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Interdisziplinäres Management von chronischen Darmerkrankungen Bamberg Samstag, 21.Juni 2008 9.00 – 15.30 Uhr Veranstaltungsort: Konzert- und Kongresshalle Hegel-Saal Bamberg Wissenschaftliche Leitung: Prof. Dr. M. Sackmann, Bamberg Prof. Dr. G. Pistorius, Bamberg Freiburg Freiburg 11. Oktober 2008 11. Oktober 2008 Osnabrück Osnabrück 12. April 2008 12. April 2008 Gießen Gießen 17. Mai 2008 17. Mai 2008 Bamberg 21. Juni 2008 Berlin Berlin 28. Juni 2008 28. Juni 2008 Essen Essen 1. März 2008 1. März 2008 Jena Jena 27. September 2008 27. September 2008 Kiel Kiel 5. Juli 2008 5. Juli 2008 Abstracts

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Interdisziplinäres Management von chronischen Darmerkrankungen

Bamberg

Samstag, 21.Juni 2008

9.00 – 15.30 Uhr

Veranstaltungsort:

Konzert- und Kongresshalle

Hegel-Saal

Bamberg

Wissenschaftliche Leitung:Prof. Dr. M. Sackmann, BambergProf. Dr. G. Pistorius, Bamberg

FreiburgFreiburg11. Oktober 200811. Oktober 2008

OsnabrückOsnabrück12. April 200812. April 2008

GießenGießen17. Mai 200817. Mai 2008

Bamberg21. Juni 2008

BerlinBerlin28. Juni 200828. Juni 2008

EssenEssen1. März 20081. März 2008

JenaJena27. September 200827. September 2008

KielKiel5. Juli 20085. Juli 2008

Abstracts

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Programm

9.00 Uhr Begrüßung und Einführung Prof. Dr. M. Sackmann, Bamberg

1. Dünndarm

Vorsitz:Prof. Dr. H. Weis, Bamberg Prof. Dr. H. Koop, Berlin

9.15 Uhr Diagnostik bei Darmerkrankungen: DoppelballonenteroskopiePD Dr. A. May, Wiesbaden

9.35 Uhr Kasuistik: 63-jähriger Patient mit chronischer Diarrhö und Gewichtsverlust Dr. K.D. Schmidt, Bamberg

9.55 Uhr Aktuelle Diagnostik und Therapie der Sprue Prof. Dr. B. Lembcke, Gladbeck

10.15 Uhr Funktionelle Darmbeschwerden: Rationelle Diagnostik und Therapie Prof. Dr. H. Koop, Berlin

10.35–11.05 Uhr Kaffeepause

2. Dickdarm

Vorsitz:PD Dr. T. Ochsenkühn, München Prof. Dr. M. Sackmann, Bamberg

11.05 Uhr Pathogenese chronisch entzündlicher Darmerkrankungen PD Dr. S. Brand, München

11.25 Uhr Endoskopie bei CED: Färbung, Zoom, NBI, FICE(ohne Abstract) Dr. M. Götz, Mainz

11.45 Uhr Histopathologische Diagnostik und Differenzialdiagnostik der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen Prof. Dr. G. Seitz, Bamberg

12.05 Uhr Aktuelle konservative Therapie von chronisch entzündlichen DarmerkrankungenProf. Dr. M. Raithel, Erlangen

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12.25–13.15 Uhr Mittagspause mit Imbiss

3. Dick- und Enddarm

Vorsitz:Prof. Dr. M. Raithel, Erlangen Prof. Dr. G.A. Pistorius, Bamberg

13.15 Uhr Diagnostik von Fisteln PD Dr. C. Pehl, Vilsbiburg

13.35 Uhr Therapie der Fisteln bei Morbus Crohn PD Dr. T. Ochsenkühn, München

13.55 Uhr Moderne chirurgische Therapie bei CED und Karzinom Prof. Dr. G.A. Pistorius, Bamberg

14.15 Uhr Aktuelle Chemotherapie beim kolorektalen Karzinom Dr. R.-M. Zippel, Bamberg

14.35 Uhr Interdisziplinäre Darmkrebszentren: Fortschritt oder notwendiges Übel? Dr. C. Pox, Bochum

14.55 Uhr Schlussworte Prof. Dr. G.A. Pistorius, Bamberg

Anschriften der Referenten und Vorsitzenden siehe Seiten 39–40

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Diagnostik bei Darmerkrankungen: Doppelballonenteroskopie

A. May

HSK Dr. Horst Schmidt Klinik, Wiesbaden

Die Doppelballonenteroskopie (DBE) wurde 2001 von Yamamoto in Japan (1) und

2003 von unserer Arbeitsgruppe (2) in der westlichen Welt eingeführt. Bis dahin

konnte mithilfe der Kapselendoskopie die rein diagnostische Evaluation des

Dünndarms erfolgen, aber es bestand keine Möglichkeit zur Histologiegewinnung

mittels Biopsie oder zur Durchführung endoskopischer therapeutischer Inter-

ventionen. Vor Einführung der DBE war die intraoperative Enteroskopie (mit Laparo-

tomie) die einzige Möglichkeit, um endoskopisch-therapeutische Maßnahmen im

tieferen Dünndarm durchzuführen, da die Eindringtiefe mit dem konventionellen

Push-Enteroskop begrenzt ist.

Diese Lücke konnte jetzt mit der DBE geschlossen werden. Das System (Fujinon

Inc., Japan) besteht aus einem hochauflösenden Video-Endoskop mit einer Arbeits-

länge von 200 cm und einem Außendurchmesser von 8,5 mm (p-Typ) oder 9,4 mm

(t-Typ) und derzeitig (noch) einem Arbeitskanal von 2,2 mm bzw. 2,8 mm. Der

Übertubus zeichnet sich durch einen kleinen Außendurchmesser (12 bzw. 13 mm)

und hohe Flexibilität aus, was die Untersuchung komfortabel gestaltet. Durch

alternierendes Insufflieren und Desufflieren der Ballons, die sich an der Endoskop-

spitze und an der Übertubusspitze befinden, durch alternierenden Vorschub von

Enteroskop und Übertubus und Rückzug beider wird der Dünndarm Schritt für Schritt

aufgefädelt (1, 2). Durch den regelmäßigen Rückzug werden sich beim Vorschub

ausbildende Schleifen im Gegensatz zur konventionellen Push-Enteroskopie

weitestgehend begradigt, was wiederum z. B. den Einsatz von Instrumentarien wie

Biopsiezangen, APC-Sonden u. ä. sehr erleichtert, eine gute Übersicht und

Steuerbarkeit beim Vorschub und Rückzug ermöglicht und wahrscheinlich die

Verletzungsgefahr des Dünndarms reduziert. Durch Kombination von oralem und

analem Zugang kann im Optimalfall der komplette Dünndarm eingesehen werden

(etwa 40–80%) (3, 4, 5). Limitationen stellen im Wesentlichen nur Verwachsungen

durch vorherige abdominelle chirurgische Eingriffe dar.

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Nach den bisherigen Erfahrungen handelt es sich um ein sicheres Verfahren, das in

konventioneller Sedoanalgesie oder Propofolsedierung durchgeführt werden kann

(3, 4, 5, 6, 7). Eine Intubationsnarkose ist nur in Ausnahmefällen (z. B. bei Kindern)

nötig. Bei der oralen DBE ist als wesentliche Komplikation die Pankreatitis zu nennen

(Risiko 0,3%) (3, 5, 8). Die diagnostische Ausbeute ist mit 70–80% sehr hoch (3–7),

was durch die Selektion der Patienten erklärt werden kann, da die Methode personal-

und zeitaufwendiger als z. B. die Kapselendoskopie ist. Mit der Kapselendoskopie

oder durch andere bildgebende Verfahren erhobene Befunde können kontrolliert und

ggf. mit Biopsie verifiziert werden. Therapeutische Interventionen können – wo nötig

– im gleichen Arbeitsgang ohne chirurgische Laparotomie angeschlossen werden.

Durchgeführt werden können prinzipiell alle mit der konventionellen Endoskopie

anbietbare endoskopische Interventionen. Aufgrund der anatomischen Bedingungen

im Dünndarm und der technischen Gegebenheiten (langes Endoskop, dünne

Arbeitskanäle) sind diese Interventionen oft anspruchsvoll in der Durchführung. Die

Rate der endoskopischen therapeutischen Interventionen liegt bei etwa 40–50% mit

einem Komplikationsrisiko von etwa 3–4% (3–7). Außerdem ergeben sich zu einem

nicht unerheblichen Prozentsatz Konsequenzen bezüglich einer medikamentösen

oder chirurgischen Therapie (jeweils etwa 10–15%). Hauptindikation stellt derzeit die

mittlere GI-Blutung dar. Als mittlere GI-Blutung wird eine Blutung zwischen Papille

und Ileozökalklappe definiert (9). Attraktiv, aber derzeit noch unter Evaluation

stehend, sind der obstruktive Morbus Crohn, die Polyposissyndrome und die

therapierefraktäre Zöliakie. Die DBE ermöglicht auch den Zugang zu sonst endo-

skopisch nicht erreichbaren Arealen nach chirurgisch modifiziertem GI-Trakt

(z. B. ERCP nach Roux-Y-Konstruktion, Endoskopie nach Adipositaschirurgie).

Ein großer Vorteil der DBE im Vergleich zur Laparotomie und intraoperativen

Enteroskopie liegt darin, dass das Verfahren jederzeit wiederholt werden kann, was

z. B. bei Patienten mit rezidivierenden Angiodysplasien oder mit Polyposissyndromen

von hoher klinischer Relevanz sein kann.

Fazit: Die Doppelballonenteroskopie hat sich als ein Standardverfahren bei der

diagnostischen und therapeutischen Endoskopie des Dünndarms etabliert und lässt

die intraoperative Enteroskopie zum Reserveverfahren werden.

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Literatur:

1. Yamamoto H, Sekine Y, Sato Y, et al. Total enteroscopy with a nonsurgical steerable double-balloon method. Gastrointest Endosc 2001; 53: 216–220.

2. May A, Nachbar L, Wardak A, Yamamoto H, Ell C. Double-balloon enteroscopy: preliminary experience in patients with obscure gastrointestinal bleeding or chronic abdominal pain. Endoscopy 2003; 35: 985–991.

3. Yamamoto H, Kita H, Sunada K, et al. Clinical outcomes of double-balloon endoscopy for the diagnosis and treatment of small-intestinal diseases. Clin Gastroenterol Hepatol 2004; 2: 1010–1016.

4. May A, Nachbar L, Ell C. Double-balloon enteroscopy (push-and-pull enteroscopy) of the small bowel: feasibility and diagnostic and therapeutic yield in patients with suspected small bowel disease. Gastrointest Endosc 2005; 62: 62–70.

5. Heine GD, Hadithi M, Groenen MJ, et al. Double-balloon enteroscopy: indica-tions, diagnostic yield, and complications in a series of 275 patients with suspected small-bowel disease. Endoscopy 2006; 38: 42–48.

6. Ell C, May A, Nachbar L, et al. Push-and-pull enteroscopy in the small bowel using the double-balloon technique: results of a prospective European multi-center study. Endoscopy 2005; 37: 613–616.

7. Zhong J, Ma T, Zhang C, et al.: A retrospective study of the application on double-balloon enteroscopy in 378 patients with suspected small-bowel dis-eases. Endoscopy 2007; 39: 208–215.

8. Möschler, O, May, A, Müller MK, Ell C und die deutsche DBE-Studiengruppe. Ergebnisse des deutschen Registers für Doppelballonenteroskopie. Z Gastro-enterol 2007, in press.

9. Ell C, May A. Mid-gastrointestinal bleeding: capsule endoscopy and push-and-pull enteroscopy give rise to a new medical term. Endoscopy 2006; 38: 73–75.

Korrespondenzadresse:

PD Dr. Andrea May HSK Wiesbaden Ludwig-Erhard-Str. 100 65199 Wiesbaden Tel.: (06 11) 43-23 98 oder 43-0 Fax: (06 11) 43-24 18 E-Mail: [email protected]

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Kasuistik: 63-jähriger Patient mit chronischer Diarrhö und

Gewichtsverlust

K.D. Schmidt

II. Medizinische Klinik, Zentrum Innere Medizin, Klinikum am Bruderwald der

Sozialstiftung Bamberg

Seit 2000 rezidivierende Arthralgien mit Befall verschiedener Gelenke.

2004 auswärts Diagnose einer Sarkoidose (Histologie: epitheloidzellige Granulome)

aus einer Halslymphknoten-PE.

Stationäre Aufnahme wegen zunehmend wässriger Diarrhö (ca. 10 x pro 24 Stun-

den) und Gewichtsverlust von 8 kg innerhalb eines halben Jahres.

Anamnese und entsprechende Laborveränderungen führten zur Arbeitsdiagnose:

chronische Diarrhö unklarer Genese mit Malassimilationssyndrom.

Aktuelle Diagnostik: Thorax, Lactose-Atemtest, Sonografie, CT-Abdomen sowie

Gastroskopie und Koloskopie.

Das Thoraxbild ist unauffällig (kein Hinweis auf Lymphadenopathie), im H2-Atemtest

kein Nachweis eines Laktasemangels.

Sonografisch sowie im CT-Abdomen erweiterte Dünndarmschlingen sowie leicht

vergrößerte intraabdominelle Lymphknoten, vereinbar mit einer unspezifischen

Enteritis.

Endoskopisch fallen im Duodenum weißlich noduläre Schleimhautveränderungen auf

(Bild einer Lymphangiektasie; Abb. 1).

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Abb. 1: Endoskopischer Aspekt der Duodenalschleimhaut bei Diagnosestellung

Die Biopsien aus dem Duodenum ergeben eine hochgradige Infiltration der Mukosa

mit PAS-positiven Makrophagen (Abb. 2), somit Diagnose eines Morbus Whipple des

Duodenums mit hochgradigem Tropheryma-whipplei-Befall.

Abb. 2: Histologie der Duodenalbiopsie bei Diagnosestellung (PAS-positive Makro-

phagen)

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Die Diagnose wird bestätigt durch die PCR-Analyse der Duodenalbiopsien. Im

weiteren Staging ergibt auch die PCR-Analyse des Liquors einen positiven Nachweis

von Tropheryma-whipplei-DNA.

Es wird eine Therapie mit liquorgängigen Antibiotika (Ceftriaxon und Streptromycin)

für 14 Tage eingeleitet; anschließend antibiotische Dauertherapie mit Trimethoprim/

Sulfamethoxazol für 1 Jahr.

Kontrolluntersuchungen nach 3 (Abb. 3), 6 und 12 Monaten.

Abb. 3: Endoskopischer Aspekt der Duodenalschleimhaut bei Kontrolluntersuchung

(3 Monate nach Therapiebeginn)

Bereits bei der ersten Kontrolluntersuchung zeigt sich der Patient wieder in einem

guten Allgemeinzustand mit Normalisierung des Stuhlgangs und Gewichtszunahme

von 5 kg. Die Biopsien aus dem Duodenum zeigen über die Kontrollintervalle eine

Reduzierung der PAS-positiven Makrophagen.

Die abschließende PCR aus dem Liquor ist negativ, sodass von einer Heilung des

M. Whipple ausgegangen werden kann.

Der M. Whipple ist eine bakterielle schleichende Systemerkrankung, die unbehandelt

zum Tode führt. Insbesondere bei Erkrankungen mit chronischer Entzündungs-

konstellation und Gelenkbeschwerden muss an diese Erkrankung gedacht werden.

Sie gehört somit zu den klassischen Differenzialdiagnosen in der Gastroenterologie,

Rheumatologie, Hämatologie, Kardiologie und Neurologie.

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Die Prävalenz wird mit ca. 0,4 Neuerkrankungen pro 1 Million Einwohner angegeben.

Männer erkranken viermal häufiger als Frauen. Das Durchschnittserkrankungsalter

liegt bei 45–55 Jahren.

Bei M. Whipple gibt es noch viele ungeklärte Fragen zur Pathophysiologie und zum

Krankheitsverlauf, die Gegenstand der Forschung sind.

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Aktuelle Diagnostik und Therapie der Sprue

B. Lembcke

Medizinische Klinik, St. Barbara-Hospital, Gladbeck

Unter den Erkrankungen des Dünndarms sind als Hauptursachen für ein globales

Malassimilationssyndrom die ausgedehnte Resektion (Kurzdarmsyndrom), die ein-

heimische Sprue (= Zöliakie), die Lambliasis, der Morbus Whipple und die tropische

Sprue (schwere bakterielle Überwucherung mit partieller Zottenatrophie nach

Tropenaufenthalt) zu nennen.

Dabei beinhaltet die einheimische Sprue (die jetzt einheitlich auch bei erwachsenen

Patienten als Zöliakie angesprochen werden soll), eine facettenreiche Erkrankung,

die ihre originäre pathophysiologische Problematik im Dünndarm hat und daher eine

entsprechende Klinik aufweist. Bei subtiler oder subklinischer intestinaler Symptoma-

tik stehen aber mitunter durchaus auch andere, extraintestinale Symptome im

Vordergrund. Das (zeitgerechte) Erkennen einer Zöliakie hat für den betroffenen

Patienten eine dramatische Bedeutung, bedingt aber ärztlicherseits profunde

differenzialdiagnostische Kenntnisse und Erfahrungen. Neue methodische Entwick-

lungen haben jedoch den diagnostischen Zugang zu dieser Dünndarmerkrankung

deutlich verbessert.

Definition: Als einheimische Sprue (Zöliakie) wird die lebenslang persistierende

Unverträglichkeit des menschlichen Organismus gegenüber Gliadin, einer Fraktion

des sog. Klebereiweißes (Gluten) verstanden, die zu tief greifenden Störungen der

Morphologie und Funktion des Dünndarms führt. Charakteristisch, aber nur die

„Spitze des Eisbergs“, ist die Abflachung der Dünndarmmukosa im Sinne einer

totalen oder subtotalen villösen Atrophie (manifeste Sprue).

Diese klassische Definition der einheimischen Sprue umfasste also grundsätzlich

• den Nachweis der Zottenatrophie (duodenale Biopsie oder jejunale Dünn-

darmbiopsie) sowie

• den Nachweis des Ansprechens auf diätetischen Glutenentzug (klinische und

morphologische Besserung sowie Besserung der Funktionsparameter).

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Mit der Verfügbarkeit des Gewebstransglutaminase (tissue transglutaminase)-Anti-

körpers (IgA-t-TG-AK) wurde die Definition der Erkrankung dahingehend geändert,

dass es sich um eine durch Gluten ausgelöste, immunologisch vermittelte

Erkrankung handelt, deren Diagnose durch den serologischen t-TG-AK-Nachweis in

Verbindung mit einer positiven Dünndarmhistologie gestellt wird.

Der Begriff Sprue leitet sich vom holländischen Wort „sprouw“ (Aphthe, Bläschen) ab.

Hintergrund ist ein gehäuftes Vorkommen von oralen Aphthen bei Sprue-Patienten.

Pädiater bevorzugen den Begriff Zöliakie (abgeleitet aus dem griechischen Wort

„koilia“ für eine „den Bauch betreffende Erkrankung“), Gastroenterologen sprechen

von der einheimischen Sprue. Im anglo-amerikanischen Sprachgebrauch wird von

„celiac disease“ oder – salomonisch – von „celiac sprue“ gesprochen.

Der Begriff „einheimische Sprue“ grenzt die Erkrankung von der sog. „tropischen

Sprue“ ab, die Folge einer bakteriellen Überwucherung mit schwerem Vitamin-

(insbesondere Folsäure-)mangel ist und ebenfalls zu einer villösen Atrophie führen

kann, jedoch keinen Bezug zu einer Gluten- bzw. Gliadinunverträglichkeit aufweist.

Epidemiologie: Die Zöliakie weist als klinisch manifeste Erkrankung eine Prävalenz

von 50–100/100.000 auf; die Dunkelziffer ist dabei jedoch groß. In einigen Regionen

Europas (z. B. im Distrikt Galway in Irland) liegt die Häufigkeit bedeutend höher

(1:300); darüber hinaus sind eine sehr enge Assoziation mit der Dermatitis

herpetiformis Duhring sowie eine Häufung beim Diabetes mellitus Typ 1 (etwa 4%)

bekannt. Bei etwa 10% der Verwandten ersten Grades von Sprue-Patienten lässt

sich eine Zottenatrophie nachweisen. Ein HLA-DQ2- oder DQ8-positiver-Haplotyp ist

Voraussetzung, eine Zöliakie zu bekommen.

Diese Assoziationen zeigen, dass der Zöliakie a) eine genetische Komponente

zugrunde liegt und dass b) klinisch inapparente Formen vorkommen.

Unter Zugrundelegung der Gewebstransglutaminase-AK-Bestimmung (IgA-t-TG-AK;

Endomysium-Autoantikörper [EMA] als Indikator einer potenziellen Zöliakie) liegt die

Häufigkeit bei 1:150–300. Inwieweit dies jedoch eine klinisch bereits relevante Entität

darstellt, ist im Einzelfall unterschiedlich zu beurteilen. Da die frühkindliche

Ernährung (glutenreich vs. glutenarm) eine wesentliche Rolle für die Entwicklung

einer Zöliakie spielt, ist die Kenntnis einer potenziellen Sprue durchaus von

Bedeutung.

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Pathogenese: Die Permeabilität der intestinalen Mukosabarriere ist bei der einhei-

mischen Sprue erhöht. Ob dies Folge der Erkrankung oder eine genetisch bedingte

Voraussetzung für einen verstärkten antigenen Gliadineinstrom ist, lässt sich derzeit

nicht mit Sicherheit sagen. Sicher ist, dass das weitere Schicksal des vermehrt

aufgenommenen Gliadins dann im Zusammenspiel mit dem Enzym t-TG

(Gewebstransglutaminase) nach derzeitigem Kenntnisstand eine Schlüsselrolle in

der Pathogenese der Erkrankung innehat. Mit der Desamidierung des -Gliadins

durch die intestinale Gewebstransglutaminase entsteht ein Gliadin-t-TG-Komplex,

der als Neoepitop (Autoantigen) für autoreaktive B-Zellen fungiert und als „Sensitizer“

zu einer stärkeren T-Zellantwort aktivierter / -T-Zellen führt.

Als Target der Autoimmunantwort wird die intestinale Gewebstransglutaminase auch

in ihrer Funktion als Katalysator bei der Aktivierung des latenten Wachstumsfaktors

TGF- (transforming growth factor ) zu aktivem TGF- blockiert, wodurch die

Ausreifung des normalen Mukosaepithels ausbleibt, mithin das Sprue-typische Bild

der flachen Schleimhaut resultiert.

Diese klinisch für die Malassimilationssymptomatik relevante Läsion mit drastischer

Verminderung der Dünndarmoberfläche durch die Zottenatrophie, die auch den

Verlust der digestiven Enzyme im Mukosaepithel bedeutet, führt zu einer komplexen

Resorptionsstörung für Nahrungsstoffe, Vitamine und Spurenelemente und zu ent-

sprechenden Symptomen, z. B. der Kohlenhydratmaldigestion. Von besonderer

Bedeutung ist hierbei der Verlust der Laktaseaktivität (sekundärer Laktasemangel).

Andere Erkrankungen, bei denen es zu einer Abflachung der Mukosa kommen kann,

sind z. B. die Lambliasis, die HIV-Enteropathie, die Autoimmunenteropathie oder bei

Kindern eine Kuhmilchproteinintoleranz. Bei Kindern kann davon ausgegangen

werden, dass unter Glutenentzug spätestens nach 6 Monaten eine deutliche morpho-

logische Restitution zu beobachten ist.

Klinik: Beim Erwachsenen ist das klinische Bild bunter. Das Spektrum der Symptome

umfasst gastroenterologische und extraintestinale Beschwerden, die außerordentlich

vielgestaltig und damit uncharakteristisch sind. Entsprechend lang (im Mittel fast 10

Jahre) ist oft die diagnostische Latenz (Tabelle).

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Gastrointestinale und extraintestinale Symptome bei einheimischer Sprue

(n = 408).

P.G. Lankisch, A. Marinez Schramm, F. Petersen, M. Dröge, D. Lehnick,

B. Lembcke. Diagnostic latency in coeliac disease. Z. Gastroenterol. 1996; 34:

473–477.

• Diarrhö 92,4% Adynamie 82,3%

• Flatulenz 91,4% Knochenschmerz 52,9%

• Gewichtsverlust 84,0% Depression 48,0%

• Bauchschmerz 69,1% Myalgien 46,8%

• Übelkeit 49,7% Angstsyndrome 38,2%

• Stomatitis 40,9% Ödeme 31,1%

• Tenesmen 34,3% Exanthem 30,3%

• Obstipation 18,6% Dermatitis herpetiformis 14,9%

• Erbrechen 18,3%

Im Ultraschallbild imponiert bei unbehandelter Zöliakie ein besonderes dynamisches

Bild, das (nüchtern) einen vermehrten Flüssigkeitsgehalt des Dünndarms, darin

enthaltene größere echoreiche Reflexe (Luft, Nahrungspartikel), eine Vor- und

Zurück-Hypermotilität, eine Reduktion und Ungleichmäßigkeit der Kerckring’schen

Falten und eine ödematöse, weiche Verdickung der Jejunalwand beinhaltet. Dieses

charakteristische Bild ist 1992 als Waschmaschinenphänomen (Lembcke)

beschrieben und 1999 validiert worden. Daneben können eine Vermehrung

mesenterialer LK, eine Erhöhung des enddiastolischen Flusses der AMS, eine kleine

Milz und eine große Gallenblase beobachtet werden.

Bei der ÖGD wird gehäuft eine kleinwulstige Berandung der duodenalen Falten (sog.

Muschelkammphänomen/shell sign bzw. Corazza-Zeichen) gefunden, die aber nicht

spezifisch für die Erkrankung ist und andererseits auch fehlen kann.

Hauptproblem der Zöliakie-Diagnostik bei Erwachsenen ist es daher, „daran zu

denken“.

Diagnostik: Bei entsprechendem Verdacht sollte eine Bestimmung des IgA-t-TG-

Autoantikörpers erfolgen. Die Gliadin-Antikörperbestimmung ist beim Erwachsenen

nicht hinreichend diagnostisch zuverlässig. Ca. 10% der Zöliakie-Patienten weisen

allerdings einen IgA-Antikörpermangel auf, sodass in diesen Fällen nur der IgG-t-TG-

AK zielführend ist.

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Die Diagnose lässt sich bei positivem IgA-t-TG-AK zuverlässig durch tiefe, jenseits

der Papilla Vateri entnommene, multiple ( 4) Duodenalbiopsien sichern. Wichtiger

Aspekt ist die Quantifizierung der intraepithelialen Lymphozyten (IEL) durch den

Pathologen und die Graduierung der Mukosaläsion entsprechend der Einteilung nach

Marsh.

Der histologische Befund der endoskopisch durch Zangenbiopsien entnommenen

Duodenalmukosa ist weniger gleichförmig als im Biopsiematerial von Kindern, das

üblicherweise durch eine jejunale Saugbiopsie entnommen wird. Hier ist durch

Kapselendoskopie und Ballonenteroskopie mit jejunalen PE eine Verbesserung zu

erwarten. Der diagnostisch herausragende Wert dieser neuen Verfahren dürfte

jedoch in erster Linie die Erfassung von Langzeitkomplikationen (Adenokarzinom des

Dünndarms, ulzeröse Jejunitis DD intestinales T-Zell-Lymphom) betreffen. Der von

Corazza beschriebene endoskopische Aspekt bei der ÖGD (Muschelkammphäno-

men/shell-sign) ist nicht spezifisch und auch nicht hinreichend sensitiv, um

diagnostische Aussagen zu treffen, sollte jedoch in jedem Fall Anlass zu tiefen

Duodenalbiopsien sein.

Begleitend zur Diagnose der Sprue kann die detailliertere Erfassung nutritiver

Störungen und Komplikationen sinnvoll sein, wenn durch langjährigen Verlauf

Defizite klinisch relevant geworden sind (Vitaminmangel, Zn) oder Komplikationen

bestehen.

Die Therapie der einheimischen Sprue/Zöliakie mit einer glutenfreien Diät ist

notwendig, wirksam und ausreichend. „...but if the disease can be cured at all, it will

be by means of diet“ (Samuel Gee, 1888). Die diätetische Schulung ist condition sine

qua non in der Therapie der Zöliakie. Sie sollte kompetent und standardisiert

durchgeführt werden; hierfür existieren Schulungsmaterialien (DÄV). Überaus

sinnvoll ist zudem die Mitgliedschaft in der DZG (Deutsche Zöliakie-Gesellschaft), die

Betroffene und Angehörige mit aktuellen Informationen sowie Koch- und Küchentipps

versorgt und überdies Listen mit glutenfreien Nahrungsmitteln (und Tabletten) zur

Verfügung stellt.

Die glutenfreie Ernährung führt i. d. R. zu einer objektiv und subjektiv eindrucksvollen

Besserung der Beschwerden und des klinischen Gesamtbildes. 80% der Patienten

sprechen direkt auf die Therapie an, weitere 10–15% nach einer erneuten

Überprüfung der Ernährungsweise. Initial ist eine laktosearme Ernährung aufgrund

des sekundären Laktasemangels ratsam.

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Sog. refraktäre Sprue-Formen sind verdächtig auf die Entwicklung eines intestinalen

Lymphoms. Bei primär eindeutigem Ansprechen auf die glutenfreie Ernährung und

einer danach eintretenden Verschlechterung der Symptomatik trotz Diättreue ist

ebenfalls an die Entstehung eines intestinalen Lymphoms als Komplikation der

langjährig unbehandelten Sprue zu denken. Die meisten derartigen Enteropathie-

assoziierten T-Zell-Lymphome (EATCL) werden im Erwachsenenalter wenige

Monate bis Jahre nach Diagnosestellung der Zöliakie diagnostiziert. Die Prognose

des EATCL ist i. d. R. ungünstig und wird durch Chemotherapie und Operation nur

gering beeinflusst. Auch dies ist ein Grund für die Prävention durch eine strikt

glutenfreie Kost und eine möglichst frühe Diagnose.

Die strikt glutenfreie Ernährung muss lebenslang erfolgen. Eine Liberalisierung nach

der klinischen Symptomatik muss unterbleiben, da die glutenfreie Ernährung nicht

nur das Ziel der Symptomfreiheit verfolgt, sondern auch eine langfristige Prävention

des bei der Zöliakie deutlich erhöhten Malignomrisikos. Dabei ist das allgemeine

Karzinomrisiko etwa doppelt so hoch wie in der Normalbevölkerung; etwa 10–15%

der Sprue-Patienten entwickeln meist gastrointestinale Tumoren. Das relative Risiko

für intestinale Lymphome ist demgegenüber etwa 80–100-fach erhöht. Wie Lang-

zeitbeobachtungen (> 10 Jahre) zeigen, wird dieses Risiko durch eine konsequente

glutenfreie Ernährung völlig normalisiert, nicht jedoch durch eine zeitlich oder

inhaltlich inkonsequente Einhaltung einer „glutenfreien“ Diät.

Ob eine glutenfreie Ernährung auch für Patienten mit potenzieller Zöliakie (t-TG-AK-

positiv, unauffällige Mukosa) empfohlen werden soll, ist gegenwärtig nicht geklärt.

Wenn die Diagnostik aufgrund einer intestinalen Symptomatik erfolgte, die auf eine

Zöliakie zurückgeführt werden kann, dann kann dies ein zweckmäßiges Vorgehen

sein; bewiesen ist die Sinnhaftigkeit dieses Vorgehens nicht.

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Abb. 1: Einheimische Sprue, Marsh 3b

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Abb. 2: Ultraschallmuster bei einheimischer Sprue (a,b). Multiple echoarme rund-

liche mesenteriale Lymphknoten (2–7 mm) bei Enteropathie-assoziiertem T-Zell-

Lymphom als Komplikation der Zöliakie (c).

Korrespondenzadresse:

Prof. Dr. Bernhard Lembcke Medizinische Klinik St. Barbara-Hospital Katholische Kliniken Emscher Lippe Barbarastr. 1 45964 Gladbeck Tel.: (0 20 43) 2 78-55 01 Fax: (0 20 43) 2 78-55 09 E-Mail: [email protected]

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Funktionelle Darmbeschwerden: Rationelle Diagnostik und

Therapie

H. Koop

Klinik für Innere Medizin II – Gastroenterologie, HELIOS Klinikum Berlin-Buch, Berlin

Funktionelle Darmbeschwerden sind eine häufige gastroenterologische Diagnose bei

ca. 4–7 Millionen Betroffenen in Deutschland, allerdings nimmt nur ein Teil ärztliche

Hilfe in Anspruch. Eine Einteilung der verschiedenen Entitäten innerhalb des Krank-

heitsbildes wird mit den Rom-Kriterien versucht (gegenwärtig gültige Fassung sind

die Rom-III-Kriterien).

In der Diagnostik spielt eine subtile Anamnese eine zentrale Rolle: Sie muss neben

den Krankheitssymptomen auch die Medikamentenanamnese und das psycho-

soziale Umfeld berücksichtigen. Besonders ist auf Alarmsymptome („red flags“) wie

Gewichtsabnahme, Blut im Stuhl, Fieber, nächtliche Stuhlentleerungen etc. zu

achten, da sie eine sofortige, gezielte und intensive Diagnostik erfordern. Wichtig ist

für die Diagnosestellung auch die Frage nach Symptomen von anderen Organsys-

temen (skelettomuskuläres Systems, Puls, Rückenbeschwerden, Schlafstörungen,

Kopfschmerzen etc.) wie eine gründliche körperliche Untersuchung.

Zur Basisdiagnostik zählen labormedizinische Untersuchungen mit einem begrenzten

Spektrum (Blutbild, CRP, K, Ca, Albumin, TSH). Die Indikation zur Bestimmung der

t-Transglutaminase-Antikörper sollte großzügig erfolgen. Vielfach wird – zumindest

im Verlauf – eine Koloskopie unverzichtbar sein, insbesondere beim Reizdarm vom

Diarrhö-Typ. Auf Biopsien sollte dann nicht verzichtet werden (in 4–6% findet sich bei

normalem makroskopischen Befund eine lymphozytäre, mikroskopische oder kolla-

gene Kolitis).

Kontrovers wird beurteilt, ob H2-Atemtests mit Laktose bzw. Fruktose Teil der

obligaten Diagnostik darstellen. Nur wenn während des Tests, z. B. mit Laktose,

auch klinische Symptome auftreten, kann ein signifikanter Anstieg der H2-Exhalation

auch als klinisch relevant angesehen werden.

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In der Therapie spielt die Aufklärung eine zentrale Rolle, insbesondere in der

hausärztlichen Praxis. Zwar erfordert dieses „explain and re-assure“ Zeit und ein

gewisses Engagement des Arztes für diese Gruppe von Kranken, aber dieser Ansatz

führt zu einem geringeren sonstigen Ressourcen-Verbrauch inkl. Schonung des

Arzneimittelbudgets. Es ist wichtig, dem Patienten eine positiv formulierte Diagnose

zu vermitteln (z. B. „Sie haben ein Reizdarm-Syndrom“) und nicht die negativen

Untersuchungsbefunde zu thematisieren („Sie haben nichts...“), weil der Patient den

Nachsatz „... am Kolon/Darm, sondern es handelt sich um eine funktionelle Störung“

schon nicht mehr wahrnimmt; im Übrigen kann der Normalbürger allenfalls nach

eingehender Erörterung mit dem Begriff „funktionelle Störung“ etwas anfangen.

In der medikamentösen Behandlung kommt dem Plazebo-Effekt eine bedeutende

Rolle zu; dieser darf ohne Vorbehalte auch sinnvoll in der Therapie von Reizdarm-

Patienten einbezogen werden, ohne als unethisch abgekanzelt zu werden.

Diätetische Empfehlungen werden zwar häufig ausgesprochen, ihre Wirksamkeit ist

aber begrenzt.

Patienten haben meist große Erwartungen an eine medikamentöse Therapie, die so

nicht erfüllt werden können, denn viele häufig eingesetzte Pharmaka halten

bezüglich ihrer Wirksamkeit einer Beurteilung nach Kriterien der „evidence-based

medicine“ nicht stand. Andererseits werden Substanzen wie Antidepressiva

vermutlich zu selten eingesetzt. Dies beruht nicht zuletzt auf Vorbehalten der

Patienten, denen gezielt begegnet werden muss: Ihre Wirksamkeit ist belegt, und sie

sollten den Patienten nicht als Mittel gegen eine Depression, sondern als „pain

modifier“ vermittelt werden. Je nach dominierenden Symptomen kommen trizyklische

Antidepressiva (häufig in niedriger Dosierung; vor allem bei Diarrhö-dominanten

Krankheitsbildern) als auch SSRI infrage. Wichtig erscheint, den hohen Erwartungs-

druck auf die Wirksamkeit der Medikamente zu dämpfen.

In der Wahl möglicher Pharmaka sollte stets das Verhältnis von Wirksamkeit und

Nebenwirkungen im Auge behalten werden. Substanzen wie indischer Flohsamen,

aber auch Loperamid (bei Diarrhöen) bzw. Macrogol-haltige Substanzen (bei

Obstipation) haben gerade in dieser Hinsicht ein außerordentlich günstiges Profil.

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Schwere Fälle, die sich vor allem in tertiären Zentren konzentrieren, stellen eine

besondere therapeutische Herausforderung dar. In diesem Kollektiv ist nicht selten

eine begleitende Psychotherapie unerlässlich.

Wichtig für den langfristigen Umgang mit Patienten mit funktionellen Beschwerden

ist, sich bei Zweifeln der Patienten an der Diagnose nicht wieder in diagnostische

Exzesse zu flüchten, weil dieses Vorgehen die Zweifel nur noch weiter steigert, der

Behandler glaube seiner Diagnose nicht. Andererseits ist sorgfältig darauf zu achten,

dass bei Symptomwandel (insbesondere bei Patienten jenseits eines Alters von

50 Jahren) dann notwendige Diagnostik unnötig hinausgeschoben wird.

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Pathogenese chronisch entzündlicher Darmerkrankungen

S. Brand

Medizinische Klinik II, Klinikum der Universität München-Großhadern, München

Die Pathogenese chronisch entzündlicher Darmerkrankungen (CED) ist trotz

intensiver Forschung immer noch nicht völlig geklärt. Es wird angenommen, dass bei

genetisch prädisponierten Personen sowohl exogene Faktoren (z. B. Bakterien) als

auch endogene Faktoren (z. B. eine gestörte intestinale Barrierefunktion) eine

chronische Dysregulation der mukosalen Immunantwort verursachen, die durch

zusätzliche Umweltfaktoren weiter verstärkt werden kann. Als Ursache für CED wird

gegenwärtig insbesondere eine inadäquate Immunantwort auf die endogene

mikrobielle Darmflora angesehen. Die Immunantwort beim Morbus Crohn ist vor

allem durch eine verstärkte Bildung von proinflammatorischen Th1- und Th17-Zyto-

kinen wie IFN- , TNF- , IL-17A und IL-22 gekennzeichnet, während bei der Colitis

ulcerosa verstärkt Th2-Zytokine wie IL-4 und IL-13 gebildet werden.

Große Fortschritte wurden in den letzten Jahren bei der Aufklärung von CED-Sus-

zeptibilitätsgenen, insbesondere durch genomweite Assoziationsstudien, gemacht.

So wurden u. a. NOD2/CARD15, IL23R, ATG16L1, IRGM und SNPs in der

Chromosom-5p13.1-Region als genetische Risikomarker für den M. Crohn identifi-

ziert. Die bisher umfangreichsten Studien liegen zu dem 2001 identifizierten

M. Crohn-assoziierten Suszeptibilitätsgen NOD2/CARD15 in der Kopplungsregion

IBD1 auf Chromosom 16q12 vor. NOD2 ist an der Erkennung des bakteriellen

Peptidoglykans Muramyldipeptid (MDP) beteiligt, wodurch die Sekretion antimikro-

bieller Peptide wie z. B. Defensinen stimuliert wird. Durch die mit M. Crohn-

assoziierten NOD2-Mutationen kommt es zu einer verminderten MDP-induzierten,

normalerweise protektiv wirkenden Chemokin- und Defensinsekretion und damit zur

verminderten Epithelbarrierefunktion mit verstärkter bakterieller Exposition des

intestinalen Epithels. 3 Varianten des NOD2-Gens sind mit M. Crohn aber nicht mit

Colitis ulcerosa assoziiert. Neben einer Insertionsmutation (1007insC in Exon 11)

wurden Varianten in Exon 4 (R702W) und Exon 8 (G908R) gefunden. Insbesondere

homozygote Merkmalsträger der 1007fs-Mutation als auch heterozygote Merk-

malsträger für 1007fs und eine der anderen Mutationen (R702W oder G908R,

sogenannte „Compound“-Heterozygote) haben ein ca. 30–40-fach erhöhtes Risiko,

an einem M. Crohn zu erkranken. Allerdings sind nur etwa 4% der M. Crohn-

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Patienten homozygote Merkmalsträger für die 1007fs-Mutation. In der weltweit bisher

größten durchgeführten Genotyp-Phänotyp-Analyse von homozygoten Merkmals-

trägern für die 1007fs-Mutation konnten wir nachweisen, dass diese Patienten

signifikant häufiger einen ilealen Befall mit Stenosen und einen frühzeitigeren Krank-

heitsbeginn als Patienten mit Wildtyp-Allel haben.

Untersuchungen zum T280M-Polymorphismus für CX3CR1, dem Rezeptor für das

Chemokin Fractalkin, zeigten bei M. Crohn-Patienten, dass alle homozygoten Merk-

malsträger ebenfalls einen ilealen Befall und Stenosen aufwiesen. Damit über-

einstimmend konnten wir im Tierexperiment nachweisen, dass CX3CR1 essenziell

für die Aufnahme luminaler, bakterieller Antigene durch CX3CR1+ dendritische

Zellen im Ileum ist. Im Gegensatz dazu modulieren Mutationen im IL23R-Gen die

Expression des proinflammatorischen Th17-Zytokins IL-22, was deren Einfluss auf

die Krankheitssuszeptibilität des M. Crohn erklären könnte.

Zusammenfassend haben die genannten genetischen Marker, insbesondere das

Vorliegen einer Homozygosität für die 1007fs-NOD2/CARD15-Mutation, eine

wichtige Bedeutung für die diagnostische und prognostische Beurteilung von

Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, woraus sich auch

Implikationen für das therapeutische Management dieser Patienten ergeben.

Zusammenfassung: CED-Pathogenese

TregIL-10TGF-β

(2) Bakterien(1) Genetische Faktoren (z. B. CARD15/NOD2, IL23R, ATG16L1)

(1) Genetische Prädisposition(2) Bakterien(3) Phagozytose von Bakterien (4) Abwehr: Defensin(5) Epithelbarriere (6) Bakterielle Translokation(7) APC-Aktivierung

Th1/Th17: Morbus CrohnTh2-like: Colitis ulcerosa

(8) Proentzündliche Zytokine(9) Antientzündliche Zytokine(10) Entzündung und Toleranz-

verlust gegen kommensaleBakterien

EBI3

(3)

(5)(4)

(6)

(7)

(8)

(9)

IL-12IL-23IL-27IL-18

Th1IFN-γIL-1βTNF-α

Th2IL-5IL-13

TNF-α

Morbus Crohn Colitis ulcerosa

Th17IL-17AIL-17FIL-22IL-26

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Histopathologische Diagnostik und Differenzialdiagnostik der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen

G. Seitz

Institut für Pathologie, Klinikum am Bruderwald der Sozialstiftung Bamberg

Durch den zunehmenden Einsatz der Endoskopie wurde – wie für Tumore des

Gastrointestinaltrakts – auch die Diagnostik bei entzündlichen und insbesondere bei

chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) in frühere Krankheitsphasen

verlegt. Für die tägliche Diagnostik bedeutet dies, dass sowohl die Bilder in der

Endoskopie als auch in der Histologie nicht bzw. noch nicht typisch für eine CED

sind, und zudem anamnestische Angaben wenig hilfreich sind. Somit ist in frühen

Phasen einer CED die Abgrenzung von einer protrahiert abklingenden infektiösen

Kolitis bzw. Enterokolitis nicht zuverlässig möglich.

Erklärt werden kann dieses diagnostische Problem durch das ätiopathogenetische

Konzept „der gestörten Barriere“, das in den letzten Jahren zunehmend an Bedeu-

tung gewinnt. Demnach liegt den CED eher eine defiziente Immunantwort, denn ein

überschießendes Immunsystem zugrunde.

Hilfreich für die Differenzialdiagnostik dieser Fälle kann sein, dass beim Morbus

Crohn in über 60% der Fälle eine Beteiligung des oberen GI-Trakts auch bei

endoskopischem „Normalbefund“ nachzuweisen ist. Durch die Fortschritte in der

Gastritisdiagnostik (infolge des Helicobacter-Nachweises) ist es möglich, die Beteili-

gung von Magen- und Duodenalschleimhaut im Rahmen eines M. Crohn auch ohne

Nachweis von Riesenzellen und Epitheloidzellgranulomen sicher von anderen ent-

zündlichen Veränderungen abzugrenzen.

Da die Crohn-Gastritis nicht in das übliche „ABC der Gastritis“ passt, kann durch den

Nachweis einer diskontinuierlichen Entzündung in der Magenschleimhaut eine

Abgrenzung zum einen gegenüber der Colitis ulcerosa und zum anderen gegenüber

einem Infekt durchgeführt werden.

In einem Teil der Fälle ist die diskontinuierliche Gastritis auch der erste histologische

Hinweis auf das Vorliegen eines M. Crohn, bisweilen können diese Veränderungen

im oberen GI-Trakt der Manifestation eines M. Crohn im unteren GI-Trakt um

mehrere Jahre vorauseilen.

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Durch den breit gestreuten und frühen Einsatz der Endoskopie mit Biopsieentnahme,

haben die Pathologen inzwischen große Erfahrung in den differenzialdiagnostisch zu

erwägenden Kolitiden und können am Biopsiematerial die ischämische Kolitis, die

pseudomembranöse Kolitis, die NSAR-induzierte Kolopathie, etc. zuverlässig von

einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung abgrenzen.

Oftmals eine große diagnostische Herausforderung stellt auch die Unterscheidung

zwischen zufälligem Zusammentreffen von sporadischem Adenom und CED auf der

einen Seite und CED mit Kolitis-assoziierter intraepithelialer Neoplasie (sog. DALM)

dar. Die Unterscheidung ist essenziell, da die therapeutische Konsequenz sehr

unterschiedlich ist. Der Nachweis einer Kolitis-assoziierten Neoplasie kann die

Indikation zur totalen Proktokolektomie darstellen, während bei einem zufälligen

Zusammentreffen von Colitis ulcerosa und sporadischem Adenom eine Polypektomie

als therapeutische Maßnahme reicht.

Anfang der 90er-Jahre wurden von Stolte und Mitarbeitern Kriterien für die Diagnose

zwischen Adenom und Kolitis-assoziierter Neoplasie erarbeitet: Patienten mit Kolitis-

assoziierter Neoplasie sind signifikant jünger als Patienten mit Adenomen, zudem

liegen gehäuft multifokale Läsionen vor. Hilfreich in der Differenzialdiagnose ist

neben dem Patientenalter auch die Dauer der Kolitis, zudem sollte darauf geachtet

werden, dass die Untersuchung in der Remissionsphase erfolgt, um die Differenzial-

diagnose gegenüber reaktiven Kernveränderungen zu erleichtern.

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Aktuelle konservative Therapie von chronisch entzündlichen

Darmerkrankungen

M. Raithel

Funktionelle Gewebediagnostik, Gastroenterologie, Universitätsklinikum Erlangen-

Nürnberg

Beim Morbus Crohn und der Colitis ulcerosa gelten in den Leitlinien für die

Standardtherapie beim leichten bis mäßig schweren Schub 5-Aminosalicylate, beim

mäßig schweren bis hochaktiven Schub Kortikosteroide als die primär anzuwen-

denden Basistherapeutika. Während die Rolle der 5-Aminosalicylsäure (5-ASA) bei

der Colitis ulcerosa sowohl bei der Akut- als auch bei der Erhaltungstherapie gut

etabliert ist, liegen beim M. Crohn bezüglich der notwendigen Dosierung, der

verschiedenen galenischen 5-ASA-Verbindungen und ihrer Effektivität wider-

sprüchliche Daten vor. Es finden sich allerdings zunehmend Hinweise, dass die

antientzündlich wirkende 5-ASA ausreichend hoch (mindestens 3–4,5 g/Tag) dosiert

werden muss, um tatsächlich beim akuten Schub des M. Crohn eine klinische

Effektivität zu entwickeln (mittlere Remissionsraten 35–45%). Die Remissionsraten

einer 5-ASA-Behandlung können bei bestimmten Patientengruppen mit M. Crohn

durch die orale Anwendung von hypoallergenen Flüssigkostpräparaten (enterale

Ernährung mit Aminosäuren-, Oligopeptid- oder Polymerdiät) weiter gesteigert

werden. Die Kombination von 5-ASA und Ernährungstherapie bietet somit beim

mäßig aktiven Schub eine gute Alternative für systemisch wirksame Steroide.

Im Vergleich zu dem topisch wirksamen Steroid Budesonid erreicht die 5-ASA beim

M. Crohn eine geringere Remissionsrate (ca. 62% vs. 40%). Budesonid ist klinisch

jedoch nicht stärker als das klassische Standardsteroid Prednisolon (Remissions-

raten ca. 65–75%). Budesonid, das topisch wirksam ist, eignet sich aufgrund seiner

pharmakokinetischen Eigenschaften primär nur zur Behandlung der intestinalen

Befallsmanifestationen eines M. Crohn (hauptsächlich ileozökaler Befall oder

Lokaltherapie von Sigma und Rektum mit Klysmen). Beim Vorliegen von

extraintestinalen Krankheitserscheinungen sollten entweder systemisch wirksame

Steroide verabreicht oder – bei Steroidabhängigkeit – die klassischen Immunsup-

pressiva eingesetzt werden. Beim M. Crohn sind im chronisch aktiven Stadium,

refraktär auf Steroide und 5-ASA, Azathioprin und 6-Mercaptopurin angezeigt, bei

der Colitis ulcerosa Ciclosporin oder Tacrolimus.

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Beim derzeitigen Stand der Therapiestudien stellen Probiotika nur eine Therapie-

möglichkeit für die Erhaltungstherapie bei der Colitis ulcerosa mit dem E. coli-Nissle-

Präparat dar. Inwieweit andere Bakterienstämme und Prebiotika (z. B. Inulin,

Oligosaccharide) hier in Zukunft eine bedeutende Rolle erhalten werden, lässt sich

derzeit weder für den M. Crohn noch für die Colitis ulcerosa abschließend exakt

beurteilen.

Wenn die oben aufgeführten primären Therapiestrategien nicht erfolgreich sind,

können zusätzlich Antibiotika wie Metronidazol oder Ciprofloxacin als weitere

Therapeutika für den akuten, primär therapierefraktären Schub oder das chronische

anhaltende Fistelleiden herangezogen werden. Weitere konservative Therapie-

alternativen stellen bei der Therapieeskalation (Step-up-Prinzip) Methotrexat und

anti-TNF-Antikörper dar, die allerdings erst bei Unwirksamkeit der oben geschilderten

Standardtherapeutika aufgrund ihres höheren Nebenwirkungsspektrums zum Einsatz

kommen sollten.

Sofern bei einer deutlich erhöhten Krankheitsaktivität kein chirurgisches Vorgehen

geplant ist, empfiehlt sich als Reservetherapie in Zukunft die Anwendung von

verschiedenen anti-TNF-Antikörpern, alleine oder in Kombination mit Methotrexat,

Azathioprin oder 6-Mercaptopurin. Dies betrifft insbesondere die Therapie mit

Infliximab (monoklonaler chimärer IgG1-Ak), Adalimumab (humaner monoklonaler

IgG1-Ak) und möglicherweise bald auch Certolizumab (pegyliertes Fab-Ak-

Fragment). Während Infliximab (Zulassung für M. Crohn und Colitis ulcerosa sowie

für Kinder) eine rasche Wirksamkeit besitzt, diese aber aufgrund von Antikörper-

bildungen gegen Infliximab mittel- bis langfristig verlieren kann (humane anti-chimäre

Antikörper HACA) und damit auch Nebenwirkungen/Unverträglichkeiten assoziiert

sind, versprechen zukünftige anti-TNF-Ak (Adalimumab, Certolizumab) eine bessere

Verträglichkeit. Da sie subkutan applizierbar sind, wird damit auch mehr Freiheit für

die Anwendung durch den Patienten erreicht. Die Wirksamkeit aller 3 genannten

Anti-TNF-Antikörper, geprüft in einem an die ACCENT-II-Studie angelehnten

Studiendesign, liegt bei ca. 1-jähriger Beobachtungsdauer im Bereich von ca.

35–45% anhaltender Remission. Die hohen Kosten der Therapie mit anti-TNF-

Antikörpern und die fehlenden Kenntnisse über die möglichen Langzeitwirkungen

dieser Therapie (z. B. Autoimmunphänomene, Infektion, Immunsuppression etc.)

sollten bislang immer noch Anlass dazu sein, oben gezeigte primäre Therapie-

standards konsequent und hoch dosiert zu durchlaufen, ehe bei solchen therapiere-

fraktären Patienten die verschiedenen anti-TNF-Prinzipien zur Anwendung kommen.

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Ein primärer Beginn der Behandlung der chronisch entzündlichen Darmerkrankung

mit anti-TNF-Antikörpern (Top-down-Strategie) wird in Europa abgelehnt. Der

Vergleich zwischen der Step-up- und der Top-down-Strategie zeigte, dass nach

längerer Beobachtungsphase beide Therapieprinzipien für den Patienten ähnliche,

mäßig gute Ergebnisse erbrachten, sodass unter Berücksichtigung der

Nebenwirkungsraten der frühzeitige Einsatz von anti-TNF-Antikörpern zurückhaltend

beurteilt werden sollte.

Weitere Therapiealternativen für die Zukunft könnten die Apherese, Interleukin-12-

Antikörper, Mycophenolat-Mofetil oder Cyclophosphamid darstellen. Diese sind

derzeit nicht für die Routine zugänglich und sollten nur für kontrollierte Studien in

Zentren verwandt werden.

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Diagnostik von Fisteln

C. Pehl

Medizinische Klinik, Krankenhaus Vilsbiburg

Etwa jeder fünfte Patient mit Morbus Crohn erleidet im Krankheitsverlauf eine Fistel.

Bezüglich der Diagnostik ist zwischen enteralen Fisteln und den weitaus häufigeren

perianalen Fisteln zu unterscheiden. Die Entwicklung von enteralen Fisteln wird

begünstigt durch eine Stenosierung in Kombination mit einer – zumeist oral der

Stenose gelegenen – transmuralen Entzündung. Das Risiko für das Auftreten einer

perianalen Fistel steigt bei einem Crohn-Befall des Kolons und ist besonders hoch

bei einer Crohn-Proktitis.

Hinweise auf das Vorliegen einer enteralen Fistel können bereits Anamnese und

klinischen Untersuchung liefern. Luft und Stuhlabgang mit dem Urin sprechen für

eine enterovesikale Fistel. Differenzialdiagnostisch ist bei einer Frau an eine

rektovaginale Fistel zu denken. Eine enterokutane Fistel zeigt sich durch den Haut-

porus mit Sekretion von Darminhalt.

Die Diagnostik enteroenteraler Fisteln erfolgt mittels radiologischer Verfahren, aber

auch die Endoskopie und Sonografie können diagnostisch hilfreich sein. Endo-

skopisch sichtbare Fistelöffnungen sind selten so groß, dass eine Passage möglich

ist. Es kann jedoch versucht werden, den Porus mit einem ERCP-Katheter zu

sondieren und durch Kontrastmittel (KM)-Gabe die Fistel sowie die verbundenen

Darmregionen darzustellen. Bei den häufig schlanken Crohn-Patienten können

Fistelverläufe, insbesondere bei enterokutanen Fisteln, durchaus auch einmal

sonografisch exakt darstellbar sein.

Bei den radiologischen Verfahren sind die klassischen KM-Darstellungen (Entero-

klysma, Kolon-Kontrasteinlauf, Fistelfüllung) in der Crohn-Diagnostik weitgehend

zugunsten des Mehrzeilen-CT und des Kernspin (z. B. MR-Enteroklysmas) verlassen

worden. Die Differenzialindikation hängt weitgehend von den vorhandenen Geräten

und der radiologischen Expertise ab. Aufgrund des häufig jungen Alters der

betroffenen Patienten ist allerdings das Kernspin als Primärdiagnostikum zu

bevorzugen.

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Eine suffiziente Diagnostik perianaler Crohn-Fisteln ist nur möglich bei profunden

Kenntnissen der komplexen Anatomie im Bereich des Analkanals. Dabei sind die

anatomischen Unterschiede zwischen Mann und Frau zu beachten. Während die

Nicht-Crohn-Fisteln der Perianalregion nahezu immer von den Analkrypten

ausgehen, können die Crohn-Fisteln ihren Ursprung auch etwas „höher“ von einer

ulzerierenden Entzündung am anorektalen Übergang nehmen. Dadurch ist der

gesamte Fistelverlauf länger, und größere Bereiche des Sphinkterapparats werden in

Mitleidenschaft gezogen. Entsprechend wird bei den perianalen Crohn-Fisteln

vielfach zwischen „einfachen“ Fisteln und „komplexen“ Fisteln unterschieden. Die

einfachen Fisteln entwickeln sich kryptoglandulär, involvieren maximal die unteren

zwei Drittel des Sphinkterapparats und verlaufen als intersphinktäre oder trans-

sphinktäre Fisteln. Eine weitere Subklassifikation dieser Fisteln kann entsprechend

z. B. der Parks-Klassifikation von kryptoglandulären Fisteln erfolgen. Als komplex

bezeichnet man Crohn-Fisteln, die ihren Ursprung von einer ulzerösen Proktitis

nehmen, die Verzweigungen im Fistelverlauf (Sekundärgänge bis hin zu einem

Fuchsbaussystem der Gänge) aufweisen, die einen hufeisenförmigen Verlauf um

den Analkanal nehmen sowie Fisteln, die hohe Abschnitte der Analsphinkteren oder

den M. puborectalis durchbrechen.

An die Diagnostik der perianalen Crohn-Fisteln werden hohe Erwartungen gestellt.

Es sollen die innere Fistelöffnung, der exakte Fistelverlauf inklusive aller Sekundär-

gänge, mögliche Komplikationen wie Abszesse sowie die äußere Fistelöffnung

dargestellt werden. Zu Beginn der Diagnostik stehen die Inspektion (äußere Fistel-

öffnung? Abszess?), die rektale Untersuchung (tastbarer Fistelgang?) und die

Proktoskopie (innere Fistelöffnung? Crohn-Proktitis). Diese Untersuchungen müssen

bei einer perianalen Crohn-Fistel durch ein bildgebendes Verfahren ergänzt werden.

Hierzu sind, je nach lokaler Expertise, die Endosonografie und die Kernspin-

untersuchung geeignet. Vorteil der Endosonografie ist die rasche Verfügbarkeit, auch

im Operationssaal, und der Kostenvorteil. Vorteil des Kernspins ist die bessere

Auflösung im Fernbereich (Abszessdarstellung, extrasphinktäre Fisteln). Die Endo-

sonografie sollte bei Vorliegen einer äußeren Fistelöffnung als kontrastverstärkte

EUS durchgeführt werden. Hierbei wird über die äußere Fistelöffnung Wasserstoff-

peroxid (alternativ auch Echo-Kontrastmittel oder „aufgeschüttelte“ NaCl-Lösung)

instilliert. Dies führt zu einem starken Echosignal im Bereich der Fistelgänge und

erleichtert die Darstellung des Verlaufs, insbesondere das Vorliegen von

Sekundärgängen. Diese müssen, falls operative Maßnahmen in Betracht kommen,

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erkannt und operativ mitbehandelt werden, da es sonst zwanghaft zum Rezidiv

kommt.

Falls ein operatives bzw. kombiniert medikamentös-operatives Konzept in der

Therapie perianaler Crohn-Fisteln interdisziplinär geplant wurde, weist die Kombina-

tion eines bildgebenden Verfahrens (EUS und/oder MR) mit einer Narkose-

Proktoskopie durch einen erfahrenen proktologischen Chirurgen die höchste

Sensitivität in der Diagnostik auf. Dabei kann sich der Operateur auf die Spezifität

der EUS-/MR-Befunde verlassen bzw. muss die aufgezeigten Gänge alle aufsuchen

– auch wenn primär nicht tast- oder sondierbar – um ein Rezidiv zu vermeiden.

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Therapie der Fisteln bei Morbus Crohn

T. Ochsenkühn

CED-Zentrum, Medizinische Klinik II, Klinikum der Universität München-Großhadern,

München

Bisher wurden Fisteln beim Morbus Crohn als eigenständige extraintestinale

Komplikation betrachtet und entsprechend isoliert therapiert, da kausale Zusammen-

hänge mit Veränderungen im Darm nicht wahrgenommen wurden. Zum einen wurde

uns in den letzten Jahren jedoch bewusst, dass eine langfristige Sanierung der

Fisteln einer profunden und dauerhaften antientzündlichen Therapie bedarf und oft

mit chirurgischen Resektionen kombiniert werden muss. Zum anderen konnte vor

Kurzem gezeigt werden, dass Fisteln meist mit dem Auftreten von entzündlichen

oder fibrotischen Engstellen im Darm einhergehen, auch wenn keine offensichtlichen

Fistelverbindungen von der Enge zur Fistel vorzuliegen scheinen. Als Konsequenz

daraus wird eine Fisteltherapie daher in erster Linie aus einer Therapie des

luminalen M. Crohn bestehen, d. h., ist der luminale Befall saniert, sind in den

meisten Fällen auch die Fisteln saniert.

Vor der Behandlung von Fisteln sollte zunächst eine abdominale Schichtbildgebung

zur Abschätzung des Entzündungsumfangs im und um den Darm sowie im Fistel-

bereich durchgeführt werden. Abszesse, die sich hierbei häufig darstellen, müssen

punktiert und drainiert werden. Liegt eine schwere Entzündung vor, lohnt es sich

zunächst, eine voll parenterale Ernährung unter Antibiose einzuleiten, und damit eine

Entspannung der akut entzündlichen Situation herbeizuführen. Steroide, die mit einer

erhöhten perioperativen Morbidität und Komplikationsrate verbunden sind, sollten

hier nicht eingesetzt werden.

Im weiteren Verlauf kann dann die Diagnostik vervollständigt werden. Der Einsatz

der MRT-Enteroklysistechnik ist hierbei oft weiterführend, oft finden sich hier die

entzündlichen oder entzündlich-fibrotischen Darmsegmente. Wenn die Entzündung

im Vordergrund steht, lohnt sich der Einsatz von Infliximab. Wenn es auch hierunter

nicht zur Remission kommt, sollte eine operative Sanierung der Darmsegmente

überprüft werden. Kann hingegen die Remission erreicht werden, ist die Fortsetzung

der Infliximab-Therapie sinnvoll. Wenn der Patient vorher noch kein Azathioprin

erhalten hatte, kann dies dann rasch begonnen und ggf. nach 3 Monaten als

Monotherapie weitergeführt werden.

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Moderne chirurgische Therapie bei CED und Karzinom

G.A. Pistorius

Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie, Klinikum am Bruderwald der

Sozialstiftung Bamberg

Galt noch vor Jahren die primäre Ileozökalresektion als Therapie der Wahl bei der

Ileitis terminalis und die frühe Kolektomie als Standardtherapie bei der Colitis

ulcerosa, so hat sich durch zunehmende konservative Therapiemöglichkeiten das

OP-Spektrum bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen deutlich verändert.

So spielen auch in der primären Komplikationsbeherrschung die medikamentöse

Therapie und interventionelle Maßnahmen eine immer größere Rolle mit dem Ziel,

die Patienten frühelektiven Operationen zuführen zu können. Daher werden

zunehmend die Patienten erst später nach Versagen der konservativen Therapie

oder notfallmäßig bei nicht beherrschbaren Komplikationen zur Chirurgie vorgestellt.

Im Rahmen elektiver Eingriffe hat der Stellenwert der laparoskopischen und primär

kontinenzerhaltenden Operationen in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen.

So stellen die laparoskopische Dünndarmsegmentresektion, die laparoskopische

Ileozökalresektion oder aber auch die Kolektomie mit laparoskopisch assistiertem

ileoanalem Pouch heute etablierte Verfahren dar. Viele Daten sprechen für die

primäre Anlage eines ileoanalen Pouches bereits im Rahmen des Primäreingriffs bei

der Colitis ulcerosa. In der Notfallsituation und nach langfristiger konservativer

Therapie, insbesondere mit Infliximab, ist die perioperative Komplikationsrate erhöht,

die laparoskopischen oder primär kontinenzerhaltenden Operationen kommen daher

nur in Ausnahmen zur Anwendung.

Insbesondere bei diesen Patienten ist eine enge interdisziplinäre Abstimmung der

Therapie notwendig.

Kontrovers diskutiert wird bei der Colitis Crohn der Stellenwert der segmentalen

Kolonresektion versus der totalen Kolektomie in Bezug auf Rezidiv- und Reopera-

tionsrate. Hier gibt es aufgrund der vorliegenden Publikationen eine widersprüchliche

Datenlage.

Das Resektionsausmaß und prinzipielle chirurgische Vorgehen ist in der Therapie

kolorektaler Karzinome seit Jahren unstrittig. Die Kontroverse über den Stellenwert

der laparoskopischen Resektion beim Karzinom ist noch nicht beigelegt. Unstrittig ist,

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dass prinzipiell unter onkologischen Gesichtspunkten bei entsprechender Erfahrung

des Operateurs die laparoskopische Resektion der konventionellen gleichwertig sein

kann. Die Vorteile innerhalb der ersten postoperativen Phase sind deutlich

unbedeutender und geringer geworden, seit mit Einführung des Fast-track-Konzepts

eine intensivere Auseinandersetzung mit der präoperativen Vorbereitung, der

postoperativen Schmerztherapie, Mobilisation und Kostaufbau stattgefunden hat.

Anhaltend ist die Diskussion um das optimale Vorgehen bei synchronen Leber-

metastasen in vollem Gange. Das Spektrum reicht von der primären Leberresektion

im Rahmen der Kolon/Rektumresektion über Lokalablation und Resektion im Intervall

bis zur Chemotherapie als „Test-of-time“ und zweizeitige Resektion. Aktuell wird aber

auch die Leberresektion als Primäreingriff bei kleinem Primarius und die Kolon/

Rektumresektion im Intervall diskutiert.

Da auch durch die etablierte neoadjuvante Radiochemotherapie beim

Rektumkarzinom die kontinenzerhaltenden Resektionen zugenommen haben, kommt

der postoperativen Funktion (Kontinenz) besondere Bedeutung zu. Hier haben sich

als Ergänzung zur direkten kolorektalen Anastomose verschiedene Pouchkon-

struktionen etabliert. Bei kleinen Karzinomen kommen lokalen Therapien wie der

Vollwandexzision oder der transanal-endoskopischen Resektion (= transanal

endoskopisch mikrochirurgische Abtragung, TEM) zunehmend Bedeutung zu. Auch

die alleinige Radiochemotherapie wird von einigen Autoren diskutiert. Bei ausge-

wählten Patienten, insbesondere mit hohem Alter und hoher Komorbidität stellt auch

die lokale supraanale Tumordestruktion eine Palliativmaßnahme dar, die auf längere

Sicht einen Anus praeter vermeiden hilft.

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Aktuelle Chemotherapie beim kolorektalen Karzinom

R.-M. Zippel

Medizinische Klinik II, Zentrum Innere Medizin, Klinikum am Bruderwald der

Sozialstiftung Bamberg

Darmkrebs ist nach Angaben der Gesellschaft für epidemiologische Krebsregister in

Deutschland e.V. heute die zweithäufigste Krebserkrankung für Männer und Frauen.

Die jährliche Rate an Neuerkrankungen beträgt über 70.000, die relative 5-Jahres-

Überlebenszeit liegt bei 56%.

Die Chemotherapie beim kolorektalen Karzinom hat ihren Standort im interdiszipli-

nären Behandlungskonzept. Für die systemische Behandlung stehen zum einen

Zytostatika wie 5-Fluorouracil, Mitomycin C, orale Fluoropyrimidine wie Capecitabin

und Uracil plus Tegafur, Irinotecan und Oxaliplatin zur Verfügung. Zum anderen sind

in den letzten 5 Jahren 3 monoklonale Antikörper für die Behandlung des Darm-

krebses zugelassen worden: Cetuximab und Panitumumab gegen den epidermalen

Wachstumsfaktor von Darmkrebszellen (EGFR) sowie Bevacizumab gegen den

vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor (VEGF), der die Gefäßneubildung von

Tumoren und die Metastasierung fördert.

Mit den genannten Substanzen lassen sich die Remissionsraten (ORR), das

progressionsfreie Überleben (PFS) und das Gesamtüberleben (OS) bei metastasier-

tem Darmkrebs verbessern.

Bei der aktuellen Chemotherapie kolorektaler Karzinome stellen sich heute folgende

Fragen:

Ist es sinnvoll, mehrere Substanzen zu kombinieren? Für die adjuvante

Chemotherapie des Kolonkarzinoms im Stadium III nach UICC hat die MOSAIC-

Studie diese Frage insofern beantwortet, als die Kombination von 5-Fluorouracil und

Oxaliplatin einen signifikanten Vorteil im krankheitsfreien Überleben (DFS) und

Gesamtüberleben (OS) gegenüber der Monotherapie mit 5-Fluorouracil zeigen

konnte.

Wie ist die optimale Therapiesequenz? Die CAIRO-Studie zeigte zwar einen

signifikanten Vorteil des Ansprechens bei der primären Kombinationstherapie im

Vergleich zur sequenziellen Gabe der Einzelsubstanzen, der Unterschied im

Gesamtüberleben des metastasierten kolorektalen Karzinoms, der primäre Endpunkt

der Studie, ließ jedoch keine Signifikanz erkennen. Für die Therapieabfolge der

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Schemata FOLFOX FOLFIRI gegenüber FOLFIRI FOLFOX zeigt sich ebenfalls

kein Unterschied.

In der Ära der verfügbaren monoklonalen Antikörper hat die EORTC (European

Organisation of Research and Treatment of Cancer) eine Leitlinie für die sequen-

zielle Chemotherapie herausgegeben, die u. a. eine Nicht-Unterlegenheit von

verschiedenen Kombinationstherapien bei Darmkrebs aufzeigt.

Wie ist die optimale Therapiedauer beim kolorektalen Karzinom? Für die adjuvante

Chemotherapie gelten derzeit 6 Monate als Standard. In der metastasierten Situation

konnte z. B. die OPTIMOX-Studie in der Deeskalation (Pause von Oxaliplatin)

zumindest keinen Nachteil gegenüber einer gleichbleibenden Dauertherapie mit

Oxaliplatin beweisen.

Wie lauten die Therapieziele bei Darmkrebs? Die Überlebensvorteile der adjuvanten

Chemotherapie beim Kolonkarzinom Stadium III UICC gegenüber der Beobachtung

nach Operation sind aufgrund der Datenlage mehrerer Studien abgesichert. Für das

fortgeschrittene Rektumkarzinom konnte die neoadjuvante Radiochemotherapie eine

Reduktion der Lokalrezidivrate gegenüber der alleinigen Beobachtung nach

Operation von 35% auf 6% erzielen, gegenüber der adjuvanten Radiochemotherapie

von 11% auf 6%.

Aggressive Chemotherapiekombinationen wie z. B. FOLFIRINOX oder eine

Kombination von FOLFIRI mit Cetuximab (CRYSTAL-Studie) können die

R0-Resektionsrate primär irresektabler Lebermetastasen erhöhen.

Zusammenfassend müssen die verfügbaren Medikamente in der aktuellen Chemo-

therapie beim kolorektalen Karzinom sinnvoll eingesetzt werden, laufende Studien

sollen weitere Verbesserungen erzielen. Selbstverständlich ist ein interdisziplinäres

Konzept in der Behandlung des Darmkrebses zu fordern, wie es z. B. in der

regelmäßig stattfindenden Tumorkonferenz mit Gastroenterologen, Onkologen,

Chirurgen, Strahlentherapeuten, Radiologen und Pathologen realisiert werden kann.

Dennoch bleibt letztlich die jeweilige Therapieentscheidung in Anlehnung an

Leitlinien für den Patienten individuell, sie muss sich auch nach Kriterien wie

biologisches Alter, Komorbidität, psychosozialer Status und der Lebensplanung des

Krebspatienten richten.

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Interdisziplinäre Darmkrebszentren: Fortschritt oder notwen-

diges Übel

C. Pox

Medizinische Universitätsklinik, Knappschaftskrankenhaus, Bochum

Jährlich erkranken in Deutschland über 70.000 Patienten an Darmkrebs, etwa 27.000

versterben an den Folgen der Erkrankung. Durch den Einsatz neoadjuvanter und

adjuvanter Verfahren sowie optimaler chirurgischer Techniken ist eine Verbesserung

des krankheitsfreien Überlebens möglich. Des Weiteren existiert eine S3-Leitlinie der

AWMF, in der klare Empfehlungen zu Diagnostik und Therapie des kolorektalen

Karzinoms gegeben werden. Daten legen jedoch nahe, dass einem nicht unerheb-

lichen Anteil der Patienten eine leitliniengerechte Therapie vorenthalten wird.

Die Etablierung von zertifizierten Darmkrebszentren durch die Deutsche

Krebsgesellschaft (DKG) wurde als eine Möglichkeit gesehen, die in der S3-Leitlinie

zum kolorektalen Karzinom formulierten Empfehlungen umzusetzen. Hierdurch soll

die Versorgungsqualität der Darmkrebspatienten nachhaltig verbessert werden. Der

Begriff Darmkrebszentrum ist nicht geschützt und daher keine Garantie für eine

optimale Behandlung. Eine externe Zertifizierung nach festgelegten Kriterien durch

speziell ausgebildete Fachexperten soll im Unterschied hierzu eine objektive

Beurteilung der Behandlungsqualität gewährleisten.

Ein Darmkrebszentrum ist interdisziplinär aufgebaut und umfasst klinische und

ambulante Kernleistungserbringer: Gastroenterologen, Viszeralchirurgen, Onko-

logen, Strahlentherapeuten, Pathologen und Radiologen. Es kann sich auf einen,

aber auch auf mehrere Standorte verteilen. Eine facharztkompetente Vertretung

muss gewährleistet sein, sodass an jedem Standort jeweils 2 Kernleistungserbringer

erforderlich sind. Hinzu kommen wichtige Supportbereiche wie Psychoonkologen,

Palliativtherapeuten, Sozialarbeiter und Selbsthilfegruppen. Für die einzelnen

Bereiche eines Darmzentrums wurden in einem Anforderungskatalog der DKG

(abrufbar unter www.onkozert.de) Voraussetzungen als Qualitätsmerkmale definiert.

So müssen pro Zentrum und Jahr mindestens 400 Koloskopien und

100 Polypektomien nachgewiesen werden. Pro operativem Standort wurden

50 kolorektale Karzinomoperationen inkl. 20 Operationen von Rektumkarzinomen

definiert. Pro Operateur müssen pro Jahr 25 kolorektale Karzinomoperationen und

10 Rektumkarzinomoperationen durchgeführt werden. Onkologisch müssen

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wenigstens 50 Patienten chemotherapeutisch in adjuvanter, neoadjuvanter oder

palliativer Intention versorgt werden. Darüber hinaus sind erforderlich: ein QM-Sys-

tem mit schriftlicher Hinterlegung von Abläufen und Verfahrensanweisungen (in der

Regel in Form eines Qualitätshandbuchs), eine einheitliche Dokumentation, ein

Tumordokumentationssystem sowie ein QM-Beauftragter an jedem Standort eines

Zentrums.

Die Zertifizierung der Darmkrebszentren erfolgt durch „Onkozert“, die offizielle

Zertifizierungseinrichtung der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG). Für die Zertifi-

zierung wurde von der DKG ein „Erhebungsbogen für Darmkrebszentren“

veröffentlicht, der über die Homepage von der DKG und Onkozert abgerufen werden

kann und Grundlage für die Zertifizierung darstellt. Die im Rahmen der Zertifizierung

erforderliche Begehung (Auditierung) vor Ort erfolgt durch speziell ausgebildete und

geprüfte Fachexperten, die von der DKG ernannt werden. Voraussetzung für eine

Zertifizierung durch die DKG ist neben der Erfüllung aller im Erhebungsbogen

genannten Kriterien eine QM-Zertifizierung der beteiligten Bereiche z. B. nach DIN

ISO oder KTQ. Sofern diese noch nicht vorhanden ist, erfolgt zeitgleich zur

Überprüfung der fachlichen Anforderungen eine Begehung durch einen Auditor einer

QM-Zertifizierungsstelle.

Das Konzept der Darmkrebszentren hat mittlerweile eine erfreuliche Akzeptanz

erreicht. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind im Auftrag der DKG 52 Zentren

zertifiziert worden, wodurch etwa 10% aller Patienten mit der Erstdiagnose Dick-

darmkrebs in einem Darmzentrum operiert werden. Eine Umfrage der zertifizierten

Zentren hat ergeben, dass diese mit dem Zertifizierungsprozess zufrieden sind. Als

wesentliche Bereicherung wird die klar strukturierte interdisziplinäre Zusammenarbeit

gesehen. Inwieweit durch die Strukturen und Abläufe in einem Darmzentrum die zu

erwartende verbesserte Ergebnisqualität erreicht wird, werden die Ergebnisse der

jährlich stattfindenden Überwachungsaudits zeigen. Für eine flächendeckende

Versorgung werden jedoch mindestens 250 Zentren erforderlich sein.

Korrespondenzadresse:

Dr. Christian Pox Medizinische Klinik Ruhr-Universität Bochum Knappschaftskrankenhaus In der Schornau 23–25 44892 Bochum [email protected]

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Anschriften der Referenten und Vorsitzenden

PD Dr. S. Brand Medizinische Klinik II Klinikum der Universität München-GroßhadernMarchioninistr. 15 81377 München

Dr. M. Götz I. Medizinische Klinik Johannes-Gutenberg-Universität Langenbeckstr. 1 55131 Mainz

Prof. Dr. H. Koop Klinik für Innere Medizin II GastroenterologieHELIOS Klinikum Berlin-Buch Schwanebecker Chaussee 50 13125 Berlin

Prof. Dr. B. Lembcke Medizinische Klinik St. Barbara Hospital Katholische Kliniken Emscher Lippe Barbarastr. 1 45964 Gladbeck

PD Dr. A. May Innere Medizin II HSK Dr. Horst Schmidt Klinik Ludwig-Erhard-Str. 100 65199 Wiesbaden

PD Dr. T. Ochsenkühn CED-Zentrum Medizinische Klinik II Klinikum der Universität München-GroßhadernMarchioninistr. 15 81377 München

PD Dr. C. Pehl Medizinische Klinik Kreiskrankenhaus Vilsbiburg Krankenhausstr. 2 84137 Vilsbiburg

Prof. Dr. G.A. Pistorius Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie Klinikum am Bruderwald der Sozialstiftung Bamberg Buger Str. 80 96049 Bamberg

Dr. C. Pox Medizinische Klinik Ruhr-Universität Bochum Knappschaftskrankenhaus In der Schornau 23–25 44892 Bochum

Prof. Dr. M. Raithel Funktionelle Gewebediagnostik, GastroenterologieMedizinische Klinik I mit Poliklinik Universitätsklinikum Ulmenweg 18 91054 Erlangen

Prof. Dr. M. Sackmann Medizinische Klinik II Zentrum Innere Medizin Klinikum am Bruderwald der Sozialstiftung Bamberg Buger Str. 80 96049 Bamberg

Dr. K.D. Schmidt Medizinische Klinik II Zentrum Innere Medizin Klinikum am Bruderwald der Sozialstiftung Bamberg Buger Str. 80 96049 Bamberg

Prof. Dr. G. Seitz Institut für Pathologie Klinikum am Bruderwald der Sozialstiftung Bamberg Buger Str. 80 96049 Bamberg

Prof. Dr. H. Weis Bamberger Str. 20a 96049 Bamberg

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Dr. R.-M. Zippel Medizinische Klinik II Zentrum Innere Medizin Klinikum am Bruderwald der Sozialstiftung Bamberg Buger Str. 80 96049 Bamberg