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S278 Trauma und Berufskrankheit · Supplement 2 · 2000 Der Sachbearbeiter steuert nicht nur das ärztliche Heilverfahren, sondern die gesamte Rehabilitation. Sein Ziel als Re- habilitationsmanager ist es, die Rehabi- litation frühzeitig zu vernetzen. Es gibt folgende Nahtstellen: 1. zwischen ärztlicher Behandlung und medizinischer Rehabilitation, 2. zwischen medizinischer und beruflicher Rehabilitation und 3. zwischen beruflicher Rehabilitation und Wiedereingliederung. Mit ärztlicher Behandlung ist hier die unfallchirurgische Behandlung, mit me- dizinischer Rehabilitation die Rehabili- tation durch Rehabilitationsfachärzte und ärztliche Hilfskräfte, mit beruflicher Rehabilitation alle Maßnahmen von der betrieblichen Belastungserprobung bis hin zur Umschulung gemeint. Ziel des Sachbearbeiters ist es, dass die grundle- gende Berufshilfemaßnahme spätestens 9 Monate nach dem Unfall beginnt. Durch die Wiedereingliederung erhält der Versicherte einen behindertenge- rechten Arbeitsplatz. Eine frühzeitige Vernetzung der Re- habilitation ohne Steuerung des Sach- bearbeiters findet heute in vielen Fällen nicht statt. Es handelt sich hierbei nicht so sehr um die schweren Fälle, sondern um die Versicherten, bei denen ungewiss ist, ob sie ihre letzte vor dem Unfall aus- geübte Tätigkeit wieder verrichten wer- den können. Die Minderung der Er- werbsfähigkeit wird in diesen Fällen um 20 v. H. und höher liegen. Ich möchte diesen Bereich als Grauzone bezeichnen. 1. Rehabilitationsloch Das 1.„Rehabilitationsloch“ sprach Bun- desarbeitsminister Riester auf dem dies- jährigen Bundesrehabilitationskongress an. Er forderte, dass Rehabilitations- maßnahmen sofort im Krankenhaus nach der Akutbehandlung einsetzen müssten.Wenn er meint, es fehlten dazu entsprechende Klinikbetten, so ist anzu- merken, dass es ausreichend qualifizier- te ambulante und stationäre Rehabilita- tionseinrichtungen gibt. 2. Rehabilitationsloch Das 2.„Rehabilitationsloch“ ist die zeitli- che Verzögerung zwischen dem Ende der Akut- und dem Beginn der Rehabilitati- onsbehandlung. In zahlreichen Fällen fin- det überhaupt keine Rehabilitation statt. Hierzu soll ein Beispiel aus der Praxis ge- geben werden: Ein Versicherter schnei- det sich fast vollständig den Oberarm ab. Er wird hervorragend stationär behandelt und entlassen.Während der berufsgenos- senschaftlichen ambulanten Heilbehand- lung durch einen Durchgangsarzt ruft die Mutter des 19-jährigen Verletzten beim Sachbearbeiter der Berufsgenossenschaft an und teilt mit, dass ihr Sohn Physio- therapie brauche, sie Krankengymna- stin sei und ob sie behandeln dürfe. Trauma Berufskrankh 2000 · 2 [Suppl 2]: S278–S282 © Springer-Verlag 2000 Rehabilitation Jürgen Nehls Bezirksverwaltung der Holz-Berufsgenossenschaft, Erfurt Frühzeitige Vernetzung der Rehabilitation Assessor J. Nehls Geschäftsführer der Bezirksverwaltung Erfurt der Holz-Berufsgenossenschaft, Lucas-Cranach-Platz 2, 99099 Erfurt (e-mail: [email protected], Tel.: 0361-4391100, Fax: 0361-4391104) Zusammenfassung Die Gesetze sehen eine frühzeitige Vernet- zung der umfassenden Rehabilitation vor. Diese Vorschriften werden in der Praxis nicht beachtet, was zur Folge hat, dass es für die Versicherten zu schlechten Ergebnissen kommt, die unnötige Folgekosten von 50.000 DM und mehr verursachen, welche eingespart werden könnten. Das 1. „Reha- bilitationsloch“ ist, dass es an einer Frühre- habilitation im Akutkrankenhaus fehlt, das 2., dass eine Rehabilitation nach Aktivbe- handlung gar nicht, zu spät oder nicht um- fassend stattfindet. Das 3. „Rehabilitations- loch“ ist dadurch charakterisiert, dass die medizinische Rehabilitation nicht berufsbe- zogen erfolgt, was dazu führt, dass ein Be- harrungszustand der Arbeitsunfähigkeit über Monate hinweg eintritt. Die „Rehabili- tationslöcher“ könnten im Einzelfall dadurch vermieden werden, dass der Sachbearbeiter sich durch einen Facharzt für physikalische und Rehabilitationsmedizin beraten lässt und das Verfahren entsprechend steuert. Zukünftig ist der Durchgangsarzt zum The- ma Medizinische Rehabilitation aus- und weiterzubilden, damit er dann die medizini- sche Rehabilitation aus einer Hand steuern Schlüsselwörter Fallmanagement · Rehabilitationsmanage- ment · Vernetzung · Rehabilitationsloch · Weiterbildung der Ärzte

Frühzeitige Vernetzung der Rehabilitation

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Page 1: Frühzeitige Vernetzung der Rehabilitation

S278 Trauma und Berufskrankheit · Supplement 2 · 2000

Der Sachbearbeiter steuert nicht nurdas ärztliche Heilverfahren, sondern diegesamte Rehabilitation. Sein Ziel als Re-habilitationsmanager ist es, die Rehabi-litation frühzeitig zu vernetzen.

Es gibt folgende Nahtstellen:

1. zwischen ärztlicher Behandlung undmedizinischer Rehabilitation,

2. zwischen medizinischer und beruflicherRehabilitation und

3. zwischen beruflicher Rehabilitation undWiedereingliederung.

Mit ärztlicher Behandlung ist hier dieunfallchirurgische Behandlung, mit me-dizinischer Rehabilitation die Rehabili-tation durch Rehabilitationsfachärzteund ärztliche Hilfskräfte,mit beruflicherRehabilitation alle Maßnahmen von derbetrieblichen Belastungserprobung bishin zur Umschulung gemeint. Ziel desSachbearbeiters ist es, dass die grundle-gende Berufshilfemaßnahme spätestens9 Monate nach dem Unfall beginnt.Durch die Wiedereingliederung erhältder Versicherte einen behindertenge-rechten Arbeitsplatz.

Eine frühzeitige Vernetzung der Re-habilitation ohne Steuerung des Sach-bearbeiters findet heute in vielen Fällennicht statt. Es handelt sich hierbei nichtso sehr um die schweren Fälle, sondernum die Versicherten,bei denen ungewissist, ob sie ihre letzte vor dem Unfall aus-geübte Tätigkeit wieder verrichten wer-den können. Die Minderung der Er-werbsfähigkeit wird in diesen Fällen um20 v. H. und höher liegen. Ich möchtediesen Bereich als Grauzone bezeichnen.

1. Rehabilitationsloch

Das 1.„Rehabilitationsloch“ sprach Bun-desarbeitsminister Riester auf dem dies-jährigen Bundesrehabilitationskongressan. Er forderte, dass Rehabilitations-maßnahmen sofort im Krankenhausnach der Akutbehandlung einsetzenmüssten.Wenn er meint, es fehlten dazuentsprechende Klinikbetten, so ist anzu-merken, dass es ausreichend qualifizier-te ambulante und stationäre Rehabilita-tionseinrichtungen gibt.

2. Rehabilitationsloch

Das 2.„Rehabilitationsloch“ ist die zeitli-che Verzögerung zwischen dem Ende derAkut- und dem Beginn der Rehabilitati-onsbehandlung. In zahlreichen Fällen fin-det überhaupt keine Rehabilitation statt.Hierzu soll ein Beispiel aus der Praxis ge-geben werden: Ein Versicherter schnei-det sich fast vollständig den Oberarm ab.Er wird hervorragend stationär behandeltund entlassen.Während der berufsgenos-senschaftlichen ambulanten Heilbehand-lung durch einen Durchgangsarzt ruft dieMutter des 19-jährigen Verletzten beimSachbearbeiter der Berufsgenossenschaftan und teilt mit, dass ihr Sohn Physio-therapie brauche, sie Krankengymna-stin sei und ob sie behandeln dürfe.

Trauma Berufskrankh2000 · 2 [Suppl 2]: S278–S282 © Springer-Verlag 2000 Rehabilitation

Jürgen NehlsBezirksverwaltung der Holz-Berufsgenossenschaft, Erfurt

Frühzeitige Vernetzung der Rehabilitation

Assessor J. NehlsGeschäftsführer der Bezirksverwaltung Erfurtder Holz-Berufsgenossenschaft,Lucas-Cranach-Platz 2, 99099 Erfurt (e-mail: [email protected],Tel.: 0361-4391100, Fax: 0361-4391104)

Zusammenfassung

Die Gesetze sehen eine frühzeitige Vernet-zung der umfassenden Rehabilitation vor.Diese Vorschriften werden in der Praxis nichtbeachtet, was zur Folge hat, dass es für dieVersicherten zu schlechten Ergebnissenkommt, die unnötige Folgekosten von50.000 DM und mehr verursachen, welcheeingespart werden könnten. Das 1. „Reha-bilitationsloch“ ist, dass es an einer Frühre-habilitation im Akutkrankenhaus fehlt, das2., dass eine Rehabilitation nach Aktivbe-handlung gar nicht, zu spät oder nicht um-fassend stattfindet. Das 3. „Rehabilitations-loch“ ist dadurch charakterisiert, dass diemedizinische Rehabilitation nicht berufsbe-zogen erfolgt, was dazu führt, dass ein Be-harrungszustand der Arbeitsunfähigkeitüber Monate hinweg eintritt. Die „Rehabili-tationslöcher“ könnten im Einzelfall dadurchvermieden werden, dass der Sachbearbeitersich durch einen Facharzt für physikalischeund Rehabilitationsmedizin beraten lässtund das Verfahren entsprechend steuert.Zukünftig ist der Durchgangsarzt zum The-ma Medizinische Rehabilitation aus- undweiterzubilden, damit er dann die medizini-sche Rehabilitation aus einer Hand steuern

Schlüsselwörter

Fallmanagement · Rehabilitationsmanage-ment · Vernetzung · Rehabilitationsloch ·Weiterbildung der Ärzte

Page 2: Frühzeitige Vernetzung der Rehabilitation

Trauma und Berufskrankheit · Supplement 2 · 2000 S279

Ein weiteres „Rehabilitationsloch“besteht zwischen der medizinischen undder beruflichen Rehabilitation. Der Ver-sicherte wird z. B. aus der Rehabilitati-onsklinik entlassen mit dem Hinweis imAbschlussbericht: weiterhin arbeitsun-fähig. Der Durchgangsarzt behandeltanschließend über Monate, wenn nichtgar über ein ganzes Jahr hinaus weiter.Behandlung heißt in diesem Fall: Bera-tung und Krankschreibung. Auch eineVernetzung zwischen beruflicher Reha-bilitation und Wiedereingliederung fin-det nicht statt. Nicht selten wird demVersicherten wegen des Arbeitsunfallsgekündigt. Nach Abschluss der Rehabi-litation wird er folglich arbeitslos. DerSachbearbeiter darf sich in diesem Fallnicht darauf beschränken, den Versi-cherten zum Arbeitsamt zu schicken.

Die Zeit vom Arbeitsunfall bis zumBeginn einer Umschulung dauert imDurchschnitt 30 Monate, das sind 2 1⁄2

Jahre. Dies ist eine viel zu lange Zeit.Diese verzögerte Rehabilitation verur-sacht unnötig Kosten, nicht selten inHöhe von ≥ 50.000 DM. Aus Sicht desSachbearbeiters sollte eine Rehabilitati-onszeit von 9 Monaten angestrebt wer-den.

Zur mangelnden Vernetzung wirdim Folgenden ein symptomatischer Fallaus der Praxis, also kein Einzelfall (Abb.1), angeführt.

Fallbericht 1

Der Versicherte erlitt bei einem Ver-kehrsunfall eine Akromioklavikular-sprengung vom Typ Tossy III. Er wurdezunächst ambulant behandelt. Nach 2Monaten erfolgte stationär eine Zuggur-tung. Aus dem Krankenhaus wurde derPatient mit der Therapieempfehlung„aktive Bewegungsübungen“ an denambulanten Durchgangsarzt entlassen.Eine Rehabilitationsbehandlung fandnicht statt. Nach 2 Monaten wurde dasMetall stationär entfernt. In den folgen-den 21 Wochen wurde 32-mal Kran-kengymnastik verordnet, also keine 2-mal Krankengymnastik pro Woche.Wei-tere 21 Wochen geschah nichts, d. h. le-diglich Krankschreibung. Nach 1 1⁄4 Jahrfolgte eine stationäre Schultergelenkar-throse. Erst jetzt nahm der Sachbearbei-ter die Steuerung des Falls in die Hand.Er veranlasste sofort eine Berufsge-nossenschaftliche Stationäre Weiterbe-handlung (BGSW), danach unmittelbar

bei einem Berufsförderungswerk eineArbeitserprobung und Berufsfindung.Seit August 1999, 2 Jahre nach dem Un-fall, nimmt der Versicherte an einer 1-jährigen Qualifizierung zum Hausmeis-ter teil. Es besteht Aussicht auf eine be-rufliche Wiedereingliederung.

Die Arbeitsgemeinschaft „Aufgabenund Stellung der Krankenhäuser in derRehabilitation“ kam auf dem Bun-deskongress für Rehabilitation 1991 zufolgender Einschätzung (zitiert nachBundesministerium für Arbeit und So-zialordnung [1]):

„1. Rehabilitation-Aufgaben-stellungen sind im Krankenhaus

immer noch fremd und finden in der Zielsetzung im klinischen

Alltag generell nur unzureichendeBerücksichtigung.

2. In den Kliniken sind die für eine qualifizierte Rehabilitation

erforderlichen Berufsgruppen (Basisteam) häufig nicht

vorhanden, und somit können

J. Nehls

Early networking of rehabilitation institutions

Abstract

The law provides for early networking of thewhole range of institutions concerned withrehabilitation.The regulations involved arenot observed in practice, with consequentpoor results for the insured persons, leadingto unnecessary costs of 50,000 DM andmore, which could be saved.The first defi-ciency in the rehabilitation process is thelack of any early rehabilitation in the acutehospital, and the second, the absence, late-ness or inadequacy of rehabilitation after active treatment.The third is the failure tolink the medical rehabilitation prescribedwith the patient’s regular work, whichmeans that inability to work persists formonths.These gaps in rehabilitation couldbe avoided in individual cases if the personin charge at the insurance company were totake advice from a doctor specialized inphysical and rehabilitation medicine and toproceed in the light of this advice. In future A and E doctors on call should take initialand continuing training in rehabilitationmedicine, so that medical rehabilitation canbe monitored and influenced from a singlebase.

Keywords

Case management · Management of rehabilitation · Disability management · Networking · Deficiencies in rehabilitation ·Continuing education of doctors

Abb. 1 m Akromioklavikularsprengung vom TypTossy III bei einem Zimmermann Jahrgang 1960

28.08.97

ab 05.10.97Verletztengeld

ab 28.10.97

ab 26.01.98

ab 10.02.98

ab 17.11.98

05.01.99

ab 18.01.99

15.02.9928.02.99

Unfall

stationär:Schultergelenksarthrose

stationär

nichts!

nichts!

SB an BFW

BGSWBFW: Arbeitserprobung/Berufsfindung18 Monate nach Unfall

Verschwendung:50.000 DM (25.641 Euro)

stationär: ME

zu wenig KG:2 > pro Woche

ambulant

Trauma Berufskrankh2000 · 2 [Suppl 2]: S278–S282 © Springer-Verlag 2000

Page 3: Frühzeitige Vernetzung der Rehabilitation

die hinsichtlich des gegebenen Krankheitenspektrums not-wendigen therapeutischen

Leistungen nur unzureichend erbracht werden.

3. Darüber hinaus ist die Personalsituation im Bereich der rehabilitativen Therapie

generell mangelhaft, ebenso istdie räumliche und apparative

Ausstattung defizitär.4. Die Ausbildung der Ärzte – sowohl im Studium als auch in

der Weiterbildung zum Facharzt –ist im Hinblick auf die Rehabili-tationsmedizin unzureichend.

5. Die einzelnen Rehabilitations-maßnahmen erfolgen in der Regel

unkoordiniert.6. Es fehlt eine übergreifende

Zusammenarbeit der klinik-internen Dienste einerseits und

der Umwelt außerhalb der Klinikandererseits.“

Dieses Defizit besteht nicht in Berufsge-nossenschaftlichen Unfallkrankenhäu-sern und weitestgehend nicht in zumVerletzungsartenverfahren zugelassenenKrankenhäusern bei Arbeitsunfallver-letzungen.Was kann gegen diesen Man-gel – soweit er besteht – unternommenwerden?

Mein Vorschlag wäre, bereits wäh-rend der stationären Behandlung exter-ne Rehabilitationsexperten aus ambu-lanten und stationären Einrichtungen indie Behandlung mit einzubinden. Reha-bilitationsexperten mit hoher Qualitätsind ausreichend vorhanden.

Beispielspielhaft sei folgender Fallangeführt: Ein zugelassenes Kranken-haus hat eine Handchirurgie, aber esfehlt eine Ergotherapie. Der D-Arzt ko-operiert mit einer ambulanten Rehabi-litationseinrichtung, die Ergotherapieanbietet. Der Ergotherapeut kommt indas Krankenhaus. Der D-Arzt steht inder Rehabilitationseinrichtung als Bera-ter zur Verfügung. Beide Leistungenwerden ohne Honorar erbracht. DieseKooperation Durchgangsarzt und Reha-bilitationsexperte halte ich für eine bes-sere Lösung als der von den Berufsge-nossenschaften verlangte umständliche

und praxisferne Papierkram zur Ver-ordnung einer Rehabilitation. DieserVorschlag der Kooperation gilt auch fürden ambulanten D-Arzt.

Eine weitere Lösungsmöglichkeitfür dieses Problem wäre, selbständigeRehabilitationsabteilungen in den Akut-kliniken zu schaffen. Dies ist im Kli-nikum Ingolstadt geschehen. Die wissen-schaftliche Auswertung, die vom Bun-desarbeitsministerium in Auftrag gege-ben und im Herbst 1998 [1] mitgeteiltworden ist, hat folgendes Ergebnis:

1. Verringerung der durchschnittlichenFallkosten um bis zu 14.000 DM

2. Verringerung der durchschnittlichenFallkosten während der ambulantenRehabilitation um bis zu 3000 DM

3. Verminderung der Kosten der Arbeits-unfähigkeit um bis zu 32.000 DM

4. Verringerung der durchschnittlichenGesamtkosten pro Fall um bis zu 48.600DM, im Bereich der Neurochirurgie so-gar um bis zu 110.000 DM

5. Einsparungen der Krankenversicherungum bis zu 28% pro Fall

6. Einsparungen in der Rentenversiche-rung um bis zu 53% pro Fall

7. Ergebnis: mehr Lebensqualität und op-timale Wiedereingliederung

Das Ergebnis ist in der Tat verblüffend.Trotz der Einsparung von Kosten wirdeine bessere Qualität der Rehabilitationerreicht.

Steuert der Sachbearbeiter als Re-habilitationsmanager die Rehabilitation,ist er auch gleichzeitig Kostenmanagerund beachtet damit den Grundsatz derSparsamkeit und Wirtschaftlichkeit.

Dem Sachbearbeiter im Einzelfall für die Steuerung der frühzeitigen Vernetzung der Rehabilitation zur Verfügung stehende Rechtsgrundlagen

Nach dem Sozialgesetzbuch I (§17) sindSozialleistungen in zeitgemäßer Weise,umfassend und schnell zu erbringen.Darüber hinaus verpflichtet das Rehabi-litationsangleichungsgesetz 1974 denLeistungsträger durch verschiedene Vor-schriften zur frühzeitigen Vernetzungder Rehabilitation. Die Rehabilitati-onsträger haben den Versicherten recht-zeitig und umfassend über die Durch-führung von Rehabilitationsmaßnah-men zu beraten. Sie haben auf die früh-zeitige Einleitung und die zügige Durch-

führung der gebotenen Maßnahmen zurRehabilitation hinzuwirken. Der Leis-tungsträger hat gleichzeitig mit der Einleitung einer medizinischen Maß-nahme zur Rehabilitation, während ih-rer Durchführung und nach ihrem Ab-schluss zu prüfen, ob durch geeigneteberufsfördernde Maßnahmen die Er-werbsfähigkeit des Behinderten erhal-ten, gebessert oder wiederhergestelltwerden kann. Der Sachbearbeiter hat ei-nen Gesamtplan aufzustellen.Dieser sollalle Maßnahmen umfassen, die im Ein-zelfall erforderlich sind, um eine voll-ständige und dauerhafte Wiedereinglie-derung zu erreichen. Dabei ist sicherzu-stellen, dass die Maßnahmen nahtlos in-einander greifen.Der Sachbearbeiter hatalso nicht nur zu prüfen, welche An-sprüche der Versicherte hat, sondernauch die zeitliche Folge der Erbringungdieser Leistungen zu planen. Hierbeihandelt es sich um die Beantwortungvon Rechtsfragen. Hierbei helfen demSachbearbeiter der medizinische Sach-verständige, der Facharzt für Unfallchir-urgie und der Rehabilitationsexperte.

Das Gesetz sieht auch vor, dass beider Ausführung der Leistungen dieGrundsätze der Wirtschaftlichkeit undder Sparsamkeit zu beachten sind.

Der Sachbearbeiter kann seine Pla-nung unmittelbar umsetzen. Durch §26SGB VII erhält er seine Handlungsanlei-tung:

„Der Sachbearbeiter bestimmt im Einzelfall Art, Umfang und

Durchführung der Heilbehandlungund Rehabilitation sowie die

Einrichtungen, die diese Leistungen erbringen, nachpflichtgemäßen Ermessen.“

Steuerung der frühzeitigen Vernetzungzwischen ärztlicher Behandlung und medizinischer Rehabilitationdurch den Sachbearbeiter

Der Sachbearbeiter lässt sich in Fällender Grauzone – voraussichtliche MdE 20 v. H. oder mehr – von einem Rehabi-litationsexperten, z. B. einem Facharztfür physikalische und Rehabilitations-medizin, beraten. Wenn er von dieserBeratung überzeugt ist, setzt er die Pla-nung in eigener Initiative um, z. B. be-auftragt er eine Rehabilitationsklinik

S280 Trauma und Berufskrankheit · Supplement 2 · 2000

Rehabilitation

Page 4: Frühzeitige Vernetzung der Rehabilitation

mit der medizinischen Rehabilitation.Erwird anregen, dass sich der Rehabilita-tionsarzt der Rehabilitationsklinik mitdem Durchgangsarzt abspricht. DenDurchgangsarzt wird der Sachbearbei-ter nicht als Sachverständigen für diemedizinische Rehabilitation heranzie-hen.Anzumerken ist hierbei, dass in denvielen Fällen der verzögerten Vernet-zung der Rehabilitation die Versichertenbis zum Abschluss der Rehabilitationvon einem Durchgangsarzt behandeltworden sind. Der Durchgangsarzt wirdjedoch entsprechend dem Ärzteabkom-men informiert.

3. Rehabilitationsloch

Eine rechtzeitige Verzahnung zwischenmedizinischer und beruflicher Rehabi-litation fand bisher deshalb nicht statt,weil am Ende der medizinischen Reha-bilitation die berufliche Prognose nochnicht feststand. Am Ende der medizini-schen Rehabilitation muss klar sein, wiees mit dem Versicherten beruflich wei-tergeht. Der Sachbearbeiter hat sich des-halb Rehabilitationseinrichtungen zusuchen, die ihm bei der Steuerung hel-fen. Die nach den Kriterien der Berufs-genossenschaften zugelassenen ambu-lanten oder stationären Rehabilitations-einrichtungen erbringen diese Leistunggrundsätzlich noch nicht. Der Sachbear-beiter sucht sich also Rehabilitationskli-niken aus, die bis zum Ende ihrer Lei-stungserbringung die Tätigkeiten desVersicherten vor dem Unfall berück-sichtigen, d. h. berufsbezogen rehabili-tieren und prüfen, ob der Versichertewieder arbeitsfähig wird. Als Partnerstehen den Rehabilitationseinrichtun-gen z. B. Berufsförderungswerke, priva-te Bildungsträger und Betriebe vor Ortzur Verfügung.

Die Arbeitsunfähigkeit ist ein un-bestimmter Rechtsbegriff. Arbeitsun-fähigkeit liegt vor, wenn ein Versicher-ter überhaupt nicht oder nur auf die Gefahr hin, seinen Zustand alsbald zuverschlimmern, fähig ist, seiner bisherausgeübten Erwerbstätigkeit nachzu-gehen. Der Arzt hat lediglich die medi-zinischen Voraussetzungen festzustel-len.Von zentraler Bedeutung ist die bis-her ausgeübte Erwerbstätigkeit. KeinenEinfluss auf die Arbeitsunfähigkeit hatder Umstand, dass dem Versichertengekündigt worden ist. Eine soziale Ar-beitsunfähigkeit gibt es nicht; auch eine

medizinische bis zum Ende der Behand-lung nicht.

Wichtig für den Erfolg der frühzei-tigen vernetzten Rehabilitation ist dasTeamgespräch am Ende der medizini-schen Rehabilitation mit allen Beteilig-ten. Das Gespräch kann in der Rehabili-tationseinrichtung stattfinden, im Be-trieb oder in der Verwaltung.

Am Ende der Rehabilitation musseine der folgenden 4 Fragen beantwor-tet sein:

1. Kann der Versicherte seine zuletzt aus-geübte Tätigkeit weiter verrichten?

2. Kann der Versicherte eine seiner bishe-rigen Tätigkeiten vergleichbare Arbeitwieder aufnehmen und ist diese für ihnzumutbar?

3. Ist eine berufliche Neurorientierung er-forderlich?

4. Kann der Versicherte ggf. eine Tätig-keit nicht wieder aufnehmen; sollte Er-werbsunfähigkeitsrente beantragt werden?

Zusätzlich sollte die Frage beantwortetwerden, ob der Versicherte hinsichtlichder Rehabilitation motiviert ist.

Wenn am Ende der Rehabilitationfeststeht, dass der Versicherte seine bis-herige Tätigkeit nicht mehr ausübenkann, z. B. der Zimmermann keine La-sten mehr über Kopf tragen kann und erdamit hinsichtlich seiner bisherigenTätigkeit arbeitsunfähig ist, ist dies keinnegatives Ergebnis. Denn der Sachbear-beiter weiß sehr frühzeitig, dass er mitder beruflichen Rehabilitation beginnenmuss.

Der Sachbearbeiter hätte den Tos-sy-III-Fall (Abb. 1) wie folgt geplant undgesteuert (Abb. 2): Er hätte den Versi-cherten sofort einem zum Verletzungs-artenverfahren zugelassenen Kranken-haus zugeführt. Er hätte frühzeitig diemedizinische Rehabilitation initiiert. Erhätte rechtzeitig eine Belastungserpro-bung veranlasst. So hätte der Fall so ver-laufen können, dass nach 4 Monatenwieder Arbeitsfähigkeit ohne rentenbe-rechtigende MdE besteht. Der Unter-schied zwischen diesem Soll und dembereits dargestellten Ist liegt in Mehr-aufwendungen in der Größenordnungvon etwa 400.000 DM einschließlichUmschulung und zukünftiger Renten-leistung.

Die frühzeitige Vernetzung der Re-habilitation durch Steuerung des Sach-

bearbeiters lässt sich mit folgendem Bei-spiel erläutern:

Fallbeispiel 2

Ein Maurer, Jahrgang 1966, erlitt einendislozierten Fersenbeinbruch. Ihm wur-de gekündigt. Der beratende Rehabilita-tionsexperte schlug dem SachbearbeiterEAP für den Versicherten vor. Der Sach-bearbeiter initiierte eine BGSW. Die sta-tionäre Behandlung wurde gewählt, weildie EAP-Einrichtung vom Wohnsitz desVersicherten zu weit entfernt war. DasTeamgespräch während der stationärenRehabilitation ergab, dass der Versicher-te seine Tätigkeit als Maurer nicht weiterverrichten kann. Es war eine betriebli-che Umschulung vorgesehen. Der Sach-bearbeiter wandte sich sofort an ein Be-rufsförderungswerk. Dieses leitete un-verzüglich eine Berufsfindung und Ar-beitserprobung ein. Am 23.3.99 begannder Versicherte die Umschulung zumBüroinformationselektroniker, wenigmehr als 6 Monate nach seinem Arbeit-sunfall.

Der Durchgangsarzt muss zukünf-tig mehr in das Rehabilitationsgesche-hen eingebunden werden, er muss mit-steuern.Er muss deshalb auf dem Gebietder Rehabilitation fortgebildet werden.So könnte z. B. überlegt werden, ob nur

Trauma und Berufskrankheit · Supplement 2 · 2000 S281

Abb. 2 m Möglicher Verlauf der der Abb. 1 zu-grunde liegenden Verletzung bei Steuerungdurch den Sachbearbeiter

28.08.97ab 28.08.97

ab 05.10.97Verletztengeld

ab 01.11.97

26.12.97*

ab 06.12.97*

* entspricht Weller III

hilfsweise

01.03.98

Unfallstationär

EinleitungBerufsfindung

arbeitsfähigMdE 10 v. H.

6 Monate nach Unfall

EAP

Belastungserprobung

ambulant

Page 5: Frühzeitige Vernetzung der Rehabilitation

S282 Trauma und Berufskrankheit · Supplement 2 · 2000

Rehabilitation

ein Unfallchirurg mit der Zusatzbe-zeichnung Arzt für physikalische Reha-bilitation Durchgangsarzt werden kann.Auf unfallmedizinischen Weiterbildungs-veranstaltungen sollte es zum Standardgehören, in jeden Themenkomplex als

Unterpunkt die Rehabilitation aufzu-nehmen – wie z. B. auf dieser Tagung (I.Gelenknahe Verletzung der oberen Ex-tremitäten, Vortrag 9: Grundsätze undMöglichkeiten der Physiotherapie beigelenknahen Verletzungen).

Literatur1. Bundesministerium für Arbeit und Sozialord-

nung (1998) Fachübergreifende Rehabilita-tion im Akutkrankenhaus – durchgeführtim Klinikum Ingolstadt, Abschlußberichtder wissenschaftlichen Begleitung. Wis-senschaftliches Institut der Ärzte Deutschlandse V, Köln Bonn