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gamma antiaschistischer Newsyer ür Leipzig und Umgebung n r.192 1/2012 gamma.noblogs.org Liebe lesende AntiaschistInnen, wir reuen uns, dass GAMMA dank eures Interesses in den 15. Jahrgang starten kann. Statt darüber selbst- gerecht zu philosophieren, unterstreichen die  jüngsten Ereignisse die Frage nach dem Sinn eines kontinuierlichen und konsequenten En- gagements gegen rechte Ideologien und deren  Vertr eter . Es ist unverzeihlich und es dar sich um  jeden Preis nicht wiederholen, dass aus aschis- tischen Strukturen zum Mord bereite Neonazis erwachsen. Wir trauern um ihre Oper. Über Neonazis berichten wir weiter. Von ihren Struk- turen soll ihnen nichts bleiben. – Die Redaktion D urch eine Spaltung und einen odesall scheiterte der Versuch, das NPD-Büro im Leipziger Westen zum „Nationalen Jugendzent- rum“ auzublasen. Aber rechts der City, im Leip- ziger Osten, hat sich die Naziszene schon neue Domizile verscha: Kameraden trinken in der Kneipe „Käer“, gehen shoppen im neuen Tor- Steinar-Laden „Fighting Catwalk“ oder stei- gen ab in einer Nazi-Wohngemeinscha. – Ein GAMMA-Überblick zu neuen und alten re-  punkten an Teken und resen. Scheitern im Westen Der od des NPD-Landtagsabgeordneten Win- ried Petzold kurz vor Weihnachten war eine böse Überraschung ür Leipzigs Naziszene: Am Mandat des Mutzscheners hing eine monatliche Kostenpauschale, die bislang zumindest anteilig in die Odermannstraße 8 („O8“) im Stadtteil Lindenau geossen ist. Dort unterhielt Petzold seit November 2008 ein Abgeordnetenbüro, be- kannt als „Nationales Zentrum“. In der „O8“ gab es etliche rechte Veranstal- tungen, doch schon im vergangenen Herbst war die Eintracht zerbrochen: Der „Kulturverein Leipzig-West“ als Hauptmieter zog aus, nachdem der Mietvertrag mit dem Strohmann Steven Hahn (Grimma ) – i hm hatte Petzold die Immobilie 2004 überschrieben – nicht erneuert wurde. Einige „Freie Kräe“ verließen dann Ende September die „O8“, denn im Hintergrund gab es Ärger: Zum einen, und sicher ausschlag- gebend, wegen Mietzahlungen in Höhe von monatlich 800 Euro, die durch die NPD von den eigenen Kameraden eingeordert wurden. Zum anderen wegen des elitären Gebarens der „Jungen Nationaldemokraten“ (JN) und deren Che ommy Naumann, der „ Autonome Nati- onalisten“ zur  „subkulturellen Entartung“ er- klärte. Auch bisherige Protagonisten des Pro-  jekts „Nationales Zentrum“, etwa Enrico Böhm („Blue Caps LE“) und Nils Larisch (Mit arbeiter der NPD-Landtagsraktion), wurden geschasst. Beide hatte Naumann im internen Forum des „Freien Netzes“ unter dem Usernamen „Feld- grau“ als eil eines „menschlichen Müllhauens   und Schlimmeres bezeichnet. GAMMA hatte Auszüge des Forums Anang November verö- entlicht (siehe Seite 4). Kneipe „Käer“ und Konsorten Für die Odermannstraße 8 standen da die Zei- chen schon au Untergang, Petzolds iming tat das Übrige. Schon vorher war die starke Fixie- rung der rechten Szene au den L eipziger Westen und insbesondere den Stadtteil Lindenau auge- weicht – die Kneipe „Kä er“ (Wurzner Straße 99) in Volkmarsdor/Sellerhausen beispielsweise ist als repunkt seit Jahren relevant und erreut sich wieder wachsender Beliebtheit. Schon Dani- el Kappe und Marcus Eck hardt – beide ermorde- ten in der Nacht zum 24. Oktober 2010 vor dem Hauptbahnho Kamal K. – waren kurz vor ihrer at im „Käer“ trinken. Laut Gericht wird diese Kneipe  „überwiegend von rechtem Szenepubli- kum“ augesucht. Neben dem „Käer“ gibt es eine Reihe weite- rer Kneipen im ganzen Stadtgebiet, i n denen sich Nazis häuen. Altbekannt ist der „Optiker“ an der Westseite des Hauptbahnhos (Kurt-Schu- macher-Straße 43). Das Etablissement liegt ge- genüber der ehemaligen, kurzlebigen Nazik neipe „Lady Liberty“, die im März 2005 erönet hatte. Hinter dem resen des „Lady Liberty“ stand Cornelia „Conny“ Reller. Besitzer und Verpäch- ter Nöske war derselbe wie beim „Opti ker“. Der NPD-Landtagsabgeordnete Winried Petzold (l.) starb kurz vor Weihnachten an Krebs. Sein Fraktionskollege Uwe Leichsenring überlebte im Jahr 2006 einen Verkehrsun all nicht. Nazi-Verteidiger: Arndt Hohnstädter Die Leipziger Anwaltskanzlei um Arndt Hohnstädter (siehe Foto) erarbeitet sich ein bundesweites Ansehen in der rechten Szene: Im September vertrat Hohnstädter den Hooligan und „Kategorie C“-Sänger Hannes Ostendor in Bremen. Anlass des Prozesses war der Nazi-Überall au die Party einer linken Ultragruppe von Werder Bremen im Ja- nuar 2007. Hohnstädters Kollege Mario Thomas vertrat im August Stanley Nähse, der ein Jahr zuvor einen Brandsatz au ein alternatives Wohnprojekt in Dresden-Pieschen ge- woren hatte. Zwischenzeitlich hat sich der Geithainer NPD- Stadtrat, „Freies Netz“-Kader und Jurastudent Manuel Tripp um ein Praktikum bei der Leipziger Kanzlei bemüht. Willkommen und Abschied: Neue Nazitre s in Leipzig Nazi-Mörder: Benjamin Orlewicz Am 22. Dezember wurde Benjamin Or- lewicz (23) wegen Mordes an seiner Freundin vom Leipziger Landgericht zu lebenslanger Hat verurteilt. Der Täter ist kein Unbekannter: Am 1. Mai 2006 trug er neben Christian Trosse und dem heutigen JN-Landesvorsitzenden Tommy Naumann das Fronttransparent des Worch-Aumarsches in Leipzig. Nazi-Funktionär: Paul Rzehaczek Der Eilenburger Paul Rzehaczek ist seit Ende 2011 neuer „Landesorganisat ionsleiter“ der sächsischen „Jungen Nationaldemokraten“ (JN) und damit buchstäblich die „rechte Hand“ des JN-Landesvorsitzenden Tommy Naumann. Bereits im Juni wurde Rzehac- zek zum „Stützpunktleiter“ der JN Nord- sachsen beördert. Er ist zudem im Vorstand des dortigen NPD-Kreisverbandes und mit Kreische Maik Schefer beim „Aktionsbüro Nordsachsen“ (alias „Freies Netz“) engagiert.

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antiaschistischer Newsyerür Leipzig und Umgebung

nr. 1921/2012 gamma.noblogs.org

Liebe lesende AntiaschistInnen, wir reuen uns,dass GAMMA dank eures Interesses in den 15.Jahrgang starten kann. Statt darüber selbst-gerecht zu philosophieren, unterstreichen die  jüngsten Ereignisse die Frage nach dem Sinneines kontinuierlichen und konsequenten En-gagements gegen rechte Ideologien und deren Vertreter. Es ist unverzeihlich und es dar sich um jeden Preis nicht wiederholen, dass aus aschis-tischen Strukturen zum Mord bereite Neonaziserwachsen. Wir trauern um ihre Oper. ÜberNeonazis berichten wir weiter. Von ihren Struk-turen soll ihnen nichts bleiben. – Die Redaktion

Durch eine Spaltung und einen odesall

scheiterte der Versuch, das NPD-Büro im

Leipziger Westen zum „Nationalen Jugendzent-

rum“ auzublasen. Aber rechts der City, im Leip-

ziger Osten, hat sich die Naziszene schon neue

Domizile verscha: Kameraden trinken in der

Kneipe „Käer“, gehen shoppen im neuen Tor-

Steinar-Laden „Fighting Catwalk“ oder stei-gen ab in einer Nazi-Wohngemeinscha. – Ein

GAMMA-Überblick zu neuen und alten re-

 punkten an Teken und resen.

Scheitern im Westen

Der od des NPD-Landtagsabgeordneten Win-

ried Petzold kurz vor Weihnachten war eine

böse Überraschung ür Leipzigs Naziszene: Am

Mandat des Mutzscheners hing eine monatliche

Kostenpauschale, die bislang zumindest anteilig

in die Odermannstraße 8 („O8“) im Stadtteil

Lindenau geossen ist. Dort unterhielt Petzold

seit November 2008 ein Abgeordnetenbüro, be-

kannt als „Nationales Zentrum“.

In der „O8“ gab es etliche rechte Veranstal-

tungen, doch schon im vergangenen Herbst war

die Eintracht zerbrochen: Der „Kulturverein

Leipzig-West“ als Hauptmieter zog aus, nachdem

der Mietvertrag mit dem Strohmann Steven Hahn

(Grimma) – ihm hatte Petzold die Immobilie 2004

überschrieben – nicht erneuert wurde.

Einige „Freie Kräe“ verließen dann Ende

September die „O8“, denn im Hintergrund gab

es Ärger: Zum einen, und sicher ausschlag-gebend, wegen Mietzahlungen in Höhe von

monatlich 800 Euro, die durch die NPD von

den eigenen Kameraden eingeordert wurden.

Zum anderen wegen des elitären Gebarens der

„Jungen Nationaldemokraten“ (JN) und deren

Che ommy Naumann, der „ Autonome Nati-

onalisten“ zur   „subkulturellen Entartung“ er-

klärte. Auch bisherige Protagonisten des Pro-

 jekts „Nationales Zentrum“, etwa Enrico Böhm

(„Blue Caps LE“) und Nils Larisch (Mitarbeiter

der NPD-Landtagsraktion), wurden geschasst.

Beide hatte Naumann im internen Forum des

„Freien Netzes“ unter dem Usernamen „Feld-

grau“ als eil eines „menschlichen Müllhauens“  und Schlimmeres bezeichnet. GAMMA hatte

Auszüge des Forums Anang November verö-

entlicht (siehe Seite 4).

Kneipe „Käer“ und Konsorten

Für die Odermannstraße 8 standen da die Zei-

chen schon au Untergang, Petzolds iming tat

das Übrige. Schon vorher war die starke Fixie-

rung der rechten Szene au den Leipziger Westen

und insbesondere den Stadtteil Lindenau auge-

weicht – die Kneipe „Käer“ (Wurzner Straße 99)

in Volkmarsdor/Sellerhausen beispielsweise ist

als repunkt seit Jahren relevant und erreut

sich wieder wachsender Beliebtheit. Schon Dani-

el Kappe und Marcus Eckhardt – beide ermorde-

ten in der Nacht zum 24. Oktober 2010 vor dem

Hauptbahnho Kamal K. – waren kurz vor ihrer

at im „Käer“ trinken. Laut Gericht wird diese

Kneipe   „überwiegend von rechtem Szenepubli-

kum“ augesucht.

Neben dem „Käer“ gibt es eine Reihe weite-

rer Kneipen im ganzen Stadtgebiet, in denen sich

Nazis häuen. Altbekannt ist der „Optiker“ an

der Westseite des Hauptbahnhos (Kurt-Schu-macher-Straße 43). Das Etablissement liegt ge-

genüber der ehemaligen, kurzlebigen Nazik neipe

„Lady Liberty“, die im März 2005 erönet hatte.

Hinter dem resen des „Lady Liberty“ stand

Cornelia „Conny“ Reller. Besitzer und Verpäch-

ter Nöske war derselbe wie beim „Optiker“.

Der NPD-Landtagsabgeordnete Winried Petzold (l.) starb kurz vor Weihnachten an Krebs.Sein Fraktionskollege Uwe Leichsenring überlebte im Jahr 2006 einen Verkehrsunall nicht.

Nazi-Verteidiger: Arndt Hohnstädter

Die Leipziger Anwaltskanzlei um ArndtHohnstädter (siehe Foto) erarbeitet sichein bundesweites Ansehen in der rechtenSzene: Im September vertrat Hohnstädterden Hooligan und „Kategorie C“-SängerHannes Ostendor in Bremen. Anlass desProzesses war der Nazi-Überall au die

Party einer linken Ultragruppe von Werder Bremen im Ja-nuar 2007. Hohnstädters Kollege Mario Thomas vertrat imAugust Stanley Nähse, der ein Jahr zuvor einen Brandsatzau ein alternatives Wohnprojekt in Dresden-Pieschen ge-woren hatte. Zwischenzeitlich hat sich der Geithainer NPD-Stadtrat, „Freies Netz“-Kader und Jurastudent ManuelTripp um ein Praktikum bei der Leipziger Kanzlei bemüht.

Willkommen und Abschied:Neue Nazitres in Leipzig

Nazi-Mörder: Benjamin Orlewicz

Am 22. Dezember wurde Benjamin Or-lewicz (23) wegen Mordes an seinerFreundin vom Leipziger Landgericht zulebenslanger Hat verurteilt. Der Täter istkein Unbekannter: Am 1. Mai 2006 trug erneben Christian Trosse und dem heutigenJN-Landesvorsitzenden Tommy Naumann

das Fronttransparent des Worch-Aumarsches in Leipzig.

Nazi-Funktionär: Paul Rzehaczek

Der Eilenburger Paul Rzehaczek ist seit Ende2011 neuer „Landesorganisationsleiter“ der

sächsischen „Jungen Nationaldemokraten“(JN) und damit buchstäblich die „rechteHand“ des JN-Landesvorsitzenden TommyNaumann. Bereits im Juni wurde Rzehac-zek zum „Stützpunktleiter“ der JN Nord-

sachsen beördert. Er ist zudem im Vorstand des dortigenNPD-Kreisverbandes und mit Kreische Maik Schefer beim„Aktionsbüro Nordsachsen“ (alias „Freies Netz“) engagiert.

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Naziladen „Fighting Catwalk“

Neuer – und alter – lokaler Schwerpunkt der örtlichen

Naziszene ist jedoch der Leipziger Osten: Im äubchen-

weg 43b erönete der Stötteritzer Lok-Hooligan Chris-

tian Pohle am 3. Dezember das Bekleidungsgeschä

„Fighting Catwalk“. Das Sortiment ist einschlägig:

Neben der vom Zwickauer Neonazi Ral Marschner ge-gründeten Marke „Brachial“ gibt es eine breite Palette

an „Tor Steinar“-extilien mit altem und neuem Logo.

Auch im schon vorher bestehenden, gleichnamigen

Onlineshop kann sich die „Fighting Catwalk“-Kund-

scha bedienen. Oder direkt bei Pohles E-Bay-Ange-

boten. Neben dem „Fighting Catwalk“-Sortiment gibt

es dort auch -Shirts mit „Fighting Fellas“-Audruck.

Womöglich handelt es sich um restliche Lagerbestän-

de von Tomas Persdors „Front Records“ (Wurzen),

der die „Fighting Fellas“ in der Vergangenheit unter-

stützt hat. Pohles Geschäsadresse verweist indes au 

die Puschk instraße 22 in Eilenburg, wo der 27-Jährige,der ansonsten ür die „Black Rainbow“-Security arbei-

tet, schon länger am Laden „Crash Style Store“ mitver-

dient. Das dortige Sortiment entspricht dem in Leipzig.

Das hiesige Geschä ist untergebracht in einem ünge-

schossigen Wohnhaus, das der Berliner Immobilienge-

sellscha SIAG gehört. Die Hausverwaltung übernimmt

eine Firma namens „Maior Domus“, die ihr Büro direkt

neben dem „Fighting Catwalk“ eingerichtet hat. Die Art

des Geschäs und der Geschmack der Lauundscha

nebenan wird den Vermietern kaum entgangen sein.

Immerhin gibt sich „Fighting Catwalk“ zurück-

haltend und wirbt entgegen dem „Tor Steinar“-Laden

„ønsberg“ (Am Brühl), der Mitte 2009 nach einem

Rechtsstreit und etlichen Protestaktionen ausziehen

musste, nicht öentlich mit der Marke. Nicht einmal

au dem Flyer zur Laden-Erönung war sie vermerkt.

Auch die Verbindung zu den berüchtigten „Fight-

ing Fellas“, zu denen Pohle gehört, ist nicht oensicht-

lich. Ohnehin gibt sich die ruppe zurückhaltend,

nachdem sie ihre Wirkungsstätte von Wurzen nach

Leipzig verlagert hat. Seitdem hat die Gruppierung,

die seit Mitte der 2000er von Matthias Eichler ange-

ührt wurde, auch keine ozielle Website mehr. Heute

trainiert Eichler im „BoxGym“ in der Eisenbahnstraße

121 und rühmt sich des hohen Migrantenanteils. DieWebsite des „BoxGym“ bewirbt allerdings weiterhin

die „Fighting Fel las“ – die nun „seriöse“ Promotion ür

Kampsport-Veranstaltungen oeriert.

Allerdings waren „seriöse“ Mitglieder der „Fight-

ing Fellas“ noch im Oktober 2009 an dem Überall au 

Fans und Spieler des „Roten Stern Leipzig“ in Brandis

beteiligt. Im Mai 2010 trat Pohle bei einer Box-Veran-

staltung in Weißenels ür die „Fellas“ an, das Video

 vom Kamp hat er selbst online gestellt und mit Wer-

bung ür seinen Online-Shop versehen. Unübersehbar

im Hintergrund: ein großes Sponsoring-Banner der

„seriösen“ Bekleidungsmarke „Erik and Sons“. Mit

dem Labelche und ehemaligen Tor-Steinar-Mitar-

beiter Udo Siegmund, einem Neonazi aus Branden-burg, ist Pohle bereundet.

Hinzu kommen lokale Connections: Als „Securi-

ty“ diente Pohle zum Zeitpunkt der Ladenerönung

ein Mitarbeiter eines nahe gelegenen attoo-Studios.

Und zur Erönungsparty wurde in den „SKY-Club“

in der Riesaer Straße eingeladen, vergünstigter Eintritt

inklusive. Oenbar gehören mehrere der dort regelmä-

ßig auegenden DJs zu Pohles Freundeskreis. Der ist

ohnehin eine illustre Sache: Als Spieler von „Einheit

Leipzig Ost“ (ELO) kennt Pohle etliche Nazis mit Fuß-

ball-Faible wie Benjamin Brinsa („Aryan Brotherhood

Leipzig“) und Christopher „Joker“ Henze („ScenarioLok“). Unpolitisch sieht anders aus.

Nazi-WG Lange Straße

Keinen Kilometer Lulinie vom „Fighting Catwalk“

enternt liegt die Reudnitzer Lange Straße. In der

Hausnummer 15 gibt es seit Anang November im Erd-

geschoss und dem dritten Obergeschoss einen re-

punkt von Neonazis. Die wiesen anänglich mit einer

schwarz-weiß-roten Fahne (Auschri:   „My blood is

my honour, my race is my pride“ ) am Fenster au ihr

neues Quartier hin. Die braunen Mieter machten zu-

gleich durch mehrere Sachbeschädigungen, Diebstäh-

le und Ruhestörungen au sich aumerksam.

Bei einer Feier am Abend des 9. Dezember er-

schienen bis zu 30 Personen, die durch „Sieg Hei l“-Ru-

e auelen und au der Straße, u.a. vor dem Eingang

der benachbarten antisexistischen Beratungsstelle

„RosaLinde“, Hitlergrüße zeigten. Seitdem sind wie-

derholt größere Gruppen von Nazis im Haus auge-

taucht. Zuletzt gab es Silvester eine Feier mit etwa 30

Kameraden, von denen erneut Gewaltdrohungen und

Sachbeschädigungen ausgegangen sind.

Zwischenzeitlich wurden die Wohnungen ent-

rümpelt und hergerichtet. Malerarbeiten erledigteoenbar Sören Schöbel – bekannt als „Tor Steinar“-

Besteller, -träger und Lok-Leipzig-Sponsor. Die Fens-

ter der Erdgeschosswohnungen wurden außerdem

geweißt, im Inneren hängen Naziplakate. Häug an-

wesend und womöglich mit Mietverträgen versehen:

Felix Schönerstedt (JN), Klaus-Peter Kotré, anja Baki

(beide NPD-Kreisverband Leipzig) sowie die „wins“

Andreas und Dittmar Schumer („Scenario Lok“). Die

kennen sich allesamt aus der Odermannstraße 8 und

dem bis Ende September dort als Hauptmieter ansäs-

sigen, NPD-nahen „Kulturverein Leipzig-West e.V.“

Denkbar, dass der Verein in der Langen Straße eine

neue Bleibe geunden hat. Das verdankt er dann dem

Eigentümer des Hauses, der „Kling Group“. Verwal-tet wird das Objekt durch „Oz Immobilien Oschatz“.

Womöglich kommen den Firmen die auälligen

Mieter, die bislang geduldet werden, auch nicht un-

gelegen: Die „Kling Group“ ist bekannt ür gezielte

Auwertung von Gebäuden. Das setzt den Leerzug

 voraus, den Nazis im Haus beschleunigen könnten.

Indes nehmen diese ihren Job ernst: Beim Einzug

wurde der Lieerwagen eines Holzhandels und „Mon-

tageservice“ aus Schildau verwendet. Firmeneigentü-

mer ist der schon erwähnte Tomas Persdor („Front

Records“). Denkbar also, dass er den Kameraden

wohlwollend unter die Arme grei. Vielleicht nichtuneigennützig, denn der Wohnraum taugt auch als

Lageräche, etwa ür den „Fighting Catwalk“-Laden.

Stadtteil-Strategie der Rechten

Dass sich Nazis gezielt in einem Viertel niederlassen, ist

keine Überraschung: Diese Stadtteil-Strategie ahren

Neonazis in Leipzig seit Jahren, und besonders erahren

sind sie im Osten der Stadt. Ein Haus in der Holstein-

straße, das vorwiegend von StudentInnen bewohnt

wurde, ist über Monate hinweg, bis Anang 2008, wie-

derholt von Nazis angegrien worden. Zur selben Zeit

haben ührende Köpe der Leipziger Naziszene, u.a.

Istvan Repaczki, selbst im Stadtteil Reudnitz gewohnt.

Deren Präsenz war vor Ort zu spüren: durch Aumär-

sche, „Spontan“-Aktionen, „Anti-Antia“-Bestrebun-

gen, vor allem aber durch gewalttätige Übergrie.

Au die Naziumtriebe im Leipziger Osten olgte

ein heiges Echo. Am 1. März 2008 gab eine Antia-

Demo mit mehr a ls 1000 eilnehmerInnen, außerdem

haben sich vor Ort Gegenströmungen und alternative

Projekte etabliert. Die Hegemonie der Rechten wurde

so augebrochen. Ab Ende 2008 zogen sie sich in eine

andere Ecke, die Lindenauer Odermannstraße, zurück.

Dort begann das Spiel von vorn.Und nun passiert es schon wieder. Zumindest dem

Projekt „Lange Straße“ muss dabei Planmäßigkeit un-

terstellt werden. Es geht um die Schaung neuer re-

punkte und die Einbindung von Kameraden in ver-

meintlich „sichere“ Rückzugsräume. Der Punkt ist aber:

Man kann ihnen diese Räume auch wieder nehmen. ☐

Fortsetzung von Seite 1

„Käer“ in der Wurzner Straße. „Fighting Catwalk“ im Täubchenweg. Reudnitzer Lange Straße 15.

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antiaschistischer Newsyer ür Leipzig und Umgebung

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Rechtspopulismus

au SächsischDer Begri „Rechtspopulismus“ ist umstritten. Au die noch wenig bekannte „Bürgerbewegung

Pro Sachsen“ passt er nur bedingt. Der eingetragene Verein will 2014 erstmals zur Landtagswahl

antreten. Die geplante „konservativ-patriotische“ Liste gibt sich seriös, ist aber ein Potpourri

aus rechten Splittergruppen, nationalkonservativen Parteien und „Wutbürger“-Aktivisten.

Seit Februar 2011 ist „Pro Sachsen“ erst aktiv, das

Motto des Vereins lautet schlicht „Sachsen lebt“.

Unter dem selben itel anden im September und No-

 vember 2010 „Bürgerversammlungen“ in Liebertwolk-witz (Gaststätte „Schwarzes Roß“) und Leipzig-Linde-

nau (Hotel „Merseburger Ho “) statt. Es waren seltene

Lebenszeichen der selbsternannten „Sächsischen de-

mokratischen Opposition“, die ansonsten nur an die

Öentlichkeit trat, um jährlich Kränze ür „deutsche

Kriegsoper“ au dem Dresdner Heideriedho abzu-

weren. eil jener ganz speziellen „Opposition“: Die

Freiheitliche Partei Deutschlands (FPD), Sächsische

Volkspartei (SVP), Deutsche Soziale Union (DSU) so-

wie das „Bündnis Arbeit, Familie, Vaterland“ (BAFV).

Diese Mini-Parteien hatten sich 2010, gemeinsam

mit der Humanwirtschaspartei (HWP), schon zueinem „Bündnis ür Freiheit und Demokratie“ (BFD)

zusammengeschlossen. Ende November 2010 wurde

dann gemeinsam ein sächsischer BFD-Landesverband

gegründet. Oenbar eine otgeburt, denn weiterüh-

rende BFD-Aktivitäten in Sachsen wurden nicht be-

kannt (siehe GAMMA #189) – großgezogen wurde

stattdessen, aber in ganz ähnlicher Konstellation, das

Projekt „Pro Sachsen“. Dort ehlt lediglich die HWP,

die aus Gründen der Außenwirkung au Selbständig-

keit pocht – und ansonsten sozialdarwinistische und

antisemitische Teorien des 1930 verstorbenen „Zins-

kritikers“ Silvio Gesell propagiert.

„An die besten Traditionen anknüpen“

Viel weiter her ist es mit den politischen Positionen von

„Pro Sachsen“ aber auch nicht. Per E-Mail wandten sich

die Sachsen-Pros bereits an Holger Apel und gratu-

lierten ihm zur Übernahme des NPD-Parteivorsitzes.

enor: Man müsse zusammenstehen wider die  „Hetze

  gegen alles Nationale“ , gegen  „Volkseinde“  und „Büßer-

mentalität“  sowie ür die   „Erhaltung Deutschlands in

seiner angestammten Eigenart“ . Mittlerweile hat „Pro

Sachsen“ ein eigenartiges Kurzprogramm augelegt, das

aber oenbar nur im Internet verbreitet wird. Es umasstneben unspezischen Allgemeinplätzen natürlich den

Austritt aus dem Euro, zudem eine „deutsche Verassung“  

und den Abschluss eines „Friedensvertrages“ . Außerdem

wird betont, dass Deutschland   „kein Einwanderungs-

land“  sei und   „an seine besten raditionen anknüpen“  

müsse. Welche das sind, wurde nicht notiert.

Das Konzept von „Pro Sachsen“ ist deutlich ab-

geschaut vom ambitionierten Modell der „Bürger-

bewegung Pro Köln“ (Markus Beisicht) und „Pro

Deutschland“ (Manred Rouhs) – rechtspopulistischeSammlungsbewegungen, die mit ihrer Hetze gegen

MigrantInnen zumindest in einigen Regionen beschei-

dene Wahlerolge erzielen konnten. „Pro Köln“ sitzt als

Fraktion im dortigen Stadtrat und „Pro Deutschland“

trat mit seinem bisher einzigen Landesverband, „Pro

Berlin“, zu den Abgeordnetenhauswahlen an (Slogan:

  „Wählen gehen ür Tilos Tesen“ , gemeint ist Sarra-

zin). Ernüchterndes Ergebnis: 1,2 Prozent. Weitgehend

unbeachtet gibt es auch im Chemnitzer Stadtrat eine

dreiköpge Fraktion namens „Pro Chemnitz“, die sich

wiederum als „Bürgerbewegung“ tituliert. Fraktions-

  vorsitzender ist der Chemnitzer Rechtsanwalt KarlMartin Kohlmann, „Alter Herr“ der „Burschenscha

Arminia zu Leipzig“ sowie 2008 und 2009 Anmelder

des alljährlichen Neonazi-Aumarsches in Chemnitz.

„Pro Chemnitz“ ist aus der Republikaner-Fraktion

hervorgegangen, stellte 2009 bei den Kommunalwah-

len eine gemeinsame Liste mit der DSU und errang

immerhin 4,6 Prozent.

Galionsfgur abgetreten

„Pro Sachsen“ peilt ähnliches au Landesebene an, aber

das Gelingen steht in den Sternen. Da gibt es zum ei-

nen Berührungsängste unter den beteiligten Parteien,

eine geplante Fusion von SVP und DSU ist geplatzt.

Seitdem liegt die SVP brach und die DSU verlor ihren

Landesvorstand Karl-Heinz Obser, der bis 2009 im

Leipziger Stadtrat saß, übrigens als Mitglied der CDU-

Fraktion. Zum anderen ist auch der politische Kurs der

Pro-Leute unsicher: Anangs war der Ex-CDU-Bun-

destagsabgeordnete Henry Nitzsche als Mitbegründer

zugleich Ideengeber und die einzige bekannte Galions-

gur von „Pro Sachsen“, er wurde am 7. Mai sogar als

sächsischer Delegierter zum geoppten „Marsch der

Freiheit“ von „Pro Köln“ entsandt.

Nitzsche war Ende 2006 aus der CDU ausgetreten, vorangegangen waren etliche rassistische und homo-

phobe Äußerungen. Zwei Jahre später gründete der

Rechtsaußen die Wählervereinigung „Bündnis Arbeit,

Familie, Vaterland“ (BAFV), bei der Landtagswahl 2009

trat er in Hoyerswerda als Direktkandidat an – mit Un-

terstützung der NPD, aber erolglos. Zuletzt kandidierte

Nitzsche im Herbst 2011 ebenso erolglos als Oberbür-

germeister in Kamenz und ließ sich dabei von einem

irrlichternden Linkspartei-Mitglied unterstützen.

Stillschweigend ist Nitzsche zwischenzeitlich aus„Pro Sachsen“ ausgeschieden, Anang August hatte er

bereits sein Amt als Vorsitzender, laut „Pro Sachsen“

aus   „persönlichen Gründen“, niedergelegt. Nitzsche

selbst bezichtigte „Pro Sachsen“,   „zunehmend von der 

NPD unterwandert“ worden zu sein – und schaltete die

„Pro Sachsen“-Website einach ab. Ob das BAFV, das

nur ein anderer Name ür die „Liste Henry Nitzsche“

war, überhaupt noch existiert , ist unsicher.

Erolgloser Schulterschluss

Allerdings sitzen ehemalige NPDler ohnehin mit im„Pro“-Boot: Die SVP wurde 2006 gegründet und bis

heute geleitet durch Mirko Schmidt, der 2004 ür die

NPD in den Landtag eingezogen war und der Partei

kurz darau den Rücken kehrte. Nun ist er stellver-

tretender Pro-Sachsen-Vorsitzender. Auch die FPD

wurde zum Auangbecken ür NPD-Abtrünnige, na-

mentlich Jürgen Schön, der mittlerweile wieder partei-

los ist, und Klaus Baier, der zur DSU wechselte. Der

amtierende FPD-Che Johannes Hertramp aus Tien-

dor (Landkreis Meißen) hat mittlerweile Nitzsche als

Pro-Sachsen-Vorsitzenden ersetzt. Hertramp betreibt

nebenher die „Plattorm Leipzig“, vorgeblich eine „Al-

lianz Demokratischer Parteien und Organisationen“,

bei der einst auch die DSU mit von der Partie war. Die

„Plattorm“ sollte schon einmal, vor mehr als sechs Jah-

ren, rechte Kleinparteien vereinen. Ohne Erolg.

Auch die heutigen „Pro Sachsen“-Parteien erran-

gen zur letzten Landtagswahl zusammengenommen

gerade einmal 0,4 Prozent der Stimmen. Und „Pro

Sachsen“ hat schon jetzt Konkurrenz im Buhlen um

die Wählerscha zwischen CDU und NPD: Der Lan-

desverband der Republikaner hat sich im April 2011

überraschend nicht augelöst, sondern einen neuen

Vorstand gewählt. Einen Leipziger REP-Kreisverband

gibt es derzeit aber nicht. Außerdem hat „Die Freiheit“mittlerweile einen sächsischen Landesverband gegrün-

det, regelmäßig tri sich eine „Leipziger Gruppe“.

Bisherige Aktivitäten von „Die Freiheit“ be-

schränkten sich in der Messestadt au das Anlegen ei-

nes witter-Accounts. Womit sie dann auch nicht viel

weiter sind als „Pro Sachsen“. ☐

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Anang November veröentlichte GAMMA Aus-

züge aus dem internen Forum („Hard o Hate“)

des „Freien Netzes“ (FN) und stellte eine umangreiche

Dokumentation ins Internet. Diese Auswertung zeigt,

wie Aktivisten des „Freien Netzes“ unter Führung von

Maik Schefer, ommy Naumann und Tomas Gerlach  versuchen, eine „NS-Ersatzorganisation“  auzubauen

und daür die NPD samt ihrer Jugendorganisation

„Junge Nationaldemokraten“ (JN) ausnutzen.

Die Inhalte des Forums sind harter obak und

reichen bis zu der „Anregung“, eine   „Polizeiwache ab-

zuackeln“ und einen „Polizisten abzustechen“ . Solche

Statements und mehr als 100 kritische Artikel in der

agespresse brachten Schefer als stellvertretenden

Che der Sachsen-NPD ebenso ins Rudern wie die Par-

teiührung um Holger Apel.

Ein Scheer, viele Meinungen

Unmittelbar nach der GAMMA-Veröentlichung sagte

Schefer gegenüber der AZ (06.11.), „zu einem Forum

des Freien Netzes“  könne er   „nichts sagen“ . Schon tags

darau war es ihm wieder eingeallen: Au der Website

„Mauerblümchen“, dem von Patrick Fischer mitgestalte-

ten Nacholger des FN Chemnitz, kommentierte Sche-

ler, die Foreneinträge seien   „durch Hacker nicht nur 

übernommen sondern auch modiziert“ worden.

Die Fälschungsthese el bis Ende November ei-

nem Meinungswandel zum Oper. Der Süddeutschen

Zeitung (29.11.) sagte Schefer, dass die veröent-

lichten Forums-Zitate „völlig aus dem Zusammenhang  gerissene Sachen“ seien – ihre Echtheit bestritt er aber

nicht mehr. Nach konkreten Inhalten beragt, gab er

gegenüber Spiegel V (04.12.) zwar „keinen Kommen-

tar“ ab. Das machte er aber zeitnah in einem Interview

mit der Apel-nahen Website „Deutschland Echo“

(03.12.) wett. Dort erläuterte Schefer, die „interne

Kommunikation“  sei durch das   „Herausltern einiger 

extpassagen“  in einem   „völlig neuem Kontext an die

Öentlichkeit gebracht“ worden.

Mitnichten, denn etlichen Medien liegen kom-

plette, „ungelterte“ Forumskopien vor. Laut Schefer

habe „Hard o Hate“ aber sowieso nur drei Monate

existiert und es sei keineswegs das Forum des „Freien

Netzes“ gewesen. Das ist eine Schutzbehauptung. Und

während Schefer noch lavierte, hatten andere Prota-

gonisten ihre Autorenscha im von ihnen selbst so be-

titelten „FN-Forum“ schon eingestanden, einmal mehr

in der irrigen Ansicht, „unter sich“ zu sein.

Was Schefers Verhältnis zur Wahrheit angeht,

braucht sie niemanden verwundern.  „Sicherlich gehört zur Propaganda auch die Verdrehung bis hin zur Lüge“ ,

schrieb er selbst im FN-Forum. Moralisch bereite ihm

das „keinerlei Probleme“, setzte er au Nachrage hinzu.

Unbehagen mit dem „Narrensaum“

Neben Schefer äußerten sich auch seine Diensther-

ren. Der erste Anp kam vom neuen Apel-Vize Udo

Pastörs. In einem Interview mit der Website „Mup-

ino“ (14.11.), die von David Petereit betrieben wird

und der NPD-Fraktion in Mecklenburg-Vorpommern

nahe steht, sprach Pastörs etwas kryptisch den  „Nar-

rensaum“  in der Partei an: „überall da, wo eine gewisse

Grenze überschritten wird, kann und wird es zukünig 

keine Duldung geben. Unwürdiges ‚NS-Gekasper‘ ist eine

 Musik, die niemand hören will.“ 

Ins gleiche Horn stieß Apel in einem Interview

mit der Parteizeitung „Deutsche Stimme“ (19.12.), wo

er betonte, die NPD lasse sich „nicht au der Nase her-

umtanzen“ , notalls müsse man sich „auch mal von Leu-

ten trennen, die die NPD nur instrumentalisieren oder 

Politik mit einem Abenteuerspielplatz verwechseln. […]

Ein zu laxer Umgang mit eindlich gesonnenen Kräen

ist aber weder ür die NPD noch ür alle konstruktiv aus-

  gerichteten reien Kameraden örderlich.“ Apel nahmSchefer dennoch namentlich in Schutz, rühmte ihn

gar ob seiner „konstruktiven“ Zusammenarbeit:

 „Ein Maik Scheer, der noch vor wenigen Jahren der NPD ablehnend gegenüberstand, ist heute nicht nur NPD-Aktivist mit ‚Alibi-Funktion‘ – er ist Stadtrat,Kreisvorsitzender, stellv. Landesche. […] Ich rage nicht 

nach dem Gestern, sondern, was jemand heute ür seinLand leisten will. Ich reiche allen konstruktiven Akti-visten die Hand und lade sie gern zum Gespräch ein– auch und gerade die, die noch in kritischer Distanz stehen!“ 

Eine seltsame Rückendeckung. Und genau dieses

Zitat gehört zu einer eingeübten Choreograe. Dem

„Deutsche Stimme“-Blog „DS-Aktuell“ gab Apel

nämlich schon vor den belastenden Forums-Veröent-

lichungen ein Interview (20.10.) – inklusive Anbiede-

rung an das „Freie Netz“. Damals verwendete Apel

einen all zu bekannten extbaustein:

 „Ein Maik Scheer beispielsweise, der noch vor wenigen Jahren einer Sachsen-NPD unter Jürgen Schön mit  größtmöglicher Distanz gegenüberstand, ist heute nicht nur NPD-Aktivist mit ‚Alibi-Funktion‘ – er ist NPD-Kreisvorsitzender von Nordsachsen, Stadtrat in Delitzsch,

Landesorganisationsleiter und 

inzwischen auch stellvertre-tender Landesvorsitzender.[…] Ich rage nicht, was gestern war, sondern danach,was jemand bereit ist, heuteund morgen ür sein Land zuleisten. In diesem Sinne reicheich allen konstruktiven reien Aktivisten die Hand und lade

sie zum oenen Gespräch ein – auch und gerade die, dieheute noch in kritischer Distanz stehen!“ 

Inszenierte Eintracht

Was davon ist ernst gemeint? Die Partei spielt über

ihre verschiedenen Medien eine Eintracht vor, die es sonicht gibt. Das „Freie Netz Süd“ (02.12.) teilte deshalb

schon einen Hieb gegen die NPD aus, sprach – ohne

den konkreten Anlass zu nennen – von  „hektisch-

 planlosen Repressionswellen innerhalb der eigenen Par-

tei“ . Diese betreibt Schadensbegrenzung und dichtet

Schefer und Co. durch ständige Wiederholung einen

guten Leumund an. Im Gegenzug, so das naheliegen-

de Kalkül, soll das Bündnis mit dem „Freien Netz“ um

 jeden Preis aurecht erhalten werden – gerade jetzt , wo

die Partei personell umstrukturiert wird.

Apels Nacholger im sächsischen Landesverband,

Mario Löfer, ist bei den „Freien“ nämlich nicht wohl

gelitten. „Von nationalistischen Personen außerhalb der 

Partei hält das ehemalige CDU-Mitglied Löer nicht 

viel“ , warnte das „FN Zwickau“ (06.12.). Der Austeiger

aus dem Erzgebirge hat sich dazu schon bei „Deutsch-

land Echo“ (02.01.) geäußert – und wiederholt Pastörs

und Apels Anmahnung der Parteidisziplin,  „um nicht 

zu geährden, was mühsam augebaut worden ist.“ 

Und genau da liegt der braune Hase im Peer.

In Sachsen ist die NPD weiterhin au das „Freie Netz“

und die von ihm stark beeinussten „Jungen National-

demokraten“ angewiesen, mit Schefer steht und ällt

die JN. Wenn aber Funktionäre der Partei, etwa jener

Maik Schefer oder ommy Naumann, „aggressiv-kämperisch“ aureten, wie sie es im FN-Forum sogar

schrilich estgehalten haben, ist das ein mögliches

Verbotsargument gegen die NPD. ☐

Der NarrensaumDie NPD arbeitet in Sachsen eng mit dem „Freien Netz“

zusammen. Nach der Veröentlichung eines internen Forumswird Maik Scheers Truppe ür die Partei zum Problem.

Maik Scheer alias „Sibelius“ im internen Forum des „Freien Netzes“:

»Sicherlich gehört zur Propaganda

auch die Verdrehung bis hin zur Lüge.«

Propaganda und Wahrheit

FN-Leak au der GAMMA-Website:http://gamma.noblogs.org/n-leaks

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antiaschistischer Newsyer ür Leipzig und Umgebung

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Zwischen Rechtsrock

und BrandstitungVon Geithain bis tie in die Lausitz: Kurzmeldungen zum Neonazismus in der sächsischen Provinz

Geithain: Verlustgeschät „Tag der Identität“

Verhaltene Resonanz beim „ag der Identität“ am 13.

August 2011: Ungeähr 120 Neonazis olgten der Ein-

ladung des „Freien Netzes Borna-Geithain“ und des

NPD-Kreisverbandes Landkreis Leipzig in die sächsi-

sche Kleinstadt Geithain. Die von Manuel ripp (Ju-rastudent, „Freies Netz Geithain“, Stadtrat mit NPD-

Mandat) angemeldete Veranstaltung sollte zunächst

im Geithainer Bürgerhaus stattnden. Das Oberver-

waltungsgericht Bautzen bestätigte aber schließlich ein

durch die Stadtverwaltung ausgesprochenes Verbot.

Als Ausweichort diente das Henning-Frenzel-Stadion.

Organisatorische Unterstützung erhielt ripp von

Marcel Beyer (Geithain) und Pierre Schmitteck, dem

Gitarristen der augenscheinlich augelösten örtlichen

Naziband „Projekt Irminsul“. Deren Bassist Rico Sem-

rau ließ sich ebenso blicken. Als Würstchenverkäuer

betätigte sich Bernd-Uwe Hubmann aus Bad Lausick,ehemals Republikaner-Funktionär in Bayern und nun

Herausgeber der antisemitischen „Satire“-Zeitung

„Der Buchheimer“ (siehe GAMMA #186).

Neben dem „Liedermacher“ obias Winter aus Jena

waren die Bands „Priorität 18“, „Wiege des Schicksals“,

„erroritorium“ und „Exzess“ angekündigt worden. Als

Redner traten ripp, Patrick Fischer (Chemnitz), Pi-

erre Dornbrach (JN Lausitz), der unvermeidliche Mul-

tiunktionär Maik Schefer sowie „Michael Neumann

aus Mittelsachsen“ au. Hinter letzterem verbirgt sich

Christian Müller von „Volksront Medien“, der rüher

in Butzbach (Hessen) lebte.

Am rühen Abend grien sieben Neonazis im

Geithainer Stadtpark zwei junge Menschen an. Au-

genzeugInnen zuolge beanden sich darunter auch die

bekannten Leipziger Nazis Marcus „Rolle“ Weidhase,

Sebastian „Johnny“ Ristau und Benjamin Döhler.

Limbach-Oberrohna:Urteil gegen Brandstiter bestätigt

Das Landgericht Zwickau bestätigte am 9. Januar 2012

ein erstinstanzliches Urteil gegen Nico Döge wegen

Körperverletzung, Verwendung verassungseindli-

cher Kennzeichen und Brandstiung. Der 20-jährige

Neonazi hatte am 13. November 2010 das Gebäude

der „Sozialen und politischen Bildungsvereinigung

Limbach-Oberrohna“ in Brand gesetzt. Das Urteil ür

den Neonazi aus dem benachbarten Hartmannsdor:

zweieinhalb Jahre Ha nach dem Jugendstrarecht.

Burgstädt:

Brandstiter noch au reiem Fuß

Drei Jahre nach dem Brandanschlag au den Probe-

raum einer Punkband in Burgstädt (bei Chemnitz) ist

noch immer kein Ende des Gerichtsverahrens abzu-

sehen. In erster Instanz mussten sich Albert Reimann,

Michael Wermann, Andre Bergemann und Robert

Mattutat vor dem Amtsgericht Chemnitz verantwor-

ten. Von den Angeklagten, die dem ehemaligen „Sturm

34“-Umeld zuzuordnen sind, wurden nach mehr als

30 Verhandlungstagen augrund unklarer Beweislage

nur zwei verurteilt. Der geständige Wermann erhielt

drei Jahre Ha, Bergemann wurde zu zwei Jahren au 

Bewährung verurteilt. Gegen das Urteil des Amtsge-

richts Chemnitz wurden Rechtsmittel eingelegt, Wer-

mann ist derzeit au reiem Fuß.

Geringswalde:Dubiose Neonazi-WG

Eine Zweiraumwohnung in der Dresdner Straße 27 in

Geringswalde (Mittelsachsen) nutzen seit Dezemberün Neonazis als Meldeadresse. Darunter om Woost,

ührendes Mitglied der 2007 vom sächsischen Innen-

minister verbotenen kriminellen Vereinigung „Sturm

34“, und der Rochlitzer NPD-Vorsitzende Pierre Nickl,

der dieser Kameradscha ebenalls angehörte.

Wurzen & Rothenburg:Mini-Aumarsch und „Luni“-Konzert

Anlässlich des „Volkstrauertags“ marschierten am

12. November 2011 und 80 Neonazis durch Wurzen.

Die im Vergleich zum Vorjahr geringe eilnehmerIn-nenzahl erklärt sich auch durch das Nazikonzert,

welches zeitgleich in einem Zelt au dem Gelände

der Gaststätte „Zur deutschen Eiche“ in Rothenburg/

Oberlausitz 1300 Nazis anzog. Die Webseite des un-

ter dem Motto „Freiheit ür Erich Priebke“ stehenden

„Solidaritätskonzerts“ ist au den Bremer Nazi Hen-

rik Ostendor registriert. Headliner der von Mirko

Beier (NPD-Kreisverband Meißen) mitorganisierten

Veranstaltung war „Die Luniko Verschwörung“. Am

nächsten ag besuchte Luniko-Kop Michael Rege-

ner zusammen mit Nils Larisch (NPD Leipzig) und

dem Nazi-Hooligan Riccardo Sturm einen Naziau-

marsch in Wunsiedel. ☐

von links nach rechts:

• Marcel Beyer• Pierre Schmitteck• Rico Semrau• Christian Müller

• Nico Döge• Michael Wermann• Tom Woost• Pierre Nickl

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Der gewöhnliche

Euro: So hoch ist die Strae, die

das Dresdner Amtsgericht kurz

 vor Weihnachten einem 22-Jäh-

rigen augebrummt hat. Er soll am 19. Februar 2011

an einer Sitzblockade gegen den „rauermarsch“

teilgenommen haben, gemeinsam mit 1500 weite-

ren AntiaschistInnen. Die haben nach herrschen-

der Meinung gegen das Versammlungsrecht versto-ßen. Und nach Meinung des zuständigen Richters

Hajo Falk wiegt der Fall besonders schwer, weil

Nazis, so die Urteilsbegründung im Namen des

Volkes, eine „schützenswerte Minderheit“  seien.

In Sachsen steht der Neonazismus unter Be-

standsschutz. Die Aktivisten des „Nationalsozialis-

tischen Untergrunds“ (NSU) konnten genau darau 

zählen: Ihre Mordtaten waren nur möglich, weil es

ein bundesweites, weit verzweigtes Helernetzwerk 

gab und, um es milde auszudrücken, interessiertes

Wegsehen in den Amtsstuben. Das wäre so weiter

gegangen, hätte sich die „Zwickauer Zelle“ zumSchluss nicht selbst gerichtet, respektive gestellt.

Der NSU ist kein rein sächsisches Phänomen, aber

in Sachsen anden die Haupttäter Unterschlup und

Rückendeckung – mehr als ein Jahrzehnt lang. Das

ist durchaus erklärungsbedürig. Nur ist in Sach-

sen mit so einer Erklärung zuallerletzt zu rechnen.

Beispiel sächsisches Landesamt ür Veras-

sungsschutz: Das gibt überhaupt keine öentli-

chen Statements ab, abgesehen von der Beteue-

rung, man habe keine Akten vernichtet. Jedenalls

keine   „aus dem gesamten derzeit öentlich disku-

tierten Komplex“  und keine,   „die ür die Aulä-

rung des Komplexes“ und zur  „Unterstützung der 

Ermittlungen […] notwendig sind.“ Das sind schon

drei Einschränkungen des eigenen Dementis, das

explizit oen lässt, was mit Akten geschieht, die

man nach eigener Einschätzung nicht ür „not-

wendig“ hält – und wer eine dermaßen belastete

und demokratiereie Behörde ermächtigt, solche

Entscheidungen selbst zu treen.

Selbst getroen hatte man auch die Entschei-

dung, im Jahr 2000 das NSU-rio in Chemnitz

mehrach zu observieren. Und die Sache im übri-

gen au sich beruhen zu lassen. Bestandsschutz ür

Neonazis – das heißt, sie unter staatliche Ausichtzu stellen. In Sachsen zeigt sich immer wieder,

dass nichts davon unktioniert. O genug versagt

auch die demokratische Kontrolle der Behörden.

So adenscheinig ist dann auch ihr Bemühen,

„Rechtsterrorismus“ als neues Phänomen und

eine ungeahnte Qualität rechter Gewalt hinzustel-

len. Richtig ist, dass rechtsterroristische Gruppen

in der Bundesrepublik seit den 1950er Jahren

aktiv sind und seit den 1970er Jahren gezielt zu

Waen und Sprengsto greien. „Eine Bewegung

in Waen“ heißt eine aschistische Untergrund-

Schri vom Anang der 1990er Jahre, die daraus

eine Methode entwickelt hat. Sie beruht einzig au der Ermordung von Gegnern:   „Beim Attentat ist 

die Vernichtung von Menschenleben eigentliches

Ziel der Kampfandlungen.“ 

Härter als „bei der SA“Kleine Zellen, konspiratives Handeln, ein Leben

im Untergrund ür den „ührerlosen Widerstand“

und die „nationalsozialist ische Revolution“ – trotz

diese Blaupause des späteren NSU gab es laut ei-

ner Auskun der Bundesregierung vom April

1997   „keine Hinweise au eine Umsetzung solcher 

Konzepte“ . Zur gleichen Zeit reie in Jena aber ge-nau dieser Entschluss. Anang 1998, gleich nach

dem Untertauchen von Zschäpe, Böhnhardt und

Mundlos, kündigte der „Türinger Heimatschutz“

(HS) an,   „ab soort“ werde  „Bombe mit Bombe“  

  vergolten. Der politische Kamp werde härter

werden als „vor 1933 bei der SA“ .

Solche Entwicklungen nicht zu registrieren ist

das eine. Ihre Resultate zu leugnen das andere. Seit

1990 gab es in Deutschland laut Amadeu-Antonio-

Stiung 182 odesoper rechter Gewalt. Der rechte

error in Deutschland ist eine aktuelle Geahr, aber

eben keine neue, keine unerwartete und schon gar

keine unsichtbare. Neu ist im Falle NSU, dass des-

sen aten noch gravierender gewesen sind, als es

antiaschistische und zivilgesellschaliche Initia-

tiven sowie kritische JournalistInnen je behauptet

haben und daür auch seit je in die Ecke des Links-

extremismus gerückt werden – oder sich vor einem

sächsischen Richter verantworten müssen.

Die neonazistische Szene in Deutschland ist tat-

sächlich hochorganisiert, teils legal bewanet, größ-

tenteils militant und durchgängig vernetzt. Das zeigt

bereits das hauptsächlich in Sachsen aktive „Freie

Netz“, das auch die „Jungen Nationaldemokraten“,

also die NPD-Jugendorganisation, anührt. Das Pro-blem liegt au der Hand. Es beginnt nicht in einem

ominösen „Untergrund“, sondern beispielsweise im

Alltag und der Politik des Freistaates. Dessen zwei-

elhae Beiträge zum „Kamp gegen Rechtsextre-

mismus“ – siehe rechte Seite – belegen das. ☐

Ganz ofziell

aktive V-Leute in der NPD, davon einDutzend in Führungsgremien der Bun-despartei, dazu etliche in Vorständen von

Landes- und Kreisverbänden. Manche sollen parallelin Kameradschaten aktiv sein. Die Zahl der V-Leuteist seit dem Verbotsverahren gegen die NPD, das2003 wegen der V-Leute gescheitert war, gestiegen.Und sie ist im Zuge der jüngsten Berichterstattungzum „NSU“ mehrach nach oben korrigiert worden,

bis Ende November sprach das Bundesinnenminis-terium noch von „unter hundert“. Oenbar habendie Ämter selbst keinen Überblick. Deren Inorman-ten in der rechten Szene dürten jährlich hundert-tausende Euro kosten – zu ihren „Gegenleistungen“zählen „szenetypische Strataten“. Dazu trägt alleinin Sachsen eine niedrige zweistellige Zahl von V-Leuten in der Naziszene bei.

abgetauchte Neonazis, die verschwundensind, vermisst werden oder zu denen keineaktuellen Meldeadressen vorliegen. Die

 jeweiligen Gründe des „Abtauchens“ sind den Be-hörden im Einzelnen nicht bekannt, möglich ist aberein NSU-Zusammenhang. So verschwand mit demNürnberger „Reichsbürger“ Gerd Ittner im Jahr2005 ein bundesweit bekannter Neonazi, der mitdem verhateten Ral Wohlleben ebenso in Kontaktstand wie mit Christian Bärthel, dem ehemaligenMitarbeiter des rüheren Zwickauer NPD-Abgeord-neten Peter Klose. Klose hatte noch vor Bekannt-werden des NSU-Bekennervideos sein Facebook-Profl mit „Paulchen Panther“ geschmückt.

sichergestellte Waen, darunter 22 Spreng-und Brandvorrichtungen, die allein imJahr 2010 bei Durchsuchungen im ganzen

Bundesgebiet beschlagnahmt wurden. Im Bereich„Politisch motivierte Kriminalität rechts“ registrier-ten die Behörden im selben Jahr 253 Strataten, beidenen Waen eingesetzt wurden.

legale Schusswaen im Besitz von 38 säch-

sischen „Rechtsextremisten“, die über eineWaenbesitzkarte oder einen Waenscheinverügen. Bundesweit dürte die Zahl scharerPistolen und Gewehre in den Händen von Neonazisin die Tausende gehen. Entsprechend hoch ist dieAnzahl ihrer Mitgliedschaten in Schützenvereinenund Reservistenkameradschaten. Erst Ende 2011wurden acht sächsische Neonazis aus dem Reservis-tenverband der Bundeswehr ausgeschlossen.

Todesoper rechter Gewalt seit 1990 lautofzieller Statistik der Polizei. 148 Todesop-er – inklusive denen des „NSU“ – zählen

„Tagesspiegel“ und „Zeit“. Die Amadeu-Antonio-Stitung geht von 182 aus. Noch im Oktober 2011lehnte die Bundesregierung eine Revision der amtli-chen Statistik, au die Operhile-Gruppen seit Jahrendrängen, ab. Inolge der jüngsten Berichterstattungwurde das Thema erneut diskutiert. OppositionelleKritik an der bundesofziellen Statistik konterte FDP-Innenpolitiker Hartrid Wol Anang Dezember imBundestag so: „Die Linken wollen ein Gesinnungs-Denunziantentum, das die Linke-Szene anhand derrechtsextremen Strataten hoähig machen soll.“

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Rechter Terror im Freistaat

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Schwerpunkt

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antiaschistischer Newsyer ür Leipzig und Umgebung

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UntergrundSachsen und seine Neonazis: Worst O 2011 SubventionenMehr als 130.000 Euro erhielt der ehemalige

Rechtsterrorist Karl-Heinz Homann ür sein

Rittergut in Kohren-Sahlis (Landkreis Leipzig).

Die Zuwendungen ießen seit 2005 und dienen

oziell der „Pege von Kulturdenkmalen“. Kein

Einzelall: Für das Schloss Noschkowitz (Land-

kreis Mittelsachsen) erhielt der österreichischeNeonazi Raimund Bachmann seit 2006 mehr als

70.000 Euro. In diesem Falle wurde nicht einmal

geprü, ob die Fördermittel rechtmäßig verwen-

det wurden.

VorwarnungDas sächsische Landesamt ür Verassungsschutz

hat im Juli 2011 Mitglieder der „error Crew Mul-

dental“ (CM) au der amtlichen Website über

eine lauende Ermittlung wegen „Bildung einer

krimineller Vereinigung“ (§129) inormiert und

damit vor Hausdurchsuchungen gewarnt. Wenigeage später wurde der Eintrag au der VS-Website

ohne Erklärung „entschär“. Ende Juli olgten tat-

sächlich Hausdurchsuchungen bei 22 mutmaßli-

chen CM-Mitgliedern. Den Vorwur, die Razzien

 verraten zu haben, wies das Landesamt zwar zu-

rück. Doch gegenüber dem RBB bestätigte Lorenz

Haase, Sprecher der Dresdner Staatsanwaltscha:

 „Durch diese Veröentlichung des Landesamtes ür 

Verassungsschutz wurden die Beschuldigten letzt-

endlich gewarnt.“ 

StrafreiheitGegen namentlich bekannte Mitglieder der ver-

botenen Kameradscha „Sturm 34“ in der Regi-

on Mittweida wird seit Jahren ermittelt. In einem

ersten Verahren kam das Landgericht Dresden

zu dem Urteil, „Sturm 34“, au die eine Reihe ge-

walttätiger Übergrie zurückgeht und bei der In-

ormanten des Staatsschutzes aktiv waren, sei gar

keine kriminelle Vereinigung. Das sah der Bun-

desgerichtsho schon 2009 anders. Seitdem wur-

de das Verahren in Dresden aber nicht neu au-

gerollt, nicht mal ein Prozesstermin anberaumt.

Gegenüber einem Fernsehteam verharmloste Ral 

Högner, Pressesprecher des Landgerichts Dresden,den Fall: Die Beschuldigten wären heute sowieso

  „schon wieder au reiem Fuß.“ Die Sturm-34-Rä-

delsührer sind unterdessen weiter aktiv. Noch im-

mer nicht geahndet wurde auch der Überall einer

Nazigruppe am 1. Mai 2008 in Stolpen, bei dem

mehrere nicht-rechte Jugendliche verletzt wur-

den. Unter den ätern beand sich der Sebnitzer

„Hammerskin“ Mirko Hesse, der bis mindestens

2002 V-Mann des Bundesamtes ür Verassungs-

schutz war.

Desinormation

Im Leipziger NPD-Büro („Nationales Zentrum“)im Stadtteil Lindenau wurde bei mehreren Veran-

staltungen gegen baurechtliche Nutzungsauagen

 verstoßen, u.a. wegen zu vieler Besucher. Sachsen

Innenminister Ulbig nahm zu dieser Frage Stel-

lung – und legte eine unvollständige Liste mit

dortigen Veranstaltungen vor. Unterschlagen hat

er mindestens acht „Events“, die teils öentlich an-

gekündigt worden waren. Der Minister behauptete

außerdem, dass keinesalls gegen Bauvorschrien

 verstoßen worden sei. Doch selbst seine ehlerha-

te Auswertung weist au den gegenteiligen Fall hin.Korrigiert hat sich Ulbig bis heute nicht.

WegsehenNeonazis grien am 19. Februar 2011 in Dresden-

Löbtau das linke Hausprojekt „Praxis“ an. Videoau-

nahmen zeigen, dass mindestens 150 Personen an

dem Vorall beteiligt waren. Sie zeigen auch, dass die

Polizei währenddessen den Verkehr regelte. Gleich-

zeitig lie die umangreichste Überwachungsaktion

in der Geschichte der Bundesrepublik an: Mehr als

eine Million Handydaten wurden gesammelt, von

mehr als 50.000 Geräten wurden später die Bestands-

daten ermittelt, die zu den BesitzerInnen ühren.Auch der Verassungsschutz war mit Abhörtechnik 

(„IMSI-Catcher“) im Einsatz. Ein rundum illegales

Vorgehen, nur um den Vorwur zu erhärten, dass

sich AntiaschistInnen an Protesten gegen Neonazis

beteiligt haben. eil der Ermittlungen war auch eine

Razzia ausgerechnet in der Dresdner „Praxis“.

BewafnungSächsische Neonazis, unter ihnen der verblichene

Landtagsabgeordnete Winried Petzold, gelangten

mit Leichtigkeit an Schusswaen, indem sie einachdem Reservistenverband der Bundeswehr beigetre-

ten sind. Dort gilt schon die bloße Mitgliedscha

als Beleg ür die „Zuverlässigkeit“ der Schützen,

was wiederum Voraussetzung ür die Ausstellung

einer Waenbesitzkarte ist. Dem Innenminister,

Lupenreine Demokraten und Hüter der Verassung: Leipzigs Polizeipräsident Horst Wawrzynski, SachsensPolizeiche Bernd Merbitz und Innenminister Markus Ulbig (CDU). Ulbig (rechts) sagte im Innenausschuss desSächsischen Landtages au die Frage, ob ihn die Intensität neonazistischer Taten „überraschen“ würde:

»Bisher ist es in dieser Dimension nicht bekannt gewesen,dass sich Menschen in dieser Form radikalisieren.«

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Redaktionelles (Stand: 11.01.2012)

• E-Mail: [email protected] 

• WWW: http://gamma.noblogs.org

Ihr könnt euch das GAMMA au Wunsch beiErscheinen einer neuen Ausgabe zumailenlassen. Schreibt uns einach eine E-Mail.

Noch mehr zu Nazi-Aktivitäten:

• Leipzig: www.chronikle.org• Dresden: venceremos.sytes.net/artdd.html• Zwickau: zwickau.blogsport.de• Dessau: www.inothek-dessau.de• Nordthüringen: artnordth.wordpress.com• Berlin: blog.schattenbericht.de

 • Berlin & bundesweit: www.apabiz.de

• Berlin & BBG antifa-berlin. info/ght-back• FFO: recherchegruppe.wordpress.com• NRW: nrwrex.wordpress.com• München: www.aida-archiv.de• Österreich: www.stopptdierechten.at• Antifa-Infoblatt: www.antiainoblatt.de• Der Rechte Rand: www.der-rechte-rand.de• Lotta: projekte.free.de/lotta

Vor zehn Jahren: Neonaziscontra Wehrmachtsausstellung

Mit einem Doppel-Aumarsch demonstrierten Neona-

zis am 8. Juni 2002 gegen die Ausstellung „Verbrechen

der Wehrmacht, Dimensionen des Vernichtungskriegs“,

die zugleich au dem Gelände der Leipziger Alten Messe

gastierte. Dagegen mobilisierte der Hamburger Christi-

an Worch etwa 600 Anhänger, dem NPD-Auru ür diegleiche Zeit olgten mehr als 1000. Worch lie von der

Hauptbahnho-Ostseite zum Ostplatz (inkl. „Oidoxie“-

Konzert), der Marsch wurde mit Steinen angegrifen. Die

NPD tra sich an der Alten Messe, wo zwei Wasserwerer

Protestierende im ohnehin strömenden Regen au Ab-

stand hielten. Insgesamt waren 4000 Polizisten im Einsatz.

Es war der vierte Aumarsch Worchs in Leipzig seit dem

1. September 2001. Und sein erster Leipzig-Marsch, bei

dem er nicht gleich stecken blieb. Für 2002 hatte er des-

halb vier weitere Aumärsche angemeldet. Allerdings

erreichte seitdem keine weitere Nazimobilisierung in

Leipzig wieder so viel Zulau. ☐

Danke, Sachsen, für so vieleAufpasser ohne Uniform:

Inos über Neonazis nimmt die Antia-Recherchegruppe entgegen: [email protected]

Lutz Battke,“Bezirksschornsteineger-

meister” aus Laucha (Sachsen-Anhalt), mit

NPD-Fahne in Leipzig. Irritierend, dass er danach ürdie FDP im Lauchaer Stadtrat saß. 2011 trat er ürdie NPD als Landtagskandidat an.

der Interview-Anragen zu diesem Tema verweiger-

te, war „eine derartige Praxis“ laut Antwort au eine

Landtagsanrage „nicht bekannt“. Erst nach der Pres-

seberichterstattung über die NSU-Morde schloss der

Reservistenverband acht sächsische Neonazis, darunter

NPD-Funktionäre, aus. An militärischen Übungen des

Verbands düren sie nicht mehr teilnehmen, ihre Wa-

en können sie aber behalten. Sachsen olgt damit nicht

dem Beispiel Bremen: Dort waren Anang Dezember

au Grundlage des geltenden Waengesetzes auch die le-

galen Schusswaen von sechs Neonazis beschlagnahmt

und ein Waenverbot ür diese Personen ausgesprochen

worden. Ähnlich wurde in Hamburg vorgegangen, wo

25 schare Waen eingezogen worden sind.

BeobachtungAus Johanngeorgenstadt stammen einige NSU-Heler.

Aus der Region kommt auch die „Weiße Bruderscha

Erzgebirge“, die ein einziges Mal, im Jahr 2001, im säch-

sischen Verassungsschutz-Bericht auauchte. Der Orts-

namen Johanngeorgenstadt sucht man aber vergebens.Über das Wirken der Nazis aus Johanngeorgenstadt

waren die Behörden dennoch gut inormiert. Einerseits

and dort mit staatlicher Förderung eine akzeptierende

Jugendsozialarbeit statt. Andererseits antwortete die

Landesregierung Anang 2003 au eine Kleine Anrage

wie olgt: „Im Bereich Rechtsextremismus liegen Erkennt-

nisse vor, die im Rahmen der öentlichen Beantwortung 

dieser Anrage aus Gründen der Geheimhaltung nicht ge-

nannt werden“ . Beürchtet wurden wohl Rückschlüsse

au eine VS-Quelle, mit aller Wahrscheinlichkeit einen

Inormanten. Dies widerspricht der Behauptung des

sächsischen Landesamtes, im NSU-Umeld keinen „V-Mann“ eingesetzt zu haben. Und damit der Behauptung

derselben Behörde, dass sie von Wehrsportübungen

1998, einem Blood-and-Honour-Konzert 2001 sowie

einem Aumarsch 2003 in Johanngeorgenstadt und

Umgebung nichts wisse. Maßgeblich beteiligt an der

Organisation dieser Veranstaltungen waren die Brüder

Maik und André Eminger. Der zweite sitzt nun wegen

der Unterstützung des NSU in Untersuchungsha.

UnverständnisIm November orderte die Fraktion Die Linke im

sächsischen Landtag ein Verbot des „Freien Netzes“

(FN). Vorausgegangen war die Veröentlichung von

Auszügen des internen FN-Forums. Doch ein Verboterwägt Ulbig nicht: Ausgerechnet aus der Auswertung

des GAMMA will Ulbig herausgelesen haben, dass

das FN überhaupt keine Organisation sei, sondern ein

Medium, vergleichbar mit einem „eleon“. Obskur:

Während in Ulbigs Zuständigkeitsbereich also nichts

passiert, ist er zugleich ein Fürsprecher der populären

Forderung nach einem NPD-Verbot.

WortlosigkeitIm Türinger Landtag wurde schon Mitte November

eine Kommission eingesetzt, um die Pannen dortiger

Behörden während der Suche nach den drei unterge-tauchten NSU-Mitgliedern auzuklären. Das Angebot

in Richtung Sachsen, die Kommission gemeinsam zu

besetzen, wurde ausgeschlagen. Ulbig beharrt darau,

dass es in Sachsen keine Versäumnisse gegeben habe

– auch wenn das rio jahrelang in Chemnitz und Zwi-

ckau lebte, was Ermittlern spätestens seit dem Jahr 2000

bekannt gewesen ist. Auch ein Antrag der Fraktion Die

Linke zur Einrichtung einer eigenständigen Untersu-

chungskommission wurde – übrigens mit übergroßer

Mehrheit – im sächsischen Landtag abgelehnt.

DummheitDas Zwickauer „Schwimmen ür Demokratie und ole-

ranz“ ist eine Anti-Nazi-Veranstaltung ganz nach staats-oziellem Zuschnitt. Selbst Neonazis schwammen mit:

Jens Gatter, NPD-Kreisrat in Liebschützberg, errang

Mitte September gar den vierten Platz. Gemeinsam mit

Innenstaatssekretär Michael Wilhelm und Zwickaus

Oberbürgermeisterin Pia Findeiß entstand nachher

auch ein Erinnerungsoto mit Gatter. Die derart quali-

zierte Frau Findeiß ist nebenher Jurymitglied des sächsi-

schen „Bürgerpreises“, den die Landesregierung stiete,

nachdem sie sich vom Demokratieörderpreis zurückge-

zogen hatte. Streitpunkt war u.a. die „Extremismusklau-

sel“. Ein Rechtsgutachten bescheinigt der Klausel mitt-

lerweile den Verstoß gegen Grundrechte. Sachkenntnishat sie noch nie verbürgt. ☐

Warum Innenminister Markus Ulbig das „Freie Netz“ ortbestehen lässt:

»Die neuen Erkenntnisse bestätigen erner dieAufassung, dass das Internetportal ›Freies Netz‹ keineOrganisation bzw. kein Personenzusammenschluss ist. […]Das Netz als eingesetztes technisches Medium beinhaltet nur die Möglichkeit zum Austausch […] Den gleichen Efekt könnte auch ein Teleon oder eine Teleonkonerenz haben.«

L-AP 3967, -QA 6058dunkl. Mercedes,Opel Astra, VW Passat(tauschen Kennz. unter-einander)

L-GH 6025, -TA 7448weinr. VW Jetta, dunklerPassat (tauschen Kennz.)

L-QP 3778silberner VW Sharan

L-TA 218schw. Gol Kombi

L-2532silberner Fiat Panda

L-HP 6327schw. VW Passat

L-CJ 4545schw. Opel

L-RS 2024grauer VW Sharan

 

L-TA 1193blauer VW Touran

L-QW 8048schw. VW Gol 

L-FA 6099silberner Ford

MTL-BK 53

dunkelbl. VW-BusMTL-PF 96silberner VW Passat

MTL-E? 86silberner VW Passat

ERZ-JK 84weißer VW-Bus

DD-Q 4731silbergr. VW

L-RS 2014grauer VW Sharan

L-CT 1049, -JK 4512