische Faktoren bestimmen besonders stark, wie Wissen

für Lehren und Lernen verändert wird (Johsua, 1996):

1. Wissen muss als Gegenstand abgegrenzt und als Lehr- und Lerngegenstand bestimmt werden. Es wird ein Modell des

Wissens erarbeitet, das erlaubt, Wissen zu „elementarisieren“ (Heimberg, 2007).

2. Dadurch dass Wissen im neuen Kontext auftritt, nämlich in Schule, verändert sich sein Sinn. Es ist nicht mehr Jand-

lungswissen im ursprünglichen Kontext, sondern zu lehrendes und zu lernendes Wissen (Schneuwly, 1995).

Für die Transformation schulischen Wissens sind folgende Faktoren wichtig: die am Prozess beteiligten Akteure und die

politischen Formen der Bestimmung schulischen Wissens (vgl. die Historiographien zur Volksschule der drei behandelten

Kantone; Genf: Hofstetter, 1998; Müller, 2007; Waadt: Heller, 1988; Freiburg: Praz, 2005; Foerster, 2008). Dieser theoreti-

sche Rahmen erlaubt eine erste Periodisierung, die derjenigen im Rahmenantrag weitgehend entspricht (vgl. Rahmenantrag,

3.1). Die für die Lehrmittel im Gesamtprojekt ausgewählten drei Fächer tragen mehr als andere zur Konstruktion sozialer

und nationaler Identität bei, die auf einer gemeinsamen kulturellen Zugehörigkeit beruht und sich auch als Moralisierung

manifestiert: Geschichte (Prost & Falaize, 2010), Französisch als Erstsprache (Dufays et al., 2010; Marchand, 1971) und

Deutsch als Fremdsprache. Die Historiographie der untersuchten Fächer ist umfangreich.

Französisch als Schul-/Erstsprache: Französischunterricht entwickelt sich ausgehend von isolierten Teilen (Lesen, Litera-

tur, Grammatik), die sich langsam zu einem Schulfach zusammenfügen (Chervel, 2006). Diese Vorgeschichte des Faches

ist durch Variabilität der Unterrichtsgegenstände und benutzten Methoden sowie durch die Produktion einer grossen An-

zahl von Schulbüchern (für die Schweiz: Tinembart, 1999, 2004), jedoch noch wenig definierten Lehrplänen charakteri-

siert. Das „klassische“ Paradigma der Disziplin „Französisch“ verfestigt sich als Fach in der zweiten Hälfte des

19. Jahrhunderts mit folgenden Merkmalen: Sprache als Darstellung von Welt (und nicht Kommunikation); dominante

Ausrichtung auf literarisch normierte Sprache; Grammatik und Orthographie als Anwendung von regelgeleitetem Wissen

(Halté, 1992). Nach dem 1. Weltkrieg dringen gewisse Bestände der Education nouvelle in Lehrpläne und Lehrmittel ein

(Bishop, 2010a). Die 1960er-Jahre bringen ein reformiertes Paradigma: induktiv ausgerichteter Unterricht in Grammatik

(Bishop, 2010b); Ausrichtung auf Kommunikation und Eintritt neuer Textarten im Schreiben (Chiss et al., 1988) und Lesen

(Chartier, 2007); grössere Bedeutung des mündlichen Ausdrucks (Romian et al., 1985). Diese Neubestimmung der Inhalte

äussert sich in Lehrmitteln, die sich in Inhalt und Form verändern (Aeby et al., 2001; De Pietro et al., 2009; Plane, 1990;

Weiss & Wirthner, 1991).

Deutsch als Fremdsprache: Die Geschichte dieses Faches ist in allgemeinen Ansätzen bekannt (Mombert, 1998, 2005; zur

Geschichte des Fremdsprachenunterrichts: Hüllen, 2005; für die Schweiz: Langner, 2001; für die Westschweiz: Von Flüe-

Fleck, 1994; Extermann, 2011). Vor 1850 überwiegen strukturelle Fragen, an denen der Deutschunterricht oft scheiterte.

Nach 1850 sind die Deutschlehrer zwischen zwei Grundströmungen gespalten: die Tradition des praktischen Sprachunter-

richts fortführen oder sich dem Siegeszug des vom Neuhumanismus reformierten Latein- und Griechischunterrichts unter-

stellen. Lehrwerke werden mehrheitlich von den Lehrern selbst geschrieben und es wird grosser Wert auf „nationale“

Lehrmittel gelegt, die das Fach Deutsch stärken. Ab 1870 verbreitet sich der Deutschunterricht in fast allen Schularten.

Nach wie vor werden die Lehrwerke lokaler Autoren bevorzugt, die auf die Verhältnisse in den Kantonen zugeschnitten

sind. Nach dem 1. Weltkrieg etabliert sich ein neuer Kompromiss: Aus institutionellen Gründen wird auf den Frühunter-

richt in der Grundschule verzichtet. Die Deutschlehrer behalten die Ansätze der früheren Reformbewegung in der Mittel-

stufe, interpretieren sie aber in Hinsicht auf gymnasiale Leitwerte. Ab dem 2. Weltkrieg verändert sich der Unterricht in

zwei Phasen (Puren, 1988): Der audio-linguale Ansatz ist mit struktureller Linguistik, Behaviorismus und neuen Technolo-

gien verbunden. In Kritik dieses Ansatzes entsteht ein kommunikativer Ansatz, der auf pragmatischer und textueller Lingu-

istik beruht und kommunikative Situationen zum Ausgangspunkt nimmt (Marschall et al., 2000).

Geschichte: Geschichte im Zusammenhang mit Staatskunde ist in den 1830er-Jahren in den meisten Kantonen ein zuerst

fakultatives Schulfach im Kontext der Säkularisierung der Schule (Chatelain, 1995; Criblez & Hofstetter, 1998). Die Etab-

lierung als Schulfach mit klarem Programm und einheitlichen Lehrmitteln geschieht Ende des 19. Jahrhunderts (De Lonar-

dis & Valloton, 1997; für Frankreich: Bruter, 2007), als für Geschichte einheitliche Westschweizer Lehrbücher geschaffen

werden (Müller, 2008). Dabei macht die nationale Geschichte der kantonalen den Platz streitig, was dem katholischen Kan-

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ton Freiburg Mühe bereitet. Auf internationaler Ebene wird auf eine objektive, auf der Geschichtswissenschaft aufgebaute

Schulgeschichte Wert gelegt, die auch versucht, Geschichte „aktiv“ zu betreiben (Garcia & Leduc, 2003; Hery, 1999; Mo-

niot, 1984). In den Nachkriegsjahren wird vorübergehend Frieden zum wichtigen Thema, eine Tendenz die für kurze Zeit

diskret Eingang in den Geschichtsunterricht findet. Der Geschichtsunterricht wird jedoch nicht stärker auf die Wissenschaft

ausgerichtet, die sich in dieser Zeit stark entwickelt: Er bleibt den nationalen Legenden, neben Fakten und Taten, immer

noch treu (Bugnard, 1997; Furrer, 2004; Müller, 2008). Seit den 1960er-Jahren entsteht ein Druck, die Geschichte der Neu-

zeit stärker zu betonen und Geschichte als Universalgeschichte zu betreiben (Gaïti, 2001), was zu starken, auch politischen

Auseinandersetzungen über die Funktion von Geschichte führt (Fink, 2008). Die Ausrichtung auf Kompetenzmodelle führt

zur stärkeren Ausrichtung der Lehrmittel auf Themen (Gautschi, 2009); diese Entwicklungstendenz wird aber in der West-

schweiz nicht stark rezipiert.

2.1 Forschung der Antragsteller

Rita Hofstetter untersucht u.a. die Geschichte des Aufbaus des „Etat enseignant“ (Teacher State) (Hofstetter, 1998) und den

Einfluss dieses Prozesses auf Schulform und -strukturen, auf die Reformbewegungen und die Professionalisierung der Leh-

rerschaft (Hofstetter, 2008). Ihre gegenwärtigen Arbeiten – oft zusammen mit Bernard Schneuwly (u.a. Hofstetter &

Schneuwly, 2007) – behandeln die Entstehung und Entwicklung der Erziehungswissenschaften als disziplinäres Feld, das

zum Bezugsfeld der Erziehungsprofessionen wird und zur Entwicklung der Lehrpläne und -mittel beiträgt.

Bernard Schneuwly ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen über den Französischunterricht in historischer Perspektive

(Schneuwly 1986) und in der Perspektive didaktischer Transposition (Schneuwly, 1995; Schneuwly & Dolz, 2009) sowie

zur Fachdidaktik und ihrer Entwicklung (Schneuwly, im Druck). Er ist Herausgeber zweier Schulbuchreihen (Dolz & al.,

2001/2002), die die Lehrpläne der Westschweiz entscheidend beeinflusst haben.

Weitere Mitarbeiter der Universität Genf nehmen am Projekt teil, die in den untersuchten Bereichen publiziert haben:

Sandrine Aeby, Christophe Ronveaux, Blaise Extermann und Charles Heimberg. Die Forschungsgruppe ist vielfältig ver-

netzt: in Genf mit der Equipe de Recherche pour l’HIStoire de l’Education (ERHISE), der Groupe de Recherche pour

l'Analyse du Français Enseigné (GRAFE), der Forschungsgruppe „Geschichtsdidaktik“; mit dem Sinergia-Projekt „Fabri-

cation des savoirs“; in der Westschweiz mit dem Institut de recherche et de documentation pédagogique (IRDP) und der

Haute école pédagogique Vaud; mit Forschungsgruppen auf internationaler Ebene (u.a. Abteilung Schulbücher des INRP –

Kontakte mit Bruter, Caspard, Chervel, Picard und Savoie; Gruppe Geschichte des Französischliteraturunterrichts HELICE

(Histoire de l’enseignement de la littérature dans la communauté europpéenne: Kontakte mit Bishop); ERECKS-network –

Educational reforms in Europe – Kontakte Sundberg, Lawn, Schriewer u.a.

3 Detaillierter Forschungsplan

3.1 Allgemeine Problemstellung

Das Projekt untersucht die Transformation schulischen Wissen in den Lehrplänen und Lehrmitteln der écoles publiques

(ohne Gymnasium und Berufschulen) der Westschweiz von 1830 bis 2010. Dabei wird die Entwicklung in drei Kantonen

und drei Fächern analysiert. In Ergänzung und Präzisierung der allgemeinen Hypothesen des Rahmenantrags werden sechs

Hauptthesen geprüft:

• Der Prozess der didaktischen Transposition verkompliziert sich durch Einbezug immer neuer Akteure.

• Das ausgewählte und organisierte schulische Wissen gehorcht widersprüchlichen sozialen Anforderungen und ist zum

Teil selbst widersprüchlich.

• Die Veränderung des schulischen Wissens geht in Richtung einer stärkeren Inbezugnahme wissenschaftlichen Wis-

sens und gesellschaftlicher Praxen.

• In der Konstruktion sozialer Identität, die ein gemeinsames Merkmal der drei für die Lehrmittel untersuchten Fächer

bildet, schwächt sich die nationale Dimension im Vergleich zu universalen Werten ab.

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• Lokale Faktoren (zuerst Gemeinden und Pfaerreien, später Kantone) spielen eine wichtige Rolle in der Konstruktion

schulischen Wissens, die sich jedoch während des untersuchten Zeitraumes abschwächt.

• Die französischsprachige Schweiz stellt, trotz kantonaler Unterschiede, eine relative Einheit dar, die sich in den unter-

suchten Fächern trotz Gemeinsamkeiten mit der deutsch- und italienischsprachigen Schweiz von ihr hinsichtlich

Auswahl und Organisation des Wissens unterscheidet; und zwar in absteigender Reihenfolge: Schul-/Erstsprache,

Zweitsprache und Geschichte.

3.2 Auswahl der Kantone

Auf der Grundlage der im Rahmenprojekt für die Konstruktion schulischen Wissens als zentral bestimmten Faktoren wer-

den Genf, Waadt und Freiburg für die Untersuchung ausgewählt. Alle drei Kantone gehören der frankophonen Kultur an,

was ein Vergleich mit der italo- und germanophonen Kultur ermöglicht. Die Existenz einer Universität in allen drei Kanto-

nen ermöglicht Vergleiche in Bezug auf den Einfluss von Akteuren der Erziehungswissenschaft; durch Berufsverbände und

Netzwerke existiert ein enger Austausch, was die Untersuchung von Transfers in den Kantonen interessant macht. Zugleich

kontrastieren drei Dimensionen die Kantone: Genf ist überwiegend städtisch, die beiden anderen überwiegend ländlich.

Genf und Waadt machen früh eine intensive industrielle Entwicklung durch, während Freiburg lange wirtschaftlich stag-

niert. Freiburg ist dominant katholisch; Waadt dominant protestantisch; Genf, obwohl protestantisch dominiert, hat eine

starke katholische Minderheit, die bald Mehrheit wird (ab 1850), was sich in einer laizistischen Schule ausdrückt. Der Fak-

tor ländlich/urban hat Auswirkungen auf das Verhältnis zu Reformbewegungen, die dominant urban sind. Die industrielle

Entwicklung geht bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts mit einer mehr oder weniger offenen Politik im Bereich der Schule

einher. Der Einfluss der Religion auf die Bestimmung von Wissen und seiner Organisation ist am stärksten im Katholizis-

mus (Freiburg), am schwächsten natürlich in einem laizistischen System (Genf).

3.3 Fragestellungen

Untersuchung von Lehrplänen und Lehrmitteln:

Die Analyse der Lehrpläne in den drei Kantonen zielt darauf ab, die Ordnung der Schulfächer zu bestimmen und ihre Evo-

lution gemäss der oben dargestellten Periodisierung zu analysieren. Dabei werden drei Ordnungsprinzipien untersucht (vgl.

Rahmenantrag, 2.): horizontale Ordnung der Schulfächer, hierarchische Ordnung zwischen den Fächern und vertikale Ord-

nung. Diese beschreibende Fragestellung wird durch zwei erklärende Fragestellungen ergänzt: Wie funktionieren Lehrplä-

ne, wie sind sie gestaltet, welches ist ihre Funktion im System, wie ist ihr Verhältnis zu Lehrmitteln? Welche Akteure erar-

beiten die Lehrpläne gemäss welchen Prozeduren?

Die Untersuchung der Auswahl, Organisation und Vermittlungsmodi schulischen Wissens wird entlang mehrerer Gruppen

von Fragestellungen organisiert, die jeweils parallel für die Lehrmittel in den drei Fächern erarbeitet und ausgeführt werden

– dies ist eine Spezifizität des vorliegenden Teilprojektes, das einen Mehrwert für das ganze Sinergia-Projekt bringt. Die

Gruppen von Fragestellungen, denen eine Erarbeitung gemeinsamer Kategorien vorausgeht, stellen zugleich mehr oder

weniger die Phasen der Forschungsarbeit dar.

Kantonale Schulfachanalysen: schulisches Wissen im historischen Prozess. Für jedes Fach und jeden Kanton sind folgende

Fragen leitend:

I. Wissen in den Lehrplänen: Welches Wissen wird auf welcher Stufe vorgeschrieben? Wie wird Wissen elementarisiert?

Wie verändert sich das schulische Wissen im historischen Prozess?

II. Das Wissen in den Lehrmitteln: Welches sind die offiziellen und zugelassenen, aber auch benutzten Lehrmittel? Wel-

ches Wissen ist auf welcher Stufe vorgesehen? Wie ist es elementarisiert? Welche didaktischen Mittel werden für die

Darstellung des Wissens verwendet? Was ist die vorgesehene Rolle des Lehrers, des Schülers? Wie verhalten sich Wis-

sen und Form der Darstellung des Wissens zueinander?

Vergleich 1: Fächer und ihre Entwicklung. Wie entwickelt sich das Wissen in jedem einzelnen Fach? Entspricht diese

Entwicklung der oben beschriebenen Periodisierung? Diese zentrale Fragestellung wird im Lichte der ersten Forschungsre-

sultate entwickelt werden. Es geht darum, die jeweilige Grundstruktur eines jeden Faches, wie sie in den Lehrmitteln zum

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Ausdruck kommt, analytisch zu erfassen, und dies für die verschiedenen Perioden. Das erlaubt dann einen interkulturellen

Vergleich. Für Erstsprache z.B. kann von einer Dreiteilung des Faches ausgegangen werden (Sprachfertigkeiten, Sprach-

kenntnisse, kulturelle Vermittlung von Literatur); diese Dreiteilung entwickelt und verändert sich. Fremdsprachunterricht

ist stark abhängig von der sozialen Stellung der Sprache, die für Französisch und Deutsch im jeweiligen Sprachgebiet ver-

schieden ist. Geschichte schliesslich als nationales, einheitsstiftendes und zugleich kantonal und religiös verankertes Fach

ist wahrscheinlich weniger kulturell als kantonal verankert, mit einer gemeinsamen nationalen, überkantonalen Ausrich-

tung. Die Erarbeitung gemeinsamer Analysekategorien im Gesamtprojekt ist hier besonders wichtig (vgl. Rahmenantrag).

Methodologisch wird hier jedes Fach als Ganzes in seiner eigenen Logik analysiert, ausgehend von der reichen For-

schungsliteratur, auch wenn gemeinsame Kategorien die Vergleichbarkeit erleichtern. Der Vergleich der drei Fächer im

interkulturellen Vergleich – der im Forschungsprozess fachspezifische gemeinsame Darstellungs- und Analysekategorien

voraussetzt, die im Gesamtprojekt erarbeitet werden – wird es ermöglichen zu bestimmen, welches schulische Wissen nach

welcher Logik in der jeweiligen Sprachkultur erarbeitet wird. Zwei Hypothesen sind dabei leitend: 1. Die Unterschiede sind

je nach Fach mehr oder weniger gross: in Erstsprache grösser als in Zweitsprache; in Geschichte komplex vermittelt über

nationale und kantonale Einflussfaktoren. 2. In der longue durée verblassen die Unterschiede.

Vergleich 2: Kantone – Gemeinsamkeiten und Unterschiede im historischen Prozess. Der Vergleich zwischen den Kanto-

nen erfolgt, für jedes Fach, entlang folgender Fragen: Ist das Wissen unterschiedlich? Werden die gleichen Lehrmittel ver-

wendet? Gibt es grundlegende Unterschiede in den untersuchten Fächer? Können die Unterschiede auf die Faktoren, die die

Kantone unterscheiden, zurückgeführt werden? Aufgrund der Forschungsliteratur können bereits folgende Vorannahmen

gemacht werden: Es existiert ein gemeinsamer Diskurs in den Fächern, der u.a. über professionnelle und behördliche Zeit-

schriften seit Mitte des 19. Jahrhunderts existiert. Daraus ergeben sich für alle Fächer gemeinsame Grundfolien in den Kan-

tonen, die sich dann aber spezifizieren – die Lehrmittelproduktion ist bis in die 1950er-Jahre grossenteils kantonal. Für

Französisch sind Einflüsse der Education nouvelle und der Linguistik in Genf früher und stärker vorhanden als in den ande-

ren Kantonen; Deutschunterricht ist früh auf regionaler Ebene organisiert, mit einer spezifischen Ausprägung im zweispra-

chigen Freiburg; Geschichte wird immer stark kantonal ausgerichtet. Im Rahmen des gesamten Sinergia-Projektes wird

dieser Vergleich auch für andere Kantone und v.a. auf der Ebene französischsprachige versus deutsch- und italienischspra-

chige Kultur geführt (vgl. Rahmenantrag).

Vergleich 3: Vergleich zwischen den Fächern. Entwickeln sich die Fächer entlang gleicher Linien oder gibt es Unterschie-

de? Kann man gemeinsame Prinzipien der Organisation des Wissens feststellen, v.a. in Bezug auf die gemeinsamen Fakto-

ren Konstruktion von Identität und soziale Zugehörigkeit, aber auch in Bezug auf Lehr- und Lernkonzepte? Wie können

diese Ergebnisse in Bezug auf die Logik der Fächer interpretiert werden? Diese Fragestellungen setzen gemeinsame Kate-

gorien der Analyse voraus. Die Forschungsarbeit ist hier klar interdisziplinär.

Bedingungsfaktoren der Auswahl und Organisation schulischen Wissens:

Akteure: Für die Lehrpläne sind die Fragestellungen bezüglich der Akteure folgende: Wer entscheidet, wann und wie wel-

ches Wissen gewählt und wie es organisiert wird? Wie entwickeln sich die Verfahren der Lehrplanentwicklung? Für die

Lehrmittel sind die Prozesse undurchsichtiger, da sie oft in Privatverlagen produziert werden (Verhältnis Autor – Verlag).

Wer sind die Autoren? Was ist ihre Biographie? Wer sind die Verleger? Wer bestimmt über die Zulassung von Lehrmit-

teln? Wer erarbeitet die Mandate für die Erstellung von Lehrmitteln?

Diese materielle Beschreibung ist Grundlage für eine allgemeine Bestimmung der Bedingungen der Erarbeitung von Lehr-

plänen und -mitteln: beteiligte Akteure im Schulsystem; Kriterien der Auswahl von Inhalten; Verhandlungen zwischen den

Akteuren; Gründe für die Veränderung des ausgewählten Wissens und seiner Organisation.

Diskurse: Die Erarbeitung von Lehrplänen, meist unter staatlicher Aufsicht, ist in Quellen gut dokumentiert. Was die

Lehrmittel betrifft, sind die Diskurse über ihre Zulassung dokumentiert, weniger der Prozess ihrer Erarbeitung selbst. Auch

sind Lehrmittel selbst als Diskurse zu verstehen, die auf anderen Diskursen beruhen (Maingueneau & Chareaudeau, 2002).

Lehrmittel müssen deshalb im Netzwerk der Lehrmittel und ihrer Erarbeitung analysiert werden. Die Biographie der Auto-

ren kann dazu Hinweise liefern, ebenso wie die Diskussionen um die Zulassung von Lehrmitteln oder um die Mandate für

die Erarbeitung von Lehrmitteln.

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3.4 Untersuchungsmethoden: Quellensammlung und Analyse der Dokumente

Die Erstellung einer lückenlosen Reihe von Lehrplänen ist für die drei Kantone möglich. Die Dokumente befinden sich in

den jeweiligen Staatsarchiven. Für die Lehrmittel in Deutsch besteht eine Datensammlung von 200 Lehrbüchern, die bis

1950 verwendet wurden; sie ergänzt diejenige von Von Flüe-Fleck (1994). Für die anderen Fächer ist die Suche nach

Lehrmitteln je nach Kanton verschieden: Genf: CRIEE (Communauté de Recherche Interdisciplinaire sur l'Education et

l'Enfance) ist das Archiv mit den meisten in Genf verwendeten Lehrbüchern. Für Lehrmittel nach 1950 hat das Centre de

documentation pédagogique eine umfassende Sammlung. Farquet (1992, 1993/4) hat sämtliche Lehrmittel in allen Diszip-

linen für die Sekundarstufen eruiert. Für Französisch besteht institutsintern eine Liste der Leselehrbücher, ebenso für Ge-

schichte. Waadt: Sämtliche, zerstreut liegende Archive wurden ausfindig gemacht. Für Französisch liegen ausführliche

Listen für die Grammatik- und Leselehrbücher vor. Freiburg: Es besteht ein guter Fundus von Lehrbüchern bis Mitte des

20. Jahrhunderts. Dieser kann ergänzt werden durch die im früheren Lehrerseminar existierende Sammlung. Barras (1982)

hat eine ausführliche Liste der Lehrmittel im Leseunterricht zusammengestellt. Für die Akteure und Prozeduren der Ent-

wicklung von Lehrplänen und Lehrmitteln sowie die öffentlichen Debatten werden folgenden Quellen untersucht:

• L’Educateur: Zeitschrift der Westschweizer Primarlehrer

• Zeitschriften der kantonalen Lehrerverbände

• Annuaire de l’instruction publique en Suisse

• Protokolle der Société pédagogique romande

• Dokumente von Staatsinstanzen, z.B. die Bulletins der Erziehungsdepartemente

• Protokolle der Parlamentsdebatten und kantonalen Kommissionen

• Journal de Genève und Gazette de Lausanne

Die Dokumente werden gemäss den klassischen Methoden historischer Analyse als Serien analysiert. Die Erstellung der

Serien (Lehrpläne, Lehrmittel) ist bereits, über Auswahl und Digitalisierung, eine erste Art der Analyse. Die Erstellung

klarer Kriterien für diese Arbeit wird aus der Literatur theoretisch begründet. Die Analysphasen im einzelnen:

1. Erabeitung von kantonalen, beschreibenden Monographien (Beschreibung der Lehrpläne einzelner Kantone; Beschrei-

bung der Lehrpläne und Lehrmittel in den drei Fächern in den drei Kantonen)

2. Vergleichende Analyse (Vergleiche der Lehrpläne in Bezug auf die erwähnten Dimensionen [horizontal, hierarchisch,

vertikal; dasselbe Analysemuster erlaubt Vergleiche mit den Lehrplänen in der Deutschschweiz und dem Tessin]; Verglei-

che der Fächer in ihrer historischen Entwicklung; Vergleiche der Fächer in den verschiedenen Kantonen der Westschweiz

und zwischen den Sprachregionen; Vergleiche der Fächer in Bezug auf ihre jeweilige Organisation des Wissens und die

Lehr- Lernkonzepte)

3. Kontextuelle Analysen (Beschreibung der Akteure, die Lehrpläne und Lehrmittel produzieren; Kräfteverhältnisse zwi-

schen den verschiedenen Akteuren in ihrer historischen Entwicklung; politische und soziale Kontexte: Parlamentsdebatten

über schulisches Wissen; ausgewählte öffentliche Auseinandersetzungen in öffentlichen Medien)

4 Bedeutung der Forschungsarbeit

Das Projekt liefert eine umfassende Beschreibung der Entwicklung von Lehrplänen und Lehrmitteln während fast zwei

Jahrhunderten in drei repräsentativen Kantonen der französischsprachigen Schweiz. Dies an sich trägt bereits zur Kenntnis

der Geschichte der Schule und ihres Verhältnisses zu Wissen bei. Darüber hinaus trägt das Projekt durch seine besondere

Anlage zur besseren theoretischen Kenntnis der Mechanismen der Auswahl und Organisation von Wissen in der Schule im

historischen Prozess bei:

• Drei kontrastierende und zugleich einer gleichen Sprachkultur angehörige Kantone werden verglichen; dies erlaubt,

lokale Faktoren zu isolieren, die Einfluss auf Wahl und Organisation von Wissen haben.

• Drei unterschiedliche, aber durch ihren entscheidenden Beitrag zu sozialer Identitäts- und Zusammengehörigkeitsbil-

dung zugleich vergleichbare Fächer werden untersucht, was erlaubt, Faktoren der Schulfächerkonstruktion zu unter-

suchen.

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• Die Untersuchung dans la longue durée, strukturiert durch eine Periodisierung, erlaubt es, fundamentale Veränderun-

gen in der Form, Funktion und Erarbeitung der Lehrpläne und -mittel zu beobachten, was den beiden Vergleichen eine

noch grössere Bedeutung verleiht.

Die Arbeiten werden in Vorlesungen und Forschungsseminaren auf Master- und Doktoratsebene Eingang finden. Zwei

Doktorate und mehrere kollektive Publikationen sind vorgesehen. Das Projekt kann wichtiger Bestandteil der Maison de

l’histoire werden, die sämtliche Historiker der Universität Genf vereinigt; dies auch über das Sinergia-Projekt „Acteurs de

la fabrique des savoirs“, an dem die beiden für das Teilprojekt Verantwortlichen partizipieren – der Zusammenhang mit

dem hier beschriebenen Projekt ist evident. Schliesslich ermöglicht das Projekt, die von der CRIEE seit 1988 in einer

Sammlung vereinigten Dokumente zu nutzen.

5 Chronologischer Arbeitsplan

Tab. 1. Zeit- und Arbeitsplan

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Teilprojekt B: Die Entwicklung der Lehrpläne, der politischen Bildung und des muttersprachlichen Unterrichts im Kanton Tessin (1830-2010)

Dr. Wolfgang Sahlfeld, SUPSI

1 Zusammenfassung des Forschungsplanes

Die schulische Wissenspolitik im Kanton Tessin ist ein mit der Spannung zwischen politischem und kulturellem Kontext

erklärbarer Sonderfall: Es geht sowohl um die Mitgliedschaft in der Eidgenossenschaft (und damit um die Rezeption ihrer

Schulpolitik) als auch um die Zugehörigkeit zum italienischen Sprach- und Kulturraum. Das Teilprojekt stellt die Frage in

den Mittelpunkt, welche Folgen diese doppelte Zugehörigkeit auf die im Rahmenantrag aufgeworfenenen Fragen (Inhalte,

Legitimation von Inhalten und Konzepten, Akteure und Akteurkonstellationen) im Fall des Tessins hat. Dazu legt der Rah-

menantrag ein aus der allgemeinen Geschichte und der Schulgeschichte erschlossenes Phasenmodell vor, das wir sowohl

für die allgemeine Lehrplanentwicklung als auch für die fächerspezifischen Lehrplan- bzw. Lehrmittelinhalte im Tessin

adäquat deklinieren können. Zu den Grundpostulaten des Teilprojektes gehört, dass sich die aus der grenzüberschreitenden

Kulturraumzugehörigkeit resultierenden Fragen am Beispiel der Fächer Italienisch (eng mit der Identität des Territoriums

verbunden) und staatsbürgerliche Erziehung/Staatsbürgerkunde (Educazione civica) besonders gut erforschen lassen, da sie

den Einflüssen des allgemeinen politischen und kulturellen Diskurses stark ausgesetzt sind.

2 Forschungsplan

2.1 Schulhistorischer Rahmen und Phasenmodell

Die im Rahmenantrag (unter 3.1) dargestellten Phasen benennen die entscheidenden Umbruchphasen in der schulischen

Wissenpolitik des Tessins weitgehend. Es wird jedoch im Folgenden auf den Tessiner Kontext und seine Spezifitäten und

damit auch auf Unterschiede zum Rahmenmodell explizit hingewiesen. Eine ins Auge springende Ausnahme ist bspw. der

muttersprachliche Unterricht und seine Kontinuität mit dem Manzonismo in der Umbruchphase 1875–1910. Insofern muss

die Wechselbeziehung zwischen schulpolitischen Grundsatzentscheiden und deren Auswirkungen auf Lehrpläne bzw.

Lehrmittelpolitik laufend kritisch überprüft werden.

Die Ära Franscini (1830–1850) und die ersten Jahre des jungen Bundesstaates:

Zentral für die schulische Wissenspolitik im Tessin ist die Regenerationsverfassung von 1830, die einen Artikel über die

Volksbildung enthält. 1831 folgt die “Legge sulla pubblica istruzione”, mit der alle Schulen unter kantonale Aufsicht ge-

stellt werden und ein Erziehungsrat eingesetzt wird. Treibendes Element ist die auf Anregung Franscinis gegründete

Società Demopedeutica. In dieser Phase speziell zu erforschen sind: die Übernahme lombardischer und schweizerischer

Kultureinflüsse in die Lehrpläne und daraus resultierend wissenspolitische Besonderheiten im Vergleich zu den deutsch-

und französischsprachigen Kantonen; der Einfluss pädagogischen Gedankengutes aus den anderen Sprachregionen und aus

Italien; die personelle Zusammensetzung des Erziehungsrates und dessen Rolle bei der Abfassung der Lehrpläne und der

Kontrolle ihrer Einhaltung bzw. Umsetzung in Lehrmitteln; die Mitgliederstruktur der Società Demopedeutica und ihre

Rolle in der politischen und schulöffentlichen Debatte über die Wissenspolitik; der öffentliche Diskurs, mit dem der Kampf

für die Einführung der öffentlichen Schule und ihres Wissenskanons legitimiert bzw. delegitimiert wird.

Die Zeit der politischen Instabilität (1875–1910)

Die Phase der konservativen Regierungsratsmehrheit des “Nuovo Indirizzo” (ab 1875) und der Liberalen Revolution von

1890 bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts ist von besonderem Interesse für das Studium der Fragen des Rahmenantrages.

Ideengeschichtlich steht sie im Zeichen des Positivismus. Bedeutende Fragen sind: die Diskussion um die “Freiheit der

Lehre” und die “Christianisierung” der öffentlichen Schule unter der katholisch-konservativen Regierung; die Diskussion

über Laizismus, Laizität und konfessionelle Neutralität der Schule nach 1890. Untersuchungsgegenstände dieser Phase sind

insbesondere: die Art der Legitimierung der jeweiligen schul- und bildungspolitischen Konzeptionen im Diskurs der politi-

schen Parteien; die tatsächliche Wirksamkeit der schulpolitischen Massnahmen auf der das Projekt interessierenden Ebene

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(Fächerkanon, Stundendotierung und Inhalte der Fächer usw.); Konflikte um die Einführung bzw. Nichteinführung von

Lehrmitteln, welche die untereinander in heftigen Auseinandersetzungen stehenden politischen Richtungen widerspiegeln;

der Einfluss der italienischen katholischen Kultur in der Diskussion um die Freiheit der Lehre; die Definition geschlechts-

spezifischer Lernziele und -inhalte in den Tessiner Lehrplänen und Lehrmitteln; der Einfluss der positivistischen Wissen-

schaftskultur auf die Lehrplan- und Lehrmittelentscheide: Ist ein Interesse von Tessiner Naturwissenschaftlern für Lehrplä-

ne nachzuweisen? Hat die Gründung der Società ticinese discienze naturali (1903) auch zu einem entsprechenden Engage-

ment geführt? Kann man im Tessin einen Bedeutungsanstieg der Sachkundefächer nachweisen, wie er im Rahmenantrag

angenommen wird?

Die Tessiner Schule im “Ventennio” (1922–1945)

Vor dem Hintergrund der Kontroverse um Italianità und schweizerische Identität muss geklärt werden, was in diesem Zeit-

raum von der Schweizer Schulkultur herzuleiten ist und was, trotz der antifaschistischen Haltung der Tessiner Gesellschaft,

der italienischen Kulturraumzugehörigkeit zuzuschreiben ist. Grundlegende Quellen sind die Texte des als engagierter Ver-

teidiger der Italianità aufgetretenen Francesco Chiesa und die des als engagierter Schweizer mit Publikationen zur Educazi-

one civica hervorgetretenen Brenno Bertoni, welche bis in die fünfziger Jahre ein wesentliches Element des schulpoliti-

schen Diskurses waren. Eine besondere Rolle spielte auch die Commissione cantonale degli studi. Forschungsgegenstände

sind hier: die Folgen von Aufstieg und Konsolidierung des Faschismus für die Definition der Lehrpläne und die Publikation

bzw. Zulassung von Schulbüchern und anderen Lehrmitteln im Tessin; der Einfluss der Polemik um Italianità und Schwei-

zertum auf die Lehrpläne, insbesondere im Hinblick auf die Educazione civica und die Definition des Literaturkanons im

Italienischunterricht; die Rolle der Commissione cantonale di studi in der Policy; die Rolle der Lehrerverbände auf der

Diskursebene und beim Ausbau schulischer Inhalte und Lehrmittel, insbesondere in den hier zu behandelnden Fächern.

Die Jahre der Schulreformen (1974–2004)

Die Legge sull’istituzione della scuola media von 1974, mit der die Schulen der Sekundarstufe I – die als Volksschule fun-

gierende “Scuola maggiore” und das gymnasiumspropädeutische “Ginnasio” – zu einer Einheitsschule verschmolzen wer-

den, und die politische Diskussion darum sind ein hervorragendes Beispiel schulischer Wissenspolitik im Tessin, an dem

alle im Rahmenantrag thematisierten Aspekte (Lehrpläne, Lehrmittel, Diskurse, Akteure und Verfahren) studiert werden

können, u.a. wegen der guten Quellenlage. Die bedeutendste Persönlichkeit ist Franco Lepori (Leiter des Ufficio

dell’insegnamento medio im Erziehungsdepartement), dessen Schriften (Dignola, 2008) die Einführung der Lehrpläne, die

Publikation und Einführung von Lehrmitteln und den Diskurs zur Legitimierung der Reform und die Konflikte unter den

beteiligten Akteuren entscheidend geprägt haben. Die interessantesten Aspekte dieser Phase sind: die Neuerungen in den

Lehrplänen der Scuola media im Vergleich zu denen der Vorgängerschultypen (Definition der Lerninhalte, der Grundwerte

und der Fächer des Curriculums); die Neuerungen in den Lehrmitteln, mit denen die Ideen der Reform umgesetzt werden

sollen; die politische Legitimierung der Reform im öffentlichen Diskurs von Politikern, Kadern des Erziehungsdeparte-

ments, Lehrerverbänden, einzelnen Lehrkräften; die pädagogischen und schulpolitischen Einflüsse aus den anderen Landes-

teilen (z.B. Kanton Genf) und aus Italien; die Entscheidungsprozesse.

3 Forschungsstand

Eine umfassende Darstellung der Tessiner Schulgeschichte existiert bislang noch nicht (Rossi, 1959; nur 19. Jahrhundert:

Savoldelli, 1995). Zu den institutionellen Aspekten im 19. Jahrhundert publizierten Cappelli & Manzoni (1997) sowie Me-

na (1998). Zu verzeichnen sind weiter Beiträge zur sozialen Geschichte und zur Lehrerbildung (Agliati, 2007; Janner,

2011; Solcà, 2009). Zur pädagogischen Ideengeschichte wurden neuere Beiträge über Stefano Franscini (Agliati, 2007) und

über den “attivismo pedagogico” (Saltini 1999) publiziert. Die bisherigen Forschungen ergeben aber kein Gesamtbild der

Entwicklung der pädagogischen, schulpolitischen und fachdidaktischen Diskure und ihrer Umsetzung in Lehrpläne und

Lehrmittel. Insbesondere ist noch wenig erforscht, welche Wertesysteme die schulpolitischen Entscheide und die Lehrplan-

entwicklung in der jüngeren Geschichte beeinflusst haben, auch in den Jahren der Schulreformen. Es dürfte bspw. interes-

sant sein zu analysieren, inwieweit sprachregionale Besonderheiten wie der Einsatz von Lehrkräften mit universitärem Ab-

Page 24: Freiestrasse 36 CH-8032 ZürichIm beantragten Sinergia-Projekt sollen das schulische Wissen, die mit dessen Konstruktion verbundenen Didaktisierungs-prozesse (Selektion, Anordnung,

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schluss in der Scuola media auch die Lehrpläne und Lehrmittel beeinflusst haben. Aus der Gender-Perspektive könnte hier

auch die zu unterschiedlichen Zeitpunkten unterschiedlich starke Feminisierung des Berufes zum Thema gemacht warden.

3.1 Lehrplan-und Lehrmittelentwicklung

Bislang ist weder die Entwicklung der Lehrpläne präzise erforscht, noch liegt eine Gesamtdarstellung der Geschichte der

Lehrmittel im Tessin vor. Immerhin kann auf Senn (1994) und Cairoli (1986) verwiesen werden, sowie zum Tessiner Itali-

enisch-Buch im Ventennio auf Sahlfeld (im Druck). Von Vorteil ist, dass die Erforschung von Lehrmitteln im italienischen

Kulturraum eine reiche Tradition hat (Lesebücher: Ossola, 1978; Schulbücher und -hefte vom Faschismus zur Nachkriegs-

zeit: Marrella, 1995; Montino, 2005; Grammatiken: Catricalà, 1991). Die Erforschung der Lehrmittel ist zu einem eigen-

ständigen Forschungsbereich geworden (Schulhefte: Meda et al., 2010; Schulbücher: Coarelli, 2001, 2003; Sahlfeld, 2007,

2008). Gleichzeitig sind gute Schulbuchfonds zugänglich gemacht worden, z.B. in der Mailänder Biblioteca nazionale

Braidense.

Das Fach Italienisch:

Die Kenntnis des sprachpädagogischen Diskurses im italienischen Sprachraum und seiner Geschichte bildet den epistemo-

logischen Rahmen für das Projekt im Fach Italienisch. Hier wird die Zusammenarbeit im Rahmenprojekt und insbesondere

mit den Projekten zu Deutsch und Französisch dazu beitragen, vergleichend den Sonderfall Tessin und die Geschichte sei-

ner Sprachpädagogik besser zu verstehen. Die Unterrichtsmethoden des Italienischen als Sprache und Literatur sind in den

ersten Jahrzehnten der öffentlichen Schulsysteme (Tessin: 1831; Italien: Legge Casati von 1859) Teil der „Questione della

lingua“: Es geht darum, eine noch in Kodifizierung befindliche Literatursprache in der Version Manzonis zur allgemein

beherrschten Landessprache zu machen. Lehrpläne und Lehrmittel spielen hier eine herausragende Rolle (Mengaldo, 1994;

Gensini, 2005; zur Rolle der Grammatik: Fornara, 2005). Das Tessin vollzieht, von einer deutlich besseren Alphabetisie-

rungslage ausgehend, diese Phase der Sprachpädagogik im Wesentlichen nach. Die Erforschung dieser Tatsache und der

Vergleich mit der Deutsch- bzw. Westschweiz werden klären helfen, inwieweit sich hier die Rolle der Schule im Nation-

Building-Prozess mit diesem anderen, sprachpolitisch motitivierten Steuerungsprozess verflicht.

Paradoxerweise führt erst die italienische Schulreform des faschistischen Ministers Gentile (1922) zu einer Modernisierung

dieses Projektes in Richtung einer „Educazione linguistica“ (Gensini, 2005), die im Tessin auf der Volksschulstufe wider-

sprüchlich rezipiert wird. Der Faschismus bildet wegen der Unmöglichkeit, italienische Schulbücher zu verwenden, eine

Zäsur. Auf der Sekundarstufe I entfernen sich Literaturkanon und Lehrmittel in diesem kurzen Zeitraum deutlich vom itali-

enischen Modell, wohingegen die literarische Kultur trotz der Forcierung einer autarken Lehrmittelproduktion sich nicht

wesentlich von der „Mutterkultur” entfernt. In der Nachkriegszeit verändern sich Sprachunterricht und schulischer Litera-

turkanon in Italien im Zeichen eines gemässigten Konservativismus – in den Lehrplänen wie in den Lehrmitteln (Montino,

2005; Sahlfeld, 2007). Schulische Materialien aus der Zwischenkriegszeit werden allerdings noch bis in die 1980er-Jahre

weiter gedruckt.

Der Übergang zu einer an Texttypologien, neuen grammatikalischen Ansätzen und nicht-literarischen Sprachmodellen aus-

gerichteten Sprachpädagogik erfolgt nur langsam. Wendepunkte sind in Italien die Dieci Tesi per l’educazione linguistica

democratica (1977) und die Lehrpläne von 1979 (Scuola media) bzw. 1985 (Scuola elementare). Interessant ist, dass gera-

de Studien zur fortschrittshemmenden Funktion von Lehrmitteln einen Beitrag zur Kritik an veralteten Inhalten und Me-

thoden leisten (u.a. Ossola, 1978). Wendepunkte im Tessin sind die Einführung der Scuola media 1974 und die Erneuerung

der Erstlesedidaktik auf der Primarstufe in den Jahren 1990–2000 (Gaggioli et al., 1996). Als jüngste Tendenz zeigt sich

die Weitergestaltung der Curricula im Zeichen des Plurilinguismus (Frühfranzösisch, Englischobligatorium in der Scuola

media, Einführung des gesamteuropäischen Referenzrahmens) gegen heftigen Widerstand der Muttersprachendidaktiker.

Das Fach Educazione civica:

Die Aufarbeitung der schulpolitischen Entscheidungsprozesse und der Policies, welche die Idee von der Erziehung des

Staatsbürgers in der Tessiner Schule geprägt haben, ist das Ergebnis einer Forschung, die historische und politikwissen-

schaftliche Analyse vernetzt (Bianchi 1973, 1989; Ghiringhelli 1988, 2003; Ghiringhelli & Bianchi 1990). Zentral für die

Gründungsphase des Tessiner Schulsystems ist die Idee von Erziehung bei Franscini (Ambrosoli, 1951; Agliati 2007;

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Armani 2001; Armani & Gobbo, 2008; Ceschi 2000, 2004; Lacaita 1996). Verschiedene Studien thematisieren die Erzie-

hung des Citoyen (Codiroli; 1990, 1992; Ghiringhelli & Bianchi,1990; Panzera, 1986, 1995; Saltini, 2008). Die Debatte

über die konfessionelle Neutralität der Schule und ihre Auswirkungen auf die Educazione civica sind von Ostinelli (2009)

diskutiert worden. Wenig wissen wir über die Nachkriegszeit bis zur Einführung des neuen Konzeptes der Educazione civi-

ca (Airoldi & Tavarini; 1995) als auch über die Geschichte der Lehrmittel (zur Idee der Erziehung des Staatsbürgers in den

Tessiner Schulbüchern seit 1830: Senn, 1994; für den Zeitraum 1880-1930: Cairoli, 1986).

3.2 Stand der eigenen Forschung

Im Dipartimento Formazione e Apprendimento (DFA) der SUPSI ist das Kompetenzzentrum „Scuola e società“ angesie-

delt, das Forscher mit verschiedenen Spezialisierungen (darunter zwei Historiker) umfasst, welche die Themenfelder Bil-

dungsgeschichte, Schule im gesellschaftlichen Umfeld und schulische Integration abdecken sollen. Leiter des Projektes

Fonti e materiali per la storia della scuola ticinese, welches unter Verwendung alter, über Jahrzehnte nicht bewirtschafteter

Archivbestände (Fondo Gianini, Zeitraum 1830–1960) den Aufbau eines Dokumentationszentrums mit schulgeschichtlich

relevanten Materialien zum Ziel hat, ist Wolfgang Sahlfeld (Mitantragsteller). Sein Promotionshintergrund ist in der Litera-

tursoziologie anzusiedeln. Im Bereich der Schulgeschichte hat er u.a. zur Geschichte von Lehrmitteln publiziert (Sahlfeld,

2007, 2008). Ein weiterer Projektmitarbeiter, Marcello Ostinelli, ist ein ausgewiesener Kenner der Tessiner Schulgeschich-

te.

4 Detaillierter Forschungsplan

Das Teilprojekt umfasst operativ die folgenden Teile:

1) Erfassung und Reproduktion der Lehrpläne des Kantons Tessin (Pflichtschule, 1830–2010)

1A) Analyse der Lehrplanentwicklung im Kanton Tessin, in enger Zusammenarbeit mit dem Leading House

2) Eruierung der Inhalte der staatsbürgerlichen Erziehung/Staatsbürgerkunde und der Werteerziehung (im Sinne von

staatsbürgerlichen Werten) in den Lehrplänen der Educazione civica. Hier wird es nötig sein, die Überschneidungen

zu anderen Fächern (Religion, Geschichte, Erdkunde und andere sachkundliche Fächer) zu definieren, dies insbeson-

dere unter Berücksichtigung der Rolle der (vaterländischen) Geschichte.

2A) Lehrplananalyse: Inhalte der Educazione civica und die Genesis des Faches

2B) Lehrmittelanalyse Educazione civica aufgrund der erforschten Lehrplanvorgaben

3) historische Lehrplananalyse, Fach Italienisch

3A) Lehrmittelanalyse im Fach Italienisch aufgrund der erforschten Lehrplanvorgaben

Der Arbeitsplan des Projekts orientiert sich im Wesentlichen am vierphasigen Zeitplan des gesamten Sinergia-Projekts

(vgl. Rahmenantrag, Tab. 3).

4.1 Fragestellungen

Die Fragestellungen des Projektes stehen in enger Beziehung zu denjenigen des Rahmenantrages und versuchen, diese im

lokalen Kontext und unter Bezugnahme auf zwei Fächer zu konkretisieren.

A. Welchen Einfluss hat das Spannungsfeld zwischen kultureller Zugehörigkeit (zum italienischen Sprachraum) und po-

litischer Identität (als Teil der Eidgenossenschaft) auf die Entwicklung des schulpolitischen und schulöffentlichen

Diskurses im Kanton Tessin, auf die Lehrpläne (Definition des Fächerkanons, pädagogische Ideen und Anregungen)

und auf die Umsetzung dieser Inhalte in den Lehrmitteln? (Hierzu gehört auch die Frage nach der Übernahme bzw.

Nichtübernahme von Lehrmitteln aus Italien bzw. den anderen Sprachregionen.)

B. Welche pädagogischen Ansätze und Wertesysteme charakterisieren die schulische Wissensbildung (Lehrpläne, Fä-

cherkanon, kantonale Lehrmittelproduktion) und den schulpolitischen bzw. schulöffentlichen Diskurs im Kanton Tes-

sin im zu behandelnden Zeitraum?

C1. Wie entsteht die Educazione civica im Tessin, und inwieweit schält sie sich aus anderen Fächern des Kanons (Religi-

on, Geschichte, Erdkunde) heraus? Wie organisiert sie die Inhalte der staatsbürgerlichen Erziehung, der politischen

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Bildung und der Werteerziehung (i.S. von staatsbürgerlichen Werten)? Ist sie nach geschlechtsspezifischen Zielvor-

gaben und mit entsprechend ausdifferenzierten Lernzielen organisiert? Wie rechtfertigt sie geschlechterspezifische

Rollenverteilungen in der Gesellschaft (Frauenstimmrecht)?

C2. Welche pädagogischen und disziplinären Prinzipien finden sich in den Lehrplänen, in den Lehrmitteln und im politi-

schen bzw. schulöffentlichen Diskurs in Bezug auf die Educazione civica?

D. Welche Tendenzen und welche Gemeinsamkeiten mit bzw. Unterschiede zu den aus der Sekundärlitertur bekannten

Tendenzen in Italien sind im muttersprachlichen Unterricht festzustellen? Welche Tendenzen aus den anderen Sprach-

räumen (Methoden zur Alphabetisierung, Neuerungen im Grammatik-Unterricht) sind im Tessin als Brückenregion

möglicherweise wichtiger als in Italien?

Entstehung und Legitimation des muttersprachlichen Unterrichts (Fach Italienisch) liegen klar ausserhab des Untersu-

chungszeitraums, und die Definition der Kernaufgaben (Vermittlung der Erstlesefähigkeit, Erziehung zum Schreiben,

Grammatik) bzw. der Rolle im Fächerkanon im Untersuchungszeitraum erfahren keine wesentlichen Veränderungen (zur

Genesis: Cappelli & Manzoni, 1997). Im Gegensatz hierzu ist die Identität der Educazione civica grundlegend zu definie-

ren, sowohl diachronisch (Bedeutung und Begrifflichkeit in den betrachteten Zeiträumen) als auch synchronisch (Vergleich

zwischen Bezeichnungen und Bedeutungsnuancen in den verschiedenen Sprachräumen und Sprachregionen). Es ergeben

sich innerhalb der vorgestellten Periodisierung (2.1) für diesen Bereich insbesondere folgende die Analyse leitende Fragen:

Worin bestand genau die “educazione” des Staatsbürgers? Welche Werte kennzeichneten sie? Auf welche Lehrplaninhalte

der Volksschule bezog sie sich implizit und explizit? Welche Fächer werden in den Lehrplänen zu Vektoren dieser “edu-

cazione”? Welche Lehrmittel gestatteten den Lehrkräften die Umsetzung von Normen und Reglementen in kohärentes,

pädagogisches Handeln? Welche Diskurse wurden vorgebracht, um den Aufbau des Faches Educazione civica in den ver-

schiedenen schulpolitischen Kontexten zu legitimeren? Hat die patriotische Ausprägung der Educazione civica auch natio-

nalistische Züge angenommen? Welche Hauptakteure lassen sich definieren? Welche Rolle hatten die Berufsverbände der

Lehrkräfte? Welche Rolle spielten Departementskader und externe Fachleute?

4.2 Räumliche und zeitliche Abgrenzung

Das Projekt ist auf das Tessin begrenzt. Ein Einschluss Italienisch-Graubündens ist nicht sinnvoll, da es sich in diesem Fall

nicht um einen Kanton im Spannungfeld zwischen Kulturraumzugehörigkeit und politischer Zugehörigkeit handelt, son-

dern um eine italienischsprachige Minderheitenregion in einem zur Deutschschweiz gehörenden Kanton. Zeitlich wird der

gesamte Untersuchungszeitraum 1830–2010 erforscht, allerdings unter Konzentration auf die genannten Umbruchphasen.

Die zu erforschenden Schulstufen umfassen die obligatorische Schule, d.h. Scuola elementare (5 Jahre) und Scuola media

(4 Jahre). Für die Zeit vor 1974 werden Ginnasio und Scuola maggiore einbezogen, was den Vorteil hat, dass der Lehrplan-

vergleich zwischen den beiden Schultypen die Entstehung eines “volksschulspezifischen” Fächer- und Wissenskanons in

der Scuola maggiore deutlich machen kann.

4.3 Quellenmaterial, Methoden für die Quellendefinition, -selektion sowie Quelleninterpretation

Die Quellenlage kann als gut bezeichnet werden. Eine systematische Erfassung aller Tessiner Lehrpläne ist im Rahmen

eines internen Projektes am DFA bereits erfolgt, ebenso die historische Einordnung der Lehrmaterialien des Fondo Gianini.

Das Projekt müsste also v.a. die Reproduktion im digitalen Format sicherstellen, was die entsprechenden Kostenanträge im

formalen Antrag erklärt. Die inhaltliche Erforschung der Tessiner Lehrplanentwicklung in loco legt sich aus sprachlichen

und kulturellen Gründen nahe. Die Digitalisierung wird eine konstante und systematische Zusammenarbeit mit dem Lea-

ding House und den anderen Teilprojekten erleichtern. Die Lehrmaterialien für die Educazione civica nach 1960 sind weit-

gehend in den Schulen und im Centro didattico cantonale aufbewahrt, aber noch nicht systematisch erfasst. Das Projekt

behandelt die staatsbürgerliche Erziehung im engeren Sinn; wo es nötig ist, wird auch die Fächergruppe Sachkunde (Reali-

en, Heimatkunde, Geschichte) berücksichtigt. Für das Fach Italienisch werden alle für den muttersprachlichen Unterricht

benutzten Lehrmittel in Betracht gezogen: Erstlesebücher, Lesebücher, Grammatiken. Es ist keine Selektionsphase vorge-

sehen: die im Tessin produzierten bzw. in der Tessiner Schule nachweislich benutzten Schulbücher und anderen Lehrmate-

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rialien sind gesamthaft zugänglich und als Quellen anzusehen. Das Projekt kann auf die folgenden Primärquellen zurück-

greifen:

Art der Quelle Fragestellungen Zugänglichkeit Lehrpläne 1830-2010 A, B, C1, C2, D Kantonsbibliothek (Libreria Patria)

Fondo Gianini, DFA-SUPSI Lehrmittel Zeitraum 1830-1960 B, C2, D Fondo Gianini DFA-SUPSI

Kantonsbibliothek (Libreria Patria) Archivio Scuole comunali Lugano

Lehrmittel ab ca. 1975, Fach Italienisch B, D Centro di documentazione degli esperti di italiano, Bel-linzona

Zeitschrift „L’Educatore della Svizzera italiana” (1859-1972)

A, B, C1, C2, D Bibliothek DFA-SUPSI: seals.ch

Zeitschrift „Scuola ticinese” (1942 bis heute)

A, B, C1, C2, D Bibliothek DFA-SUPSI

Berichte der Commissione cantonale di studi (1900-1913 auch der Commis-sione cantonale dei libri di testo)

B, C1 Staatsarchiv Tessin

Rechenschaftsberichte des Regierungs-rates (1830-2008)

B, C1 Bibliothek DFA-SUPSI

Kant. Erziehungsdepartement, Akten der Schulabteilung

C1 Staatsarchiv Tessin

Berichte von Schulinspektoren, Direktoren, Jahresberichte einzelner Schulen, usw.

A, B, C2 Staatsarchiv Tessin: verschiedene Fonds Archivio delle scuole comunali, Lugano

Sekundärliteratur zur Tessiner und Schweizer Schulgeschichte

A, B, C1 Bibliothek DFA-SUPSI

Zeitschriften der Lehrerverbände (La scuola, Il risveglio, Verifiche)

A, B Bibliothek DFA-SUPSI Libreria Patria

Als Methoden werden wir das Studium der intertextuellen Entwicklung im Korpus (Textanalyse) und deren Kontextualisie-

rung im allgemeinen politischen Diskurs und im Strukturwandel des Schulsystems (Pragmatik) privilegieren. Einen deutli-

chen Mehrwert wird die Zusammenarbeit zwischen den Equipen Italienisch und Educazione civica erzeugen: Werteerzie-

hung wird oft implizit gerade über den muttersprachlichen Unterricht vollzogen (Montino, 2005).

5 Bedeutung der Forschungsarbeit

Das Interesse der Schul- und Bildungsgeschichte für die Lehrerbildung kann kaum bezweifelt werden. Die gegenwärtige

Diskussion über Lehrplanreformen auf nationaler Ebene (HarmoS) und im kantonalen Kontext legt eine genauere Analyse

geschichtlicher Aspekte der Wissenspolitik nahe. Dass dies in Vernetzung mit anderen Teams im Rahmen eines nationalen

Projektes geschieht, ist von besonderer Bedeutung auf Grund der im Rahmenantrag gestellten Frage nach Unterschieden

zwischen Kantonen/Sprachregionen und nach dem Einfluss der grenzüberschreitenden Zugehörigkeit zu unterschiedlichen

europäischen Sprachräumen. Die Situation des Tessins mit dem Zusammenfallen von kantonaler Souveränität, Zugehörig-

keit zu einem europäischen Sprach- und Kulturraum und Abwesenheit eigener kultureller Ausstrahlungszentren ist diesbe-

züglich ein besonders interessanter Fall. Nicht zufällig wird eine Darstellung der Tessiner Schulgeschichte – als Sonderfall

im eidgenössischen Zusammenhang – gegenwärtig von verschiedenen Akteuren (Kanton, Società Demopedeutica, lokale

Initiativen) angestrebt; das Tessiner Teilprojekt versteht sich auch als Beitrag dazu.

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Teilprojekt C: Lehrpläne in der deutschsprachigen Schweiz seit 1830 – Inhalte und Konstruktionsprinzipien schulischen Wissens im Wandel

Prof. Dr. Lucien Criblez, Universität Zürich

1 Zusammenfassung des Forschungsplans

In Lehrplänen wird von staatlicher Seite her normativ definiert, was zu bestimmten Zeiten und unter gegebenen Rahmen-

bedingungen als schulisches Wissen verstanden wird und zu vermitteln ist. Sie beinhalten stets mehr als nur Stoffinhalte

oder Schulwissen: Über Lehrpläne sollen auch Werte und – ganz allgemein – die Kultur der jeweiligen Gesellschaft tradiert

werden. Lehrpläne müssen immer wieder gesellschaftlich legitimiert und periodisch neu konstruiert werden. Sie sind des-

halb immer auch Zeitdokumente. An ihnen lässt sich einerseits die Transformation des schulischen Wissenskorpus erfor-

schen, andererseits auch die Veränderung der Konstruktionsprinzipien des Instruments Lehrplan. Als vorläufige Typologie

solcher Konstruktionsprinzipen gelten: summarische Inhaltspläne, lernzielorientierte Curricula, Kern-, Rahmen- und Spi-

ralcurricula, Bildungsstandards. Neben andern Akteuren sind Lehrpersonen an der Erarbeitung von Lehrplänen beteiligt, so

dass die Definition schulischen Wissens als Ko-Konstruktionsprozess bezeichnet werden kann. Das Teilprojekt C unter-

sucht die Lehrpläne der deutschsprachigen Kantone im Zeitraum von 1830 bis heute. Es folgt dabei den Grundfragen des

gesamten Sinergia-Projekts:

1. Inhalte: Welche Inhalte sollen schulisch vermittelt werden und wie verändern sich Inhalte und Konstruktionsprinzi-

pien von Lehrplänen?

2. Legitimation von Inhalten und Konzepten: Wie werden die Inhalte und deren Selektion gegenüber den Lehrpersonen

sowie der Gesellschaft legitimiert?

3. Akteure: Welche Akteure sind an der Produktion von Lehrplänen beteiligt und wie verändern sich die Akteurkons-

tellationen?

Es werden acht Kantone der deutschsprachigen Schweiz mit möglichst unterschiedlichen Merkmalen (Stadt-Land-

Differenz, Grösse, Konfession etc.) analysiert: Aargau, Appenzell-Innerrhoden, Basel-Stadt, Bern, Luzern, St. Gallen,

Schwyz, Zürich (vgl. Rahmenantrag, Tab. 2). Als Primärquellen dienen u.a. Schulgesetze, Lehrpläne und Rechenschaftsbe-

richte der Regierungen, kantonale Schulblätter und schweizerische Lehrerzeitschriften. Methodisch kommt v.a. die histori-

sche Dokumenten- und Inhaltsanalyse zum Einsatz. Im kantonalen, aber auch regionalen Vergleich soll mit diachronen und

synchronen Analysen geprüft werden, ob sich typische Muster für die Lehrpläne der deutschsprachigen Schweiz und ihre

Entwicklung finden lassen. In Kooperation mit den Teilprojekten der Westschweiz und des Tessins werden Kultur-

/Sprachraumvergleiche vorgenommen.

2 Forschungsplan

2.1 Kontext und Situierung des Forschungsprojektes

Lehrpläne sind Zeitdokumente und damit stets Teil eines grösseren Diskurses über Schule und schulisches Wissen (vgl.

Rahmenantrag, 2.1.1). Diese Zeitgebundenheit macht Lehrpläne zu einer interessanten Quelle im Bereich der historischen

Schul- und Unterrichtsforschung. Auch aktuell werden Lehrpläne innerhalb der Fachdisziplin wie auch in einer breiteren

Öffentlichkeit diskutiert, wie zwei Beispiele verdeutlichen: Zum einen verweisen Vergleiche bezüglich der durchschnittli-

chen jährlichen Unterrichtszeit oder der Stundentafeln auf zum Teil erhebliche Differenzen zwischen den Kantonen, aber

auch innerhalb einzelner Kantone (SKBF 2010; EDK/IDES 2009/2010); zum andern wird in den letzten Jahren gesamt-

schweizerisch eine stärkere Harmonisierung der kantonalen Lehrpläne angestrebt. Die Einführung sprachregionaler Lehr-

pläne stellt einen Paradigmenwechsel in der Lehrplanpolitik dar: Der „Plan d’etudes romand PER“16 der französischspra-

chigen Kantone ist inzwischen realisiert und wird seit dem Schuljahr 2010/2011 in den Kantonen eingeführt. Die Erarbei-

16 http://www.plandetudes.ch (Januar 2012).

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tung des „Lehrplan 21“17 der deutsch- und mehrsprachigen Kantone hat im Oktober 2010 begonnen; er soll ab dem Jahr

2014 implementiert werden.

Lehrpläne legen nicht nur Inhalte im Sinne eines Kanons fest, sondern verschaffen auch Übersicht, bieten Komplexitätsre-

duktion, legen die zeitliche Abfolge von Unterrichtselementen fest und bestimmen die Aufgaben sowie die von Schülerin-

nen und Schülern zu erbringenden Leistungen (Oelkers, 2008; Tyack & Tobin, 1994). Lehrpläne unterstützen Lehrerinnen

und Lehrer bei der länger- und mittelfristigen Planung und bei der Festlegung von Unterrichtszielen für den Unterrichtsall-

tag. Lehrpläne und Lehrmittel dienen deshalb als Planungsinstrumente mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung für die

verschiedenen Akteure des Bildungswesens (Lehrplan 21, 2010). Lehrpläne bilden auch den Referenzrahmen für die Zulas-

sung von Lehrmitteln. Die in Lehrplänen festgehaltenen Unterrichtsziele werden durch Lehrmittel differenziert und präzi-

siert (Hügli et al., 1998; Künzli & Hopmann, 1998). Dem Lehrplan kommt deshalb gegenüber den Lehrmitteln das Primat

zu.

Das Teilprojekt untersucht ausschliesslich die Ebene der Lehrpläne und steht deshalb forschungslogisch in engem Zusam-

menhang mit den zwei anderen Teilprojekten D und E, die einzelne Fächeranalysen in den deutschsprachigen Kantonen

vornehmen. Die Beschränkung ausschliesslich auf Lehrpläne legitimiert sich aus der grossen Anzahl deutschsprachiger

Kantone (19) und den je unterschiedlich ausgeprägten kantonalen Schulkulturen. Das Lehrplanprojekt orientiert sich an den

drei grundlegenden Fragekomplexen, die für das gesamte Sinergia-Projekt leitend sind:

1. Inhalte: Ausgehend von den aktuellen Entwicklungen untersucht das Teilprojekt im historischen Rückblick, was Lehr-

pläne sind und was von ihnen erwartet wird. Uns interessieren, welche Inhalte in welcher Ordnung (Fächer) in ihnen kano-

nisiert werden und wie sich ihre (didaktischen) Konstruktionsprinzipien im Laufe der Zeit verändert haben: Wir gehen von

einer langen Konstanz von Lehrplänen als Stoffplänen aus; erst Ende der 1960er-Jahren wurden dieses traditionelle Kon-

struktionsprinzip in Frage gestellt: Lehrplanarbeit sollte neu auf wissenschaftliche Grundlagen gestellt werden (Robinsohn,

1969). Als neues Konstruktionsprinzip diente die Formulierung von hierarchisierten Lernzielen. Die Zielorientierung mit

der Unterscheidung in Grob-, Richt- und Feinziele liess die kantonalen Lehrpläne zu umfangreichen Ordnern anwachsen.

Die Lernzieltaxonomie (Bloom, 1972 [engl. 1956]) unterschied kognitive, affektive und psychomotorische Lernziele.

Lehrpläne der 1970er- bis 1990er-Jahre wurden so angelegt, dass Lernziele auch überprüfbar sein sollten, was sich in kon-

kreten Handlungs- oder Verhaltensbeschreibungen zuhanden der Lernenden äusserte (Operationalisierung von Lernzielen).

Zusätzlich konnten andere Prinzipien die Lehrpläne strukturieren wie die Verbindlichkeit von Inhalten oder Lernzielen

(Kerncurriculum), die Zirkularität der Themen (Spiralcurriculum) oder die Freiheitsgrade in der Ausgestaltung (Rahmen-

lehrpläne). In jüngerer Zeit ist die Lernzieldiskussion durch die Bildungsstandarddiskussion abgelöst worden (Criblez et al.,

2006, 2009; Criblez & Huber, 2008). Diese Entwicklung nahm ihren Anfang in den USA, ausgelöst u.a. durch den Bericht

„A Nation at Risk“ (National Commission on Excellence in Education, 1983). Stark verzögert nahm in der Schweiz v.a. die

Schweiz. Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren die Idee von Bildungsstandards auf.18 Seit 2006 sind die Kantone

per Bundesverfassung zur Harmonisierung der Bildungsziele verpflichtet (BV Art. 62).

2. Legitimation: Lehrpläne definieren auf der institutionellen Ebene massgeblich, welches Wissen in die Schulen kommt

und welches nicht: Sie haben deshalb im Hinblick auf Inhalte eine ausgesprochene Selektionsfunktion. Gleichzeitig wird

v.a. mit Lehrplänen der öffentliche Auftrag an die Schule inhaltlich differenziert und legitimiert (Legitimationsfunktion)

(Hopmann & Künzli, 1994). Lehrpläne sind aber auch Instrumente direkter Steuerung und damit Teil einer regulativen Po-

litik ( Steuerungsfunktion). Alle drei erwähnten Funktionen machen Lehrpläne zu wichtigen Dokumenten der Wissenspoli-

tik. Das Teilprojekt analysiert deshalb die politischen Prozesse, die sich in (Legitimations-)Diskursen über Lehrpläne, deren

Entwicklung und deren Konstruktionsprinzipien manifestieren.

3. Akteure: Damit verbunden ist der Blick auf die Akteure: Wer sind die entsprechenden Akteure, welche die Lehrplanent-

wicklung massgeblich beeinflussen, und welches sind ihre Erwartungen? Wie verändern sich Akteurkonstellationen und ihr

„Kräftepiel“, und welcher Bedeutungswandel ist diesen Veränderungen zuzumessen? Während im 19. Jahrhundert zunächst

17 http://www.lehrplan.ch (Januar 2012). 18 Zu den von der EDK definierten nationalen Bildungszielen und Grundkompetenzen siehe: http://www.edk.ch/dyn/12930.php (November 2011).

Page 30: Freiestrasse 36 CH-8032 ZürichIm beantragten Sinergia-Projekt sollen das schulische Wissen, die mit dessen Konstruktion verbundenen Didaktisierungs-prozesse (Selektion, Anordnung,

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v.a. Seminardirektoren, Schulinspektoren und Lehrpersonen in die Erstellung von Lehrplänen involviert waren, spielen

heute Expert/innen und die Wissenschaft eine bedeutendere Rolle. Seit ihrer Konstituierung haben Lehrerverbände Einfluss

auf die Lehrplanentwicklung genommen. Aber auch andere Akteure (Kirchen, Wirtschaftsverbände usw.) versuchen immer

wieder, die Lehrplanarbeit und insbesondere die Stundentafeln zu beeinflussen.

3 Stand der Forschung

3.1 Lehrplanforschung /Curriculum studies international

Die Lehrplantheorie war im deutschen Sprachraum bis in die 1960er-Jahre ausschliesslich der geisteswissenschaftlichen

Pädagogik verpflichtet und in dieser Ausprägung normativ orientiert (exemplarisch: Dolch, 1959; Dörpfeld, 1894). Für

Dörpfeld musste der Lehrplan „qualitativ vollständig“ (S. 5) sein und deshalb Sachunterricht (Naturkunde, Menschenleben,

Religion) sowie Sprache und Formunterricht (Rechnen, Zeichnen, Gesang) umfassen. Dabei sollte das Wissen nicht von

den Fertigkeiten, das Wissenschaftliche nicht vom Elementaren getrennt werden. Dolchs „Lehrplan des Abendlandes“ da-

gegen ist der Versuch einer „Ideen“-Geschichte des Lehrplans, die im Altertum bei den Griechen beginnt, chronologisch

die Jahrhunderte durchmisst und mit Kerschensteiners Lehrplankritik schliesst. Dolchs Lehrplangeschichte prägte die

deutschsprachige Erziehungswissenschaft auch noch Jahrzehnte später, wie eine Rückschau auf sein Werk zeigt (Keck &

Rizzi, 2000).

Stärker empirisch orientiert sind die englischsprachigen Curriculum-Studies (vgl. Rahmenantrag, 2.1.2) mit ihrer langen

und international stark rezipierten Forschungstätigkeit (Pinar, 2004a, 2004b, 2003; Kliebard, 2004). Insbesondere die histo-

rische Lehrplanforschung brachte international beachtete Langzeitstudien (Kliebard, 1995; Willis et al., 1993) und Einzel-

falluntersuchungen (Burlbaw & Field, 2005; Goodson, 1988) hervor. Der englische Begriff Curriculum ist allerdings mit

dem deutschen Lehrplanbegriff nicht deckungsgleich, sondern wird viel breiter gefasst: In den Curriculum Studies werden

das Fächerangebot und die Stundentafeln, Lehrpläne und Lehrmittel, aber auch Modelle der Schulorganisation oder die

öffentlichen Erwartungen an Lehrpläne untersucht (Cremin, 1975).

Die Curriculumforschung entwickelte im englischen Sprachraum, zunehmend aber auch in Europa, systematische (für die

USA: Pinar, 1975; für Deutschland: Rumpf, 1971; Klafki et al., 1976/1972) und vergleichende (Frey et al., 1978) Ansprü-

che. Sie gewann während des Kalten Krieges zusätzlich an Aufmerksamkeit durch die höhere Bewertung schulischen Wis-

sens (Macdonald, 1975). Für den deutschen Sprachraum gilt das von Karl Frey herausgegebene dreibändige Curriculum-

Handbuch (1975) als Standardwerk. „Curriculumbegriffe sind nicht kulturfrei“ (Reisse, 1975, S. 48): Im deutschen For-

schungskontext wird der Begriff Curriculum im Gegensatz zu den USA für konkrete Lehrpläne oder Rahmenrichtlinien

verwendet, obwohl formal meist offene Definitionen zugrunde gelegt werden: „Das Curriculum ist die systematische Dar-

stellung des beabsichtigten Unterrichts über einen bestimmten Zeitraum als konsistentes System mit mehreren Bereichen

zum Zwecke der optimalen Vorbereitung, Verwirklichung und Evaluation von Unterricht“ (ebd., S. 49). Letztlich sagen

Curricula aus, „welche Bildungsziele die Gesellschaft verwirklichen möchte und welche Wege zu ihnen führen“ (Deutscher

Bildungsrat, 1970, zit. nach Becker, 1972, S. 127). Im damaligen Verständnis war Lehrplanarbeit deshalb Teil einer Ratio-

nalisierungsstrategie (Becker, 1972): Im Vordergrund standen in den 1970er-Jahre die wissenschaftlich legitimierte Formu-

lierung von Lernzielen sowie deren Operationalisierung und Überprüfbarkeit.

Aktuelle europäische Forschungsarbeiten beziehen sich zum einen auf einzelne Fachcurricula, zum andern wird Lehrplan-

arbeit als Element von Qualitätsentwicklung in der Schule verstanden (Huisinga, 2003; Vorleuter, 1999) oder als Instru-

ment zur länderübergreifenden Kooperation in Form von gemeinsamen Rahmenlehrplänen (Knauf, 2005). Internationale

Vergleichsstudien zu Curriculum-Making-Prozessen liegen nur vereinzelt vor (Frey et al., 1978; Rosenmund et al., 2002).

Ebenso marginal sind aktuelle Forschungsarbeiten mit historischem Fokus (Hopmann, 1998, 2000; Leutert, 1997). Die

neueste deutschsprachige Literatur zu Rahmenlehrplänen und Bildungsstandards ist zwar umfangreich, doch oftmals pro-

grammatisch und wenig analytisch ausgerichtet (Becker, 2004; Drieschner, 2009; Klieme et al., 2003); zudem wird die

Tradition der Lehrplandiskussion kaum berücksichtigt. Bildungsstandards werden im Zusammenhang mit Qualitätssiche-

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rung und -verbesserung (Oelkers & Reusser, 2008) diskutiert; sie sind in der aktuellen Diskussion auch stark fachdidaktisch

an einzelnen Fächern oder Schulstufen orientiert.

3.2 Lehrplanforschung /Curriculum studies in der Schweiz

Im schweizerischen Forschungskontext war Lehrplanforschung vor 1970 als systematischer Untersuchungsgegenstand qua-

si inexistent; seit den 1970er- und 1980er-Jahren gehörte sie zu den viel beachteten pädagogischen Forschungsthemen.

Führend war damals die Freiburger Arbeitsgruppe für Lehrplanforschung (FAL), die diverse Arbeitspapiere und Kurzbe-

richte mit verschiedenen Analysen der Lehrplanarbeit publizierte (Aregger & Isenegger, 1972; Brunner et al., 1979; Frey,

1970) sowie eine Arbeitsgruppe um Rolf Dubs an der Hochschule St. Gallen (Dubs et al., 1973; Moser, 1980). Der Schwei-

zerische Wissenschaftsrat empfahl 1973 in seinem ersten Forschungsbericht, u.a. für die Curriculumforschung Sondermittel

bereitzustellen, da „die heute gültigen Lehrpläne und Bildungsprogramme den Anforderungen, die an sie gestellt werden,

kaum [genügen]“ (SWR, 1973, S. 109).

Aus den letzten 20 Jahren liegen nur wenige wissenschaftliche Arbeiten zur Lehrplanforschung vor; sie betreffen einerseits

inhaltliche Aspekte, andererseits Governance-Aspekte. Im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms 33 zur „Wirk-

samkeit unserer Bildungssysteme“ wurden in den 1990er-Jahren die Organisation der Lehrplanarbeit, Erwartungen, Vor-

stellungen und Konflikte bei der Lehrplanarbeit sowie deren Nutzen erforscht (Künzli et al., 1999; Künzli & Hopmann,

1998). Die Ergebnisse verweisen auf eine geringe funktionale Differenzierung und einen wenig ausgeprägten Grad der In-

stitutionalisierung der Lehrplanarbeit in der Schweiz. Daraus folgend sollte Curriculumentwicklung einerseits überregional

bzw. interkantonal ausgerichtet werden, andererseits lokal als Curriculumarbeit zur Schulentwicklung beitragen. Bähr und

Künzli (1999) stellen sekundäre Lehrplanbindungen fest: Nicht unbedingt Lehrpersonen, aber Bildungsverwaltungen und

andere beteiligte Akteure orientieren sich in ihrem Handeln an bestehenden Lehrplänen. Dies gilt insbesondere für die

Lehrmittelpolitik. Die inhaltliche und didaktische Legitimation beziehen Lehrmittel v.a. daraus, dass sie lehrplankonform

sind. Lehrpläne haben deshalb regulierende Wirkung.

Obwohl Lehrplanarbeit seit den 1970er-Jahren ein „Dauergeschäft der Erziehungsdepartemente“ (Bähr & Künzli, 1999,

S. 8) ist und sich damit im Schnittfeld von Bildungspolitik und -verwaltung verortet, ist sie „in der Schweiz in erster Linie

ein Geschäft von Lehrerinnen und Lehrern. Sie übernehmen solche Arbeit auf Zeit und qualifizieren sich dafür im Arbeits-

prozess selbst. Sie halten sich dafür auch in erster Line selbst für zuständig“ (Bähr & Künzli, 1999, S. 10). Mit Ausnahme

der Studie von Anna-Verena Fries zu den Lehrplänen der gestalterischen Fächer (2007) liegen keine aktuellen, weitrei-

chenden Lehrplananalysen zu einzelnen Fächern vor. Die EDK hat im Vorfeld der Entwicklung von Bildungsstandards und

der Projekte zur Einführung sprachregionaler Lehrpläne erstmals überhaupt Lehrplanvergleiche vorgelegt. Die Lehrplan-

diskussion in der Schweiz ist in den letzten zehn Jahren von der Bildungsstandards-Diskussion überlagert worden, dazu

wurden jedoch wenige systematische Analysen verfasst (Baeriswyl, 2008; Criblez et al., 2009). Historische Arbeiten zur

Geschichte der Lehrpläne in der deutschsprachigen Schweiz liegen nicht vor.

3.3 Stand der eigenen Forschung im Themenbereich (vgl. Rahmenantrag, 2.2)

4 Detaillierter Forschungsplan

4.1 Forschungsziele und Fragestellungen

Das Teilprojekt zielt darauf ab, die in den deutschsprachigen Kantonen verwendeten Lehrpläne des 1. bis 9. Schuljahrs zu

analysieren. Bearbeitet wird die zentrale Frage, wie sich Lehrpläne inhaltlich und als Steuerungsinstrument verändern. Ne-

ben der Dokumentation schulischer Wissensproduktion auf der normativen Ebene qua Lehrpläne gilt es, die Konstruktions-

prinzipien von Lehrplänen und ihre Veränderung zu rekonstruieren. Weiter werden die an der Lehrplanarbeit beteiligten

Akteure definiert und die Argumente zur Legitimation schulischen Wissens aufgezeigt. Folgende Fragen sind dabei for-

schungsleitend:

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32

1. a) Welches Wissen wird in Lehrplänen kanonisiert, und wie verändert sich dieser Kanon? Welches wissenschaftliche

Wissen wird wann mit welchen Legitmationen in schulisches Wissen transformiert („Popularisierung“; vgl. Rahmenan-

trag)?

b) Wie entwickeln sich die Schulfächer? Wie werden Inhalte zu Fächern kondensiert (Fächerkonstruktion)? Welche

neuen Fächer werden wann in die Volksschule integriert?

c) Wann finden Lehrplanreformen statt? Lassen sich im interkantonalen Vergleich bestimmte Lehrplan-Reformphasen

ausmachen?

d) Wie verändern sich Stunden- und Lektionentafeln im Verlaufe der Zeit hinsichtlich Fachanteilen, inhaltlicher Aus-

richtung und Schwerpunktsetzungen? Wie unterscheiden sich Sommer- und Winterschule und wann wird diese Unter-

scheidung aufgegeben? Wie unterscheiden sich Lehrpläne für Knaben und Mädchen und wann wird diese Unterschei-

dung aufgegeben?

e) Welche Konstruktionsprinzipien von Lehrplänen (Stoffpläne, lernzielorientierte Curricula, Kerncurricula, Bildungs-

standards) lassen sich erkennen? Inwiefern sind Ansätze der Didaktisierung in Lehrplänen erkennbar? Welche didakti-

schen Konzepte werden den Lehrplänen zugrunde gelegt?

2. Auf die Fragen unter 1 bezogen: Wie werden Veränderungen in diesen Bereichen öffentlich und im politischen Re-

formprozess legitimiert? Wie argumentieren die Akteure und welche Beliefs von Akteuren sind dabei handlungslei-

tend? Wie verändern sich Beliefs von wichtigen/dominanten Akteuren?

3. Welche Akteure sind an der Lehrplanarbeit beteiligt und übernehmen mit welcher Legitimation führende Rollen? Wie

verändern sich die Akteurkonstellationen?

Quer zu diesen drei Fragekomplexen können einzelne interessante Spezialfragen, die sich aus dem empirischen Material

ergeben, bearbeitet werden wie bspw. die höhere Lektionenzahl der Mädchen in der Primarschule seit ca. Mitte des

19. Jahrhunderts aufgrund der Einführung der Mädchenhandarbeit bzw. die generelle genderspezifische Ausrichtung von

Lehrplänen bis Ende der 1980er-Jahre oder die Einführung spezifischer, im damaligen Verständnis stark berufsorientierter

Fachinhalte wie Werken, Handarbeit und Hauswirtschaft im Kontext des Ausbaus der Primaroberstufe.

4.2 Untersuchungsbereich

Das Teilprojekt bearbeitet ausschliesslich die Lehrpläne der Schulstufen und -typen, die der heutigen obligatorischen

Schulzeit (1.-9. Klasse) entsprechen, ohne die nachobligatorischen Schulen und ohne die Vorschulstufe: d.h. für das

19. Jahrhundert sind das die Primarschule, die Primaroberstufe und Sekundarschule ohne die Fortbildungs- oder Repetier-

schulen; für das 20. und 21. Jahrhundert sind das die Primarschule und die ausdifferenzierte Sekundarstufe I.19 In der histo-

rischen Analyse ist der allmählichen Verlängerung der Schulpflicht und damit dem Ausbau sowie der Differenzierung der

Sekundarstufe I in den Kantonen Rechnung zu tragen.

Räumlich-geographisch ist das Teilprojekt auf die 19 ausschliesslich resp. überwiegend deutschsprachigen Kantone ausge-

richtet. Aus forschungsorganisatorischen Gründen werden die Lehrplan-Analysen auf acht Referenzkantone mit unter-

schiedlichen strukturellen Rahmenbedingungen konzentriert (vgl. Rahmenantrag, Tab. 2). Die Auswahl der Kantone erfolgt

unter Berücksichtigung der in der Politologie verwendeten klassischen Cleavages (Stadt vs. Land; Zentrum vs. Peripherie;

reformierte vs. katholische Konfession) nach folgenden Auswahlkriterien:

• Die Mischung von Stadtkantonen bzw. Kantonen mit einer wirtschaftlichen/kulturellen Zentrumsfunktion (BS, ZH,

BE, SG, LU) und Landkantonen, d.h. Kantonen ohne städtische Ballungszentren (AG, AI, SZ).

• Die Grösse der Kantone bzw. die Bevölkerungsdichte: Berücksichtigt werden bevölkerungsmässig kleine (AI, SZ,

UR), mittlere (AG, BS, SG) und grosse (BE, ZH) Kantone.

• Die konfessionelle Ausprägung der Kantone: reformiert: BE, BS, ZH; katholisch: LU, SZ, UR; paritätisch: AG, SG.

Sicher bis in die Mitte des 20. Jahrhundert muss der Konfession für die inhaltliche Lehrplanarbeit eine grosse Bedeu-

tung zugemessen werden.

19 Die Sekundarstufe I umfasst je nach Kanton unterschiedliche Schultypen wie Sekundarschule, Realschule, Oberschule, Primaroberstufe, Bezirksschule,

Werkklassen u.a.

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33

• Die politische Ausrichtung der Kantone: Bis in die 1880er-Jahre (Ende des Kulturkampfes) standen sich in der

Schweiz liberale und katholisch-konservative Kräfte gegenüber, was sich hauptsächlich in Zentrum-Peripherie- und

Staat-Kirche-Konflikten manifestierte.

• Die wirtschaftliche Veränderung im 19. und 20. Jahrhundert: Die Gründung eines kantonalen Lehrmittelverlags könn-

te bspw. auf eine tendenziell gute Finanzlage eines Kantons hinweisen; strukturschwächere Kantone demgegenüber

schliessen sich eher zu Lehrmittelverbünden zusammen – dies trifft jedoch nicht in jedem Fall zu.

• Ein weiteres Auswahlkriterium ist der generelle „Ausbaustand“ der Volksschule im 19. Jahrhundert, der sich mit der

unterschiedlichen Einführung der Schulpflicht vor 1874, der Verlängerung der Schulpflicht und der Ganzjahresschule

operationalisieren lässt.

Untersuchungszeitraum: Grundsätzlich interessieren die Prozesse schulischer Wissenskonstruktion im Abbild der Lehrplä-

ne von der Etablierung des modernen Bildungssystems bis heute. Es kann davon ausgegangen werden, dass sich einzelne

Fächer/Fachbereiche in einzelnen Schulreformphasen stärker als andere entwickeln bzw. verändern. Die Verlängerung der

obligatorischen Schulzeit auf 9 Schuljahre geht mit einem Ausbau des Fächerkanons einher; dieser Prozess verläuft in den

Kantonen zetilich jedoch nicht parallel. Die im Rahmenantrag dargestellte generelle Phasenheuristik ist im Forschungspro-

zess zu überprüfen: Die Phasen der Lehrplanentwicklung werden an den Kantonsportraits aufgrund explorativ zu definie-

render Kriterien analysiert werden. Die Lehrplangeschichte innerhalb der einzelnen Kantone muss im Kontext der kantona-

len Schulentwicklung interpretiert werden, dazu sind Kontextanalysen zur je kantonalen Schulgeschichte, meist aus der

Sekundärliteratur, in einzelnen Fällen auch aus Primärquellen, notwendig.

4.3 Quellenmaterial, Methoden der Datengenerierung und Datenanalyse

Das Quellenkorpus umfasst die in den untersuchten Kantonen verwendeten Schulgesetze, Verordnungen und Lehrpläne,

die Rechenschaftsberichte der Kantonsregierungen sowie das in den Kantonsarchiven zugängliche Material zu den einzel-

nen Lehrplanreformen als Primärdaten. Auf der Grundlage dieser Quellen lässt sich die diachrone Entwicklung schuli-

schen Wissens v.a. im Hinblick auf die Forschungsfragen 1a bis 1e aufzeigen. Für die Fragen 2 und 3 werden zusätzlich

weitere Quellen beigezogen wie:

• Kantonale Schulblätter (in den einzelnen Kantonen über unterschiedliche Zeiträume verfügbar, z.T. erst spät etab-

liert): Schulblatt Aargau und Solothurn; EDUCATION Amtliches Schulblatt (BE); Basler Schulblatt (BS); Mittei-

lungsblatt (LU); Amtliches Schulblatt (SG); Schulblatt „schule+bildung“ (SZ); Schulblatt (ZH); nicht vorhanden für

den Kanton Appenzell-Innerrhoden [kantonale Staatsarchive]

• Lehrerzeitschriften: bearbeitet werden die fünf grossen, repräsentativen und die relevanten bildungspolitischen und

weltanschaulichen Strömungen abbildenden Lehrer- und Lehrerinnenzeitungen der Schweiz: Schweizerischen Lehrer-

zeitung (liberal-föderalistische [1870/1880er-Jahre: zentralistische] Position), Schweizer Schule (katholische Positi-

on), Evangelisches Schulblatt (reformiert-konservative Position), Schweizer Erziehungs-Rundschau (Privatschulen)

und Schweizerische Lehrerinnenzeitung; Jahrbücher der kantonalen Stufen-/Standesorganisationen, weitere Materia-

lien

• Materialien der kantonalen Bildungsverwaltungen, der Bildungsdirektionen und – wenn vorhanden – von Erziehungs-

bzw. Bildungsräten (v.a. für die ältere Zeit) [kantonale Staatsarchive]

• schul- und bildungshistorische Darstellungen als Sekundärliteratur

• Tagespresse für einzelne, ausgewählte „Ereignisse“

Methodisch kommt die historische qualitative Dokumenten- und Inhaltsanalyse zum Einsatz. Die Dokumente werden so-

wohl hermeneutisch-textanalytisch als auch diskursanalytisch untersucht. Die Analysekategorien werden in einer Explora-

tionsphase am Fall des Kantons Aargau20 exemplarisch aus dem erhobenen Material entwickelt und in den weiteren Kan-

tonsanalysen abgeglichen. Neben der Quellenanalyse werden mit historischen Kontextanalysen die schweizerische Schul-

politik, der politische Kontext des Entstehungszeitraums und die allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklungen aufgearbei-

20 Der Kanton Aargau wird in der Explorationsphase bearbeitet, weil am Lehrstuhl des Antragsstellers ein Projekt zur Schulgeschichte des Kantons Aar-gau bearbeitet und deshalb ein Teil des Quellenmaterials bereits gesichtet worden ist.

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tet. Referenzrahmen dazu bilden die im Rahmenantrag beschriebenen Theoriebezüge (vgl. Rahmenantrag, 2.1). Die Lektio-

nentafeln werden für die einzelnen Kantone und im kantonalen Vergleich, aber auch für die einzelnen Fächer und Fä-

chercluster quantitativ analysiert (deskriptive Statistik).

4.4 Arbeitsorganisation und Zeitplan

Projektschritt 1, Explorationsphase: In einem ersten Schritt wird für den paritätischen Kanton Aargau eine umfassende

diachrone Datenerhebung durchgeführt. Die Forschungsfragen werden exemplarisch beantwortet und ggf. für die weiteren

Kantonsanalysen verfeinert. Ausgehend von dieser explorativen Fallanalyse werden die zu untersuchenden Perioden für die

Erhebungen in den anderen Kantonen bestimmt. Parallel dazu wird anhand einschlägiger Fachliteratur das Projekt theore-

tisch und methodisch weiter fundiert.

Projektschritt 2, Erhebungsphase: In dieser Phase erfolgt die Quellenrecherche und -erfassung sowie die zentrale Quellen-

arbeit. Neben dem Kanton Aargau ist für zwei weitere Deutschschweizer Kantone (Zürich und Bern) eine diachrone

Vollerhebung anhand der Rechenschaftsberichte der Regierungen und der kantonalen Schulblätter geplant. Die Lehrpläne

der beiden Kantone werden mit den aus dem Aargauer Fallbeispiel gewonnenen Analysekriterien systematisch untersucht.

Als Produkt dieser Phase soll je ein „Lehrplan-Entwicklungsprofil“ der Kantone Aargau, Bern und Zürich entstehen. Für

die restlichen Kantone des Samples beschränken sich die Analysen auf die Phasen der aus Quellen und Sekundärliteratur

identifizierten zentralen Lehrplanreformen. Diese Analysen dienen vorwiegend dem sprachregionalen Vergleich. Aus die-

sem Grund umfasst das Sample möglichst Kantone mit unterschiedlichen strukturellen Rahmenbedingungen (vgl. Rahmen-

antrag, Tab. 2).

Tab. 1: Zeit- und Arbeitsplan

Projektschritt 3, Analysephase: Die erhobenen Daten werden zueinander in Beziehung gesetzt und sowohl synchron als

auch im diachronen Verlauf, aber auch regional verglichen. Als Produkte sind einerseits einzelne Kantonsvergleiche und

ein Gesamtvergleich der bearbeiteten Kantone, aber auch Vergleiche von Fächern und Fächerclustern vorgesehen. Die

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Entwicklung der Lektionentafeln wird quantitativ untersucht. In dieser Phase werden die Legitimationszusammenhänge zur

Lehrplanentwicklung über die gesamte Untersuchungszeit und die an der Lehrplanarbeit beteiligten Akteure untersucht.

Projektschritt 4, Interpretationsphase: Die Ergebnisse werden in den Forschungszusammenhang des gesamten Sinergia-

Projekts gesetzt, sprachregional verglichen, interpretiert und verschriftlicht. Aus dem Teilprojekt C werden drei Qualifika-

tionsarbeiten entstehen: zwei Dissertationen und eine Habilitationsschrift. Neben dem Antragstellenden arbeiten am Teil-

projekt mit: Karin Manz (Erziehungswissenschaftlerin, Eigenmittel Universität Zürich), zwei Doktorierende sowie studen-

tische Hilfskräfte. Das Forschungsvorhaben ist auf einen Zeitraum von insgesamt 36 Monaten ausgerichtet (Oktober 2012 –

September 2015) (vgl. Tab. 1).

5 Bedeutung der Forschungsarbeit

Die Lehrpläne sowie die Entwicklung einzelner Schulfächer sind für die gesamte Schweiz bislang noch nicht im Längs-

schnitt untersucht worden. Das geplante Teilprojekt stellt deshalb erstmalig und systematisiert Grundlagenwissen zu einem

äusserst relevanten Bereich von Schule und Unterricht über die letzten 180 Jahre zur Verfügung und ermöglicht sowohl

diachrone als auch synchrone Vergleiche auf kantonaler und sprachregionaler Ebene. Das Teilprojekt trägt zu einer

schweizspezifischen Theorie der Schule und zu einem besseren Verständnis zeitgenössischer schulpolitischer Entwicklun-

gen bei. Es schliesst damit eine für die Schweiz grosse Forschungslücke. Vor dem Hintergrund bedeutsamer Lehrplanpro-

jekte („Plan d’etudes romand“; „Lehrplan 21“), welche die Kantone in den nächsten Jahren implementieren, weist das

Thema eine hohe bildungspolitische Aktualität auf. Die Ergebnisse aus dem Teilprojekt werden an Tagungen und in Form

von Qualifikationsarbeiten und Zeitschriftenartikeln innerhalb der scientific community präsentiert. In der forschungsge-

stützten Lehre bieten sich im Rahmen des Master-Studiengangs im Profil „Theorie und Geschichte der Erziehung“ an der

Universität Zürich vielfältige Umsetzungsmöglichkeiten.

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Teilprojekt D: Deutsch und Französisch in der Volksschule der deutschsprachigen Schweiz seit 1830

Prof. Dr. Claudia Crotti, Prof. Dr. Daniel Wrana, Prof. Dr. Thomas Lindauer

1 Zusammenfassung des Forschungsplans

Im Teilprojekt „Deutsch und Französisch in der Volksschule der deutschsprachigen Schweiz“ sollen Entwicklungen im

Bereich der sprachlichen und literalen Bildung in der Volksschule in den Kantonen Aargau, Schwyz, St. Gallen, Zürich –

sowie Bern für den Französischunterricht – sichtbar gemacht und einander vergleichend gegenübergestellt werden. Dabei

werden die drei im Rahmenantrag genannten Perspektiven untersucht: Inhalte und didaktische Konzepte des Sprachlernens

sowie Legitimierungsdiskurse zur Bedeutung des Faches, der Inhalte, der Sprachlernkonzepte und Akteurkonstellationen.

Folgende Dimensionen schulischen Wissens werden untersucht:

a) die Kontinuitäten und Veränderungen der Bildungsziele und des Stoffkanons, die mit sprachlichem und literalem

Lernen verbunden waren und sind

b) die darin transportierten gesellschaftlichen Werte und Vorstellungen über eine nationale Identität, über eine nationa-

le Bildungs- und Schriftsprache bzw. nationale Mehrsprachigkeit

c) unter der Perspektiven einer historischen Fach- bzw. Sprachdidaktik diejenigen Entwicklungen im Bereich der Me-

thoden und Medien sprachlichen Lernens, die Rückschlüsse auf die jeweils vorherrschenden Konzeptionen des

Sprachlernens eröffnen

d) die Legitimationsfiguren eines Fachs im Kontext nationaler und ökonomischer Diskurse und Modernisierungspro-

zesse sowie die dabei involvierten akteure und Akteurkonstellationen und -karrieren.

Die beiden untersuchten Sprachfächer haben sich in ihrer Bedeutung und ihrer Stellung in der Primarschule und auf der

Sekundarstufe I unterschiedlich entwickelt und dementsprechend sind für die beiden Fächer je spezifische Aspekte zu fo-

kussieren:

Der Deutschunterricht zeichnet sich über den ganzen Untersuchungsraum von 1830–2011 durch zwei Funktionen aus: 1)

Deutschunterricht soll Schriftkompetenzen bzw. Literacy (Bertschi-Kaufmann & Rosebrock, 2009) aufbauen (Kulturtech-

niken Lesen und Schreiben vermitteln; seit Neuerem auch Zuhören und Schreiben). 2) Er soll mit Lesetexten und Sprachre-

flexionen zur gesellschaftlichen und individuellen Identitätsbildung beitragen (Kulturwerte vermitteln, Enkulturation er-

möglichen). Darauf zielen Lehrpläne ab und dafür wurden Lehrmittel entwickelt. Lehrmittel werden als Resultate didakti-

scher Transposition und pädagogischer Diskurse verstanden. In ihnen spiegeln sich wissenschaftliche und bildungspoliti-

sche bzw. in der gesellschaftlichen Praxis verankerte Vorstellungen über das Sprachlernen und die zu tradierenden Werte

im Fach Deutsch (Von Heydebrandt, 1998). Die in den Sprachlehrmitteln, Lesebüchern und Erstlese-Schreib-Lehrmitteln

(Fibeln) vermittelten Kulturtechniken und -werte stehen daher im Zentrum der Untersuchungen im Fach Deutsch.

Der Französischunterricht hatte im selben Zeitraum in der Schweiz eine andere Funktion. Er war bei der Institutionalisie-

rung des öffentlichen Bildungssystems zu Beginn des 19. Jahrhunderts zunächst einer kleinen Schülerinnen- und Schüler-

population vorbehalten (als Teil der höheren Bildung). Seither gewann dieser Unterricht an Bedeutung, denn er wurde auf

den tieferliegenden Bildungsniveaus im Schulsystem implementiert und in den letzten Jahrzehnten immer weiter auf die

unteren Klassen vorverlegt. Dieser Ausbau steht in einem engen Kontext mit gesellschaftlichen, politischen, kulturellen,

konfessionellen und wirtschaftlichen Veränderungen. In diesem Zusammenhang fokussieren die Untersuchungen im Fach

Französisch darauf, mit welchen Argumentationsfiguren zunächst die Einführung auf immer tieferen Stufen und Niveaus

und dann der Wandel des Fachs vorangetrieben und legitimiert wurde, und welche Akteure und Akteurkonstellationen darin

wirksam waren. Über eine diskursorientierte Policyforschung soll dieser Themenaspekt aufgearbeitet werden.

In beiden Fächern werden die Transformationen schulischen Wissens ebenso wie die damit verbundenen Wissenspolitiken

sowohl in Lehrmitteln als auch in Policydokumenten untersucht und vergleichend aufeinander bezogen. Ausgehend von der

unterschiedlichen Rolle der Fächer in der Geschichte der Schule stehen jedoch im Fach Deutsch die Inhalte der Lehrmittel

und Lehrpläne, im Fach Französisch hingegen die kontroverse Policy zur Etabilierung des Fachs im Zentrum. Der Ver-

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gleich der Diskurse zweier verschiedener Sprachfächer bietet die Möglichkeit, Argumentationslinien und Trends auf einer

allgemeineren Ebene zu aggregieren.

2 Forschungsplan

2.1 Kontext und Situierung des Forschungsprojektes

Die beiden untersuchten Sprachfächer – Deutsch als Schulsprache und Französisch als Fremdsprache – haben sich von ih-

rer Bedeutung und ihrer Stellung in der Primarschule und auf der Sekundarstufe I her unterschiedlich entwickelt. Gemein-

same Ziele des Sprachunterrichts waren einerseits die allgemeine Förderung der Sprachkompetenz, andererseits ihr (erwar-

teter) Beitrag zur Herausbildung einer nationalen Identität.

Der Deutschunterricht in der Volksschule hat eine ins 18. Jahrhundert zurückreichende Tradition (Frank, 1973). Deutsch-

bzw. der ursprüngliche Lese- und Schreibunterricht hatten in den Anfängen zum Ziel, breite Bevölkerungsschichten zu

alphabetisieren bzw. ihnen das Lesen (später auch das Schreiben) beizubringen. Seit dem 19. Jahrhundert hatte der Sprach-

unterricht zusätzlich den Auftrag, eine kantonale, in der zweiten Jahrhunderthälfte auch eine übergreifende schweizerische

Identität herauszubilden (Messerli, 2004). Dies geschah im Wesentlichen mithilfe der «staatstragenden» identitäts- und

allgemeinbildenden Lektüreinhalte (vgl. Helbling, 1994; Rutschmann, 1994). Aber auch die Identität der Sprache

«Deutsch» als Kultur- und Bildungssprache in Spannung zum regional bzw. kantonal unterschiedlichen mündlichen und

schriftlichen Gebrauch der Mundart spielte eine wesentliche Rolle (Sieber & Sitta, 1986). Daneben galt es, für eine sich

entwickelnde Industriegesellschaft – und in der Folge Dienstleistungsgesellschaft – literal kompetente und so auch politik-

fähige Bürger und später auch Bürgerinnen in der Referendumsdemokratie auszubilden. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts

beeinflusste dann besonders die Reformpädagogik den Deutschunterricht stark, insbesondere den Aufsatzunterricht und das

freie Schreiben von Texten. Durch die vermehrte Orientierung an der Fachwissenschaft ab 1970 flossen neue linguistische

Theorien in den Sprachunterricht ein. Zugleich trat mit der „kommunikativen Wende“ die mündliche Kommunikation als

wesentlicher Lernbereich auf. Seit den 1980er-Jahren setzte sich dann vermehrt eine Prozess- und Handlungsorientierung

durch, die seit einigen Jahren ergänzt wird durch eine Orientierung an Kompetenzen

Es lassen sich zeitübergreifend zwei Aufgaben bzw. Gegenstandsbereiche des Deutschunterrichts festmachen (Lindauer &

Senn, 2009): Zum einen sollen im Deutschunterricht Sprachkompetenzen aufgebaut und gefördert werden, um die nach-

wachsende Generation literal zu eigenständigen Mitgliedern der jeweiligen Gesellschaft zu machen (Kulturtechniken ver-

mitteln). Zum anderen sollen in ihm die als kulturell bedeutsam erachteten Inhalte altersgerecht vermittelt werden, sodass

damit die gesellschaftliche und individuelle Identitätsbildung gesichert wird (Kulturwerte vermitteln, Enkulturation ermög-

lichen).

Demgegenüber nimmt der Französischunterricht in der deutschsprachigen Schweiz eine andere Rolle ein: Die in den

1830er-Jahren institutionalisierten Sekundar- bzw. Bezirksschulen weisen bereits Französischunterricht aus, zum Teil je-

doch nur als fakultatives Fach. Da viele Schüler, so die damalige Kontroverse, die darin erworbenen Kenntnisse nie verwer-

ten könnten, diene dieser Unterricht einseitig der Vorbereitung auf die Mittelschule. Auf der Sekundarstufe I(7. – 9. Klasse)

wird Französisch als Fremdsprache erst im Rahmen der Geistigen Landesverteidigung (1930–1945) zu einem zentralen

Thema21 und in der Folge ausgebaut (Bähler, 1945; Criblez, 1995). In den 1960er-Jahren gewinnt mit dem Zusammenrü-

cken der Staaten in Europa der Fremdsprachenunterricht generell an Bedeutung. 1969 erklärte die Scheizerische Konferenz

der kantonalen Erziehungsdirektoren den Fremdsprachenunterricht zu ihrer prioritären Aufgabe. Der Fremdsprachenunter-

richt als Unterricht in einer zweiten Landessprache wurde reformiert, koordiniert und nunmehr auf das 4. oder 5. Schuljahr

vorverlegt (EDK, 1975, 1986).

Im Längsschnitt betrachtet wird der Französischunterricht in der deutschsprachigen Schweiz zunehmend bedeutsamer, was

sich daran ablesen lässt, dass der Erwerb der französischen Sprache, der im 19. Jahrhundert noch einer kleinen Schülerin-

nen- und Schülerpopulation an Sekundarschulen mit erweiterten Bildungsansprüchen vorbehalten war, nun im

21 Vorreiter war u.a. der zweisprachige Kanton Bern, der bereits 1894 mit dem neuen Primarschulgesetz Französisch als obligatorisches Unterrichtsfach

für die erweiterte Oberstufe der Primarschule (7. – 9. Schuljahr) eingeführt hatte.

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20. Jahrhundert auch zum Inhalt der Schulformen der Sekundarstufe mit Grundansprüchen erklärt und im Laufe der Jahre

immer weiter in die unteren Klassen vorverlegt wird. Die Kontroversen um den Französischunterricht haben sich seit den

1990er-Jahren noch einmal verändert: Im Zusammenhang mit der Globalisierung und der weltweiten Mobilität wird ver-

mehrt eine sprachenpolitische Diskussion über die Bedeutung der Landessprachen und des Englischen geführt. In einem

Aktionsplan fordern die Europäische Union und der Europarat Kompetenzen in zwei Fremdsprachen für alle Bürger und

Bürgerinnen (Aktionsplan, 2007). Damit die Schweiz „im europäischen Kontext konkurrenzfähig“ bleibt, muss sie „die

anspruchsvollen Ziele der europäischen Programme im Bereich des Sprachenlernens“ ebenfalls umsetzen (EDK, 2004,

o.S.) Wesentliche Schritte zur Erreichung des Ziels sind die Einführung des Europäischen Sprachenportfolios mit standar-

disierten Niveaus, die Vorverlegung des Fremdsprachenunterrichts um zwei Jahre innerhalb der Primarstufe sowie die Ein-

führung einer zweiten Fremdsprache auf derselben Bildungsstufe (EDK, 1998; Hutterli & Stotz, 2009). Die Reihenfolge

der Einführung der Fremdsprachen hat zu Kontroversen geführt: Während sich der Bildungsrat des Kantons Zürich im

März 2003 und in der Folge die gesamte Ost- und Innerschweiz für Englisch als erste Fremdsprache entschieden, haben

sprachgrenznahe und zweisprachige Kantone (BL, BS, BE, FR, SO, VS) sich zum interkantonalen Projekt „Passepartout“

zusammengeschlossen und beginnen seit 2011 mit Französisch ab der 3. Klasse.

Diese unterschiedliche Entwicklung der beiden Fächer führt zu unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen im Teilprojekt

innerhalb der beiden verfolgten Untersuchungslinien: Zum einen der Rekonstruktion des in den obligatorischen Lehrmitteln

des Deutsch- und Französischunterrichts vermittelten schulischen Wissens und zum anderen der Rekonstruktion der den

Unterrichtsfächern zugeschriebenen Bedeutungen und Legitimationen seit 1830 und der damit verbundenen Legitimations-

diskurse und Akteurkonstellationen. Dabei ergeben sich einige Kooperationslinien mit anderen Teilprojekten des Gesamt-

projekts. Neben den auf der Hand liegenden Bezügen zu den Analysen der Schulsprachfächer Französisch und Deutsch

(Teilprojekt A) sowie Italienisch (Teilprojekt B) sind auch enge Kooperationen mit dem Teilprojekt E (Geschich-

te/politische Bildung) sinnvoll, wenn auch in für die beiden Fächer unterschiedlicher Art und Weise: Für den Deutschunter-

richt besteht zumindest für das 19. Jahrhundert ein besonderer Zusammenhang, da in den Anfängen der modernen Volks-

schule historisches Lernen und nationale Erziehung vorwiegend im Sprachunterricht stattfanden (Helmers, 1970). Franzö-

sisch als Fremdsprache dagegen galt insbesondere seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert als Teil der Herstellung einer na-

tionalen Identität, weil das Verstehen der Sprache des je andern Landesteils als Voraussetzung für die „Einheit in der Viel-

falt“ galt.

2.2 Stand der Forschung

Die diachron orientierte Lehrmittelforschung in der Schweiz in den beiden Fächern Französisch und Deutsch ist bisher ein

Desiderat. Abgesehen von einzelnen historisch orientierte Arbeiten zu Lesebüchern in Deutsch (Helbling, 1994; Rutsch-

mann, 1994) fehlen Arbeiten zu Sprachlehrmitteln und Wörterbüchern für den ganzen deutschen Sprachraum (Friedrich,

2003) und entsprechend eine Gesamtschau auf die Lehrplan- und Lehrmittelentwicklung in der Schweiz ebenso wie auf die

schulische Wissenspolitik bezüglich der literalen Bildung. Zur Geschichte der Fremdsprachendidaktik gibt es einige Publi-

kationen (z.B. im Überblick Bausch et al., 2007), die jedoch nicht spezifisch auf ein Fach ausgerichtet sind. Zur Geschichte

des Schulfachs Französisch ebenso wie zu den Lehrmitteln existieren in der deutschsprachigen Schweiz bisher keine Unter-

suchungen.

Die historische Entwicklung des Deutschunterrichts ist zwar in Deutschland gut aufbereitet (Frank, 1973), für die Schweiz

fehlen aber vergleichbare Überblicksdarstellungen. Dass die historische Schulbuchforschung besonders die Geschichte des

Lesebuchs für Deutschland gut aufgearbeitet hat (Helmers, 1970; Korte & Zimmer, 2006), ist wenig verwunderlich, da das

Lesebuch bis Mitte des 19. Jahrhunderts das Schulbuch schlechthin war, nicht nur für den Deutschunterricht. Lesebücher

repräsentier(t)en Werte und wurden als Instrument zum Aufbau kantonaler und nationaler Identitäten interpretiert, weshalb

sie oft auch Gegenstand des öffentlichen Diskurses waren (Berner, 2004). Mit den wachsenden Anforderungen an den

Deutschunterricht gewannen im Laufe des 20. Jahrhunderts die Sprachbücher an Bedeutung (Schober, 2003). Es existieren

zwar Überblicksarbeiten für Deutschland (Lesch, 1998; Pfaff, 2003), die die Phasen der Sprachbuchproduktion herausgear-

beitet haben, oder Studien zu ausgewählten Sprachlehrmitteln (Good, 1982), aber es gibt noch keine umfassende Geschich-

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te des Sprachbuchs oder eine umfassende Methodik der Sprachbucharbeit. Eine Sonderfunktion unter den Deutschlehrmit-

teln nehmen die Erstlese- und Erstschreiblehrgänge (Fibeln) ein. Sie vermitteln die grundlegenden Kulturtechniken Lesen

und Schreiben, die eine Teilhabe an der Schriftkultur erst ermöglichen. Als „Spiegel der Sozialisationsweise einer Epoche“

(Menzel, 2002) kommt den Fibeln eine grundlegende Bedeutung zu, welche immer Anlass war für Methodenstreitigkeiten.

Die Geschichte der Fibel ist kaum umfassend untersucht (Grömminger, 2002; Teistler, 2003). Zur Entwicklung einer eige-

nen Kinder- und Jugendliteratur in der Schweiz existieren einige Längsschnittstudien (Rutschmann, 1994; Helbling, 1994;

Fuchs, 2001), die gezeigt haben, dass diese zu Beginn des 20. Jahrhunderts in direktem Zusammenhang mit dem Nation-

Buildung stand. In diesem Kontext ist auch die gesamtschweizerische Verbreitung der SJW-Hefte zu sehen, die 1931 vom

Schweizerischen Jugendschriftenwerk zum ersten Mal herausgegeben wurden und während Jahrzehnten in der Schweiz

grosse Verbreitung fanden. Die diskursanalytische Forschung zur Wissenspolitik und Policy im Kontext von Lehrmitteln

steht mit den Untersuchungen von Höhne (u.a. Höhne, 2005) zur Darstellung von Migrantinnen in hessischen und bayri-

schen Schulbüchern und mit den Untersuchungen von Macgilchrist (2011) zu den Aushandlungsprozessen in den Exper-

tengremien von Schulbuchverlagen noch am Anfang.

Eine historisch fundierte Sprachdidaktik und Lehrmittelforschung hat sich – trotz ihrer Bedeutsamkeit und trotz des grossen

Interesses am Thema seitens der Bildungsplanung (Stauffenegger, 2010) – auch nach bald zehn Jahren Pädagogischer

Hochschulen in der Schweiz – mit wenigen Ausnahmen (Sieber, 1990) – noch nicht herausgebildet. Für beide Fächer fehlt

generell eine umfassende, die Entwicklung des Unterrichts bzw. der verwendeten Lehrmittel und ihrer Legitimationen seit

Entstehung der Volksschule berücksichtigende Untersuchung.

2.3 Stand der eigenen Forschung im Themenbereich

Das Teilprojekt wird von einer interdisziplinären Forscher- und Forscherinnengruppe getragen, die über Expertisen in ver-

schiedenen, für das Projekt relevanten Feldern verfügen. Im Bereich des Deutschunterrichts hat Thomas Lindauer das Pro-

jekt für nationale Bildungsstandards – HarmoS „Schulsprache“ – in der Phase II geleitet und ist Mitglied des Projektteams

«Lehrplan 21» (2010–2013). Er ist Projektleiter des nationalen Sprachlehrmittels für die Primarschule „Die Sprachstarken“

(2003–2009) sowie dessen Weiterentwicklung für die Oberstufe (2009–2015), Herausgeber des Schweizer Schülerdudens,

Autor des Wörterbuchs Wort für Wort (Lehrmittel Kanton Zürich) und Berater für Lesebücher (Interkantonale Lehrmittel-

zentrale ilz). Thomas Lindauer und Hansjakob Schneider leiten das SNF-DORE-Projekt „myMoment2.0 – Schreiben auf

einer Internetplattform“, an dem Julienne Furger als wissenschaftliche Mitarbeiterin beteiligt ist (Furger & Schneider,

2011). Hansjakob Schneider hat den Diskurs über Lese- und Schreibkompetenzen aufgearbeitet (Schneider, 2010). Thomas

Lindauer und Hansjakob Schneider sind Leiter des Zentrum Lesen an der Pädagogischen Hochschule der FHNW.

Im Bereich des Französischunterrichts hat der Erziehungswissenschaftler Daniel Wrana die historische Entwicklung von

Diskursen, Praktiken und Akteurkonstellationen im pädagogischen Feld untersucht (u.a. Wrana, 2006; Langer & Wrana,

2010; Wrana & Langer, 2007) und führt gegenwärtig eine SNF-Studie zur Entwicklung der Konstruktionen professionellen

Wissens bei Studierenden der Primarstufe durch.22 Claudia Crotti hat vor allem im Bereich der historischen Bildungsfor-

schung gearbeitet und die Entwicklung der kantonalen Bildungssysteme in der deutschsprachigen Schweiz im 19. und

20. Jahrhundert zur Professionalisierung der Lehrerinnen (Crotti, 2005), zur Geschlechterfrage (Crotti, 2006) sowie zum

Verhältnisses von Öffentlichkeit und Bildung (Crotti, 2008a) analysiert. An den Analysen zum Französischunterricht arbei-

ten die Fachdidaktikerinnen Barbara Grossenbacher und Christine Le Pape Racine mit, die an der Entwicklung neuer

Lehr- und Lernmaterialien und Lehrpläne beteiligt waren (Le Pape, 2007).

3 Detaillierter Forschungsplan

3.1 Forschungsziele und Fragestellungen

Die Funktion von Schule besteht u.a. darin, Kulturtechniken und -werte zu vermitteln bzw. Enkulturation zu ermöglichen

(Fend, 2008). Im Teilprojekt soll das schulische Wissen rekonstruiert werden, das mit sprachlichem und literarischem Ler-

22 „Mikrostrukturen von Selbstlern- und Professionalisierungsprozessen“ (SNF-Nr. 100013_135017).

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nen in der Volksschule von 1830 bis zu Beginn des 21. Jahrhunderts in den Kantonen Aargau, St. Gallen, Schwyz, Zürich –

und für den Französischunterricht zusätzlich Bern – in Lehrplänen und Lehrmitteln realisiert und in Diskursen legitimiert

und begründet wurde. Das schulische Wissen in den Dimensionen Bildungsziele und -inhalte, Kulturtechniken (Sprach-

kompetenzen) und gesellschaftlichen Wertvorstellungen (literarischer und sprachlicher Kanon) lässt sich durch die Analyse

von Stoffvorgaben und deren Strukturierung (Darstellung und curricularer Aufbau) rekonstruieren. Explizite didaktische

Elemente wie Aufgabenstellungen, Lehrformen etc. in Lehrplänen und Lehrmitteln eröffnen die Möglichkeit, auch Aspekte

der dahinter stehenden Lehr-/Lernkonzepte zu rekonstruieren.

Die den beiden Unterrichtsfächern zugeschriebene Bedeutungen sowie die Legitimationen und Akteurkonstellationen wer-

den über die Policy- oder Politikfeldanalyse untersucht.23 Die diskursanalytische Methodologie erlaubt die Analyse der

semantischen Dimension von Wissensordnungen in ihren Argumentations- und Legitimationsfiguren und zugleich der

pragmatischen Dimension, die in einer diskursiven Arena für und gegen die Positionen anderer Akteure gesetzt sind. Dabei

lassen sich vorherrschende und marginale Positionen unterscheiden und insbesondere im diachronen Verlauf die Karrieren

von Positionen und sich verändernde Akteurkonstellationen rekonstruieren (Nonhoff, 2006). Mit einer diskursanalytisch

ausgerichteten Policy-Forschung lässt sich die Komplexität im politischen Mehrebenensystem der Schweiz erfassen (vgl.

Rahmenantrag). Im Schwerpunkt soll dabei der Bedeutungswandel der Fächer im Längsschnitt als komplexer Prozess the-

matisiert werden, in welchem sich Akteurkonstellationen und Legitimationsdiskurse verändern. In den Blick geraten unter-

schiedliche Akteure und diejenigen Wissensformen und Wissensordnungen, aufgrund derer die Kulturtechniken und kultu-

rellen Werte ebenso wie die Einführung und Transformation eines Fachs in der Volksschule als spezifische Probleme er-

scheinen können.

Fragestellungen zu den zu vermittelnden Inhalten

1. Welche thematischen Inhalte werden von 1830 bis zu Beginn des 21. Jahrhunderts in Lehrplänen und Lehrmitteln

für den Deutsch- und Französischunterricht vorgegeben, und wie verändern sich diese Inhalte im Laufe der Zeit?

Welche Enkulturations- und Qualifikationsabsichten, welche gesellschaftlichen Wertvorstellungen lassen sich dar-

aus rekonstruieren?

a) Welche Fachinhalte werden in welchen Sprachdomänen mit welcher Binnenstruktur in Lehrmitteln aufgegriffen

und in Lehrplänen dargestellt?

b) Welche Wertvorstellungen werden mit Lehrmitteln und Lehrplänen transportiert, und wie verändern sich diese

während der untersuchten Periode? Welche Forderungen und Adressierungen zur Herausbildung einer nationalen

Identität lassen sich rekonstruieren?

c) Ein besonderes Augenmerk ist für den Deutschunterricht auch auf das Verhältnis von Standardsprache als

Schrift- und Bildungssprache und Mundart als Deutschschweizer Identitätssprache («Muttersprache») zu legen.

2. Welche impliziten und/oder expliziten (fach-)didaktischen Lehr-/Lernkonzepte korrespondieren mit den zu vermit-

telnden Inhalten? Welche Sprachkompetenzen bzw. Kulturtechniken sollen wie vermittelt werden? Welche sich his-

torisch wandelnde Lehr-Lern-Konzepte lassen sich rekonstruieren?

a) Welche didaktischen Konzepte und Mittel werden für die Konstruktion und Darstellung des Wissens und für den

curricularen Aufbau verwendet? Inwiefern werden Erkenntnisse aus den universitären Bezugswissenschaften be-

rücksichtigt?

b) In Zusammenarbeit mit dem Teilprojekt C: Welche Hinweise auf die Didaktik finden sich in Lehrplänen?

c) Welche Vorstellungen übers Sprachlernen bzw. über das Fach Deutsch/Französisch lassen sich daraus rekonstru-

ieren?

d) Welches Bild von Lehrenden und Lernenden lässt sich so im historischen Wandel rekonstruieren?

23 Die Analyse von Policyprozessen untersucht Handlungszusammenhänge insbesondere in Bezug auf den Zusammenhang von Argumentationsmustern,

Wertvorstellungen und Akteurkonstellationen (Schneider & Janning, 2006; vgl. Rahmenantrag). Diskursanalytische Studien (Keller, 2008; Sarasin, 2003) untersuchen Praktiken der Bedeutungskonstitution, sie werden in den Erziehungswissenschaften sowohl im Kontext von Lehr-/Lern-Prozessen und Sub-jektivierungsformen als in Bezug auf wissenschaftliche und bildungspolitische Diskurse gebraucht, wobei oft die Verschränktheit verschiedener diskursi-

ver Praxen untersucht wird.

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Fragestellungen zur Legitimation und zu Akteuren

3. Mit welchen Begründungen und Argumentationen werden das Fach, seine Bedeutung und seine Inhalte in Politik

und Öffentlichkeit legitimiert?

4. Von welchen Akteuren wird mit welcher Argumentation und mit Bezug auf welche bildungspolitischen und sprach-

didaktisch-wissenschaftlichen Konzepte die Vermittlung von sprachlichem und literarischem Wissen vertreten? Wie

werden Fachinhalte in Bezug auf (bildungs-)politische Werte legitimiert?

5. Inwiefern werden überregionale und internationale Entwicklungen rezipiert?

6. Welche Anforderungen an Sprachkompetenzen (v.a. in Bezug auf Literacy) werden in Policydokumenten in Bezug

auf eine sich wandelnde Gesellschaft (Agrar-, Industrie-, und Dienstleistungsgesellschaft) verhandelt und inwiefern

dienen diese der Legitimation von Lerninhalten?

7. Welche Akteurkonstellationen zeigen sich im synchronen Vergleich und welche Karrieren von Positionen zeigen

sich im diachronen Vergleich?

3.2 Untersuchungsbereich und Zeitraum

Es werden Quellen aus den Kantonen Aargau, St. Gallen, Schwyz, Zürich und für den Französischunterricht zusätzlich

Bern ausgewertet. Mit diesem Sample können die Kantone sowohl in wirtschaftlicher, politischer, konfessioneller und

sprachlicher Hinsicht verglichen werden (interkantonal vergleichende Perspektive). Die zusätzliche Bearbeitung des Kan-

tons Bern für den Französischunterricht legitimiert sich dadurch, dass Kantone im Untersuchungsbereich zu berücksichti-

gen sind, die Französisch (in Bern aus Gründen der Zweisprachigkeit) bereits früh, d.h. um 1830, als Unterrichtsfach einge-

führt hatten, um so eine Längsschnittuntersuchung zu ermöglichen (diachron vergleichende Perspektive). Schliesslich wer-

den Querbezüge zu den anderen Teilprojekten des Sinergia-Projektes zur schulischen Wissenspolitik angestrebt (kulturver-

gleichende Perspektive). Die obligatorische Volksschule umfasst in den gewählten fünf Kantonen unterschiedliche Schul-

formen (insbesondere auf der Sekundarstufe I) und die Dauer der Schulstufen ist unterschiedlich definiert. In Anlehnung an

das Sinergia-Gesamtprojekt bleiben die unteren Klassen der Langgymnasien, auch wenn sie in die obligatorische Schulzeit

fallen, unberücksichtigt. Im Teilprojekt soll der im Rahmenantrag beschriebene Zeitraum (1830 bis heute) untersucht wer-

den. In Anlehnung an das Phasenmodell der Lehrplankonstruktion im Teilprojekt C, aber vor allem auch aufgrund bil-

dungspolitischer und sprachdidaktischer Entwicklungen wird davon ausgegangen, dass es zeitliche Perioden mit grösseren

Veränderungen im Bereich der Lehrmittel- und Lehrpläne und intensiverer Debatten im Bereich der kantonalen Wissenspo-

litiken gibt. Im Verlauf der Explorationsphase (vgl. Rahmenantrag, Tab. 3) wird festgelegt, welche Zeitabschnitte vertiefter

analysiert werden.

3.3 Quellenmaterial, Methoden der Datengenerierung und Datenanalyse

Das Sinergia-Projekt verfolgt das Ziel, die Konstruktion schulischen Wissens in historischer Perspektive zu analysieren.

Aus diesem Ziel ergibt sich eine grundsätzliche Unterscheidung von Daten, die für die Operationalisierung der Datenerhe-

bung und -auswertung des Teilprojekts wegleitend ist: Einerseits bilden Lehrmittel (und Lehrpläne) das Quellenmaterial für

das in der Schule vermittelte Wissen, andererseits bilden Policydokumente das Quellenmaterial für die Wissenspolitik der

Akteure im Bildungssystem. Aus forschungsmethodischer Sicht hat diese Unterscheidung die Konsequenz, dass bei den

Lehrmitteln die qualitative Inhaltsanalyse zur inhaltlichen Rekonstruktion des vermittelten Wissens zum Einsatz kommt.

Bei den Policydokumenten werden anhand diskursanalytischer Verfahren Legitimationsstränge und -zusammenhänge re-

konstruiert.

Lehrmittel/Lehrpläne und Inhaltsanalyse

Im Projekt werden ausschliesslich die von den Kantonen als verbindlich betrachteten oder explizit empfohlenen – und so

legitimierten – Lehrmittel untersucht, weil sie am stärksten die Diskussions- und Selektionsprozesse in den kantonalen

Gremien durchlaufen. In der Regel waren und sind dies die Lehrmittel der kantonalen Verlage, in vielen Fällen aber auch

Lehrmittel privater Verlage. Sollte sich während des Projekts zeigen, dass es die Diskussion wesentlich prägende Lehrwer-

ke gibt, die jedoch nicht offiziell zugelassen wurden, würden diese fallweise in die Analyse einbezogen.

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Für eine vergleichende Analyse der historisch unterschiedlichen Konzeptionen des Sprachunterrichts bzw. von Lehrplä-

nen/Lehrmitteln ist ein übergreifender Orientierungsrahmen nötig. Dafür wird folgende linguistisch motivierte Matrix ver-

wendet (Eriksson, Lindauer & Sieber, 2009): Sprachkompetenzen zeigen sich in Sprachhandlungen, die rezeptiv wahrge-

nommen oder produktiv gestaltet werden können. Zudem gibt es Sprache grundsätzlich in den beiden medialen Realisie-

rungen schriftlich und mündlich. Mit einer entsprechenden Kreuzklassifikation gewinnt man so die vier Sprachdomänen

lesen (rezeptiv schriftlich), zuhören (rez. mündl.), schreiben (prod. schriftl.), sprechen (prod. mündl.). Zu ergänzen sind die

beiden bezugswissenschaftlichen Inhaltsbereiche Literatur und Sprache – wobei Sprache im schulischen Kontext häufig auf

Grammatik (und für die Fremdsprachen: Wortschatz) reduziert wird. In diesem Projekt verwenden wir für die beiden letzt-

genannten Bereiche die Begriffe Sprachreflexion und Literatur/Kultur.

Sprachdomänen im Deutschunterricht24

Rezeption Produktion

Schriftlichkeit lesen schreiben

Mündlichkeit zuhören sprechen

Sprachreflexion

Literatur/Kultur

Historisch haben sich folgende Unterrichtsfelder herausgebildet (Bredel et al., 2003):

• Schrifterwerb/Anfangsunterricht (Domänen Lesen und Schreiben)

• Leseunterricht (Domänen Lesen und Literaturunterricht)

• Texteschreiben/Aufsatzunterricht (Domäne Schreiben)

• Rechtschreibunterricht (Domäne Schreiben)

• Grammatikunterricht (Domäne Sprachreflexion)

• Mündlichkeit (Domänen Zuhören und Sprechen)

Für die beiden Unterrichtsfächer wurden historisch unterschiedliche Unterrichtswerke entwickelt, sie sich unter der oben

skizzierten heuristischen Matrix konsistent auswählen und analysieren lassen. Da Sprachlehrmittel, die alle Bereiche der

Sprachkompetenzen umfassen, erst im 20. Jahrhundert entstehen, werden deren Vorläufer (Grammatik, Orthografien) eben-

so unter der Perspektive von Stoffauswahl, curricularem Aufbau sowie auf Hinweise bezüglich Herausbildung einer Kul-

tur- und Nationalsprache (Analyse der Lemmata in Wörterbüchern) analysiert. Für das Fach Deutsch wird auch das Span-

nungsfeld von Standard und Mundart in die Analyse mit einbezogen (vgl. Sieber & Sitta, 1986).

Neben den Lehrmitteln werden im Fach Deutsch auch Lesebücher auf allen Schulstufen (insbesondere auch im Konnex zu

den Teilprojekten A, B und E) in Bezug auf ihren Enkulturationsgehalt analysiert. Ebenso ist die Entwicklung von Kinder-

und Jugendbüchern (allenfalls auch die Entwicklung der „Schweizerischen Jungendschriften“ und der SJW-Hefte) in den

Blick zu nehmen, ohne dass daraus eine vollständige Darstellung dieser Entwicklung zu erwarten wäre. Erstlese- und Erst-

schreiblehrgänge (Fibeln) in der Unterstufe werden mit Blick auf zunehmende Alphabetisierung und im Hinblick auf

Schriftlernkonzepte analysiert. Die Analyse der in diesen Lehrmitteln vermittelten Inhalte dient zudem der Rekonstruktion

von gesellschaftlichen Wertvorstellungen.

Für den Sprachenunterricht ist speziell zu beachten, dass die Inhalte nicht notwendig aus der Logik der Fachdidaktiken ab-

geleitet werden können und müssen und deshalb eine besondere Funktion innerhalb der schulischen Wissenspolitik erhal-

ten: In ihnen werden Normen und Werte prozessiert. Im Unterricht der je anderen Landessprachen wird das aktuelle Bild

des Anderen innerhalb der Schweizer Sprachregionen entworfen. Für die Inhaltsanalyse (strukturierte qualitative Inhaltsan-

alyse nach Mayring, 2008) bilden Werte, Weltwissen und Bilder vom Anderen den Analysefokus. Die Analysen von The-

24 Die gleiche Matrix wird auch im Lehrplan 21 dem Fachbereich «Sprachen» zugrundeliegen.

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men in den Lehrmitteln und Lehrplänen werden zunächst querschnittlich erfolgen und dann entlang der im Rahmenantrag

vorgeschlagenen Periodisierung (vgl. Rahmenantrag, 3.1) im Zeitverlauf miteinander verglichen werden, gleichzeitig wird

die Periodisierung dabei empirisch geprüft.

Policydokumente und Diskursanalyse

Für die Fragestellung nach den Legitimationsdiskursen und den Akteurkonstellationen wird ein Korpus aus Policydoku-

menten zusammengestellt und diskursanalytisch untersucht. In beiden Fächern werden in Koordination mit dem Teilprojekt

C Lehrpläne, Lehrerzeitschriften, Schulblätter, Erlasse und Protokolle der Parlamente der ausgewählten Kantone unter-

sucht. Die zu analysierenden Policydokumente, die Situierung in eine umfassendere Policy-Analyse und die Passung in ein

Governance-Konzept sind im Rahmenantrag unter 3.1.1 ausgeführt.

In den Untersuchungen für das Fach Französisch bildet diese Policyanalyse einen Schwerpunkt und ist umfassender und

intensiver angelegt als im Fach Deutsch, weil in den kantonalen Parlamenten, den Regierungen und den Erziehungs-

/Bildungsräten jeweils mehrfach kontroverse Debatten über die Einführung von Französisch auf den einzelnen Schulstufen

geführt wurden, die teils auch zu Volksabstimmungen führten. Da die Argumente für und wider den Französischunterricht

in der Regel an allgemeine gesellschaftliche Themen wie Nationalität, ökonomische Leistungsfähigkeit, bürgerliche Bil-

dung etc. gebunden werden, sind Debatten in der Fachöffentlichkeit ebenso wie in politischen Gruppierungen und gesell-

schaftlichen Organisationen zu erwarten. Es ist davon auszugehen, dass sich die diskursive Arena rund um zentrale Refor-

mereignisse von der Fachöffentlichkeit auf weite gesellschaftliche Kreise ausdehnt und sich in entsprechenden Dokumen-

ten wieder findet. Das Korpus für die Policyanalyse im Fach Französisch wird daher punktuell durch Artikel aus der Ta-

gespresse und/oder Materialien politischer Partien ergänzt. Zusätzlich werden die grossen und repräsentativen Lehrer- und

Lehrerinnenzeitungen der Schweiz sowie die Periodika der kantonalen Sektionen von Lehrer- und Lehrerinnenvereinigun-

gen berücksichtigt.

Mit diskursanalytischen Verfahren werden die Policydokumente auf ihre Wissenskonstruktionen und Wissensformen hin

untersucht (Keller, 2008; Langer & Wrana, 2010). Die Operationalisierung erfolgt in der Mikroanalyse ausgewählter Do-

kumente über die Kartographierung diskursiver Figuren, worunter Beschreibungen von semantischen Merkmalen der Be-

deutungskonstitution und der Konstruktionsweise sprachlicher Äusserungen zu verstehen sind (Busse, 1997; Höhne et al.,

2005; Wrana, 2010). Im Zentrum der Analyse stehen argumentative Figuren, mit denen z.B. die Einführung des Franzö-

sischunterrichts, seine Ablehnung, der Fokus auf bestimmte Altersstufen etc. begründet werden und anhand derer sich Be-

gründungsmuster herausarbeiten lassen (Hajer, 2003; Wengeler, 2003) sowie narrativen Figuren, in denen sich national und

kulturell gebundene Narrationen materialisieren. Schliesslich zeigen metaphorische Figuren (Link, 1999; Sarasin, 2003)

Bedeutungsübertragungen aus anderen gesellschaftlichen Bereichen, mit denen der Gegenstand des Sprechens in Analogie-

bildungen modelliert wird. Die Analyse von Figurationen macht Wissen beschreibbar, das im Korpus der Materialien in

bestimmten historischen Kontexten auftaucht, sich transformiert und manchmal auch wieder verschwindet. Sie erlaubt die

synchrone und diachrone Beschreibung des Verlaufs von Wissenskonstruktionen ebenso wie die Rekonstruktion aufeinan-

der bezogener diskursiver Arenen und Akteurkonstellationen (Hajer, 2003; Nonhoff 2006).

3.4 Arbeitsorganiasation und Zeitplan

Das Teilprojekt orientiert sich am allgemeinen Zeitplan (vgl. Rahmenantrag, Tab. 3) und arbeitet folglich in denselben

Teilschritten (Zeitplan: vgl. Teilprojekt C, 4.4).

In der Explorationsphase wird in einem Referenzkanton (Zürich für das Fach Deutsch und Bern für das Fach Französisch)

für alle genannten Quellen (Lehrmittel und Policydokumente) eine diachrone Datenerhebung durchgeführt. Das methodi-

sche Design wird weiterentwickelt und geschärft, die Analysekategorien werden erarbeitet und die Zeiträume intensiverer

Debatten in den Kantonen für die umfassenderen Policyanalysen bestimmt.

In der Erhebungsphase werden die Lehrpläne (in enger Kooperation mit dem Teilprojekt C) und alle obligatorischen Lehr-

mittel für die untersuchten Kantone zusammengestellt. Zudem werden aufgrund der Ergebnisse aus der Explorationsphase

und in Abstimmung bzw. Arbeitsteilung mit den anderen Teilprojekten die Policydokumente erhoben. In der Analysephase

werden die Lehrmittel inhaltsanalytisch in Bezug auf die von ihnen vermittelten Fachinhalte, Werte und didaktischen Prin-

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zipien analysiert. Zur Beantwortung der Frage, ob und inwiefern die Konzeption bzw. Strukturierung des Faches und des

Sprachlernens in den einzelnen Kantonen vergleichbar ist, werden in dieser Phase auch die kantonalen Lehrpläne inhalts-

analytisch bearbeitet (vgl. Teilprojekt C). Nach einer diskursanalytischen Makroanalyse der Policydokumente werden rele-

vante Texte für die Mikroanalyse ausgewählt. Die Analyse der Lehrmittel/Lehrpläne und der Policydokumente werden

laufend auf der Datenebene und in einem letzten Schritt auf Ergebnisebene aufeinander bezogen. In der Interpretationspha-

se werden die Ergebnisse der Analyse interpretiert und mit den Ergebnissen der anderen Sinergia-Teilprojekte kontrastiert.

Sie sollen im Rahmen des Gesamtprojektes diskutiert und publiziert werden, ergänzt durch Veröffentlichungen in Zeit-

schriften der Erziehungswissenschaft, der Deutschdidaktik und der Französischdidaktik.

4 Bedeutung des Projektes

Die Untersuchung der Wissensdynamik im Längsschnitt eines Schulfaches ist für die Schweiz ein Desiderat. In der

Schweiz hat sich bislang eine systematisch betriebene, historisch ausgerichtete Forschung weder für den Deutschunterricht

noch für den Französischunterricht herausgebildet. Das beantragte Projekt schliesst daher eine Forschungslücke, indem

erstmals die Entwicklung aller Lehrwerkstypen für den Sprachunterricht in mehreren deutschsprachigen Kantonen seit

1830 inhaltsanalytisch untersucht wird. Die Ergebnisse tragen zu einem besseren Verständnis bildungspolitischer Entwick-

lungen bzw. der Vermittlung kultureller Werte in der Schweiz sowie langfristiger Wissenstransformationsprozesse in Schu-

le und Gesellschaft bei. Und schliesslich leistet das Teilprojekt einen bedeutsamen Beitrag zur Selbstreflexion zweier

Fachdidaktiken, die sich bei ihrer Theoriebildung zwar an internationalen Entwicklungen orientieren, im Einzelnen aber

doch stets auch spezifische Eigenheiten des Schweizer Bildungsföderalismus und der hierzulande praktizierten Sprachkul-

tur im Auge behalten müssen.

Durch die interdisziplinäre Zusammensetzung des Forschungsteams und die methodologische Ausrichtung des Projekts soll

im Unterschied zur gängigen Schulbuchforschung auch die Wissenspolitik hinter den inhaltlichen Thematisierungen in den

Lehrmitteln sichtbar werden. Für die aktuellen politischen Debatten und Entscheidungen zur Rolle des Schulsprache- und

des Fremdsprachenunterrichts in der Schweiz stellt das Projekt einen grossen Reflexionsgewinn dar.

Die Ergebnisse aus dem Teilprojekt werden an Tagungen und mit Qualifikationsarbeiten und Zeitschriftenartikeln gegen-

über der scientific community kommuniziert. An der Pädagogischen Hochschule FHNW und der Universität Basel bieten

sich im Rahmen des Master-Studiengangs „Education Sciences“ Disseminationsmöglichkeiten. Insbesondere in For-

schungsseminaren und im Rahmen von Masterarbeiten können Studierende in das laufende Forschungsprojekt einbezogen

werden. Ferner liefern die Ergebnisse Grundlagen für künftige Konzeptionen von Lehrmitteln für die Volksschule.

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Teilprojekt E: Historisch-politische Bildung in Deutschschweizer Lehrmitteln und Lehrplänen seit 1830

Prof. Dr. Sabina Brändli, Pädagogische Hochschule Zürich

1 Zusammenfassung des Forschungsplans

Historisch-politische Bildung in der Volksschule hat in der Schweiz eine ins 19. Jahrhundert zurückreichende Tradition und

ist in Entstehung und Entwicklung eng mit der Liberalisierungs- und Demokratisierungsbewegung jener Zeit verknüpft.

Die Schule war u.a. ein zentraler Ort für den Nation-Building-Prozess des noch jungen Nationalstaats. Zuerst im Sprachun-

terricht, im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts dann in den sich etablierenden Schulfächern wie Geschichts-, Staats-, Ver-

fassungs- oder Heimatkunde wurde historisch-politisches Lernen als identitätstiftendes Element in den schulischen Wis-

senskanon integriert. Schulisches Geschichtslernen und politische Bildung hatten – und haben teilweise auch heute noch –

zum Ziel, der nachwachsenden Generation nicht nur konkretes Wissen über die Vergangenheit, sondern auch Werte wie

Vaterlandsliebe und staatsbejahende Bürgertugenden zu vermitteln. Historisches Lernen in der Schule unterscheidet sich

deshalb oftmals von der akademischen Disziplin und deren Wissensbeständen: Die Schule tradiert mit einer hohen Kon-

stanz Mythen und populäre Geschichtsbilder, die einer wissenschaftlichen Betrachtung kaum Stand halten können.

Das Teilprojekt fokussiert auf die im Rahmenantrag umrissenen Perspektiven Inhalte und Legitimation von Inhalten und

Konzepten, während die 3. Perspektive Akteure und Akteurkonstellationen nur soweit forschungsleitend sein wird, als sie

Aufschluss gibt über die Frage nach den ausschlaggebenden Entscheidungsträgern bei der Schaffung von Lehrmitteln und

die Frage nach der Situierung von Lehrmitteln im Spannungsfeld zwischen staatlichem Erziehungsauftrag und dem Stand

historischer Forschung in der jeweiligen Zeit.

In Abstimmung mit den Deutschschweizer Teilprojekten wird ein Sample von vier deutschsprachigen Kantonen mit unter-

schiedlichen Ausprägungen analysiert: Aargau, St. Gallen, Zürich und Schwyz. Als Primärquellen dienen in erster Linie die

verwendeten Lehrmittel für den Sach-, Geschichts- und – v.a. für die Primarstufe – auch die Lehrmittel für den Sprachun-

terricht. Daneben werden weitere Materialien (Lehrpläne, Schulgesetze, Lehrerzeitschriften etc.) konsultiert. Methodisch

kommt v.a. die historische Dokumentenanalyse zum Einsatz. Im kantonalen, aber auch sprachregionalen Vergleich soll mit

diachronen und synchronen Analysen die Entwicklung der Konzepte von Geschichtsunterricht und historisch-politischem

Lernen in der Volksschule dargestellt werden. Das Forschungsprojekt leistet damit einen Beitrag zur historisch ausgerichte-

ten geschichtsdidaktischen Forschung.

2 Forschungsplan

2.1 Kontext und Situierung des Forschungsprojektes

Das vorliegende Projekt untersucht die Entwicklung der Konzeptionen historisch-politischer Bildung im Rahmen des Un-

terrichts an der Volksschule seit 1830 auf der Basis von Lehrmitteln und Lehrplänen. Als Konzeptionen historisch-

politischer Bildung werden dabei beschreibbare Zusammenhänge von Bildungsabsichten, Bildungsinhalten, Darstellungs-

modi sowie Vermittlungsformen und Medien begriffen, in denen die Geschichte und/oder das Politische tragendes Element

sind. Unter Geschichte wird vergegenwärtigte Vergangenheit verstanden und mithin kein spezifischer Bereich menschli-

chen Daseins, sondern menschliches Dasein unter zeitlicher Perspektive. Mit Politik hingegen wird jenes menschliche

Handeln bezeichnet, „das auf die Herstellung allgemeiner Verbindlichkeit, v.a. von allgemein verbindlichen Regelungen

und Entscheidungen, in und zwischen Gruppen von Menschen abzielt“ (Patzelt, 1993, S. 14). Entsprechend können histori-

sche und politische Bildung zwar einen gemeinsamen Nenner haben, sind aber keineswegs deckungsgleich (Pandel, 1997).

Jede Definition historisch-politischer Bildung ist notgedrungen selbst normativ und zeitgebunden. Die historischen Kon-

zepte sind empirisch zu erforschen.

Im Verlaufe des 19. Jahrhunderts etablierte sich eine Sichtweise, wonach historisch-politische Bildung wesentlich zur Kon-

struktion einer nationalen Identität und zum Aufbau von Bürgertugenden beitragen sollte (Criblez, 1995; Criblez & Hof-

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stetter, 1998). Dahinter stand der Wille zur Überbrückung innerpolitischer Gräben und Zerwürfnisse, speziell derjenigen

zwischen konservativen und liberalen Kantonen. Auch vor dem Hintergrund der grossen Konflikte des 20. Jahrhunderts

(Weltkriege, Kalter Krieg) war die Stärkung nationaler Gesinnung ein wichtiges Anliegen des Geschichtsunterrichts, nun

allerdings im Sinne einer „Geistigen Landesverteidigung“ gegen äussere Feinde und ideologische Widersacher (Helbling,

1994; Furrer, 2004; Messmer, 2008). Unter diesen Vorzeichen spielten im Geschichtsunterricht Stoffe aus der Schweizer

Geschichte eine zentrale Rolle. Ohne kritische Brechung verstand man diese als 1:1-Abbildung der Vergangenheit (und

nicht als eine kritisch zu hinterfragende Konstruktion). Geschichte wurde im Modus der Meistererzählung dargeboten, der

Vermittlungsprozess vollzog sich lehrerzentriert. Die Lehrmittelgenerationen seit etwa 1970 zeugen dann von deutlich ver-

änderten Konzeptionen von Geschichte und Geschichtsunterricht. Die Schweizergeschichte wie auch die politische Ge-

schichte verloren an Bedeutung zugunsten neuer thematischer Perspektiven, etwa der Alltags- und Globalgeschichte (Feller

et al., 2001). Emotional gefärbte, heroische Meistererzählungen wurden von versachlichten Darstellungen abgelöst (Fuchs,

2001). Historische Quellen, Anleitungen zu Quellenkritik und Arbeitsaufgaben aller Art fanden Eingang in Schulbücher.

Daraus resultieren weit weniger eindeutige Geschichtsbilder als es in älteren Geschichtsdarstellungen der Fall war. Es ging

im Geschichtsunterricht nun weniger um die Beschäftigung mit einem verbindlichen Kanon historischer Stoffe zum Zwe-

cke nationaler Identitätsbildung als vielmehr um die Einübung von Denkweisen und handwerklichen Fähigkeiten, welche

die Lernenden zu einem eigenständigen, kritischen Umgang mit der Geschichte befähigen sollten. In neuester Zeit wurde

der Kompetenzbegriff ins Spiel gebracht. Entsprechend hat auch bei der Vermittlung resp. Aneignung historischer Inhalte

eine Akzentverschiebung stattgefunden von der Lehrer- zur Schülerzentrierung resp. vom Lehren zum Lernen.

Die Orientierung an nationaler Identitätsstiftung brachte den Geschichtsunterricht früh in ein Spannungsfeld zur Geschichte

als wissenschaftlicher Disziplin (Helbling, 1994; Messmer, 2009), und bis heute spielen Spannungen zwischen populären

und wissenschaftlich hergeleiteten Geschichtsbildern in den Geschichtsunterricht hinein. Ein eindrückliches Beispiel dafür

ist die heftig geführte öffentliche Debatte um das 2006 erschienene Schulbuch „Hinschauen und Nachfragen“ zur Schweiz

während der Zeit des Nationalsozialismus, das an die Erkenntnisse der Bergier-Kommission (1997–2001) anknüpft (Bränd-

li & Hediger, 2006). Die Frage, wie in der Volksschule mit dem Spannungsfeld zwischen „kulturellem Gedächtnis“ der

Gesellschaft (Assmann, 1992) und wissenschaftlich beglaubigtem historischem Wissen umgegangen werden soll, steht so-

wohl bei der Konzeption neuer Lehrpläne als auch bei der Schaffung entsprechender Lehrmittel zur Diskussion.

3 Stand der Forschung

Zum Stand der Lehrmittelforschung im Allgemeinen sowie Lehrplänen und Lehrmitteln als Steuerungsinstrumente verwei-

sen wir auf den Rahmenantrag. Die Lehrmittelforschung, die das historische Lernen in der Deutschschweiz25 in den Blick

nimmt, hat sowohl diachrone Analysen wie auch Querschnittstudien hervorgebracht. Doch abgesehen von Scandolas Dis-

sertation zur Geschichte des Geschichtsunterrichts an den Primarschulen des Kantons Bern im 19./20. Jahrhundert (1986)

mangelt es an Längsschnittstudien, die den Bogen von der Entstehung der modernen Volksschule in die Gegenwart span-

nen. Auch Furres Arbeiten (2004; 2002) zur Deutung und Darstellung der Schweizer Nationalgeschichte in Schulge-

schichtsbüchern setzt den Akzent auf Lehrmittel der Nachkriegszeit und Gegenwart und beleuchtet die vorangehende Peri-

ode nur ansatzweise.

Bis zur Einführung eines Fachs Geschichte oder Heimatkunde wird die nationale Identität insbesondere auf der Primarstufe

und da hauptsächlich im Fach Deutsch thematisiert. Fuchs (2001) untersucht dies am Beispiel des Kantons Aargau und

Helbling (1994) für die gesamte Schweiz. Helbling stellt eine grosse Konstanz bezüglich patriotischer Themen bis in die

1960er-Jahre fest. Vor 1920 dominiert der biografische Ansatz, der vorbildliche Ahnen vorführt. Ab 1920 wird die Schwei-

zer Geschichte als Stammbaum eines grossen Volks vorgetragen; ab 1960 verschwinden die patriotischen Inhalte aus den

Lesebüchern. Criblez & Hofstetter (1998) legen eine Mikroanalyse zum Geschichts- und Staatskundeunterricht im

19. Jahrhundert in den Kantonen Bern und Genf vor und beschreiben die schulische Konstruktion der Nation als liberales

Programm. Messmer (2008) untersucht Schweizer Lehrmittel für den Geschichtsunterricht seit 1914 und bereitet die Er-

25 Zur Situation der französisch- und italienischsprachigen Forschung in der Schweiz verweisen wir auf die Teilprojekte der Westschweiz und des Tessins.

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gebnisse in einem Studienbuch für die Lehrerbildung auf. Neben Schulbüchern sind in der Schweiz auch Schulwandbilder

und ihre Kommentare Teil eines nationalhistorischen Curriculums (Späni, 1998; 1996; Grunder, 1998; Criblez, 1995). So

hat etwa das in den 1930er Jahren als nationales Projekt im Sinne der Geistigen Landesverteidigung etablierte „Schweizeri-

sche Schulwandbilder Werk“ bereits Vorläufer wie bspw. der Geschichtszyklus im Mappenwerk „Schweizer Geschichte in

Bildern“ von 1870.

In der Schweiz wurde im 20. Jahrhundert verschiedentlich zum Stand der politischen Bildung geforscht (u.a. EDK, 2000;

Klöti & Risi, 1988; Reichenbach & Oser, 2000; 1998). Die aktuellsten empirischen Studien (Biedermann et al., 2007;

Quesel & Oser, 2006) untersuchen das Gelingen und Scheitern politischer Bildung anhand bestehender Partizipationskon-

zepte von Kindern und Jugendlichen (Just Community-Schulen). Sie reagieren damit auf die eher mittelmässigen Ergebnis-

se der Schweiz im Rahmen des internationalen IEA Civic Education Project in der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre (Oser &

Biedermann, 2003). Reichenbach fordert in diesem Zusammenhang die Abschaffung des „Mythos Sonderfall Schweiz“

auch im Falle der politischen Bildung (Reichenbach, 1999). Die IEA-Studie sowie die Standortbestimmung durch die EDK

bilden den Hintergrund für eine Lehrplananalyse des Fachs Politische Bildung im Kanton Bern (Calderon-Grossenbacher,

1998). Beide Studien fordern ausdrücklich die Orientierung an internationalen Standards. Mit Blick auf die Deutschschweiz

kann festgehalten werden, dass für den Kanton Bern sowohl im Bereich Lehrmittel als auch Lehrpläne viele Fragen, die im

Teilprojekt gestellt werden, schon aufgeworfen worden sind. Aus diesem Grund kann auf eine neuerliche Analyse des Kan-

tons Bern im Sample verzichtet werden. Für die übrige Deutschschweiz hingegen muss die Forschungslage bezüglich histo-

risch ausgerichteter Studien indes als ausgesprochen unbefriedigend bezeichnet werden.

Geschichtsbücher und Lehrpläne haben einen hohen Erkenntniswert für die Erforschung von historischen Bildungskonzep-

ten. Entsprechend hat sich die Schulbuchforschung, zumal die international vergleichende, in den letzten Jahrzehnten stark

entwickelt. Anregungen für das beantragte Projekt lassen sich aus Arbeiten sowohl aus den kontinentaleuropäischen wie

auch aus dem angelsächsischen Kontext gewinnen. Im kontinentaleuropäischen Raum führen verschiedene Einzel- und

Vergleichsstudien vor, wie Geschichtsbilder und Geschichtsnarrative in Lehrmitteln in Abhängigkeit von Zeiträumen (Doe-

ring, 2008; Kotte, 1997) und Sprachräumen (Koppetsch, 1993), inner- und interkulturellen Differenz (Furrer & Messmer,

2009; Morgan, 2005; Pingel, 1995, 1999) unterschiedlich ausfallen. Wie sich das Spannungsfeld zwischen Wissenschaft

und Ideologie bzw. zwischen Geschichtskultur und Wissenschaft in Lehrmitteln und Lehrplänen manifestiert, untersuchten

Jeismann (1984, 1989) sowie Thonhauser (1995). Im angelsächischen Raum skizzieren Meyer und Ramirez mit Ergebnis-

sen aus grossangelegten, internationalen Längs- und Querschnittsanalysen von Social Science Textbooks (History, Civics,

Social Science)26 die globalen Trends seit 1970 in der historisch-politischen Bildung: Seit dem späten 20. Jahrhunderts ori-

entiert sich diese an der Vision einer globalen Weltgesellschaft jenseits der Nationalstaaten. Patriotismus wird von interna-

tionalen Konzepten wie den Menschenrechten abgelöst. Die Darstellung der eigenen Nationalgeschichte im Geschichts-

lehrmittel kontrastiert unter Umständen sogar mit der Darstellung der Menschenrechte.

Der Wandel der Lehrmittel in der Schweiz ist für den Zeitraum 1970 bis heute noch weitgehend unerforscht. Der Sonder-

fall Schweiz – das Abseitsstehen der Schweiz gegenüber Europa und der Weltgemeinschaft oder die Schwierigkeiten der

Schweiz mit dem Ausland und Ausländern – wird in der aktuellen Historiographie (Maissen, 2010; Reinhardt, 2006, 2010;

Tanner, 1998) als charakteristisch bezeichnet. Gemäss Bromley (2011) zeigt sich der Trend zur Orientierung am Konzept

der Menschenrechte und einer Weltgemeinschaft in etablierten Demokratien am ausgeprägtesten. Die Frage, inwieweit dies

auch für die Schweiz gilt, sowie ob und wie sich die politische Kontroverse über den Platz der Schweiz in Europa und der

Weltgemeinschaft in den Lehrmitteln niederschlägt, verdient besondere Beachtung.

3.1 Stand der eigenen Forschung im Themenbereich

Die Mitantragstellerin Sabina Brändli (Historikerin) hat als Co-Leiterin des Fachbereichs „Geschichte/Politische Bildung“

der PH Zürich gemeinsam mit Moritz Rosenmund die Forschungsgruppe „Schule im gesellschaftlichen Kontext“ aufge-

baut, konsolidiert und damit die Schule als soziales System und dessen aktuelle Transformation vor dem Hintergrund des

26 465 Social Science Textbooks aus 69 Ländern (Meyer et al., 2010) bzw. 521 Textbooks aus 74 Ländern (Bromley, 2011).

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langzeitlichen institutionellen Wandels in den Blick genommen. Die Themen der erwähnten Forschungsgruppe werden ab

Februar 2012 im neuen Zentrum für Schulgeschichte der PHZH verortet. Der vorliegende Antrag baut im Themenbereich

der Curriculum studies auf die Forschungsarbeiten von Rosenmund und Fries auf (u.a. Fries et al. 2008; Rosenmund et al.

2002; Künzli et al. 1999). Neben der Mitantragstellerin arbeiten im Projekt mit: Stephan Hediger (Historiker, Bereichsleiter

Geschichtsausbildung Sekundarstufe) sowie Beatrice Bürgler (Politikwissenschaftlerin, Dozentin für politische Bildung,

Lehrmittelverfasserin [Bürgler/Gollob, 2008]). Im Bereich der Fachdidaktik haben Sabina Brändli und Stephan Hediger

(Geschichte) und Beatrice Bürgler (Politische Bildung) eigene Beiträge vorgelegt.

4 Detaillierter Forschungsplan

4.1 Forschungsziele und Fragestellungen

Das Teilprojekt zielt darauf ab zu rekonstruieren, welche Bildungsabsichten mit historisch-politischem Lernen in der

Volksschule im Zeitraum seit der Etablierung des modernen Bildungssystems in den deutschsprachigen Kantonen in Lehr-

plänen und Lehrmitteln verfolgt wurden. Rückschlüsse auf Bildungsabsichten lassen sich durch die Analyse von Stoffvor-

gaben, von Geschichtsbildern und expliziten didaktischen Elementen erschliessen, wie sie in Lehrplänen und Lehrmitteln

des 1. bis 9. Schuljahrs aufscheinen. Im historischen Längsschnitt wird die Entwicklung der geschichtsdidaktischen Kon-

zepte fassbar: etwa beim politischen Lernen vom vaterländischen staatsbürgerlichen Unterricht bis zur modernen politi-

schen Bildung. Im Gegensatz zur genannten diachronen werden in der synchronen Betrachtung zeitgleiche, aber unter-

schiedliche Geschichtsbilder und politische Leitbilder in den Kantonen verglichen: Sind etwa in der Zeit nach der Bundes-

staatsgründung die politischen Positionen der Kantone an Stoffvorgaben und Geschichtsbildern ablesbar? Ist bspw. das

Geschichtsbild in Zürcher Lehrmitteln und im Lehrplan liberaler als dasjenige in den einstigen Sonderbundskantonen? Die

Analyse nimmt nicht nur Geschichtslehrpläne und -mittel in den Blick, sondern bezieht punktuell auch thematisch relevante

Lehrmittel und Lehrpläne benachbarter Fächer mit ein. Die Lehrmittel werden unter der Perspektive einer produktorientier-

ten Schulbuchforschung analysiert. Folgende Fragen sind dabei forschungsleitend:

Inhalte

Auf welche Zielvorstellungen soll das historische und politische Lernen im Unterricht ausgerichtet werden? Wie soll der

anvisierte mündige Bürger dereinst denken und handeln, welche Werte soll er hochhalten und verteidigen, wenn er die

Volksschule absolviert und die politische Mündigkeit erreicht hat? Welche genderspezifischen Unterschiede sind festzu-

stellen? Über welches Wissen, welche Fähigkeiten und Fertigkeiten sollen Schülerinnen und Schüler in einer bestimmten

Altersstufe verfügen?

Lehrmittel: Welche Inhalte werden mit welchem Umfang dargestellt? In welchen Kontext werden sie eingebettet (lokal,

kantonal, national, universal)? Welche Eigenheiten haben die Geschichtsdarstellungen in den Lehrmitteln (Textgattung,

Erzählmodus, fiktionalisierende Elemente)? Welche Denkleistungen, Fähig- und Fertigkeiten werden durch die Didaktisie-

rung (Arbeitsaufträge und dergleichen) anvisiert?

Lehrpläne: Welches Gewicht und welche Verbindlichkeit hat historisches Lernen (Stundentafel/Dotation, Disziplinarität)?

Welche Inhalte werden vorgegeben? Welches Gewicht kommt ihnen zu? Welche Lernziele, Fähigkeiten/Fertigkeiten,

Kompetenzen, Standards werden festgesetzt? Welche methodischen Vorgaben werden allenfalls gemacht?

Legitimationsdiskurs bezüglich historisch-politischen Lernens

Wozu werden welche Geschichtsbilder vermittelt? Welche Absicht steckt hinter einer allenfalls im Geschichtsbild auszu-

machenden Parteilichkeit? In welchem Verhältnis stehen die Geschichtsbilder zur Geschichtswissenschaft einerseits, zur

damals vorherrschenden Geschichtskultur andererseits? Im Verhältnis zur Geschichtswissenschaft ist zudem der For-

schungsstand in Bezug auf den behandelten Inhalt von den damals bevorzugten Zugängen zu unterscheiden (z.B. Struktur-,

Sozial- oder Geschlechtergeschichte). Gibt es öffentliche Diskurse ausgehend von oder um Lehrmittel (bspw. Bergier [nach

2001])? An welchen Fragen entzünden sich bei umstrittenen Lehrmitteln zum historischen Lernen die Debatten (Thema,

Perspektive, Zugang, Parteilichkeit etc.)?

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Akteure und Akteurkonstellationen

Welche Akteure sind im Bereich des historischen Lernens in der Lehrplan- und Lehrmittelentwicklung entscheidend? Wer

erarbeitet die Mandate für die Erstellung von Lehrmitteln? Wer bestimmt über die Zulassung von Lehrmitteln? Wer sind

die Autoren/Autorenteams? Gibt es Lehrmittel-„Dynastien“ (z.B. Wilhelm Oechsli)? Prägen einzelne Autoren ein ganz

bestimmtes Bild einer Periode? Welche Experten werden beigezogen? Wie sind die oft privaten Lehrmittelverlage als Ak-

teure zu verorten?

4.2 Untersuchungsbereich

Das Teilprojekt bearbeitet Lehrmittel und Lehrpläne der Schulstufen und -typen, die der heutigen obligatorischen Schulzeit

(1.-9. Klasse) entsprechen.

Räumlich-geographisch ist das Teilprojekt in Abstimmung mit den Deutschschweizer Teilprojekten auf vier ausgewählte

Kantone aus dem Sample des Teilprojektes C „Die Lehrpläne der deutschsprachigen Schweiz“ beschränkt: Zürich, Aargau,

St. Gallen sowie Schwyz (vgl. Rahmenantrag, Tab. 2). Der Kanton Zürich wurde auf Grund seiner Grösse und seines bil-

dungspolitischen Gewichts (seit dem 19. Jahrhundert Hochschulkanton) ausgewählt. Bei den Kantonen Aargau und St. Gal-

len handelt es sich zunächst um paritätische Kantone, d.h. beide Konfessionen sind ungefähr gleich stark vertreten. Weiter

ist der Aargau im Gegensatz zu den agrarisch geprägten Innerschweizer Kantonen schon früh industrialisiert worden. Der

Kanton St. Gallen ist abgesehen vom städtischen Handelszentrum ländlich ausgeprägt. Mit Schwyz wird ein katholisch und

ländlich ausgeprägter Kanton ausgewählt. Für den synchronen Vergleich bietet sich ein traditionell konservativer Inner-

schweizer Kanton zudem an, um den Einfluss der politischen Position etwa im Nachgang des Sonderbundskriegs zu über-

prüfen. Mit diesem Sample sollen möglichst Kantone mit unterschiedlichen strukturellen Rahmenbedingungen erfasst wer-

den.

Untersuchungszeitraum: Grundsätzlich interessieren die Lehrmittel und Lehrpläne im ganzen Untersuchungszeitraum. In

Anlehnung an das Teilprojekt C und an das dort entwickelte Phasenmodell der Lehrplankonstruktion, aber v.a. auch auf-

grund gesellschaftlicher Veränderungen und politischer Entwicklungen wird davon ausgegangen, dass es einzelne zeitliche

Perioden mit grösserem Veränderungspotential im Lehrmittel- und Lehrplanbereich gibt. Im Verlauf der Explorationsphase

wird sich zeigen, welche Zeitabschnitte vertiefter analysiert werden.

4.3 Quellenmaterial, Datengenerierung und Datenanalyse

Die Rekonstruktion soll in erster Linie auf die Analyse von Lehrmitteln für Sach-, Geschichts- und punktuell (in Koopera-

tion mit Teilprojekt D) für den Deutschunterricht gestützt werden.27 Diese breite Fächerung ergibt sich aus dem bereits er-

wähnten Umstand, dass historisches Lernen in verschiedenen Fächern stattfindet, also nicht nur im Geschichts-, sondern

etwa auf der Primarstufe anfänglich v.a. im Sprachunterricht. „Geschichtliches Wissen“ wird über Lesebücher vermittelt,

erst im späten 19. Jahrhundert entstehen spezifische Heimatkunde-Lesebücher für die Primarschule. Das Schulfach Ge-

schichte mit eigenen Lehrmitteln und Unterrichtsprogrammen institutionalisiert sich erst Ende des 19. Jahrhunderts, dies

geschieht zunächst auf der Sekundarstufe.28 Explizit der Herausbildung einer kantonsübergreifenden schweizerischen Iden-

tität verpflichtet war der Staatskundeunterricht, der ebenfalls im späten 19. Jahrhundert eingeführt wurde. Andere damals

gebräuchliche Begriffe für das neue Schulfach – neben „Verfassungs-“, auch „Heimat-“ oder „Vaterlandskunde“ – weisen

auf diesen Anspruch hin. Die Lehrpläne werden ergänzend konsultiert. Bis zur zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts be-

schränken sich Lehrpläne auf Stoff- bzw. Inhaltskataloge. Entsprechend geben sie wichtige Hinweise auf die Frage nach

der Auswahl und Gewichtung geschichtlicher Inhalte. Mit dem Übergang zu Lernzielorientierung, Kern-/Spiralcurriculum

und schliesslich zu den Bildungsstandards wird der Stellenwert inhaltlicher Vorgaben in den Lehrplänen geringer. Die For-

derung nach exemplarischem Lernen führt im Extremfall dazu, dass keinerlei Inhalte mehr als verbindlich erklärt werden.

27 Allenfalls wären ergänzend Lehrmittel zu Geographie, Religion und Kultur beizuziehen. Aus pragmatischen Gründen wird darauf verzichtet. 28 Geschichte und staatsbürgerlicher Unterricht waren Kernforderungen der ab 1875 obligatorisch eingeführten pädagogischen Rekrutenprüfungen und

damit Teil der Fortbildungsschulen oder speziellen Vorbereitungskursen (Crotti, 2008b; Lustenberger, 1996).

bernardschneuwly
Texte surligné
bernardschneuwly
Texte surligné
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Das Quellenkorpus (Primärdaten) umfasst die in den untersuchten Kantonen und Zeitperioden in Kraft stehenden und ver-

wendeten Lehrmittel und Lehrpläne, soweit darin historisches Lernen angebahnt wird. Für die Lehrmittel im

19. Jahrhundert sind dies im Wesentlichen die in der Bibliographie der schweizerischen Landeskunde (Sichler, 1908) für

die Volksschule aufgeführten Publikationen. Im 20. Jahrhundert kann auf die gesamtschweizerischen systematischen Ver-

zeichnisse der in den Schulen verwendeten Lehrmittel zurückgegriffen werden (Vereinigung 1933/37; 1945). Es kommen

weiter die Lehrmittel für Sach- oder Realienunterricht dazu, die in den Kantonen mit unterschiedlichen Begriffspaaren wie

„Mensch und Umwelt“, „Mensch und Mitwelt“ usw. bezeichnet werden, zudem die Lehr- und Lernmaterialien zur politi-

schen Bildung. Nach 2000 sind die historischen Anteile in Lehrmitteln wie bspw. „Menschen in Zeit und Raum“ zu be-

rücksichtigen, die für die Fächerkombination Geographie und Geschichte geschaffen wurden. Für die Frage nach Akteuren

und Legitimationsdiskursen sind weitere Dokumente zu untersuchen etwa Lehrerzeitschriften, Protokolle von spezifischen

Kommissionen oder Mandate für die Erarbeitung von Lehrbüchern. Falls die Recherche einzelne, ausgewählte Fallstudien

nahelegt, sind allenfalls auch politische Debatten über Lehrpläne und Lehrmittel in Protokollen von Parlamenten und in den

Medien (insbesondere Tagespresse) zu analysieren.

Methodisch kommt die historische Dokumentenanalyse zum Einsatz. Die Dokumente werden sowohl hermeneutisch als

auch diskursanalytisch untersucht. Die Analysekategorien werden in der Explorationsphase anhand des Fallbeispiels des

Kantons Zürich exemplarisch aus dem erhobenen Material entwickelt und in den weiteren Kantonsanalysen abgeglichen.

Neben der Quellenanalyse wird mit der historischen Kontextanalyse gearbeitet: Referenzrahmen bilden zunächst der all-

gemeindidaktische sowie der fachdidaktische Diskurs. Weiter wird der politische Kontext des Entstehungszeitraums einbe-

zogen.

4.4 Arbeitsorganisation und Zeitplan

Es ist eine enge Zusammenarbeit mit dem Teilprojekt C der UZH und mit dem Lehrstuhl Criblez geplant, wo auch die be-

antragten Promotionsprojekte anzusiedeln sind. Arbeitsorganisation und Zeitplan entsprechen dem in Teilprojekt C formu-

lierten Verfahren (vgl. Teilprojekt C, 4.4 sowie Tab. 2). Als Produkte resultieren einerseits die einzelnen Kantonsanalysen,

andererseits der sprachregionale Vergleich der Lehrmittel und Lehrpläne der deutschsprachigen Kantone.

Projektschritt 1: Explorationsphase: In einem ersten Schritt wird für den Kanton Zürich eine umfassende diachrone Daten-

erhebung durchgeführt, um die Forschungsfragen exemplarisch beantworten zu können. Dies geschieht analog zum Teil-

projekt C, in dem der Kanton Aargau in einer Vollerhebung untersucht wird. Ausgehend von dieser ersten explorativen

Analyse werden die für die weiteren Kantonsanalysen ergiebigen historischen Phänomene bestimmt. Parallel dazu wird

anhand einschlägiger Fachliteratur das Projekt theoretisch und methodisch weiter fundiert.

Projektschritt 2: Erhebungsphase: In dieser Phase geschieht die hauptsächliche Datenerhebung und Quellenarbeit. Zusätz-

lich zu Zürich ist für die Kantone Aargau, St. Gallen und Schwyz ein Längsschnitt geplant.

Projektschritt 3: Analysephase: Die erhobenen Daten werden zueinander in Beziehung gesetzt und im synchronen als auch

diachronen Verlauf verglichen. In dieser Phase werden die Geschichtsbilder und die Vermittlungsabsichten über die gesam-

te Untersuchungszeit rekonstruiert.

Projektschritt 4: Interpretationsphase: Die Ergebnisse werden in den grösseren, die drei Sprachregionen umfassenden For-

schungszusammenhang des Sinergia-Projekts „Konstruktion und Transformation schulischen Wissens“ gesetzt und ver-

schriftlicht. Aus dem Teilprojekt werden zwei Dissertationen sowie weitere Publikationen resultieren.

5 Bedeutung der Forschungsarbeit

Das Forschungsprojekt leistet einen Beitrag zur historisch ausgerichteten geschichtsdidaktischen Forschung in der Schweiz.

Diese hat noch immer einen vergleichsweise geringen Stellenwert und auch bald zehn Jahre nach dem Aufbau der Pädago-

gischen Hochschulen wenig zur Weiterentwicklung der Disziplin beitragen können. Dass die Geschichtsdidaktik in ihrer

Selbstreflexion ausgerechnet die Dimension des Historischen vernachlässigt, ist paradox.

Wie eingangs ausgeführt, hat sich in der Schweiz eine systematisch betriebene, historisch ausgerichtete Forschung im Be-

reich der Geschichtsdidaktik bislang nicht etablieren können. Einzelne Arbeiten wurden in der Vergangenheit zwar vorge-

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legt, insgesamt ist die Situation aber unbefriedigend, nicht zuletzt im Hinblick auf die geschichtsdidaktische Lehre an Pä-

dagogischen Hochschulen. Das beantragte Forschungsprojekt füllt eine Forschungslücke, indem erstmals systematisch die

Entwicklung der historisch-politischen Bildung in der Volksschule verschiedener deutschsprachiger Kantone von den An-

fängen im 19. Jahrhundert über eine Zeitspanne von rund 180 Jahren hinweg untersucht und dabei sowohl diachron wie

auch synchron verglichen wird. Die Ergebnisse tragen zu einem besseren Verständnis bildungspolitischer Entwicklungen in

der Schweiz bei und sind wichtig in Bezug auf die Selbstreflexion einer Disziplin, die sich bei ihrer Theoriebildung zwar

durchaus an internationalen Entwicklungen orientieren soll, im Einzelnen aber doch stets auch spezifische Eigenheiten des

Schweizer Bildungsföderalismus und der hierzulande praktizierten Geschichtskultur im Auge behalten muss.

Die Ergebnisse aus dem Teilprojekt werden an Tagungen und in Form von Qualifikationsarbeiten und Zeitschriftenartikeln

gegenüber der scientific community kommuniziert. Insbesondere in Forschungsseminaren und im Rahmen von Masterar-

beiten werden Studierende in das laufende Forschungsprojekt einbezogen. Ferner liefern die Ergebnisse Grundlagen, um

künftige Konzeptionen von Lehrplänen und Lehrmittel für die Volksschule theoretisch besser zu fundieren als dies auf der

Basis des aktuellen Wissensstandes möglich ist.

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