5
J. Braun J. Sieper Fu ¨nfundzwanzig Jahre HLA B27 – Bericht u ¨ber die NIH-Konferenz „B27 and beyond“ Z Rheumatol 58:104–108 (1999) © Steinkopff Verlag 1999 KONGRESSBERICHT ZfRh 174 Eingegangen: 24. November 1998 Akzeptiert: 17. Februar 1999 PD Dr. med. J. Braun ( ) · J. Sieper Medizinische Klinik und Poliklinik Abt. Rheumatologie Universita ¨tsklinikum Benjamin Franklin Hindenburgdamm 30 D-12200 Berlin Am 1. und 2.9. 1998 fand in Bethesda eine von J. Tau- rog/Dallas University of Texas organisierte internatio- nale Konferenz anla ¨ßlich der 25 Jahre zuru ¨ckliegenden Entdeckung der HLA B27-Assoziation der Spondylar- thropathien und der Absicht des National Institute of Health (NIH) statt, ein Fo ¨rderprogramm fu ¨r Studien auf diesem Gebiet zu initiieren. Klinik und Bildgebung In der klinischen Einfu ¨hrung durch J. Reveille wurde betont, daß bei 80% der Patienten mit ankylosierender Spondylitis (AS) initial der oft typische entzu ¨ndliche Ru ¨ckenschmerz im Vordergrund steht. Die fu ¨hrende Rolle der AS innerhalb der Gruppe der Spondylarthro- pathien (SpA) wurde betont. Der Radiologe R. Boutin aus Boston gab einen Überblick u ¨ber die bildgebenden Verfahren in der Diagnostik der AS. Die Graduierung des Ausmaßes der radiologischen Vera ¨nderungen in den Sakroiliakalgelenken ist nach wie vor Standard fu ¨r die Diagnosestellung im Rahmen der New York Kriterien. Fu ¨r eine weitergehende Diagnostik bietet sich die Com- putertomographie (CT) bei der Frage nach kno ¨chernen Vera ¨nderungen und die Magnetresonanztomographie (MRT) bei der Frage nach akuter Entzu ¨ndung der Sa- kroiliakalgelenke an. Langja ¨hrige AS-Patienten haben meist eine ausgepra ¨gte Osteoporose, die sich wegen der ha ¨ufig parallel vorliegenden Knochenneubildung mit DXA-Technik nicht verla ¨ßlich quantifizieren la ¨ßt. Die im Vergleich zur Normalbevo ¨lkerung etwas geha ¨uft auf- tretenden Wirbelko ¨rperfrakturen ko ¨nnen zu einer Einen- gung des Spinalkanals fu ¨hren. Diese potentiell bedrohli- che Situation la ¨ßt sich am besten mit MRT-Technik dar- stellen. Genetik Von wesentlicher Bedeutung fu ¨r die Aufkla ¨rung des vererbbaren Anteils der Pathogenese der AS sind die genetischen Studien der Gruppe aus Oxford, die von P. Wordsworth vorgestellt wurden. Die Analysen der Zwil- lingstudien mit 200 Paaren ergeben vor allem, daß HLA B27 nicht das einzige mit erho ¨htem Erkrankungsrisiko fu ¨r AS behaftete Gen ist, d. h. es handelt sich um eine polygene Erkrankung. Hierfu ¨r spricht die Konkordanz- rate von 75% bei homozygoten gegenu ¨ber 24% bei HLA B27+ heterozygoten Zwillingen sowie das gegen- u ¨ber der Normalbevo ¨lkerung 500fach erho ¨hte Erkran- kungsrisiko bei homozygoten Zwillingen gegenu ¨ber ei- nem 50fach erho ¨hten bei einfachen Geschwistern. Die Varianzanalyse dieser Daten ergibt eine genetische Va- rianz von 90%. Das bedeutet, daß Umweltfaktoren auch, aber weniger relevant sind, und daß es sehr wahr- scheinlich ist, daß es sich nicht um seltene, sondern um weit verbreitete Faktoren, wie z. B. ha ¨ufige Erreger han- delt. Bei der sog. shared-haplotype-Analyse von betrof- fenen Geschwistern ergab sich fu ¨r den HLA-Bereich die erwartet starke Assoziation, die durch HLA B27 erkla ¨rt ist (odels ratio 120), 7,6% der Untersuchten hatten aber einen anderen Haplotyp im Vergleich zu den Eltern. Von diesen Daten la ¨ßt sich errechnen, daß HLA B27 selbst 20–50% des genetischen Risikos ausmacht, d. h. mindestens die Ha ¨lfte ist noch nicht bekannt! Gene die z. B. mit Psoriasis oder M. Crohn assoziiert sind, ko ¨nn- ten hier zusa ¨tzlich eine Rolle spielen. Um eine ungefa ¨h-

Fünfundzwanzig Jahre HLA B27 – Bericht über die NIH-Konferenz „B27 and beyond“

  • Upload
    j-braun

  • View
    217

  • Download
    2

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Fünfundzwanzig Jahre HLA B27 – Bericht über die NIH-Konferenz „B27 and beyond“

J. BraunJ. Sieper

FuÈnfundzwanzig Jahre HLA B27 ±Bericht uÈber die NIH-Konferenz ¹B27 and beyondª

Z Rheumatol 58:104–108 (1999)© Steinkopff Verlag 1999 KONGRESSBERICHT

ZfR

h174

Eingegangen: 24. November 1998Akzeptiert: 17. Februar 1999

PD Dr. med. J. Braun (✉) · J. SieperMedizinische Klinik und PoliklinikAbt. RheumatologieUniversitatsklinikum Benjamin FranklinHindenburgdamm 30D-12200 Berlin

Am 1. und 2.9.1998 fand in Bethesda eine von J. Tau-rog/Dallas University of Texas organisierte internatio-nale Konferenz anla¨ßlich der 25 Jahre zuru¨ckliegendenEntdeckung der HLA B27-Assoziation der Spondylar-thropathien und der Absicht des National Institute ofHealth (NIH) statt, ein Fo¨rderprogramm fu¨r Studien aufdiesem Gebiet zu initiieren.

Klinik und Bildgebung

In der klinischen Einfu¨hrung durch J. Reveille wurdebetont, daß bei 80% der Patienten mit ankylosierenderSpondylitis (AS) initial der oft typische entzu¨ndlicheRuckenschmerz im Vordergrund steht. Die fu¨hrendeRolle der AS innerhalb der Gruppe der Spondylarthro-pathien (SpA) wurde betont. Der Radiologe R. Boutinaus Boston gab einen Überblick u¨ber die bildgebendenVerfahren in der Diagnostik der AS. Die Graduierungdes Ausmaßes der radiologischen Vera¨nderungen in denSakroiliakalgelenken ist nach wie vor Standard fu¨r dieDiagnosestellung im Rahmen der New York Kriterien.Fur eine weitergehende Diagnostik bietet sich die Com-putertomographie (CT) bei der Frage nach kno¨chernenVeranderungen und die Magnetresonanztomographie(MRT) bei der Frage nach akuter Entzu¨ndung der Sa-kroiliakalgelenke an. Langja¨hrige AS-Patienten habenmeist eine ausgepra¨gte Osteoporose, die sich wegen der

haufig parallel vorliegenden Knochenneubildung mitDXA-Technik nicht verlaßlich quantifizieren la¨ßt. Dieim Vergleich zur Normalbevo¨lkerung etwas geha¨uft auf-tretenden Wirbelko¨rperfrakturen ko¨nnen zu einer Einen-gung des Spinalkanals fu¨hren. Diese potentiell bedrohli-che Situation la¨ßt sich am besten mit MRT-Technik dar-stellen.

Genetik

Von wesentlicher Bedeutung fu¨r die Aufklarung desvererbbaren Anteils der Pathogenese der AS sind diegenetischen Studien der Gruppe aus Oxford, die von P.Wordsworth vorgestellt wurden. Die Analysen der Zwil-lingstudien mit 200 Paaren ergeben vor allem, daß HLAB27 nicht das einzige mit erho¨htem Erkrankungsrisikofur AS behaftete Gen ist, d.h. es handelt sich um einepolygene Erkrankung. Hierfu¨r spricht die Konkordanz-rate von 75% bei homozygoten gegenu¨ber 24% beiHLA B27+ heterozygoten Zwillingen sowie das gegen-uber der Normalbevo¨lkerung 500fach erho¨hte Erkran-kungsrisiko bei homozygoten Zwillingen gegenu¨ber ei-nem 50fach erho¨hten bei einfachen Geschwistern. DieVarianzanalyse dieser Daten ergibt eine genetische Va-rianz von 90%. Das bedeutet, daß Umweltfaktorenauch, aber weniger relevant sind, und daß es sehr wahr-scheinlich ist, daß es sich nicht um seltene, sondern umweit verbreitete Faktoren, wie z.B. ha¨ufige Erreger han-delt. Bei der sog. shared-haplotype-Analyse von betrof-fenen Geschwistern ergab sich fu¨r den HLA-Bereich dieerwartet starke Assoziation, die durch HLA B27 erkla¨rtist (odels ratio 120), 7,6% der Untersuchten hatten abereinen anderen Haplotyp im Vergleich zu den Eltern.Von diesen Daten la¨ßt sich errechnen, daß HLA B27selbst 20–50% des genetischen Risikos ausmacht, d.h.mindestens die Ha¨lfte ist noch nicht bekannt! Gene diez.B. mit Psoriasis oder M. Crohn assoziiert sind, ko¨nn-ten hier zusa¨tzlich eine Rolle spielen. Um eine ungefa¨h-

Page 2: Fünfundzwanzig Jahre HLA B27 – Bericht über die NIH-Konferenz „B27 and beyond“

re Vorstellungzu bekommen,wo dieseGenezu suchensind,wurdebei 120 Geschwisterpaarenein Genom-wei-tes Screeningdurchgefu¨hrt. Hierbei wurden insgesamt18 Loci identifiziert, 4 davon sind mit großer Wahr-scheinlichkeitmit AS assoziiert.Im HLA-Bereich ist jainzwischengut etabliert, daß HLA B60 (OR 2) undHLA DR1 ebenfallsmit AS assoziiertsind.

P. Wordsworthfugte spater noch einige neuebishernicht publizierte Datenauseinergroßengastroenterolo-gischenDNA-Sammlungvon mehrerenHundertPatien-ten mit chronisch entzundlichen Darmerkrankungen(CED) hinzu. Hierbei ergab sich eine AssoziationvonHLA-Typen mit klinischen Merkmalen: Patientenmitpauciartikula¨rer Arthritis und haufigen extraintestinalenManifestationen warenim Vergleich zu solchenmit Po-lyarthritis ohne diese Symptomevermehrt HLA B27-(29% vs. 4%), B35- (36% vs. 7%) und DR1- (39% vs.0%) -positiv, wahrend letztere deutlich haufiger denHLA-Typ B44 hatten(64% vs.11%). Eine AnalysederPatientenmit axialemBefall erfolgt erst nach Auswer-tung der Rontgenbilder.

AntigenpraÈsentation ± HLA B27/Peptid-Komplexe

Der Virologe Yewdell aus Bethesdastellte seineÜber-zeugungdar, daßdie TCR-MHC-Interaktion wesentlichkomplizierter seinmußalsdie kristallographischenAna-lysenbehaupten.WelchekrankheitsrelevantenPeptideinderBindungsgrubevon HLA B27 prasentiertwerden,istbishernicht geklart. In HLA KlasseI Molekulen werdenvorwiegendendogene,aberauchz.B. virale Peptidepra-sentiert.Moglich ist u.a.,daßHLA B27 einausdemMo-lekul selbstentstandenesPeptidprasentiert.Der weitereWegeinesAntigensim Zytosol fuhrt nacheinerKonfor-mationsa¨nderungderProteinstrukturzunachstzur Degra-dierungim Proteasom,welchesnicht polymorphzu seinscheint.AndereProteasen,die bishernochnichtentdecktwurden,konntenhierbeiaberaucheineRollespielenundwesentlichpolymorpheralsdasProteasomsein,wasdasProzessierungsproduktbeeinflussenwurde. Bei der Pro-zessierungentstehen6–18 Aminosauren lange Peptide,die in 90% der Falle von einem Transporterprotein(TAP) ins endoplasmatischeRetikulum (ER) gebrachtwerden.Auf denTransportvorgangnehmenSchutzfakto-renwie Calreticulinunddaskurzlich beschriebeneTapa-sin Einfluß. Im ER werdensie an MHC KlasseI Mole-kule gebunden.Die Peptidemit hoherAffinitat werdenbesondersschnelldurchden Golgi-Apparatan die Zell-oberflachegebracht,wo sie fur Stundenstabilexprimiertwerden.Eswurdekalkuliert,daßnur 1/2000viralenPep-tiden letztlich dort ankommt.Auf der anderenSeitege-langenaberauchleereMHC Molekule andieZelloberfla-che.Die BedeutungdieserErkenntnissefur Erklarungderphysiologischen und pathologischenFunktionvon HLAB27 ist nochunklar.

HLA B27 Subtypen

J. Lopezde CastroausMadrid berichtetedannuber diebisher bekannten13 HLA B27 Subtypen,von denendie SubtypenHLA B2706und B2709nachdenbisheri-gen Erkenntnissennicht mit AS assozziertsind. Beidehabenaber im Vergleich zu den anderenB27-Moleku-len nicht die gleiche B-Pocket,die von Interesseist,weil sie unter den HLA B Molekulen einzigartig,d.h.B27-spezifischist. Die beidenSubtypenweisengegen-uber den anderengeringeUnterschiedeim BereichderPeptidbindungsstelleauf, die abermoglicherweise funk-tionell relevant sind. Zwei Ergebnisseder umfangrei-chenKlonierungsarbeiten von de Castroselbstsind in-teressant:1. Bindung und zytotoxischeFunktion derB27-autoreaktiven Klone korreliertenkaum und 2. esgibt Anhalt, daß die B27 Subtypenauf die Prozessie-rung von PeptidenEinfluß nehmen.

Auch B. Colbert aus Cincinatti untersuchtedie Be-deutungder HLA B-Pocketvon HLA B27 (s.o.). Des-halb transfizierteer die B-Pocketvon HLA A2 in HLAB2705 und bestimmtedas differenzielleBindungsver-halten. Die Ergebnissedeutenauf einen Proteinentfal-tungsdefektvon HLA B27 hin, was die Antigenprasen-tationbeeinflussenkonnte.

T-Zellrepertoire

E. May ausder Arbeitsgruppevon E. Marker-Hermann/Mainz berichtetedannuberdie AnalysedesT-Zellreper-toires mithilfe des Spectratyping,einer systematischenAnalysedesT-Zellrepertoires von CD4+ und CD8+ T-Zellen bei monozygotenZwillingen, die entwederbeideodernur eineran AS erkranktwaren.Hierbei fand sicheineHaufung von oligoklonalen CD8+ T-Zellenbei denAS-Patienten, in schwacheremAusmaß auch bei denCD4+ T-Zellen. Wichtig ist jedoch, daß solcheOligo-klonalitat bei „Normalgesunden“ im CD4-Bereichnicht,bei CD8+ T-Zellenabersehrwohl vorkommt.DieseEr-gebnissestarken die Vorstellung,daß in der Pathoge-neseder AS CD4+ T-Zellen eine wichtige Rolle spie-len.

Zytokine, Immunhistopathologie und Magnetresonanztomographie

J. Braun aus Berlin gab zunachst eine Übersicht uberdie in den letzten drei Dekadenpublizierten Arbeitenzur Histopathologie der Achsenskelettbeteiligung beider AS. Daruberhinausprasentierteer Dateneiner Un-tersuchung,die in Zusammenarbeitmit dem BerlinerRadiologen M. Bollow/Charite an 32 SpA-Patientendurchgefu¨hrt wurde.HierbeiwurdedasmittelsMRT ge-messeneAusmaßder Entzundungim SIG mit einemhi-

105J. Braunund J. SieperFunfundzwanzigJahreHLA B27

Page 3: Fünfundzwanzig Jahre HLA B27 – Bericht über die NIH-Konferenz „B27 and beyond“

stologischenScore des durch CT-gesteuertePunktiongewonnenenBiopsates korreliert. Die histologischenBefundebestatigten die Beteiligungvon immunkompe-tenten Zellen, T-Zellen und Makrophagen, aber auchvon Fibroblastenan der Sakroiliitis.Daruberhinauswur-den MRT-Bilder einesjungen Mannesmit ganz fruherSakroiliitis gezeigt,die suggerieren,daß der pathologi-sche Prozeß im Bereich Gelenkkapsel/subchondralerKnochen beginnt. In funf von R. Francoiszur Verfu-gung gestelltenoffenenBiopsatenwurdendie ZytokineTNFa, IL-1b, IL-6 und TGF-b nachgewiesen.Bezogenauf die Krankheitsdauerwar TNFa eher fruher undTGF-b eherspater und in großeremAusmaßnachweis-bar.

D. McGonagle ausderGruppevon P. Emeryin Leedszeigte seineErgebnissevon MRT-Untersuchungen ent-zundeterKniegelenkebei je 10 Patientenmit rheumatoi-der Arthritis (RA) im Vergleichzu Spondylarthropathien(SpA), in dieserUntersuchung vor allemreaktiveArthri-tis und Psoriasisarthritis). Die Datenzeigen,daßbei denSpA-PatientenhaufigereineEnthesitisim BereichderPa-tellarsehneund desKapselansatzesvorliegt.Diessprichtauchim BereichperiphererGelenkefur eineunterschied-liche Pathogenese und verschiedeneAngriffspunktebeidenSpA im Vergleichzur RA.

G. FiresteinausLa Jolla sprachuber die Bedeutungder TH1/TH2 Dichotomiebei den SpA; hierfur gibt esinsgesamtbisher wenig Daten. Inwieweit es zwischenreaktiverund rheumatoider Arthritis Unterschiede gibt,halt Firestein fur umstritten.Dem stehendie von unsund anderenpubliziertenErgebnisseentgegen,die derReA eher ein TH2- und der RA ein TH1- Muster zu-weisen.Ob eineverstarkte Expressionvon p53 bei denSpA, ahnlich wie bei der rheumatoiden Arthritis (Fire-stein Daten), eine Rolle spielt, ist bisher nicht unter-sucht.

Anteriore Uveitis

Über die Rolle der anteriorenUveitis bei den SpAsprachJ. Rosenbaum,der seit geraumerZeit daruber ar-beitetund viele Uveitis-Patientenbetreut.Insgesamtha-ben 50–80% der Patientenmit anteriorerUveitis eineSpA. Rosenbaumvertrat die Meinung, daß die eherhaufige Augenbeteiligungbei AS (20–40%) und M.Crohn unterschiedlichist. Bei M. Crohn kommt dieUveitis haufiger posterior, chronischund beidseitsvor,wahrend die Uveitis bei den anderenSpA fast aus-schließlich anterior lokalisiert ist. Bei B27-transgenenTieren, die nach Salmonellen-Inokulationeine Uveitisentwickeln,laßt sich dasWanderungsverhalten der Leu-kozytenim Auge mittels intravitalerMikroskopie in vi-vo aufnehmenund uber Video demonstrieren.

Mukosale ImmunitaÈt und enterale Erreger

Der Rheumatologe/ImmunologeR. Inman aus Torontogab eine Übersicht uber die moglichen Immunmecha-nismen, die den Darm mit der Pathogenese der SpAverbinden.Bei der Bypass-Arthritis fuhrt die veranderteAnatomiedesDarmszur Formationvon phlogistischenImmunkomplexen. Bei der z.B. durch Yersinia entero-colitica ausgelo¨stenpostenteritischen reaktivenArthritiskonntemolekularesMimikry zwischenluminalenDarm-bakterien und endogenenWirtsproteinen eine Rollespielen.Fur die Synovitisim RahmeneinerClostridiumdifficile bedingtenpseudomembranosenColitis sind da-gegen eher Toxine verantwortlich. Eine veranderteDarmpermeabilitat, wie sie z.B. bei der einheimischenSprue(Zoliakie) vorkommt,konntezu einer Immunant-wort gegenAntigene aus dem Darm wie Gliadin fuh-ren.DashaufigereVorkommenvon Arthritis bei Patien-ten mit M. Crohn als bei Colitis ulcerosakann auf dieBedeutungbestimmterDarmabschnitteoder eine unter-schiedlichePathogenesehindeuten.Als wichtig fur dieErklarung der Pathogeneseder SpA wurde die unter-schiedlicheAssoziationvon axialer und periphererAr-thropathiezum einen mit HLA B27 und zum anderenmit der Aktivitat der Darmentzu¨ndungherausgestellt.

Der Mikrobiologe A. OnderdonkausBostongab ei-nen Überblick uber die normaleDarmflora.Initial wieser auf ÄhnlichkeitenzwischenProteoglykanund bakte-riellem Lipopolysaccharid hin; beidesind schwierigab-zubauen.Die Anzahl von Bakteriennimmt im Gastroin-testinaltraktvom Mund bis zum Enddarmstetigzu. DieKontrolle erfolgt uber niedrigen pH, Organmotilitat,Speichel-,Gallensa¨uren- und Enzym-produktion sowieImmunreaktionen, gelenkt vom Mukosa-assoziiertenlymphatischen Geweben.Im Magen betragt die Ratevon Mikroorganismen/ml100–103 (hoher nachMahlzei-ten), im proximalen Duodenum104 und im distalen108, im terminalenIleum und im Kolon 1012. Im termi-nalenIleum ist die Konzentrationam hochsten.Die 350potentiell vorhandenenMikroorganismenkommen inden verschiedenen Darmabschnitten unterschiedlichhaufig vor. Die Mikroben selbstbeeinflussen die Darm-flora uber Adharenzmechanismen,Produktionvon sog.Bacteriozinen und anderentoxischenProduktensowieKompetitionum Nahrungsstoffe. Die obligat anaerobenKeime sind am haufigsten(1000:1),daruntervor allemBacteroides-Spezies.DieserErregerhat vor kurzemBe-deutungim Zusammenhangmit den HLA B27-transge-nen Ratten erlangt, weil diese ihre typischen Krank-heitszeichennur in normaler nicht-keimfreier Umge-bungentwickeln,nicht aberbei keimfreierHaltung.Vorallem die Beimischungvon Bacteroides, aberauchan-deren, vermochtedie Krankheit bei den suszeptiblenTierenzum Ausbruchbringen.Es gab aberkeinesigni-fikante Assoziationzwischender absolutenMengeoderdemVerhaltnis Aerobier/Anaerobier.

106 Zeitschrift fur Rheumatologie,Band58, Heft 2 (1999)© Steinkopff Verlag1999

Page 4: Fünfundzwanzig Jahre HLA B27 – Bericht über die NIH-Konferenz „B27 and beyond“

Inwieweit die Zusammensetzungder komplexenMi-kroflora des Darms beim MenschengenetischenEin-flussenunterliegt,ist bisherunklar. Durch Entzundungdes Darmes wird die Darmflora deutlich verandert,nicht aberdurchNahrungsgewohnheitenwie z.B. vege-tarische Ernahrung. Insgesamtgibt es klare Anhalts-punktefur einewichtige Rolle desDarmsbei denSpA,genauereMechanismen sind aberbislangnicht geklart.

L. Mayer aus New York sprachuber mukosaleIm-munitat. Im Darm bestehtkonstitutiv eine kontrollierteEntzundungsituation.Die Symbiosemit denMikroorga-nismen ist notwendig,um mit der großenAntigenlastfertig zu werden.Das Ausbleibeneiner Immunantwortgegenviele Antigene ist ein aktiver Prozeß,der z.B.durchCD8+ T-Zellen im Tiermodell transferiertwerdenkann.Antigenewerdenals loslicheoderunloslichePro-teine oder auch Immunkomplexe im Darm angebotenund von M-Zellen aufgenommen,die MHC Klasse IIMolekule exprimieren und vom lymphatischenOrgandes Darms, den Peyer‘schenPlaques,beeinflußt wer-den. In eigenenExperimentenmit intestinalenEpithel-zellen, die gp180,ein 180 kD Glykoprotein,exprimie-ren, zeigtesich, daß diesenicht nur CD8 binden,son-dern auch Suppressorfunktionen aktivieren. Hierbeihatte das gp180, nicht aber das CD8-bindendeCD1-Molekul einen inhibierendenEinfluß. CD1 prasentiertkeine Peptideund es gibt bislang aber keinen Anhalt,daßes sich um einenAntigen-spezifischenProzeßhan-delt. Da ersteErgebnissedaraufhindeuten,daßdasgp180 bei CED hochreguliert ist, konnte dies dafur spre-chen,daßhierbeidie gp 180-vermittelte Suppressorakti-vitat beeintra¨chtigt ist.

Der Gastroenterologe R. Balfour Sartor aus ChapelHill/North Carolinabetontedie Rolle von HLA B27 furdie Pathogeneseder AS bei CED: dasRisiko, eine ASzu bekommen,ist fur einenHLA B27-Positiven25facherhoht. Auf der anderenSeitestellenCED wie die Pso-riasis unabha¨ngige Risikofaktorenfur die Entwicklungeiner AS dar. Insgesamthaben60% der AS-Patientenhistologische Zeichen einer Crohn-ahnlichen Darment-zundung.

Auch die HLA B27-transgenen Ratten entwickelneine schwere Colitis in bakterienhaltiger Umgebung.Hierfur war vor allem Bacteroidesvulgatusverantwort-lich zu machen– deutlichmehrals andereBacteroides-Spezies.Bei schwererColitis wurden aber auch ver-mehrt E. coli gefunden.IL-10 defizienteTiere entwik-kelten dagegenkeine Colitis nach B.vulgatusExpositi-on.

Die mukosaleEntzundungist ehereineTH1 Erkran-kung, die durch IL-12, IL-1, TNFa und CD4+ T-Zellenvermitteltwird und die verstarkt zum Ausbruchkommt,wenn IL-10 oderTGF-b fehlen.In der Klinik trifft diesoffenbarvor allem auf den M. Crohn zu, wahrendbeider Colitis ulcerosaeher ein TH2-Muster zu uberwie-genscheint.

Der Mikrobiologe K. Wilson aus Boston fasstedieerfolgreichenVersuche,bisher unbekanntebakterielleErreger mittels moderner Polymerasekettenreaktions-Technikenzu identifizieren,zusammen,wobei er beson-dersdie Vorteile der „representational differenceanaly-sis“ betonte;hierfur gibt es jetzt auch kommerzieller-haltliche Kits. Hiermit und auf dem Bodenvon beson-derskonserviertenallen BakteriengemeinsamenRegio-nen wie der ribosomalen16 S-Regionkonnen bisherunbekannteErregeridentifiziert werden.Dies ist bisherfur Rochalimaea henselii (bazillare Angiomatose), Tro-pherymawhippeli (Whipple’scheErkrankung), Clostri-dium piliforme (Tyzzer’s disease)and Ehrlichia Spezies(humaneEhrlichiose)gelungen.Auch bei der AS konn-ten bishernochnicht identifizierteErregereinewichtigeRolle spielen.

Knorpel- und KnochenmolekuÈle

Der MolekularbiologeG. Karsentyaus Houston/Texasberichteteuber Osteocalcin(OC)-defiziente Mause,dieeine vermehrte Knochendichte aufweisen, wahrendMause,die den vor allem in Osteoblastenvorkommen-den OC-Promoter OSF2nicht exprimierenkonnen,kei-nenKnochenentwickeln.

E. Thonar, ein Biochemiker aus Chikago, selbstschwer von AS betroffen, sprach uber Struktur undFunktion desKnorpels.Eine leicht vermehrteLympho-zytenreaktivita¨t auf Aggrecanund Link Protein wurdebei AS-Patienten gefunden(A. Robin-Poole,Toronto).

Tiermodelle

J. Taurog,der seit Jahrenmit dem Modell HLA B27-transgenerRatten,die SpA-ahnliche Symptomeentwi-keln, arbeitet,prasentierte,daßein bekanntermaßensehrgut HLA B27-bindendesPeptidausdem Influenza-Nu-kleoprotein,wenn es als Minigen transfiziertwird, dieHaufigkeit von Arthritis bei dem suszeptiblenRatten-stammvermindert.Das deutetdarauf hin, daß hierbeidocheinePrasentationeinesrelevantenendogenenPep-tids uber HLA B27 selbst gegenu¨ber CD8+ T-Zellenstattfindet. Dies wurde das Modell fur Therapiefor-schung unter Umstanden noch wesentlich attraktivermachen.

S. Khare,der denerkranktenC. David ausRochestervertrat, stellte das HLA B27-transgeneMaus-Modellder Gruppevor, welchessich auf die Hypothesestutzt,daßfreie SchwerkettendesB27-Molekuls krankheits-re-levantePeptideprasentieren.Kharemußtesichgegenkri-tischeFragenzur Wehr setzen,die diesesModell betra-fen.Die wesentlichenKritikpunktesind,daßkeinehisto-logischenUntersuchungenzur berichtetenArthritis vor-

107J. Braunund J. SieperFunfundzwanzigJahreHLA B27

Page 5: Fünfundzwanzig Jahre HLA B27 – Bericht über die NIH-Konferenz „B27 and beyond“

liegenunddaßdie ganzeTheoriederHLA B27-Schwer-kettenpra¨sentationauf wenigendurchflußzytometrischenAnalysenberuhen.J. Taurog und R. Colbert berichte-ten, daß sie beim gleichenVersuchsaufbaudie Ergeb-nisse nicht reproduzierenkonnten. Von Interesseist,daßb2-Mikroglobulin-defizienteMauseunabha¨ngig vontransfiziertenHLA-GeneneineArthritis entwickelnkon-nen.

H. Krug aus Minneapolis, studiert seit JahrendasMausmodellder murinenprogressiven Ankylose. Hier-bei gibt es insgesamtkeine Anhaltspunktefur ein im-munpathologischesGeschehen,HLA B27 spielt keineRolle. Interessantist aber, daß sich die OssifizierungdurchparenteraleGabevon Phosphocitraterheblichbe-einflussenlaßt. Insgesamtist diesesahnlich wie das

ANKENT-Modell von P. Ivanyi zumindestteilweisege-eignet,die Zusammenha¨nge von Entzundungund Kno-chenneubildungzu erforschen.

Zusammenfassung und Schluûfolgerung:

Eine Reihe von Fortschritten in Epidemiologie, Patho-genese,Diagnostik und Therapieder Spondylarthropa-thien konnte in den letztenJahrenerreichtwerden.Ander entscheidendenRolle der Wechselwirkung zwischenGenetik (HLA B27 und andere)und Bakterienbestehtkaum Zweifel. Zur endgultigen Aufklarung der Patho-mechanismendieser Erkrankungensind erfolgverspre-chendeAnsatze vorhanden.

108 Zeitschrift fur Rheumatologie,Band58, Heft 2 (1999)© Steinkopff Verlag1999