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I9. MARZ t927 IiLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 6. JAHRGANG. Nr. 12 575 FRIEDRICH G(~PPERT ~-. Am 9. I~ebrua r verschied in Berlin im 57. Lebensjahre 17RIEDRICtt G6PPF~RT, ordentlicher Professor der Kinderheilkunde an der Uni- versit~t G6ttingen. Er hatte ein Sanatorium in Berlin aufgesucht, um dort Erholung zu linden, da ihn in tetzter Zeit stlirkere Schw~che- zust~nde heimsuehten. Sic waren der Beginn eines schwerell Let- dens, dem er unerwartet erlag. Selbst wir n~chsten Frennde ahnten nicht, dab wir sobald diesell teuren Mann verlieren sollten. G6P- I~RT entstammte ether alten, angesehenen, schlesischen Gelehrten- und Beamtenfamilie. Sein Grogvater war der bekannte Botaniker HEINRIC~ ROBERT G6PPERT, sein Vater Jurist nnd Universit~ts- referent im Preul3ischen Kultusministerium, der Vorg~nger yon ALTI~OrF, seine vier Brfider bekleiden atle heute angesehene Stel- lllngen im Reichs- und Staatsdienst. Da sein Vater It fib starb, so kam es, dal3 er l~ngere Zeit yon zu Hause fort kam und einen groi3en Teil seiner letzten Gymnasiastenzeit im Hause meiner Eltern ver- brachte. So stand er unserer Familie wie ein Sohn und Bruder nahe und hat stets allen Gliedern unserer Familie, insbesondere meiner Mutter, dankbare Treue bewahrt. Es ist vielleicht nicht llninter- essant, daI3 G6PPE~T llrsprfinglich die Absicht hatte, Theologic zu studieren und seine Mutter erstannt war, als er das medizinische Studium ergriff. Er besuchte die Universit~ten Heidelberg und Berlin, ulld schon als Studen~ wurde er neben der pathologischen Anatomic besonders durch Inllere Medizin nnd Kinderheilkllnde gefesselt. Naeh dem Examen wandte er sich nach einer kfirzeren TXtigkeit in der Patho- logie unter At~I~OLI) llnd Geburtshilfe llnter OLSHAUSEI~ der t~inder- heilkunde zu, nnd hier wurden H~UB~BR und CZERN'Z seine Lehrer. Ich well3 aus vielen Gespr~chell, mit welcher Verehrung er stets yon seinen Lehrern sprach und was er ihnell verdankte, t~r hat ihnen diese pietXtvolle Verehrung framer gewahrt, denn gerade die Treue war emer seiner sch6nsten Charakterzfige. Es ist unm6glich, bet G6PPERT den Wissenschaftler vom Men- schen zu trennen. In der ganzen Arbeit seines Lebens, selbst in der rein wissenschaftlichell, leuchtet der edle Mensch hervor. GOPP~RTS groge Begabung lag besonders auf klinisch-wissenschaftlichem Ge- biet ; er war einmal ein wirklicher Arzt im besten Sinne des \Vortes. Zugleich war er aber bet umfassender Allgemeillbildung ein durchaus wissenschaftlicher Kopf, und gerade er vereinigte die heute so oft geforderte Synthese yon Wissenschaftler nnd Arzt in glficklicher Weise. Mit ether Liebe ohne gleichen widmete er sich seinen I~ran- ken, beobachtete nicht nur alle Krankhei%symptome aufs genaueste, sondern studierte sie und hat gerade dutch diese Ieine klinische Beobachtungskunst ullserer Wissenschaft viel geschenkt. Er scheute fur seine I~ranken weder Zeit, noch Milhe, noch Geld -- wohl kaum ein Kliniker war ant materielle Vorteile weniger bedacht als er -- nein, er war ihnen Freulld llnd seelischer Helfer, ja, er konnte, wie es in der Bibel heigt, ,,mit den Weinellden weinen und mit den Freuenden sich french". Deshalb war er filr unsere heran- wachsende Jugend, die noch immer viel VerstXndnis ffir Ideale hat, ein so unvergleichliches Vorbild, ein llnilbertroffener Lehrer. Rr batte in ~uBerlichen Dillgen manche Eigenheiten, und wet ihn nur oberfl~chlich kannte, wurde durch diese Eigenheiten sehr in seinem Urteil ihm gegenfiber getrftbt. Eine gewisse Weltfremdheit und Zerstreutheit konnte all ihm auffaIIen. Er selbst war sich dieser Schw~chen wohl bewllf3t, und wie k6stlich konnte er mit seinem feinen Humor sieh selbst dann ironisieren. Stets aber genfigte ein kurzes Zusalnmensein, um sein wissenschaftliches t(6nnen, sein warmes Herz llnd seinen edlen Charakter zu erkennen. Rfihrend war seine Liebe zu Blllmen und Tieren und gerade hierin offellbarte sich die ganze Zartheit seiner Seele, ja mit seinem Hund pflegte er direkt menschliche Zwiesprache zu halten. Es ist bezeichnend ffir seine innere Bescheidenheit und seine Vorliebe filr den Beruf des Arztes als Helfer, dab er znn~tchst in die Praxis ging, trotzdem ihm seine Lehrer die M6glichkeit zur Habilitation gaben. In seiner schlesi- sehen Heimat, die er tiber alles liebte, in Kattowitz, liel3 er sich nieder und hat daselbst in den Jahren 19oo-19o9 Ms allgemeiner Kinder- arzt gewirkt. Koch heute ist er dort unvergessen. Ich habe das Glilck gehabt, als junger Assistent ihn 4 Wochen in dieser Praxis vertreten zu dfirfell und weiB aus Erfahrung, mit welcher Verehrung seine Pa- tienten an ihm hingen. Er machte nie einen Unterschied zwischen hoch und niedrig, reich und arm, llnd jedes kranke Kind wurde mit der gleichen Liebe llnd Sorgfalt behandelt. Unvergessen soil ihm abet bleiben, wie er in dieser Kattowitzer Zeit als deutscher Pionier gewirkt hat. Gerade dadurch, dab er yon seillem reichen Wissen, seiner groBell Erfahrung und von seinem goldenen Herzen jedem gab, der zu ihm kam, hat er in der polnischen Bev61kerullg eine Verehrung und Achtung sich erworben, hat er durch diese stille Arbeit dem Deutschtum unendlich genfitzt. V%Zietief er besonders mit seiner sehlesischen Heimat als Deutscher verbunden war, das konnte man erkennen, als uns ein groBer Tell yon Oberschlesien durch die brutale Gewalt unserer Feinde entrissen wurde. Er war in jenen Tagen und Wochen nicht nut seelisch, sondern such k6rperlich krank, so sehr nahm ihn das Schicksal Oberschlesiens mit. In Berlin als Schiller HEUBNERS und in Breslau als Assistent CZERNYS verfaBte er seine ersten wissenschaftlichen Arbeifen. Neben verschiedenen ldeineren Arbeiten war es besonders eine grundlegende Schrift fiber die Mittelohrentzfindungen der Sgug- linge, ein Gebiet, das bis damn klinisch und anatomisch so gut wie gar nicht bearbeitet war. Die Arbeit ist deshalb grundlegend ge- worden. Bet CZERNY befaBte er sich besonders mit Stoffweehsel- untersuchungen, speziell fiber Harnsgure. Aber in Kattowitz ruhte er trotz groBer PraMs nicht. Line Reihe yon Publikationen zeugen davon, wie rege sein wissenschaftlieher Trieb in der Praxis war. Als dann die schwere Genickstarre-Epidemie im Jahre 19o 5 in Oberschlesien ausbrach, wurde er yon der PreuBischen Regierung beauftragt, genaue Untersuchungen vorzunehmen; sofort gab er seine PraMs ant und widmete sieh dieser groBen Aufgabe, Die Frilchte dieser Arbeit legte GOPPERT in ether Mollographie fiber Genickstarre nieder, die weft fiber Deutschland hinaus gewilrdigt ist, und die ffir die Kenntnis dieser Krankheit grundlegend wurde und ihm die vollste Anerkennung aller Fachkollegen eintrug. Durch den Erfolg dieser Arbeit angespornt, legte er den Grund zu weiteren Arbeiten aus seinen oberschlesischen Erfahrungen, die alle den hervorragenden nnd wissenschaftlichen Kliniker und Arzt verraten. So halte ich seine Arbeit fiber Pyelocystitis im Kindesalter deshalb ftir so bedeutend, weil G61"PE~T damit ein Krankheitsbild neu schuf, das wohl diagnostisch bekannt, aber vOllig llnbearbeitet war. Auch seine spateren Arbeiten fiber Ruhr fuBten ganz besonders auf den Kattowitzer Erfahrungen. So reifte allmahlich such der Gedanke, sich zu habilitieren; er ging im Jahre 19o 9 nach Kiel zu VON STARCK; doch bevor er habilitiert war, wurde er als Professor nach G6ttingen berufen. Er ist dieser Klinik treu geblieben llnd hat such einen RIll (K6nigsberg), der an ihn herantrat, abgelehnt. Hier in G6ttingen baute er die Klinik aus und schnf eine Arbeits- statte, ans der eine groBe Anzahl ausgezeichneter Arbeiten yon ihm und seinen Schfilern hervorging. Erwghnen m6chte ich lloch seine Arbeiten fiber die Calciumtherapie bei Tetanie, seine Monographie Uber die Hals-, Nasen- , Ohrenerkrankungen, ein Gebiet, auf dem er besonders Autoritat war und das ffir seine subtile, akurate Arbeits- methode bezeichnend war; ferner sein mit LANGsTEIN znsammen herausgegebenes Therapeuticum. Dies Bueh ist gerade fflr den Fachmann eine Fundgrube feiner Beobachtungen nnd wohl kein anderer sis G6PPERT war imstande, eine Therapie der Kinder- krankheiten in diesem grogen Stile zu schreiben. Endlich ist das Kapitel Diphtherie im v. Bergmann-Staehelinschell Handbuch zu erwghnen, eine ganz vorzflgliche monographisehe Darstellung dieser Erkrankung. Was G6PPERTS wissenschaftliches Arbeiten auszeichnet, ist sein umfassendes, allgemeines, naturwissensehaffliches Denken und Wissen, seine hervorragend klinisehe Beobaehtungsgabe, die er wie kaum ein zweiter unseres Faches beherrschte. Jede Sache, der er sich widmete, zeugt yon seiner ungeheurell Sorgfalt und Gewissen- haftigkeit. \u wfirden in G6PPE~Ts Leben etwas Wichtiges vergessen, wenn wir nicht seiner Gattin und Familie gedaehten. In Kattowitz Iander seine Frau, mit der er 26 Jahre in glUcklicher Ehe verbunden blieb. G6PPERT verdankt seiner Frau unend!ich viel. Sic verstand es, das Haus zum Mittelpunkt eiller edlen Geselligkeit zu machen, sic war ihm nicht nut die liebevolle Gattin, sondern auch die treue Kameradin, die alle Leiden und Sorgen des Berufes, die oft schwer ant ihm lasteten, mit ibm trug; gerade sic brachte ihn fiber vieles Schwere hinweg. Ja, wir m6chten glauben, dab G6PP~RT ohne seine Frall kaum den EntschluB gefaBt hXtte, Kattowitz zu ver- lassen und doch war dieser Schritt fur ihn llnd unsere Wissen- schaft fiberaus glficklich ulld richtig. Beide Charaktere ergXnzten sieh in selteller Harmonic. Line reich begabte Tochter ward ihnen geschenkt, der er besonders nahestand. Zu Irfih, viel zu Irfih ist er uns gellommen, denn er stand in vollster Schaffenskraft, nnd viel h~tte er uns noch schenken k6nnen. Und dennoch beklagen wit nicht seinen Tod. Er hat ein sch6nes Leben vollendet, denn er ist sieh stets treu geblieben, ja, ,,selbstlos und trez*", das sind die \Vorte, die nns dieser edle Menseh vorlebte. Eifern wir ihm llach. RIETSCHEL, Wfirzburg.

Friedrich Göppert

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I9. MARZ t927 I i L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . 6. J A H R G A N G . N r . 12 5 7 5

FRIEDRICH G(~PPERT ~-.

A m 9. I~ebrua r versch ied in Ber l in i m 57. L e b e n s j a h r e 17RIEDRICtt G6PPF~RT, o rden t l i cher Professor der K i n d e r h e i l k u n d e an der Uni - ve rs i t~ t G6t t ingen . Er h a t t e ein S a n a t o r i u m in Ber l in au fgesuch t , u m do r t E r h o l u n g zu l inden, da i hn in te tz ter Zeit s t l i rkere Schw~che- zus t~nde h e i m s u e h t e n . Sic wa ren der B eg i nn eines schwerel l Let- dens, d e m er u n e r w a r t e t erlag. Selbst wir n~chs t en F r e n n d e a h n t e n nicht , dab wir sobald diesell t e u r e n M a n n ver l ieren sol l ten. G6P- I~RT e n t s t a m m t e ether a l ten, angesehenen , schles ischen Gelehr ten- u n d Beamten fami l i e . Sein G r o g v a t e r war der b e k a n n t e Bo tan ike r HEINRIC~ ROBERT G6PPERT, sein Vate r J u r i s t n n d Univers i t~ t s - re fe ren t im Preul3ischen K u l t u s m i n i s t e r i u m , der Vorg~nger yon ALTI~OrF, seine vier Brf ider bekle iden atle h e u t e angesehene Stel- l l lngen im Reichs- u n d S taa t sd i ens t . Da sein Vate r I t fib s tarb , so k a m es, dal3 er l~ngere Zeit yon zu H a u s e for t k a m u n d e inen groi3en Teil seiner l e tz ten G y m n a s i a s t e n z e i t i m H a u s e meiner E l t e rn ver- b rach te . So s t a n d er unse r e r Fami l ie wie ein Sohn u n d Brude r n a h e und h a t s t e t s al len Gliedern unse re r Famil ie , insbesondere meiner Mut te r , d a n k b a r e Treue bewahr t . E s ist v ie l le icht n i ch t l ln inter- essant , daI3 G6PPE~T l l rsprf ingl ich die Abs i ch t ha t t e , Theologic zu s tud ie ren u n d seine M u t t e r e r s t a n n t war, als er das mediz in i sche S t u d i u m ergriff.

E r b e s u c h t e die Un ive r s i t~ t en Heide lberg u n d Berlin, ulld schon als Studen~ wurde er n e b e n der pa tho log i schen A n a t o m i c besonders d u r c h Inl lere Medizin n n d Kinderhe i lk l lnde gefesselt . N a e h d e m E x a m e n w a n d t e er s ich n a c h einer kfirzeren TXtigkei t in der P a t h o - logie u n t e r At~I~OLI) l lnd Gebur t sh i l f e l ln ter OLSHAUSEI~ der t~inder- he i l kunde zu, n n d hier w u r d e n H~UB~BR u n d CZERN'Z seine Lehrer . I ch well3 aus vie len Gespr~chell , m i t welcher V e r e h r u n g er s t e t s yon se inen Lehre rn sp r ach u n d was er ihnell ve rdank t e , t~r h a t i hnen diese pietXtvolle V e r e h r u n g f ramer gewahr t , d enn gerade die Treue war emer seiner s ch6ns t en Charakterzf ige .

Es is t unm6gl i ch , bet G6PPERT den Wissenscha f t l e r v o m Men- schen zu t r ennen . I n der ganzen Arbe i t seines Lebens , se lbs t in der rein wissenschaf t l ichel l , l euch te t der edle Mensch hervor . GOPP~RTS groge B e g a b u n g lag besonders au f k l in i sch-wissenschaf t l i chem Ge- biet ; er war e inma l ein wirk l icher Arz t i m bes t en Sinne des \Vortes . Zugleich war er aber bet u m f a s s e n d e r Al lgemei l lb i ldung ein d u r c h a u s wissenschaf t l i cher Kopf , u n d gerade er vere in ig te die h e u t e so of t geforder te Syn the se yon Wissenscha f t l e r n n d Arz t in glficklicher Weise. Mit ether Liebe ohne gleichen w i d m e t e er sich se inen I~ran- ken, b e o b a c h t e t e n i ch t n u r alle K r a n k h e i % s y m p t o m e aufs genaues te , sonde rn s tud ie r t e sie u n d h a t gerade d u t c h diese Ieine kl in ische B e o b a c h t u n g s k u n s t ul lserer W i s s e n s c h a f t viel geschenk t . E r s cheu te fur seine I~ranken weder Zeit, noch Milhe, noch Geld -- wohl k a u m ein Kl in iker war an t mater ie l le Vortei le weniger b e d a c h t als er - - nein, er war i h n e n Freul ld l lnd seelischer Helfer , ja, er konnte , wie es in der Bibel he ig t , , ,mi t den Weine l lden we inen u n d mi t den F r e u e n d e n sich f r ench" . Desha lb war er filr unse re he r an - wachsende Jugend , die noch i m m e r v i e l Vers tXndnis ffir Ideale hat , ein so unverg le ich l iches Vorbild, ein l ln i lber t roffener Lehrer . Rr b a t t e in ~uBerl ichen Dil lgen m a n c h e Eigenhe i ten , u n d wet ihn nu r oberf l~chl ich kann t e , wurde d u r c h diese E igenhe i t en sehr in se inem Urte i l i h m gegenfiber getrf tbt . E ine gewisse W e l t f r e m d h e i t u n d Ze r s t r eu the i t k o n n t e all i h m auffaIIen. Er se lbs t war sich dieser Schw~chen wohl bewllf3t, u n d wie k6s t l ich k o n n t e er m i t s e inem feinen H u m o r s ieh se lbs t d a n n ironisieren. Ste ts aber genfigte ein kurzes Zusa lnmense in , u m sein wissenschaf t l i ches t (6nnen , sein w a r m e s Herz l lnd se inen edlen Cha rak t e r zu e rkennen . Rf ih rend war seine Liebe zu Bl l lmen u n d Tieren u n d gerade hier in offel lbar te s ich die ganze Za r t he i t se iner Seele, ja m i t s e inem H u n d pf legte er d i rek t mensch l i che Zwiesprache zu ha l t en . Es is t beze ichnend ffir seine innere Besche idenhe i t u n d seine Vorliebe filr den Beruf des Arz tes als Helfer , dab er znn~tchst in die P rax i s ging, t r o t z d e m i h m seine Lehre r die M6gl ichkei t zur Hab i l i t a t i on gaben. I n seiner schlesi- sehen H e i m a t , die er tiber alles liebte, in Ka t towi t z , liel3 er s ich n ieder u n d h a t dase lbs t in den J a h r e n 1 9 o o - 1 9 o 9 Ms a l lgemeiner K inde r - a rz t gewirkt . Koch h e u t e is t er do r t unve rgessen . I ch habe das Glilck gehabt , als j unge r Ass i s t en t i hn 4 W o c h e n in dieser P rax i s ve r t r e t en zu dfirfell u n d weiB aus E r f a h r u n g , m i t welcher V e r e h r u n g seine Pa - t i en t en an i h m h ingen . Er m a c h t e nie einen Un te r sch i ed zwischen hoch u n d niedrig, re ich u n d a rm, l lnd jedes k r anke K i n d wurde m i t der gleichen Liebe l lnd Sorgfa l t behande l t . U n v e r g e s s e n soil i h m abe t bleiben, wie er in dieser K a t t o w i t z e r Zeit als deu t s che r Pionier gewirk t ha t . Gerade dadurch , dab er yon seil lem re ichen Wissen , seiner groBell E r f a h r u n g u n d von se inem go ldenen Herzen j e d e m gab, der zu i h m kam, h a t er in der po ln ischen Bev61kerullg eine V e r e h r u n g und A c h t u n g sich erworben, h a t er du rch diese stille Arbe i t d e m

D e u t s c h t u m unend l i ch genfi tzt . V%Zie t ief er besonders m i t seiner sehles ischen H e i m a t als D e u t s c h e r v e r b u n d e n war, das k o n n t e m a n erkennen, als u n s ein groBer Tell yon Oberschles ien d u r c h die b r u t a l e Gewal t unse re r Fe inde en t r i s sen wurde . Er war in j enen T a g e n u n d W o c h e n n ich t n u t seelisch, sonde rn s u c h k6rper l ich k rank , so sehr n a h m ihn das Schicksal Oberschles iens mit .

I n Ber l in als Schiller HEUBNERS u n d in Bres lau als Ass i s t en t CZERNYS verfaBte er seine e rs ten wissenschaf t l i chen Arbeifen. Neben ve r sch iedenen lde ineren Arbe i ten war es besonders eine g rund l egende Schr i f t fiber die Mi t t e loh ren t z f indungen der Sgug- linge, ein Gebiet, das bis d a m n kl in isch u n d a n a t o m i s c h so g u t wie gar n i ch t bea rbe i t e t war. Die Arbe i t i s t desha lb g r u n d l e g e n d ge- worden. Bet CZERNY befaBte er s ich besonders m i t Stoffweehsel- u n t e r s u c h u n g e n , speziell fiber H a r n s g u r e . Aber in K a t t o w i t z r u h t e er t ro tz groBer P raMs n ich t . L ine Reihe y o n Pu b l i k a t i o n en zeugen davon , wie rege sein wissenschaf t l i eher Tr ieb in der P r ax i s war. Als d a n n die schwere Gen icks t a r r e -Ep idemie im Jah re 19o 5 in Oberschles ien ausb rach , w u r d e er yon der PreuBischen Reg i e ru n g beau f t r ag t , genaue U n t e r s u c h u n g e n v o r z u n e h m e n ; sofor t gab er seine P r a M s an t u n d w idme te s ieh dieser groBen Aufgabe , Die Fr i lch te dieser Arbe i t legte GOPPERT in ether Mollographie fiber Genicks ta r re nieder, die weft fiber D e u t s c h l a n d h i n a u s gewil rdigt ist, u n d die ffir die K e n n t n i s dieser K r a n k h e i t g r u n d l e g e n d w u r d e u n d i h m die vol ls te A n e r k e n n u n g aller Fachko l l egen e in t rug . D u r c h den Erfolg dieser Arbe i t angesporn t , legte er den G r u n d zu wei teren Arbe i t en aus se inen oberschles ischen E r f a h r u n g e n , die alle den h e r v o r r a g e n d e n n n d wissenschaf t l i chen Kl in iker u n d Arz t ve r ra ten . So ha l t e ich seine Arbe i t fiber Pye locys t i t i s im Kin d esa l t e r desha lb ftir so bedeu tend , weil G61"PE~T d a m i t ein K r a n k h e i t s b i l d neu schuf, das wohl d i agnos t i s ch b e k a n n t , aber vOllig l lnbearbe i t e t war. A u c h seine spa t e ren Arbe i ten fiber R u h r fuBten g an z besonders au f den K a t t o w i t z e r E r f a h r u n g e n . So reif te a l lmah l i ch s u c h der Gedanke , s ich zu habi l i t i e ren ; er ging im J a h r e 19o 9 n a c h Kiel zu VON STARCK; doch bevor er hab i l i t i e r t war, wurde er als Professor n a c h G6t t ingen berufen . Er is t dieser Kl in ik t r eu gebl ieben l lnd h a t s u c h e inen RIll (K6nigsberg) , der an ihn h e r a n t r a t , abge lehn t . Hier in G6t t ingen b a u t e er die Kl in ik aus u n d s ch n f eine Arbe i t s - s t a t t e , an s der eine groBe A n z a h l ausgeze ichne te r Arbe i t en yon i h m u n d seinen Schfilern hervorg ing . E r w g h n e n m 6 c h t e ich l loch seine Arbe i ten fiber die Ca lc iumthe rap ie bei Tetanie , seine Monograph ie Uber die Hals- , Nasen- , O h r e n e r k r a n k u n g e n , ein Gebiet , au f d e m er besonders A u t o r i t a t war u n d das ffir seine subt i le , a k u r a t e Arbe i t s - m e t h o d e beze ichnend war ; ferner sein m i t LANGsTEIN znsammen he rausgegebenes T h e r a p e u t i c u m . Dies B u e h is t gerade fflr den F a c h m a n n eine F u n d g r u b e feiner B e o b a c h t u n g e n n n d wohl kein andere r s i s G6PPERT war ims t ande , eine The rap ie der Kinder - k r a n k h e i t e n in d iesem grogen Stile zu schre iben . End l i ch ist das Kap i t e l D iph the r i e im v. Be rgmann-S taehe l in sche l l H a n d b u c h zu e rwghnen , eine ganz vorzflgl iche m o n o g r a p h i s e h e Dar s t e l l ung dieser E r k r a n k u n g .

W a s G6PPERTS wissenschaf t l i ches Arbe i ten ausze ichne t , i s t sein umfas sendes , a l lgemeines , na tu rwi s senseha f f l i ches D e n k e n u n d Wissen , seine h e r v o r r a g e n d kl inisehe B e o b a e h t u n g s g a b e , die er wie k a u m ein zweiter unseres Faches beher r sch te . Jede Sache, der er s ich widmete , zeug t yon seiner ungeheure l l Sorgfal t u n d Gewissen- haf t igke i t .

\ u wfirden in G6PPE~Ts Leben e twas Wich t iges vergessen , wenn wir n i ch t seiner Ga t t i n u n d Fami l ie gedaeh ten . I n K a t t o w i t z I a n d e r seine F rau , m i t der er 26 J a h r e in glUcklicher Eh e v e r b u n d e n blieb. G6PPERT v e r d a n k t seiner F r a u unend! i ch viel. Sic v e r s t a n d es, das H a u s z u m M i t t e l p u n k t eiller edlen Gesel l igkei t zu m a c h e n , sic war i h m n ich t n u t die l iebevolle Gat t in , sondern a u c h die t r eue K a m e r a d i n , die alle Leiden u n d Sorgen des Berufes , die of t schwer an t i h m las te ten , m i t i b m t rug ; gerade sic b r a c h t e ihn fiber vieles Schwere hinweg. Ja , wir m 6 c h t e n g lauben , dab G6PP~RT ohne seine Frall k a u m den En t sch luB gefaBt hXtte, K a t t o w i t z zu ver- lassen u n d doch war dieser Schr i t t fur i h n llnd unse re Wissen - schaf t f iberaus glficklich ulld r icht ig . Beide Cha rak t e r e ergXnzten sieh in selteller H a r m o n i c . L ine re ich begab te Toch t e r wa rd i h n en geschenk t , der er besonders n a h e s t a n d .

Zu Irfih, viel zu Irfih is t er u n s ge l lommen, denn er s t a n d in vol ls ter Schaf fenskra f t , n n d viel h~ t t e er u n s noch s ch en k en k6nnen . U n d d e n n o c h bek lagen wi t n i ch t se inen Tod. Er h a t ein sch6nes Leben vol lendet , denn er is t s ieh s te t s t r eu geblieben, ja, ,,selbstlos und trez*", das s ind die \Vorte, die n n s dieser edle Menseh vor lebte . Eifern wir i h m llach. RIETSCHEL, Wfi rzburg .