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Gasstrom, TeiI 2: Weitere MeBverfahren, Kalibrierung W. Jitschin Gasstrome konnen neben den in der letzten Folge behandelten volumetrischen Vetfahren auch durch eine Reihe weiterer Vetfahren gemessen werden. Fur genaue Messungen ist eine Kalibrierung der MeRgerate nach fundamentalen Verfahren etforderlich. Beim thermoelektrischen DurchfluR- messer (Abb. 1) stromt das Gas durch ein dunnes, geheiztes Rohr und wird da- bei geringfugig urn eine Ternperaturdif- ferenz AT erwarrnt. Die hierbei aufge- brachte Warrneleistung P ist proportio- nal zum Gasstrom und zur Warmekapa- zitat des Gases. Die Warmekapazitat cp bei konstantern Druck ergibt sich im Rahrnen der kinetischen Gastheorie aus dern Freiheitsgrad f eines Gasteil- chen (einatomig: f = 3, zweiatomig: f=5, etc.) zu [l]: cP ='/2 . (f + 2) . R , (1 ) (Syrnbole siehe Tab. 1). Damit errechnet sich fur die Warmeleistung: Heizungs- Teilstrom/, Abb. 1: Thermoelektrischer Durch- fluRmesser. Bei ublichen Geraten hat das MeOrohr einen lnnendurchrnesser von 0,2- 0,8 mrn und die Temperaturuberho- hung betragt wenige Kelvin. Es gibt Ge- rate in ungeregelter Ausfuhrung, bei de- nen das stromende Gas eine Verschie- bung des Temperaturprofils von der Ein- laB- zur AuslaOseite bewirkt. Die Tempe- raturdifferenz zwischen beiden Seiten kann direkt mittels zweier gegeneinan- der geschalteter Therrnoelernente ge- messen werden. Gerate in geregelter Ausfuhrung verwenden zwei (oder mehr) Heizwicklungen. Die jeweiligen Wicklungsternperaturen werden kon- stant gehalten, indem die Heizleistung entsprechend der vom Gas abgefuhrten Warrne erhoht wird (Gleichung 2). Ein Vorteil der geregelten Ausfuhrung ist das schnellere Ansprechverhalten. Die Warmeubertragung vom MeOrohr in das Gas ist allerdings - abhangig von Bauform und Gasart - mehr oder weni- ger unvollstandig, so daO Gleichung (2) nur naherungsweise gilt. Zur Erweiterung des MeObereichs zu groOeren Werten hin arbeitet man im Teilstrombetrieb, bei dern das MeOrohr und eine Hauptleitung mit groOerem Querschnitt parallel geschaltet sind. 1st die Stromung in der Hauptleitung und im MeOrohr reibungsbegrenzt laminar, Tab. 1: Verzeichnis der verwendeten Symbole I Symbol I Bedeutung 1 SI-Einheit Zeit rnittlere Teilchengeschwindigkeit therrnodynamische Ternperatur Druck Masse des Gases Volurnen des Gases Dichte des Gases (= rn/V) spezifische Gaskonstante spezifische WCirrnekapazitat, p = const. dynarnische Viskositat Massenstrorn (= rnlt) Volurnenstrorn (= Vlt) pV-DurchfluB Heizleistung 32 Vakuum in Forschung und Praxis (1996) Nr. 1 32-34 0 VCH Verlagsgesellschaft mbH, 0-69451 Weinheim, 1996 0947-076)(/96/0101-0032/$10.00+.25/0

Gasstrom, Teil 2: Weitere Meßverfahren, Kalibrierung

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Page 1: Gasstrom, Teil 2: Weitere Meßverfahren, Kalibrierung

Gasstrom, TeiI 2: Weitere MeBverfahren, Kalibrierung

W. Jitschin

Gasstrome konnen neben den in der letzten Folge behandelten volumetrischen Vetfahren auch durch eine Reihe weiterer Vetfahren gemessen werden. Fur genaue Messungen ist eine

Kalibrierung der MeRgerate nach fundamentalen Verfahren etforderlich.

Beim thermoelektrischen DurchfluR- messer (Abb. 1) stromt das Gas durch ein dunnes, geheiztes Rohr und wird da- bei geringfugig urn eine Ternperaturdif- ferenz AT erwarrnt. Die hierbei aufge- brachte Warrneleistung P ist proportio- nal zum Gasstrom und zur Warmekapa- zitat des Gases. Die Warmekapazitat cp bei konstantern Druck ergibt sich im Rahrnen der kinetischen Gastheorie aus dern Freiheitsgrad f eines Gasteil- chen (einatomig: f = 3, zweiatomig: f=5, etc.) zu [l]:

cP ='/2 . (f + 2) . R, (1 )

(Syrnbole siehe Tab. 1). Damit errechnet sich fur die Warmeleistung:

Heizungs-

T e i l s t r o m / ,

Abb. 1: Thermoelektrischer Durch- fluRmesser.

Bei ublichen Geraten hat das MeOrohr einen lnnendurchrnesser von 0,2- 0,8 mrn und die Temperaturuberho- hung betragt wenige Kelvin. Es gibt Ge- rate in ungeregelter Ausfuhrung, bei de- nen das stromende Gas eine Verschie- bung des Temperaturprofils von der Ein- laB- zur AuslaOseite bewirkt. Die Tempe- raturdifferenz zwischen beiden Seiten kann direkt mittels zweier gegeneinan- der geschalteter Therrnoelernente ge- messen werden. Gerate in geregelter

Ausfuhrung verwenden zwei (oder mehr) Heizwicklungen. Die jeweiligen Wicklungsternperaturen werden kon- stant gehalten, indem die Heizleistung entsprechend der vom Gas abgefuhrten Warrne erhoht wird (Gleichung 2). Ein Vorteil der geregelten Ausfuhrung ist das schnellere Ansprechverhalten.

Die Warmeubertragung vom MeOrohr in das Gas ist allerdings - abhangig von Bauform und Gasart - mehr oder weni- ger unvollstandig, so daO Gleichung (2) nur naherungsweise gilt.

Zur Erweiterung des MeObereichs zu groOeren Werten hin arbeitet man im Teilstrombetrieb, bei dern das MeOrohr und eine Hauptleitung mit groOerem Querschnitt parallel geschaltet sind. 1st die Stromung in der Hauptleitung und im MeOrohr reibungsbegrenzt laminar,

Tab. 1: Verzeichnis der verwendeten Symbole

I Symbol I Bedeutung 1 SI-Einheit

Zeit rnittlere Teilchengeschwindigkeit therrnodynamische Ternperatur Druck Masse des Gases Volurnen des Gases Dichte des Gases (= rn/V) spezifische Gaskonstante spezifische WCirrnekapazitat, p = const. dynarnische Viskositat Massenstrorn (= rnlt) Volurnenstrorn (= Vlt) pV-DurchfluB Heizleistung

32 Vakuum in Forschung und Praxis (1996) Nr. 1 32-34 0 VCH Verlagsgesellschaft mbH, 0-69451 Weinheim, 1996

0947-076)(/96/0101-0032/$10.00+.25/0

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so ist das Teilverhaltnis konstant (d. h. unabhangig von Druck und Gasart), was jedoch in der Praxis nur naherungs- weise erreicht wird.

Die nutzbare MeObereichsspanne ei- nes Gerates betragt ca. l : l O , es wer- den Gerate mit Bereichsendwerten von ca. 10 bis 100000 sccm (0,2 bis 2000 mbar . Vs) angeboten. Die Kalibrie- rung erfolgt meist fur Stickstoff, die Her- steller geben empirische Umrechnungs- faktoren fur andere Gase an (siehe Ta- belle 2). Die Gerate werden meist, je- doch nicht notwendigerweise bei Atmo- spharendruck betrieben, der Druckab- fall ist gering. Sie sind bequem in der Handhabung und bieten hohe Reprodu- zierbarkeit (< 1 %) und - in geregelter Ausfuhrung - kurze Ansprechzeiten (< 1 s). Es werden chemisch resistente Ausfuhrungen und Versionen rnit einge- bautem Regler einschlieOlich Stellventil angeboten.

Bei diesen MeOgeraten wird der Gas- durchfluO aus dem Druckabfall (Wirk- druck) an einem durchstrornten Bauteil bestimmt. Es werden Bauteile in ver- schiedenartiger Ausfuhrung eingesetzt [2, 31.

Vie1 verwendet wird die Venturi-Duse (Abb. 2). lnnerhalb der Duse wird der Stromungsquerschnitt auf einen Bruch- teil des ursprunglichen Wertes verengt. Mit kleiner werdendem Querschnitt muO nach der Kontinuitatsgleichung die Stromungsgeschwindigkeit des Ga- ses steigen und damit nach der Bernoul- li-Gleichung der Druck abfallen. Dieses gasdynamische Problem IaOt sich fur

! A2 I

Abb. 2 Venturi-Duse als DurchfluO- messer.

Tab. 2 Wichtige Daten einiger Gase, geordnet nach molarer Masse. R, wurde aus der Teilchenmasse be- rechnet. Die Werte fur cp sind ex- perimentelle Werte und gelten bei 20°C und 1 bar [l]. Thermoelektrische DurchfluOmeOgerate sind ublicher- weise fur Stickstoff kalibriert. Fur andere Gase ist eine Korrektion anzu- bringen, die geringfugig von der Bau- ausfiihrung abhangt (hier nach Ref. 4)

Gasart

HZ

CH,

NZ

0 2

NO,

CCI,

He

Ne

Luft NO

Ar

Kr Xe

41 24,2 2077,3 518,3 412,O 296,8 287,O 277,l 259,8 208,l 180,7 99,2 63,3 54,l

ir( kg . K)

14340 5200 2227 1031 1038 1005 995 91 3 52 1 803 248 158 542

Korrek- turfaktor

1,Ol 1,45 0,72 1,46 1 ,oo 1 ,oo 0,99 1 ,oo 1,37 0,74 1,54 1,32 0,31

den Idealfall einer isentropen Expansi- on ohne Reibung und Einschnurung leicht berechnen. Ferner sei der Einfach- heit halber noch angenommen, daB die Offnungsflache der Duse klein gegen die Querschnittsflache des Rohrs ist. Dann ist namlich die Stromungsgeschwindig- keit vor der Duse vernachlassigbar klein und es ergeben sich einfache Formeln. Mit dem Index 1 sei die Stelle vor Eintritt in die Duse, mit dem Index 2 die engste Stelle in der Duse gekennzeichnet.

In dem Fall, daO der Druckabfall klein gegen den Druck selbst ist (also p2 M p,), gilt

In dem Fall, daO der Druck p2 kleiner als der kritische Druck ist (also etwa p2 < 0,5 . pl), liegt verblockte Stromung vor, bei der der Gasstrom unabhangig von p2 ist.

wobei die AusfluOfunktion w uber den lsentropenexponenten von der Gasart abhangt: w M 0,513 bei einatomarem Gas

(z. B. Edelgas) y M 0,484 bei zweiatomarem Gas

(2.B. Luft) Bei einer Blende (Abb. 3) erfolgt eine

abrupte Verringerung des Querschnitts

rnit anschlieOender Erweiterung. Beim Passieren der Engstelle erhoht sich die Stromungsgeschwindigkeit des Gases, wobei die erforderliche Energie u.a. aus dem Druck genommen wird. Somit fallt der Druck vom Wert p1 auf der Ein- IaOseite auf den kleineren Wert p2 auf der AuslaOseite.

Der DurchfluO durch die Blende kann rnit den fur die Duse angegebenen For- meln (3) bzw. (4) berechnet werden. Da- bei ist jedoch zu berucksichtigen, daO die Einstromung des Gases aus allen Richtungen in die Blendenoffnung eine Einschnurung (Kontraktion) der Stro- mung bewirkt. Hierdurch ist die effekti- ve Querschnittsflache A2 in den For- meln (3) und (4) um einige 10% kleiner als die tatsachliche Blendenoffnung A.

Bei groOen geometrischen Abmes- sungen (Offnung mehrere cm) konnen Dusen und Blenden sehr prazise und re- produzierbar gefertigt werden, ebenfalls sind die Stellen fur die Druckmessung genau vorgebbar. Dann ist es moglich, den tatsachlichen Gasstrom fur die be- stimmte Bauausfuhrung einer Offnung mit Druckentnahmestellen durch eine Kalibrierung zu bestimmen und die Er- gebnisse auf baugleiche Offnungen zu ubertragen. In der Norm DIN 1952 fin- den sich umfangreiche Tabellen fur den Gasstrom durch genormte Bau- teile, namlich Blende, ISA 1932-Duse, Langradius-Duse und klassisches Ven- turirohr (Abb. 4).

In einigen Anwendungen der Vakuum- technik werden sehr kleine Gasstrome benotigt. Man hat daher (2.B. durch Funkenerosion an einer dunnen Folie) Offnungen mit Abmessungen von weni- ger als 1 pm hergestellt.

Eine weitere Moglichkeit der Messung von Gasstromen bieten dunne Kapilla- ren (Abb. 5). Liegt in der Kapillare lami- nare Stromung vor, so IaOt sich der pV- DurchfluO elementar mit Hilfe des New- tonschen Reibungsansatzes aus den

\

Abb. 3: Blende rnit Einschnurung der Stromung.

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Abb. 4 Norrndusen nach DIN 1952. Links: ISA 1932 rnit Druckentnahmeboh- rungen. Rechts: Langradius.

Drucken an Ein- und AuslaOseite be- rechnen. Fur kreisformige Rohre rnit Durchrnesser d und Lange I gilt das Ha- gen-Poiseuillesche Gesetz:

Analog errechnet man fur ein Rohr rnit spaltforrnigern Querschnitt s x b (s << b), der linear oder als Kreisring ausgefuhrt sein kann:

(6) 1 1 s3 . b

qpv=- . - . (P: - P 3 ' -j- 24 11

Kapillare

Abb. ser.

5: Kapillare als DurchfluOmes-

Die MeOcharakteristik der oben be- schriebenen Gasstrorn-MeOgerate kann grob aus ihrern Aufbau vorherge- sagt werden, fur zuverlassige genaue Messungen ist jedoch eine Kalibrierung unurnganglich, bei der der Zusarnrnen- hang zwischen MeOsignal und tatsach- lichern Gasstrorn errnittelt wird. Der tatsachliche Gasstrorn wird - teilweise rnit erheblichern apparativen Aufwand - nach fundarnentalen Verfahren er- zeugt oder gernessen, die nun kurz er- Iautert werden.

Beim Verfahren der Volumenverdran- gung strornt der zu rnessende Gasstrorn in ein Bauelernent hinein oder heraus, dessen Volurnen auf wohldefinierte Weise verandert werden kann. Die Ver- anderung kann durch Verschieben einer Flussigkeitssaule in einern Rohr (Burette, Steigrohr, waagerechte Kapil- lare, Tauchglocke) oder durch Verschie- ben eines Kolbens erfolgen. Irn Betrieb wird der Druck p durch geeignetes Nachfahren des Volurnens konstant gehalten. Beispielsweise kann man rnit einern Differenzdruck-MeOgerat Druck-

anderungen direkt registrieren und rnit einern nachgeschalteten Regelkreis kornpensieren (z. B. wie in DIN 28417). Der pV-DurchfluO errechnet sich dann aus Vorschubgeschwindigkeit v und Querschnittsflache A des Verdrangers:

Zur Messung sehr kleiner pV-Durch- flusse rnittels Volurnenverdrangung kann man den Arbeitsdruck bis in den Feinvakuurnbereich absenken.

Beirn Verfahren der Druckanderung rnit der Zeit strornt der zu rnessende Gasstrorn in ein GefaO rnit konstantern Volurnen hinein oder heraus. Aus der zeit- lichen Druckanderung infolge der Gas- strornung ergibt sich der pV-DurchfluR:

Die angegebenen Forrneln (7) und (8) sind nur anwendbar, wenn therrnische Effekte bei der Ein- bzw. Ausstrornung des Gases vernachlassigt werden kon- nen.

Bei groOeren, zeitlich konstanten Gasstrornen kann das Verfahren der Wagung angewendet werden (gravi- rnetrisches Verfahren). Das Gas strornt uber einen gewissen Zeitraurn in einen Behalter hinein oder heraus. Der Behal- ter wird vorher und nachher gewogen. Die Gewichtsdifferenz ergibt die zu- bzw. abgestrornte Gasrnenge.

[ I ] Jitschin, W.; Vakuurn in der Praxis

[2] Jitschin, W.; Vakuurn in der Praxis, 5(4), 260 (1993)

[3] Bohl, W.; Technische Strornungsleh- re, Wurzburg: Vogel-Verlag (1 991)

[4] MKS USA, Firrnenbroschure (1990) [5] Ubersichtsartikel uber FluOrneO-

gerate, I? Vigo und F. Cascetta, S. 373-436 in ,,Sensors 7: Mechan- ical Sensors", herausgegeben von H.H. Bau, N.F. de Rooij und B. Kloeck, Weinheirn: VCH (1994)

5(7), 35 (1993)

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13403 Berlin, Saalrnannstr. 9 0 Telefoo 030/4 12 18 96. Fax 030/4 13 79 50

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