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Führungskräfte im Dialog: Eingeübte Inkompetenz

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Fachbeitrag von Dr. Gerhard Fatzer im Alpha Magazin des Tages-Anzeigers: Erlernte Hilfslosigkeit führt dazu,dass sich Unternehmen in defensive Verhaltensweisen begeben. Der Dialog hilft diesen negativen Auswirkungenzu entkommen. Für die Dialogpartner Risiko und Chance zugleich.

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Page 1: Führungskräfte im Dialog: Eingeübte Inkompetenz

• Respecting (Respektieren) und • Suspending (etwas in der Schwebe halten.)Dialog geht davon aus, dass Wahrheit undErkenntnis nur im gemeinsamen Erörterngelingen kann. Im Dialog entsteht Kontaktnicht dadurch, dass man sich anschaut oderdass man emotionale Befindlichkeiten aus-tauscht, sondern indem man zusammendenkt. Eine Dialoggruppe unterscheidet sichdaher auch grundlegend von einer Trainings-gruppe. Hauptsächliche Form des Dialogsist der Kreis. Besonders hilfreich ist die Vor-stellung, dass alle zu einem Feuer in derMitte sprechen.

Zeit zum ExperimentierenDer Dialog ist primär ein Mittel zur Ent-schleunigung, das angesichts der immerschneller werdenden turbulenten Situatio-nen in und ausserhalb der Unternehmenoder Organisationen zentral ist. Die meistenVeränderungsprojekte oder Restrukturierun-gen scheitern daran, dass sie nicht genügendZeit zum Experimentieren und Lernen zurVerfügung stellen. Der Dialog verfolgt dasZiel, einen sogenannten «Behälter» oder«Container» zur Verfügung zu stellen. Dia-loge durchlaufen verschiedene Phasen unddamit auch Krisen. Solche Normalformen

mens. Die erste Regel lautet: Wenn Du etwasmitteilst, dann sollte diese Botschaft doppel-deutig sein, z.B. sei innovativ und risi-kofreudig, aber bringe nie jemanden gegenDich auf. Die zweite Regel lautet: Wenn Dueine solche Botschaft entgegennnimmst,dann handle so, als sei die Botschaft nichtwidersprüchlich. In einem dritten Schrittgeht es darum, dass man die Zweideutigkeitder Botschaft als undiskutierbar hinnimmt;das Ansprechen der Doppeldeutigkeit wirdtabuisiert. In einem vierten Schritt wird dasganze der Diskussion enthoben und zumNormalzustand erklärt («so macht man dasbei uns»). Dies alles ist nicht absichtlich ge-

Erlernte Hilfslosigkeit führt dazu,dass sich Unternehmen in defensiveVerhaltensweisen begeben. Der Dia-log hilft diesen negativen Auswirkun-gen zu entkommen. Für die Dialog-partner Risiko und Chance zugleich.

von Dr. Gerhard Fatzer (*)

Die «Eingeübte Inkompetenz» oder die er-lernte Hilflosigkeit ist ein Konzept oder eineBetrachtungsweise, wie das Verhalten vielerFührungsverantwortlicher oder Manager vonVeränderungsprojekten beweist. Viele derheutigen Unternehmensprobleme könnenauf diesem Hintergrund verstanden werden.Solches Verhalten, das heute ja vielfach kri-tisiert wird, vor allem beim Versagen vonVeränderungsprojekten, erscheint von aus-sen her als unsinnig oder inkompetent. Ausder Innensicht ist dieses Verhalten gut ge-lernt und kulturell verankert. Ein Beispielwäre das vielverbreitete Verhalten in Fir-men, dass Fehler oder Probleme verstecktoder verharmlost, statt sie im Unternehmenoder allenfalls auch nach aussen zu kommu-nizieren. Die «Eingeübte Inkompetenz» hat

sehr negative Auswirkungen dadurch, dasssie die Mitarbeitenden zu gleichem Verhal-ten zwingt und dadurch langfristig verhin-dert, dass die Führungsverantwortlichen ihrVerhalten ändern. Eine Vielzahl von Firmen-beispielen und –niedergängen zeigen auf, wodas Zusammenspiel von Führungsverant-wortlichen, Verwaltungsrat und Beratern zueinem negativen Kreislauf führt, der sich of-fenbar nicht mehr stoppen liess und der häu-fig in seinen Auswirkungen auch erst zu späterkannt wurde.

Tabuisierte DoppeldeutigkeitDie erlernte Hilflosigkeit folgt immerzu Re-geln, die dazu führen, dass am Schluss dieganze Organisation sich in «Defensive Ver-haltensweisen» begibt, was verhindert, dassdie Situation benannt wird. Solche Formenwärendas Verändern der Bilanzen, die Fehl-einschätzung von Märkten, das allzu langeUnterstützen von Produkten, die eigentlichkeine Zukunft haben. Die «Eingeübte In-kompetenz» ist eine Form von Kommunika-tion, die vier Regeln folgt. Diese Regelnwerden in einer Organisation gut eingeübtund bestimmen die Kultur des Unterneh-

plant, sondern den Beteiligten meist unbe-wusst. Negativ ist einzig, dass dieses Verhal-ten Lernen und Entwicklung allerBeteiligten, auch des ganzen Unternehmensverhindert. Im Ganzen entstehen «defensiveRoutinen».

Grundlagen und GrundfähigkeitenDialog ist eine vielversprechende neue Ge-sprächsform, die als Grunddisziplin einer in-novativen Organisation betrachtet werdenkann. Die Grundideen sind alt und lange be-währt. Neu ist Dialog in seiner Anwendungauf Veränderungsprozesse in Teams und Or-ganisationen als auch im interkulturellenKontext. Diese Anwendung wird immerwichtiger, da heute eine Vielzahl neuer Or-ganisationsformen geschaffen werden – wieFusionen, Joint Ventures, Mergers and Ac-quisitions – wo Dialog grundlegend ist.Dialog ist eine Gesprächsform, die zum Zielhat, «gemeinsam zu denken» und die grund-legenden Formen des Denkens darzustellen.Dialog ist eine Kunst und Praxis, die erlerntwerden muss und die tiefe Formen der Er-kenntnis ermöglicht. Dialog steht im Gegen-satz zu einer Diskussion oder Debatte, wo esdarum geht, dass einer der Beteiligten rechthat. Im Dialog haben alle Recht, da alle dieGrundlagen ihres Denkens, nämlich ihreGrundannahmen darstellen. Dialog geht ausvon vier Dialog-Kernkompetenzen, die nötigsind, um einen Dialog zu führen, nämlich• Listening (Zuhören)• Voicing (Sprechen, Sich ausdrücken)

Eingeübte Inkompetenz

Seite 3Internet-Links zu den aktuellen Artikeln und

die Rubrik «Schuss von der Kanzel».

(Fortsetzung auf Seite 3)

Gerhard Fatzer.

Führungskräfte im Dialog

EINE PUBLIKATION DER VERLAGE TAGES-ANZEIGER UND SONNTAGSZEITUNG.SAMSTAG/SONNTAG, 1./2. MÄRZ 2003. AUFLAGE 471’100. INSERATE: TELEFON 01/248 40 10, FAX 01/248 41 91

lphaD e r K a d e r m a r k t d e r S c h w e i z

www.jobwinner.ch

Page 2: Führungskräfte im Dialog: Eingeübte Inkompetenz

insofern sie über Machtpotential gegenüberdem Unternehmen verfügen. Doch solche instrumentelle und strategischeZugänge widersprechen dem Grundgedankeneines ernsthaften Stakeholdermanagements,das die legitimen Anliegen der Anspruchs-gruppen als an sich berücksichtigenswert be-trachtet. Bereits in der ursprünglichenDefinition des Konzeptes des Stakeholderswar, die ethische Komponente der Berücksich-tigung berechtigter Ansprüche enthalten.Dass es Kernstakeholder gibt, deren Anliegendenen anderer Anspruchsgruppen vorzuziehensind, widerspricht dem ethischen Grundge-danken keineswegs. Zu diesen Kernstakehol-dern gehören nebst den Kunden undMitarbeitenden auch die Shareholder. Aucheine effiziente und profitable Unternehmens-führung spielt eine zentrale Rolle im Stake-holdermanagement. Aber sie darf nicht derEndzweck der Geschäftstätigkeit sein, sondernbloss das Mittel, das es ermöglicht, den An-sprüchen der Stakeholder gerecht zu werden. Aus der auch in ethischem Sinn guten Unter-nehmensführung, die die legitimen Ansprüchevon Kunden, Mitarbeitenden, Shareholdernund in gerechtfertigtem Ausmass weitererStakeholder berücksichtigt, folgt auch dieVerpflichtung zu einer zugleich effizientenund verantwortungsbewussten Unternehmens-führung. Die Stakeholder müssen dabei je-doch im Mittelpunkt stehen. Andernfalls wirddas Stakeholdermanagement zu einer Mogel-packung, in der das Gewinnprinzip und damitdie Interessen der Shareholder wiederum alleanderen berechtigten Ansprüche dominieren.

(*) Dr. phil. Gerald Deix ist selbstständiger Unterneh-

mensberater für Wirtschaftsethik, Strategie und Kommu-

nikation . (www.ethics.ch, [email protected])

In dieser Rubrik schreiben Wirtschaftsethiker aus Wissen-

schaft und Praxis zu frei gewählten Themen.

von Dr. phil. Gerald Deix (*)

Der Shareholderansatz als Managementphi-losophie hat nicht nur zu vermehrten und ver-schärften Interessenskonflikten zwischen denUnternehmen und ihren Anspruchsgruppengeführt, sondern er konnte auch sein Anlie-gen, den Shareholder Value zu sichern und zusteigern, nicht erfüllen. Der neoliberale Sha-reholderansatz, die einige seiner Verfechtermit quasi-religiösem Eifer vertraten, vermit-telte falsche Signale an das Management,die einen wenig verantwortungsbewusstenUmgang mit den Ressourcen der Unterneh-men nach sich zogen. Der Verlust von Sha-reholder Value und der Vertrauensverlust indie Unternehmen waren die Folgen. Als ein Modell, das die Shareholderperspek-tive ablösen kann, wird der Stakeholderansatzgenannt. Auch wenn die Erweiterung des Ho-rizontes über die Anteilseigner hinaus aufweitere Anspruchsgruppen grundsätzlich zubegrüssen ist, bleibt eine gewisse Skepsis inder Hinsicht berechtigt, ob es sich bei diesemWechsel der Modelle nicht schlicht um einenEtikettenschwindel handelt. Denn oft wirdder Stakeholderansatz rein instrumentell auf-gefasst. Ein Stakeholdermanagement, in demdie Anspruchsgruppen nur als Mittel zumZweck, nämlich dem Zweck einer effizientenund profitablen Unternehmensführung, auf-scheinen, ist kein wirkliches Stakeholderma-nagement. Es unterscheidet sich blossgraduell von langfristig orientierten Share-holderansätzen. Darin ist den Kritikern desStakeholdermodells recht zu geben. DieGrundhaltung und das unternehmerischeSelbstverständnis bleiben dieselben, nur inBezug auf die Mittel zum übergeordnetenZweck Profitsteigerung werden auch die An-liegen weiter gefasster Anspruchsgruppen an-statt nur der Shareholder berücksichtigt,

Die Internet-Links zu den aktuellen ALPHA-Artikeln

Eingeübte Inkompetenz

www.aaa.chWefa–Wiedereinstieg für Frauen in dieArbeitswelt. Programm der jungenWirtschaftskammer.

www.bbb.chSchweizerische Vereinigung für Er-wachsenenbildung. Vielfältiges An-gebot an Seminaren, Kursen undWeiterbildungen.

www.ccc.chZentralstelle für Berufsberatung.Schweizerisches Verzeichnis mit denkantonalen Berufsberatungsstellen.

Stärke im Wettbewerb

www.ids-scheer.chBusiness Process Excellence durch De-sign, Analyse und Optimierung vonUnternehmensstrategie und Geschäfts-abläufen.

62.204.127.35/walk-ins/semUnternehmenssteuerung jenseits vonBudgets und traditioneller Führung.Ohne Budget zielorientiert führen.

www.unizh.ch/ifbfInstitut für betriebswirtschaftliche For-schung der Universität Zürich. Forschu-ungskolloquien, Newsletter und Über-sicht der Forschungsgebiete.

Schuss von der Kanzel

www.jobwinner.ch

Bookmarks

Von Shareholdern und Stakeholdern

(Fortsetzung von Seite 1)

zeigen auf, warum Dialog nützlich und not-wendig ist, um Lern- und Entwicklungspro-zesse zu begleiten.

Fehlende FeedbackmechanismenBetrachtet man heute eine Vielzahl von Ver-änderungsprojekten in Organisationen wieRestrukturierungen, Installation von Qua-litätsmanagement, Reengineering oder jetztauch flächendeckende Grossgruppenansätzewie Zukunftskonferenz, Real Time StrategicChange oder «Open Space», so fällt auf,dass viele dieser Ansätze scheitern, weilkein Raum gegeben wird, um die neuen Ar-beitsformen, die neuen Abläufe und Pro-zesse, die Qualitätskriterien bei der Kun-denbeziehung in allen Konsequenzen zubedenken und sich vorzustellen.Schaut man bei Change Management-Des-astern genauer hin, fällt auf dass in den mei-sten Fällen wirksame Qualitäts- undFeedbackmechanismen gefehlt haben. Dieshat sicher damit zu tun, dass fast alle Pro-jekte als Expertenberatungsprojekte ange-legt waren. Untersucht man die Projektegenauer, kann man feststellen, dass Gefässefür einen Dialog unter allen Beteiligten ge-fehlt haben, dass stattdessen «defensiveRoutinen» zwischen den Beratern und denAuftraggebern im Gang waren und dasssämtliche Prinzipien guter Prozessberatungausser acht gelassen wurden.

Dialog bei VeränderungsprozessenFührungskräfte sehen sich mit verschiede-nen Herausforderungen konfrontiert: Siemüssen mit den unterschiedlichen Wellenvon disruptivem Wandel umgehen, der denKontext der gesamten Geschäftswelt neuvorgibt. Eine Welle hat zu tun mit dem Auf-stieg der Internet basierten neuen Ökonomieund dem Prozess der Digitalisierung. Diezweite hat mit neuen Beziehungsmustern zutun: Globalisierung, Individualisierung.Netzwerkstrukturen. Eine dritte, etwas sub-tilere Dimension des Wandels hat zu tun mitder zunehmenden Relevanz von Erfahrung

und Bewusstsein und der dahinterliegendentreibenden Kraft, nämlich der Spiritualisie-rung. Dies alles sind Herausforderungen fürden Dialog in Organisationen. Sehen wir unsdie Kommunikation in Unternehmen oderOrganisationen an, so verläuft diese eher alsSchattenseite von Dialog. Das Fehlen dialo-gischer Praxis limitiert die kollektive Intelli-genz, die im Dialog entstehen kann.Ich finde statt einem Erheben der StimmeHeuchelei oder Politische Kommunikation.Es ist dies ein Stil von Kommunikation, dieder amerikanische Sozialpsychologe ChrisArgyris als «Eingeübte Inkompetenz» be-zeichnet. Statt «etwas in der Schwebe hal-ten» finden wir das Streben nach Sicherheit,statt Respektieren finden wir das Durchset-zen mit Gewalt, und statt Zuhören finden wirdas Abdriften in die Abstraktion. Diese Ver-haltensweisen können als «Defensive Routi-nen» umschrieben werden.

Dialog als RisikoDiese Beschreibungen mögen moralischklingen, aber ich glaube, sie beschreibenrecht gut die Alltagspraxis in vielen Unter-nehmen. Sehen wir uns diverse grosseKonzerne an, treffen wir häufig bei der Team-entwicklung oberster Führungsstufen politi-sche oder strategische Kommunikation, woEhrlichkeit als Schwäche ausgelegt wird.Diese «defensiven Routinen» dienen vor al-lem zwei Zielen, nämlich sein Gesicht nichtzu verlieren und auch keine Schwäche zuzeigen. In einen Dialog einzutreten, stelltnatürlich ein Risiko dar.Dieser Ansatz des Dialogs und der Eingeüb-ten Hilflosigkeit kann sehr gut auf eine guteTeamentwicklung übertragen werden. Dialogzeigt sich als allumfassende neue Praxis, diegewinnbringend zur Reflexion von Verände-rungsprozessen bei Personen, Teams undOrganisationen eingesetzt werden kann.

(*) Gerhard Fatzer ist Leiter des Institutrs für Supervi-

sion und Organisationsentwicklung in Grüningen bei

Zürich, zudem Gastprofessor an der Uni Innsbruck und

Gastforscher am M.I.T. in Boston ( USA).

[email protected], www.trias.ch