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Württembergische Staats post ab 1851 Die württembergische Staatspost sollte von 1851 bis 1920dauern. Bei der Übernahme waren in Würt- temberg 122 Postanstalten vorhanden. Die Ober- postämter blieben zunächst erhalten, wurden aber ab 1.Juni 1852 aufgehoben und die Postanstalten unmittelbar der "Postkommission", ab 1858 "Post- direktion" genannt, unterstellt. Wegen der vielfach erforderlichen Verhandlungen mit den Nach- barstaaten ging die Leitung der Verkehrsanstalten vom Finanzministerium im Jahre 1864 auf das De- partement der auswärtigen Angelegenheiten über, bei dem die Zentralbehörde für die Verkehrsanstal- ten eine Abteilung bildete. Am 1.September 1851 erfolgte der Beitritt zum deutsch-österreichischen Postverein. Neben der weiteren Gründung von Postanstalten, in unserer Gegend 1856in Essendorf, 1857in Warthausen, 1860in Ummendorf, ereigneten sich große postalische und andere Umwälzungen in Deutschland. Nach dem Kriege von 1866 führte Preußen sein erklärtes Ziel durch, das Taxissehe Postwesen endgültig zu beseitigen. Das schwierige Ablösungswerk führte der Geheime Postrat Ste- phan mit Umsicht und Nachdruck zu Ende. Preu- ßen übernahm am 1.Juli 1867 das Taxissehe Post- wesen mit allen Rechten in seine Verwaltung und gewährte dem Fürsten Maximilian Karl eine Abfin- dung von 3 Millionen Talern in bar. Damit gab es ab 1868 neben der Norddeutschen Bundespost unter Führung Preußens noch Postverwaltungen in Ba- den, Bayern und Württemberg, wobei Bayern und Württemberg ihre eigene Verwaltung bis 1920/21 behalten sollten. Nach der Reichsverfassung vom 16.April 1871 und Gründung der Deutschen Reichspost blieb dem Königreich Württemberg die selbständige Aus- übung des Post- und Telegraphendienstes in sei- nem Gebiete gewahrt. Dem Reich stand jedoch die Gesetzgebung über rechtliche Verhältnisse, über Portofreiheiten und das Taxwesen zu mit Ausnah- me der Bestimmungen für den innerwürttembergi- sehen Verkehr. Am 1.April 1881trat eineneue Be- hördengliederung in Kraft, die bis zum Ubergang der württembergischen Post an das Reich gültig blieb. Als selbständige Direktivbehörde war die Generaldirektion der Posten und Telegraphen beim Ministerium des Auswärtigen für die unmittelbare Leitung und Beaufsichtigung des Post- und Tele- graphenbetriebs zuständig. Schon am 19.Oktober 1878 wurde ein "beratender Ausschuß von Vertre- tern des Handels und Gewerbes sowie der Land- wirtschaft" zur Wahrnehmung der Ansprüche die- ser Berufskreise ins Leben gerufen, also ein Vorlau- fer des heutigen Postverwaltungsrats. Aus ihm ging später der aus je acht Vertretern des Handels, der Gewerbevereinigungen und der Landwirtschaft ge- bildete "Beirat der Verkehrs anstalten" hervor mit der Aufgabe, in wichtigen Verkehrs fragen gutacht- liche Äußerungen abzugeben sowie Wünsche und Beschwerden zur Kenntnis des Ministeriums zu bringen. (Fortsetzung folgt) Friedrich Eser (1798-1873) Ein bedeutender Oberschwabe - Von Gabriele Freifrau von Koenig-Warthausen In unserer Publikation über "Wilhelm Waiblinger und sein oberschwäbischer Freund" lernten wir einen Mann kennen, der es besonders verdient, daß sein Andenken in Oberschwaben hochgehalten wird: Friedrich Xaver Eser, der am 14.Februar 1798 zu Hürbel geboren wurde. Der Vater, Judas Thad- däus Eser, verheiratet mit Kreszenz v. Zwergern aus Babenhausen, war seit 1700 dort freiherrlich Frey- berg-Eisenbergischer Rat und Obervogt. Die Fami- lie Eser war katholisch und stammte aus der bayeri- sehen Provinz Schwaben. Von fünf Kindern blieben nur Friedrich und eine zehn Jahre ältere Schwester Sophie am Leben, nachmals verheiratet mit dem Landschaftskassier v. Welz in Altdorf- Weingarten. Erst 1907hat der bekannte Herausgeber des Diö- zesanarchivs von Schwaben, Paul Beck in Ravens- burg, Esers "Erinnerungen aus meinem Leben", geschrieben in seinem 71. Lebensjahr, veröffent- licht. Es ist ein hochinteressantes Denkmal für jene ganze Zeit, in der etwas vom Humboldtschen Ideal der Gesamtbildung bis in die entferntesten Dörfer gedrungen war. Immer betrachtete Eser Hürbel als die unvergeß- liehe, eigentliche Heimat. 80 Jahre war die Familie dort ansässig. Ländliche Originale, Adel, Beamten- kollegen des Vaters und vor allem der Klerus präg- ten das Weltbild des Knaben. Bei Besuchen durfte er schon bald den Vater begleiten, mit wachen Sin- nen nahm er die Umwelt in sich auf. Da drei seiner Geschwister an den Pocken verstorben waren, ließ man den Kleinen beim Stadionsehen Leibarzt Dr. v. Bourdon in Warthausen impfen, wozu damals noch menschliches Pockengift verwertet wurde. Der kleine Friedrich überlebte nach schwerer Krank- heit. Sein Hürbel schilderte er folgendermaßen: "Am südlichen Abhange des Hügels, auf welchem das geräumige, viertürmige Schloß mit der Kirche steht, am Saume eines großen, nun in eine Wiese umgewandelten Teiches ... liegt das bescheidene, aber mit seinen Neugebäuden wohnlich und be- quem eingerichtete Amthaus, wo ich das Licht der Welt erblickte." Auf Anfrage teilte das Bürgermei- steramt Gutenzell-Hürbel mit, daß vermutlich das Forsthaus in Hürbel, Poststr. 4, das Geburtshaus von Friedrich Eser sei. An Hand der im vorigen Aufsatz erwähnten Bleistift-Skizze Waiblingers läßt sich das seit jener Zeit unveränderte Esersche Haus mühelos erkennen; auch die Angabe von Eser selbst über die Lage am südlichen Abhang stimmt genau. Als es vor einigen Jahren abgebrochen werden soll- te, haben sich verständnisvolle Heimatfreunde für seine Erhaltung eingesetzt. Hören wir weiter aus Esers Erinnerungen: "Die Gegend von Hürbel bie- tet die Physiognomie des oberschwäbischen Lan- des in ausgeprägter Weise ... Die meisten Höhen- punkte, und nicht selten auch die Talgründe, schmückt und belebt die Fernsicht auf die imposan- te Kette der Bayerischen, Vorarlberger, Tiroler und Schweizer Alpen, deren Anblick der Oberländer so 45

FriedrichEser(1798-1873) · Württembergische Staats post ab 1851 Die württembergische Staatspost sollte von 1851 bis 1920dauern. Bei der Übernahme waren inWürt-temberg 122 Postanstalten

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Page 1: FriedrichEser(1798-1873) · Württembergische Staats post ab 1851 Die württembergische Staatspost sollte von 1851 bis 1920dauern. Bei der Übernahme waren inWürt-temberg 122 Postanstalten

Württembergische Staats postab 1851Die württembergische Staatspost sollte von 1851

bis 1920 dauern. Bei der Übernahme waren in Würt-temberg 122 Postanstalten vorhanden. Die Ober-postämter blieben zunächst erhalten, wurden aberab 1.Juni 1852 aufgehoben und die Postanstaltenunmittelbar der "Postkommission", ab 1858 "Post-direktion" genannt, unterstellt. Wegen der vielfacherforderlichen Verhandlungen mit den Nach-barstaaten ging die Leitung der Verkehrsanstaltenvom Finanzministerium im Jahre 1864 auf das De-partement der auswärtigen Angelegenheiten über,bei dem die Zentralbehörde für die Verkehrsanstal-ten eine Abteilung bildete. Am 1.September 1851erfolgte der Beitritt zum deutsch-österreichischenPostverein. Neben der weiteren Gründung vonPostanstalten, in unserer Gegend 1856in Essendorf,1857 in Warthausen, 1860in Ummendorf, ereignetensich große postalische und andere Umwälzungen inDeutschland. Nach dem Kriege von 1866 führtePreußen sein erklärtes Ziel durch, das TaxissehePostwesen endgültig zu beseitigen. Das schwierigeAblösungswerk führte der Geheime Postrat Ste-phan mit Umsicht und Nachdruck zu Ende. Preu-ßen übernahm am 1.Juli 1867 das Taxissehe Post-wesen mit allen Rechten in seine Verwaltung undgewährte dem Fürsten Maximilian Karl eine Abfin-dung von 3 Millionen Talern in bar. Damit gab es ab1868 neben der Norddeutschen Bundespost unterFührung Preußens noch Postverwaltungen in Ba-

den, Bayern und Württemberg, wobei Bayern undWürttemberg ihre eigene Verwaltung bis 1920/21behalten sollten.Nach der Reichsverfassung vom 16.April 1871

und Gründung der Deutschen Reichspost bliebdem Königreich Württemberg die selbständige Aus-übung des Post- und Telegraphendienstes in sei-nem Gebiete gewahrt. Dem Reich stand jedoch dieGesetzgebung über rechtliche Verhältnisse, überPortofreiheiten und das Taxwesen zu mit Ausnah-me der Bestimmungen für den innerwürttembergi-sehen Verkehr. Am 1.April 1881 trat eineneue Be-hördengliederung in Kraft, die bis zum Ubergangder württembergischen Post an das Reich gültigblieb. Als selbständige Direktivbehörde war dieGeneraldirektion der Posten und Telegraphen beimMinisterium des Auswärtigen für die unmittelbareLeitung und Beaufsichtigung des Post- und Tele-graphenbetriebs zuständig. Schon am 19.Oktober1878 wurde ein "beratender Ausschuß von Vertre-tern des Handels und Gewerbes sowie der Land-wirtschaft" zur Wahrnehmung der Ansprüche die-ser Berufskreise ins Leben gerufen, also ein Vorlau-fer des heutigen Postverwaltungsrats. Aus ihm gingspäter der aus je acht Vertretern des Handels, derGewerbevereinigungen und der Landwirtschaft ge-bildete "Beirat der Verkehrs anstalten" hervor mitder Aufgabe, in wichtigen Verkehrs fragen gutacht-liche Äußerungen abzugeben sowie Wünsche undBeschwerden zur Kenntnis des Ministeriums zubringen.

(Fortsetzung folgt)

Friedrich Eser (1798-1873)Ein bedeutender Oberschwabe - Von Gabriele Freifrau von Koenig-Warthausen

In unserer Publikation über "Wilhelm Waiblingerund sein oberschwäbischer Freund" lernten wireinen Mann kennen, der es besonders verdient, daßsein Andenken in Oberschwaben hochgehaltenwird: Friedrich Xaver Eser, der am 14.Februar 1798zu Hürbel geboren wurde. Der Vater, Judas Thad-däus Eser, verheiratet mit Kreszenz v. Zwergern ausBabenhausen, war seit 1700 dort freiherrlich Frey-berg-Eisenbergischer Rat und Obervogt. Die Fami-lie Eser war katholisch und stammte aus der bayeri-sehen Provinz Schwaben. Von fünf Kindern bliebennur Friedrich und eine zehn Jahre ältere SchwesterSophie am Leben, nachmals verheiratet mit demLandschaftskassier v. Welz in Altdorf- Weingarten.Erst 1907 hat der bekannte Herausgeber des Diö-

zesanarchivs von Schwaben, Paul Beck in Ravens-burg, Esers "Erinnerungen aus meinem Leben",geschrieben in seinem 71. Lebensjahr, veröffent-licht. Es ist ein hochinteressantes Denkmal für jeneganze Zeit, in der etwas vom Humboldtschen Idealder Gesamtbildung bis in die entferntesten Dörfergedrungen war.Immer betrachtete Eser Hürbel als die unvergeß-

liehe, eigentliche Heimat. 80 Jahre war die Familiedort ansässig. Ländliche Originale, Adel, Beamten-kollegen des Vaters und vor allem der Klerus präg-ten das Weltbild des Knaben. Bei Besuchen durfteer schon bald den Vater begleiten, mit wachen Sin-nen nahm er die Umwelt in sich auf. Da drei seinerGeschwister an den Pocken verstorben waren, ließ

man den Kleinen beim Stadionsehen Leibarzt Dr. v.Bourdon in Warthausen impfen, wozu damals nochmenschliches Pockengift verwertet wurde. Derkleine Friedrich überlebte nach schwerer Krank-heit.

Sein Hürbel schilderte er folgendermaßen: "Amsüdlichen Abhange des Hügels, auf welchem dasgeräumige, viertürmige Schloß mit der Kirchesteht, am Saume eines großen, nun in eine Wieseumgewandelten Teiches ... liegt das bescheidene,aber mit seinen Neugebäuden wohnlich und be-quem eingerichtete Amthaus, wo ich das Licht derWelt erblickte." Auf Anfrage teilte das Bürgermei-steramt Gutenzell-Hürbel mit, daß vermutlich dasForsthaus in Hürbel, Poststr. 4, das Geburtshausvon Friedrich Eser sei. An Hand der im vorigenAufsatz erwähnten Bleistift-Skizze Waiblingers läßtsich das seit jener Zeit unveränderte Esersche Hausmühelos erkennen; auch die Angabe von Eser selbstüber die Lage am südlichen Abhang stimmt genau.Als es vor einigen Jahren abgebrochen werden soll-te, haben sich verständnisvolle Heimatfreunde fürseine Erhaltung eingesetzt. Hören wir weiter ausEsers Erinnerungen: "Die Gegend von Hürbel bie-tet die Physiognomie des oberschwäbischen Lan-des in ausgeprägter Weise ... Die meisten Höhen-punkte, und nicht selten auch die Talgründe,schmückt und belebt die Fernsicht auf die imposan-te Kette der Bayerischen, Vorarlberger, Tiroler undSchweizer Alpen, deren Anblick der Oberländer so

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schwer vermißt, daß selbst den gealterten Mann,nach vieljähriger Trennung vom Heimatlande, nochein stilles Heimweh nach denselben beschleicht."Die soziale Stellung des Vaters brachte dem klei-

nen Friedrich eine einsame Jugend: mit Ausnahmedes Schloßgärtners-Sohn durfte er nicht mit denDorfkindern spielen. Er bekam in der Schule eineigenes Bänkchen und wurde im Anklang an dieTitulierung des Vaters "der junge gestrenge Herr"genannt. Darunter litt das Kind begreiflicherweise.Die Kämpfe zwischen Franzosen und Österrei-

chern waren für den Knaben ein willkommenesSchauspiel; er freundete sich mit der französischenEinquartierung unter Moreau an. Im Herbst 1805wurde Hürbel unter General Vandamme schwermitgenommen, 1806 zog mit Marschall Neys Solda-ten wieder eine kinderliebe Einquartierung ein.Die politischen Umwälzungen jener Jahre mach-

ten sich in Oberschwaben sehr fühlbar. Nach derSäkularisierung der Klöster kam Gutenzell, wo dieNonnen den schüchternen Buben so gern verwöhnthatten, an die Grafen Törring; sie haben die Herr-schaft noch heute in ihrem Besitz. In Ochsenhausenzog Fürst Metternich ein, der hier für seine links-rheinischen Besitzungen entschädigt wurde. Derbisherige Abt Romuald zog mit einigen älteren Kon-ventualen nach Obersulmetingen. Metternich, ein·begeisterter Liebhaber des Theaters, holte jungeTalente nach Ochsenhausen und ließ sogar die"Zauberflöte" aufführen. .Neue Welten erschlossen sich dem jungen Eser.Auch in Gutenzell, wo er Verwandte hatte, bestand,wie in Biberach, eine "bürgerliche dramatische Ge-seIlschaft". Damals beherrschten Iffland und Kotze-

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bue die Bühne, aber auch eine von Graf Törringselbst verfaßte "Agnes Bernauerin" wurde aufge-führt. Die bisher reichsritterschaftliehe HerrschaftHürbel kam nach kurzer Zugehörigkeit zu Badenund Bayern 1806 durch Napoleons Gnaden an Würt-temberg,Bald erwachte das Interesse an Naturwissen-

schaften in dem Jungen. Der Schloß gärtner desFreiherrn v. Herman in Wain lieferte aus dem dorti-gen Warmhaus das Entbehrliche an Vater Eser; dasbot Anregung zu botanischen Studien. Versteine-rungen sammelte der Knabe in den Steinbrüchenvon Baltringen. "Seinen Baron", Freyberg, durfteFriedrich schon bald auf die Jagd begleiten. Bota-nik, Mineralogie und Zoologie lernte er ~o aus derPraxis heraus. Mit besonderer Dankbarkeit gedenktEser mehrerer geistlicher Herren. Mit dem damali-gen Pfarrer von Großschafhausen, dem späterenDomdekan in Rottenburg, Ignaz Jaumann(1779-1862), verband ihn lebenslängliche Freund-schaft. Der Schloßkaplan Aloisius Stämpfle(1760-1826), ein ländliches Original, erteilte demBuben den ersten Lateinunterricht.Sehr ausgedehnt war die Esersche Verwandt-

schaft. Als Friedrich 1810 Gymnasialreife hatte,kam er zu einem bayerischen Onkel, der Finanzratin Kempten war. Das gesellige Haus entzog Esererstmals der Abgeschlossenheit in Hürbe!. Er be-kam Zeichenunterricht bei dem Maler und Bildhau-er Weiß und wurde nun zu seiner lebenslänglichenBegeisterung für die bildenden Künste angeregt.Aber - wie Goethe - mußte auch er erkennen, daßseine Begabung für den Beruf als bildender Künst-ler nicht ausreichte. Doch er lernte sehen und urtei-len. Zwei Jahre später holten ihn seine Eltern vonder "ausländischen" Schule weg und gaben ihn aufeine "inländische" nach Rottwei!. Mit ihm zog seinFreund dorthin, Gottfried Wocher, Sohn des Fürst-lich-Zeilschen Hofrats in Neutrauchburg. Rottweilgefiel den jungen Leuten nicht; es hielt den Ver-gleich mit Kempten nicht aus. Das kulturelle undgeistige Leben ließ zu wünschen übrig, die unge-wohnte Anrede "Er" kränkte den jungen Mann.Auch die Quartierfrage fand erst im Lauf der Zeiteine günstigere Lösung. Lektüre mußte die Schülertrösten: Klopstock, Matthison, Hölty, die Voss'scheHomer-Übersetzung. Nicht einmal in den Feriendurften die Knaben nach Hause - die Entfernungvon Rottweil nach Hürbel war zu groß! Schließlichveranlaßte der Ausbruch einer Typhusepidemie inRottweil die Eltern im Januar 1814, den Sohn nachHürbel zurückzurufen. Er hatte einen Schutzengel,denn seine gute Hauswirtin, Frau Bäuerle, erkrank-te am Tag seines Abmarsches. Es wurde eine be-schwerliche Fußwanderung, fast verließen ihn un- .terwegs die Kräfte: "Ich sah mich genötigt, auszuru-hen, setzte mich trotz der großen Neigung zumSchlaf, dem ich mich vielleicht auch überlassenhätte, um nicht wieder zu erwachen, wäre ich nichtdurch die Schellen eines Schlittens plötzlich ausmeinem Halbschlummer erweckt worden." Recht-zeitig kam der Kutscher des Baron Freyberg ausHürbel mit dem Schlitten vorbei und bewahrte denJungen vor dem Tod durch Erfrieren. Ein guteshalbes Jahr lang bis zum Herbst 1814 genoß Eserden Aufenthalt in der Heimat und konnte ihn zurLektüre von Shakespeare, Wieland, Alexander v.Humboldt nutzen. Wieder in Rottweilließ sich dannalles besser an. Er hörte Logik, Psychologie undÄsthetik, setzte seine naturkundlichen Wanderun-gen fort und hatte nun den verehrten Domdekan

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Das Geburtshaus Friedrich Esers in Hürbel

Jaumann in Rottenburg in leicht erreichbarer Nähe.In den "Erinnerungen" wird auch die traditionelleRottweiler Fastnacht mit dem Schantle nicht ver-gessen. Im Herbst 1815 bezog der nun Siebzehnjäh-rige die Universität Tübingen. Wieder tadelte erkritisch Unterkunft und Verpflegung und fühltesich von den meisten Mitstudenten abgestoßen, dasie nur auf einen Broterwerb bedacht waren, wäh-rend ihn der faustische Drang nach universalemWissen bewegte.Inzwischen hatte Hürbel seinen Besitzer gewech-

selt und war an den Grafen Julius Cäsar Reuttnervon Weyl, den Schwiegersohn Freybergs, überge-gangen. Der neue Besitzer bewog Eser, statt Medi-zin doch lieber Jura zu studieren, um später denVater im Amt ablösen zu können. Natürlich willigteder junge Mann ein, denn er ersehnte nichts Schöne-res, als immer in der geliebten Heimat bleiben zukönnen. Die Naturwissenschaften belegte er weiter-hin. Mit einem Herrn v. Koller, Neffen des Freiherrnv. Lassberg auf der Meersburg, mietete Eser dasberühmte Dichter-Gartenhäuschen auf dem Öster-berg, das schon Wieland, später Mörike und Waib-linger mit dem kranken Hölderlin aufgenommenhatte. Ein neuer Freundeskreis bildete sich in Tü-bingen; Eser beschreibt ihn ausführlich in seinenErinnerungen. So mancher später verdiente Manngehörte dazu. In den Herbstferien unternahm Esermit zwei Kameraden seine erste Schweizerreise, imfolgenden Jahr 1817 die zweite, die ihn bis zum LagoMaggiore und nach Genua führte. Wie Kerner seinRickele, so lernte auch Eser seine Friederike auf derAchalm kennen, wohin im Juni 1817 Tübinger Stu-denten die Reutlinger Jugend zum Tanz geladen

hatten. Die Tochter des letzten regierenden Reutlin-ger Bürgermeisters und späteren Rechtskonsulen-ten Johann Jakob Fetzer (1760-1844) verhielt sichzunächst so ablehnend, daß Eser mit Selbstmordge-danken umging. Erst als er sich dann scheinbar vonihr zurückzog, änderte sich ihr Benehmen; 1819konnte die Verlobung stattfinden. Im Januar desgleichen Jahres widmete Eser dem König WilhelmI. ein Gedicht zum Tod seiner Gemahlin, der Köni-gin Katharina:Wilhelm! Wilhelm! in den schönern Zonen,Wo kein Herz um seinen Frieden weint,Hör' ich laut den Schmerz der MillionenIn der Glocken Wehmutston vereint ...Manche Verse ähnlicher Qualität sind von Esergedichtet worden. Dabei war er aufgeschlossen fürechte Dichtung.Nach glücklich bestandenen Examina wurde

Eser im Frühling 1819 als provisorischer Aktuarbeim Oberamtsgericht in Urach eingestellt. In Ober-amtsrichter Märklin fand er einen kunstliebendenChef. Die beiden Lehrer am Evangelischen Semi-nar, Dr. Theodor Plieninger und August FriedrichPauly, waren ihm freundschaftlich gesinnt. Diewichtigste Uracher Begegnung, die mit dem jungenWilhelm Waiblinger, wurde im vorigen Heft gewür-digt. Wenn auch sonst nichts über Friedrich Eser zumelden wäre - und es gibt gar vieles -: seineFreundschaft und Treue für den verkannten Jüng-ling verdient, daß man Eser nie vergißt.Schon im Januar 1820 verließ er Urach krankheits-halber und trat in die Dienste des Grafen Reuttner,des neuen Besitzers der Herrschaften Hürbel und

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Rechtenstein an der Donau. Zunächst unterstützteer den Vater. Nach dem Tode des alten GrafenReuttner im November 1820ernannte die Vormund-schaft für dessen 1811 geborenen Sohn Carl Viktorden jungen Eser zum Rentbeamten, 1822 als Nach-folger des Vaters zum Zentral-Rentbeamten in Hür-bel und Rechtenstein mit der Aufsicht über dieanderen Reuttnerschen Güter Haldenwang mitWaldkirch und Offingen mit Landstrost in Bayernsowie Wäschenbeuren bei Göppingen,Am 12.September 1822wurde Friedrich mit Frie-

derike Fetzer getraut. 1823 zogen die Eltern nachWeingarten. Eser pflegte regen nachbarschaftliehenVerkehr mit einigen Biberachern, vor allem mitJohann Baptist Pflug (1785-1866). Über ihnschreibt er: "Er bewohnte ein eigenes kleines, imeinfachsten bürgerlichen Stile eingerichtetes Hausin einer abgelegenen stillen Straße der Stadt, wo erauch eine Zeichenschule errichtet hatte, unablässigmit Entwürfen für seine beliebten Genrebilder be-schäftigt oder sie auf der Staffelei ausführend. Ne-ben ihm fand man seine Zither, seine getreue Be-gleiterin durchs Leben, zu welcher er einen uner-schöpflichen Schatz lustiger Lieder bereit hielt. DasLeben von der heitersten Seite auffassend, besaß erdie Gabe, die Stimmen und komischen Eigentüm-lichkeiten bekannter Personen täuschend nachah-men zu können ... Mit diesem heiteren, anregendenManne, dem man selbst einen gewissen Grad vonGenialität nicht absprechen konnte ... blieb ich einelange Reihe von Jahren im freundschaftlichen Ver-kehr und verdanke ihm so manche Anregungen,die, wenn die Einsamkeit des ländlichen Aufent-halts oder der Andrang von Geschäften meine Nei-gung zur Kunst etwas erkalten ließen, sie wiederfrisch belebten." Auch den aus Biberach stammen-den Maler Friedrich Dieterich (1787-1846) be-schreibt Eser: "Dieterich, von Mittelgröße und kräf-tigem Körperbau, imponierte nicht durch beson-ders charakteristische Gesichtszüge ... Aber übereinem dunklen, lebhaften und geistvollen Augen-paar thronte eine prächtige Stirne, die seinem Kopfeinen edlen Abschluß gab." Durch VermittlungEsers erhielt Dieterich den Auftrag, für die Schem-merberger Kirche einen heiligen Martin zu malen.Angeregt durch die Sammlung der Brüder Bois-

seree, die damals in Stuttgart ausgestellt war, hatteEser begonnen, altdeutsche Kunstwerke zu sam-meln und erfreute sich des Besitzes von vier Gemäl-den des Bartholomäus Zeitbiom. Nach der Säkulari-sierung der Klöster wurde in Oberschwaben man-ches wertvolle Kunstwerk verschleudert, ja sogarvernichtet. So bekam Eser von einem Ochsenhause-ner Klosterschreiner auf die Frage nach altenKunstwerken die Antwort: "Herr, wenn Sie nachsolchen Tafeln fragen, da kommen Sie viel zu spät,noch kürzlich habe ich die letzte Tafel verarbeitet;solch uraltes, gutes Holz gibt es nicht mehr."Als 1825Metternich die Herrschaft Ochsenhausen

an den württembergischen Staat verkaufte, beglei-tete Eser einen fürstlichen Beamten dienstlich nachWien. Auf der Rückfahrt machte er in MünchenStation und schloß Bekanntschaft mit dem MalerCornelius. Bei einer zweiten München-Reise 1836lernte er auch Schnorr von Karolsfeld, den jungenKaulbach und den Erzgießer Johann Baptist Stigl-mayer kennen. Überhaupt reiste er viel. Seine Ge-sundheit erforderte eine Kur in Wildbad und eineder modischen Molkenkuren in der Schweiz, unisich von einer schweren Lungenentzündung zu er-holen.

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Ebenso wichtig wie die der bildenden Kunst wa-ren die naturwissenschaftlichen Studien. 1837 setz-te sich Eser, angeregt durch seinen Freund aus derUracher Zeit, Theodor Plieninger, mit den Stuttgar-ter "Vaterländischen Forschern" in Verbindung; erwurde zum korrespondierenden Mitglied diesesVereins ernannt. Eifrig nahm er an den Versamm-lungen der Naturforscher teil und lernte so dieführenden Professoren auf den Gebieten der Pa-läontologie, Geologie und Mineralogie kennen.Zweiundsechzig Jahre lang war die Familie Eser

in Hürbel ansäßig, achtzehn Jahre lang hatte Fried-rich die Geschäfte geführt. Aber alles nimmt einmalein unvermutetes Ende. Graf Reuttner konnte fürdie Schulden seiner Mutter nicht mehr aufkommenund mußte die Herrschaft Hürbel1840 an den würt-tembergischen Staat verkaufen; 1843 wurde dasSchloßgut dann von den Freiherrn v.WeIden erwor-ben. Das war ein schwerer Schicksalsschlag fürEser: der Staat übernahm zwar gern den tüchtigenBeamten, versetzte ihn aber als "provisorischenAssessor" nach Ulm. So war er nun in seinem zwei-ten Lebensabschnitt nicht mehr selbständig undder erste am Platz, sondern einer unter anderenBeamten. Zum Glück konnte er seine Sammlungenin einer geräumigen Wohnung unterbringen, aberGarten und Gewächshaus vermißte er doch sehr.1841 wurde er zum definitiven Assessor, 1842 zumFinanzrat ernannt. Einen Vorteil allerdings bot ihmdie Stadt: er fand gleichgesinnte Männer und grün-dete mit ihnen den" Verein für Kunst und Altertumin Ulm und Oberschwaben", dessen Hauptziel dieRestaurierung des Münsters war. 1846wurde Eserzum Vorstand des Vereins ernannt: Einige Aufsätzein den Blättern des Vereins sind von ihm, so übereine Skulptur aus der zweiten Hälfte des 16. Jahr-hunderts im Besitz des Grafen Reuttner, über Holz-schnitzwerke im Besitz des Dekans J oh. Dursch inWurmlingen und Erinnerungen aus dem Leben desMalers Dieterich.Auch durch seine naturwissenschaftlichen For-

schungen wurde Eser immer bekannter. Ausgra-bungen bei der Anlage der Festungswerke und derEisenbahn brachten in der Ulmer Umgebung inter-essante Fossilien. Der Naturforscher ChristianErich Hermann v. Meyer in Frankfurt am Mainbildete in seiner "Palaeonthographica" eine Anzahlvon Petrefakten aus der Eserschen Sammlung ab.Drei Fossilienarten erhielten seinen Namen: Pota-mogeton Eseri, Unio Eseri und Amohicon Eseri.Das "Jahrbuch für Mineralogie" erwähnte auch diebeim Eisenbahnbau in der Gegend von Orlingengefundenen Biber aus der Tertiärzeit, die Chalico-mys Eseri. Pfarrer Probst aus Mettenberg setzteEsers Sammlungen fort; die seinige ist im Museumder Stadt Biberach erhalten.1850 wurde die Finanzkammer in Ulm aufgeho-

ben und Eser als Mitglied der Ablösungskommis-sion nach Stuttgart versetzt, wieder ein Stück weitervon der geliebten Heimat entfernt. Sein Herbariumkonnte er mitnehmen, Petrefakten und Schmetter-linge überließ er der Realschule in Ulm. Wo sie dannverblieben sind, läßt sich heute nicht mehr feststel-len. Nun mußte Eser nach fünf jähriger Tätigkeitauch auf die Vorstandschaft im "Verein für Kunstund Altertum" verzichten. Stuttgart - Ulm, heuteein Katzensprung, war damals eine weite Reise. InStuttgart wurde er Ehrenmitglied des Württem-bergischen Altertumsvereins, dessen Vorstand GrafWilhelm von Württemberg (1810-1868), ab 1867Herzog von Urach, war. Bei ihm lernte Eser Justinus

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Kerner kennen, widmete ihm ein Gedicht, wie auchverschiedenen Mitgliedern der Stuttgarter "Gesell-schaft des Werfts", der Künstler, Gelehrte und Ari-stokraten angehörten. Zahllose Namen berühmterund längst vergessener Zeitgenossen tauchen inden "Erinnerungen" auf. Die Einsamkeit von EsersJugend wurde im Alter reichlich ausgeglichen.

1856 konnte er sich endlich den lang gehegtenItalien-Wunsch erfüllen, gut vorbereitet durch Ja-cob Burckardts "Cicerone". Seine Erinnerungen andiese Reise legte Eser in einem besonderen Bandnieder: "Drei Monate in Italien". Diesen Reisebe-richt widmete er der "Durchlauchtigsten FrauKronprinzessin Olga von Württemberg, Großfürstinvon Rußland, der erhabenen Freundin und Be-schützerin der Kunst". Über Mailand, Genua, CivitäVecchia führte die Reise nach Neapel, von wo ausder Vesuv bestiegen wurde. Am 14. September trafEser in Rom ein; im Haus des dortigen württem-bergischen Konsuls Karl Kolb (1800-1868) fühlte ersich sofort heimisch. Sämtliche in Rom anwesen-den Landsleute feierten im Hause Kolb den Ge-burtstag des Königs. Im Gedenken an den längstverstorbenen Freund Waiblinger notierte Eser:"Welch ein Glück wäre es für mich gewesen, einensolchen Freund in Rom, an welchem meine ganzeLiebe hing, wieder zu finden." Schon im vorigenHeft haben wir gehört, wie Eser sich um die Ver-schönerung von Waiblingers Grab an der Cestius-Pyramide auf dem Protestantischen Friedhof be-mühte und wie er für eine würdige Gedenkstättesorgte.In Rom bahnte sich eine neue wertvolle Bezie-

hung an: zu dem aus Unlingen stammenden Bild-hauer J oseph Kopf (1827 -1903), der seit Jahren inder Ewigen Stadt ansässig war. Kopf äußert überden schwäbischen Landsmann: "Besonders sympa-thisch war mir sogleich Finanzrat Eser, ein schlan-ker älterer Herr mit einnehmendem wohlwollendenWesen ... An ihm erwarb ich mir einen neuenFreund, der mir liebend meine Wege ebnen half.Eser, obgleich Finanzmensch, liebte ... die Kunst,und es war ihm ein wahres Bedürfnis, mit und in ihrzu leben. Er besaß selbst eine kleine Sammlungaltdeutscher Bilder!" Als Kopf einige Jahre später,1859, nach Stuttgart kam, wollten Esers ihn als Gastin ihr Haus aufnehmen. Er lehnte zunächst ab, nahmdas freundliche Angebot aber beim zweiten Stutt-garter Aufenthalt an. Kopf schuf Esers Büste inMarmor. Im "Staatsanzeiger für Württemberg" ver-öffentlichte Eser eine Beurteilung der bei den erstenStatuen von Kopf, die Kronprinz Karl bei ihm be-stellt hatte. Es waren die Mädchengestalten vonFrühling und Sommer, die Eser und Kopf schon inRom zusammen geplant hatten.Eser blieb reiselustig, 1858 besuchte er die Allge-

meinde Deutsche Kunstausstellung in Münchenund die Generalversammlung der deutschen Ge-schichts- und Altertumsforscher in Berlin, in derenVerwaltungsrat er berufen wurde. Auch dem Ver-waltungsrat des 1862 begründeten Stuttgarter Mu-seums für Vaterländische Altertümer gehörte er an.1863 unternahm er noch einmal eine große Kunst-reise durch Belgien, Nordfrankreich und Paris. Inseinen "Erinnerungen" werden stets alle besichtig-ten Kunstwerke aufgeführt und mit Liebe und Ver-ständnis erläutert.In jener Zeit gab es noch keine berufliche Alters-

grenze mit erzwungener Pensionierung. Jeder durf-te in seinem Beruf arbeiten, solange er wollte; dochkonnte ein verdienter Beamter bei vollem Gehalt

eine Reduzierung seiner Amtsgeschäft beantragen.Davon machte Eser ab 1858 Gebrauch. Er behieltnur ein Referat bei der königlichen Ablösungskorn-mission. In seinem 71. Lebensjahr und 49. Dienst-jahr bekleidete er diesen Posten noch immer, indem Jahr, als er seine "Erinnerungen" schrieb. Einschwerer Schicksalsschlag war der Tod seiner Frauim Herbst 1870. Von seinen fünf Töchtern warenzwei schon in jungen Jahren gestorben.Mit großer Begeisterung erlebte Eser 1871 noch

die Gründung des Deutschen Reiches. Seine nachStuttgart verbrachten Sammlungen verkaufte er,als er sein Ende herannahen fühlte, an die Universi-tät Boston. 1872 war er an einer Unterleibsentzün-dung erkrankt. Am 15. Juni 1873 schloß er dieAugen, die letzte Ruhestätte fand er auf dem Stutt-garter Präg-FriedhofDer "Staatsanzeiger von Württemberg" widmete

ihm folgenden Nachruf: "Eser gehörte zu jener Artvon Naturen, die in Deutschland häufiger gefundenwird als in irgend einem Land der Welt, aber auchhierzulande immer seltener mehr vorkommen. Stil-le, einsame Leute, die nicht genannt sein wollen, diesich nicht vordrängen, in kleinen, bescheidenenStellungen, oft ganz unbekannt, ohne alle Auszeich-nungen der Fakultäten und offiziellen zünftigenKreise, mit oft recht bescheidenen Mitteln, ohneallen und jeden materiellen Gewinn, die inmitteneiner banausischen Umgebung sich vornehm undselbständig erhalten, den Idealen einen Hausaltarerrichten, mit den Besten aller Zeiten vereint le-ben." Da möchte man eigentlich noch hinzufügen:in keinem Land trifft man sie häufiger an als imSchwabenland.

Hören wir zum Schluß noch die Verse Esers aufWaiblingers frühen Tod:"Früh hob zur Sonne adlerkräftigDie jungen Schwingen auf sein Genius.Doch naht sich bald des Maitags Schwüle;Das Zucken ungemessner KraftDas schrankenlos, gewittergleich,Das Blütenrneer mit Sturm durchrast,Des Erdgeist's Tücken schleichen mit Sirenen-klangIns unbewachte, jugendwarme Herz.Noch schwebt das hohe Ziel ihm vor dem Auge,Er rafft sich auf, Italiens Zauber sollDie Natterbrut verscheuchen, dieDem Frühling an der Ferse klebt;Des Schwäb'schen Kaiserhauses urgewalt'gerKraftWill er im sonnenhellen Erbland jetzt sich weih'n.Die ewige Roma schließt mit MutterarmenDen Jüngling an die Brust, vom KapitolBlickt stolz er auf die Trümmer einer Welt,Und mild entsteigt der Dichtung Blüte seinerBrust.Doch wie einst Konradin nach Siegestrunkenheit,Ein Opfer südlichen Verrates, fiel,So schlingt die Hydra schrankenloser LustGekräftigt von des Südens Glut,Mit Schlangenarmen nun um seine Glieder sich.Von Ätnas Felsenzinne wirftNoch einen vollen, großen BlickEr auf der Staufen Erbe, auf das Land,Das mit der Dichtung ew'gem KranzeZu schmücken er bestimmt uns schien,Da rafft ihn sein Geschick und bettet ihnEinsam an Cestius' Pyramide".

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Page 6: FriedrichEser(1798-1873) · Württembergische Staats post ab 1851 Die württembergische Staatspost sollte von 1851 bis 1920dauern. Bei der Übernahme waren inWürt-temberg 122 Postanstalten

Veröffentlichungen: Aus meinem Leben. Hrsg.von P. Beck. Ravensburg 1907. - Zwei Monate inItalien. Reiseerinnerungen eines Kunstfreundes.Stuttgart 1859. - Aufsätze in den Veröffentli-chungen des Vereins für Kunst und Altertum inOberschwaben. 1844-1846. - Aufsätze in den Veröf-fentlichungen desVereins fürvaterländische Natur-kunde in Württemberg 1849-1862.Literatur: P. Beck: Oberfinanzrat F. Eser aus Hür-

bel. Diözesanarchiv Jg. 25. 1907. - Nekrolog des

Oberfinanzrats Eser zu Stuttgart. Jahreshefte desVereins für vaterländische Naturkunde inWürttem-berg 31. 1875. - Nachrufim Staatsanzeiger fürWürt-temberg. 1873. - Gabriele Freiin v. Koenig-Wart-hausen: Friedrich Eser (Lebensbilder aus Schwa-ben und Franken Bd. 11. 1969). - Joseph Kopf:Lebenserinnerungen eines Bildhauers. Stuttgart u.Leipzig 1899. - Max Zengerle: Johann BaptistPflug. 1957.

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