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Z. Evid. Fortbild. Qual. Gesundh. wesen (ZEFQ) (2014) 108, 32—34 Online verfügbar unter www.sciencedirect.com ScienceDirect journal homepage: http://journals.elsevier.de/zefq MEINUNG ZUM SCHWERPUNKT Gefährdung der Patientensicherheit im Zeitalter der DRGs Giovanni Maio Lehrstuhl für Medizinethik, Institut für Ethik und Geschichte der Medizin, Freiburg In der gegenwärtigen Situation der Krankenhäuser nimmt der ökonomische Druck auf die Ärzte so zu, dass sie täglich spüren, ihrem eigentlichen Ziel, Anwalt des Patientenwohls zu sein, nicht mehr gerecht werden können. Sie müssen primär dafür sorgen, dass die Bilanzen stimmen, weil sie ansonsten um die Zukunft des Hauses bangen müssen. Und wenn den Ärzten dieses Szenario oft genug ausgemalt wird, dann beugen sie sich und handeln so, wie es die Unterneh- mensführung erwartet. Das System funktioniert aber ganz ohne Druck. Das ist das Gefährliche daran. Die Kranken- hausleitungen machen keine klaren Vorgaben, aber durch die Abteilungsbudgets und durch die Transparenz der Erlöse werden die einzelnen Abteilungen automatisch und sub- schwellig unter Druck gesetzt [[1], S. 236]. Man erpresst sie sozusagen, sagt aber, dass letztendlich die Ärzte selbst entscheiden sollen. Es ist also eine vorgegaukelte ärztli- che Freiheit, die sukzessive durch die Rahmenbedingungen ausgehöhlt wird, ohne dies aber zuzugeben. Man tut so, als würde jeder Arzt doch eigenverantwortlich entscheiden, aber ihnen bleibt durch das Korsett oft keine andere Wahl. Ganz ohne äußere Verordnung übernehmen die Ärzte die ökonomische Logik und werden auf diese Weise von der Öko- nomie innerlich gekapert. Die Ärzte werden gekapert, weil sie vorher durch die Strukturellen Entscheidungen und die Korrespondenzadresse: Prof. Dr. med. Giovanni Maio, M.A. phil., Lehrstuhl für Medizinethik, Institut für Ethik und Geschichte der Medizin, Stefan-Meier-Straße 26, 79104 Freiburg i.Br. E-Mail: [email protected] neuen Machtverhältnisse in die Situation einer strukturellen Entmündigung gebracht worden sind. Je mehr also das für sich genommen notwendige ökono- mische Denken auch dort als das entscheidende Denken sich breit macht, wo eigentlich ein anderes Denken naturgemäß seinen Raum beanspruchte, desto mehr entfremdet sich die Medizin von ihrem eigentlichen Ziel. Und desto mehr wird die Medizin dazu verleitet, sich nach Kriterien zu orientie- ren, die sie als Medizin und damit als Anwältin des Patienten sonst nicht wählen würde. Wie aber sieht diese Gefährdung der medizinischen Logik nun konkret aus? Aufnahme: Kategorisierung der Patienten nach ökonomischen Kriterien Unter dem Einfluss der DRG-Abrechnung besteht die Ten- denz, Patienten in ökonomische Kategorien aufzuteilen. So wird heute den Ärzten subschwellig beigebracht, bei jedem Patienten stets mit zu reflektieren, welche Bilanz er verspricht. Eine schlechte Bilanz versprechen vor allem chronisch Kranke, Patienten mit Mehrfacherkrankungen, Patienten mit Komplikationsrisiken, Patienten mit hohem Versorgungsaufwand. Zu den unbeliebten gehören nicht nur diese oft alten und schwerkranken Patienten, sondern auch die Patienten mit unklarer Diagnose. Solche Patienten ver- sucht man eher zu meiden, weil sie eine unkalkulierbare Verweildauer und einen offenen Ausgang haben. Der Patient also in Not wird nicht mehr ausschließlich aus der Perspek- tive betrachtet, was seine Not erfordert, sondern zusätzlich 1865-9217/$ – see front matter http://dx.doi.org/10.1016/j.zefq.2014.01.025

Gefährdung der Patientensicherheit im Zeitalter der DRGs

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EINUNG ZUM SCHWERPUNKT

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hne Druck. Das ist das Gefährliche daran. Die Kranken-ausleitungen machen keine klaren Vorgaben, aber durchie Abteilungsbudgets und durch die Transparenz der Erlöseerden die einzelnen Abteilungen automatisch und sub-

chwellig unter Druck gesetzt [[1], S. 236]. Man erpresstie sozusagen, sagt aber, dass letztendlich die Ärzte selbstntscheiden sollen. Es ist also eine vorgegaukelte ärztli-he Freiheit, die sukzessive durch die Rahmenbedingungenusgehöhlt wird, ohne dies aber zuzugeben. Man tut so,ls würde jeder Arzt doch eigenverantwortlich entscheiden,ber ihnen bleibt durch das Korsett oft keine andere Wahl.anz ohne äußere Verordnung übernehmen die Ärzte die

konomische Logik und werden auf diese Weise von der Öko-omie innerlich gekapert. Die Ärzte werden gekapert, weilie vorher durch die Strukturellen Entscheidungen und die

∗ Korrespondenzadresse: Prof. Dr. med. Giovanni Maio, M.A. phil.,Lehrstuhl für Medizinethik, Institut für Ethik und Geschichte derMedizin, Stefan-Meier-Straße 26, 79104 Freiburg i.Br.E-Mail: [email protected]

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euen Machtverhältnisse in die Situation einer strukturellenntmündigung gebracht worden sind.

Je mehr also das für sich genommen notwendige ökono-ische Denken auch dort als das entscheidende Denken sichreit macht, wo eigentlich ein anderes Denken naturgemäßeinen Raum beanspruchte, desto mehr entfremdet sich dieedizin von ihrem eigentlichen Ziel. Und desto mehr wirdie Medizin dazu verleitet, sich nach Kriterien zu orientie-en, die sie als Medizin und damit als Anwältin des Patientenonst nicht wählen würde. Wie aber sieht diese Gefährdunger medizinischen Logik nun konkret aus?

ufnahme: Kategorisierung der Patientenach ökonomischen Kriterien

nter dem Einfluss der DRG-Abrechnung besteht die Ten-enz, Patienten in ökonomische Kategorien aufzuteilen.o wird heute den Ärzten subschwellig beigebracht, beiedem Patienten stets mit zu reflektieren, welche Bilanzr verspricht. Eine schlechte Bilanz versprechen vor allemhronisch Kranke, Patienten mit Mehrfacherkrankungen,atienten mit Komplikationsrisiken, Patienten mit hohemersorgungsaufwand. Zu den unbeliebten gehören nicht nuriese oft alten und schwerkranken Patienten, sondern auchie Patienten mit unklarer Diagnose. Solche Patienten ver-

ucht man eher zu meiden, weil sie eine unkalkulierbareerweildauer und einen offenen Ausgang haben. Der Patientlso in Not wird nicht mehr ausschließlich aus der Perspek-ive betrachtet, was seine Not erfordert, sondern zusätzlich
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Gefährdung der Patientensicherheit im Zeitalter der DRGs

und damit auch manchmal konkurrierend auch aus der Per-spektive, welche Bilanz er verspricht. Auf diese Weise kehrtsich aber die ärztliche Logik um. Subtil schleicht sich imZeitalter der wirtschaftlichen Bedrohung aller Häuser suk-zessive ein Denken ein, das am Ende die medizinische Logikauf den Kopf stellt. Denn nach der medizinischen Logik istder Arzt für den Patienten da und nicht der Patient für dieBilanz.

Viele Befragungen zeigen, dass die Ärzte deswegen öko-nomisch motiviert entscheiden, weil ihnen auch suggeriertwird, dass, wenn die Zahlen nicht stimmen, die Existenz desKlinikums auf Dauer gefährdet sei. Durch den Hinweis aufdie Abhängigkeit der Existenz des Hauses von den eignenmedizinischen Entscheidungen werden die Ärzte in gewis-ser Weise erpresst [1]. Gerade bei der Aufnahme zeigt sichdas, weil man aus Geldgründen dazu neigt, lieber relativgesunde Patienten aufzunehmen und zugleich bei kränke-ren Menschen mit hohem Versorgungsaufwand einen Druckauszuüben, dass sie schnellstmöglich entlassen oder verlegtwerden. Der kranke Mensch wird hier erstmals nicht primärals Auftrag gesehen, hier zu investieren, sondern je krän-ker der Mensch, desto mehr wird er als Gefahr gesehen, alsmögliche Bedrohung der Bilanzen.

Diagnostik: Parallelität von Über- undUnterdiagnostik

Nicht nur die Aufnahmeentscheidungen, sondern auch diediagnostischen Entscheidungen unterliegen einer subtilenVeränderung. So kann man eine Parallelität von diagno-stischer Unter- und Überversorgung feststellen [[2], S.208]. Während viele befragte Ärzte angeben, dass bei Pri-vatversicherten tendenziell eine Überdiagnostik stattfinde,verweisen sie zugleich darauf, dass bei DRG-relevantenPatienten eine Tendenz zur Unterdiagnostik besteht. DieUnterdiagnostik erfolgt aber nicht in der Art, dass man ein-fach eine notwendige Diagnostik nicht macht. Man gehtvielmehr dazu über, Befunde nicht noch mal zu überprü-fen und sichert sich bei Entscheidungen nicht in dem Maßediagnostisch ab wie das früher der Fall war [[1], S. 196].Man gibt sich oft mit weniger Diagnostik zufrieden undkonzentriert sich dabei oft auf konservative Untersuchungs-methoden. Gerade wenn es um teurere Diagnostik geht,neigt man dazu, auf diese zu verzichten, was gerade fürjunge Ärzte eine Belastung darstellt. Insgesamt lässt sichsagen, dass die Abrechnung nach DRGs am Ende schnelleEntscheidungen begünstigt. Eine weitere Strategie, teurereDiagnostik zu sparen, besteht darin, diese auf den ambu-lanten Bereich abzuwälzen. Man geht also dazu über, mehrprästationäre Diagnostik vorzunehmen, dies einerseits umRessourcen zu sparen, andererseits, um die Verweildauerniedrig zu halten.

Noch eine weitere Auswirkung der DRGs bezogen auf dieDiagnostik ist feststellbar. Da nur eine Diagnose abgerech-net werden kann, neigt man dazu, sich diagnostisch auf dieHauptdiagnose zu konzentrieren, und man nimmt eine weit-gehende Ausblendung der weiteren Krankheiten in Kauf. Ein

Oberarzt der Inneren Medizin hat das wie folgt ausgedrückt:- ,,Der hat Zucker und sonst was, und was der Patient allesnoch hat, interessiert uns nicht. Wir machen jetzt das, wes-wegen er hierher kommt, und dann soll den Rest mal der

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ausarzt machen.‘‘ zit. [[2], S. 213]. Insgesamt führt das zuinem Verlust der Ganzheitlichkeit, und oft werden Zusam-enhänge nicht erkannt, weil der Patient als ganzer Mensch

icht mehr in den Blick kommt. Ein Assistenzarzt bringtas wie folgt auf den Punkt ,,Wir müssen nur die Diagnoseucken, warum der Patient da ist, und alles was danebenteht, das spielt keine Rolle, und da wird der Patient alsrankheitsbild weiterbehandelt, leider, nicht als eine Per-on...‘‘ zit. [[1], S. 198].

herapie: Fraktionierung und Ziffer im Kopf

ie Tatsache, dass nur eine DRG als Hauptdiagnosebgerechnet werden kann, hat auch auf die Therapie Aus-irkungen. Das führt nämlich zu einer Fragmentierung derehandlungen. Aus rein ökonomischer Sicht lohnt es sichür das Haus nicht mehr, verschiedene Krankheiten gleich-eitig zu behandeln. Das führt zu einer Zerstückelung derehandlungen. Statt einer längeren Aufenthaltsdauer wirder Patient entlassen und wieder aufgenommen; er mussann mehrere kürzere Aufenthalte in Kauf nehmen. Dar-ber hinaus besteht ein Anreiz, dass im Zweifelsfall die Ärzteie Behandlungsmethode wählen, die dem Krankenhaus ameisten Geld bringt. In einer Interviewstudie hat ein Assis-

enzarzt wie folgt ausgedrückt: ,,Wir haben auch die Zifferm Kopf, und dann sagt man, okay, anstatt das zu machen,achen wir das andere, denn das wird im DRG-System ja

iel besser belohnt.‘‘ zit. in [[1], S. 195].

ntlassung: Kein sanftes Hinausbegleiten

unächst einmal zeigen die Studien, dass die Ärzte sich beien Entlassungen nicht primär an das DRG-System halten,ondern daran, was medizinisch sinnvoll ist und auf dieseeise sie eben schon Rücksicht nehmen auf das Patienten-ohl. Die gefürchteten blutigen Entlassungen, das ist nichtie primäre Folge, weil Ärzte Verantwortung übernehmennd keinen Patienten entlassen, von dem sie wissen, dasser Behandlungserfolg gefährdet ist. So entscheiden Ärzteicht; das belegen die empirischen Befunde [[1], S. 218f].ber es verändert sich dennoch viel bei der Entlassung, undies auch auf Kosten des Patienten, nur viel subtiler. Eineispiel ist die Pflege; so verweisen viele Pflegende undrzte in den verschiedenen Befragungen darauf, dass zumeispiel die mobilisierende Pflege aus Zeitgründen oft nichtehr geleistet wird, was im Grunde eine Herabsenkung des

ersorgungsniveaus der Patienten bedeutet [[1], S. 235].Ein folgenschwerer Effekt der DRG-Einführung liegt

arin, dass die Betreuung, die Anweisung der Angehörigeneniger intensiv erfolgt. Viele Kommentare belegen, dassrzte und auch Pflegende sich immer weniger Zeit nehmenönnen, die Patienten durch zwischenmenschliche Gesprä-he so auf die Entlassung vorzubereiten, dass der Übergangn den ambulanten Bereich auch reibungslos verläuft. Es sindann die schwachen Patienten, die alten, die Pflegebedürf-igen, die hier zu kurz kommen, weil sie mehr Erklärungenrauchen als der formalisierte Zeittakt zulässt. Gerade bei

er Entlassung zeigt sich dieses Manko; so fühlen sich heuteehr viele Patienten schlecht auf ihre Entlassung vorbe-eitet, weil man sich nicht genügend Zeit dafür nehmenann, ihnen Hilfestellungen zu geben und Ratschläge [[1],
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[Krankenhaus. In: Stephan Kolb, Ingo Bonde, Moritz Gerhardt u.

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. 228ff]. Der Arzt, der Ratschläge gibt, der den Patientenozusagen hinausbegleitet aus dem Krankenhaus, damit eruhause gut weiterleben kann, dieser Arzt wird zunehmendbgeschafft. — Genau diese und ähnliche Situationen aberereiten gerade vielen Ärzten zunehmend Bauchschmerzen,nd viele Studien belegen, dass sehr viele Ärzte in diesemystem immer wieder ein schlechtes Gewissen bekommen,eil sie das Gefühl haben, ihrer ärztlichen Aufgabe nicht

ichtig gerecht geworden zu sein [[1], S. 161].

atientenkontakt: Handwerklich-technischeualität vor Beziehungsqualität

ie Ökonomisierung der Medizin, wie sie durch dieRG-Einführung zur Geltung gebracht wird, bringt einenrend zur Reduzierung der Personalkosten mit sich undamit unweigerlich eine starke Arbeitsverdichtung für alleeschäftigten. Eine Arbeitsverdichtung, die auch dadurchegründet ist, dass administrative Aufgaben in Form derRG-Kodierung und der Bürokratie der Qualitätssicherungusätzlich dem Arzt aufgebürdet werden, ohne dass er annderer Stelle Entlastung fände. Durch diese Verdichtunger Arbeit laufen die patientenbezogenen Arbeiten, dieespräche mit Patienten immer mehr in den Zeiten, inenen die Ärzte ihr Arbeitspensum erledigt haben, und diesben oft genug außerhalb der eigentlichen Arbeitszeit. Soird deutlich, dass in der modernen Medizin nicht dadurchespart wird, dass Patienten notwendige Behandlungenicht bekommen, sondern es wird dadurch gespart, dass manngehalten wird, sich auf das handwerklich-technische zueschränken und alles andere für weniger wichtig zu hal-en. Das ist die neue Wertehierarchie, die sukzessive etab-iert wird durch die Übermacht betriebswirtschaftlichenenkens, was nichts anderes ist als eine betriebswirtschaft-

iche Überformung der Medizin. Sukzessive und ohne dasxplizit gemacht zu haben, wird die psychosoziale Betreu-ng des Patienten Zug um Zug zurückgefahren, aber in einero subtilen Form, dass das zunächst kaum auffällt. Das heißtlso, dass man implizit dazu angeleitet wird, die Beziehungs-ualität zu vernachlässigen.

Das Problem liegt aber nicht allein in der Reduktion derontaktzeit mit den Patienten; hinzu kommt, dass die sozia-en Kontakte zum Patienten durch die ökonomische Logikomplett getaktet werden [2]. Sie sind geradezu strikt vor-egeben. Es ergibt sich dadurch kaum eine Möglichkeit,pontan zu reagieren, sich auch mal mehr Zeit zu neh-en. Die Zeitkontingente sind so vorgegeben, dass man dazu

ngehalten wird, die Patienten sozusagen schablonenartigineinzupressen. Es sind dann die schwachen Patienten,ie alten, die Pflegebedürftigen, die hier zu kurz kommen,eil sie mehr Erklärungen brauchen als der Zeittakt zulässt.

n einer 2007 erfolgten aufwendigen Befragung von Ärztenaben nur 11% an, dass ,,die soziale und emotionale Zuwen-ung‘‘ zum Patienten voll gewährleistet sei; 36% der Ärzteaben an, dass eine psychosoziale Versorgung ehr nicht oderar nicht gewährleistet sei, während die restlichen 53% eher

mbivalent ankreuzten [[1], S. 200].

Die ökonomische Rationalität führt somit indirekt zuiner leisen Absenkung des Versorgungsniveaus, indem sie

G. Maio

ine neue Herrschaft etabliert, und zwar eine Herrschaft desormalistischen, eine Herrschaft der Funktionserfordernisse3]. Dadurch wird sukzessive die fürsorgende und empathi-che Zwischenmenschbeziehung ersetzt durch den Standarder Unpersönlichkeit.

Wir haben es ferner zu tun mit einer Auslagerungelevanter Entscheidungen aus der konkreten Arzt-Patient-eziehung, in der Weise, dass die formalen Vorgaben soufgebaut werden, dass dem Arzt am Ende kaum mehrigene ärztliche Entscheidungsspielräume gelassen werden.o sollen, nach den Vorstellungen der Leitungsstrukturen,ie Entscheidungen des Arztes eher anhand von Angestelltenines Managements über Checklisten getroffen werden undicht mehr primär im Angesicht des individuellen krankenenschen und der ihn betreffenden einzigartigen Situati-nslage. Es ist eben eine Art rationale Bürokratie, die hierukzessive etabliert wird, eine Bürokratisierung, die dannine ganz andere Beziehung zum Patienten auf den Wegringen soll. Eine Beziehung, die gespickt ist mit Unper-önlichkeit, die getragen ist von der Dominanz technischerationalität und die dadurch funktionieren soll, dass denrzten ein Befolgen von abstrakten Regeln beigebracht wird.

Deutlich wird also, dass in der modernen Medizinicht dadurch gespart wird, dass Patienten notwendigeedikamente nicht bekommen, sondern es wird dadurchespart, dass man sich auf das handwerklich-technischeeschränkt und alles andere eben wegrationiert. Das ist dieeue Wertehierarchie, die subschwellig etabliert wird überie Übermacht betriebswirtschaflichen Denkens, durch dieetriebswirtschaftliche Überformung der Medizin. Es wirdinfach die psychosoziale Betreuung des Patienten zurück-efahren und das führt zum Verlust der Ganzheitlichkeit;in Assistenzarzt der Chirurgie hat das wie folgt zu Proto-oll gegeben: ,,Je älter, je weniger artikulationsfähig und jeeniger sozial eingebunden der Patient ist, da bin ich über-eugt von, desto höher ist die Gefahr, dass das, was Medizinetztendlich ausmacht, dass man sich nämlich mit dem Men-chen beschäftigt und nicht mit der Fraktur in Zimmer 730,ass das untergeht.‘‘ [[1], S. 190]. Das heißt also, man wirdazu angeleitet, auf die handwerklich-technische Qualitätu fokussieren und die Beziehungsqualität zu vernachlässi-en. Die Patientensicherheit wird durch die DRGs insofern ininer sehr subtilen Weise gefährdet. Und diese Weise dürfteicht sein.

iteratur

1] Braun Bernhard, Buhr Petra, Klinke Sebastian, Müller Rolf,Rosenbrock Rolf. Pauschalpatienten, Kurzlieger und Draufzahler- Auswirkungen der DRGs auf Versorgungsqualität und Arbeits-bedingungen im Krankenhaus. Bern: Huber Verlag 2009.

2] Klinke Sebastian. Ordnungspolitischer Wandel im stationärenSektor. 30 Jahre Gesundheitsreform, DRG-Fallpauschalensystemund ärztliches Handeln im Krankenhaus. Berlin: Pro Business,2008.

3] Kühn Hagen. Soziale Verantwortung und Ökonomisierung im

Tina Kaiser (Hrsg.): Medizin und Gewissen — Im Streit zwischenMarkt und Solidarität. Frankfurt a.M.: Mabuse Verlag, 2008, S.285-328.