51

Gegner des Imperators

Embed Size (px)

Citation preview

Nr. 298

Gegner des Imperators

Atlan auf Arkon - der Kristallprinz zwischen den Fronten

von H. G. Francis

Das Geschehen im Großen Imperium der Arkoniden wird gegenwärtig durch innere Konflikte bestimmt – in höherem Maß jedenfalls als durch die Kämpfe gegen die Me­thans. Es gärt auf vielen Welten des Imperiums. Und schuld daran ist einzig und al­lein Orbanaschol, der Brudermörder und Usurpator, der in seiner Verblendung und Korruptheit einen falschen Weg beschritten hat.

Die Tage Orbanaschols scheinen gezählt, und es dürfte nur noch eine Frage der Zeit sein, wann die Gegenkräfte im Imperium stark genug sind, den Usurpator vom Thron zu stoßen.

Während Orbanaschol in seiner Verzweiflung und Panik die ihm verbliebene Macht nutzt, um gegen echte oder vermeintliche Widersacher brutal vorzugehen, sammeln die Gegner seines Gewaltregimes – unter ihnen Atlan-Freunde, aber auch solche, die einen anderen als den Kristallprinzen an der Spitze des Imperiums sehen möch­ten – ihre Kräfte und ziehen sie in der Nähe des Arkon-Systems oder auf Arkon selbst zusammen. Verschiedene Ansichten werden von den Rebellen vertreten, was die Vorgehensweise gegen den Usurpator betrifft. Doch alle sind sich darüber einig, daß ein Bürgerkrieg der Arkoniden unbedingt vermieden werden muß, da dieser die Position des Imperiums gegenüber den Methans entscheidend schwächen würde. Dies sind die Probleme der GEGNER DES IMPERATORS …

3 Gegner des Imperators

Die Hautpersonen des Romans:Orbanaschol III - Der Usurpator kämpft mit dem Rücken zur Wand.Lebo Axton - Ein Terraner wird Orbanaschols Geheimdienstchef.Kelly - Axtons Robotgehilfe.Atlan - Ein Gefangener wird entlarvt.Spronthrok und Moira Erclac - Zwei Rivalen im Kampf um die Herrschaft auf Arkon.

Erst wenn es Winter wird, zeigt sich, daß Fichte und Zypresse immergrün sind.

1.

»Lange dauert es nicht mehr«, sagte der Mann, der in der offenen Tür zur Dachter­rasse stand. »Einige Tage vielleicht. Dann ist alles vorbei.«

Der Mann trug eine blaßgelbe Hose und eine leuchtend rote Bluse. Ein leichter Schal schützte seinen Hals. An seinen Fingern blitzten kostbare Ringe. Von ihnen ging ein wahres Feuerwerk von flammenden Refle­xen aus, wenn er die Hände gestikulierend bewegte.

Sein Gegenüber wirkte dagegen unschein­bar. Er sah fast ärmlich aus in seiner dunkel­braunen Kombination und dem schlichten Ledergürtel, der sich um seine Hüften schlang.

»Von solchen Dingen rede ich lieber gar nicht erst«, sagte der Unscheinbare. »Für uns wird sich zweifellos überhaupt nichts ändern.«

»Orbanaschol, dieser verfettete Massen­mörder, ist am Ende«, erklärte der andere. Er sprach langsam und hatte Mühe, seine Worte zu formulieren. Ebenso der Mann, der ihm gegenüber saß. Beide hatten offensicht­lich ein überreichliches Quantum Alkohol zu sich genommen. Sie waren weit davon entfernt, nüchtern zu sein.

Dennoch verfolgte Trash Cordogon ihr Gespräch mit gespannter Aufmerksamkeit. Einen der beiden Männer kannte er – den Künstler Malok. Der andere war ihm unbe­kannt.

Er sah die beiden Männer durch den Spie­

gel seines Automatenrestaurants. Er saß in einer Kabine und überwachte von hier aus die Funktionen des Unternehmens. Aber nicht nur das. Er hatte es sich zur Gewohn­heit gemacht, die Gespräche seiner Gäste abzuhören. Er zeichnete sie sogar auf, wenn sie ihm wichtig erschienen. Tag für Tag hockte er in dieser Kabine und sammelte In­formationen. Auf diese Weise hatte er schon viel erfahren, denn die Gäste aus den ver­schiedenen Regierungsunterbereichen, die in diesem Trichterbau arbeiteten, unterhielten sich teilweise völlig offen. Sie waren über­zeugt, daß ihnen niemand zuhörte.

Was Malok und sein Gegenüber zu bere­den hatten, interessierte Cordogon eigentlich nicht. Er wußte selbst, wie es um den Impe­rator aussah. Das war allzu gut bekannt. Die Niederlagen, die Orbanaschol III. in der letz­ten Zeit hatte hinnehmen müssen, häuften sich. Und sie waren bekannt geworden. Nie zuvor hatte man im Imperium so oft und so ausführlich über das diskutiert, was sich im Kristallpalast ereignete.

Dennoch hätte Cordogon kaum zugehört, was Malok und der andere zu besprechen hatten, wenn das Restaurant besser besucht gewesen wäre. Außer diesen beiden Män­nern waren jedoch keine Gäste mehr da.

»Das sind gefährliche Worte«, sagte der Unscheinbare ärgerlich. »Ich würde mich hüten, den amtierenden Imperator mit sol­chen Worten zu belegen.«

»Warum?« fragte Malok. »Orbanaschol ist ein Massenmörder. Das weiß mittlerweile jedes Kind. Wenn ihm irgend etwas nicht paßt, läßt er die Leute verhaften und zum Tode verurteilen. Ich wette mit dir, daß er sie liebend gern auch selbst hinrichten wür­de, wenn sich dies mit den Pflichten eines Imperators vereinbaren würde.«

4

Maloks Gegenüber sprang auf und ging torkelnd auf die Dachterrasse hinaus. Cordo­gon blickte ihm gelangweilt nach. Malok er­hob sich kopfschüttelnd.

»Was ist los, Beyze?« rief er. Als dieser nicht antwortete, folgte Malok

ihm auf die Terrasse hinaus. Cordogon lehn­te sich enttäuscht in seiner Kabine zurück. Die beiden Männer verließen den Bereich der versteckt angebrachten Mikrophone. Jetzt konnte er sie nur noch sehen, aber nicht mehr hören.

Malok legte Beyze die Hand auf die Schulter und sprach gestikulierend auf ihn ein. Cordogon glaubte zu erkennen, daß er seinen Gesprächspartner davon zu überzeu­gen suchte, daß er Recht hatte. Doch Beyze war offensichtlich nicht damit einverstan­den, was Malok über den Imperator sagte. Sein Gesicht rötete sich, und er antwortete Malok in einer Weise, die diesen sichtlich ärgerte.

Nun wurde Cordogon aufmerksam. Die Auseinandersetzung versprach inter­

essant zu werden. Er beugte sich vor und be­obachtete genüßlich, wie eine Meinungsver­schiedenheit zum Streit eskalierte. Malok und Beyze erregten sich immer mehr. Sie schrien aufeinander ein, bis sich der wohlha­bende Malok verärgert abwandte und die Terrasse verlassen wollte. Das jedoch gefiel Beyze nicht. Er packte Malok am Arm und wirbelte ihn herum.

Zornig schlug ihm Malok dafür die flache Hand ins Gesicht. Das wiederum provozierte den anderen zu einem wütenden Faustan­griff, mit dem er Malok bis an den äußersten Rand der Dachterrasse zurückdrängte. Die beiden Streitenden prügelten wild aufeinan­der ein. Mal versuchte der eine, den anderen mit den Armen zu umschlingen und zu Bo­den zu werfen, mal versuchte der andere, den Kampf mit einem überraschenden Fuß­tritt zu beenden.

Als Malok Beyze mit einem solchen Trick fast überwältigt hätte, verlor Beyze die Kon­trolle endgültig über sich. Er packte den an­deren bei den Hüften, hob ihn hoch und

H. G. Francis

schleuderte ihn über die Kante der Dachter­rasse hinweg.

Unwillkürlich sprang Cordogon auf. Damit hatte er nicht gerechnet. Es hatte

schon häufig Schlägereien in seinem Restau­rant gegeben, aber noch nie einen Totschlag.

Beyze stand sekundenlang wie erstarrt. Er stierte auf die Kante der Dachterrasse, als er­warte er, daß Malok wie durch ein Wunder sogleich dort wieder erscheinen würde.

Dann bewegte er sich vorsichtig vorwärts, nachdem er sich hastig umgesehen und sich davon überzeugt hatte, daß er allein war. Er kniete nieder und streckte sich schließlich flach auf dem Boden, um über die Dachkan­te hinwegsehen zu können. Dahinter befand sich noch ein Sicherheitsgitter, das alles auf­fing, was über die Kante fiel. Malok war je­doch mit einem solchen Schwung hinausge­schleudert worden, daß er über das Sicher­heitsgitter hinausgeflogen sein mußte.

Die Haltung Beyzes verriet Cordogon, daß das der Fall war.

Beyze sprang auf. Wiederum blickte er sich nervös um. Dann eilte er zu dem Tisch zurück, an dem er zusammen mit Malok ge­sessen hatte. In aller Eile beseitigte er Spu­ren, die auf ihn hinwiesen. Danach unter­suchte er die Dachterrasse und hob einen Knopf auf, den er bei dem Kampf mit Malok verloren hatte. Als er sich davon überzeugt hatte, daß es weitere Spuren nicht mehr gab, verließ er fluchtartig das Restaurant.

Cordogon stoppte das Bandaufnahmege­rät seines Videos, mit dem er alles aufge­zeichnet hatte. Dann kam er aus seinem ge­heimen Versteck hervor. Er ging zur Dach­kante und legte sich so auf den Boden, wie es Beyze zuvor auch getan hatte. Das Haus war nur zweihundert Meter hoch. Daher konnte er die Leiche Maloks deutlich erken­nen. Der Tote lag mit ausgebreiteten Armen und Beinen auf einem mit Gras bewachse­nen Spielplatz.

Cordogon wartete etwa eine Minute. Dann landete ein Gleiter neben dem Toten. Beyze sprang aus der Maschine heraus, nahm Malok auf und legte ihn in die Kabine.

5 Gegner des Imperators

Danach beseitigte er hastig die Spuren, die das Opfer der Schlägerei auf dem Rasen zu­rückgelassen hatte. Das dauerte etwa drei Minuten. Danach startete er und raste mit hoher Beschleunigung davon.

Cordogon erhob sich. Er rieb sich die Hände und kehrte zu seiner Beobachtungs­kabine zurück.

Beyze schien kein besonders wohlhaben­der Mann zu sein, aber das spielte keine Rolle. Cordogon vermutete, daß Beyze den­noch irgendwo eine Bedeutung hatte. Die galt es, herauszufinden. Und sobald er wuß­te, wo sie lag, konnte er den Hebel ansetzen.

*

Die beiden Wutspinnen umkreisten einan­der lauernd. Beide Tiere streckten die Beiß­zangen weit vor, um sofort zustoßen zu kön­nen, wenn sich beim Gegner eine Blöße bot.

Ein Aufraunen ging durch die Menge, als die beiden Tiere plötzlich angriffen. Sie überwanden eine kurze Distanz so schnell, daß das Auge kaum folgen konnte. Zwei ro­te Schemen schienen aufeinander loszurasen und erst wieder körperliche Gestalt anzuneh­men, als sie einander erreicht hatten.

Schnaubend und kreischend krallten sie die Beißzangen ineinander, wobei jedes Tier versuchte, die tödlichen Waffen des anderen zu neutralisieren, während es sich zugleich bemühte, mit Verdauungssäften den Außen­panzer des Gegners aufzuweichen und zu durchbrechen. Doch das gelang nur, wenn es gegen die Feinde anderer Arten oder gegen eine Beute ging.

Dolf tippte einem Mann auf die Schulter, der den Kampf der beiden Tiere mit fiebrig glänzenden Augen beobachtete.

»Krama, ich habe Ihnen etwas zu sagen«, flüsterte er.

Der andere drehte sich nervös um. »Doch nicht jetzt, Mann«, rief er. »Er ist aber wichtig.« »Nichts ist wichtiger als der Kampf.« Er drehte sich wieder herum und sah gera­

de noch, wie eines der beiden Tiere unter

der Wirkung des Giftes zusammenbrach, das das andere verspritzt hatte. Eine tiefe Wunde zwischen den Augen zeigte überdies an, daß die Beißzangen das Gehirn erreicht hatten.

»Jetzt ist es vorbei«, sagte Krama kla­gend. »Sie haben alles verdorben.«

»Entschuldigen Sie, aber es ist wirklich wichtig, was ich Ihnen zu sagen habe.«

»Mitten in der spannendsten Szene des Kampfes mußten Sie stören. Sie sind schuld, daß ich verloren habe.«

»Seien Sie nicht albern«, meinte Dolf. »Die Spinne mit dem Kreuz auf dem Rücken hätte fraglos auch gewonnen, wenn ich Sie nicht gestört hätte. Es tut mir leid, daß Sie Geld verloren haben. War es viel?«

»Es reicht«, antwortete Krama ärgerlich. Er zog seine Kreditkarte aus der Tasche und schob sie betrübt wieder zurück. »Jedenfalls kann ich keine Wette mehr eingehen. Ich kann nichts mehr setzen.«

»Vielleicht kann ich Ihnen helfen«, sagte Dolf. »Kommen Sie. Wir gehen nach drau­ßen. Dort können wir uns ungestört unter­halten.«

Krama folgte Dolf auf die Dachterrasse des Gebäudes.

»Können Sie mich nicht in Ruhe lassen?« fragte er, als sie unter freiem Himmel in ei­nem blühenden Garten auf und ab gingen. »Wir leben in einer gefährlichen Zeit, und wenn jemand erfährt, daß ich … Nun, Sie wissen schon.«

»Krama, gerade jetzt benötige ich Infor­mationen. Sie wissen, daß sich alles im Um­bruch befindet. Der Imperator ist am Ende. Es ist ziemlich sicher, daß er innerhalb der nächsten Tage zurücktritt, ermordet wird oder zu einer der Randwelten flüchtet. Auf jeden Fall kann er sich nicht mehr länger als Imperator halten. In dieser Situation kommt es für uns alle darauf an, daß der richtige Mann Nachfolger Orbanaschols wird. Wir müssen endlich wieder einen sauberen und anständigen Imperator haben. Die Diktatur muß beendet werden. Wenn wir nichts tun, wird diese Diktatur durch eine andere abge­löst werden, und für uns ändert sich über­

6

haupt nichts.« »Hm, vielleicht haben Sie recht«, entgeg­

nete Krama zögernd. »Ich habe von Freunden gehört, daß zwei

Spione verhaftet worden sind, die in einem Container nach Arkon II gekommen sind. Ich muß wissen, wer diese Männer sind.«

»Warum wollen Sie das wissen?« fragte Krama verblüfft. »Was geht Sie das Schick­sal von zwei Spionen an?«

»Wir befinden uns im Umbruch. Das sag­te ich schon. Aus allen Teilen des Imperi­ums versuchen Gegner Orbanaschols nach Arkon zu kommen. Mittlerweile hat der Im­perator das System jedoch hermetisch abrie­geln lassen. Niemand kommt mehr durch.«

»Einige doch. Diese Spione beispielswei­se.«

»Eben. Sie sind ein hohes Risiko einge­gangen. Ich frage mich, warum sie das getan haben.«

»Woher sollte ich das wissen?« Dolf ging nicht auf diese Frage ein, son­

dern fuhr fort: »Sie sind Feinde Orbana­schols, und damit Freunde aller, die eben­falls gegen den Imperator sind. Vielleicht sind sie extrem wichtig für uns alle. Deshalb muß ich wissen, wer sie sind.«

»Ich weiß nur, daß jemand verhaftet wor­den ist. Zwei Männer. Das ist richtig.«

»Wo sind sie?« »Im Militärgefängnis.« »Könnten Sie für mich herausfinden, wer

sie sind?« Krama schüttelte entsetzt den Kopf. »Das ist unmöglich«, erwiderte er. »Wenn

ich mich bemühen würde, diese Informatio­nen zu bekommen, würde ich mich sofort verdächtig machen. Und dann wäre es aus mit mir. Nein, Sie müßten versuchen, einen der höchsten Offiziere des Gefängnisses auszuquetschen. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht.«

»Wer sind diese Offiziere?« »Was zahlen Sie?« »Soviel, daß Sie einige Tage lang spielen

und wetten können.« »Einverstanden. Schreiben Sie sich die

H. G. Francis

Namen auf.« Dolf nahm einen Zettel und einen Stift

hervor und wartete ab. Dann schrieb er, was Krama ihm diktierte: »Estopül, Lerctomr, Pharle, Ärxthrom, Beyze, Kra, Pittelkay.«

»Haben Sie eine Idee, wie man diese Offi­ziere anpacken könnte?« fragte Dolf.

Krama schüttelte grinsend den Kopf. Er wühlte sich mit den Fingern im Bart herum.

»Das müssen Sie schon selbst herausfin­den«, sagte er und tippte sich gegen die Ta­sche, in der die Kreditkarte steckte. »Ich warte, daß meine Karte ein Konto-Pluszeichen registrieren kann.«

»Das wird erledigt«, versprach Dolf. Er ging zu dem Zentralkomputer des Spielsa­lons, schob seine Kreditkarte in einen Zahl­schlitz und tippte die Kombination Kramas ein. Als dieser etwa zwei Minuten später kontrollierte, zeigte seine eigene Karte an, daß er weiterspielen konnte. Dankend nickte er Dolf zu, gab seine Wette ein und kehrte an den Kampfplatz zurück.

*

Cordogon öffnete die Servomatik an dem Tisch, an dem die beiden Gäste gesessen hatten. Dafür benötigte er einen Spezial­schlüssel, damit er das Banksiegel umgehen konnte. Doch diesen hatte er sich schon vor Jahren besorgt. Das war nicht weiter schwie­rig.

Vorsichtig entfernte er die Signalgeber, die normalerweise in der Zentralkontrolle einen Alarm ausgelöst hätten. Dann nahm er das Magnetband heraus und legte es in sei­nem Beobachtungsraum in ein Abspielgerät. Sekunden später kannte er die Kodenummer von Beyze.

Nachdem er diese herausgefunden hatte, gab er sie in den öffentlichen Informationsa­bruf ein. Danach brauchte er nur noch einige Minuten zu warten, bis er alle bekannten Daten von Beyze hatte. Diese Daten standen der Öffentlichkeit zur Verfügung. Werbe­agenturen, die verschiedenen Verwaltungs­apparate und Behörden, die Informations­

7 Gegner des Imperators

dienste und Verkaufsagenturen nutzten sie. Auf diese Weise erfuhr Cordogon, daß

Beyze 38 Jahre alt, Offizier der Militärpoli­zei mit untadeligem Werdegang und zur Zeit im zentralen Militärgefängnis von Arkon II eingesetzt war. Darüber hinaus waren Anga­ben über seine Wohnung, sein Einkommen und seine geschäftlichen Beziehungen ent­halten, die allerdings kaum erwähnenswert waren.

Immerhin wußte Cordogon nun, daß Bey­ze ziemlich viel zu verlieren hatte.

Cordogon brachte die Magnetspule wie­der an und schloß den Tisch. Dann überlegte er, wie er Beyze erpressen konnte.

Es gab zwei Möglichkeiten für ihn. Ent­weder zwang er ihn, Geld herauszurücken, oder er nutzte ihn für politische Zwecke aus. Cordogon hatte noch keine Entscheidung getroffen, als sich ein verspäteter Gast bei ihm meldete. Er gab das vereinbarte Summ­zeichen an der verschlossenen Tür, mit der er sich als Freund zu erkennen gab.

Cordogon ließ ihn ein. »Dolf«, sagte er überrascht. »So spät

noch. Hast du nur Durst, oder gibt es etwas, was ich wissen sollte?«

»Beides«, erwiderte Dolf. »Zunächst bin ich innerlich fast vertrocknet. Wenn du, dir Mühe gibst, kannst du eine Katastrophe ver­hindern. Aber, bitte, ich möchte etwas von deinem privaten Vorrat, nicht aus dem öf­fentlichen Hahn.«

Cordogon ging in seinen Beobachtungs­raum und kam mit einer bauchigen Flasche zurück. Er stellte zwei Gläser auf einen der Tische und schenkte ein. Dolf ließ ein paar Tropfen der grünlichen Flüssigkeit auf seine Zunge rinnen und verdrehte verzückt die Augen.

»Ich wußte doch, daß es bei dir einen ganz besonders guten Schluck gibt«, sagte er zufrieden und trank das Glas halb aus. »Aber jetzt hör zu. Heute sind zwei Spione verhaftet worden. Ein Verbindungsmann von mir deutete an, daß sie wirklich wichtig für uns sein könnten. Ich habe meine Bezie­hungen genutzt und herausgefunden, daß sie

im zentralen Militärgefängnis sitzen.« »Du meinst, wir sollten uns um sie küm­

mern?« »Allerdings«, erwiderte Dolf. »Du weißt,

was in diesen Tagen alles passieren kann. Lebo Axton rechnet damit, daß Orbanaschol gestürzt wird. Deshalb hat er die gesamte Organisation alarmiert und uns beauftragt, auf alles zu achten, was wichtig sein könn­te.«

»Das stimmt«, sagte Cordogon. »Axton hat durchblicken lassen, daß er

sogar eine heimliche Ankunft Atlans einkal­kuliert. Es ist ihm ja noch nicht gelungen, mit Atlan Verbindung aufzunehmen und sich mit ihm abzustimmen.«

»Ich verstehe, was du damit sagen willst«, unterbrach ihn Cordogon. »Du meinst, jeder, der hier heimlich auftaucht, könnte Atlan sein.«

»Allerdings.« »Ich hoffe noch immer, daß Atlan mit ei­

ner schlagkräftigen Flotte erscheint und Or­banaschol in die Knie zwingt.«

Dolf schüttelte den Kopf. »Wie ich auf Umwegen von Axton hörte,

glaubt dieser nicht daran. Was würde denn passieren, wenn Atlan tatsächlich mit einer Flotte anrückte? Die Flotte Orbanaschols würde sich keineswegs sofort auf die Seite des Kristallprinzen schlagen, auch nicht, ob­wohl dieser der legale Nachfolger Gonozals VII. ist. Eine solche Aktion würde ja einer Meuterei gleichkommen, und diese hätte tödliche Folgen für den Fall, daß es Atlan nicht gelingt, sich durchzusetzen. Atlan wird daher nicht angreifen, meint Axton. Er wird keinen Bürgerkrieg auslösen, weil die einzi­gen wirklichen Nutznießer davon nur die Methanatmer wären. Diese könnten die Si­tuation für sich nutzen und mit geballter Macht über uns herfallen. Die strategischen Vorteile für die Methans wären so groß, daß wir dabei nur verlieren können.«

»Du hast recht«, stimmte Cordogon ein. »Atlan wird nicht mit großem Gefolge kom­men, sondern sozusagen auf leisen Sohlen.«

»Und das kann schiefgehen. Er kann er­

8

wischt werden, und dann steht er ziemlich allein da.«

»Ja«, sagte Cordogon. »Wenn es so ist, dann können diese beiden angeblichen Spio­ne tatsächlich Atlan und ein Freund von ihm sein.«

»Genau das müssen wir herausfinden.« »Aber wie? Warst du schon einmal im

Militärgefängnis?« »Natürlich nicht.« »Aber ich. Allerdings unter falschem Ver­

dacht. Ich wurde schon nach einer Stunde wieder freigelassen. Immerhin habe ich das Gefängnis von innen gesehen. Es gleicht ei­ner Festung.«

»Wir müssen ja nicht einsteigen«, wandte Dolf ein. »Es genügt, wenn wir uns die In­formationen beschaffen. Ich kann Bilder be­sorgen, die Atlan zeigen, so wie er wahr­scheinlich aussieht. Du weißt, daß Axton entsprechende Unterlagen für die verschie­denen Stützpunkte der Organisation heraus­gegeben hat. Deine Aufgabe wird es sein, dafür zu sorgen, daß wir jemanden im Ge­fängnis haben, der sich die beiden Gefange­nen genau ansehen und sie dann identifizie­ren kann.«

»Ich habe jemanden«, sagte Cordogon. »Hast du schon einmal etwas von Beyze ge­hört?«

Dolf blickte überrascht auf. »Allerdings«, sagte er argwöhnisch.

»Gerade vor einer Stunde. Was ist mit ihm?«

Cordogon berichtete.

2.

Beyze öffnete selbst. Prüfend blickte er Cordogon an.

»Was kann ich für Sie tun?« fragte er und sah auf sein Chronometer. »Ich nehme an, Sie haben gute Gründe, mich so spät noch zu stören?«

»Die habe ich«, antwortete Cordogon energisch. »Verstehen Sie, was ich meine, wenn ich Ihnen den Namen Malok nenne?«

Beyze preßte die Lippen zusammen. Sei-

H. G. Francis

ne Augen begannen zu tränen. Das war ein deutliches Zeichen seiner Erregung. Er trat zur Seite und ließ seinen Besucher eintreten. Er schloß die Tür und führte Cordogon da­nach in den schlicht eingerichteten Wohn­raum.

»Malok«, sagte er nachdenklich. »Irgendwo habe ich den Namen schon ein­mal gehört.«

Cordogon lachte ihm ins Gesicht. »Ich nehme an, viel deutlicher haben Sie

seinen Hilfeschrei gehört, als er vom Dachrestaurant in die Tiefe stürzte. Ihnen müssen die Ohren geklungen haben.«

»Ich verstehe nicht …«, sagte Beyze stammelnd.

Cordogon fackelte nicht lange. Er warf ei­nige Bildabzüge, die er von seinem Vi­deoaufzeichnungsgerät hatte herstellen las­sen, auf den Tisch. Sie zeigten die Szenen des Kampfes zwischen Malok und Beyze.

»Ich war Zeuge«, erklärte Cordogon er­gänzend. »Ich habe gesehen, wie Sie Malok in die Tiefe stürzten. Ich habe den Toten auch im Gras liegen gesehen, und ich habe beobachtet, wie Sie ihn abtransportierten. Genügt das?«

Beyze ließ sich in einen Sessel sinken. Er vergrub das Gesicht in den Händen.

»Was wollen Sie von mir?« fragte er schluchzend. »Ich bin kein wohlhabender Mann. Ich bin Offizier, und was die verdie­nen, wissen Sie vermutlich. Davon kann man keine großen Sprünge machen.«

Cordogon setzte sich. Er triumphierte. Er hatte Beyze viel schneller in den Griff be­kommen, als er erwartet hatte.

»Ich will kein Geld«, sagte er ruhig. »Informationen sind mir wichtiger.«

»Ich bin kein Verräter«, erwiderte Beyze hitzig.

»Das ist Ihre Sache«, sagte Cordogon und erhob sich. Er ging zur Tür. »Sie müssen wissen, was Sie tun.«

»Halt. Warten Sie«, rief Beyze. »Vielleicht können wir doch darüber reden. Sagen Sie mir, worum es geht.«

»Heute sind zwei angebliche Spione ver­

9 Gegner des Imperators

haftet worden«, erläuterte Cordogon und kehrte zu seinem Sessel zurück. »Ich möchte wissen, wer diese Männer sind.«

Beyze blickte ihn verblüfft an. »Nichts weiter?« fragte er erleichtert. »Nichts weiter. Zeigen Sie mir die Spio­

ne. Ich will also keine Bilder, weil ich dann nicht weiß, ob sie wirklich die beiden Ver­hafteten darstellen. Ich will sie sehen.«

»Aber auch dann wissen Sie nicht, ob es die richtigen sind. Ich könnte Ihnen irgend­welche Gefangenen vorführen lassen.«

Cordogon lächelte nur. Er blickte Beyze ruhig an, bis dieser unsicher wurde und den Kopf senkte.

»Glauben Sie mir«, sagte Cordogon sanft. »Ich verlasse mich nicht nur auf Sie. Ich ha­be auch noch andere Informationen. Sie werden mich nicht hinters Licht führen.«

»Also schön«, entgegnete Beyze, nach­dem er einige Minuten lang nachgedacht hatte. »Ich werde Ihnen die Möglichkeil ge­ben, die Gefangenen zu sehen.«

»Das ist ein vernünftiger Vorschlag. Ich bin einverstanden. Sobald Sie mir die Ge­fangenen vorgeführt haben, werde ich Ihnen das Videoband und die Abzüge geben.« Cordogon erhob sich. »Wann ist es soweit?«

»In ungefähr drei Wochen.« Cordogon zuckte zusammen. Seine Augen weiteten sich. Zunächst verschlug ihm diese Antwort die Sprache, doch allmählich fing er sich wieder.

»Beyze«, sagte er endlich. »Noch in die­ser Nacht will ich die Gefangenen sehen. Wenn Sie das nicht schaffen, sind Sie mor­gen ein toter Mann. Pünktlich um 9 Uhr werde ich das Videoband an die zentrale Computererfassung weiterleiten.«

Beyze sprang erregt auf. Heftig gestiku­lierend redete er auf Cordogon ein, bis die­ser ihn unterbrach.

»Je länger Sie mit mir diskutieren, desto geringer ist Ihre Chance«, erklärte er ener­gisch. Er drehte sich um und ging zur Tür. »Sie wissen ja, wo Sie mich erreichen. Ru­fen Sie mich an, wenn es soweit ist. Ich weiß, daß Sie es schaffen können.«

Selbstsicher verließ Cordogon die Woh­nung. Beyze stand wie erstarrt mitten im Wohnsalon, bis die Tür hinter seinem Besu­cher zugefallen war. Dann huschte ein Lä­cheln über seine Lippen. Er ging zu einer Tür und öffnete sie. In einem angrenzenden Raum saß ein Mann in einem Sessel. Als er Beyze sah, erhob er sich und kam zu ihm.

»Nun?« fragte er und strich sich mit bei­den Händen das Haar zurück. An seinen Fin­gern blitzten kostbare Ringe. »Wie sieht es aus?«

*

Der Gleiter verharrte schwebend direkt über der Dachterrasse. Cordogon, der mit ei­nem derartigen Besuch gerechnet hatte, blieb hinter einer Säule stehen und wartete ab. In der rechten Hand hielt er einen Para­lysator.

Die Seitentür des Gleiters öffnete sich, und Beyze sprang auf die Dachterrasse hin­unter. Er blickte sich suchend um. Cordogon kam hinter der Säule hervor.

»Es ist soweit«, sagte Beyze. »Wir kön­nen direkt zum Gefängnis fliegen. Ich habe Besuchsunterlagen besorgt.«

Cordogon nickte nur. Er kletterte in den Gleiter und überzeugte sich davon, daß sich niemand darin versteckt hatte. Beyze stieg auf den Fahrersitz.

»Es ist alles in Ordnung«, erklärte er ner­vös. »Sie brauchen keine Angst zu haben.«

Dann startete er. Die Maschine raste mit hoher Geschwindigkeit durch die Nacht, und schon nach wenigen Minuten tauchte das Militärgefängnis vor den beiden Männern auf. Es war ein einfacher Kuppelbau von et­wa hundert Meter Höhe. Der Gleiter flog durch eine Schleuse in halber Höhe ein und passierte eine robotische Kontrolle, die Bey­ze mit einer Erlaubniskarte bewältigte.

In einem Parkraum setzte er den Gleiter ab.

»Sie sagen kein Wort«, befahl er. »Überlassen Sie alles mir.«

Cordogon nickte nur. Er war ebenso ner­

10

vös wie der Offizier. Ein kleiner Fehler konnte ihm zum Verhängnis werden.

Die beiden Männer stiegen aus und gin­gen einen Flur entlang, der an einer vergit­terten Tür endete. Hier wies Beyze erneut seinen Ausweis vor. Er hielt ihn vor eine Robotlinse. Die Tür glitt zur Seite, und aus einem Wachraum kamen zwei einfache Sol­daten. Als sie Beyze sahen, salutierten sie und kehrten wortlos in die Wachstube zu­rück.

Von nun an operierte der Offizier mit ei­genen Schlüsseln. Eine Tür nach der ande­ren öffnete sich vor ihm, ohne daß sich ih­nen jemand in den Weg stellte. Schließlich standen sie vor einem Panzerschott. Beyze deutete auf eine Sichtluke.

»Genügt es Ihnen, wenn Sie hindurchse­hen?« fragte er.

Cordogon schüttelte den Kopf. »Woher soll ich wissen, ob Sie nicht di­

rekt hinter diesem Fenster ein 3-D-Video aufgebaut haben?« fragte er spöttisch. »Nun sind wir so weit gekommen, daß wir auch noch die letzte Tür öffnen können.«

Der Offizier zuckte mit den Schultern und schloß die Tür auf. Das Schott glitt langsam zur Seite. Auf einfachen Pritschen saßen zwei Männer. Beide blickten auf, erhoben sich jedoch nicht.

»Nun? Wer sind Sie?« erkundigte sich Beyze.

Cordogon biß sich auf die Lippen. Die Kehle schnürte sich ihm zu. Er wußte, daß er Atlan vor sich sah. Dieser Mann entsprach in seinem Aussehen bis ins Detail der Be­schreibung, die Lebo Axton von ihm gege­ben hatte. Cordogon war, als habe er Atlan schon etliche Male vorher gesehen. Nicht der geringste Zweifel blieb in ihm. Er wußte allerdings nicht, wer der Mann an der Seite des Kristallprinzen war. Der Mann bot einen geradezu exotischen Anblick, obwohl er ebenso wie Atlan den schlichten, grauen An­zug der Militärgefangenen trug. Cordogon prägte sich das Aussehen dieses Mannes fest ein, um ihn später gut beschreiben zu kön­nen.

H. G. Francis

»Ich weiß es nicht«, antwortete Cordo­gon. »Ich kenne sie nicht.«

Er glaubte, sehen zu können, daß Atlan aufatmete.

»Was soll diese Ruhestörung?« fragte der Begleiter des Kristallprinzen ärgerlich. »Kann man nicht einmal in Ruhe schlafen?«

Beyze ließ die Tür wortlos zugleiten. »Wir verschwinden«, sagte er. »Es wird

Zeit.« Die beiden Männer verließen das Militär­

gefängnis, ohne aufgehalten zu werden. We­nig später flogen sie im Gleiter zum Restau­rant Cordogons zurück. Sie stiegen aus der Maschine, und Beyze streckte die Hand aus.

»Die Unterlagen«, forderte er. »Warten Sie einen Moment«, bat Cordo­

gon. »Ich bin gleich wieder da.« »Glauben Sie nur nicht, daß Sie mir ent­

wischen können«, sagte der Offizier dro­hend. »Wenn Sie versuchen, mich zu betrü­gen, werden Sie eine Überraschung erle­ben.«

»Das habe ich nicht vor«, beteuerte Cor­dogon. Er drehte sich um und ging davon. Minuten später kehrte er zurück. Er übergab Beyze ein kleines Päckchen. Kaum hatte der Offizier es in Empfang genommen, als er aus seinem Gürtel einen zierlichen Nadel­strahler hervorzog und auf Cordogon richte­te.

Dieser zeigte sich jedoch nicht beein­druckt.

»Mein lieber Freund«, sagte der Gastwirt. »Seit wir hier gelandet sind, zielt ein Be­kannter von mir mit einem schweren Ener­giestrahler auf Sie. Verschwinden Sie lieber, bevor wir nervös werden.«

Beyze steckte die Waffe wieder weg und zog sich rückwärts schreitend zum Gleiter zurück. Er sprang in die Kabine und startete.

Cordogon blickte ihm lachend nach. Dolf kam aus dem versteckt angelegten

Beobachtungsraum. Er trug einen Energie­strahler in der Armbeuge.

»Nun?« sagte er. »Hat alles geklappt?« »Bestens«, antwortete Cordogon. Er pack­

te den Freund an den Armen. »Es ist Atlan,

11 Gegner des Imperators

der Kristallprinz. Er ist es wirklich.« Dolf setzte sich an einen Tisch und be­

stellte sich ein hochprozentiges Getränk, während Cordogon aufgeregt berichtete. Als Dolf getrunken hatte, sagte er: »Wir haben zwei Dinge zu tun. Erstens müssen wir Lebo Axton sofort unterrichten. Zweitens müssen wir Atlan und seinen Begleiter befreien. Wir müssen auf jeden Fall verhindern, daß sie als Spione hingerichtet werden.«

»Ganz klar«, sagte Cordogon zustim­mend. »Ich werde Axton von hier aus be­nachrichtigen.«

»Per Funk ist, zu gefährlich«, wandte Dolf ein. »Wir können eigentlich nur eine Briefpost riskieren. Wenn wir uns beeilen, erreicht sie den nächsten Kurierpostraumer. Axton wird die Nachricht rechtzeitig erhal­ten.«

»Gut«, sagte Cordogon zustimmend. »Ich setze den Brief eben auf.«

Er blickte auf sein Chronometer. »Es bleibt noch Zeit genug, ihn zu ver­

schlüsseln.«

*

Eihrett Khantron war ein untersetzter Mann mit schlaffen, müde wirkenden Ge­sichtszügen. Das weiße Haar reichte ihm bis zu den Hüften. Vier Spangen hielten es zu einem zopfartigen Gebilde im Rücken zu­sammen.

Khantron befand sich in einem Regie­rungsbüro, als Beyze eintrat. Der ehemalige Präsident des Komitees von Arkon III hatte das Amt des höchsten Beamten von Arkon II übertragen bekommen. Er war der unum­schränkte Herrscher über den Handels- und Industrieplaneten.

Beyze legte schweigend ein Schreiben vor Khantron auf den Tisch.

»Was hat Cordogon durchgegeben?« frag­te Khantron.

»Was wir erwartet hatten«, erwiderte der Offizier. »Er identifizierte einen Gefangenen im Militärgefängnis als Atlan, den Kristall­prinzen.«

»Also doch«, entfuhr es Khantron. »Haben Sie auch herausgefunden, wer der Kontaktmann auf Arkon I ist? An wen war der Brief gerichtet?«

»Eine verschlüsselte Adresse«, antwortete Beyze. »Wir konnten das noch nicht klären. Ich bin mir dessen jedoch sicher, daß wir in einigen Tagen wissen werden, wer der Drahtzieher hinter der oppositionellen Orga­nisation ist. Bisher konnten wir nur heraus­finden, daß diese Organisation sich Organi­sation Gonozal VII. nennt. Der Mann, der sie leitet, muß eine einflußreiche Persönlich­keit am Hof sein.«

Eihrett Khantron strich sich nachdenklich mit den Fingerspitzen über die Lippen.

»Wir müssen diesen Mann so bald wie möglich identifizieren«, sagte er.

»Wir arbeiten intensiv an der Lösung die­ser Frage.«

»Tun Sie noch mehr, Beyze. Wir müssen uns darüber klar sein, daß dieser Mann seine Macht benutzen könnte, Orbanaschol zu stürzen und sich selbst zum Imperator zu er­heben. Das ist fraglos der Sinn dieser Orga­nisation Gonozal VII.«

»Davon bin ich auch überzeugt«, antwor­tete der Offizier. Er lächelte flüchtig. »Doch Sie halten die stärkeren Trümpfe in der Hand, wenn Sie mir diese Bemerkung erlau­ben. Sie haben Atlan.«

»Sie meinen also, wir können sicher sein, daß er es ist?«

»Die Überlegung war, Atlan von einem prominenten Mitglied der Organisation Go­nozal VII. identifizieren zu lassen. Cordogon ist der hiesige Leiter der Organisation. Er ist besser informiert als jeder andere dieser Re­bellen. Der Name Gonozal VII. deutet auf eine enge Verbindung zu Atlan hin. Also konnten wir davon ausgehen, daß Cordogon Atlan entweder kennt, oder genau weiß, wie er aussieht. Unser Plan war ein Volltreffer.«

»Ich werde Sie für Ihre Idee noch beloh­nen«, versprach Eihrett Khantron. »Beim Neuaufbau des Imperiums kann ich Männer wie Sie gebrauchen. Machen Sie weiter so.«

Beyze salutierte geschmeichelt und ver­

12

ließ das Büro. Bevor die Tür sich hinter ihm schloß, rief Khantron ihm nach: »Verhaften Sie Cordogon!«

*

Cordogon war ahnungslos, als Beyze zu­sammen mit zwei Männern sein Dachrestau­rant betrat. Er saß in seiner Beobachtungska­bine und verfolgte die 3-D-Nachrichten. Beyze und seine Begleiter gingen auf den Spiegel zu. Cordogon glaubte, daß sie sich an den Tisch davor setzen würden. Doch Beyze zog einen Energiestrahler und zer­schlug den Spiegel mit dem Kolben der Waffe. Der Offizier grinste breit, als er das verbluffte Gesicht des Gastwirts sah.

»Kommen Sie heraus aus Ihrem Ver­steck«, forderte er ihn auf und richtete den Projektor der Waffe auf ihn.

Cordogon begriff, daß er einem Intrigen­spiel zum Opfer gefallen war, als er Malok in das Restaurant kommen sah. Der mit Rin­gen und Ketten geschmückte Arkonide setz­te sich überheblich lächelnd an einen der Ti­sche und bestellte etwas mit Hilfe seiner Kreditkarte.

Mit erhobenen Händen trat Cordogon aus der Kabine. Die anderen Gäste seines Re­staurants beobachteten das Geschehen, ohne einzugreifen.

Cordogon schüttelte den Kopf. »Das verstehe ich nicht«, sagte er zu Bey­

ze. »Wozu das alles? Warum haben Sie mich hereingelegt?«

»Wir mußten den jüngeren der Gefange­nen eindeutig identifizieren«, antwortete der Offizier. »Und wer hätte das besser tun kön­nen als seine Freunde?«

»Ihr hättet die Wahrheit mit Drogen oder mit der Folter aus ihm herausholen können.«

Jetzt schüttelte Beyze den Kopf. »An einem seelisch oder körperlich zer­

störten Atlan sind wir nicht interessiert.« Cordogon ließ die Hände sinken. Ratlos

blickte er den Offizier an. »Glaubt ihr denn wirklich, daß Orbana­

schol seinen Kopf dadurch noch retten kann,

H. G. Francis

daß ihr ihm Atlan ans Messer liefert?« Beyze lachte abfällig. »Wer will denn den Kopf Orbanaschols

noch retten?« fragte er laut, ohne sich darum zu kümmern, daß die Gäste des Restaurants ihn hören konnten. »Und jetzt los. Wir ha­ben uns lange genug aufgehalten.«

Cordogon ging an Malok vorbei. Grim­mig blickte er den Mann an, den er für tot gehalten hatte. Jetzt war ihm alles klar. Bey­ze und Malok hatten ihn geblufft. Beyze hat­te Malok im gespielten Streit über die Brü­stung geworfen. Malok war jedoch dabei nichts passiert, weil er sich mit einem Anti­gravgürtel abgefangen hatte. Cordogon be­schloß in diesen Sekunden, seinem Leben bei der ersten sich bietenden Gelegenheit ein Ende zu bereiten. Er hatte Atlan verraten, den Mann, den er mehr verehrte als jeden anderen. Darüber hinaus hatte er aber auch die Organisation Gonozal VII. in Gefahr ge­bracht. Ihm war klar, daß Beyze und die Männer, die hinter ihm standen, die Nach­richt für Axton abgefangen hatten.

Als er den Ausgang des Restaurants er­reichte, begriff er, daß man alles aus ihm herausholen würde, was er wußte. Bei ihm war es unwichtig, ob er am Ende ein phy­sisch und psychisch gebrochener Mann war. Er war kein Atlan, sondern für jene, die hin­ter Beyze standen, nur als Informant wich­tig.

Cordogon wußte, daß er schon jetzt so gut wie tot war. Er fuhr blitzschnell herum, stieß den überraschten Beyze zur Seite und rannte quer durch das Restaurant.

»Stehenbleiben!« schrie ihm der Offizier zu, ohne die wahren Absichten Cordogons zu erkennen. Er feuerte seinen Energiestrah­ler ab, zielte jedoch absichtlich vorbei.

Cordogon schnellte sich mit einem Satz über die Brüstung des Dachrestaurants hin­weg, passierte das Sicherheitsgitter und stürzte in die Tiefe.

Kein Antigravgürtel rettete ihn.

3.

13 Gegner des Imperators

Die Panzertür öffnete sich. Ein untersetzt gebauter Arkonide richtete einen Paralysator auf Atlan und sagte:

»Kommen Sie heraus.« Atlan erhob sich zögernd. Er warf Fartu­

loon einen fragenden Blick zu. Die höfliche Tonart, die der Wächter anschlug, über­raschte ihn.

»Bitte, beeilen Sie sich. Wir haben nicht sehr viel Zeit.« Die Wache lächelte freund­lich. »Und machen Sie sich keine Sorgen um Ihren Freund. Sie werden in spätestens drei Stunden wieder hier sein.«

Atlan strich sich die Jacke seines Gefan­genenanzugs glatt und verließ die Zelle. Er streckte dem Wächter die Hände entgegen, aber dieser legte ihm keine Fesseln an.

»Ich bin sicher, daß Sie keinen Fluchtver­such unternehmen werden«, sagte er. »Es wäre Ihr Tod.«

Sie schritten einen schmalen Gang ent­lang bis zu einer Gittertür. Dahinter standen drei weitere Wächter. Sie waren mit Ener­giestrahlern bewaffnet und nahmen Atlan sofort in ihre Mitte, als er die Tür passiert hatte. Einer der Offiziere stellte sich ihm vor. Er hatte ihn bereits gesehen.

»Mein Name ist Beyze«, sagte er. »Der Präsident des Komitees von Arkon II möch­te mit Ihnen sprechen. Ich habe den Auftrag, Sie zu ihm zu führen. Ich bitte Sie, vernünf­tig zu sein. Sollten Sie einen Fluchtversuch unternehmen, werde ich Sie auf der Stelle töten lassen.«

Seine Miene ließ keinen Zweifel daran, daß er es ernst meinte.

»Ich werde mir anhören, was der Präsi­dent mir zu sagen hat«, versprach Atlan.

Die Offiziere führten ihn zu einem Gleiter und flogen mit ihm zu einem Trichtergebäu­de, das etwa eine Flugstunde weit entfernt war. Dann geleiteten sie ihn in die luxuriös eingerichteten Räume der obersten Verwal­tungsbehörde von Arkon II. Schließlich stand Atlan einem untersetzten Mann mit auffallend schlaffen Gesichtszügen gegen­über.

»Ich bin Eihrett Khantron«, sagte der Prä­

sident des Komitees. Er streckte Atlan die Hand entgegen. Zögernd schlug der recht­mäßige Nachfolger Gonozals VII. ein. Er mochte Khantron nicht. Der Mann machte einen verschlagenen und berechnenden Ein­druck auf ihn. Er ließ sich in die Polster ei­nes auf einem Antigravfeld schwebenden Sesselelements sinken.

»Atlan«, sagte Eihrett Khantron. »Mir war von Anfang an klar, daß Sie nicht mit einer Flotte anrücken, sondern sozusagen durch die Hintertür kommen würden.«

»Atlan?« Der Kristallprinz krauste die Stirn. »Sie nennen mich Atlan? Wieso?«

Eihrett Khantron, der ihm gegenüber Platz genommen hatte, legte die Fingerspitzen sei­ner Hände aneinander und blickte ihn dar­über hinweg spöttisch lächelnd an.

»Lassen wir das«, bat er. »Sie sind abso­lut einwandfrei identifiziert worden. Ich weiß, daß Sie Atlan, der Kristallprinz, und der Sohn Gonozals VII. sind. Genügt das?«

Atlan überlegte. Eihrett Khantron machte einen absolut selbstsicheren Eindruck auf ihn. In seiner Stimme klang nicht der leise­ste Zweifel mit. Es hatte keinen Sinn, sich vor ihm zu verstellen. Er wußte Bescheid.

»Sie haben recht«, erwiderte Atlan daher. »Ich bin der, für den Sie mich halten. Und ich bin hier, um meine rechtmäßigen An­sprüche auf den Thron geltend zu machen.«

»Mit leeren Händen«, stellte Khantron fest. »Sie sind ein Gefangener, und eine ein­zige Unterschrift von mir genügt, Sie auf der Stelle wegen Widerrechtlichen Eindringens in das Arkon-System und diverser anderer Vergehen hinrichten zu lassen. Sie würden als Namenloser vor einen Desintegrator­strahler treten und von der Oberfläche ver­schwinden, als hätte es Sie nie gegeben.«

Atlan preßte die Lippen zusammen. Er wußte, daß Khantron Recht hatte. Er war oh­ne jede Rückendeckung nach Arkon gekom­men. Er hatte das über Arkon hereinbre­chende Chaos gesehen und befürchtet, den richtigen Einstieg in das politische Gesche­hen zu verpassen. Dabei hatte er übereilt ge­handelt, wie seine augenblickliche Situation

14

allzu klar bewies. Atlan beugte sich vor. »Was wollen Sie von mir?« fragte er. »Ich will Sie zum Imperator machen«,

antwortete Eihrett Khantron.

*

Malok verließ etwa zur gleichen Zeit auf Arkon I ein Kurierschiff. Er hatte den Auf­trag, herauszufinden, wer der Leiter der Or­ganisation Gonozal VII. war. Doch diese Frage interessierte ihn weit weniger, als Beyze annahm. Vom Raumhafen aus führte er einige Videogespräche. Dann nahm er einen Mietgleiter und flog damit nach Nor­den. Nach zwei Stunden erreichte er eine ausgedehnte Parklandschaft, die sich um einen großen See herumzog. Er landete bei einem unter Baumkronen versteckten Land­haus. Kaum hatte der Gleiter aufgesetzt, als zwei bewaffnete Roboter herbeieilten und sich vor ihm aufbauten.

»Mein Name ist Malok«, sagte der Beauf­tragte Beyzes. »Ich möchte den Dreifachen Sonnenträger Spronthrok sprechen.«

»Der Kommandeur ist nicht zu sprechen«, antwortete einer der beiden Roboter mit me­lodischer Stimme. »Er will auf keinen Fall gestört werden.«

»Ich bleibe«, erklärte Malok. »Ich habe so wichtige Nachrichten für Spronthrok, daß ich auf gar keinen Fall gehen werde.«

»Der Kommandeur ist nicht zu sprechen«, wiederholte der Roboter.

»Frage ihn«, forderte Malok. »Sage ihm, daß es um die Macht im Imperium geht.«

Der Roboter drehte sich um und eilte mit weit ausholenden Schritten davon, während der andere blieb. Einige Minuten verstri­chen, dann sagte der Roboter, der vor Malok stand: »Der Kommandeur bittet Sie, ins Haus zu kommen.«

»Na, also«, sagte Malok grinsend. Er schritt hinter dem Roboter her. Der

Automat führte ihn in einen Wohnsalon, dessen Fensterfront zum See hin lag. Der Raum war ungewöhnlich luxuriös eingerich-

H. G. Francis

tet. Jeder Einrichtungsgegenstand zeugte von Reichtum. Teppiche und Schmuck­stücke verrieten, daß Spronthrok schon auf vielen Planeten der Galaxis gewesen war.

Der Dreifache Sonnenträger trat ein, als Malok sich gerade gesetzt hatte. Er war nur mit einer Badehose bekleidet. Weiße Haare bedeckten fast seinen gesamten Oberkörper. Spronthrok war ein noch junger Mann. Ma­lok schätzte ihn auf etwa fünfzig Jahre. Er war schwergewichtig, hatte aber ein fast as­ketisch wirkendes Gesicht. Dieser Gegen­satz verwirrte Malok, der den Flottenkom­mandanten zum ersten Mal sah. Bisher hatte er lediglich einige schriftliche Informationen mit ihm ausgetauscht und ihm einige Bilder verkauft.

»Was gibt es?« fragte Spronthrok und wies seinen Besucher mit einer knappen Ge­ste an, sich wieder zu setzen. Er ließ sich in einen Sessel sinken und musterte ihn. »Weshalb stören Sie mich?«

»Weil ich Informationen für Sie habe, die äußerst wichtig sind«, antwortete Malok.

»Heraus damit«, forderte der Komman­deur. »Halten Sie mich nicht länger auf als unbedingt notwendig.«

»Sie können die Informationen haben«, antwortete Malok vorsichtig. »Allerdings nicht umsonst.«

Spronthrok überlegte nicht lange. »Wieviel?« fragte er. »100.000 Chronners.« Spronthrok erhob sich. »Damit ist das Gespräch zu Ende«, sagte

er ärgerlich. »Es gibt keine Information, die soviel wert wäre.«

Malok blieb gelassen sitzen. »Ich weiß, daß Sie sich darum bemühen,

Nachfolger Orbanaschols zu werden«, er­klärte er. »Oder daß Sie zumindest die Macht an sich reißen wollen und dabei er­wägen, jemanden als Imperator einzusetzen, den Sie nach Ihrem Willen dirigieren kön­nen.«

»Erstaunlich«, sagte Spronthrok. »Sie wa­gen es, mir so etwas zu sagen?«

»Warum nicht?« fragte Malok. »Mir ist es

15 Gegner des Imperators

egal, ob Sie Imperator werden oder irgend­ein anderer. Mich interessiert nur, ob ich Geld dabei verdienen kann. Und ich habe ei­ne Information, die das wert ist, was ich for­dere.«

Spronthrok setzte sich wieder. »Also gut«, sagte er. »Ich werde zahlen,

wenn das stimmt. Was können Sie mir an­bieten?«

»Atlan, der Kristallprinz, befindet sich im Arkon-System.«

Der Dreifache Sonnenträger zuckte zu­sammen. Er fuhr sich hastig über die Augen, die heftig zu tränen begannen.

»Das ist allerdings eine Information, die es in sich hat. Sie glauben, daß er seine Machtansprüche anmelden wird?«

»Davon bin ich überzeugt.« »Wo ist er?« »Das werden Sie erst erfahren, wenn wir

die finanzielle Seite geregelt haben.« Malok beobachtete den Flottenkomman­

deur, der einer der mächtigsten Militärs des Imperiums war. Seinem Befehl unterstand der größte Teil der arkonidischen Flotte. Da­her hatte er die besten Voraussetzungen, die Macht über das Imperium an sich zu reißen. Er konnte sich mit Hilfe des militärischen Potentials, das hinter ihm stand, durchaus zum Imperator erheben. Malok glaubte, daß seine Chancen sogar noch erheblich größer waren als die von Eihrett Khantron, von dem er wußte, daß auch er Ambitionen auf den Thron hatte.

»Ich bin einverstanden«, sagte Spron­throk. »Sie bekommen das Geld, wenn Sie mir garantieren, daß Sie Stillschweigen be­wahren.«

*

»Nun, was sagen Sie dazu?« fragte Eihrett Khantron, als Atlan nicht auf seine Eröff­nung antwortete.

»Ich bin gerührt«, spöttelte Atlan. »Ich scherze nicht«, erklärte Khantron

verärgert. »Ich habe Ihnen ein ehrliches An­gebot gemacht, und ich erwarte eine klare

Antwort von Ihnen.« »Sie wollen eine Galionsfigur«, sagte At­

lan ruhig. »Sie wollen eine Marionette, die nach Ihren Befehlen tanzt. Glauben Sie wirklich, ich würde Ihnen freiwillig das überlassen, was mir rechtmäßig zusteht?«

»Sie haben keine andere Wahl«, behaup­tete Khantron. »Entweder erfüllen Sie meine Forderung, oder Sie treten vor ein Hinrich­tungskommando.«

Atlan winkte verächtlich lächelnd ab. »Wissen Sie«, sagte er, »das habe ich in

letzter Zeit schon häufig getan, aber es kam immer irgend etwas dazwischen.«

»Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß wir hier und jetzt eine Entscheidung fällen werden, an der später nichts mehr geändert wird. Wenn Sie meinen Vorschlag ablehnen, dann werde ich den amtierenden Imperator augenblicklich darüber informieren, daß Sie hier sind. Orbanaschol wartet schon seit Jah­ren darauf, Sie endlich erledigen zu kön­nen.«

Atlan überlegte. Er dachte nicht daran, sich von Khantron zu einer Marionette ma­chen zu lassen. Ihm wurde jedoch bewußt, daß er die politischen Machtverhältnisse im Kern des Imperiums viel zu wenig kannte. Er hatte sich seinen Einzug nach Arkon stets ganz anders vorgestellt. Er war immer davon überzeugt gewesen, daß er mit einer Macht­fülle in Arkon einziehen würde, die Kompli­kationen von vornherein ausschloß, wie sie jetzt auftraten.

Er stand tatsächlich mit leeren Händen da, wie Khantron es gesagt hatte. In dieser Si­tuation mußte er höchste Vorsicht walten lassen. Es wäre ein fataler Fehler gewesen, sich sofort an den ersten machthungrigen Politiker auszuliefern, der ihm begegnete.

»Sie würden sich alle Chancen für die Zu­kunft selbst zerstören, wenn Sie mich an Or­banaschol ausliefern«, behauptete Atlan ru­hig. »Das wissen Sie selbst. Orbanaschol ist in der Öffentlichkeit verhaßt. Ich genieße ein recht hohes Ansehen, obwohl man mich in Arkon kaum kennt. Wenn Sie mich ans Messer liefern, schaffen Sie sich eine Oppo­

16

sition, die Ihnen alle Wege verbaut.« Eihrett Khantron nickte. »Das wäre möglich«, antwortete er.

»Können Sie es sich jedoch leisten, über die­se Dinge nachzudenken?«

»Ich glaube schon.« Atlan war sich dessen bewußt, daß sein

vordringlichstes Problem war, die Öffent­lichkeit darüber zu informieren, daß er im Arkon-System war. Nur dadurch konnte er hoffen, schnell eine ausreichend große Schar von Freunden um sich sammeln zu können, die ihm half, sich durchzusetzen. Er traute Khantron ohne weiteres zu, daß dieser ihn ermorden ließ oder Orbanaschol auslieferte, was keinen Unterschied machte.

Eihrett Khantron zögerte. Schließlich aber nickte er und sagte einlenkend: »Sie haben eine Stunde Zeit, über meinen Vorschlag nachzudenken. Dann müssen Sie sich ent­scheiden. Entweder spielen Sie die Rolle, die ich Ihnen zugedacht habe, oder ich liefe­re Sie an Orbanaschol aus. Das wäre dann das sichere Ende für Sie.«

Er stand auf und gab Atlan damit zu ver­stehen, daß das Gespräch beendet war.

*

»Sind Sie zufrieden?« fragte Spronthrok, als er die geforderte Summe mit Hilfe seiner Bankkarte von seinem Konto auf das Ma­loks überwiesen hatte. Dazu hatte er nicht mehr tun müssen, als die Karte in einen Schlitz seines Hauscomputers zu schieben und einige Daten in die Tastatur zu tippen.

Malok schwindelte. Bis zu diesem Augen­blick hatte er fest damit gerechnet, daß der Dreifache Sonnenträger ihn herunterhandeln würde. Er war entschlossen gewesen, bis auf zehn Prozent seiner ursprünglichen Förde­rung herunterzugehen. Und nun hatte er al­les bekommen. Er hatte Mühe, seine Gefüh­le vor Spronthrok zu verbergen.

»Allerdings«, sagte er. »Wo ist Atlan?« fragte der Flottenkom­

mandeur. Malok kam sich plötzlich vor wie ein Be-

H. G. Francis

trüger. Atlan war gefangen und wurde scharf bewacht. War er unter diesen Umständen überhaupt interessant für den Kommandeur.

»Im Militärgefängnis von Olp'duor auf Arkon II«, antwortete er unsicher. Er beob­achtete den Offizier, doch der befürchtete Wutausbruch Spronthroks blieb aus. Der Sonnenträger lehnte sich seufzend in seinem Sessel zurück und lächelte. Er hatte ganz of­fensichtlich gar nicht damit gerechnet, daß Atlan frei zur Verfügung stehen würde.

»Im Militärgefängnis von Olp'duor«, wie­derholte Spronthrok. Er verengte die Augen und blickte Malok scharf an. »Ist das auch die Wahrheit, oder versuchen Sie, mich aufs Kreuz zu legen.«

»Es ist die Wahrheit«, erklärte der Künst­ler, der zu seiner früheren Sicherheit zurück­gefunden hatte. »Atlan ist dort. Man hat ihn in einer Lagerhalle überrascht. Er ist zusam­men mit einem anderen Mann in einem Con­tainer nach Arkon II gekommen. Offenbar hoffte er, ungesehen von dort aus weiter vor­dringen zu können.«

Spronthrok lächelte. »Ich verstehe«, sagte er. »Da bisher noch

nicht bekannt geworden ist, daß der Kristall­prinz dort ist, darf man annehmen, daß die Verantwortlichen in Olp'duor gewisse Vor­stellungen von seiner Verwendbarkeit ha­ben. Vermutlich bemüht sich Khantron um ihn, um ihn im Rahmen seiner politischen Ambitionen einzusetzen. Er soll sich ge­täuscht haben. In welchem Auftrag sind Sie hier auf Arkon I?«

»Ich soll herausfinden, wer die Leiter der Untergrundorganisation Gonozal VII. sind.«

Spronthrok nickte, als habe er nichts an­deres erwartet. Er erhob sich und geleitete Malok bis auf die Terrasse hinaus.

»Wir bleiben in Kontakt«, sagte er. »Sie sollten sich darüber klar sein, daß es üble Folgen für Sie haben wird, wenn Ihre Infor­mationen sich als falsch erweisen. Haben wir uns verstanden?«

»Vollkommen«, entgegnete Malok, ver­abschiedete sich und ging zum Taxigleiter. Spronthrok blieb auf der Terrasse stehen und

17 Gegner des Imperators

blickte ihm nach. Er verzog den Mund zu ei­nem verächtlichen Lächeln.

Er haßte Kreaturen wie Malok. Doch das hinderte ihn nicht, zuweilen mit ihnen zu­sammenzuarbeiten, wenn es notwendig war.

*

Malok landete auf dem Parkdach eines Kaufhauses, das sämtliche Stockwerke eines dreihundert Meter hohen Trichtergebäudes umfaßte. Es galt als das größte Kaufhaus im Imperium.

Auf einer leuchtend grünen Scheibe sank Malok in einem der Antigravschächte nach unten. Er verließ den Schacht in einem Stockwerk, in dem Tiere aus den verschie­denen Bereichen des Imperiums verkauft wurden. Ein Werbespruch verkündete, daß hier über 20.000 Tierarten angeboten wur­den.

Malok hatte von Beyze die Anweisung er­halten, die Briefnachricht, die Cordogon nach Arkon I hatte schicken wollen, zwi­schen zwei Vogelkäfige abzulegen und sich dann auf einen Beobachtungsposten zurück­zuziehen. Der Brief enthielt jetzt allerdings nicht mehr die ursprüngliche Nachricht, son­dern lediglich einige belanglose Worte. Die Hinweise auf die Ablagestelle waren alles, was die Spezialisten auf Arkon II herausbe­kommen hatten. Der Rest der Adresse war für sie nicht zu entschlüsseln gewesen.

Malok tat, was man ihm befohlen hatte. Er legte den Brief ab und entfernte sich so­fort von den Käfigen. Er ging zu einem etwa vierzig Meter entfernten Aquarium, das vom Boden bis zur Decke reichte. Durch das Aquarium hindurch konnte er die Käfige be­obachten.

Maloks Geduld wurde auf eine harte Pro­be gestellt. Nahezu drei Stunden verstrichen, ohne daß etwas geschah. Dann aber ging al­les so schnell, daß der Künstler fast den Kontakt verloren hätte. Ein farbenprächtiger Vogel flatterte zu den Käfigen, nahm den Brief auf, rollte ihn geschickt mit den Füßen zusammen und steckte ihn sich in den

Schnabel. Das alles dauerte nur wenige Se­kunden. Dann flog der Vogel davon.

Er strich dicht über das Aquarium hinweg und entfernte sich dann rasch. Damit hatte Malok nicht gerechnet. Er wußte, daß er sich sofort verraten würde, wenn er dem Vogel nun allzu schnell folgte. Daher wartete er, bis er das Tier kaum noch sehen konnte. Dann ging er gemächlich hinterher.

Der Vogel verschwand für einige Sekun­den aus seinem Blickfeld, als er die Abtei­lung erreichte, in der Reptilien angeboten wurden. Als Malok ihn wieder sehen konnte, trug er die Briefrolle nicht mehr im Schna­bel.

Der Künstler blieb unsicher stehen. Ir­gendwo mußte das Tier den Brief fallen ge­lassen haben. Er ging zögernd weiter. Der Vogel kam noch einmal in seine Nähe, und jetzt sah Malok deutlich, daß er sich nicht geirrt hatte. Der Brief war weg.

In diesem Moment schob ein Bedienungs­roboter eine Antigravscheibe mit mehreren versandfertigen Tierbehältern an Malok vor­bei. Zwischen den Käfigen lag der Brief.

Der Künstler zuckte zusammen, drehte sich um und blickte angestrengt zu einem Methanarium hinüber, vor dem mehrere Frauen standen und lautstark miteinander sprachen. Dann jedoch folgte er dem Robo­ter in gebührendem Abstand.

Kurz bevor der Automat den Zugang zu einem Antigravschacht erreichte, trat eine junge Arkonidin an die Platte heran und nahm den Brief an sich. Sie steckte ihn in die Tasche und ging zu einem öffentlichen Videogerät.

Malok näherte sich ihr und blieb wenige Meter von ihr entfernt an einem Vogelkäfig stehen. Er schob den Finger durch die Git­terstäbe, um das Tier zu necken. Als er eine männliche Stimme hörte, blickte er zur Ar­konidin hinüber. Ihr Gesprächspartner hatte das Aufnahmeobjektiv abgedeckt, so daß die Projektionsfläche dunkel blieb. Malok ach­tete eine Sekunde lang nicht auf den Vogel. Diese Unaufmerksamkeit rächte sich. Das Tier hieb mit dem Schnabel zu und brachte

18

ihm eine heftig blutende Wunde bei. Fluchend versuchte Malok, die Blutung

zu stillen. Die Arkonidin warf ihm einen flüchtigen Blick zu und eilte davon.

Malok ärgerte sich, da er sie ungewollt auf sich aufmerksam gemacht hatte. Sie be­achtete ihn jedoch nicht weiter.

Er folgte ihr in großem Abstand. Einige Male verlor er sie sogar aus den Augen. Dann aber stellte er fest, daß sie zum Park­dach wollte. Er wählte einen anderen Anti­gravschacht als sie, kam auf dem Parkdach heraus und beobachtete sie wenig später da­bei, wie sie einem Roboter etwas übergab. Es war ein auffallend häßliches Modell.

*

Der Videoschirm erhellte sich. Axton blickte in das feiste Gesicht Orba­

naschols III. Es war schweißüberströmt, und aus den Augenschlitzen hinter denen die Pu­pillen nicht zu sehen waren, flossen Tränen der Erregung.

Der Terraner erschrak. Er hatte diesen Ar­koniden schon oft erregt gesehen. Einige Male war Orbanaschol der Hysterie nahe ge­wesen. Jetzt aber hatte er einen Grad der Er­regung erreicht, der alles in den Schatten stellte.

»Axton«, sagte er mit schriller Stimme. »Ich habe soeben Frantomor erschossen.«

Axton-Kennon war so überrascht, daß er keine Worte fand. Der Arkonide sprach wei­ter, ohne zu bemerken, wie entsetzt der Ver­wachsene war.

»Ich habe entdeckt, daß der hinterhältige Verräter für die vielen Pannen verantwort­lich war, die es in letzter Zeit gegeben hat.«

»Oh …« »In der Tat«, rief Orbanaschol, und sein

Gesicht verwandelte sich in eine Fratze des Triumphs. »Frantomor hat mir gestanden, daß er die Ereignisse bei der letzten Wahl zu meinem Nachteil beeinflußt hat.«

Seine Augen weiteten sich, so daß Axton jetzt die Pupillen sehen konnte.

»Der Mann, den ich für meinen Freund

H. G. Francis

gehalten habe, hat mich öffentlich über 3-D-Vision als Mörder meines Bruders be­schimpft«, fuhr er fort. »Ich mußte ihn tö­ten.«

»Wie kam Frantomor dazu, ein so unge­heuerliches Geständnis abzulegen?« fragte Axton. »Er mußte doch wissen, daß es sein Tod sein würde.«

»Er wußte es«, bestätigte der Imperator. »Ich habe ihn bei einer kleineren Betrügerei erwischt. Und dann habe ich ihm auf den Kopf zugesagt, was er getan hat.«

Orbanaschol fuhr sich mit den Händen über die Augen, um die Tränen abzuwi­schen. Sein Gesicht straffte sich. Der Impe­rator gewann die Beherrschung über sich selbst wieder zurück.

»Ich habe ihn gezwungen, mir die Wahr­heit zu sagen«, verkündete er. »Und ich wer­de jeden Verräter zwingen, sich mir zu of­fenbaren. Jetzt greife ich hart und entschlos­sen durch. Niemand soll glauben, daß ich mir die Macht über Arkon so ohne weiteres nehmen lasse.«

»Es gibt in der Tat einige Gruppierungen, die sich das einbilden«, erwiderte Axton vorsichtig.

»Ich weiß«, rief Orbanaschol. »Aber sie sollen sich alle getäuscht haben.«

Er schaltete ab, und Axton-Kennon rätsel­te, weshalb er ihn überhaupt angerufen hatte. War es nur gewesen, um ihm mitzuteilen, daß Frantomor, der Chef des Geheimdiensts, tot war? Das war nur schwer vorstellbar.

Das Rufzeichen ertönte. Axton schaltete das Gerät wieder ein. Das Gesicht Orbana­schols III. erschien auf der Projektionsflä­che.

»Ich habe noch etwas vergessen, Axton«, sagte der Imperator. »Ich habe mich zu ei­nem Schritt entschlossen, den ich schon längst hätte tun sollen. Vieles wäre sicher­lich anders geworden.«

»Vielleicht«, bemerkte der Verwachsene, als der Imperator zögerte, fortzufahren.

»Ab sofort sind Sie Chef des Geheimdien­stes, Axton«, erklärte Orbanaschol. »Kommen Sie sofort zu mir, um sich die Er­

19 Gegner des Imperators

nennungsurkunde geben zu lassen. Sie wis­sen, was meine Maßnahme bedeutet?«

»Ich bin mir dessen voll bewußt«, antwor­tete Axton, der plötzlich einen engen Hals hatte. Er fühlte, wie sich sein Herzschlag be­schleunigte.

»Sie sind nach mir von jetzt an der mäch­tigste Mann im Imperium«, schloß Orbana­schol III. und schaltete erneut ab.

*

Orbanaschol III. hielt sich nicht im Kri­stallpalast auf dem Hügel der Weisen auf.

Er hatte am Rand des Regierungsbezirks, dort wo die Villen der Mächtigen lagen, einen mittelgroßen Trichterbau bezogen, der sich leichter in eine Festung verwandeln ließ als der Kristallpalast.

Während Axton-Kennon zusammen mit seinem Roboter Gentleman Kelly zum Im­perator flog, überlegte er. Die Situation hatte sich für ihn überraschend geändert. Er hatte nicht mehr damit gerechnet, daß der Impera­tor ihn zum Chef des Geheimdiensts machen würde. Für diesen Posten waren bisher stets nur Arkoniden eingesetzt worden.

Dennoch hatte Axton auch vorher schon erheblichen Einfluß gehabt. Der von Orba­naschol ermordete Frantomor war von ihm praktisch schon entmachtet worden. Er war zu einer Marionette degradiert worden, die das tat, was er wollte. Vor einigen Monaten noch hätte Orbanaschol es kaum geschafft, Frantomor zu einem Geständnis zu zwingen, das für ihn den Tod bedeutete. Zu dieser Zeit war Frantomor noch ein Mann gewe­sen, der sich zu wehren wußte.

Die Ereignisse der letzten Zeit aber hatten ihm das Rückgrat gebrochen. So war sein Tod kaum mehr als das logische Ende einer Entwicklung, die Frantomor selbst nicht mehr hatte bestimmen können.

Axton selbst hätte dieses Ende nie herbei­geführt. Frantomor war für ihn so etwas wie ein Schutzschild gewesen. Alles Unange­nehme war bereits an ihm abgeprallt und konnte nicht bis zu ihm – Axton – durch­

schlagen. Nun aber stand er selbst in vorder­ster Front. Orbanaschols Zorn über Pannen und Fehlschläge mußte sich zwangsläufig auf ihn richten.

Orbanaschol würde ihn für alles verant­wortlich machen, was seinem Ansehen und seiner Macht abträglich war. Insofern war das neue Amt des Geheimdienstchefs für ihn ein zweischneidiges Schwert.

Es zwang Axton dazu, nun auf eine schnelle Endlösung hinzuarbeiten. Die Macht Orbanaschols zu schmälern, genügte nun nicht mehr. Das gesamte Machtgebäude des Imperators war ins Wanken geraten. Ax­ton hatte zahlreiche Pfeiler der Macht ent­fernt. Jetzt mußte er zuschlagen. Das gesam­te Machtgebäude mußte einstürzen. Er muß­te Orbanaschols Ende einläuten.

Dazu war Axton-Kennon schon seit lan­ger Zeit bereit. Er hätte auch schon früher zugeschlagen, wenn Atlan in greifbarer Nä­he gewesen wäre. Axton dachte nicht daran den Thron für einen anderen Arkoniden frei­zumachen. Er wollte, daß Atlan neuer Impe­rator wurde.

Dabei war er sich dessen bewußt, daß auf­grund der geschichtlichen Tatsachen, die er aus seinem Studium der altgalaktischen Völ­ker kannte, Atlan niemals Imperator des al-ten Arkon gewesen war!

Geschichtliche Tatsache war, daß Gono­zal VII. Imperator von Arkon gewesen war, während Atlan eine ungewöhnliche Karriere in der arkonidischen Raumflotte gemacht hatte.

Lebo Axton erinnerte sich auch daran, daß Gonozal VII. nicht der Vater, sondern der Onkel Atlans gewesen war.

Über diese Tatsache hatte er schon oft nachgedacht, ohne des Rätsels Lösung zu finden.

Wie war die geschichtliche Überlieferung zustande gekommen, daß Gonozal VII. der Onkel Atlans war? Weshalb hatte Atlan die Zusammenhänge selbst so dargestellt? Er mußte einen Grund dafür gehabt haben, Rhodan etwas Derartiges zu erzählen.

Axton grübelte vergeblich über diese Fra­

20

gen nach. Er war sich auch noch nicht dar­über im Klaren, ob er wirklich versuchen durfte, Atlan zum Imperator zu machen. Würde er dadurch nicht ein Zeitparadoxon auslösen? Würde er dadurch nicht eventuell auch die gesamte geschichtliche Entwick­lung des Solaren Imperiums gefährden?

Wenn Atlan Imperator von Arkon wurde, würde er dann später irgendwann zur Erde kommen und dort den Untergang von Atlan­tis erleben? Würde er seine submarine Stati­on errichten, von der aus er zu seinen zahllo­sen Unternehmungen aufbrechen konnte?

Ein Videoruf schreckte Axton aus seinen Gedanken auf. Als er den Kode erkannte, deckte er das Objektiv ab und meldete sich. Auf dem Videoschirm erschien das Gesicht einer Agentin der Organisation Gonozal VII. Sie teilte ihm mit den vereinbarten, für zu­fällige Zuhörer unverständlichen Worten mit, daß eine Nachricht von Arkon II einge­troffen war.

»Ich komme auf meinem Wege bei Ihnen vorbei«, antwortete Axton. »Ich fliege prak­tisch über das Warenhaus hinweg. Ich werde die Nachricht direkt abnehmen.«

Er war sich dessen bewußt, daß er ein un­nötiges Risiko einging, aber er glaubte nicht daran, daß eine Gefahr für ihn bestand. Täg­lich gingen aus allen Regionen des Imperi­ums Nachrichten für die Untergrundorgani­sation ein. Avrael Arrkonta hatte mittlerwei­le zusammen mit Ermed Trelgon, dem ehe­maligen Kommandanten des Stützpunkts Karaltron, ein Nachrichtenzentrum einge­richtet. Dieses wertete alle einlaufenden In­formationen aus.

Axton wies Kelly an, auf dem Dach des Warenhauses zu landen. Gentleman Kelly stieg aus, nachdem er den Gleiter aufgesetzt hatte, und ging zu einer jungen Arkonidin. Diese übergab ihm die Nachricht. In diesem Moment fiel Axton ein Arkonide auf, der in der Nähe eines Antigravschachts hinter ei­nem Gleiter stand und die Arkonidin beob­achtete. Der Mann trug ungewöhnlich viel Schmuck.

Im Lauf seiner zahllosen Einsätze im

H. G. Francis

Rahmen geheimdienstlicher Tätigkeit hatte Kennon ein Gespür für Gefahren entwickelt. Jetzt begriff er sofort, was die Haltung des Arkoniden bedeutete. Er wußte, daß er nicht einfach die Augen verschließen durfte, son­dern daß er handeln mußte. Er sprang aus dem Gleiter und geriet damit in das Ge­sichtsfeld des Arkoniden. Dieser blickte zu ihm hinüber und erkannte die Gefahr ebenso schnell. Seine Augen weiteten sich. Er warf sich herum und sprang in den abwärts gepol­ten Antigravschacht.

»Kelly«, schrie der Verwachsene. Gentleman Kelly raste auf ihn zu und

kniete sich vor ihn nieder. Axton kletterte auf seinen Rücken und dirigierte ihn zum Antigravschacht. Als sie im Antigravschacht nach unten sanken, war der Arkonide bereits verschwunden.

Die Agentin stand mit weit aufgerissenen Augen am Eingang des Schachtes und blick­te auf Axton herab.

Er winkte ihr beruhigend zu. Er kannte sie und wußte, daß er ihr vertrauen durfte.

»Wir schaffen es schon«, rief er. Dann hatte er auch schon das nächste un­

tere Stockwerk erreicht, in dem hauptsäch­lich Spielwaren für Kinder angeboten wur­den. Er entdeckte den flüchtigen Arkoniden zwischen einigen mannshohen Puppen. Der Mann flüchtete zu einem aufwärtsgepolten Antigravschacht.

»Hinterher«, befahl Axton. Gentleman Kelly schaltete auf sein Anti­

gravtriebwerk um und jagte über die Köpfe einiger Käuferinnen hinweg hinter dem Flüchtenden her. Er erregte dabei mehr Auf­sehen, als Axton lieb war. Unter den gege­benen Umständen konnte der Terraner je­doch keine Rücksicht nehmen. Sein Schick­sal und das Schicksal des gesamten Imperi­ums hingen davon ab, daß er den flüchten-den Arkoniden faßte. Und nicht nur das. Auch die Entwicklung des Solaren Imperi­ums konnte entscheidend anders verlaufen, wenn es nicht gelang, den Mann einzuholen. Unter diesen Umständen war alles andere unwichtig geworden.

21 Gegner des Imperators

Als Kelly den Schacht erreichte, war der Arkonide oben bereits heraus. Der Roboter jagte ein Stockwerk höher. Axton sah, daß der Flüchtende in einen Gleiter sprang und sofort mit diesem startete.

Es ging um Sekunden. Die eigene Maschine war zu weit entfernt.

Er konnte mit ihr nicht mehr starten. »Hinterher«, schrie Axton. »Sofort.« Gentleman Kelly gehorchte. Er neigte

sich weit nach vorn, um möglichst wenig Luftwiderstand zu bieten, so daß Axton nun rittlings auf seinem Rücken saß. Dann be­schleunigte er mit Höchstgeschwindigkeit.

Der Gleiter entfernte sich mit hoher Ge­schwindigkeit vom Warenhaus. Der Mann am Steuer bemerkte zunächst nicht, daß er verfolgt wurde. Erst als Gentleman Kelly nur noch zehn Meter hinter ihm war, blickte er über die Schulter zurück. Er erschrak sichtlich.

»Drauf! Schnell!« befahl der Verwachse­ne.

Gentleman Kelly hatte seine Höchstge­schwindigkeit erreicht. Der Gleiter konnte noch schneller fliegen. Nun aber geriet der Roboter in den Windschatten der Maschine. Er schob sich Meter um Meter näher heran, obwohl der Gleiter noch mehr beschleunig­te. Dann krallten sich seine Hände um die Heckantenne. Kelly zog sich auf das Heck des Gleiters.

Durch das Rückfenster konnte Axton den Arkoniden sehen, der nervös die verschiede­nen Staufächer des Gleiters untersuchte, aber keine Waffe darin fand.

»Zerschlage das Fenster«, befahl der Ter­raner.

Er klammerte sich mit beiden Armen an den Roboter. Der Wind zerrte so an ihm, daß er sich kaum noch halten konnte. Sein Atem ging schnell und pfeifend. Axton war am Ende seiner Kraft. Er wußte, daß es nur noch eine Möglichkeit für ihn gab. Er mußte in die Flugkabine.

Gentleman Kelly holte kurz aus und zer­schmetterte die Scheibe mit seiner Stahl­faust. Das transparente Kunststoffmaterial

stürzte scheppernd in sich zusammen. Der Arkonide hämmerte mit seinen Fin­

gern auf der Tastatur des Videos herum. »Tun Sie das nicht«, brüllte Kelly mit

höchstem Stimmaufwand. »Es wäre Ihr so-fortiger Tod!«

Erbleichend ließ der Arkonide die ringge­schmückten Hände sinken. Er sah zu, wie Gentleman Kelly den Verwachsenen durch die zerbrochene Heckscheibe schob.

Heftig nach Atem ringend und am ganzen Körper vor Schwäche zitternd, sank Axton-Kennon in die Polster. Vor seinen Augen flimmerte es. Keine zehn Sekunden länger hätte er sich auf dem Rücken Kellys halten können.

Wäre Axton allein gewesen, Malok hätte keine Mühe gehabt, ihn zu überwältigen.

»Sie sind Lebo Axton«, sagte der Arkoni­de mit bebender Stimme. »Was haben Sie mit mir vor?«

»Das wird sich zeigen«, erwiderte der Verwachsene mühsam. Er wußte selbst noch nicht, was er mit dem Arkoniden anfangen sollte. Orbanaschol III. wartete auf ihn. Er mußte zu ihm und durfte nicht viel Zeit ver­säumen, wenn er seinen Unwillen nicht erre­gen wollte. Er konnte seinen Gefangenen aber nicht mit zu ihm nehmen oder ihn von Gentleman Kelly bewachen lassen. Er mußte auf dem Rücken des Roboters zum Impera­tor gehen, oder dieser würde mißtrauisch werden.

Es gab nur eine Möglichkeit. »Zurück zum Warenhaus«, befahl Axton. Malok gehorchte. Der Verwachsene war

keineswegs überrascht, daß der Arkonide ihn kannte. Er war, ganz gegen seinen Wil­len, zu einer Persönlichkeit geworden, über die man im Zentrum des Imperiums sprach. Er war auf vielen Festen Orbanaschols ge­wesen. 3-D-Vision war auf ihn aufmerksam geworden. Nur wenige wußten, welche Rol­le er wirklich am Hof spielte. Er galt als Vertrauter des Imperators. Zu seinem rasch wachsenden Bekanntheitsgrad hatte sicher­lich auch seine ungewöhnliche Erscheinung beigetragen. Es gab keinen zweiten Mann

22

wie Axton. Keiner der Arkoniden in der Umgebung des Imperators ließ sich ständig von einem Roboter tragen, keiner war blond und hatte wasserblaue Augen.

Als Malok auf dem Parkdach des Waren­hauses gelandet war, befahl Axton: »Paralysiere ihn, Kelly.«

Der Roboter reagierte sofort, und der Ar­konide kippte schlaff zur Seite. Seine weit geöffneten Augen schienen leblos zu sein. Axton schloß ihm die Lider, damit die Au­gäpfel nicht austrockneten. Dann tippte er ein Fahrtprogramm in die Tastatur des Steu­erkomputers und verließ zusammen mit Kel­ly den Gleiter. Die Maschine stieg auf und flog nach Norden davon. Sie würde nach et­wa vier Stunden wieder hierher zurückkeh­ren. Solange hielt die Paralyse an, so daß der Arkonide sich nicht aus eigener Kraft befrei­en konnte.

»Und jetzt zum Imperator«, ordnete Ax­ton an.

*

Als er vier Stunden später wieder auf dem Parkdach des Warenhauses landete, kam die Maschine mit dem paralysierten Arkoniden wie erwartet an. Gentleman Kelly dirigierte den Gleiter Axtons daneben und stieg aus. Der Terraner beobachtete ihn. Die Gefahr, daß sich irgend jemand um den führerlos er­scheinenden Gleiter gekümmert hatte, war vorhanden gewesen. Axton hatte das Risiko jedoch eingehen müssen, weil er keine ande­re Möglichkeit gehabt hatte. Jetzt blickte er atemlos vor Spannung auf die Tür der ande­ren Maschine.

Gentleman Kelly zog sie auf, und Axton sah erleichtert, daß der Arkonide noch im­mer paralysiert auf den Polstern lag. Der Ro­boter hob ihn heraus und legte ihn hinter Axton auf den Rücksitz. Dann setzte er sich wieder hinter die Steuerelemente und starte­te.

Eine halbe Stunde später landete der Glei­ter in einer Parknische vor einer Wohnung, die Axton als geheimen Stützpunkt benutzte.

H. G. Francis

Kaum hatte Kelly das Antigravtriebwerk ab­geschaltet, als Avrael Arrkonta in der Ni­sche erschien. Er kam aus der Wohnung her­aus.

»Was ist passiert?« fragte er beunruhigt, daß Axton ihn bisher nicht informiert, son­dern nur hierher bestellt hatte. Der Terraner berichtete ihm hastig, was geschehen war, und welche Entscheidung Orbanaschol III. getroffen hatte.

»Der Imperator befindet sich in einer schweren Krise«, schloß Axton seinen Be­richt. »Er ist jetzt gefährlicher denn je zuvor. Er reagiert wie ein Raubtier, das sich in die Enge getrieben fühlt. Dabei ist er unbere­chenbar.«

Gentleman Kelly legte den paralysierten Arkoniden auf eine Couch. Axton verab­reichte Malok ein Mittel, das die Lähmung aufhob. Einige Minuten verstrichen, dann richtete der Arkonide sich auf. Jetzt gab Ax­ton ihm eine weitere Injektion.

»Was spritzen Sie mir da?« fragte Malok ängstlich.

»Ein Präparat, das Sie zwingen wird, uns die Wahrheit zu sagen«, erklärte der Ver­wachsene freundlich.

»Nein. Das dürfen Sie nicht tun«, rief der Arkonide entsetzt.

»Ich darf alles«, belehrte ihn Axton. Er wartete einige Sekunden, dann fuhr er fort: »Und nun erzählen Sie uns, wer Sie sind, und was Sie dazu veranlaßt hat, mir nachzu­spionieren.«

»Ich bin Malok, ein Künstler«, erwiderte der Arkonide mit schleppender Stimme. »Ich habe von Eihrett Khantron den Auftrag erhalten, herauszufinden, wer der Empfän­ger der Nachricht ist, die ich von Arkon II hierher gebracht habe.«

Axton und Arrkonta wechselten einen schnellen Blick miteinander. Die Antwort des Künstlers verriet ihnen, daß der Präsi­dent des Komitees von Arkon II der Organi­sation Gonozal VII. auf die Spur gekommen war.

Axton stellte eine Reihe von Fragen. Da­bei bemühte er sich zu ermitteln, wodurch

23 Gegner des Imperators

die Organisation aufgefallen war und sich verraten hatte. Doch Malok war viel zu we­nig informiert. Er konnte auf diese Fragen nicht erschöpfend antworten.

Nach einer Stunde intensiven Verhörs hatte Axton die wichtigste Information, die es für ihn überhaupt geben konnte, noch nicht aus ihm herausgeholt.

Da fragte Avrael Arrkonta, der merkte, daß Malok kurz vor dem physischen Zusam­menbruch stand: »Sind Sie ausschließlich mit der Absicht nach Arkon I gekommen, Aufklärungsarbeit gegen die Organisation Gonozal VII. zu leisten?«

»Nein, ich wollte auch noch mit dem Dreifachen Sonnenträger Spronthrok spre­chen«, antwortete Malok.

Axton richtete sich überrascht auf. Er wußte, daß der Flottenkommandeur politi­sche Ambitionen hatte und zum Kreis jener Leute gezählt werden mußte, die Orbana­schol stürzen und ablösen wollten.

»Moment«, sagte er erregt. »Was hatten Sie mit Spronthrok zu bereden?«

»Ich habe ihm die Nachricht verkauft, daß Kristallprinz Atlan sich auf Arkon II im Mi­litärgefängnis von Olp'duor befindet«, ent­gegnete Malok. Er schwankte plötzlich. Dann fiel ihm der Kopf nach vorn auf die Brust, und er kippte langsam um. Gentleman Kelly fing ihn auf, bevor er auf den Boden stürzen konnte. Er legte ihn auf die Couch.

Malok atmete laut und keuchend. Seine Augen waren unnatürlich geweitet.

»Was haben Sie da gesagt?« schrie Ax­ton. Er rüttelte an den Schultern Maloks. »So reden Sie doch. Ich will hören, was mit Atlan ist.«

»Lassen Sie ihn in Ruhe«, bat Avrael Arr­konta, der nicht weniger erregt war als der Terraner, sich aber besser beherrschte. »Wenn Sie ihm keine Erholungspause gön­nen, bringen Sie ihn um.«

Lebo Axton-Kennon preßte die Hände vor das Gesicht und setzte sich in einen Sessel.

»Wie ist das nur möglich?« fragte er stammelnd. »Wie konnte das passieren? Wa­rum weiß ich davon noch nichts? Ich hätte

längst informiert sein müssen.« Er blickte den arkonidischen Freund ver­

zweifelt an. »Wissen Sie, was das bedeutet?« fragte er

mit schriller Stimme. »Atlan ist verloren, wenn wir ihm nicht sofort helfen. Man wird ihn ermorden, oder man wird ihn geistig ver­nichten, um seine seelenlose Hülle als Ma­rionette zu benutzen.«

Avrael Arrkonta legte Axton tröstend die Hand auf die Schulter.

»Bei allen Göttern«, sagte er erschüttert. »Ich wußte nicht, daß Sie Atlan so lieben, Lebo!«

*

Zeit gewinnen! signalisierte das Extrahirn, als sich die Tür der Zelle öffnete. Dieses Mal hatte man Atlan nicht zusammen mit Fartuloon eingesperrt.

Vier Offiziere standen vor ihm. Einer von ihnen war Beyze.

»Die Frist ist um«, sagte er. »Khantron wartet auf Sie.«

Atlan erhob sich, strich seine Gefange­nenjacke glatt und verließ die Zelle.

»Wo ist mein Gefährte?« fragte er. Beyze deutete stumm zu einer anderen

Zelle hinüber. Dann schob er Atlan vor sich her auf einen Gang. Er führte ihn zu einem Büro, das von auffallend vielen Soldaten ab­gesichert wurde. Hier wartete der Präsident des Komitees von Arkon II auf Atlan. Er saß hinter einem mit Kommunikationsgeräten bestückten Arbeitstisch.

Er bot Atlan keinen Platz an. »Nun?« fragte er knapp. »Wie haben Sie

sich entschieden.« »Ich möchte Sie bitten, mir weitere Infor­

mationen über die politische Situation hier im Herzen des Imperiums zu geben«, sagte Atlan. »Sie werden verstehen, daß ich mich nicht blind entscheiden kann.«

Eihrett Khantron schüttelte den Kopf. »Ich erwarte eine klare Antwort von Ih­

nen«, entgegnete er. »Entweder ja oder nein. Eine andere Antwort ist nicht möglich.«

24

»Was habe ich zu tun, wenn ich ja sage?« Khantron schlug eine Akte auf, die vor

ihm lag. Sie enthielt einen Vertrag, der über mehrere Seiten ging. Der Präsident tippte mit dem Zeigefinger auf den unteren Teil der letzten Seite.

»Sie brauchen nur hier zu unterzeichnen, und alles ist in Ordnung.«

»Geben Sie mir den Vertrag. Ich möchte ihn durchlesen.«

Khantron schob ihm den Vertrag zu und bot ihm nun endlich Platz an. Atlan setzte sich und las. Schon nach wenigen Zeilen er­kannte er, daß der Vertrag die schlimmste Demütigung darstellte, die für einen Mann wie ihn überhaupt vorstellbar war. Er sollte auf sämtliche Rechte verzichten und alle Macht Eihrett Khantron überlassen. Dabei sollte er sich gar noch verpflichten, eine all­mähliche Übergabe auch der äußerlichen Rolle des Imperators an Khantron zu betrei­ben.

Atlan warf das Papier auf den Schreib­tisch zurück.

»Sie übertreiben«, sagte er verärgert. »Sie haben mich nicht so in der Hand, daß Sie mir das zumuten können.«

Eihrett Khantron beugte sich vor und stützte sich mit den Ellenbogen am Tisch ab.

»Sie werden unterschreiben«, erklärte er. »Sie haben keine andere Wahl.«

»Vielleicht doch!« »Inzwischen weiß ich, wer Ihr Gefährte

ist. Er war ein enger Vertrauter von Gonozal VII. Ich bin dabei, die wichtigsten Informa­tionen über ihn zu sammeln. In ein oder zwei Stunden kann ich Ihnen alles über die­sen Mann sagen. Vielleicht ist es aber gar nicht notwendig, so lange zu warten. Viel­leicht ist er dann schon tot.«

Vorsicht! signalisierte das Extrahirn. Du bist in der Zwickmühle.

»Als ich ihn zuletzt gesehen habe, ging es ihm noch recht gut«, erwiderte Atlan.

Khantron zeigte auf das Fenster. »Gehen Sie dorthin, und sehen Sie hin­

aus.« Atlan gehorchte. Er stand auf und schritt

H. G. Francis

zum Fenster hinüber. Von hier aus konnte er auf einen Gefängnishof hinabblicken. Fartu­loon saß in der Mitte des Hofes auf einen Stuhl, an den man ihn gefesselt hatte. Ihm direkt gegenüber war ein Energiestrahler auf einem Gestell aufgebaut.

»Und jetzt sehen Sie hierher«, forderte Khantron.

Atlan drehte sich um. Der Präsident des Komitees von Arkon II

deutete überlegen lächelnd auf einen schwarzen Kasten mit einer Taste daran.

»Das ist der Auslöser«, erklärte er. »Von hier aus kann ich Ihren Freund erschießen. Und genau das werde ich tun, wenn Sie den Vertrag nicht augenblicklich unterschrei­ben.«

Du mußt! schrie es in Atlan. Du hast kei­ne andere Wahl!

»Was hindert mich daran, später den Ver­trag anzufechten oder ihn zu brechen?« frag­te er in dem Bestreben, Zeit zu gewinnen. Eihrett Khantron streckte schweigend die Hand aus und senkte sie auf die Taste.

»Noch ein Wort, Atlan«, sagte er dro­hend. »Und der Mann dort unten ist tot.«

Tränen der Enttäuschung, des Zorns und der Erregung schossen Atlan in die Augen. Hatte er seinen großen Kampf nur geführt, um am Ende eine derartig demütigende Nie­derlage hinnehmen zu müssen.

Du kannst nicht mehr ausweichen, stellte der Logiksektor kalt fest. Du mußt unter­schreiben. Du weißt, daß du nicht zulassen kannst, daß Fartuloon getötet wird. Mit ei­ner derartigen, Schuld könntest du nicht le­ben.

Er griff nach dem Schreibinstrument, das Khantron ihm hinhielt. Der mächtigste Mann von Arkon II zog seine Hand vom Auslöser zurück.

Du wirst eine Chance haben, diesen Ver­trag zunichte zu machen, beruhigte ihn das Extrahirn.

Er unterzeichnete den Vertrag. »Und jetzt befreien Sie Fartuloon endlich

von diesem Hocker da unten«, forderte er zornig.

25 Gegner des Imperators

Eihrett Khantron lächelte herablassend. »Atlan«, sagte er höhnisch. »Sie wissen

doch, was im Vertrag steht. Wo bleibt die richtige Umgangsform? Ich vermisse ein freundliches Bitte!«

Drohend schob er seine Hand über den Auslöser. Atlan blickte ihn haßerfüllt an. In diesen Sekunden war er nahe daran, seine Fassung zu verlieren. Er war gezwungen, ein Spiel mitzumachen, das seinem Naturell nicht entsprach. Und doch konnte er in die­sen Sekunden nichts anderes tun, als den Nacken zu beugen.

»Bitte«, sagte er mit bebender Stimme. »Beenden Sie die Quälerei. Lassen Sie mei­nen Freund losbinden.«

»Na also«, entgegnete Khantron trium­phierend. »Ich wußte doch, daß Sie ein ver­nünftiger Mann sind.«

Er beugte sich vor und sprach die Anwei­sung ins Mikrophon, Fartuloon zu befreien. Atlan ging erneut zum Fenster und beobach­tete, wie einige Soldaten die Fesseln Fartu­loons lösten.

»Und jetzt müssen wir uns über die näch­sten Schritte klar werden«, sagte Eihrett Khantron.

Er erhob sich, ging um seinen Arbeit­stisch herum und blieb vor Atlan stehen. Er verschränkte die Arme vor der Brust und wippte leicht auf den Zehenspitzen. Ihm war anzusehen, daß er sich als absoluter Sieger fühlte.

5.

Ein anderer Raum. Eine andere Zeit. Peter Randok blickte versonnen auf die

Traummaschinen. Unter einer von ihnen lag, an ein Lebenserhaltungssystem angeschlos­sen, Sinclair Marout Kennon. Von ihm war allerdings nicht viel zu sehen. Verschiedene Instrumente zeigten an, daß das Gehirn in dem Robotkörper noch lebte.

Eine Tür öffnete sich: Jeremy Thorton trat ein. »Ich verstehe das nicht«, sagte er. »Wir hätten längst abgelöst werden müs­

sen. Warum kommt niemand?« Peter Randok wollte antworten. Er öffnete

den Mund und schloß ihn wieder, weil er plötzlich vergessen hatte, was er hatte sagen wollen. Er krauste die Stirn und horchte in sich hinein.

Irgend etwas hatte sich verändert. Er wuß­te es genau. Eben noch war alles ganz an­ders gewesen.

Er blickte Jeremy Thorton an. Der Ultra­dim-Mathelogiker und Hyperphysiker hatte trübe Augen. Seine Gesichtszüge wurden schlaff. Seine Hände spielten an einem Stell­rad herum.

In Randok regte sich etwas. Er fühlte sich beunruhigt und alarmiert. Er wußte genau, daß gefährlich war, was Thorton machte, aber er wußte nicht mehr, warum.

Stöhnend fuhr er sich mit den Händen über das Gesicht. Er versuchte, sich mit aller Kraft zu konzentrieren, und für Sekunden klärte sich sein Geist.

Er erkannte, daß eine fremde Macht nach ihm und Thorton gegriffen hatte. Irgend et­was beeinträchtigte plötzlich ihr Denkver­mögen. Es war, als hätten sie von einer Se­kunde zur anderen ihre Intelligenz einge­büßt.

Peter Randok ging zu Thorton und schob dessen Hände von dem Stellradweg.

»Das darfst du nicht tun«, sagte er mit scheppernder Stimme.

»Warum nicht?« fragte Thorton, der eben­so wie er auch in den Diensten der USO stand und die Aufgabe hatte, mit ihm zusam­men über die Sicherheit des Mannes unter der Haube zu wachen.

»Weiß nicht«, antwortete Randok. Er drehte sich um und blickte zu Sinclair Ma­rout Kennon hinüber.

An der Traummaschine befanden sich zahllose Knöpfe und Kontrollleuchten. Eini­ge von ihnen blinkten verführerisch.

Sie weckten, den Spieltrieb in Peter Ran­dok. Sie lockten ihn unwiderstehlich zu den bunten Lämpchen an der Traummaschine, unter der Sinclair Marout Kennon lag, der in einer fernen Zeit und in einer anderen Reali­

26

tät als Lebo Axton lebte.

*

»Was machen wir mit ihm?« fragte Avrael Arrkonta und zeigte auf Malok. »Er muß früher oder später nach Arkon II zu­rückkehren oder zumindest irgendwelche Nachrichten übermitteln.«

»Wir müssen Atlan befreien«, stellte Ax­ton fest. »Und wir müssen Eihrett Khantron den Wind aus den Segeln nehmen. Das sind unsere beiden ersten Ziele. Dafür müssen wir Malok einsetzen, und wir müssen den Riesenroboter auf Arkon III einschalten. Wir haben einige Sektoren präpariert, und wir wollen sie für uns nutzen, ich weiß nur noch nicht, wie.«

»Ich bin davon überzeugt, daß es Ihnen bald einfallen wird«, bemerkte Arrkonta freundlich.

»Wir stehen unter Zeitdruck. Atlan ist in Gefahr. Das ist es, was mich irgendwie lähmt. Ich kann nicht klar denken«, entgeg­nete der Verwachsene.

»Erlaubst du, daß ich etwas sage, Lieb­ling?« fragte Gentleman Kelly.

Axton blickte überrascht auf. Er hatte nicht erwartet, daß der Roboter Ideen in die Diskussion einbringen würde.

»Selbstverständlich, du wandelnder Schrotthaufen.«

»Dann möchte ich die Feststellung tref­fen, daß du sonst auch nicht klar denken kannst«, erwiderte Kelly.

Das linke Lid des Terraners begann heftig zu zucken. Seine Hände öffneten und schlossen sich, und sein Gesicht verfärbte sich.

»Mußt du ausgerechnet jetzt mit einem derartig unqualifizierten Mist kommen?« fragte er heiser vor Ärger.

»Ich darf dich verbessern, Schätzchen. Von einem qualifizierten Mist kann man höchstens in der Landwirtschaft reden. Wir aber sind bei einem ganz anderen Thema.«

»Hinaus mit dir«, befahl Axton. »Ich will dich nicht mehr sehen.«

H. G. Francis

»Vergeblich grübele ich darüber nach, was dich gegen Kritik so empfindlich macht«, verkündete Gentleman Kelly mit gehobener Stimme. »Was, oh Geliebter, ist dir widerfahren?«

Axton und Arrkonta blickten sich an. Der Arkonide grinste.

»Ich verstehe«, sagte er. »Kelly hält das für Psychologie.«

Lebo Axton schüttelte den Kopf. »Das mag ja sein«, sagte er stöhnend.

»Ich ertrage das jedoch nicht. Begreifst du das, Kelly? Ich will nicht, daß du dich ein­mischst. Ich benötige deine komische Psy­chologie nicht, um zu vernünftigen Gedan­ken zu kommen. Im Gegenteil. Du bringst mich um damit.«

»Ich stelle fest, daß eine leichte Besse­rung eingetreten ist.«

Axton beschloß, den Roboter zu ignorie­ren. Er fühlte sich ihm in seiner augenblick­lichen Lage nicht gewachsen, und er hatte nicht die Kraft, sich mit ihm auseinanderzu­setzen.

»Was werden Sie tun?« fragte Arrkonta. »Zunächst werde ich klären, warum Eih­

rett Khantron eigentlich von Arkon III nach Arkon II gegangen ist«, antwortete Axton. »Das ist doch seltsam, nicht wahr? Als Prä­sident des Komitees von Arkon III hatte er mehr Macht als jetzt.«

»Militärische Macht«, wandte Arrkonta ein. »Jetzt hat er wirtschaftliche Macht – und ein wesentlich höheres Einkommen als vorher. Wahrscheinlich bezieht er aus allen Bereichen der Wirtschaft nützliche Gelder. Das wäre auf Arkon III nicht möglich.«

»Wer war vorher Präsident auf Arkon II?« »Moira Erclac.« Der Industrielle stutzte.

»Sie haben Recht, Lebo. Dieser Wechsel ist in der Tat seltsam. Erclac galt als äußerst fä­higer Präsident. Mir war immer unklar, wa­rum er zurückgetreten ist. Allerdings habe ich nur kurze Zeit darüber nachgedacht, weil mich dieses Problem nicht tangierte.«

»Verlangt Khantron von Ihnen Beste­chungsgelder?«

»Ich habe nie jemanden bestochen«, er­

27 Gegner des Imperators

klärte Arrkonta stolz. »Das ist in den ent­sprechenden Kreisen bekannt.«

Axton wandte sich Malok zu. »Er wird eine Injektion bekommen und

danach vergessen, was er hier erlebt hat. Wir werden ihn zu Khantron zurückschicken. Ich bin gespannt, wie dieser reagieren wird.«

*

Lebo Axton entwickelte eine fieberhafte Aktivität. Er wußte, daß es jetzt um Stunden oder gar um Minuten ging. Er durfte sich nicht schonen, wenn er das Spiel nicht noch in letzter Minute verlieren wollte.

Jetzt erwies es sich als Vorteil, daß Orba­naschol ihn zum Chef des Geheimdienstes gemacht hatte. Axton hatte dadurch Zugang zu sämtlichen Archiven des Kristallpalasts. Alle sonst geheimen Informationen wurden ihm zugänglich.

Nachteilig war, daß Orbanaschol ihn in seiner Hysterie mit jedem anfallenden Pro­blem behelligte, ihn mit Anweisungen über­schüttete, die er oft genug schon Minuten später wieder revidierte. Auf diese Weise beschäftigte er Axton so sehr, daß er seinen Aktionsradius immer mehr einschränkte. Schließlich blieb ihm kaum noch Zeit, sich auf Eihrett Khantron zu konzentrieren.

Durch die zunehmende Belastung wurde Axton immer nervöser. Es fiel ihm schwer, sich zu konzentrieren. Auf jede Störung rea­gierte er gereizt. Und schließlich ließ er sich von Kelly ein Psychoregulans verabreichen, um durchhalten zu können.

Danach wurde er ruhiger, und er behielt die Übersicht. Ihm wurde klar, daß er in der unglaublichen Hektik, die im Kristallpalast herrschte, seine wahren Absichten gut ver­bergen konnte.

Seine Nachforschungen über Eihrett Khantron gingen in all der anderen Arbeit, mit der ihn Orbanaschol belastete, unter. Der Imperator bemühte sich verzweifelt, die ständig wachsende Schar seiner Gegner ein­zudämmen. Er gab Axton Mordanweisungen und Vernichtungsbefehle, die dieser jedoch

nicht ausführte. Für diese Aufträge setzte er Männer und Frauen aus der Organisation Gonozal VII. ein, denen er vertrauen konnte. Mit ihrer Hilfe sorgte er dafür, daß die Be­drohten im Untergrund verschwanden. Er war überzeugt davon, daß es nur darauf an­kam, diese Männer und Frauen über einige Tage hinwegzuretten. Danach – so meinte er – würde es keinen Orbanaschol mehr geben, der kontrollieren konnte, ob seine Befehle auch ausgeführt worden waren.

Je mehr Zeit jedoch verstrich, desto deut­licher wurde Axton, auf welch gefährlichem Posten er sich befand. Auch für ihn kam es jetzt darauf an, die nächsten Tage zu überle­ben. Er kannte Orbanaschol inzwischen gut genug. Er wußte, daß der Imperator ihn plötzlich und ohne Vorwarnung fallen lassen konnte, wenn er sich verraten glaubte.

Bei seinen Nachforschungen wurde Axton enttäuscht. Er fand nicht heraus, mit wel­chen Mitteln Khantron Moira Erclac dazu gebracht hatte, von seinem Amt zurückzu­treten und es ihm zu überlassen. Erclac hatte gesundheitliche Gründe angegeben. Aus an­deren Unterlagen ging aber einwandfrei her­vor, daß er sich bester Gesundheit erfreute.

Axton sah keine Möglichkeit, von Arkon I aus entscheidend weiterzukommen. Er be­schloß, seine Nachforschungen auf Arkon II fortzusetzen.

Als er seinen Arbeitsraum verlassen woll­te, meldete sich Orbanaschol bei ihm, um ei­nige Befehle zu widerrufen und neue zu er­teilen. Er hatte sich gefangen und wirkte nun nicht mehr ganz so hysterisch wie zuvor.

»Ich werde nach Arkon II fliegen«, teilte Axton ihm mit.

»Sie wollen den Hügel der Weisen jetzt verlassen? Ausgerechnet jetzt?« schrie der Imperator. »Was hat das zu bedeuten?«

»Ich bemühe mich, Ihnen die Macht zu erhalten«, erklärte der Verwachsene ruhig. »Dazu ist notwendig, daß ich nach Arkon II gehe.«

»Was wollen Sie da?« fragte Orbanaschol mißtrauisch.

»Ich habe Sie darüber informiert, daß ver­

28

schiedene Kreise versuchen, Sie zu stürzen, um selbst an die Macht zu kommen«, erläu­terte Axton. »Meine Aufgabe ist es, diese Kräfte daran zu hindern, den entscheidenden Schritt zu tun.«

»Gegen wen wollen Sie vorgehen? Mir ist auf Arkon II niemand bekannt, der es wagen könnte, sich gegen mich zu erheben. Wer ist es? Ich will den Namen wissen.«

Axton hatte keine andere Wahl. Er mußte die Wahrheit sagen, auch wenn er dadurch seine eigenen Pläne gefährdete.

»Eihrett Khantron.« »Das glaube ich nicht«, sagte Orbana­

schol verzweifelt. »Ich glaube es einfach nicht. Khantron würde mich nicht verraten. Er nicht. Er ist mein Freund.«

»Davon war ich bisher auch überzeugt«, erwiderte der Terraner. »Inzwischen habe ich festgestellt, daß Khantron auf Arkon II eine beachtliche Macht aufgebaut hat. Sie richtet sich gegen Sie. Ich werde versuchen, Khantron noch rechtzeitig aufzuhalten.«

»Und ich habe meine Vorstellungen. Ich denke, ich kann das Problem auch auf meine Weise lösen.« In den Augen Orbanaschols leuchtete es mordlüstern auf. Axton wußte, daß dieser Arkonide keine Skrupel kannte. Orbanaschol war in der Lage, selbst gute Freunde von einer Minute zur anderen fallen zu lassen. Wenn sich bei ihm die Überzeu­gung festsetzte, daß Khantron ein Verräter war, dann würde er ihm ein Mordkommando ins Haus schicken.

»Bitte, seien Sie vorsichtig mit Khan­tron«, sagte Axton. »Es wäre gefährlich, zu früh loszuschlagen. Das könnte die Macht, die hinter ihm steht, zu einer Reaktion zwin­gen, die wir gerade vermeiden wollen. Ein Bürgerkrieg würde nur den Methans nut­zen.«

Angst flackerte in den Augen Orbana­schols auf. Er zog den Kopf ein, und plötz­lich trat ihm wieder Schweiß auf die Stirn.

»Sie haben recht, Axton«, sagte er mit heiserer Fistelstimme. »Wir müssen vorsich­tig sein. Also gut. Ich bin einverstanden. Fliegen Sie nach Arkon II, und befassen Sie

H. G. Francis

sich mit dem Problem. Ich gebe Ihnen aber nur zwei Tage Zeit.«

»Ich hoffe, daß ich früher zurück sein werde.«

Axton atmete auf, als Orbanaschol end­lich abschaltete.

»Da wirst du aber ganz schön unter Druck, Schätzchen«, bemerkte Gentleman Kelly mit schriller Stimme.

Axton blickte auf. »Du wandelnder Blecheimer hast ja lange

nichts mehr gesagt.« »Ich habe dich stillvergnügt beobachtet,

Süßer.« Der Terraner grinste schief. »Lüge nicht so unverschämt«, forderte er,

rutschte aus seinem Sessel und eilte mit schleifenden Füßen auf den Roboter zu. »Wenn ein Ding so abgrundtief häßlich ist wie du, sollte es lieber still sein.«

Er kletterte auf den Rücken des Roboters. »Das ist es ja gerade, was ich dir auch

empfehlen wollte, Lebo«, erwiderte Gentle­man Kelly. »Warum redest du eigentlich so viel?«

Axton verschlug es den Atem. »Du … Du wagst es, mich häßlich zu

nennen?« fragte er schließlich stammelnd. »Na, Süßer, eine Schönheit bist du nun

wirklich nicht.« Axton lachte schrill. Die Spannung der

letzten Stunden fiel von ihm ab. Wohlwol­lend schlug er Kelly mit der flachen Hand auf den Schädel.

»Du hast recht«, sagte er. »Schön bin ich nicht, aber das stört mich nicht im gering­sten. Und nun flitze endlich los. Wir müssen uns beeilen, wenn wir das Linienschiff nach Arkon II noch erreichen wollen.«

*

Der Linienraumer landete auf der Nacht­seite von Arkon II. Axton verließ das Schiff auf dem Rücken Kellys. Er verzichtete auf einen Gleiter und befahl dem Roboter, das Antigravtriebwerk zu benutzen. Kelly stieg auf und glitt lautlos davon. Er flog zum Mi­

29 Gegner des Imperators

litärgefängnis von Olp'duor. In der Deckung einiger Fabrikationsge­

bäude näherte Axton sich dem Gefängnis bis auf fast einen Kilometer. Er blickte zu der Anlage hinüber, in der er Atlan wußte. Selt­same Gefühle beschlichen ihn. War es wirk­lich so, daß Atlan sich aus eigener Kraft nicht mehr helfen konnte? Schloß sich nun der Kreis der Zeit? Näherte sich der Zeit­punkt, an dem er eingreifen mußte, um At­lan in jene Bahn zu lenken, die ihn nach et­wa zehntausend Jahren mit Perry Rhodan zusammenführen würde?

Axton sah nur eine Lösung der derzeiti­gen Situation. Er mußte eingreifen und At­lan aus seiner prekären Lage befreien. Er durfte nicht zulassen, daß ein Mann wie Eih­rett Khantron die Macht ergriff und Atlan als Aushängeschild benutzte.

Aber was konnte er tun? Er war sich noch immer nicht darüber

klar. Als er etwa eine halbe Stunde lang auf der

Stelle verharrt hatte, befahl er Kelly weiter­zufliegen. Er gab ihm die Richtung an.

»Wohin geht es?« fragte der Roboter. »Zu Moira Erclac.«

*

Auf dem Flug zu Moira Erclac überlegte Axton es sich anders. Er entschloß sich, einen Weg höheren Risikos einzuschlagen. Davor war er zunächst zurückgeschreckt, weil auf ihm allzu viel Unruhe ins Gesche­hen kam. Nun aber sagte er sich, daß es nicht schaden konnte, wenn Eihrett Khan­tron zu spüren bekam, daß er noch nicht am Ziel seiner Wünsche war.

Er dirigierte Gentleman Kelly um und lenkte ihn zum Organisationsbüro des Ge­heimdiensts. Zu dieser späten Stunde befan­den sich nur acht Arkoniden in den Räumen, die im Schaft eines vierhundert Meter hohen Trichtergebäudes untergebracht waren.

Da Lebo Axton nach der Urkundenverlei­hung per Komputerkommunikation allen Kontroll- und Sicherheitseinrichtungen als

neuer Geheimdienstchef bekanntgemacht worden war, konnte er die Robotkontrolle am Eingang passieren, ohne aufgehalten zu werden. Er ließ sich von Gentleman Kelly über einen breiten Gang direkt zu einer Tür tragen, auf der stand: Archiv -UR-ZZ-1. Zu diesem Archiv hatten nur die beiden Leiter der Organisation auf Arkon II Zutritt. Alle anderen mußten die Informationen, die sie haben wollten, anfordern.

Axton rechnete nicht damit, daß er hier Informationen vorfinden würde, die im Hauptarchiv auf Arkon I nicht gespeichert waren. Auch von Arkon I hätte er alles abru­fen können, was hier gespeichert war. Das aber hätte niemand bemerkt.

Als Axton die Tür öffnete, leuchtete im Büro der beiden Leiter der Organisation ein Alarmlicht auf. Der Terraner ließ sich vom Rücken Kellys gleiten und trat ein. Er trat an den Archivkomputer und stellte ihm eine Reihe von Fragen über Moira Erclac. Nur Sekunden vergingen, dann warf der Kompu­ter einige Folien mit den entsprechenden Antworten auf. Axton nahm sie an sich und ließ sie unter seiner Blusenjacke verschwin­den. Im gleichen Moment öffnete sich die Tür, und vier Männer stürzten mit erhobe­nen Waffen herein. Axton drehte sich gelas­sen um.

Er erkannte alle vier Männer nach den Bildern wieder, die er von ihnen gesehen hatte.

»Guten Abend, Fac Uopgar«, sagte er. Uopgar war ein fast zwei Meter großer

Mann mit ungewöhnlich breiten Schultern und wallendem weißen Haar, das er offen trug. Es fiel ihm vorn so tief ins Gesicht, daß es fast die rötlichen Augen bedeckte. Uop­gar war der Leiter der Organisation.

»Was machen Sie hier?« fragte er scharf. »Sehen Sie das nicht?« fragte Axton lä­

chelnd. Er deutete auf den Komputer. »Ich war so frei, mir einige Informationen zu ho­len. Stören Sie mich nicht länger. Ich habe zu tun.«

»Führt ihn ab«, befahl Uopgar. »Gebt ihm eine Wahrheitsdroge. Ich will wissen, wie

30

dieser Kerl hier unbemerkt eindringen konn­te.«

Einer der Arkoniden streckte den Arm nach Axton aus. Blitzschnell zuckte die Hand Kellys herunter und schlug sie zur Sei­te. Der Arkonide wich aufschreiend zurück. Er hielt sich seine schmerzende Hand, wäh­rend die anderen ihre Waffen auf den Robo­ter richteten.

»Halt«, rief Axton mit schneidend schar­fer Stimme. »Schießen Sie nicht.«

Die Arkoniden zögerten. Sie blickten Uopgar unsicher an.

»Was fällt Ihnen ein, sich hier …«, be­gann der Offizier, doch der Verwachsene unterbrach ihn.

»Ich empfehle Ihnen, ganz schnell die FF­A-Information abzurufen«, sagte er.

Uopgar stutzte. »Wollen Sie behaupten, daß Sie …«, frag­

te er stammelnd. Axton unterbrach ihn aber­mals.

»Beeilen Sie sich«, befahl er. Uopgar trat an den Komputer heran und

drückte einige Tasten. Als er die letzte Taste losließ, erhellte sich ein Bildschirm, und das Gesicht Lebo Axtons erschien auf der Bild­fläche. Die Arkoniden stöhnten überrascht auf.

»Das konnte ich nicht wissen«, erklärte Uopgar stammelnd.

»Von dem Leiter eines Organisationsbü­ros darf man soviel Intelligenz erwarten«, antwortete Axton scharf. »Wenn Sie auch nur ein bißchen Kombinationsgabe hätten, hätte Ihnen sofort klar sein müssen, daß nur Ihr Vorgesetzter das Archiv betreten konnte, ohne aufgehalten zu werden.«

»Die Waffen weg«, brüllte Uopgar und stieß einen der anderen Arkoniden zur Seite, der immer noch mit angeschlagener Waffe vor Axton gestanden hatte. »Verzeihen Sie mir, Axton. Ich habe einen schweren Fehler gemacht.«

»Schon gut«, erwiderte der Terraner. »Lassen Sie mich allein. Ich habe zu tun.«

»Kann ich Ihnen behilflich sein?« »Überhaupt nicht. Sie helfen mir nur,

H. G. Francis

wenn Sie mich allein lassen«, erklärte Ax­ton.

»Aber ich könnte …« »Verschwinden Sie«, befahl Axton zor­

nig. »Sofort.« Die Arkoniden gehorchten. Sie zogen sich

aus dem Archiv zurück. Auf ihren Gesich­tern zeichnete sich Ratlosigkeit ab. Sie alle hatten von Axton schon viel gehört, waren ihm jedoch noch nie begegnet. Uopgar war anzusehen, daß er dem Verwachsenen durchaus nicht wohlgesonnen war. In seinen Augen loderte der Haß. Damit aber hatte Axton gerechnet.

Ihm war von Anfang an klar gewesen, daß Eihrett Khantron auf Arkon II keine Haus­macht aufbauen konnte, ohne dabei vom Or­ganisationsbüro gestützt zu werden.

Er wußte auch, daß Uopgar sich in weni­gen Sekunden mit Khantron in Verbindung setzen und diesen alarmieren würde. Das aber lag in seiner Absicht. Atlan befand sich in den Händen Khantrons. Dieser sollte ner­vös und unsicher werden, damit er die Ent­scheidung noch etwas herausschob. Er durf­te noch nicht gegen Orbanaschol losschla­gen, denn jetzt konnte Axton ihm noch nicht in die Arme fallen.

Der Terraner wandte sich dem Computer wieder zu und rief weitere Informationen ab. Diese aber waren nicht wirklich wichtig für ihn. Damit wollte er Uopgar und vor allem Eihrett Khantron nur irritieren und verwir­ren. Er wollte es ihnen nicht gar zu leicht machen, herauszufinden, was er tatsächlich auf Arkon II wollte.

Als er etwa zehn Minuten lang am Kom­puter gearbeitet hatte, erhellte sich ein Bild­schirm. Das schlaffe Gesicht Khantrons er­schien darauf. Axton bemerkte, daß die Au­gen des Präsidenten von Arkon II tränen­feucht waren.

Voller Genugtuung blickte Axton ihn an. Er erinnerte sich nur zu gut an die ersten Ta­ge, die er im Arkon dieser Zeit erlebt hatte. Eihrett Khantron war unter jenen Männern gewesen, die ihn verhört und gedemütigt hatten, nachdem er aus dem Nichts heraus

31 Gegner des Imperators

auf Arkon III erschienen war. Er hatte sich erfolgreich geweigert, anzugeben, woher er gekommen, und wie er nach Arkon III ge­langt war. Seither war sein Verhältnis zu Eihrett Khantron immer gespannt gewesen.

»Sie haben es also geschafft, Axton«, er­öffnete Khantron das Gespräch. »Sie leiten den Geheimdienst des Imperators.«

»So ist es«, antwortete der Verwachsene. »Ich bedauere, daß ich es nicht früher ge­worden bin. Ich hätte noch erheblich mehr für Arkon tun können.«

Erkannte der Arkonide den Doppelsinn dieser Bemerkung? Seine Augen verengten sich.

»Ich habe Sie beobachtet, Axton«, sagte er drohend. »Nicht alles, von dem, was Sie getan haben, hat mir gefallen.«

»Ich habe es nicht getan, um von Ihnen bewundert zu werden«, erwiderte Axton spöttisch.

»Ich warne Sie, Axton. Gehen Sie nicht zu weit. Sie sind der erste Nichtarkonide, der Leiter des Geheimdiensts geworden ist. Sie haben einen gefährlichen Posten. Die Zahl Ihrer Feinde ist groß.«

»Ist sie auf Arkon II besonders groß?« »Wer könnte das sagen?« entgegnete der

Arkonide ausweichend. »Ich kann Ihnen nur empfehlen, sich jeden Schritt, den Sie tun, genau zu überlegen. Vieles kann sich verän­dern, und morgen kann schon falsch sein, was heute noch richtig zu sein schien.«

»Das war deutlich«, antwortete der Terra­ner kühl.

»Wenn Sie mich verstanden haben, bin ich beruhigt«, sagte Khantron. »Vielleicht sollten wir uns mal in Ruhe unterhalten.«

»Das ist ein ausgezeichneter Vorschlag. Ich werde mich bei Ihnen melden.« Axton schaltete das Gerät ab und beendete damit das Gespräch, ohne Khantron Gelegenheit für weitere Worte zu geben.

Jetzt wußte er, daß es ihm gelungen war. Eihrett Khantron ausreichend zu verunsi­chern. Er war überzeugt davon, daß Khan­tron seinen Griff zum Thron noch etwas hin­ausschieben würde. Der Präsident des Komi­

tees konnte nicht handeln, bevor er die neue Lage analysiert hatte.

Axton glaubte, den zeitlichen Vorsprung zu haben, den er benötigte. Jetzt konnte er gegen Moira Erclac vorgehen.

6.

In einem Hotelzimmer, das er für die Nacht gemietet hatte, arbeitete er die Infor­mationen durch, die er aus dem Organisati­onsbüro hatte. Danach wußte er erheblich mehr über Moira Erclac. Allerdings blieb nach wie vor im Dunkeln, weshalb der Poli­tiker Eihrett Khantron scheinbar wider­standslos gewichen war.

Moira Erclac war ein ungewöhnlich rei­cher Arkonide. Aus den Unterlagen ging hervor, daß er seinen Reichtum mit gewag­ten Geschäften und mit zum Teil illegalen Aktionen erworben hatte. Zur Zeit lief seine größte geschäftliche Unternehmung.

Zum ersten Mal gelang es Axton, einen Blick hinter die Kulissen des großen Finanz­geschehens im Imperium zu werfen. Davon hatte er vorher fast nichts erfahren: Er hatte sich jedoch auch nicht übermäßig dafür in­teressiert. Das bereute er nun.

Moira Erclac finanzierte für das Imperium den Bau des gigantischen Robothirns auf Arkon III. Dieser riesige Roboter war, wie Axton wußte, die Kernzelle des späteren Ro­botregenten. Moira Erclac hatte einen Her­stellungsvertrag mit dem Imperium abge­schlossen, der ihn verpflichtete, den riesigen Roboter bis zu einem bestimmten Zeitpunkt fertigzustellen. Er hatte die Aufgabe, alles zu finanzieren. Das Imperium würde den Roboter erst übernehmen und bezahlen, wenn er voll funktionstüchtig war, und wenn alle Arbeiten abgeschlossen waren. Der Preis dafür war festgelegt.

Moira Erclac hatte das Risiko, das mit diesem Geschäft verbunden war, auf sich genommen. Er hoffte auf einen gigantischen Gewinn. Diesen konnte er einstreichen, wenn es ihm gelang, den Roboter zu einem niedrigeren Preis als vereinbart herzustellen.

32

Nach den bisher erzielten Ergebnissen hatte Erclac gute Chancen, den erhofften Gewinn zu erzielen. Das Imperium sicherte den Bau mit einem ungeheuren Aufwand ab. Axton hatte größte Mühe gehabt, ein präpa­riertes Bauteil in den Roboter einzubringen. Er war überzeugt davon, daß es niemandem sonst gelingen würde, so etwas zu tun.

Er fragte sich, ob Moira Erclac und Eih­rett Khantron finanziell aneinandergeraten waren. Irgend etwas Entscheidendes mußte passiert sein, denn Erclac hatte sein Amt als Präsident des Komitees von Arkon II als Pfründe genutzt und damit alle Finanzie­rungsschwierigkeiten überwunden. So schi­en es wenigstens. War ihm dabei ein Fehler unterlaufen, den Khantron für ihn zum Fall­strick hatte werden lassen?

Axton bedauerte, daß er nicht mehr Zeit hatte. Er hätte es vorgezogen, nach bewähr­ter Methode gegen Erclac vorzugehen und sich durch umfangreiche Vorbereitungen ab­zusichern. Dazu blieb ihm jedoch keine Zeit mehr. Die Tatsache, daß Atlan sich in den Händen von Khantron befand, zwang ihn, schnell zu arbeiten.

Axton beschloß, sofort bei Erclac einzu­brechen und den Finanzier unter dem Ein­fluß eines Wahrheitsserums zu verhören. Er hoffte, auf diese Weise eine Waffe in die Hand zu bekommen, mit der er Khantron be­seitigen und Atlan befreien konnte.

Atlan flog zum Haus Moira Erclacs. Es war in anderer Architektur gebaut als

die sonst üblichen Häuser der Arkoniden. Das Anwesen Erclacs stellte eine Wohnsied­lung dar, die über den Hang eines Berges verstreut lag. Sämtliche Bauteile des terras­senförmig angelegten Komplexes waren miteinander verbunden. Es war eine der schönsten Wohnanlagen, die Axton im arko­nidischen Imperium gesehen hatte.

Zu dieser nächtlichen Stunde, als Axton über den Dächern des Anwesens erschien, war niemand mehr auf. Alle Hausteile waren unbeleuchtet.

Axton klopfte Kelly auf den Schädel. »Wach auf«, forderte er. »Ich brauche

H. G. Francis

dich.« »Das ist mir schon lange klar«, erwiderte

Kelly. »Was kann ich diesmal für dich tun?« Axton spähte nach unten. Aufgrund der

neu in ihm erwachten Fähigkeiten konnte er in der Dunkelheit fast so gut sehen wie am hellichten Tag. Sie schwebten in einer Höhe von etwa vierhundert Metern über einen kleinen Wasserfall und waren noch annä­hernd fünf Kilometer von dem Wohnsitz Er­clacs entfernt.

»Kannst du Teile der Alarmanlage erken­nen? Siehst du irgendwo Antennen oder Überwachungsgeräte?«

»Überall«, antwortete Kelly. Der Roboter schilderte die Alarm- und Si­

cherheitseinrichtungen. Dabei beschränkte er sich auf das Notwendigste. Dennoch wur­de sein Bericht so umfangreich, daß Axton ihn schließlich unterbrach.

»Schon gut«, sagte er nervös. »Ich habe begriffen. Das da ist keine Villa im üblichen Sinn, das ist eine Festung.«

Ratlos blickte Axton auf das Anwesen hinab. Er hatte mit Schwierigkeiten gerech­net, aber nicht mit unüberwindlichen Hin­dernissen. Er sah keine Möglichkeit, in eines der Häuser zu kommen, ohne einen Alarm auszulösen.

Je geringer seine Aussichten jedoch wa­ren, desto mehr fühlte er sich herausgefor­dert. Er sagte sich, daß Moira Erclac gute Gründe haben mußte, sich in dieser übertrie­ben erscheinenden Weise abzuschirmen.

Während er noch überlegte, sah Axton, daß sich bei einem der am höchsten gelege­nen Häuser eine Tür öffnete. Eine riesige Katze kam zögernd heraus, machte einen Buckel und eile dann federnd davon. Er hat­te noch nie eine derartig große Katze gese­hen. Er schätzte ihre Schulterhöhe auf weit über einen Meter.

Zwei Arkoniden folgten aufgeregt dem Tier. Axton schloß daraus, daß sie nicht da­mit einverstanden waren, daß die Katze sich von dem Haus entfernte.

»Das ist unsere Chance«, rief er Kelly zu. »Schnell.«

33 Gegner des Imperators

Gentleman Kelly interpretierte den Befehl des Terraners richtig. Er beschleunigte, um­rundete die Anlage, ließ sich dann steil ab­sinken und tauchte plötzlich vor der offenen Tür auf. Axton spähte zu den beiden Arkoni­den hinüber, die sich mit lauten Rufen be­mühten, die Riesenkatze wieder ins Haus zurückzutreiben. Das Tier war jedoch recht eigenwillig und versuchte, immer wieder auszubrechen.

Auf dem Rücken Kellys glitt Axton durch die offene Tür in einen kleinen Vorraum, der mit einem Kamin ausgestattet war. Einige Sessel standen um die offene Feuerstelle herum.

Axton versuchte, die einzige weiterfüh­rende Tür zu öffnen, doch es gelang ihm nicht. Er blickte sich suchend um und ent­deckte einen Schrank.

»Dort verstecken wir uns«, sagte er ha­stig. Kelly zog die Schranktür auf. Das Mö­bel war groß genug für sie beide. Erst stieg der Roboter hinein, dann kletterte der Ver­wachsene zu ihm und stellte sich neben ihn und schloß die Tür.

Sekunden später kehrten die beiden Arko­niden mit der Katze zurück. Axton hörte sie fluchen. Das Tier fauchte und knurrte ver­nehmlich. Und dann fiel eine Tür zu.

Der Terraner hielt unwillkürlich den Atem an. Er horchte, konnte aber aus den Geräuschen zunächst nicht schließen, was im Raum geschah. Dann aber vernahm er ein lautes Schnaufen, und gleichzeitig sah er mit seinen infrarotempfindlichen Sinnen hel­le Flecke an der Tür.

Sie zeigten ihm an, daß die Katze vor der Schranktür stand und den für sie unbekann­ten Gerüchen nachging.

Axton zog seinen Kombistrahler und stellte ihn auf Paralysewirkung.

»Komm, Clysandra«, rief einer der Arko­niden. »Nun komm endlich.«

Das Schnaufen und Schnüffeln entfernte sich. Axton atmete auf. Er hörte, wie sich ei­ne Tür öffnete und schloß, und dann wurde es still im Raum.

»Öffne«, befahl Axton mit gedämpfter

Stimme. Gentleman Kelly legte seine Hände gegen

die Schranktür. Es knackte leise, und die Tür öffnete sich.

Axton blickte einem Arkoniden, der vor dem Schrank stand, direkt in die Augen. Beide Männer waren so überrascht, daß sie zunächst wie gelähmt auf der Stelle standen. Nicht eine Sekunde lang hatte der Terraner daran gedacht, daß nur einer der beiden Ar­koniden zusammen mit der Katze den Raum verlassen haben könnte.

Der Arkonide reagierte schneller als Ax­ton. Er riß die Fäuste hoch und schlug zu. Jetzt aber griff Gentleman Kelly ein. Er schob seine stählernen Hände blitzschnell vor das Gesicht und den Körper Axtons, so daß die Fäuste des Arkoniden gegen sie prallten. Der Wächter Erlacs stöhnte vor Schmerzen auf. Seine Arme sanken schlaff nach unten.

Jetzt endlich hatte Axton seine Überra­schung überwunden. Er löste den Paralysa­tor aus. Der Arkonide brach zusammen und blieb regungslos auf dem Boden liegen. Der Terraner beugte sich über ihn und drückte ihm die Lider zu.

»In den Schrank mit ihm«, befahl er. Kelly hob den Paralysierten auf und legte

ihn in den Schrank. Axton verabreichte ihm noch eine zweite Dosis, um zu verhindern, daß er sich allzu früh wieder bewegen konn­te. Dann schloß Kelly die Schranktür.

»Da haben wir noch einmal Glück ge­habt«, stellte der Verwachsene erleichtert fest. »Wir können nur hoffen, daß die ande­ren Bewohner auch wirklich schlafen.«

Gentleman Kelly öffnete auch die weiter­führende Tür, nachdem er kurz daran ge­lauscht hatte. Axton machte keine Einwän­de. Seine Sinne signalisierten ihm zwar, daß höchste Gefahr bestand, doch das führte er darauf zurück, daß er sich in dieser festungs­ähnlichen Anlage befand. Tatsächlich hielt sich niemand in dem Raum auf, der hinter der Tür lag. Es war ein Jagdzimmer, in dem der Hausherr seine Trophäen aufbewahrte.

Eine geschwungene Treppe führte nach

34

unten. Axton folgte ihr, wobei er sich wieder auf den Rücken Kellys stellte und den Robo­ter schweben ließ, so daß sie sich lautlos voranbewegen konnten. Sie verharrten am Fuß der Treppe, als sie Stimmen hörten.

»Sie entfernen sich von uns«, stellte Kelly leise fest. Er zeigte auf eine Tür und glitt an sie heran.

Axton spürte die herannahende Gefahr körperlich.

»Vorsicht«, rief er und dirigierte Kelly hastig hinter einen blühenden Zierbusch. Kaum hatten sie die Deckung erreicht, als sich die Tür öffnete und ein Arkonide her­auskam. Er trug eine Offiziersuniform. Zö­gernd blieb er am Fuß der Treppe stehen. Er blickte zur Tür zurück. Axton schloß aus seinem Verhalten, daß er etwas vergessen hatte.

Er tippte Kelly an und hob seinen Kombi­strahler.

»Ganz ruhig«, befahl er mit gedämpfter Stimme. »Keinen Laut und keine Bewe­gung, sonst schieße ich.«

Der Arkonide schien nicht im mindesten überrascht zu sein. Er drehte sich zu Axton um und hob die Arme leicht an. Er lächelte geringschätzig.

»Was soll das denn?« fragte er. »Ich wuß­te gar nicht, daß Erclac sich so etwas wie einen Hofnarren hält.«

Lebo Axton-Kennon zog eine Autoinjek­tionsampulle aus seiner Jackentasche hervor und entsicherte sie. Der Arkonide sah die bläuliche Flüssigkeit darin und begriff. Er wich einen Schritt zurück.

»Bleiben Sie stehen«, befahl Axton. »Es liegt allein an Ihnen, ob Sie diese Nacht überleben oder nicht.«

»Wer sind Sie?« »Das werden Sie später erfahren.« Gentleman Kelly packte zu. Er wirbelte

den Arkoniden herum, umfing ihn mit einem Arm und hielt ihm mit der anderen Hand den Mund zu. Axton drückte ihm die Am­pulle an den Hals, und die bläuliche Flüssig­keit drang zischend durch die Haut in den Körper des Arkoniden ein. Der Offizier

H. G. Francis

bäumte sich kurz auf, erschlaffte dann aber. Widerstandslos ließ er sich von Kelly die Treppen hinauftragen.

Im Kaminzimmer begann das Verhör. »Wohin wollten sie eben gehen?« fragte

Axton. »Zu Moira Erclac. Er erwartet mich«, ant­

wortete der Offizier mit schwerer Zunge. Sein Gesicht verfärbte sich. Die Wahrheits­droge schien seinen Kreislauf zu stark zu be­lasten. Besorgt prüfte Axton seinen Puls. Danach sah er sich gezwungen, ihm eine Ruhepause zu gönnen.

»Wo ist Erclac?« fragte er dann. »Im grünen Saal.« »Was ist das?« »Das ist das Zentrum dieser Wohnanla­

ge«, erwiderte der Offizier. »Von dort aus steuert Erclac den Riesenroboter, von dort aus erteilt er seine Befehle an seine Helfer. Dort lenkt er seine Geschäfte.«

Axton-Kennon wollte eine weitere Frage stellen, als ihn plötzlich ein seltsames Ge­fühl überkam. Ihm war, als löse er sich auf. Ziehende Schmerzen erfüllten seinen Kör­per. Er blickte auf seine Hände, und ihm schien, als würden sie durchsichtig.

Voller Entsetzen dachte der Terraner an die Traummaschine auf dem Planeten Meg­gion im Occad-System. Was geschah dort? Hantierte jemand an der Maschine, um ihn zurückzuholen?

Nicht jetzt! schrie es in ihm. Das bisher so erfolgreiche Experiment durfte nicht ausge­rechnet jetzt zu Ende sein.

Das Auflösungsgefühl ließ nach. Axton stabilisierte sich. Er spürte sein eigenes Ge­wicht, und er blickte auf seine Hände, als könne er nicht fassen, daß er sie noch sehen konnte. Sie zitterten heftig.

»Was ist los mit dir, Liebling?« fragte Kelly besorgt. »Kann ich dir helfen?«

»Nein, nein«, antwortete Axton stam­melnd. »Es ist schon gut.«

Die Warnung war deutlich. Axton zwei­felte nun nicht mehr daran, daß auf Meggion etwas passiert war. Er wußte, daß ihn nie­mand in voller Absicht in Gefahr bringen

35 Gegner des Imperators

würde. So konnte er nur vermuten, daß sich ein technischer Fehler eingeschlichen hatte oder daß mit den Wissenschaftlern, die die Anlage überwachten, etwas nicht stimmte.

Die Angst, um die letzten Stunden ge­bracht zu werden, in denen er noch etwas für Atlan tun konnte, trieb ihn an.

»Weshalb ist Moira Erclac als Präsident des Komitees von Arkon II zurückgetre­ten?« fragte er hastig. »Schnell. Antworte.«

»Weil Erclac in seiner neuen Position sei­ne Macht besser ausüben kann«, erklärte der Offizier mit monotoner Stimme.

Der Terraner stutzte. »Es muß etwas passiert sein zwischen

Eihrett Khantron und Moira Erclac«, führte er aus. »Wie konnte Khantron Erclac zwin­gen, zurückzutreten und ihm das Amt zu überlassen?«

»Er hat ihn nicht gezwungen«, erwiderte der Offizier.

»Erkläre, was vorgefallen ist«, forderte Axton mit schriller Stimme. »Antworte.«

Er übersah, daß der Offizier unter dem Einfluß der Wahrheitsdroge seine Fragen nicht frei interpretieren und dem Sinn nach beantworten konnte. Der Arkonide schwieg. In seinem Gesicht zuckte es. Axton beob­achtete ihn und begriff. Mit aller Kraft ver­suchte er, sich zu beruhigen.

»Warum ist Eihrett Khantron Präsident geworden?« fragte er.

»Weil Erclac es so wollte.« Diese Auskunft überraschte Axton. Sie

stellte alle Überlegungen auf den Kopf, die er bisher angestellt hatte. Plötzlich stimmte nichts mehr.

»Hat Erclac ihn gezwungen?« »Das hat er getan.« Axton-Kennon schaltete blitzschnell um.

Sein in langen Jahren geschulter Verstand reagierte auf die neue Situation und stellte sich darauf ein. Das besondere kriminalisti­sche Gespür, das Axton schon immer ausge­zeichnet hatte, half ihm auch jetzt. Es gelang ihm, die Fragen so zu formulieren, daß der Offizier ihm in wenigen Minuten ein umfas­sendes Bild der Lage gab.

Danach sah alles ganz anders aus, als Ax­ton es sich ursprünglich vorgestellt hatte.

Eihrett Khantron war nicht mehr als eine Marionette für Erclac. Er hatte ihn als Präsi­dent von Arkon II eingesetzt, ebenso wie seinen Nachfolger als Präsident des Komi­tees auf Arkon III, dem Kriegsplaneten. Moira Erclac war nicht nur Finanzier und Erbauer des Riesenroboters. Ihm war es auch gelungen, dieses gigantische Unterneh­men für sich zu nutzen und in seinem Sinn zu programmieren.

Nicht Eihrett Khantron war der wirklich mächtige Mann. Moira Erclac war es. Er herrschte praktisch über die Planeten Arkon II und Arkon III. Er griff mit Hilfe von At­lan zur Macht über das gesamte Imperium.

Axton erkannte, daß er sich im Zentrum der Hausmacht von Erclac befand. Ihm wur­de abwechselnd heiß und kalt vor Schrecken, als er begriff, was das bedeutete. Wenn man ihn hier überraschte, würde man ihn auf der Stelle töten, denn er war der Mann, der die Macht Orbanaschols reprä­sentierte. Wenn Erclac Orbanaschol stürzte, dann mußte er auch die Helfer des bisheri­gen Imperators vernichten.

Axton stellte fest, daß es ihm gelungen war, Informationen von unschätzbarem Wert einzuholen, daß er damit jedoch solange nichts anfangen konnte, wie er im Haus Er­clacs war.

»Ist Atlan hier?« fragte er abschließend. »Er ist nicht hier«, antwortete der Offizier

zögernd. Die Wirkung der Droge ließ nach. »Er befindet sich im Militärgefängnis.«

»Will Erclac ihn hierher bringen?« »Das hat er vor.« »Schätzchen, du mußt daran denken, daß

dieser Offizier erwartet wird«, unterbrach Gentleman Kelly. »Man wird ihn suchen.«

»Ich weiß«, entgegnete der Verwachsene. »Gib ihm die Spritze.«

Der Roboter trat an den Arkoniden heran und verabreichte ihm eine Injektion. Der Of­fizier wehrte sich nicht. Das Medikament zischte in seine Halsschlagader und wurde vom Blut direkt ins Gehirn transportiert.

36

»Steh auf und geh zu Erclac«, befahl Ax­ton.

Der Offizier gehorchte. Er bewegte sich mit ungelenken Bewegungen wie eine Pup­pe. Sein Gesicht war ausdruckslos. Er hatte vergessen, was ihm widerfahren war.

»Wohin?« fragte Gentleman Kelly, als sie allein waren, »zurück ins Hotel?«

»Warum denn?« erwiderte Lebo Axton. »Sobald Erclac den Offizier sieht, weiß er, daß etwas nicht in Ordnung ist. Wahrschein­lich erkennt er sogar die wahren Zusammen­hänge. Er wird erraten, daß jemand in seine Festung eingedrungen ist und seinen Plan, Beherrscher des Imperiums zu werden, ge­fährdet. Aus der Tatsache, daß der Offizier noch lebt, wird er schließen, daß wir ge­flüchtet sind. Er wird also hauptsächlich au­ßerhalb der Mauern dieses Anwesens su­chen, nicht aber innerhalb. Und wir bleiben drinnen, aber nicht hier.«

Bevor Axton den Raum verließ, öffnete er den Schrank und verabreichte dem noch im­mer paralysierten Arkoniden ebenfalls die Droge, die seine Erinnerung an die Vorfälle auslöschte. Dann drang er zusammen mit Kelly weiter zum Mittelpunkt des Gebäude­komplexes vor.

*

Atlan drehte sich um, als sich die Tür sei­ner Zelle öffnete. Fartuloon, mit dem er ge­sprochen hatte, erhob sich. Die beiden Män­ner näherten sich der Tür. Ihre Absicht war deutlich. Nur ein Offizier stand vor ihnen, und er hielt noch nicht einmal eine Waffe in der Hand.

Der Offizier hob mahnend eine Hand. »Machen Sie keinen Unsinn«, sagte er.

»Neben mir stehen sieben Wachen. Sie wer­den sofort schießen, wenn Sie übermütig werden.«

Er wich zwei Schritte zurück. Atlan trat bis an die Tür heran. Er konnte die Wachen sehen.

»Was gibt es?« fragte er so ruhig, als sei nichts geschehen.

H. G. Francis

»Kommen Sie, Atlan. Und Sie auch, Far­tuloon. Wir werden einen Besuch machen.«

Atlan und Fartuloon verzichteten auf wei­tere Fragen. Sie verließen die Zelle und tra­ten auf den Gang hinaus. Sie waren beide fest entschlossen, die erste sich bietende Chance zu nutzen, den Vertrag zu brechen, den Atlan unterzeichnet hatte.

Zwischen den Wachen schritten sie den Gang entlang. Sie ließen sich zu einem großen Gleiter führen, der mehr als zwanzig Plätze hatte. In dieser Maschine flogen sie durch die Nacht.

Die seitlichen und die hinteren Scheiben waren verhängt, so daß sie nicht erkennen konnten, wohin man sie brachte. Der Flug dauerte nicht lange, dann landete die Ma­schine an einem Berghang zwischen einigen flachen Häusern.

»Aussteigen«, sagte der Offizier knapp. Er zielte jetzt mit seinem Energiestrahler auf Atlan. »Und machen Sie uns keine Schwie­rigkeiten. Sie können nicht dabei gewinnen, und wir alle würden nur Zeit dabei verlie­ren.«

Atlan und Fartuloon stiegen wortlos aus. Die Wachen drängten sich um sie und scho­ben sie durch eine Tür in einen kleinen Raum. Die Tür schloß sich hinter ihnen, dann glitt ein Teil des Fußbodens zur Seite. Ein Antigravschacht wurde sichtbar. Der Of­fizier trat über die Kante hinaus und sank lautlos in die Tiefe. Die Wachen schoben Atlan und Fartuloon zum Schacht und zwan­gen sie, dem Offizier zu folgen.

Als sie etwa zwanzig Meter tief gesunken waren, gerieten sie in ein großes Gewölbe mit grün schimmernden Wänden. An einem kreisrunden Tisch saßen zwanzig Arkoni­den. Atlan entdeckte Eihrett Khantron unter ihnen. Der Präsident des Komitees von Ar­kon II diskutierte heftig mit einem hochge­wachsenen, auffallend schlanken Mann.

Die Runde unterbrach das Gespräch, als sie Atlan bemerkten. Der Schlanke erhob sich von seinem Sessel. Er hatte dunkelrote Augen, die Atlan prüfend anblickten. Ein zynisches Lächeln lag auf seinen Lippen.

37 Gegner des Imperators

Atlan spürte sofort, daß dieser Mann die überragende Persönlichkeit der Gruppe war. Selbst Eihrett Khantron stand in seinem Schatten.

»Aha«, sagte er. »Der neue Imperator von Arkon. Erheben Sie sich, meine Herren. Be­grüßen Sie Atlan, so wie es ein Imperator er­warten kann.«

7.

Axton duckte sich, als der Gleiter landete. Er verbarg sich hinter einer kleinen Zier­mauer.

»Nach unten mit dir«, flüsterte er Kelly zu, als dieser aufrecht stehenblieb. Der Ro­boter sank lautlos zu Boden.

»Du solltest dich irgendwo verstecken«, fuhr Axton fort. »Du kannst zu leicht geortet werden. Was hältst du von dem Brunnen dort drüben?«

Er hörte nicht auf das, was der Roboter antwortete, denn in diesem Moment stiegen die Männer aus, die mit dem Gleiter gekom­men waren. Für einen kurzen Moment konn­te der Terraner einen jungen Mann mit sil­berhellem Haar sehen, das ihm bis auf die Schultern reichte. Er war so überrascht, daß er fast aufgesprungen wäre.

»Atlan«, sagte er keuchend. »Das ist At­lan.«

Eine maßlose Erregung überfiel ihn. Dies war das erste Mal, daß er Atlan in dieser Zeit sah. Er kannte einen biologisch noch jungen, aber durch Erfahrungen und zahllose Erlebnisse gereiften Atlan aus einer anderen Zeit. Obwohl diese Erfahrungen Spuren im Gesicht des über zehntausend Jahre alten At­lan hinterlassen hatten, war die Ähnlichkeit mit diesem jüngeren Atlan so groß, daß für Axton-Kennon nicht der geringste Zweifel bestand.

Er folgte den Männern mit seinen Blicken, doch es gelang ihm nicht, das Ge­sicht Atlans noch einmal zu sehen. Die an­deren Arkoniden drängten sich so dicht um ihn, daß sie ihn vor ihm verbargen. Sie scho­ben ihn förmlich in eines der Häuser hinein.

Als sich die Tür hinter ihnen schloß, star­tete der Gleiter wieder. Axton richtete sich auf. Er legte Gentleman Kelly die Hand auf die Schulter.

»Du mußt dich verstecken«, sagte er er­neut, während er in die Runde spähte. Deut­lich konnte er die Spitzen der zahlreichen Antennen sehen, die die einzelnen Gebäude sicherten. Er konnte sich gut vorstellen, daß irgendwo eine Zentrale war, in der alle ein­fallenden Ortungsreflexe aufgezeichnet wur­den. Ein so großes Objekt wie Kelly mußte auffallen, zumal es überwiegend aus Metall bestand.

Axton tippte sich mit den Fingern gegen sein Armbandfunkgerät.

»Du ziehst dich in den Brunnen zurück«, befahl er. »Falls ich dich benötige, gebe ich dir per Funk ein Zeichen. Dann kannst du anstellen, was du willst. Du mußt auf jeden Fall versuchen, zu mir zu kommen und mir zu helfen.«

»Du weißt doch, daß es mich stets zu dir zieht, Liebling«, erwiderte der Roboter mit schriller Stimme.

Axton nickte. »Dann ist es ja gut«, sagte er. »Ich weiß,

daß ich mich auf dich verlassen kann.« Gentleman Kelly legte sich flach nach

vorn. Er glitt davon. Selbst für Axton war kaum zu erkennen, wie er im Brunnen ver­schwand.

Der Terraner überlegte kurz. Für ihn stand fest, daß er Atlan folgen mußte. Er wußte noch nicht, was er unternehmen konnte. Er war sich nur darüber klar, daß er hier auf Ar­kon II auf nahezu verlorenem Posten stand. Auf Arkon I hätte er jederzeit die Organisa­tion Gonozal VII. alarmieren können. Das konnte er hier nicht, obwohl es auch auf dem Handelsplaneten einige Mitarbeiter gab.

Wesentlich unangenehmer aber war, daß er sich nicht darauf verlassen konnte, daß der arkonidische Geheimdienst auf Arkon II sich seinen Befehlen beugte. Er mußte viel­mehr damit rechnen, daß Moira Erclac auch innerhalb dieser Organisation seine Helfers­

38

helfer hatte. Wäre das nicht der Fall gewe­sen, hätte er seine Macht nicht so ausweiten können.

Axton stellte gar nicht erst lange Überle­gungen an. Er ging davon aus, daß sich Ar­kon II bereits fest in der Hand Erclacs be­fand. Doch damit nicht genug. Erclac war, wie Axton vermutete, auch Herr über Arkon III, den Kriegsplaneten. Dort mochte es durch die Militärs noch Widerstandskräfte gegen ihn geben, die Macht über den Rie­senroboter verlieh ihm jedoch einen erhebli­chen Vorsprung.

Aus einem der Häuser, die weiter von Ax­ton entfernt waren, kamen mehrere Männer und zwei Roboter hervor. Sie eilten zu dem Haus hinüber, durch das der Terraner in die Anlage eingedrungen war. Axton registrier­te, daß man bemerkt hatte, daß etwas nicht in Ordnung war. Er fühlte sich jedoch nicht mehr gefährdet als zuvor.

Er eilte weiter. Als er eine Pergola erreichte, erhob sich

unmittelbar vor ihm die riesige Katze aus ei­nem Gebüsch. Sie blickte ihn mit grün leuchtenden Augen an und fauchte leise.

Der Verwachsene blieb stehen. Seine Hand tastete sich zum Kombistrahler und zog ihn langsam aus dem Gürtel. Als er die Waffe gegen das Tier richten wollte, sprang es auf ihn zu. Der Kosmokriminalist warf sich zur Seite, um dem Angriff zu entgehen. Die Tatzen mit den messerscharfen Krallen fuhren dicht an ihm vorbei.

Axton wollte den Paralysator auslösen, als eine der hinteren Tatzen gegen seinen Arm schlug. Die Krallen schlitzten den Ärmel auf und brachten ihm eine tiefe Fleischwunde bei. Zugleich schmetterten sie ihm die Waf­fe aus der Hand.

Die Katze fuhr herum und duckte sich so tief, daß der Kopf fast den Boden berührte. Sie schnaufte leise, und ihre hochgleitenden Lefzen entblößten fingerlange Reißzähne.

Lebo Axton zog einen Desintegratorstift aus dem Gürtel. Er war kaum mehr als ein Werkzeug, mit dem man kleine Reparaturen durchführen oder Unebenheiten entfernen

H. G. Francis

konnte. Es war jedoch keine Waffe, da die Desintegratorklinge nur etwa einen Zentime­ter lang war.

Die Katze schien sich ihrer Beute sicher zu sein. Sie griff nicht mit vehementer Wucht an, sondern hieb spielerisch mit den Tatzen nach Axton. Dieser schob sich vor­sichtig zur Seite, wobei er das Tier ständig im Auge behielt. Etwa drei Meter neben ihm lag der Kombistrahler auf dem Boden.

Axton verzichtete bewußt darauf, Kelly zu Hilfe zu rufen. Er wollte es allein schaf­fen, und er glaubte auch daran, daß er es schaffen konnte.

Springend und hüpfend wich er den Tat­zen der Katze aus. Dabei merkte er, wie sehr ihn der Kampf anstrengte. In den ersten Se­kunden hatte er noch nicht darauf geachtet, wieviel Kraft es ihn kostete, sich vor den spielerischen Angriffen zu retten. Je länger der Kampf jedoch dauerte, desto mehr er­lahmten seine Kräfte. Als er zum Funkgerät griff, um Gentleman Kelly herbeizurufen, stürzte sich die Katze auf ihn. Die gewalti­gen Zähne blitzten über seinem Kopf.

Instinktiv stieß Axton mit dem Desinte­grationsstift zu. Er traf das Tier an der Un­terlippe und spaltete diese. Kreischend und fauchend warf sich die Katze herum und flüchtete einige Meter weit von ihm. Dann kauerte sie sich ins Gras und beobachtete ihn. Er sah, daß sie sich die Wunde leckte.

Axton bückte sich und nahm seinen Kom­bistrahler auf. Seine Hand zitterte vor Schwäche. Er bemerkte, daß mehrere Arko­niden aufmerksam geworden waren. Sie rie­fen das Tier beim Namen. Die Katze richtete sich auf und wandte ihnen den Kopf zu.

Der Terraner zog sich vorsichtig zurück. Er wollte das Tier dann paralysieren, wenn ihm gar keine andere Möglichkeit mehr blieb.

Die Riesenkatze zog es vor, den locken­den Rufen der Arkoniden zu folgen. Sie warf Axton noch einen forschenden Blick zu, dann setzte sie mit einem mächtigen Sprung über einen Busch hinweg und ver­schwand.

39 Gegner des Imperators

Der Kosmokriminalist eilte ebenfalls da­von. Er rechnete damit, daß die Arkoniden mißtrauisch werden würden. Von der Tür des Hauses her, in dem Atlan verschwunden war, beobachtete er die Wachen. Sie näher­ten sich der Stelle, an der er mit der Katze gekämpft hatte, fanden jedoch nichts, was sie weitergeführt hätte, und zogen sich wie­der zurück. Sekunden später flammten über­all Scheinwerfer auf, die das Gelände taghell erleuchteten.

Axton öffnete die Tür und flüchtete ins Haus.

Der Raum, in dem er sich befand, war un­beleuchtet. Das störte ihn jedoch nicht, son­dern half ihm, sich zu orientieren. Die Licht­elemente hatten einen höheren Wärmewert als die anderen Gegenstände, so daß er sie leicht ausmachen konnte. Er sah mit seinen infrarotempfindlichen Augen auch die Fuß­spuren der Männer, die vor einigen Minuten hier gewesen waren. Sie führten alle zur Mitte des Raumes und endeten dort.

Axton untersuchte den Boden und stellte fest, daß ein kreisrunder Ausschnitt die Transportplatte eines Antigravschachts war. Als er das herausgefunden hatte, wußte er auch, wo Atlan geblieben war.

Axton überdachte die Situation. Er war sich darüber klar, daß er Atlan und den an­deren Arkoniden nicht auf dem gleichen Wege folgen konnte. Er war sich jedoch si­cher, daß es noch einen oder mehrere weite­re Zugänge zu den tiefer gelegenen Räumen geben mußte. Er konnte sich nicht vorstel­len, daß Erclac so leichtsinnig war, sich selbst in eine Falle zu begeben, aus der es keinen Ausweg mehr gab.

Der Terraner eilte mit schleifenden Füßen einen Gang entlang, der bis zum Ende des Gebäudes führte. Von hier her vernahm er die Stimmen. Er horchte an den verschiede­nen Türen, bis er deutlich zwei verschiedene Stimmen ausmachen konnte. Zwei Männer unterhielten sich über ein Sportereignis.

Bewachten Sie eine Treppe oder einen Antigravschacht?

Plötzlich entfernten sich die Stimmen,

und dann wurde es still. Axton griff sich an den Kopf. Seine Sondersinne sandten schmerzhaft pochende Impulse aus, die ihn warnten. Sie zeigten ihm an, daß sich ihm eine Gefahr näherte.

Axton begriff. Man hatte ihn bemerkt. Daß die beiden

Arkoniden im Raum sich von ihm entfern­ten, war ein deutliches Zeichen dafür. Sie versuchten, ihn zu täuschen.

Axton überprüfte seinen Kombistrahler und stellte ihn auf Paralysewirkung. Dann streckte er die Hand zum Türschalter aus. Es war ein einfacher Druckschalter, doch er lag so hoch, daß der Verwachsene ihn nicht er­reichen konnte. Fluchend zog er einen Schuh aus. Dann stellte er sich auf die Ze­henspitzen und schlug den Schuh vorsichtig gegen den Schalter. Es klickte leise, und die Tür glitt zur Seite.

Der Raum dahinter war dunkel. Der Terraner zog sich den Schuh an und

trat dann ein. Die Tür schob sich unter dem sanften Druck seiner Hand zu. Axton lehnte sich gegen sie.

Mit Hilfe seiner infrarotempfindlichen Augen entdeckte er die beiden Arkoniden. Sie standen etwa zehn Meter von ihm ent­fernt zu beiden Seiten einer offenen Tür. Von dort aus führte eine Treppe nach unten. Die beiden Arkoniden hielten Energiestrahl­waffen in den Händen, richteten sie jedoch nicht auf ihn, sondern ließen sie nach unten hängen.

Axton lächelte. Die beiden glaubten, daß er in der Dun­

kelheit ebensowenig erkennen konnte wie sie selbst auch. Sie warteten auf ihn und hofften, ihn überrumpeln zu können.

Vorsichtig streckte er seine linke Hand aus und tat, als ob er sich vorantasten müsse. Dabei näherte er sich den beiden Wachen. Er trat absichtlich etwas fester auf als ge­wöhnlich, um ihnen durch die Geräusche an­zuzeigen, wo er war.

Als er noch fünf Meter von ihnen entfernt war, hob er den Kombistrahler und löste ihn zweimal aus. Die beiden Arkoniden brachen

40

mit einem dumpfen Laut zusammen. Die Waffen polterten auf den Boden.

Axton eilte zu ihnen, nahm die Waffen auf und entfernte die Energiepatronen aus ihnen. Dann verabreichte er den beiden Männern eine weitere Strahlendosis, um si­cher sein zu können, daß sie ihm nicht in den Rücken fielen, wenn er auf der Treppe war. Danach schaltete er das Licht ein.

Neben der Tür, durch die er gekommen war, befand sich ein Monitorschirm. Auf ihm zeichnete sich der Gang ab. Die Arkoni­den hatten ihn also deutlich gesehen. Wie viele vor ihnen hatten auch sie ihn wegen seiner verkrüppelten Gestalt unterschätzt.

Axton blockierte die Tür zum Gang, so daß sie von außen nicht so leicht geöffnet werden konnte. Dann stieg er die Treppe hinunter. Er schob sich Stufe für Stufe vor­an, wobei er sich bemühte, so leise wie mög­lich zu sein.

Zunächst fiel noch genügend Licht auf die Stufen, dann aber wurde es dunkler. Da of­fenbar seit längerer Zeit niemand mehr die Treppe hinabgegangen war, gab es nur eine geringe Wärmestrahlung, so daß auch der Kosmokriminalist Mühe hatte, sich zu orien­tieren.

Axton versuchte, die ständigen Warnim­pulse seines Extrahirns zu ignorieren, doch es gelang ihm nicht. Die Aktivität dieser Sondersinne war überflüssig. Niemand brauchte ihm anzuzeigen, daß er sich in höchster Gefahr befand. Das wußte er auch so. Die neuerwachten Sondersinne hatten ihm aber schon mehrfach das Leben gerettet. Das war vor allem dann der Fall gewesen, wenn er eine heraufziehende Gefahr mit an­deren Mitteln gar nicht hätte feststellen kön­nen.

Seine Muskeln verkrampften sich. Die Beine schmerzten. Er war es nicht gewohnt, sich allein vorwärtszubewegen. Allzu oft hatte er die Hilfe Kellys in Anspruch neh­men müssen. Er war dazu gezwungen gewe­sen, weil er körperlich zu schwach war. Im­mer wieder hatte er versucht, seinen Körper durch Gymnastik und Belastungstraining zu

H. G. Francis

stärken, aber ohne Erfolg. Es war, als habe sein Körper nicht mehr die Möglichkeit, Muskeln zu bilden.

Axton erreichte nach etwa einer halben Stunde ein Schott. Er tastete es suchend ab, bis er eine Kontaktscheibe fand. Er drückte seine flache Hand dagegen, und lautlos glitt das Schott zur Seite. Dahinter lag ein matt erhellter Gang. Niemand hielt sich auf ihm auf. Unter der Decke befand sich eine Vi­deokamera, die jedoch keine Wärmestrah­lung hatte. Sie war nicht eingeschaltet.

Da Axton-Kennon nicht wußte, ob sie sich in den nächsten Sekunden einschalten würde, hastete er unter ihr hindurch. Einige Meter hinter ihr blieb er stehen. Das Schott schloß sich, und tatsächlich konnte der Ver­wachsene nun beobachten, wie drei Wärme­herde in der Kamera entstanden.

Et atmete auf. Dann aber bemerkte er, daß die Kamera

sich zu drehen begann. Er eilte zu ihr zurück und blieb direkt unter ihr stehen. Das Objek­tiv schwenkte herum und erfaßte den Teil des Ganges, auf dem er sich eben noch be­funden hatte. Nun drehte sie sich erneut und richtete sich wieder auf das Schott. Die Wär­meherde in der Kamera erloschen.

Axton grinste. Er wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn und versuchte, das ständige Zucken seines linken Lides zu unterdrücken.

Er ging weiter und folgte dem Gang bis zu einer mosaikartigen Glaswand, die ihn auf einer Seite begrenzte. Durch die Glas­steine hindurch konnte er die Gestalten eini­ger Arkoniden sehen. Sie wurden durch das Glas jedoch so verzerrt, daß er sie nicht identifizieren konnte. Er zweifelte jedoch nicht daran, daß dies die Männer waren, die Atlan begleitet hatten.

Gedämpft drangen ihre Stimmen zu ihm. Sie schienen erregt zu sein. Zu seinem Be­dauern konnte er sie jedoch nicht verstehen.

Er überlegte, was er tun sollte. Sein Vorstoß bis zu diesem versteckt an­

gelegten Raum mußte einen Sinn bekom­men. Er mußte versuchen, entweder wichti­

41 Gegner des Imperators

ge Informationen zu bekommen oder die Versammlung zu sprengen.

Axton beschloß, zunächst einmal Infor­mationen einzuholen. Er nahm den Desinte­gratorstift und führte ihn vorsichtig gegen einen Glasstein. Geräuschlos löste er ein daumengroßes Stück davon ab. Dahinter lag ein Hohlraum, der durch eine dünne Schicht Glas begrenzt wurde. Axton führte den Stift durch die Öffnung und löste ein wenig Glas von der anderen Seite auf. Er schuf ein Loch von knapp einem Zentimeter Durchmesser, während er gleichzeitig die Arkoniden beob­achtete. Aus ihrem Verhalten konnte er nicht erkennen, ob sie seine Aktivität beobachte­ten oder nicht.

Er zog den Stift zurück und lehnte sich neben dem Glasmosaik an die Wand. Jetzt konnte er die Stimmen der Arkoniden deut­lich hören.

»… bleibt uns nur eine Alternative«, er­klärte einer von ihnen mit schneidender, un­angenehmer Stimme. »Entweder Sie halten sich an den Vertrag und tun, was wir Ihnen befehlen, oder wir pflanzen Ihnen einen elektronischen Sender ins Gehirn, der Sie zwingt, das zu tun, was wir wollen.«

»Bei der ersten Möglichkeit haben Sie ei­ne glänzende Zukunft«, erläuterte ein ande­rer aus der Versammlung. »Sie können Ihr Leben genießen, ohne Verantwortung tragen zu müssen. Ihre finanziellen Mittel sind praktisch unbegrenzt. Sie können tun und lassen, was Sie wollen – vorausgesetzt, daß Sie hin und wieder im Kristallpalast erschei­nen, einige Gesetze unterzeichnen, hier und da mal eine Rede halten und Ihren Reprä­sentationspflichten nachkommen.«

»Mit der praktischen Politik haben Sie nichts zu tun«, fuhr der Arkonide mit der unangenehm schneidenden Stimme fort. »Das ist meine Sache. Ich werde eine saube­re, zukunftsweisende Politik machen, die nichts mehr mit der Politik Orbanaschols ge­mein haben wird.«

»Sie wollen die Macht für Ihre eigenen Zwecke«, sagte ein anderer. Axton-Kennon stockte der Atem. Die Stimme klang jünger

als jene, die er kannte, aber es war einwand­frei Atlans Organ. »Sie sehen im Amt des Imperators nichts weiter als eine Möglich­keit maßloser Bereicherung.«

»Wer soviel für Arkon und das Imperium erreicht, wie ich erreichen werde, der darf auch seine Vorteile davon haben«, entgegne­te der Arkonide mit der unangenehm klin­genden Stimme. Axton zweifelte nicht dar­an, daß es Erclac war. »Aber das alles steht nicht zur Debatte. Sie müssen sich entschei­den.«

»Ich wäre ein Narr, wenn ich mir etwas ins Gehirn einpflanzen ließe«, erklärte Atlan leidenschaftlich. »Ich beuge mich der Ge­walt.«

»Und Sie glauben wirklich, Sie könnten mir irgendwann in der Zukunft die Macht entreißen«, stellte Erclac amüsiert fest. »Nun gut, Atlan. Ich lasse Ihnen Ihren nai­ven Glauben. Nur – versuchen Sie es nicht zu früh, sich gegen mich aufzulehnen. Es würde Sie das Leben kosten.«

Die Warnung war deutlich. Axton erfaßte, was Erclac damit meinte. Die für ihn und seine Anhänger gefährlichste Phase war die Machtübernahme. Wenn Atlan sich ausge­rechnet dabei allzu widerspenstig benahm, blieb Erclac keine andere Möglichkeit, als ihn zu töten.

»Ich habe verstanden«, sagte Atlan. »Ich werde Sie nicht daran hindern, Orbanaschol zu beseitigen und die Macht zu übernehmen. Danach aber werden wir weitersehen.«

»Sie sind ein mutiger Mann, Atlan«, sagte Erclac ohne jede Ironie. »Vielleicht kommen wir doch noch zu einer guten und vernünfti­gen Zusammenarbeit. Es sollte mich freu­en.«

Plötzlich und völlig unerwartet, weil Ax­ton die alarmierenden Impulse seines Sonderhirns ignoriert hatte, öffnete sich di­rekt neben ihm eine Tür. Zwei Arkoniden standen vor ihm. Sie waren ebenso über­rascht wie er, reagierten jedoch schneller als er. Sie zogen ihre Energiestrahler aus den Gürteln und richteten sie auf ihn. Axton blieb keine andere Wahl.

42

Er hob die Arme über den Kopf.

*

Der Kosmokriminalist sah sofort, daß er Moira Erclac gegenüberstand. Er kannte sein Aussehen von zahlreichen Bildaufnahmen her. Erclac sah fast so aus wie ein Ara. Seine Nase sprang weit vor. Die roten Augen la­gen tief in den Höhlen. Die Wangen waren hohl, und die oberen Zähne ragten über die Unterlippe hinaus.

»Lebo Axton«, sagte der Arkonide. Er schien nicht überrascht zu sein. »Ich wußte, daß Sie früher oder später bei mir erscheinen würden, zumal Sie nun Chef des Geheim­diensts sind. Aber so? Ist das nicht unter Ih­rem Niveau?«

»Durchaus nicht«, erwiderte der Ver­wachsene kühl. Er ließ die Arme sinken, da man ihm den Kombistrahler und den Desin­tegratorstift abgenommen hatte. »Ich sehe keine besondere Gefahr darin, Sie hier auf­zusuchen. Außerdem sollten Sie mich genü­gend kennen, um zu wissen, daß ich grund­sätzlich nichts ohne Rückendeckung tue.«

Moira Erclac schüttelte den Kopf. »Ich kenne Sie nicht, Axton. Zwar habe

ich einiges von Ihnen gehört, das reicht je­doch nicht aus, mir über Ihre Fähigkeiten ein Urteil zu bilden. Ich weiß nur, daß Sie ein Speichellecker Orbanaschols sind. Sie haben ihm einige Male das Leben gerettet.«

»Und jetzt werde ich dafür sorgen, daß Sie nicht heimlicher Imperator werden«, ent­gegnete Axton gelassen.

»Dafür dürfte es zu spät sein«, sagte Er­clac. Er nahm ein kugelförmiges Gerät vom Tisch und hielt es sich ans Ohr. Dann drück­te er eine Taste und flüsterte etwas, was Ax­ton nicht verstehen konnte. Einige Sekunden verstrichen, dann glitt ein verächtliches Lä­cheln über die Lippen des Finanziers. Er schüttelte den Kopf und legte die Kugel auf den Tisch zurück.

»Ohne Netz und doppelten Boden«, sagte Erclac. »Wie haben Sie sich das vorgestellt, Axton?«

H. G. Francis

Sinclair Marout Kennon-Axton achtete nicht auf ihn. Er blickte Atlan an, und auch dieser hatte nur Augen für ihn. Vorläufig entdeckte der Terraner jedoch noch kein Zeichen des Verstehens bei dem Kristall­prinzen.

»Bringt ihn hinaus?« befahl Erclac. »Was haben Sie vor?« fragte der Kosmo­

kriminalist. »Meine Leute werden Sie zu einem

Transmitter begleiten, und Sie werden eine Reise antreten.«

»Wohin?« Moira Erclac lachte. »Woher soll ich das wissen? Der Trans­

mitter ist auf keine Gegenstation justiert. Er sendet. Ob es irgendwo ein Gerät gibt, das auf seine Frequenz eingestellt ist, das weiß ich nicht. Sie werden es erfahren, Axton, falls Sie je wieder rematerialisieren sollten.«

Lebo Axton legte seine Hand über das Handgelenk der anderen Hand und gab das Funksignal an Gentleman Kelly ab.

»Wollen Sie nicht wissen, weshalb ich überhaupt zu Ihnen gekommen bin?« fragte er. »Interessiert Sie nicht, was ich Ihnen zu sagen habe?«

Erclac schüttelte verächtlich lächelnd den Kopf.

»Ich kann mir nicht vorstellen, daß ein Mann wie Sie so ahnungslos ist«, bemerkte der Verwachsene, doch auch damit konnte er Erclac nicht beeindrucken. Der Finanzier des Riesenrobots gab seinen Männern ein Handzeichen. Die Wachen ergriffen Axton und schleiften ihn zum Ausgang.

Doch plötzlich geschah etwas, mit dem niemand gerechnet hatte. Der Körper Axtons wurde transparent. Die Hände der Arkoni­den glitten durch ihn hindurch, und er sank leicht wie eine Feder zu Boden. Hier stabili­sierte er sich wieder etwas. Er wälzte sich hin und her und entging so den zupackenden Händen der Wachen.

Moira Erclac schrie auf. Die Wachen wichen vor Axton zurück.

Die anderen Arkoniden sprangen von ihren Plätzen auf und näherten sich ihm. Auch At­

43 Gegner des Imperators

lan und Moira Erclac wurden von dem Phä­nomen förmlich angezogen. Schweigend blickten sie auf die verwachsene Gestalt hin­ab, die sich mal verdichtete, dann aber aus­sah, als wolle sie sich in Nichts auflösen.

Die Erscheinung dauerte fast eine Minute. Dann war alles wieder normal. Lebo Axton lag keuchend auf dem Boden. Der Vorfall hatte ihn bis zur totalen Erschöpfung ange­strengt. Er war nicht in der Lage, sich aus ei­gener Kraft zu erheben.

Atlan beugte sich zu ihm herab, legte ihm die Hände an die Oberarme und zog ihn vor­sichtig hoch.

»Ich denke, Sie haben mir doch etwas zu erklären, Axton«, sagte Moira Erclac mit be­bender Stimme.

Axton-Kennon bemerkte erst jetzt, daß ein Mann im Raum war, der kein Arkonide war. Er war wesentlich kleiner als die Arko­niden. Axton schätzte ihn auf 1,65 Meter. Er hatte einen kahlen Schädel und einen schwarzen Vollbart. Seine gelb schimmern-den Augen verschwanden fast hinter Fett­wülsten.

Axton Kennon kam dieser Mann irgend-wie bekannt vor. Er konnte ihn jedoch nicht unterbringen. Doch das beschäftigte ihn in diesen Sekunden auch gar nicht.

Er beobachtete, daß der Bärtige einem Ar­koniden äußerst langsam und vorsichtig den Energiestrahler aus dem Gürtel zog. Da­durch gab er sich eindeutig als Gegner der Arkoniden und als Freund Atlans zu erken­nen.

Axton bemühte sich, die Arkoniden abzu­lenken, um dem Bärtigen zu helfen.

»Ich habe die ganze Zeit versucht, Sie darauf aufmerksam zu machen«, sagte Ax­ton. Er rang übertrieben laut keuchend nach Luft, und er tat, als strenge ihn das Sprechen an. »Lassen Sie mir ein wenig Zeit. Dann sollen Sie alles erfahren, was für Sie wichtig ist.«

Er klopfte sich mit verzerrtem Gesicht in der Herzgegend gegen die Brust.

»Der Kreislauf«, erläuterte er ächzend. »Er will nicht immer so, wie ich gerne

möchte.« Jetzt endlich hatte der Bärtige es ge­

schafft, dem Arkoniden die Waffe abzuneh­men. Er trat langsam zurück und hob den Energiestrahler.

8.

Der Dreifache Sonnenträger Spronthrok betrat die Hauptleitzentrale des Kreuzers. Die Offiziere, die am Steuerpult standen, drehten sich zu ihm um. Er nickte ihnen zu.

»Es ist soweit«, sagte er. »Wir schlagen zu.«

Der Pilot setzte sich in seinen Sessel und gab die entsprechenden Kommandos. Der Kreuzer verließ die Kreisbahn, in der er sich seit einigen Stunden befunden hatte. Er stürzte sich förmlich in, die Atmosphäre hin­ein.

Das Ziel war ebenfalls seit Stunden aus­gemacht. Es konnte direkt angeflogen wer­den.

Spronthrok stand konzentriert in der Zen­trale. Er hatte den entscheidenden Schritt ge­tan. Nun gab es kein Zurück mehr. Wenn es ihm gelang, diese Aktion erfolgreich abzu­schließen, dann war so gut wie sicher, daß er Nachfolger Orbanaschols III. wurde. War er nicht erfolgreich, dann konnte er mit dem Leben abschließen.

Spronthrok war sich seiner Sache jedoch ziemlich sicher.

Er hatte die vergangenen Stunden zu in­tensiven Informationsgesprächen mit wichti­gen Persönlichkeiten des Imperiums genutzt und sich vergewissert, daß diese im Erfolgs­fall hinter ihm standen. Alles aber hing da­von ab, daß es ihm gelang, Atlan in die Hand zu bekommen und für seine Pläne zu nutzen.

Er machte sich keine Gedanken darüber, ob Atlan damit einverstanden war oder nicht. Für ihn stand außer Zweifel, daß der Kristallprinz froh sein würde, mit dem Le­ben davonzukommen. Er stufte Atlan auch als schwach ein, weil er ihn nicht kannte.

Für ihn war Atlan nicht mehr als ein jun­

44

ger Mann, der zufällig der Sohn des ermor­deten Gonozal war. Zwar hatte er von eini­gen spektakulären Aktionen Atlans gehört, doch war er nie direkt mit ihm konfrontiert worden, und er hatte sich, was ihn betraf, stets nur auf Informationen aus zweiter Hand gestützt.

Spronthrok wußte, daß in diesem Moment auf Arkon II Alarm ausgelöst wurde. Er wußte jedoch auch, daß dieser keine militä­rische Wirkung haben würde. Man würde ihn nicht aufhalten. Die verantwortlichen Offiziere auf Arkon II würden erst reagie­ren, wenn es zu spät war. Nicht zu verhin­dern war jedoch, daß Arkon I und damit auch der Imperator informiert wurden.

Spronthrok atmete tief durch. Er ging zu seinem Sessel und setzte sich. Seine Blicke waren starr auf den Hauptbildschirm gerich­tet.

»Sind die Mannschaften einsatzbereit?« fragte er.

»Einsatzbereit«, antwortete der 1. Offizier erwartungsgemäß. »Sie schlagen sofort nach der Landung zu.«

Der Kreuzer verzögerte stark. Spronthrok spürte, wie der Boden unter seinen Füßen vi­brierte.

Auf dem Hauptbildschirm erschien das Bild des Militärgefängnisses von Arkon II. Der Dreifache Sonnenträger sah, wie die Fenster des Gebäudes im Widerschein der aus den Abstrahlschächten schlagenden Glutstrahlen aufleuchteten und wenig später unter dem Druck der gegen sie anbranden­den Hitzewelle zerplatzten.

Die Schleusenschotte flogen auf. Die Mannschaften regneten aus den Schleusen ab.

Spronthrok erhob sich. Er hielt es nicht mehr im Sessel aus. Unwillkürlich trat er nä­her an den Hauptbildschirm heran, um bes­ser verfolgen zu können, was geschah. Seine Offiziere drängten sich um ihn.

Die Mannschaften stürmten das Militärge­fängnis. Einige Schüsse fielen. Die Energie­strahlen erhellten die Nacht.

»Wir sind im Gefängnis«, hallte die Stim-

H. G. Francis

me des Kommandoführers aus den Lautspre­chern in der Zentrale. »Die Wachen leisten keinen Widerstand mehr.«

»Sic haben es geschafft«, sagte der 1. Of­fizier erleichtert. Er wandte sich dem Dreifa­chen Sonnenträger zu. »Darf ich Ihnen gra­tulieren?«

»Noch nicht«, entgegnete Spronthrok. »Erst wenn Atlan hier in der Zentrale ist.«

»Das wird fraglos in einigen Minuten der Fall sein.«

Das Lächeln auf dem Gesicht des Offi­ziers erlosch, als die nächste Meldung des Kommandoführers kam.

»Atlan ist nicht mehr hier«, brüllte es aus den Lautsprechern. »Erclacs Leute haben ihn und seinen Begleiter, den früheren Leib­arzt Gonozals, abgeholt.«

»Wohin haben sie ihn gebracht?« schrie Spronthrok schreckensbleich.

»Zum Wohnsitz Erclacs.« »Wir fliegen dorthin«, entschied der Drei­

fache Sonnenträger. »Kommen Sie sofort an Bord zurück.«

»Dazu ist es zu spät«, rief der 1. Offizier. »Sie können Erclacs Wohngelände nicht stürmen. Sie müssen jetzt direkt in Richtung Imperator vorstoßen.«

»Ich will Atlan«, entschied Spronthrok. »Erst wenn ich ihn habe, unternehme ich den nächsten Schritt.«

Er fuhr herum. Sein Gesicht rötete sich. »Wir starten in zwei Minuten. Wer dann

noch nicht an Bord ist, bleibt hier.« Er kehrte zu seinem Sessel zurück. Sein

Gesicht war maskenhaft starr.

*

Orbanaschol III. arbeitete so intensiv und konzentriert wie schon seit Jahren nicht mehr. Die Angst vor dem Untergang ließ ihn zu den Qualitäten und jener Disziplin zu­rückfinden, die diesen Mann unbestreitbar auszeichneten. Mit aller Kraft versuchte er, das wankende Machtgebäude zu stützen und zu halten.

Orbanaschol faßte einen fast ungeheuerli­

45 Gegner des Imperators

chen Entschluß. Er kehrte in den Kristallpa­last zurück. Er war sich dessen bewußt, daß er seinen Kampf nur hier unter optimalen Bedingungen führen konnte. Nur von hier aus hatte er die Kommunikationen, die er in diesen Stunden unbedingt benötigte.

Wie wertvoll sein Entschluß war, zeigte sich, als er kaum eine Stunde lang in seinen alten Räumen war.

Der Kriegsminister Organ Vlerghont kam zu ihm. Er befand sich in höchster Erregung. Orbanaschol III. saß an einem Tisch. Vor ihm lagen Berge von Papieren und Akten. Dazwischen standen verschiedene Speisen. Vlerghont blickte verstört auf dieses Chaos.

Orbanaschol sprang auf. Sein feistes Ge­sicht verzerrte sich, und er tat etwas, was er nie zuvor getan hatte. Er entschuldigte sich.

»Ich kann nicht anders«, sagte er. »Wenn ich unter einer derartigen Nervenbelastung stehe, muß ich etwas essen.«

»Verzeihen Sie mir. Ich wollte keine Kri­tik üben.«

»Schon gut. Was ist los?« »Ich habe soeben eine Nachricht von Ar­

kon II erhalten. Der Kreuzer VERGIL­NAUT, der unter dem Kommando von Spronthrok steht, ist direkt neben dem Mili­tärgefängnis gelandet. Die Mannschaften ha­ben versucht, einen Gefangenen zu befreien. Wie es heißt, soll es sich dabei um Atlan handeln.«

Orbanaschol erbleichte. »Spronthrok ein Verräter?« fragte er mit

heiserer Stimme. »Ich kann es nicht glau­ben.«

»Es gibt keinen Zweifel«, beteuerte Vl­erghont.

»Wissen Sie, was das bedeutet?« fragte der Imperator. Er packte den Kriegsminister an den Oberarmen und blickte ihn durch­dringend an. »Das bedeutet, daß Spronthrok meutert. Er will Imperator werden. Er will mich stürzen.«

»Ich bin sicher, daß nicht die gesamte Raumflotte hinter ihm steht«, erklärte Vlerg­hont.

»Es genügt schon, wenn er die Militärs

spaltet und unsere Kriegsmacht damit lähmt. Die Methans hätten den Vorteil.«

»Wir müssen etwas tun.« »Ich weiß.« Orbanaschol wurde ruhiger.

Er überlegte einige Sekunden. Dann fragte er: »Sind einige Offiziere mit Raumschiffen in greifbarer Nähe, auf die wir uns verlassen können?«

»Es ist das Elitekommando TROMCON im Planquadrat N-c vorhanden, das einge­setzt werden kann.«

»Wohin hat sich der Kreuzer gewendet?« »Es sieht so aus, als wolle Spronthrok die

Wohnanlage von Moira Erclac angreifen.« »Also gut. Alarmieren Sie die Eliteein­

heit. Sie muß eingesetzt werden können. Sie ist unsere letzte Rettung. Spronthrok muß gebremst werden.« Orbanaschol kehrte an seinen Tisch zurück. »Daß Erclac zu den Verrätern gehört, überrascht mich nicht.«

Der Kriegsminister eilte zu einem Video­gerät und erteilte seine Befehle. Danach kehrte er zum Imperator zurück.

Orbanaschol stützte seine Arme auf die Tischplatte. Er war ernst. Seine Augen wa­ren feucht.

»Wenn ich diese Krise überstehe, Vlerg­hont«, sagte er, »dann wird Arkon einen an­deren, einen völlig neuen Imperator erleben. Ich habe Fehler gemacht. Sie gilt es auszu­bügeln. Ich werde mich ändern. Ich werde ein neues Arkon aufbauen. Ein Imperium, in dem es nur Gerechtigkeit und Wohlstand ge­ben soll.«

Vlerghont stand wie erstarrt vor Orbana­schol. Er glaubte, sich verhört zu haben.

»Ich schwöre bei allen Göttern, die mir heilig sind, daß ich meinen Namen ablegen und unter dem Namen Gonozal VII. weiter­regieren werde.«

Als Organ Vlerghont nichts erwiderte, packte Orbanaschol ihn an der Uniformblu­se.

»Haben Sie mich verstanden?« schrie er. Seine Stimme überschlug sich vor Erregung. Seine Augen funkelten wie die eines Wahn­sinnigen.

»Ich habe verstanden, Erhabener«, ant­

46

wortete der Kriegsminister.

*

Lebo Axton-Kennon spürte einen heftig anwachsenden Druck im Kopf. Das Gefühl einer übermächtigen Gefahr erdrückte ihn fast. Er sah, daß der Bärtige den Energie­strahler hob und begriff schlagartig, daß er selbst zu den Feinden Atlans und des Bärti­gen zählte. Moira Erclac hatte ihn als Chef des Geheimdiensts bezeichnet. Damit war er in den Augen Atlans und seines Begleiters der Repräsentant alles Bösen und Ungerech­ten. Atlan und der Bärtige mußten in ihm den Vollstrecker aller Befehle Orbanaschols und damit einen widerwärtigen Mörder se­hen.

Hinter ihm öffnete sich zischend ein Tür­schott. Unwillkürlich drehte er sich um.

»Beyze«, rief Moira Erclac. »Was ist los?«

»Ein Kreuzer«, antwortete Beyze keu­chend. Er deutete mit der Hand nach oben. »Er landet.«

Seine Augen weiteten sich. Er sah, daß Fartuloon einen Energiestrahler hatte. Seine Hand zuckte blitzschnell zur Hüfte und riß die Waffe aus dem Gürtel. Fartuloon zögerte nicht. Er schoß. Ein sonnenheller Energie­strahl durchraste den Raum und tötete Bey­ze, bevor dieser seine Waffe anschlagen konnte.

Die anderen Arkoniden wurden von die­sem Schußwechsel völlig überrascht. Sie schrien durcheinander. Moira Erclac stürzte sich an seinen Arbeitstisch. Er kümmerte sich nicht um die auf ihn gerichtete Waffe. Er hämmerte mit seinen Fingern auf einige Tasten. Sein Gesicht verzerrte sich.

»Nichts werden sie erreichen«, brüllte er triumphierend. Er blickte Fartuloon an. »Weder die da oben, noch Sie hier.«

»Was haben Sie getan?« fragte Atlan. Er nahm einem anderen Arkoniden die Waffe ab und gesellte sich zu Fartuloon.

»Ich habe die Möglichkeiten genutzt, die mir der Riesenroboter auf Arkon III bietet«,

H. G. Francis

erwiderte Erclac. »Seit einigen Tagen krei­sen einige Kampfsatelliten um Arkon II. Sie gehorchen den Befehlen, die von dem Rie­senroboter ausgehen, und der gehorcht – mir!«

In diesem Moment raste Gentleman Kelly wie ein Geschoß gegen die Tür, durch die Axton gekommen war. Das Schott zersplit­terte krachend.

Fartuloon fühlte sich bedroht. Er schoß auf den Roboter, traf ihn jedoch nicht voll, sondern trennte ihm nur ein Bein ab.

»Nicht schießen«, schrie Axton-Kennon in höchster Sorge. »Er will uns helfen.«

Moira Erclac nutzte die chaotische Situa­tion für sich. Er warf sich zur Seite, riß eine Lade seines Arbeitstisches auf und holte einen Energiestrahler daraus hervor. Diesen richtete er auf Atlan. Er kam jedoch nicht dazu, ihn abzufeuern, weil Axton sich auf ihn stürzte. Es gelang dem Verwachsenen, den Arm Erlacs zur Seite zu schlagen.

Fartuloon und Atlan verständigten sich durch einen kurzen Zuruf. Sie verzichteten darauf, sich noch länger mit Erclac und sei­nen Leuten auseinanderzusetzen. Sie stürm­ten auf die zerbrochene Tür zu. Niemand hielt sie auf. Axton kämpfte mit Erclac. Kel­ly kam ihm zur Hilfe. Gemeinsam gelang es ihnen, Erclac die Waffe zu entwinden. Die anderen Arkoniden suchten ihr Heil in der Flucht. Sie kümmerten sich nicht um Erclac, sondern versuchten, durch das Schott zu fliehen, durch das Beyze hereingekommen war.

Als Axton sich mit der Waffe in der Hand aufrichtete, blickte er direkt in die gelben Augen Fartuloons. Der Bauchaufschneider war zurückgekehrt. In der Hand hielt er einen Energiestrahler. Er hob ihn und zielte damit auf Axton.

»Ich habe versäumt, die widerlichste Kreatur Orbanaschols auszumerzen«, sagte er.

*

Spronthroks Gesicht verzerrte sich vor

47 Gegner des Imperators

Haß und Zorn, als der Kreuzer, sich über dem Wohngelände Erclacs herabsenkte.

»Wir landen mitten in der Anlage«, befahl er. »Sollen seine schönen Häuschen ruhig in Trümmer gehen. In diesen Stunden wird noch viel mehr zerstört als nur das.«

Auf einem der Bildschirme konnte er ver­folgen, wie die Landeteller des Raumschiffs Häuser und Zieranlagen zermalmten. Die aus den Abstrahlschächten schlagende Glut erhellte das Gelände.

»Mannschaften raus«, befahl der Dreifa­che Sonnenträger.

Er schaltete sich direkt in den Funkver­kehr mit den Bodentruppen ein.

»Holt mir Atlan heraus«, schrie er. »Wenn ihr es aber nicht schafft, ihn lebend nach oben zu bringen, dann tötet ihn.«

Er verfolgte, wie die Mannschaften aus den Schleusen sprangen. Von Antigravgerä­ten getragen, sanken sie in ihren Kampfan­zügen nach unten. Vereinzelte Energiestrah­ler wurden abgefeuert. Roboter schossen aus Bodenkammern hervor und griffen die Män­ner an.

Die Alarmpfeifen heulten auf. Spronthrok fuhr herum. »Was ist los?« fragte er atemlos. Der Ortungsleitoffizier deutete auf die Or­

tungsschirme. »Wir werden aus dem All angegriffen«,

berichtete er. »Die Satelliten feuern Raketen auf uns ab.«

Spronthrok zögerte. Damit hatte er nicht gerechnet. Bei seinen Gesprächen mit Flot­tenoffizieren hatte er dafür gesorgt, daß ihm der Rücken freiblieb. Nun aber wurden Sa­telliten aktiv, von denen es bisher geheißen hatte, daß sie nur Forschungsstationen und Kommunikationszentren waren. Spronthrok erkannte, daß Moira Erclac seine Vorberei­tungen ebenso intensiv betrieben hatte wie er selbst auch.

»Versuchen Sie, die Raketen abzuschie­ßen«, befahl er. »Wenn dennoch Geschosse durchkommen sollten, schalten wir die Ener­gieschirme ein.«

Die Offiziere in der Hauptleitzentrale wi­

chen seinen Blicken aus. Sie wußten, daß diese Abwehrmaßnahmen zwingend not­wendig waren, weil der Kreuzer sonst zer­stört werden würde. Wenn aber die Abwehr­schirme aufgebaut wurden, entstand unter dem Schiff das totale Chaos. Die Bodentrup­pen würden von der explosionsartig nach au­ßen rasenden Energiewand hinweggefegt werden. Keiner der Männer hatte eine Chan­ce, wenn er sich nicht irgendwo in den un­terirdischen Anlagen befand. Es blieb jedoch keine andere Wahl.

*

Atlan drückte den Arm Fartuloons zur Seite.

»Was soll das?« fragte er. »Dafür haben wir keine Zeit. Komm endlich.«

»Verstehst du denn nicht?« fragte Fartu­loon. »Diese Kreatur ist Chef des Geheim­diensts. Alle Verbrechen, die Orbanaschol begangen hat, sind durch seine Hand ausge­führt worden.«

Atlan blickte Axton-Kennon an. »Seine Zeit ist ohnehin zu Ende. Laß

ihn.« Er wollte Fartuloon mit sich ziehen. In diesem Moment erzitterte das Gebäude.

Die Wände platzten krachend auf. Breite Risse entstanden. Von der Decke stürzten Leuchtplatten herab. Aus dem Antigrav­schacht ertönten grauenvolle Schreie. Fartu­loon verlor das Gleichgewicht. Er rutschte aus und fiel zu Boden.

Axton-Kennon warf sich herum. Er klam­merte sich an Gentleman Kelly.

»Laufen Sie, Atlan«, brüllte er. »Beeilen Sie sich doch. Sie dürfen denen da oben nicht in die Hände fallen. So laufen Sie doch!«

Der Kristallprinz bemühte sich um Fartu­loon, dem ein Stein auf den Kopf gefallen war. Der Bauchaufschneider blutete aus ei­ner Wunde über der Stirn, war jedoch nicht bewußtlos. Atlan half ihm auf. Er blickte sich nach Axton um und stürmte dann mit Fartuloon davon.

Der Terraner wollte Gentleman Kelly be­

48

fehlen, ihnen zu folgen. Doch in diesem Au­genblick geschah etwas, womit er nicht ge­rechnet hatte.

Ein gewaltiger Sog erfaßte ihn. Axton schrie gellend auf. Er stemmte sich mit aller Macht gegen die Kraft, die ihn durch Zeit und Raum schleudern wollte. Doch vergeb­lich.

Sein Körper wurde durchsichtig. Atlan, der über die Schulter zurückblickte, sah eine geisterhafte Erscheinung. Er beobachtete, daß die kaum noch sichtbaren Lippen sich heftig bewegten, dann sah er nur noch den Roboter. Gentleman Kelly stand regungslos auf einem Bein. Trümmerstücke regneten auf ihn herab.

*

Axton erwachte. Er fand sich in einer Umgebung wieder,

in der er schon lange nicht mehr gewesen war.

Er begriff. Der Real-Traum war zu Ende. Er kam unter der Haube der Traumma­

schine hervor und blickte sich maßlos ent­täuscht und entsetzt um. Ein Mann stand vor ihm, den er noch nie zuvor gesehen hatte.

»Was ist los?« schrie er. »Warum haben Sie das getan?«

Der Mann hob den Kopf und blickte ihn mit leeren Augen an.

»Ich bin Randok«, sagte er. »Kennen Sie Randok?«

»Sie wissen ja nicht, was Sie tun«, brüllte Sinclair Marout Kennon zornig. Er stieß den Mann zurück. »Haben Sie den Verstand ver­loren.«

»Nein, ich bin Randok«, antwortete der Fremde. Ein stolzes Lächeln glitt über sein Gesicht. »Ich bin Wissenschaftler.«

Er streckte die Hände aus und griff nach den Armen Kennons. Dieser vergaß für einen Moment, daß er jetzt wieder in einem anderen Körper lebte, in einem Körper, der Titanenkräfte in sich barg. Mit einer Kraft­anstrengung, die für Lebo Axton notwendig

H. G. Francis

gewesen wäre, drängte er Randok zurück. Für einen Kennon aber bewirkten die nervli­chen Befehle zuviel. Der Wissenschaftler wurde hochgehoben. Er wirbelte quer durch den Raum und schlug schließlich schwer auf dem Boden auf. Er rutschte noch einige Me­ter weiter und blieb dann bewußtlos vor ei­ner anderen Traummaschine liegen.

Sinclair Marout Kennon blickte auf seine Hand. Im gleichen Augenblick wurde ihm voll bewußt, was es bedeutete, daß er in sei­nen Robotkörper zurückgekehrt war. Er wußte, daß er auf dem Planeten Meggion im Occad-System und mehr als zehntausend Jahre von Atlan entfernt war.

Er stöhnte laut. Seine Hände glitten su­chend über die Schaltelemente der Traum­maschine.

»Du verdammter Narr«, schrie er den Be­wußtlosen an. »Wie konntest du so etwas tun?«

Er drückte die richtigen Tasten. Eilig legte er sich wieder unter die Haube.

Er schloß die Augen. Panik kam in ihm auf, als in den ersten Sekunden nichts geschah. Er wollte sich bereits wieder aufrichten, um die Schaltungen zu kontrollieren, als endlich der erwartete Effekt einsetzte.

Kennon spürte, daß etwas nach ihm griff und ihn mit sich riß.

*

Spronthrok sah die Katastrophe kommen, als die Sprengköpfe der ersten Raketen über dem Kreuzer explodierten.

»Schutzschirme«, brüllte er. Der 1. Offizier hieb seine Faust auf die

Schalter. Normalerweise hätten sich die Prallschirme aufbauen müssen.

Aber sie taten es nicht. Der 1. Offizier versuchte wieder und wie­

der, die Schirmfeldprojektoren einzuschal­ten. Vergeblich.

Der Waffenleitoffizier jagte Geschoß auf Geschoß von den Lafetten. Die Energie­strahlkanonen des Kreuzers schossen Sperr­feuer. Der Himmel wurde weißglühend über

49 Gegner des Imperators

dem Kreuzer. Doch alle Raketen konnten die Offiziere

nicht abwehren. Einige durchbrachen das Abwehrfeuer.

Spronthrok wurde plötzlich aus seinem Sessel geschleudert. Die Bildschirme strahl­ten unerträglich hell. Die Alarmpfeifen heul­ten, knirschend und krachend barsten die Stahlwände des Raumschiffs. Nebenaggre­gate explodierten. Die Offiziere schrien durcheinander. Feuer entstand vor dem Pilo­tensessel, und dann gingen plötzlich die Lichter aus.

Spronthrok erhob sich. Mit ausgestreckten Armen tastete er sich voran, bis er die Schal­ter für die Notstromaggregate fand. Er drückte sie herunter. Die Notbeleuchtung sprang an, doch keiner der Bildschirme er­hellte sich.

Der Dreifache Sonnenträger blickte zum Waffenleitstand hinüber. Die Offiziere hin­gen bewußtlos in den Gurten. Keiner von ih­nen würde innerhalb der nächsten Sekunden auch nur einen Schuß abgeben können.

Spronthrok erkannte, daß dies das Ende war.

Er öffnete den Mund, um seinem 1. Offi­zier einen letzten Befehl zu geben, als der Kreuzer einen weiteren Treffer erhielt.

Sonnenheiße Glut schlug mit unvorstell­barer Wucht in die Hauptleitzentrale hinein und vernichtete alles, was die bisherigen At­tacken überstanden hatten.

Doch davon spürte Spronthrok schon nichts mehr.

*

Lebo Axton-Kennon stürzte vom Rücken Gentleman Kellys, als er materialisierte. Qualm und Rauch erfüllten den Raum. Er konnte einige Gestalten erkennen, die sich durch die Trümmer arbeiteten. Die Stimme Moira Erclacs übertönte den Lärm.

»Atlan nach«, befahl Axton. »Schnell. Beeile dich.«

»Da bist du ja wieder«, entgegnete Gent­leman Kelly, der sich nach vorn kippen ließ

und sein Antigravtriebwerk einschaltete. »Mußt du dich immer dünne machen, wenn es spannend wird?«

»Rede nicht soviel. Beeile dich lieber«, schrie der Verwachsene mit schriller Stim­me. »Ich weiß nicht, was da oben los ist. At­lan darf aber weder der einen, noch der an­deren Seite in die Hände fallen.«

Plötzlich entstand ein heftiger Sog. Kühle Luft strich in den Raum. Vor Axton tauchte Moira Erclac auf. Er schien völlig über­rascht zu sein, den Verwachsenen hier noch zu sehen. Seine Augen weiteten sich. Er war waffenlos.

»Hier ist Axton«, brüllte er. »Schießt doch endlich.«

Gentleman Kelly legte blitzschnell einen Arm um Axton. Dieser kannte diese Reakti­on und wußte, sie richtig zu deuten. Er krall­te seine Hände um die Haltebügel auf den Schultern des Roboters. Im nächsten Mo­ment beschleunigte Kelly mit Höchstwerten.

Axton wäre von seinem Rücken gerutscht, wenn er nicht vorbereitet gewesen wäre. So aber wurde er mitgerissen.

Kelly prallte mit Moira Erclac zusammen und schleuderte ihn zur Seite, Zwei der an­deren Arkoniden feuerten gleichzeitig. Sie wollten dem Befehl Erclacs nachkommen. Aber sie verfehlten Axton, der längst nicht mehr dort war, wohin sie gezielt hatten. Moira Erclac aber flog direkt in die Schuß­bahn. Seine ehrgeizigen Pläne endeten im Energiefeuer seiner eigenen Leute.

Lebo Axton preßte sich an Kelly. Er drückte seinen Kopf an den Metallkörper, um nicht von herabfallenden Trümmer­stücken getroffen zu werden.

Aus den Rissen in den Wänden schlugen Flammen. Krachend brach hinter Axton das Gewölbe zusammen, in dem Erclac konfe­riert hatte. Der Terraner achtete nicht darauf. Von der panischen Angst erfüllt, Atlan könnte buchstäblich im letzten Moment noch getötet werden, spähte er nach vorn.

Eine endlose Zeit schien zu verstreichen, bis er endlich die beiden gesuchten Gestal­ten ausmachen konnte. Fartuloon schien ver­

50

letzt zu sein. Atlan hatte sich einen seiner Arme um die Schultern gelegt und schleppte ihn die Treppen hoch.

»Atlan«, schrie Axton. »Atlan.« Der Kristallprinz blieb abrupt stehen. Er

ließ Fartuloon los. Schlaff sank dieser zu Boden, während Atlan versuchte, den Ener­giestrahler aus dem Gürtel zu ziehen. Die Waffe hatte sich jedoch verhakt.

»Nicht schießen«, rief Axton verzweifelt. Gentleman Kelly hatte Atlan erreicht. Der

Verwachsene warf sich vom Rücken des Ro­boters herunter und umklammerte die Hand Atlans.

»Vertrauen Sie mir, Atlan«, rief er. »Ich will Ihnen helfen.«

Atlan mißverstand den Verwachsenen. Er glaubte, der Geheimdienstchef wolle sich von Orbanaschol abwenden und sich auf sei­ne Seite werfen. Atlan war überzeugt davon, daß dieser Mann, den er nie zuvor gesehen hatte, Verbrechen über Verbrechen für den Imperator ausgeführt hatte, sich nun aber auf die Seite dessen schlagen wollte, der neuer Imperator werden würde.

»Verschwinden Sie«, sagte er verächtlich und stieß Axton zurück. »Bei allen Göttern, wenn ich das neue Imperium auf Kreaturen wie Sie aufbauen sollte, dann wird es nie­mals Bestand haben.«

Axton wollte sich erheben. Er rutschte je­doch aus und prallte mit dem Hinterkopf ge­gen den Rumpf Kellys. Er wurde nicht be­wußtlos, war jedoch so betäubt vor Schmer­zen, daß er kein Wort über die Lippen brachte.

Er sah, daß Atlan Fartuloon aufrichtete, sich seinen Arm über die Schulter legte und mit dem Gefährten davoneilte. Axton war unfähig, ihm zu folgen.

Erst als der Schock nachließ, konnte er sich wieder bewegen.

»Helft mir doch«, forderte er keuchend. Gentleman Kelly legte ihm die Arme um

die Hüften und hob ihn behutsam hoch. Er neigte sich zur Seite and schob sich Axton auf den Rücken, so daß sich dieser in die Haltebügel stellen und sich an seinen Schul-

H. G. Francis

tern festhalten konnte. Mit schmerzverzerr­tem Gesicht, tastete der Terraner den Hinter­kopf ab. Er fühlte eine große Beule, die rasch größer wurde.

»Weiter, Kelly«, sagte er drängend. »Wir müssen Atlan aufhalten.«

Der Roboter glitt lautlos die Treppen hoch. Immer wieder verkündete lautes Kra­chen davon, daß die Gebäude der Wohnan­lage zusammenbrachen. Als Axton schließ­lich das Ende der Treppe erreichte, stellte er fest, daß diese nun im Freien endete.

Etwa hundert Meter von ihm entfernt lag das Wrack eines Raumschiffs, dessen obere Hälfte von Explosionen zerfetzt worden war. Flammen schlugen aus zahlreichen Rissen. Von der Wohnanlage Moira Erclacs war nichts mehr übriggeblieben. Überall lagen Trümmer herum. Brände vernichteten, was noch heil geblieben war.

Atlan und Fartuloon waren etwa zwanzig Meter von Arkon entfernt, sie standen neben einer brennenden Wand. Ratlos blickten sie in die Runde. Sie wußten nicht, wohin sie sich wenden sollten.

Von allen Seiten näherten sich schwere Kampfgleiter, die mit Arkoniden besetzt wa­ren.

»Zu Atlan. Schnell«, befahl Axton. Gentleman Kelly schwebte zu Atlan und

Fartuloon hinüber. »Bleiben Sie ganz ruhig stehen«, sagte

Axton, als er noch etwa zwei Meter hinter den beiden Männern war. »Mein Roboter hat Energiestrahlwaffen auf Sie gerichtet.«

Er ließ sich vom Rücken Kellys fallen und hastete zu Atlan hinüber. Er lief um ihn herum und griff nach dem Kolben des Ener­giestrahlers. Atlan blickte starr über ihn hin­weg. Er tat, als ob er nicht vorhanden sei.

»Wenn Sie jetzt nicht tun, was ich Ihnen sage, werden die Elitetruppen Orbanaschols schießen. Dann ist alles zu spät. Glauben Sie mir, Atlan. Ich will Ihnen helfen. Ich habe das schon lange getan. Wenn Orbanaschols Macht zusammengebrochen ist, dann ist das mein Werk. Sie müssen mir glauben.«

»Seien Sie lieber still«, forderte Atlan.

51 Gegner des Imperators

»Also schön«, sagte Axton resignierend. Er nahm die Waffe an sich und riß auch den Strahler Fartuloons aus dem Gürtel. »Sie hätten besser auf mich hören sollen. Jetzt weiß ich nicht, wie ich verhindern soll, daß Sie in den Kristallpalast gebracht werden. Dort wartet Orbanaschol auf die Gelegen­heit, Sie endlich zu töten.«

Ein Kampfgleiter landete nur wenige Me­ter neben ihnen. Mehrere Offiziere sprangen heraus und eilten auf sie zu.

Axton wandte sich ihnen zu. »Es ist alles vorbei, meine Herren«, sagte

er. Die Offiziere erkannten ihn und salutier­

ten vor ihm. »Führen Sie Atlan und seine Begleiter

ab«, befahl der Kosmokriminalist, der Mühe hatte, seine Stimme zu beherrschen. Er hatte die schlimmste Niederlage seiner Laufbahn erlitten. Vergeblich hatte er versucht, Atlan zu retten.

Die Offiziere packten Atlan und Fartu­loon und schleppten sie zum Gleiter.

»Was wird man mit ihnen machen?« frag­te Axton. »Haben Sie Anweisungen?«

»Direkt vom Imperator«, antwortete der kommandierende Offizier. »Er hat befohlen, diesen Mann sofort zu ihm zu bringen. Er ist entschlossen, ihn vor aller Öffentlichkeit hinzurichten.«

Der Offizier wandte sich um und ging zum Kampfgleiter. Axton folgte ihm lang­sam.

Er hatte versucht, Atlan Hoffnungen zu machen, obwohl er wußte, daß es keine Hoffnung mehr für ihn gab. Zwei der ge­fährlichsten Gegner Orbanaschols waren tot. Nun blieb nur noch einer übrig, vor dem der amtierende Imperator sich fürchtete. Nur At­lan hätte ihn noch entmachten können, aber nur ein freier und handlungsfähiger Atlan. Er hätte seinen Anspruch auf den Thron gel­tend machen können.

Orbanaschol aber fürchtete auch noch die­sen geschlagenen und gefangenen Atlan. Axton wußte, daß Orbanaschol um keinen Preis der Welt darauf verzichten würde, At­lan zu töten.

Axton blieb zwischen den brennenden Trümmern der Anlage stehen, als die Gleiter starteten. Mit einer abwehrenden Geste gab er den Offizieren zu verstehen, daß er nicht mitgenommen werden wollte.

Er blickte sich um. Die Trümmer erinnerten ihn auf fatale

Weise daran, daß sein Werk ebenfalls zu­sammengebrochen war. Alles, was er in der Vergangenheit für Atlan getan hatte, war umsonst gewesen.

Fast wünschte er, es wäre ihm nicht ge­lungen, die Traummaschine wieder einzu­schalten und noch einmal in diese Zeit zu gelangen.

E N D E

Lesen Sie nächste Woche ATLAN Nr. 299: Orbanaschols Ende von H. G. Francis Eine neue Ära beginnt – und ein langer Traum geht zu Ende