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Rheologica Acta Rheol Acta 26:1 (1987) Obituary Friedrich Horst Miiller (1907-1986) Wenn ich einen Nachruf auf meinen lieben Kollegen F. Horst Mfiller in Form eines Lobes seiner Verdienste schreiben wt~rde, dann wfil3te ich, dab nur ein Schmunzeln fiber sein gutmt~- tiges Gesicht liefe, denn F. H. Mailer ist trotz aller Erfolge bis zuletzt ein bescheidener Mensch geblieben. Deshalb versuche ich, das Umfeld zu schildern, welches den Beginn seiner wissenschaftlichen T~i- tigkeit umgab, auch wenn ich damit etwas heute Selbstver- stfindliches beleuchte. F. H. M~iller erlebte und mit- gestaltete das Modell des sich kn~uelnden Makromolekt~ls. Ich sehe noch lebhaft vor mir, wie H. Staudinger einen dan- nen Zeigestock aus Bambus verbog, um damit die Gum- mielastizit~it als Eigenschaft ,,schwirrender St~bchen" zu erkl~iren. Die Vorstellung einer Kn~iuelung der Molekfile setz- te sich dagegen erst langsam durch, und F. H. Mt~ller war hierbei einer der Pioniere. Er kam aus der Schule des Nobelpreistr~igers P. Debye und war in Fragen der Fliissigkeitstheorie und Dipol- orientierung sehr gut geschult. So widmete er sich den Fragen des Zusammenhanges von Gestalt, Kraftfeld und innerer Beweglichkeit der monomeren Bausteine der Polymeren und schuf daraus Vorstellungen fiber die Zusammenlagerung von Molekt~lgesamtheiten zu kom- paktem Material zur Erkl~irung yon dessen physikali- schem Verhalten. Er behandelte die Grundlagen solcher Probleme, von denen w~hrend seiner Arbeitszeit noch sehr viele often waren. Mit viel Eifer und Temperament verteidigte F. H. Mt~l- ler auf nationalen und internationalen Tagungen seine Theorien, wobei sein Englisch durch einen unt~berhSr- baren s~chsischen Akzent ,,verklfirt" wurde. Stets aber leuchtete durch all seinen Eifer die Bescheidenheit des grol3en Forschers. Nicht zuletzt deshalb hat er sehr viele Freunde unter den Wissen- schaftlern des In- und Auslan- des hinterlassen, die sein Bild als das eines reinen Wissen- schaftlers und unermt~dlichen Forschers, eines guten, freund- schaftlichen Kollegen und lie- benswerten Menschen noch lange in der Erinnerung be- wahren werden. Kurt l~berreiter (Berlin) Prof. F. Horst Mt~ller war einer der Grt~ndungsmitglieder der (sp~iter mit der Deutschen Rheologischen Gesellschaft vereinigten) Deutschen Rheo- logenvereinigung und viele Jahre Mitglied des Vorstandes. Als President des Dritten In- ternationalen Rheologie-Kongresses in Bad Oeynhau- sen 1958 und Ehrenpr~isident des nachfolgenden Kon- gresses in Providence (R.I./ U.S.A.) 1963 setzte er sich aber auch auf fibernationaler Ebene ft~r die F6rderung der Rheologie ein. Weiterhin geh6rte er von Anfang an - d.h. seit 1958 -dem Herausgeberkollegium der Rhe- ologica Acta an und stellte dieser seine vor allem im Anfangsstadium so dringend ben0tigte Erfahrung als Herausgeber der Kolloid-Zeitschrift (heute: Colloid & Polymer Science) zur Verft~gung. Sowohl die Deutsche Rheologische Gesellschaft als auch die Schriftleitung der Rheologica Acta haben daher allen Grund, dem Abgeschiedenen ein ehrendes Andenken zu bewahren. Hanswalter Giesekus (Dortmund)

Friedrich Horst Müller (1907–1986)

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Page 1: Friedrich Horst Müller (1907–1986)

Rheologica Acta Rheol Acta 26:1 (1987)

Obituary Friedrich Horst Miiller (1907-1986)

Wenn ich einen Nachruf auf meinen lieben Kollegen F. Horst Mfiller in Form eines Lobes seiner Verdienste schreiben wt~rde, dann wfil3te ich, dab nur ein Schmunzeln fiber sein gutmt~- tiges Gesicht liefe, denn F. H. Mailer ist trotz aller Erfolge bis zuletzt ein bescheidener Mensch geblieben. Deshalb versuche ich, das Umfeld zu schildern, welches den Beginn seiner wissenschaftlichen T~i- tigkeit umgab, auch wenn ich damit etwas heute Selbstver- stfindliches beleuchte. F. H. M~iller erlebte und mit- gestaltete das Modell des sich kn~uelnden Makromolekt~ls. Ich sehe noch lebhaft vor mir, wie H. Staudinger einen dan- nen Zeigestock aus Bambus verbog, um damit die Gum- mielastizit~it als Eigenschaft ,,schwirrender St~bchen" zu erkl~iren. Die Vorstellung einer Kn~iuelung der Molekfile setz- te sich dagegen erst langsam durch, und F. H. Mt~ller war hierbei einer der Pioniere. Er kam aus der Schule des Nobelpreistr~igers P. Debye und war in Fragen der Fliissigkeitstheorie und Dipol- orientierung sehr gut geschult. So widmete er sich den Fragen des Zusammenhanges von Gestalt, Kraftfeld und innerer Beweglichkeit der monomeren Bausteine der Polymeren und schuf daraus Vorstellungen fiber die Zusammenlagerung von Molekt~lgesamtheiten zu kom- paktem Material zur Erkl~irung yon dessen physikali- schem Verhalten. Er behandelte die Grundlagen solcher Probleme, von denen w~hrend seiner Arbeitszeit noch sehr viele often waren. Mit viel Eifer und Temperament verteidigte F. H. Mt~l- ler auf nationalen und internationalen Tagungen seine

Theorien, wobei sein Englisch durch einen unt~berhSr- baren s~chsischen Akzent ,,verklfirt" wurde. Stets aber leuchtete durch all seinen Eifer die Bescheidenheit des

grol3en Forschers. Nicht zuletzt deshalb hat er sehr viele Freunde unter den Wissen- schaftlern des In- und Auslan- des hinterlassen, die sein Bild als das eines reinen Wissen- schaftlers und unermt~dlichen Forschers, eines guten, freund- schaftlichen Kollegen und lie- benswerten Menschen noch lange in der Erinnerung be- wahren werden.

Kurt l~berreiter (Berlin)

Prof. F. Horst Mt~ller war einer der Grt~ndungsmitglieder der (sp~iter mit der Deutschen Rheologischen Gesellschaft vereinigten) Deutschen Rheo- logenvereinigung und viele Jahre Mitglied des Vorstandes. Als President des Dritten In-

ternationalen Rheologie-Kongresses in Bad Oeynhau- sen 1958 und Ehrenpr~isident des nachfolgenden Kon- gresses in Providence (R.I./ U.S.A.) 1963 setzte er sich aber auch auf fibernationaler Ebene ft~r die F6rderung der Rheologie ein. Weiterhin geh6rte er von Anfang an - d.h. seit 1958 - d e m Herausgeberkollegium der Rhe- ologica Acta an und stellte dieser seine vor allem im Anfangsstadium so dringend ben0tigte Erfahrung als Herausgeber der Kolloid-Zeitschrift (heute: Colloid & Polymer Science) zur Verft~gung. Sowohl die Deutsche Rheologische Gesellschaft als auch die Schriftleitung der Rheologica Acta haben daher allen Grund, dem Abgeschiedenen ein ehrendes Andenken zu bewahren.

Hanswalter Giesekus (Dortmund)