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GED Studie Mehr Unterstützung für Handel und Globalisierung durch ein Sicher- heitsnetz Internationale Studie 2018: Einstellungen zum Handel

GED Studie Mehr Unterstützung für Handel und ... · China (1002)1, Indien (1013), Indonesien (1004), Mexiko (1025), Russland (1007) und die Türkei (1046). Für den amerikanischen

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GED Studie

Mehr Unterstützung für Handel und

Globalisierung durch ein Sicher-

heitsnetz

Internationale Studie 2018: Einstellungen zum Handel

und zur Globalisierung

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Mehr Unterstützung für Handel und Glo-

balisierung durch ein Sicherheitsnetz

Internationale Studie 2018: Einstellungen zum Handel

und zur Globalisierung

Kontakt

Dr. Christian Bluth

Projektleiter

Global Economic Dynamics

Bertelsmann Stiftung

Telefon 05241 81-81329

Fax 05241 81-681329

[email protected]

www.bertelsmann-stiftung.de

Titelbild: Shutterstock/Olga Danylenko

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Handelsumfrage | Seite 3

Inhalt

1 Zusammenfassung .......................................................................................... 4

2 Einleitung ......................................................................................................... 5

3 Umfragedesign ................................................................................................. 7

4 Bedürfnis nach einem Sicherheitsnetz.......................................................... 8

4.1 Quellen der Unzufriedenheit ........................................................................................................ 8

4.2 Unzufriedenheit mit der Regierung, aber nicht mit der Globalisierung......................................12

4.3 Schwache Konjunkturaussichten ..............................................................................................15

5 Generelle Aufgeschlossenheit gegenüber Globalisierung und

Freihandel ....................................................................................................... 17

5.1 Meinungen zur Globalisierung ...................................................................................................17

5.2 Einstellungen zu Handel und Investitionen ...............................................................................20

6 Gewinner und Verlierer der Globalisierung ................................................ 27

7 Beliebte und unbeliebte Handelspartner ..................................................... 29

8 Fazit ................................................................................................................. 31

9 Literaturhinweise ........................................................................................... 32

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Seite 4 | Handelsumfrage

1 Zusammenfassung

Angesichts der Zunahme von protektionistischen Reflexreaktionen und einer am Rande des Handelskriegs be-

findlichen Welt ging es in dieser Studie der Bertelsmann Stiftung darum, in zwölf entwickelten und aufstrebenden

Volkswirtschaften der Welt direkt bei den Menschen selbst nachzufühlen, wie sie zum Handel und zur Globalisie-

rung stehen. Wie das Ergebnis zeigt, sind die Einstellungen generell positiv und übertreffen die verschiedenen

Quellen an Unzufriedenheit, die bei der Umfrage deutlich wurden.

In den Schwellenländern waren 64 Prozent der Meinung, dass die Globalisierung einen positiven Einfluss hat. In

den Industrieländern ist die Anzahl der Befürworter der Globalisierung mit einer Mehrheit von 44 Prozent nach

wie vor hoch. Dort sind 25 Prozent der Meinung, dass sie negative Auswirkungen habe. Die Zustimmung zu ver-

stärktem internationalen Handel ist sogar noch größer: In den aufstrebenden Volkswirtschaften sind 73 Prozent

der Meinung, dass der Handel gut für ihr Land ist, ein Wert, der sich mit den 69 Prozent in den Industrieländern

fast deckt. Indien und Indonesien sind unter den aufstrebenden Volkswirtschaften jene Länder mit der meisten

Zustimmung für den Handel, und unter den entwickelten Volkswirtschaften sind es Kanada und das Vereinigte

Königreich. Die Türkei und Frankreich sind die skeptischsten Länder in Bezug auf den internationalen Handel.

Den Befragten zufolge profitieren insbesondere Wachstum, Unternehmen, Verbraucher, Produktpreise und die

Arbeitsplatzschaffung von Globalisierung und Handel.

Die Studie verweist aber auch auf einige Quellen der Unzufriedenheit, die ernst genommen werden sollten. Die

Skepsis der Menschen in Bezug auf Globalisierung und Handel bezieht sich im Allgemeinen auf die Auswirkun-

gen auf die Sicherung von Arbeitsplätzen, Lohnerhöhungen und die Produktqualität. Während ausländische

Direktinvestitionen generell wohlgesonnen bewertet werden, werden Übernahmen von inländischen Unterneh-

men durch ausländische Investoren nicht als vorteilhaft angesehen. Ein wichtiges Ergebnis der Studie ist, dass

sich viele von ihrer Regierung nicht ausreichend vor den negativen Begleiterscheinungen der Globalisierung ge-

schützt fühlen: in den entwickelten Volkswirtschaften sind das 49 Prozent (gegenüber 27 Prozent, die sich

angemessen geschützt fühlen), und in den aufstrebenden Volkswirtschaften fühlen sich zwar 50 Prozent ausrei-

chend geschützt, die große Minderheit von immerhin 40 Prozent jedoch nicht.

Bei der Studie wurden die Teilnehmer auch nach ihren am meisten/am wenigsten bevorzugten Handelspartnern

befragt. Japan und Deutschland führen die Liste der Länder an, mit denen Handelsbeziehungen von Vorteil wä-

ren. China ist an oberster Stelle der Liste der am wenigsten bevorzugten Handelspartner. Auf ähnliche Weise

sollten die Befragten auch auflisten, welches Land/welche Region ihrer Meinung nach am meisten von der Globa-

lisierung profitiert oder darunter leidet. Die USA werden als Gewinner der Globalisierung wahrgenommen, eng

gefolgt von China. Afrika führt die Liste der Verlierer an, bezeichnenderweise gefolgt von den USA an zweiter

Stelle.

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Handelsumfrage | Seite 5

2 Einleitung

Der Konsens, dass Handel gut ist, kann nicht mehr als selbstverständlich betrachtet werden. Im nationalen oder

internationalen politischen Umfeld ist das gegenseitige Engagement für den Handel und für eine Schöpfung der

Vorteile aus der Globalisierung kaum noch zu spüren. Im Gegenteil, Handelspolitik und Globalisierung sind natio-

nal und international zu einem politischen Schlachtfeld geworden. Am 22. März 2018 verhängte Präsident Trump

schließlich Strafzölle auf Stahl- und Aluminiumimporte in die USA und drängte damit die Welt an den Rand eines

Handelskriegs. Und es war Trumps harte Anti-Handels- und Anti-Globalisierungs-Rhetorik, die im Präsident-

schaftswahlkampf gegenüber einer eher freihandelsorientierten Hillary Clinton den Ausschlag gab. Die Skepsis

gegenüber dem Handel, die ihn ins Amt trieb, beschränkt sich jedoch nicht auf die Vereinigten Staaten. Das am

meisten vom Handel profitierende Deutschland musste im Zuge seiner TTIP-Debatte im Jahr 2016 mit ansehen,

wie der öffentliche Konsens über den Handel in sich zusammenfiel. Die Ministerkonferenz der Welthandelsorga-

nisation (WTO) in Buenos Aires im Dezember 2017 endete sogar ohne eine gemeinsame abschließende

Erklärung. All diese Beispiele vermitteln die gleiche Botschaft: Wenn die Ansicht, dass Handel gut ist, nicht mehr

verbreitet ist, werden protektionistische Ideen attraktiver.

Diese Studie in zwölf Schwellen- bzw. Industrieländern über die Einstellungen zum Handel und zur Globalisie-

rung folgte dem Ziel, genauer zu erfassen, wie es der Bevölkerung damit geht. Wie denken die Menschen über

Handel und Globalisierung? Durch welche Kräfte werden protektionistische Ideen geschürt? Und gibt es einen

Hinweis darauf, was getan werden müsste, um das Vertrauen in den internationalen Handel wieder herzustellen?

Das Ergebnis war ein sehr nuanciertes Bild. Generell stehen die Menschen dem Handel und der Globalisierung

positiv gegenüber. Beide werden als gut für das Wachstum, für Arbeitsplätze und die Verbraucher betrachtet, und

diese Wahrnehmung ist stärker als erwartet (siehe Abbildung 1). Aber im Rahmen dieser Studie sind auch einige

Quellen der Unzufriedenheit deutlich geworden. Die Bevölkerung ist besorgt, dass Globalisierung und Handel

soziale Ungleichheiten verstärken, Löhne unter Druck setzen und die Arbeitsplatzsicherheit gefährden. Ganz we-

sentlich ist, dass die Menschen mit dem von ihren Regierungen gebotenen Schutz vor den negativen

Begleiterscheinungen der Globalisierung unzufrieden sind. Da die Regierungen keine ausreichende Absicherung

bieten, wenden sich die Menschen protektionistischen Ideen zu. Sie möchten ihr Land aber nicht generell vom

Rest der Welt isolieren. Der Konsens, dass durch den Handel die Vorteile der Globalisierung genutzt werden kön-

nen, ist geschwächt, aber er besteht immer noch. Die Bevölkerung will keine Isolation, aber sie wünscht sich

Schutz auch abseits von Grenzen und Zöllen. Sie will sich nicht hinter einer („großen und schönen“) Wand ver-

stecken, sondern wünscht sich eine Globalisierung mit Sicherheitsnetz.

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Seite 6 | Handelsumfrage

Abbildung 1: Generelle Einstellung zur Globalisierung.

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Handelsumfrage | Seite 7

3 Umfragedesign

Im Auftrag der Bertelsmann Stiftung wurde von YouGov eine statistisch repräsentative Online-Umfrage in zwölf

Ländern weltweit durchgeführt. Dabei wurden insgesamt 14.831 Personen befragt. Die Umfrage umfasst folgende

Industrieländer (Stichprobengröße in Klammer): Kanada (1010), Frankreich (1038), Deutschland (2037), Japan

(1003), das Vereinigte Königreich (2041) und die USA (1155) sowie folgende aufstrebende Volkswirtschaften:

China (1002)1, Indien (1013), Indonesien (1004), Mexiko (1025), Russland (1007) und die Türkei (1046). Für den

amerikanischen Teil der Studie wurden am 23.02.2016 insgesamt 1126 Bürger befragt. Die Umfrage wurde vom

30. Januar bis 14. Februar 2018 durchgeführt. Die Fragen in beiden Umfragen waren überwiegend deckungsgleich,

mit Ausnahme einiger länderspezifischer Fragen (beispielsweise über TPP in den USA). In allen Ländern wurden

die gleichen Fragen gestellt, ausgenommen einiger weniger länderspezifischen Fragen. Alle Fragebögen wurden

den Befragten in der jeweiligen offiziellen Landessprache vorgelegt. Die Abbildungen zeigen den ungewichteten

Durchschnitt für die entwickelten und aufstrebenden Volkswirtschaften. Die geschlossenen Fragen lassen sich

groß in vier Themenkomplexe eingliedern:

Die Untersuchung differenziert die Befragten nach sozioökonomischen Kriterien, was eine detaillierte Analyse der

Ergebnisse möglich macht.

In dieser Studie wird auf zwei frühere Studien aus den Jahren 2016 bzw. 2014 Bezug genommen. Die Studie von

2016 2 wurde ebenfalls von YouGov durchgeführt. Es wurde die gleiche Methodik verwendet, aber nur Deutschland

und die USA abgedeckt. Die frühere, mithilfe des Pew Research Centre durchgeführte Studie3 basierte auf einer

Telefonumfrage und nicht auf einem Online-Fragebogen. Anders als bei der YouGov-Umfrage handelt es sich hier

nicht um eine Online-, sondern eine Telefonumfrage. In den USA wurden die Fragen sowohl auf Englisch als auch

auf Spanisch gestellt. In den USA wurden die Fragen auf Englisch bzw. auf Spanisch gestellt. Sowohl im deutschen

als auch im amerikanischen Teil der Pew-Studie wurden ca. 1000 Teilnehmer befragt. Sowohl im deutschen als

auch im amerikanischen Teil der Pew-Studie wurden ca. 1.000 Teilnehmer befragt.

In beiden Studien, der YouGov-Umfrage und der Pew-Studie, wurden die Ergebnisse nach bekannten demogra-

phischen Diskrepanzen gewichtet. Das Vertrauensintervall bei den YouGov-Umfragen liegt bei +/- 2,2

Prozentpunkten bei einer Grundgesamtheit von knapp 2000 Personen und bei +/- 3,1 Prozentpunkten bei einer

Grundgesamtheit von knapp 1000 Personen. Diese Zahlen beziehen sich auf die jeweilige Gesamtumfrage, je-

doch nicht auf sozioökonomische Teilproben.

1 In China wurde den Befragten nur eine begrenzte Anzahl von Fragen vorgelegt. 2 Bertelsmann Stiftung (2016) 3 Pew Research Centre (2014)

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Seite 8 | Handelsumfrage

4 Bedürfnis nach einem Sicherheitsnetz

4.1 Quellen der Unzufriedenheit

Insgesamt ist die Einstellung gegenüber Globalisierung und Handel positiv. Dies steht jedoch im Widerspruch zu

einigen Quellen der Unzufriedenheit, zu denen vorrangig die Sorge vor einer zunehmenden sozialen Ungleich-

heit, einer Gefährdung der Arbeitsplatzsicherheit, einem Druck auf Löhne sowie vor ausländischen Übernahmen

zählt (siehe Abbildungen 2-6).

Das Gefühl, die Globalisierung würde die soziale Ungleichheit erhöhen, wurde in der gesamten Stichprobe deut-

lich, unabhängig davon, ob es sich um Industrie- oder Schwellenländer handelte (Abbildung 2). Die Antworten auf

diese Frage stimmen mit den Vorhersagen der Handelstheorie und empirischen Beobachtungen überein. Der

internationale Handel verringert die bei der Entlohnung der Produktionsfaktoren in den Ländern bestehende

Kluft.4 So kommt es zu geringeren Ungleichheiten zwischen den Länderdurchschnitten, aber die Ungleichheit in-

nerhalb der Länder nimmt zu. Das wird auch von empirischen Beobachtungen untermauert.5

Bemerkenswert ist, dass in den USA und Großbritannien – zwei Ländern mit relativ hohen Ungleichheiten unter

den Industrieländern – dieser Behauptung kaum zugestimmt wird. In diesen Ländern ist jedoch die Unsicherheit

über die Auswirkungen der Globalisierung auf die soziale Ungleichheit besonders ausgeprägt. Interessanterweise

wird im Vereinigten Königreich die Behauptung, dass die Globalisierung soziale Ungleichheiten verstärke, von

den Befragten mit niedrigem Einkommen am wenigsten unterstützt.

Was die globalisierungsbedingte Lohnentwicklung betrifft, sind die Antworten in den Industrie- und Schwellenlän-

dern zweigeteilt. Während in den Schwellenländern die Mehrheit der Meinung ist, dass die Globalisierung

tatsächlich zu Lohnerhöhungen beiträgt, wird diese Hypothese in den Industrieländern von der Mehrheit bestrit-

ten. Bei empirischen Untersuchungen wurde eine klare Verbindung zwischen Handel und positiven

Lohnentwicklungen festgestellt.6 Dessen ungeachtet spiegeln diese unterschiedlichen Auffassungen über die

Wohlfahrtseffekte der Globalisierung historische Erfahrungen wider: Während die Rolle der Globalisierung in

Schwellenländern bei der Schaffung von Wirtschaftswachstum und Bekämpfung der Armut leicht zu beobachten

war, bemerkten viele in den Industrieländern eine Stagnation ihrer Gehälter in den ersten Jahrzehnten des Jahr-

tausends. Daher ist es nicht überraschend, dass die Befragten in Indien und Indonesien besonders positiv

antworteten, während Deutschland zu den Ländern mit der negativsten Einstellung gehört, was die lange Stagna-

tion der Reallöhne widerspiegelt.

Die Meinung zur Sicherung von Arbeitsplätzen ähnelt der zur Lohnentwicklung: In den aufstrebenden Volkswirt-

schaften herrscht die Meinung vor, dass die Globalisierung zur Arbeitsplatzsicherheit beiträgt, während auf die

Industrieländer das Gegenteil zutrifft. Diese Ansichten sind unabhängig von der Gehaltsgruppe der Befragten in

fast allen Ländern verbreitet, d. h., weder reichere noch ärmere Staatsangehörige unterscheiden sich in ihren An-

sichten über die Auswirkungen der Globalisierung auf die Arbeitsplatzsicherheit.

In den meisten Ländern werden Übernahmen inländischer Unternehmen durch ausländische Investoren (Abbil-

dung 5) negativ bewertet, und das trotz der Tatsache, dass Auslandsdirektinvestitionen (ADI) im Allgemeinen als

positiv wahrgenommen werden. Die einzige Ausnahme von diesem allgemeinen Muster ist Indien, wo die Mehr-

heit meint, dass der Erwerb von lokalen Firmen durch ausländische Unternehmen für Indien eine positive Sache

ist. Dies könnte auf die Hoffnung zurückzuführen sein, dass ausländische Investoren Management-Know-how

4 Stolper und Samuelson (1941) 5 Z. B. Barro und Sala-i-Martin (1992) 6 Bertelsmann Stiftung (2014)

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Handelsumfrage | Seite 9

einbringen und die Effizienz steigern. Die deutschen Befragten gehören zu denjenigen, die die ausländischen

Käufe am negativsten bewerten.

Diese Quellen der Unzufriedenheit sind nicht ohne Konsequenzen. Sie wecken vor allem den Wunsch nach mehr

Schutz vor ausländischen Wettbewerbern. Wie in Abbildung 6 zu sehen ist, befürwortet in allen Umfrageländern

die Mehrheit einen stärkeren Schutz vor ausländischen Wettbewerbern. Interessanterweise ist dieses Gefühl in

den Industrieländern weniger ausgeprägt als in den aufstrebenden Volkswirtschaften.

Abbildung 2: Globalisierung erhöht die soziale Ungleichheit.

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Seite 10 | Handelsumfrage

Abbildung 3: Globalisierung hat keine positive Auswirkung auf die Löhne.

Abbildung 4: Globalisierung wirkt sich nicht positiv auf die Arbeitsplatzsicherheit aus.

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Handelsumfrage | Seite 11

Abbildung 5: Auslandsübernahmen werden nicht positiv bewertet.

Abbildung 6: In allen Ländern der Umfrage besteht der Wunsch nach stärkerem Schutz vor ausländischen Wett-

bewerbern.

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Seite 12 | Handelsumfrage

4.2 Unzufriedenheit mit der Regierung, aber nicht mit der Globalisierung

Aus dieser Umfrage ergeben sich zwei scheinbar widersprüchliche Erkenntnisse: Eine generell positive Bewer-

tung von Handel und Globalisierung bei gleichzeitigem Bedarf an mehr Schutz auch aufgrund von Sorgen über

manche negative Auswirkungen der Globalisierung. Der Schlüssel zur Zusammenführung dieser scheinbar wider-

sprüchlichen Ergebnisse ist in Abbildung 7 dargestellt. Die Frage war, ob die Bürger der Ansicht sind, ihre

jeweiligen Regierungen würden genug tun, um sie vor den negativen Auswirkungen der Globalisierung zu schüt-

zen. In den Industrieländern sind durchschnittlich 49 % der Befragten der Meinung, dass ihre Regierung nicht

genug unternimmt, um sie vor den negativen Auswirkungen der Globalisierung zu schützen – gegenüber nur

27 % der Befragten, die mit den Maßnahmen ihrer Regierung zufrieden sind. Das Bild, das sich in den Schwel-

lenländern zeigt, ist etwas positiver: Hier sind zwar 50 Prozent mit ihren Regierungen zufrieden, die große

Minderheit von 40 Prozent jedoch nicht. Dieser hohe Prozentsatz und die hohe Unsicherheit in den Industrielän-

dern deuten darauf hin, dass sich ein großer Teil der Bevölkerung von ihrer Regierung unzureichend betreut fühlt.

Welche Erklärung gibt es für diese Unzufriedenheit mit der Regierung? Um diese Frage zu beantworten, wurde

die Anzahl derjenigen, die sich von ihren Regierungen unzureichend geschützt fühlen, mit der Anzahl der Befrag-

ten in Beziehung gesetzt, die der Ansicht sind, dass sich die Globalisierung durch die oben genannten Kanäle

negativ auswirken würde (siehe Abb. 8-10). Diesen Korrelationen zufolge wiegt die Arbeitsplatzsicherheit beson-

ders stark, wenn es um die Unzufriedenheit mit dem Schutz der Regierung vor negativen Auswirkungen geht

(Abbildung 9 unten). Darüber hinaus fallen der Koeffizient und die Regressionsanpassung bei der Meinung, dass

die Globalisierung nicht zu Lohnerhöhungen beiträgt (Abbildung 8 unten), nur etwas geringer aus, sodass dies

zusammen mit der Arbeitsplatzsicherheit als weiterer wichtiger Erklärungsfaktor angesehen werden kann. Es

währe naheliegend, einen Zusammenhang zwischen dem hohen Bedarf an stärkerem Protektionismus gegen-

über ausländischen Wettbewerbern und dem Grad an Unzufriedenheit mit dem tatsächlichen Schutz der

Regierung zu vermuten. Es ist jedoch wichtig festzuhalten, dass keine statistisch signifikante Korrelation zwi-

schen dem Eindruck des unzureichenden Schutzes durch die Regierung und der Überzeugung, dass es mehr

Schutz vor ausländischen Wettbewerbern bedarf, festgestellt werden konnte (Abbildung 10 unten). Bei den Län-

dern, in denen am stärksten mit einer Beschränkung der ausländischen Konkurrenz sympathisiert wird, zeigt die

Abbildung 10 sehr unterschiedliche Unzufriedenheitsraten mit dem Schutz, den die Regierung bietet. Somit liegt

darin kein wesentliches Erklärungspotenzial. Umgekehrt gibt es keine starke Korrelation zwischen der Unzufrie-

denheit mit dem Schutz der Regierung vor negativen Auswirkungen und dem Beharren darauf, dass der Handel

schlechte Auswirkungen hat. In den hier präsentierten Zahlen besteht eine Korrelation zwischen der Anzahl der

Menschen, die mit dem von ihren Regierungen gebotenen Schutz unzufrieden waren, und dem Prozentsatz der

Menschen, die den Auswirkungen der Globalisierung auf Löhne und die Arbeitsplatzsicherheit pessimistisch ge-

genüber stehen. Wird dagegen der Prozentsatz derjenigen, die mit dem Schutz ihrer Regierung zufrieden sind,

und derjenigen, die über die Auswirkungen der Globalisierung positiv denken, miteinander in Beziehung ge-

bracht, tritt ein ganz anderes Ergebnis zutage. In den Ländern, in denen sich die Bürger von ihren Regierungen

besser gegen negative Auswirkungen geschützt fühlen, ist die Unterstützung für den Handel höher.7 Daher kann

mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die Quelle der Unzufriedenheit nicht in der Globalisierung oder

im Handel zu suchen ist, sondern in der unbefriedigenden Rolle, die die nationalen Regierungen einnehmen.

In Bertelsmann (2017) wurde argumentiert, dass bei den meisten Industrieländern die Verbindung zwischen der

Handelsoffenheit eines Landes und der Dimension seines Wohlfahrtsstaates mit der Zeit schwächer geworden

ist. Damit einhergehend wurde auch der hinter dem Handel stehende soziale Konsens aus zwei Gründen ero-

diert:

1. Der Handel erhöht die allgemeine Wohlfahrt, weil er dem Land ermöglicht, sich auf jene Sektoren zu spe-

zialisieren, in denen es einen komparativen Kostenvorteil gegenüber seinen Mitbewerbern hat. Diese

7 Abbildungen auf Anfrage erhältlich.

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Handelsumfrage | Seite 13

Spezialisierung umfasst Verlegungen von Arbeitnehmern von einem Sektor in einen anderen, was in der

Realität oft mit (vorübergehender) Arbeitslosigkeit zusammenfällt.

2. Bei einer offeneren Wirtschaft ist es wahrscheinlicher, dass sie von externen Schocks betroffen ist – z. B.

einem Rückgang der Auslandsnachfrage als Folge einer Finanzkrise in einem großen Exportmarkt oder

einem sprunghaften Anstieg der Energiepreise. Die Wachstumsraten in den offeneren Volkswirtschaften

neigen daher dazu, volatiler zu sein.

Beide Faktoren implizieren die Notwendigkeit eines starken sozialen Sicherheitsnetzes, das die Bürger eines

Landes vor den negativen Begleiterscheinungen der Globalisierung und des Handel schützt. Sobald sich die

Menschen richtig abgesichert fühlen, ist es einfacher, einen sozialen Konsens über die Vorteile des Handels zu

erreichen und zu bewahren.

Abbildung 7: Unzufriedenheit mit dem von der jeweiligen Regierung gebotenen Schutz.

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Seite 14 | Handelsumfrage

Abbildung 8: Korrelation zwischen Befragten, die mit dem von ihrer Regierung gebotenen Schutz vor negativen

Auswirkungen unzufrieden sind, und Befragten, die glauben, dass die Globalisierung nicht zu Lohnerhöhungen

beiträgt.

Abbildung 9: Korrelation zwischen Befragten, die mit dem von ihrer Regierung gebotenen Schutz vor negativen

Auswirkungen unzufrieden sind, und Befragten, die glauben, dass der Handel nicht zu mehr Arbeitsplatzsicher-

heit beiträgt.

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Handelsumfrage | Seite 15

Abbildung 10: Korrelation zwischen Befragten, die mit dem von ihrer Regierung gebotenen Schutz vor negativen

Auswirkungen unzufrieden sind, und Befragten, die glauben, dass mehr Schutz vor ausländischen Wettbewer-

bern erforderlich ist.

4.3 Schwache Konjunkturaussichten

Die Finanzkrise von 2008 belastete die Konjunkturaussichten für längere Zeit. Viele Länder, insbesondere in Eu-

ropa, taten sich schwer, wieder zu ihrem Wachstumspfad vor der Krise zurückzukehren. Aber nahezu alle Länder

dieser Umfrage konnten nun zu Wachstumsraten zurückfinden, die denen vor der Krise ähneln. Russland zeigt

die niedrigsten Wachstumsraten auf, aber selbst diesem Land ist es gelungen, nach einer Rezession im Jahr

2015 zu einem positiven Wirtschaftswachstum zurückzukehren. Indien übertrifft den Rest der Stichprobe und

wächst jetzt sogar schneller als China. Indonesien erfährt ebenfalls ein starkes Wachstum. Aber trotz dieser kla-

ren Fundamentalfaktoren zeigen die Antworten auf diese Umfrage, dass viele die aktuelle wirtschaftliche

Situation nicht positiv bewerten. Generell wird in Deutschland angenommen, dass sie besonders gut sei, wo eine

große Mehrheit der Befragten die Lage der Wirtschaft positiv beschreibt. Auch die USA zeigen ein überwiegend

positives Meinungsklima. Frankreich ist unter den Industrieländern das Land mit den negativsten Ansichten. Was

die Schwellenländer betrifft, sind die Inder besonders positiv eingestellt, während Mexikaner und Türken ihre wirt-

schaftliche Situation negativ sehen. In letzteren beiden Ländern sind die Wachstumsraten etwas

zurückgegangen, aber von einem hohen Niveau aus. Somit überrascht ein solcher Pessimismus über die Wirt-

schaftslage.

Das Meinungsbild zum wirtschaftlichen Ausblick ist gespalten. Einige Länder haben eindeutig positive Erwartun-

gen, was die Zukunft betrifft. Dabei führen Indien, Indonesien und Russland die Liste an. Die US-Bürger sind

ebenfalls ziemlich optimistisch. In vielen Ländern dominiert jedoch eine gespaltene oder sogar ausgesprochen

negative Aussicht in die Zukunft. Dies gilt wieder für Mexiko und die Türkei, aber auch für Japan, Frankreich und

das Vereinigte Königreich. Japan ist in dem Zusammenhang eine Überraschung, da das Wachstum zuzunehmen

und die lange Stagnation endlich zu Ende zu gehen scheint.

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Seite 16 | Handelsumfrage

Abbildung 11: Antworten auf die aktuelle wirtschaftliche Situation in den jeweiligen Ländern.

Abbildung 12: Antworten auf den wirtschaftlichen Ausblick in den jeweiligen Ländern.

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Handelsumfrage | Seite 17

5 Generelle Aufgeschlossenheit gegenüber Globalisierung und Frei-

handel

Obwohl sie oft synonym verwendet werden, sind Globalisierung und Handel keine identischen Begriffe. In der

Frage, die der Abbildung 1 zugrunde liegt, wurde von der Studie der Begriff „Globalisierung“ in weiterem Sinn de-

finiert: „Mit dem Wort Globalisierung wird die zunehmende Bewegung von Produkten, Ideen, Geld,

Arbeitsplätzen, Kultur und Menschen auf der ganzen Welt beschrieben.“ Daher ist es sinnvoll, sich den Einstel-

lungen zu Globalisierung und Handel im Folgenden in zwei verschiedenen Unterabschnitten zuzuwenden.

5.1 Meinungen zur Globalisierung

Ein Teil der Meinungen zur Globalisierung ist in den Abbildungen 13-16 dargestellt, darunter auch die Auffas-

sung, die Globalisierung würde sich negativ auf die soziale Ungleichheit, das Lohnwachstum und die

Arbeitsplatzsicherheit auswirken. Generell ist die Meinung der Befragten zur Globalisierung jedoch nicht negativ:

Wie aus Abbildung 1 hervorgeht, wird sie als positiv wahrgenommen – eine Ansicht, die sich in vielen anderen

Kategorien widerspiegelt.

Wie Abbildung 13 deutlich zeigt, wird die Globalisierung als Chance für Wachstum wahrgenommen. Diese An-

sicht findet sich in allen Ländern der Stichprobe. Frankreich, die Türkei und Russland sind in diesem Punkt

weniger optimistisch als andere, dort betrachtet aber immer noch eine Mehrheit die Globalisierung als Chance.

Ebenso ist es nicht überraschend, dass die Globalisierung als gut für die Schaffung von Arbeitsplätzen angese-

hen wird. Das ist die mehrheitliche Auffassung in allen Ländern außer Frankreich (Abbildung 14). Das steht nicht

unbedingt im Widerspruch dazu, dass die Globalisierung teilweise als negativ für die Arbeitsplatzsicherheit be-

trachtet wird: Während für viele die Schaffung von Arbeitsplätzen aufgrund neuer Geschäftsmöglichkeiten auf der

Hand liegt, führen zunehmende Spezialisierung und Wettbewerb zu einer stärkeren Verlagerung von Arbeitsplät-

zen, was die Wahrnehmung einer geringeren Arbeitsplatzsicherheit verstärkt.

Es wird häufig argumentiert, dass die Vorteile der Globalisierung für die Verbraucher oft übersehen werden. Die

Antworten der Befragten sind ein Beleg dafür, dass diese These falsch ist. Wie Abbildung 15 zeigt, teilt die Mehr-

heit der Befragten in allen Ländern die Ansicht, dass Produkte durch die Globalisierung billiger werden.

Interessanter sind jedoch die in Abbildung 16 dargestellten Antworten auf die Frage, ob die Globalisierung die

Produktqualität erhöhe. Hier ist das Bild differenzierter: Während in den meisten Schwellenländern eine Mehrheit

diese Aussage unterstützt, ist das Meinungsbild der Befragten in den entwickelten Volkswirtschaften entweder

gespalten oder tendiert zu einer eher negativen Sichtweise. Diese Ergebnisse sind besonders überraschend, da

sie der empirischen Fachliteratur widersprechen, die zu dem Ergebnis kam, dass viele Verbesserungen der Kon-

sumentenwohlfahrt durch den Freihandel eine bessere Qualität zugrunde liegt.8 Das lässt sich am ehesten durch

die unterschiedlichen Produktstandards erklären. Durch den internationalen Wettbewerb werden die Schwellen-

länder dazu gezwungen, ihre Produktstandards zu verbessern, um weltweit wettbewerbsfähig zu sein. Es gibt

jedoch immer wieder Berichte von Produkten minderer Qualität, die in Industrieländer importiert werden, was zu

der Ansicht führt, dass die allgemeinen Standards ausgehöhlt würden.

8 Z. B. Berlingieri, Breinlich und Dhingra (2016)

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Seite 18 | Handelsumfrage

Abbildung 13: Globalisierung hat positive Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum.

Abbildung 14: Globalisierung wirkt sich positiv auf die Beschäftigung aus.

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Handelsumfrage | Seite 19

Abbildung 15: Globalisierung wirkt sich positiv auf die Produktpreise aus.

Abbildung 16: Die Auswirkungen der Globalisierung auf die Produktqualität werden gemischt wahrgenommen.

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5.2 Einstellungen zu Handel und Investitionen

Ähnlich wie zu den Auswirkungen der Globalisierung wurde nach den Ansichten über die Auswirkungen von Han-

del und Investitionen gefragt. Auch hier finden sich generell positive Einstellungen, wie aus den Abbildungen 17-

27 ersichtlich ist. Die Abbildungen 17 und 18 befassen sich mit den allgemeinen Auswirkungen des Handels und

seine spezifischen Auswirkungen auf die Wirtschaft. Beide werden durchweg positiv wahrgenommen. Die Türkei

ist in dieser Stichprobe als skeptischste Nation in Bezug auf den Handel hervorgegangen – was auch in beiden

Abbildungen wiedergegeben ist. Allerdings sind auch die Franzosen nicht von den positiven Auswirkungen des

Handels auf ihre Wirtschaft überzeugt. Bei den Antworten zu den Auswirkungen des Handels auf Unternehmen

zeigt sich wieder ein homogeneres – und stark positives – Bild (Abbildung 19). Bemerkenswert sind auch die er-

neut sehr positiven Rückmeldungen in Bezug auf die Auswirkungen des Handels auf den allgemeinen

Lebensstandard – nur in Frankreich ist die Mehrheit der Meinung, der Handel sei in dem Fall eine schlechte Sa-

che. Wir sehen auch sehr positive Rückmeldungen (Abbildung 22) hinsichtlich der Schaffung von Arbeitsplätzen.

Daraus geht deutlich hervor, dass die Befragten trotz ihrer in anderen Teilen der Umfrage geäußerten Besorg-

nisse generell keine negativen Ansichten über den Handel hegen. Die Menschen wollen Handel betreiben und

die Vorteile daraus nutzen, wünschen sich aber eine bessere Absicherung vor negativen Nebenwirkungen.

Die allgemeine Akzeptanz des Handels zeigt sich besonders stark in den Antworten, die Abbildung 23 zugrunde

liegen: Freihandelsabkommen werden von einer großen Mehrheit (außer in Frankreich) gutgeheißen. Dazu zäh-

len Deutschland und die USA, wo sich erst kürzlich eine negative öffentliche Meinung zu Handelsabkommen –

zum TPP im Falle der USA und zum TTIP im Fall von Deutschland – herausgebildet hat. In Abbildung 24 wird

daher die Entwicklung der öffentlichen Meinung zum Handel in beiden Ländern genauer betrachtet. Darin wird

der starke Rückgang der öffentlichen Unterstützung für den Handel in Deutschland im Zuge der TTIP-Debatte im

Jahr 2016 deutlich sichtbar – aber auch, dass die öffentliche Zustimmung seitdem wieder zugenommen hat. Die

USA scheinen sich auf einem entgegengesetzten Kurs zu befinden: Die Zustimmung zum Handel ist jetzt, nach

einem besonders hohen Level im Jahr 2016, deutlich gesunken. Interessanterweise zeigt sich in den USA kein

Anstieg der negativen Ansichten über den Handel, folglich hat die öffentliche Debatte vor allem die Unsicherheit

erhöht. Als jedoch die Bürger der drei NAFTA-Länder – Kanada, Mexiko und die USA – befragt wurden, ob ihr

Land von einem NAFTA-Austritt profitieren könnte, wurde das in Kanada und in Mexiko entschieden verneint,

während sich die öffentliche Meinung in den USA gespalten zeigte. Dort befürwortet nur eine geringe Mehrheit

den Austritt aus dem NAFTA.

Weiters wurden die britischen Teilnehmer zu ihren Erwartungen in Bezug auf die Auswirkungen des Brexits auf

die Wirtschaft befragt (Abbildung 27). Hier ist das öffentliche Meinungsbild gespalten – fast ebenso viele erwarten

positive Effekte wie negative Effekte. Die knappe Mehrheit bei den positiven Auswirkungen liegt noch innerhalb

der Fehlermarge dieser Umfrage.

In den internationalen Debatten über die wirtschaftliche Rolle Deutschlands seit der Eurokrise spielte der Leis-

tungsbilanzüberschuss eine herausragende Rolle. Wie Abbildung 28 zeigt, ist das in Deutschland jedoch kein

Streitpunkt, denn 50 Prozent der Befragten halten ihn für eine gute Sache, während ihn nur 19 Prozent negativ

bewerten.

Wenn es um die Rolle ausländischer Direktinvestitionen geht, zeigt sich ein durchweg positives Bild. In Japan,

das sich in dem Punkt als das skeptischste Land erwies, schätzen 50 Prozent der Befragten die ADI sehr positiv

oder zumindest irgendwie positiv ein. Wie aber Abbildung 5 verdeutlichte, wird die Übernahme inländischer Un-

ternehmen durch ausländische Investoren von der öffentlichen Meinung nicht begrüßt. Daher lässt sich ziemlich

sicher darauf schließen, dass sich die positive Einstellung ausländischen Direktinvestitionen gegenüber haupt-

sächlich auf Investitionen in neue Standorte bezieht.

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Abbildung 17: Meinungen zum internationalen Handel im Allgemeinen.

Abbildung 18: Meinungen zu den Auswirkungen des Handels auf die Wirtschaft.

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Abbildung 19: Meinungen zu den Auswirkungen des Handels auf Unternehmen.

Abbildung 20: Meinungen zu den Auswirkungen des Handels auf den Lebensstandard.

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Abbildung 21: Meinungen zu den Auswirkungen des Handels auf die Verbraucher.

Abbildung 22: Meinungen zu den Auswirkungen des Handels auf die Schaffung von Arbeitsplätzen.

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Abbildung 23: Meinungen zu Freihandelsabkommen.

Abbildung 24: Meinungsentwicklung zum Handel in Deutschland und den USA. Frühere Daten basieren auf Ber-

telsmann (2016) und Pew (2014).

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Abbildung 25: Meinungen zu Auslandsdirektinvestitionen.

Abbildung 26: Meinungen zur NAFTA.

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Abbildung 27: Meinungen im Vereinigten Königreich zu den wirtschaftlichen Auswirkungen des Brexit.

Abbildung 28: Meinungen in Deutschland zum deutschen Leistungsbilanzüberschuss

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6 Gewinner und Verlierer der Globalisierung

Die Globalisierung und die internationale Integration der Handelsströme könnten generell als vorteilhaft angese-

hen werden. Aber offenkundig sind einige Länder in der Lage, die Vorteile der Globalisierung effektiver zu nutzen

als andere. Im öffentlichen Diskurs werden Länder häufig als Gewinner oder Verlierer der Globalisierung darge-

stellt. Um verstehen zu können, welche Länder als Gewinner oder Verlierer angesehen werden, wurden die

Umfrageteilnehmer ersucht, zwei Ranglisten zu erstellen: Zunächst sollten sie vier Länder (aus einer Liste) nen-

nen, die ihrer Meinung nach am meisten gewonnen haben, und dann ebenfalls vier Länder (aus der gleichen

Liste), die ihrer Meinung nach am meisten verloren hätten. Die Ergebnisse sind in der unten stehende Tabelle 1

dargestellt.

Die Tabelle listet die Gewinner und Verlierer nach dem internationalen Durchschnitt der Einstufungen des jeweili-

gen Landes auf. China stand z. B. häufig an erster oder zweiter Stelle. In einem solchen Fall wurde zunächst das

durchschnittliche Ranking von China in den anderen Ländern berechnet und dann der internationale Durchschnitt

festlegt. Da die Befragten nur vier Länder auflisten konnten, mussten sie manche ganz auslassen. Der Prozent-

satz der Länder, die gar nicht in die Rangliste aufgenommen wurden, ist in der Tabelle ebenfalls dargestellt, da

dies als Indikator für die Verlässlichkeit des Rankings interpretiert werden kann. (Wenn der Prozentsatz für „nicht

aufgelistet“ höher ist, heißt das, dass sich weniger Menschen sicher sind, ob dieses Land als Gewinner oder Ver-

lierer eingestuft werden sollte).

Die Ergebnisse sind sehr interessant. Im internationalen Durchschnitt gelten die USA als das Land, das am meis-

ten gewonnen hat. Unter den entwickelten Volkswirtschaften und in Amerika selbst rangieren die USA an zweiter

Stelle – während die aufstrebenden Volkswirtschaften das Land als den größten Gewinner der Globalisierung

betrachten. Interessanterweise rangieren die USA auf der Liste der Verlierer ebenfalls hoch, nämlich auf Platz

zwei, auch in Amerika selbst. Allerdings ist hier der Anteil der Menschen, die die USA nicht als Verlierer listen,

viel höher als auf jedes andere Land bezogen, das an der Spitze der Verlierer steht. Dies deutet darauf hin, dass

nur wenige Menschen die USA als Verlierer der Globalisierung betrachten, aber dieses Land in der Kategorie

sehr hoch eingestuft wurde.

China wird ebenfalls als großer Gewinner der Globalisierung betrachtet, sowohl in den entwickelten als auch in

den aufstrebenden Volkswirtschaften. Indien folgt gleich darauf, aber schon ein Stück zurück. Afrika als Region

wird als der größte Verlierer angesehen. Die meisten entwickelten Volkswirtschaften – wie Deutschland, Kanada

oder das Vereinigte Königreich – liegen irgendwo im Mittelfeld. Bei der Frage nach den Verlierern der Globalisie-

rung zeigte sich ein interessantes Muster: Fast in jedem Land stuften die Befragten ihr eigenes Land ziemlich

hoch ein – auch wenn dies nicht mit der Meinung in anderen Ländern übereinstimmt.

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7 Beliebte und unbeliebte Handelspartner

China und Deutschland wurde von der US-Regierung häufig vorgeworfen, dass sie ihren Handel mit anderen

Ländern durch unlautere Praktiken ankurbeln und damit ihren übrigen Handelspartnern schaden würden. Diese

Umfrage sollte ermitteln, ob diese Ansicht weit verbreitet ist. Daher wurden die Teilnehmer gefragt, ob ihrer Mei-

nung nach der Handel mit einem bestimmten Land oder einer bestimmten Region für ihr eigenes Land von Vorteil

wäre oder nicht. Die Ergebnisse sind in Tabelle 2 dargestellt.

Der am meisten bevorzugte Handelspartner der Welt ist Japan – knapp gefolgt von Deutschland und Kanada.

Sowohl in der entwickelten als auch in der aufstrebenden Welt werden diese Länder als Partner betrachtet, mit

denen ein Handel von Vorteil wäre. Selbst in den USA wird Deutschland als vorteilhafter Partner angesehen,

gleich nach Kanada und Großbritannien. Es stimmt jedoch, dass für jedes dieser Länder die Befürwortungsquote

in den USA niedriger ausfällt als bei vielen anderen Länder in der Stichprobe.

China steht an der Spitze der Länder, mit denen ein Handel als nicht vorteilhaft angesehen wird. Dies gilt sowohl

für die entwickelten als auch für die aufstrebenden Volkswirtschaften. Interessanterweise hat die US-Bevölkerung

eine größere Abneigung gegen einen Handel mit Russland als mit China – obwohl beide auf der Liste weit oben

stehen.

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8 Fazit

Der Handel ist nach wie vor ein sehr umstrittenes Thema – und wie es scheint, mit jedem Tag mehr. Unsere Um-

frage zeigt, dass die Meinungen der Menschen tatsächlich differenzierter sind als so manche populistische

Stimme ihnen zugesteht. Für die meisten ist klar, dass Handel und Globalisierung viele Chancen für Wachstum,

Beschäftigung und Entwicklung mit sich bringen. Sie sind nicht so naiv, die möglichen negativen Auswirkungen –

wie Druck auf die Löhne oder die Arbeitsplatzsicherheit – zu übersehen, aber dies ändert nichts an ihrer generel-

len Unterstützung für den internationalen Austausch von Waren und Dienstleistungen.

Was sich die Bevölkerung von den Politikern erwartet, ist nicht Protektionismus als solcher, sondern bessere Ab-

sicherungsmaßnahmen vor den negativen Auswirkungen. Da viele mit dem derzeitigen Grad an Absicherung

ihrer jeweiligen Regierung nicht zufrieden sind, wenden sich einige von ihnen protektionistischen Tendenzen zu.

Die Implikationen für die Politik sind klar: Der hinter einer stärkeren Integration der Weltwirtschaft stehende ge-

sellschaftliche Konsens über die Nutzung der Vorteile bei gleichzeitiger Kompensation der potentiellen Verlierer

ist gefährdet. Wenn zu viele Menschen meinen, dass ein verstärkter Handel zu einer Verschlechterung ihrer per-

sönlichen Situation führt, von der sie sich nur schwer wieder erholen können, wird es schwieriger sein, den

Konsens zugunsten des Freihandels zu erhalten. Daher müssen die negativen Auswirkungen des Strukturwan-

dels effizienter reduziert werden. Protektionismus bietet keinen Schutz. Vielmehr wäre ein starkes

Sicherheitsnetz das geeignete Instrument, um die Unterstützung für Handel und Globalisierung zu fördern.

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