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Gender und Arbeit: Brasilianische Fabrikarbeiterinnen zwischen Familie und Beruf Lehrforschungsbericht im Rahmen der Veranstaltung „Arbeit im Zeichen der Globalisierung - Arbeit und Arbeitsmärkte in La- teinamerika“ (30 10 17) Veranstalter: Dr. J. Augel WS 2000/2001 Eingereicht an der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld von Anna Spiegel (1271914) Bielefeld im März 2001

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Gender und Arbeit:

Brasilianische Fabrikarbeiterinnen zwischen Familie und

Beruf

Lehrforschungsbericht im Rahmen der Veranstaltung

„Arbeit im Zeichen der Globalisierung - Arbeit und Arbeitsmärkte in La-

teinamerika“ (30 10 17)

Veranstalter: Dr. J. Augel

WS 2000/2001

Eingereicht an der Fakultät für Soziologie

der Universität Bielefeld

von Anna Spiegel (1271914) Bielefeld im März 2001

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Inhalt

1. Vorbemerkung 2

2. Industrielle Entwicklung und Frauenerwerbstätigkeit in Brasilien 2

3. Zentrale Fragestellung 5

4. Methodische Grundlagen und ihre praktische Umsetzung 7

5. Strukturen und Muster weiblicher Erwerbsbiographien 10

6. Zur Konstituierung weiblicher Identitäten: Konflikte und Wandel 19

6.1 Zwischen Kontinuität und Brüchen 19 6.2 Zwischen Familie und Beruf 21 6.3 Zwischen Solidarität und Konkurrenz 27

7. Zusammenfassung 32

8. Literaturverzeichnis 34

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1. Vorbemerkung

Die folgende Arbeit entstand im Rahmen eines Lehrforschungsprojektes des Praxisschwer-

punktes Entwicklungsplanung und Entwicklungspolitik der Fakultät für Soziologie an der

Universität Bielefeld. Das insgesamt dreisemestrige Projekt stand unter dem Thema „Arbeit

im Zeichen der Globalisierung - Arbeit und Arbeitsmärkte in Lateinamerika“ und wurde von

Herrn Dr. Johannes Augel betreut. Die empirischen Grundlagen wurden während eines drei-

monatigen Forschungsaufenthaltes (Juli bis Oktober 2000) in Jundiaí, einer Industriestadt mit

500.000 Einwohnern in der Nähe von São Paulo, Brasilien, gesammelt. Um Zugang zum Feld

zu erlangen, wurde die Lehrforschung zum ersten Mal, gleichsam mit experimentellem Cha-

rakter, in Form eines Betriebspraktikums durchgeführt. Die Kontakte zu den Firmen, bei de-

nen es sich um multinationale Unternehmen deutschen Ursprungs aus der Automobilbranche

handelte, stellte Herr Dr. Johannes Augel bei einem Brasilienaufenthalt im März 2000 her.

Für mich ergab sich ein Praktikumsplatz bei einer Niederlassung der Bielefelder Firma Böll-

hoff in Jundiaí. Böllhoff produziert Verbindungselemente wie Gewindeeinsätze und Blindnie-

ten und ist Zulieferer von VW und anderen großen Automobilherstellern in Brasilien.

2. Industrielle Entwicklung und Frauenerwerbstätigkeit in Brasilien

Im Gegensatz zu vielen Ländern der „Dritten Welt“ kann Brasilien auf eine lange Geschichte

industrieller Entwicklung verweisen. In der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts war

es der Kaffeeboom, der (neben dem Ausbau des Eisenbahnnetzes und des Finanz- und Bank-

sektors) Modernisierungsschübe der nationalen Industrie, besonders der Textilindustrie, aber

auch der Bekleidungs-, Nahrungsmittel und Metallindustrie, nach sich zog (vgl. Humphrey,

1987). So konnte die Textilindustrie schon bald einen Großteil des nationalen Bedarfs aus

eigener Produktion decken. Nach der Weltwirtschaftskrise 1929, die dramatische Folgen für

die immer noch auf den Kaffee zentrierte und auf Export ausgerichtete Volkswirtschaft Brasi-

liens hatte, begann die neue Regierung unter Getúlio Vargas (1930-1945), mit gezielter Poli-

tik die nationale importsubstituierende Industrialisierung zu fördern. Zwar war immer noch

die Textilindustrie das wirtschaftliche Hauptzugpferd (ein Drittel aller in der Industrie Be-

schäftigten in São Paulo arbeiteten in der Textilindustrie), aber es waren vor allem die neue-

ren Branchen wie die chemische und metallverarbeitende Industrie, die von dieser Politik pro-

fitierten. In den fünfziger Jahren, nach gescheiterten Versuchen, Brasilien auf der Basis libe-

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raler Handelspolitik in den Weltmarkt zu integrieren, wurde von Präsident Kubitschek, der

mit seinem Programa de Metas vor allem auf die Industrialisierung und Modernisierung der

Energieversorgung und des Verkehrsnetzes setzte, die auf die interne Entwicklung orientierte

Wirtschaftspolitik fortgeführt. Diese Politik, die auch nach dem Militärputsch 1964 nicht ver-

ändert wurde, führte zu einer raschen Expansion der nationalen Konsumgüterproduktion, vor

allem von Pkws und Elektroartikeln, während eine Modernisierung in den traditionellen Sek-

toren ausblieb. Bis in die achtziger Jahre setzte sich dieser Trend bei einer jährlichen Wachs-

tumsrate von 4,3% fort (Humphrey, 1987, 17), so daß es zu großen Verschiebungen innerhalb

der brasilianischen Industrielandschaft kam: Die ehedem dominierende Textilindustrie be-

schäftigte 1980 nur noch 9% aller Erwerbstätigen (1950 waren es noch 28%), während die

metallverarbeitenden Branchen ihren Anteil von 13% auf 35% erhöhen konnten. Auch die

Schuh- und Bekleidungsindustrie konnten ein erhebliches Wachstum verzeichnen.

Wie die Beschäftigungsstruktur im allgemeinen, so unterlag auch die Frauenerwerbstätigkeit

in diesem Prozeß der Industrialisierung und Modernisierung einem tiefgreifenden Wandel.

Dabei läßt sich die Entwicklung der Frauenerwerbstätigkeit in drei Phasen unterteilen (Hum-

phrey, 1987).

Die erste Phase (1870-1920) ist von einem drastischen Rückgang der Beteiligung von Frauen

am Arbeitsmarkt gekennzeichnet. Noch 1872 stellten Frauen fast die Hälfte der ökonomisch

aktiven Bevölkerung Brasiliens (45,5%), wie der erste brasilianische Zensus aus diesem Jahr

belegt, wobei sie vor allem in der Landwirtschaft konzentriert waren (35%) und als Hausan-

gestellte (33%) und Näherinnen (20%) arbeiteten. Zwar war nur ein geringer Anteil aller

Frauen in der Textilindustrie (5,3 %) beschäftigt, aber wegen der großen Bedeutung dieser

Branche machten sie damit über 90% aller Beschäftigten in der Industrie aus (Humphrey,

1987, Saffioti, 1976, Schmink, 1986).

Die hohe Beteiligung von Frauen an der Erwerbsarbeit scheint sich noch bis ins Jahr 1900

fortgesetzt zu haben, wie der Zensus aus diesem Jahr bestätigt (45,3% der ökonomische akti-

ven Bevölkerung sind Frauen). Allerdings hatte sich das Verhältnis der einzelnen Sektoren

zueinander wesentlich verschoben. Der Anteil der Frauen, die als Hausangestellte arbeiteten,

hatte wesentlich zugenommen (52,6%), während ihr Anteil sowohl in der Landwirtschaft

(24,6%) als auch in Industrie (4,2%) und im Handel (4,4%) gesunken war. Saffioti deutet dies

als Zeichen der Marginalisierung von Frauen. „Taking domestic activities as a reference, we

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can observe a strong movement from 1872 to 1900 toward the expulsion of women from pro-

ductive economic activities and even from commercial activities“ (1976, 149).

Dieser Trend wurde 1920 noch deutlicher, als Frauen trotz des industriellen Aufschwungs und

des damit verbundenen Wachstums der erwerbstätigen Bevölkerung von 83% nur noch mit

15,3% an der erwerbstätigen Bevölkerung beteiligt waren. Diese Entwicklung ist auf die zu-

nehmende „Kapitalisierung der sozialen Beziehungen“ (Humphrey, 1987, 21), die Umstruktu-

rierung, Modernisierung und Technologisierung der Industrie, verbunden mit der Zurück-

drängung der Heimarbeit (Schmink, 1986, 137), aber vor allem auf die fast ausschließliche

Neurekrutierung von Männern zurückzuführen (Saffioti, 1976, 150).

In der zweiten Phase (1920-1970), die stark von importsubstituierenden Strategien geprägt

war, stagnierte die Frauenerwerbsbeteiligung zwischen 15,9% (1940) und 21% (1970) (Saf-

fioti, 1976, 150), allerdings kam es auch in diesem Zeitraum zu erheblichen Verschiebungen

in der internen Struktur der Frauenerwerbstätigkeit. Die durch die importsubstituierende Wirt-

schaftspolitik neu entstandenen Konsumgüterindustrien, so Saffioti, tendierten dazu, Männer

einzustellen, während die „traditionell weiblichen“ Industrien, wie die Textilindustrie, lang-

sam an Bedeutung verloren. So nahm in diesem Zeitraum der Anteil von Frauen in der Land-

wirtschaft, vor allem aber in der Industrie stetig ab (in der Landwirtschaft von 13,3% auf

9,7% und in der Industrie von 25% auf 12,2%), während der Anteil im Handel zunahm (von

22,7% auf 37,8%). Außerdem, argumentiert Saffioti, führte die Modernisierung und der damit

verbundene Übergang von handwerklicher und auf Heimarbeit zentrierter Produktion hin zu

industrieller Massenproduktion in Fabriken zur Zerstörung weiblich dominierter Produktions-

formen und verweist damit auf einen schon von Boserup aufgezeigten Zusammenhang zwi-

schen der Rolle der Frau und kapitalistischer Entwicklung (1970). Die dabei neu entstehenden

Bereiche sind durch Mechanisierung und Technologisierung männlich dominiert.

Kapitalistische Entwicklung, so Saffioti (1976, 149 f.), verbunden mit Modernisierung, Indu-

strialisierung und Technologisierung, scheint auch in Brasilien weder geschlechtsneutral ver-

laufen noch mit einer Egalisierung der Geschlechterhierarchien einher gegangen zu sein, son-

dern hat vielmehr zu einer Expulsion von Frauen aus dem öffentlichen Wirtschaftsleben und

zu ihrer Marginalisierung in bestimmten unteren Segmenten des Arbeitsmarktes beigetragen.

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Seit den siebziger Jahren (dritte Phase) setzte allerdings in Brasilien eine Entwicklung ein,

die es notwendig macht, diese Annahmen über den Zusammenhang von Modernisierung und

Frauenerwerbstätigkeit einer erneuten Prüfung zu unterziehen.

So wuchs zwischen 1970 und 1980 die Frauenerwerbsbeteiligung in der Industrie um 181%

(Schmink, 1986, 139). Auch in fast allen anderen Branchen lag der Zuwachs des Frauenan-

teils höher als der der Männer (Humphrey, 1987, 27). Aber nicht nur die Beteiligung von

Frauen stieg rasant an. Vor allem im hochindustrialisierten Gebiet um São Paulo herum wur-

den die aus den stagnierenden traditionell weiblichen Industriezweigen wie der Textilindustrie

freigesetzten Frauen von den für die Versorgung des lokalen Marktes produzierenden neueren

Industriezweigen aufgefangen und absorbiert. Allein der Anteil der Metallbranche am Wachs-

tum der Erwerbsbeteiligung von Frauen lag bei einem Drittel, der der chemischen und Plasti-

kindustrie bei 11%.

Zusammenfassend läßt sich demnach sagen, daß zumindest seit den siebziger Jahren im Staat

São Paulo Frauen nicht durch Industrialisierung und Modernisierung vom Arbeitsmarkt ver-

drängt und marginalisiert wurden. Vielmehr stieg die Frauenerwerbsbeteiligung in diesen

Zeitraum beträchtlich, und es gelang den Frauen, auch über die traditionell weiblich dominier-

ten Industriezweige wie die Textil- und Bekleidungsindustrie oder den Büro- und Verwal-

tungssektor hinaus, in traditionell männliche Domänen wie in die chemische, lederverarbei-

tende, pharmazeutische und auch in die metallverarbeitende Industrie vorzudringen.

3. Zentrale Fragestellung

In meiner Arbeit möchte ich mich der im vorangehenden Kapitel beschriebenen Gruppe von

Frauen zuwenden: denjenigen, die nicht in typischen Frauenbranchen arbeiten. Bei den von

mir befragten Frauen handelt es sich um Frauen, die in eine Branche vorgedrungen sind, die

bislang stark von Männern dominiert war und in der sie eine Minderheit bilden (zwischen 15

und 30 %)1. Außerdem sind diese Frauen nicht in den typischen Branchen exportorientierter

multinationaler Unternehmen wie Textilproduktion oder Elektronikbranche tätig.

Besonders interessant scheint mir im lateinamerikanischen Kontext die Frage nach den Inter-

dependenzen von Arbeit und Geschlechtsidentitäten (gender) der Arbeiterinnen, da gerade in

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Lateinamerika, wie oben für Brasilien gezeigt werden konnte, die Arbeitsbeziehungen und

Strukturen des Arbeitsmarktes großen Veränderungen unterliegen. Diese Veränderungen las-

sen auch veränderte Geschlechtsidentitäten vermuten. Radcliff führt dazu aus: „Given the flux

in the nature of paid labour relations, the economic structure of Latin American countries and

the increasingly visible nature of negotiations over gender relations, the space for identity

construction among men and women of the region is being reorganised“ (1999, 204).

Diesen sich im Flux, wie Radcliff sagt, und im Wandel befindlichen Identitäten von Arbeite-

rinnen und ihren Konstruktionsmodi will ich in dieser Arbeit nachgehen. Dabei fasse ich

Identität nicht als eine in sich geschlossene Kategorie im Sinne von Homogenität und Essenz.

Vielmehr ist Identität, wie Hall ausführt, niemals vollendet, sondern befindet sich in einem

kontinuierlichen Herstellungsprozeß, der in spezifische kulturell und historische Kontexte

eingebettet ist (Hall, 1994, 222).

In meiner Arbeit beabsichtige ich, besonders folgenden Fragen nachzugehen: Wie verorten

sich die in der Metallbranche arbeitenden Frauen als Frauen und als Arbeiterinnen unter den

neuen Bedingungen? Wie verlaufen die Aushandlungsprozesse über ihre Identitäten als Frau-

en in der Gesellschaft und als Frauen in der Fabrik? Aus welchen ihnen zur Verfügung ste-

henden Optionen konstruieren sie ihre Identitäten? Dabei will ich vor allem die vielfältigen

Brüche und Konflikte herausarbeiten, denen die Frauen bei der Konstruktion ihrer Identität als

Arbeiterinnen und Frauen gegenüberstehen.

Dazu verwende ich die Arbeitsbiographien der von mir befragten Arbeiterinnen, da die Le-

bens- und somit auch Arbeitsgeschichte die „wichtigste Form der Gewinnung bzw. Reproduk-

tion von Ich-Identität ist“ (Bahrdt, 1982, 18).

Mit Modernisierung und Industrialisierung entsteht erstmals der Gedanke vom Lebenslauf als

einem ‚individuellen Projekt‘, das zugleich durch gesellschaftliche Rahmenbedingungen eine

Institutionalisierung erfährt. So wird einerseits unter den Bedingungen von Konkurrenz, Lei-

stung und Mobilität vom Individuum gefordert, strategisch mit seiner Arbeitskraft umzuge-

hen. Auf der anderen Seite unterliegt der Lebenslauf einer wesentlichen Strukturierung durch

Institutionen wie z.B. vertraglich geregelten Arbeitsbeziehungen (Geißler/Oechsle, 1994). Die

Analyse von Lebensläufen und Erwerbsbiographien ermöglicht es demnach, die Interdepen-

denzen zwischen gesellschaftlichem Wandel und individuellen Lebensperspektiven aufzuzei-

gen, d.h. die Dichotomie zwischen Objektivität und Subjektivität in der Analyse aufzuheben.

Dabei bieten sich für die Analyse zwei Ebenen an: auf der einen Seite die strukturelle Ebene,

1 Allerdings ist dieses Verhältnis nicht in allen Produktionsbereichen gleich. In der Verwaltung beträgt der Frau-enanteil 60%, in der Kunststoffabteilung 30% und in den beiden metallverarbeitenden Firmen 15% (Angaben aus firmeninternen Papieren).

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d.h. die Analyse von bestimmten Mustern von Lebensphasen, und auf der anderen Seite die

subjektive Ebene, die Analyse der „Fähigkeit zur biographischen Selbststeuerung“ (Geiß-

ler/Oechsle 1994).

In Kapitel 5 werde ich mich auf einer eher strukturellen Ebene auf die Muster weiblicher Er-

werbsbiographien und die ihnen zugrundeliegenden Strukturen der geschlechtsspezifischen

Segregation des Arbeitsmarktes sowie auf die Konstruktion weiblicher Identitäten durch Fir-

menpolitiken und Strategien konzentrieren.

In Kapitel 6 wende ich mich der subjektiven Ebene und den in den Erzählungen der Arbeite-

rinnen und somit auch für ihre Identität zentralen Themen wie den Brüchen in den Erwerbs-

biographien, dem Konflikt zwischen Familie und Beruf und den Beziehungen zwischen Män-

nern und Frauen in der Fabrik zu.

4. Methodische Grundlagen und ihre praktische Umsetzung

Ein wichtiges Kriterium bei der Wahl der Forschungsmethode bildete für mich die Kritik der

feministischen Epistemologie an der gängigen sozialwissenschaftlichen Forschungspraktik.

Frauen waren dort weder als Objekte der Forschung noch als Subjekte mit eigener Definiti-

onsmacht in Erscheinung getreten. So konnte Sutton kritisch konstatieren: „Feminist episte-

mologists identify three ways in which the content of social science reflects the historical ab-

sence of women from it’s practice. Scientific views of society have overlooked and silenced

women. The practices of overlooking and silencing women in construction of science have

enabled scientists to arrogate to themselves the power to define women’s characters and

needs“ (1998, 17).

Von Bedeutung für die Methodenwahl waren für mich außerdem die Positionen postkoloniali-

stischer TheoretikerInnen, die den Eurozentrismus der männlich und westlich geprägten Sozi-

alwissenschaft kritisierten, in der Vernunft und Kultur den Europäern, Männern und Weißen,

Emotionen und Natur aber den Nicht-Europäern (Kolonisierten), Frauen und Nicht-Weißen

zugeschrieben wurden (Said, 1978; Mohanty, 1991).

Es war mir demnach ein Anliegen, eine Methode zu wählen, die einerseits diese Hierarchien

und Machtstrukturen zwischen Forscher und Erzählendem abzubauen versucht und anderer-

seits den Erzählenden die Möglichkeit gibt, ihre Welt mit eigenen Worten zu beschreiben. Die

relativ offene Form des narrativen oder biographischen Interviews schien mir diesem Anlie-

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gen am nächsten zu kommen und am besten geeignet zu sein, ein authentisches Bild der Le-

benswelt der Befragten zu entwerfen. Zur Leistungsfähigkeit des narrativen Interviews führt

Reinharz aus: „...interviewing offers researchers access to people’s ideas, thoughts, and

memories in their own words, rather than in the words of the researcher. This asset is particu-

larly important for the study of women because in this way learning from women is an anti-

dote to centuries of ignoring women’s ideas altogether or having men speak for women“

(1992, 19).

Qualitative Verfahren zielen also nicht wie quantitative Methoden in erster Linie auf statisti-

sche Repräsentativität ab, sondern darauf, die Befragten ihre Lebenswelt in ihrer eigenen

Sprache, in ihrem eigenen kommunikativen Symbol- und Relevanzsystem entfalten zu lassen

(vgl. Bohnsack, 2000). Auf dieser subjektiven Bewertung soll in meiner Arbeit der Akzent

liegen.

Außerdem erschien mir eine Fokussierung auf qualitative Methoden, insbesondere auf narra-

tive, biographische Interviews und damit auf die unmittelbare Erfahrung der Subjekte

(Thompson, 1981) am besten geeignet, die Dichotomie zwischen Objektivität und Subjektivi-

tät in der Analyse aufzuheben, wie dies auch Lobo vorschlägt (1989, 170).

Die Umsetzung dieser theoretischen und methodischen Positionen im Rahmen eines Be-

triebspraktikums gestaltete sich in meinem Fall in vielerlei Hinsicht problematisch: Die

Schwierigkeiten erwuchsen aus der Kombination von Lehrforschungsprojekt und Praktikum

und aus den dabei für Forschungsgruppe und Unternehmen resultierenden unklaren und unbe-

stimmten Rollendefinitionen. So hatte ich meine eigenen thematischen, theoretischen und

methodischen Vorstellungen, die sich vor allem daran orientierten, eine eigenständige empiri-

sche Forschung zu entwickeln und durchzuführen. Aber auch das Unternehmen hatte selbst-

verständlich klare Vorstellungen über meine Arbeit während des Praktikums, die sich vor

allem am direkten Nutzen und der praktischen Verwertung der Befragungsergebnisse ausrich-

teten. So war ich beauftragt worden, eine Untersuchung zur Identifikation der Mitarbeiter mit

dem Betrieb durchzuführen. Diese Zielstellung war vor Beginn des Praktikums zwischen den

Beteiligten abgesprochen worden. Mit der von mir gewählten Form des Interviews, einer

Kombination aus narrativem und Leitfadeninterview, hoffte ich, sowohl meinem Anspruch

nach einer wissenschaftlich begründeten Vorgehensweise als auch den Interessen der Firma

gerecht zu werden. Beide Seiten waren anfangs bereit, Kompromisse einzugehen, im Laufe

der praktischen Forschungsarbeit kam es jedoch zu Konflikten.

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So stellten spezielle Forderungen der Firma, wie z.B. die Zahl der zu führenden Interviews,

das Aufstellen eines ziemlich rigiden Zeitplans, der die Möglichkeiten eines flexiblen Arbei-

tens mit qualitativen Methoden erheblich einschränkte, wichtige Grundprinzipien meines qua-

litativen Forschungsansatzes in Frage; solche Vorgaben konnten natürlich nicht ohne Auswir-

kungen auf die Qualität der Interviews bleiben.

Besonders die von mir angestrebte hierarchiefreie Kommunikation stellte sich in einem so

stark hierarchisch vorstrukturierten Raum wie einem Unternehmen als problematisch dar.

Durch meinen Status als Praktikantin war ich der Personalabteilung zugeordnet, also ganz

eindeutig am oberen Ende des Hierarchiegefüges positioniert. Meine Arbeitszeiten (7.15 Uhr

bis 17.00 Uhr) entsprachen den Arbeitszeiten der Verwaltungsangestellten, mein Mittagessen

nahm ich zusammen mit meinen Kolleginnen aus der Personalabteilung in der für das Verwal-

tungspersonal vorgesehenen Mittagspause ein, die nicht der Mittagspause der Arbeiterinnen

entsprach. Durch diese spezielle Einbettung in das durch firmeninterne Macht- und Hierar-

chiestrukturen geprägte Feld war es mir nur begrenzt möglich, wirklich in die Welt der Arbei-

terinnen einzutauchen. Eine Kommunikation über die einmaligen, organisierten Interviews

hinaus kam nicht zustande. So hatte ich zwar am Ende meines Praktikums mit Arbeitern und

Arbeiterinnen gesprochen, hatte aber nicht das Gefühl des „going native“ in meinem eigentli-

chen Forschungsfeld. Vielmehr war ich statt dessen durch die vielfältigen, sich auch auf die

Freizeit ausdehnenden Kontakte zu Angestellten aus der Personalabteilung bei dieser Gruppe

ein wenig „native“ geworden.

Bei der Organisation und der Durchführung der Interviews unterstützte mich die Leiterin des

firmeninternen Weiterbildungszentrum. Sie stellte die Kontakte zu den Betriebsleitern und

Vorarbeitern her, die dann nach den aktuellen Dringlichkeiten der Produktion Arbeiter und

Arbeiterinnen aussuchten, die gerade für eine halbe Stunde entbehrt werden konnten. Eine

Freiwilligkeit der Interviews war also nur in geringem Maß gegeben. Ich befragte sowohl

Männer als auch Frauen. In meiner Arbeit werde ich mich allerdings aus forschungstheoreti-

schen und forschungspraktischen Gründen (zur Reduzierung des Datenmaterials) auf die Ana-

lyse der 15 Interviews mit Frauen konzentrieren.

Die Interviews wurden während der Arbeitszeit in einem etwas ruhigeren Büroraum durchge-

führt und sollten nicht länger als 20 Minuten dauern. So war also für die Erzählenden ein Her-

austreten aus dem Firmenalltag während der Interviews nur eingeschränkt möglich. Besonders

der Interviewort Fabrik im Gegensatz zu einer vertrauten Umgebung, z.B. der Wohnung des

Interviewten, begrenzte die Möglichkeiten, die natürlich immer einzukalkulierenden negati-

ven Auswirkungen von Barrieren zwischen erzählender und zuhörender bzw. fragender Per-

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son durch die identitätsverstärkenden Komponenten der Vertrautheit der erzählenden Person

mit ihrem eigenen Habitat so gering wie möglich zu halten, wie dies Haindl empfiehlt (1982).

Die Interviews nahm ich, natürlich immer mit Einverständnis der Interviewten, mit einem

Diktiergerät auf und transkribierte sie dann später.

Zusammenfassend halte ich nach meinen Erfahrungen die Organisation eines Lehrfor-

schungsprojektes in Form eines Betriebspraktikums, das mit klaren Erwartungen und Nütz-

lichkeitserwägungen des Betriebes und mit eindeutiger Einbettung des Studierenden in die

Organisationsstruktur des Unternehmens verbunden ist, zumindest für problematisch. Die

Lehrforschung sollte ein erster Versuch sein, eine unabhängige, wissenschaftlich begründete,

empirische, soziologische Forschung durchzuführen, deren Verwirklichung sich vor allem an

den Maßstäben des wissenschaftlichen Arbeitens und an den theoretischen und methodischen

Vorstellungen des Studierenden selbst orientieren sollte. Bei einem Praktikum hingegen, bei

dem es vor allem darum geht, einen Praxisbezug des Studiums herzustellen, hat sich der Stu-

dierende in erster Linie an den Vorstellungen der Organisation auszurichten, die den Inhalt

und die Durchführung des Praktikums wesentlich bestimmen. Eine Vermischung dieser bei-

den Formen halte ich für problematisch, und sie kann angesichts unterschiedlicher Zielstel-

lungen der Beteiligten zu Konflikten führen.

5. Strukturen und Muster weiblicher Erwerbsbiographien

Zunächst möchte ich mich auf die strukturelle Ebene und auf die sich dort manifestierenden

spezifischen Muster der Frauenerwerbsbiographien, aber auch auf die allgemeineren Struktu-

ren der geschlechtsspezifischen Segregation des Arbeitsmarktes konzentrieren und sie anhand

eines Interviews, in dem sich für die Erwerbsbiographien der von mir befragten Frauen typi-

sche Faktoren widerspiegeln, exemplarisch diskutieren2. Dabei nutze ich die von der Erzähle-

rin hergestellte Erzählstruktur zur Analyse. Dieses Interview ist natürlich keinesfalls alleinige

empirische Grundlage, sondern konnte nach intensiver Analyse aller Interviews als besonders

geeignet identifiziert werden, wichtige, für einen Großteil der Interviews geltende Merkmale

zu veranschaulichen. Ihm kommt damit in erster Linie eine Darstellungsfunktion zu.

2 Dabei bin ich mir der Spezifik der von mir gewählten Methode bewußt, da Biographien als Geschichten stets Funktionen für den Erzählenden haben, „die einer exakten, vollständigen und korrekten Wiedergabe von Tatsa-chen nicht eben dienlich sind“ (Bahrdt, 1982, 28). Zu firmeninternen Statistiken, z.B. über Lohnstruktur hatte ich keinen Zugang.

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Fabiana3 ist Hilfsarbeiterin und arbeitet seit neun Jahren in der Firma B. Sie ist 36 Jahre alt,

verheiratet und hat eine erwachsene Tochter, die schon verheiratet und aus dem Hause ist. Sie

bedient eine Maschine, die Gewindeeinsätze in vorgelochte Muttern dreht.

Sie beginnt ihre Erzählung:

„Die erste Branche, in der ich gearbeitet habe, war die Nahrungsmittelbranche. Da habe ich in zwei Firmen gearbeitet, in der ersten acht Jahre lang. Da bin ich aus familiären Gründen weggegangen, weil es notwendig war, weil wir umgezo-gen sind in eine andere Stadt. Da hat es aber auch nicht geklappt, also hab ich ei-ne neue Arbeit gesucht, auch in der Nahrungsmittelbranche...“

Fabiana muß ihren Arbeitsplatz in der Nahrungsmittelbranche aufgeben, weil ihre Familie in

eine andere Stadt umzieht. Das weist darauf hin, daß die Aushandlungen bei innerfamiliären

Entscheidungen über Mobilität einer geschlechtsdifferenzierten Machtasymmetrie unterlie-

gen, die es Frauen nicht ermöglicht, ihre beruflichen Interessen in gleichem Maße zu vertre-

ten, wie dies Männer tun. Diese Machtstrukturen sind in ein bestimmtes Gendersystem einge-

bettet, das Chodorow (zwar für die USA) so beschreibt: „It creates two and only two genders,

and maintains a heterosexual norm, has a largely nuclear family, assigns primary parenting

functions to women, has a sexual division of labour in which women’s first duty is in the

home and men’s outside it and is characterised by male dominance“(1979). Dieses System hat

aber auch für Brasilien Gültigkeit (Humphrey, 1987, 53). Männer werden als Familienernäh-

rer definiert, egal ob dies der Realität entspricht oder nicht, Frauen gelten als Zuverdienerin-

nen, obwohl sie, wie Safa in einer Studie über Fabrikarbeiterinnen in São Paulo zeigen konn-

te, einen substantiellen Beitrag zur Familienökonomie erbringen, ohne den der Lebensstan-

dard der Familie erheblich niedriger wäre (Safa, 1986, 305). Das Modell des männlichen Fa-

milienernährers hat eine so große Gültigkeit und Deutungsmacht, daß selbst Frauen wie Fa-

biana und Arminda, die durch ihre Arbeit wesentlich zum Familieneinkommen beitragen, ihre

Arbeitsmobilität der eines männlichen Familienmitgliedes anpassen müssen. Unter Bedingung

des gesellschaftlich normalen Machtungleichgewichts in der Ehe (Streckeisen, 1991) kommt

es selbst bei Erwerbstätigkeit der Frau zu keinen Verschiebungen im Machtgefüge, das die

Aushandlungsprozesse bei familialen und ehelichen Konflikten bestimmt. Vielmehr bleibt die

normative Geltung des Modells des männlichen Familienernährers weiterhin bestehen. Be-

sonders deutlich wird dies bei einer Aussage von Arminda zu diesem Thema:

„Ich habe nur drei Jahre hier gearbeitet, dann mußte ich umziehen, weil mein Va-ter fand, daß die Bedingungen in der anderen Stadt besser seien, und ich habe ge-kündigt.“

3 Um die Anonymität der von mir befragten Frauen zu garantieren, habe ich die Namen verändert.

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Berufsplanung und Realisierung sind also eng in familiale Machtstrukturen eingebettet, so

daß vielen Frauen nur geringe Möglichkeit für eine eigenständige und langfristige Planung

der Arbeitskarrieren bleiben. Schon vor ihrem Eintritt in die Erwerbsarbeit sind sie in ein Ge-

schlechterarrangement eingebunden, in dem ihnen eine untergeordnete Rolle zugewiesen

wird. Darauf, wie sich dieses Geschlechterarrangement innerhalb der Fabrik fortsetzt und dort

neu produziert wird, werde ich weiter unten in diesem Kapitel eingehen .

Außerdem ist die vorausschauende Planung ihrer Erwerbskarrieren durch die schwierige Si-

tuation am Arbeitsmarkt eingeschränkt, die die Frauen zu häufigem Arbeitsplatz- und Bran-

chenwechsel zwingt, wie aus der weiteren Erzählung Fabianas deutlich wird.

„ Ich hab eineinhalb Jahre dort gearbeitet, aber die Schichtarbeit war sehr an-strengend, ich hab drei Schichten gemacht, hab auch nachts gearbeitet, und dann dachte ich, daß das nicht gut sei, daß ich Fähigkeiten hätte, etwas Besseres zu machen, und ich hab gekündigt, weil dieser Arbeitsrhythmus so erschöpfend war, beim Morgengrauen aufzustehen, nachts zu arbeiten, dieser ganze Streß, der Schichtwechsel. Ich hatte das Gefühl, ich müßte für mich eine andere Branche suchen. Also hab ich im Handel angefangen, weil man da nur eine Schicht hat, aber auch daran hab ich mich nicht gewöhnt. Ich hab mich aber nicht daran ge-wöhnt, als Verkäuferin zu arbeiten. Die Arbeit ist zwar sauber, aber man weiß nie, wieviel man verdient, und man kann nicht im Voraus für den Monat planen. Deshalb arbeite ich lieber in einem Betrieb, mit ‘nem festen Lohn in der Stunde. Da ich ja schon zwei Firmen in der Nahrungsmittelbranche ausprobiert hatte und auch den Handel, dacht ich, ich könnte jetzt mal mit 'ner Metallfirma versuchen (experimentar).“

Fabiana wechselt von der Nahrungsmittelbranche in den Dienstleistungssektor und von dort

in die Metallindustrie. Dieser häufige Arbeitsplatzwechsel kombiniert mit einem Branchen-

wechsel ist für die von mir interviewten Frauen typisch. Außerdem wird die Erwerbstätigkeit

vieler befragter Frauen durch häufige und zum Teil längere Nichterwerbsphasen bzw. Famili-

enarbeitsphasen unterbrochen (Vera).

Ergebnis ist eine unstete, diskontinuierliche Erwerbsbiographie, in der die verschiedenen Ar-

beitsplätze nicht oder nur in sehr geringem Maße aufeinander aufbauen. Die Karrieren der

von mir befragten Frauen sind von den Erfahrungen dieser Brüche und vom ständigen Neuan-

fang geprägt. Die freie Verfügbarkeit auf dem Arbeitsmarkt, die Mobilität der Arbeitskraft,

die von traditionellen wirtschaftswissenschaftlichen Theoretikern als Voraussetzung für „in-

itiative, incentive, invention and for the self-development and acquisition of skills“ (Bakke,

1954) gepriesen wurde, brachte den von mir interviewten Arbeiterinnen eher keine Vorteile

auf dem Markt, da die innerhalb eines Jobs durch Erfahrung oder Schulungen erworbenen

Qualifikationen nur in den seltensten Fällen in andere Jobs transferiert werden können und

deshalb nur einen geringen Wert für die weitere berufliche Laufbahn der Arbeiterinnen besit-

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zen. Wie die Arbeiterinnen mit diesen Brüchen umgehen, werde ich in Kapitel 6.1. untersu-

chen. Faktoren, die diese Diskontinuität fördern, sind zum einen die durch das Bild des männ-

lichen Familienernährers geprägten Machtasymmetrien in der Familie bei Aushandlungspro-

zessen (Fabiana, Arminda), aber auch schlechte Erwerbsbedingungen, die „Familienorientie-

rung und diskontinuierliches Erwerbsverhalten von Frauen geradezu erzeugen“ (Streckeisen,

1991, 77). Dazu zählen, wie in Fabianas Fall, die anstrengende Schichtarbeit, bei Débora die

Wochenendarbeit, aber es sind vor allem die begrenzten internen Aufstiegschancen für Frau-

en, die die hohe externe Mobilität erzeugen (Granovetter, 1986, 20). Ob den von mir befrag-

ten Frauen der Aufbau von karriereförderlichen Netzwerken gelingt, der von Granovetter als

positiver Effekt hoher Mobilität gewertet wird (1986, 10 f.), ist zumindest fraglich. Zwar

scheinen familiäre und bekanntschaftliche Netzwerke den Berufseinstieg zu erleichtern, wie

dies Fabiana (s. weiter unten), Nair, Cristina, Paula und Belisa berichten, aber in der Fabrik

selbst gelingt es den Frauen offenbar nicht, solche Netzwerke aufzubauen, da Frauen eben

nicht an den strategischen Stellen positioniert sind, die über Entscheidungsmacht verfügen.

Im Folgenden will ich die hier herausgearbeitete Diskontinuität in Stichworten mit einigen

weiteren Erwerbsbiographien von mir interviewter Arbeiterinnen zusätzlich illustrieren.

Márcia: Mit vierzehn Jahren als Hilfsarbeiterin in einer Streichholzfabrik angefangen, dann arbeitslos, dann zweieinhalb Jahre als Arbeiterin in der Nachbearbeitung einer Plastikfirma, dann Entlassung und einige Zeit arbeitslos, sechs Jahre in der Autoindustrie, entlassen, seit einem Jahr und zwei Monaten Arbeiterin an Maschinen in der Plastikabteilung der Firma B. Cristina: Angefangen als Babysitter, dann bei Firma B (Metallbranche), nach zwei Monaten entlassen und zwei Jahre arbeitslos, zwei Monate in einer Textilfirma, wieder zwei Monate arbeitslos, dann als „Outgesourcte“ bei Firma B (Metallbranche), zwei Monate arbeitslos, seit anderthalb Jahren wieder Firma B (Metallbranche). Arminda: Mit sechzehn Jahren in einer Druckerei für Aufschriften auf Zuckersäcken angefan-gen, nach vier Jahren Wechsel in Metallfirma, nach drei Jahren Kündigung, weil ihr Vater mit der Familie in eine andere Stadt umzieht, dort Arbeit im Supermarkt, dann wieder Textilfir-ma, Firma geht Pleite, seit sieben Monaten Firma B (Metallbranche). Arminda bringt diese Diskontinuität auf den Punkt:

„Keiner meiner Jobs hat auch nur im Geringsten etwas mit dem anderen zu tun gehabt, aber ich habe wenigstens immer gearbeitet.“

Die weiblichen Erwerbsbiographien der Arbeiterinnen widersprechen also den Vorstellungen

eines Normalitätsmodells der Karriere im Berufsbereich, das auf kontinuierlicher und lebens-

langer Vollerwerbstätigkeit basiert.

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Im deutlichen Gegensatz zu den Biographien der Arbeiterinnen stehen die Biographien der

von mir ebenfalls interviewten weiblichen Angestellten. Luzia ist 41 Jahre alt und hat Angli-

stik studiert. Nachdem sie neun Jahre in der Personalabteilung einer Bank gearbeitet hatte,

wechselte sie in die Personalabteilung der Firma B, wo sie seit zehn Jahren angestellt ist. Flor

ist ebenfalls 41 Jahre alt und hat Jura studiert. Sie ist seit 1976 in der Firma und hat sich bis

zur Leiterin der Einkaufsabteilung hochgearbeitet. Beide verfügen über eine sehr gute Bil-

dung und haben in der firmeninternen Hierarchie eine relativ hohe Position erreicht. Beide

Fälle verweisen auf die klassenspezifische Brechung der Kategorie Geschlecht, d.h. auf die

Vielfältigkeit weiblicher Erfahrungen in verschiedenen, durch Zugehörigkeit zu einer be-

stimmten sozialen Klasse oder zu einer ethnischen Gruppe gekennzeichneten Kontexten und

damit auf die Problematik, Geschlecht als eine essentialistische Kategorie zu fassen (Mohan-

ty, 1991, 68).

Fabiana erzählt weiter:

„Und dann hab ich hier im Oktober 91 bei einer metallverarbeitenden Firma an-gefangen. Zu dieser Zeit arbeitete eine Bekannte von mir hier. Ich hab meine Be-werbung geschickt und drei Jahre gearbeitet, dann haben sie mir gekündigt. Bis heute weiß ich eigentlich nicht warum. Ich glaube, es war der Lohn. Ich glaube, zu dieser Zeit gab es in meinen Bereich etwas höheren Lohn, also haben sie es so gemacht: Sie wollten für alle Mädchen in der Firma, egal in welchem Bereich sie arbeiteten, einen einheitlichen Lohn einführen, also haben sie alle Mädchen raus-geschmissen, um dann neue Mädchen zu diesem neuen niedrigeren Lohn wieder einzustellen.

Nach dualen Arbeitsmarktansätzen ist es vor allem freiwilliges Verlassen des Arbeitsplatzes

der Frauen, bedingt durch die alleinige Verantwortung von Frauen für die Kindererziehung

oder wegen eines Umzug infolge des Arbeitsplatzwechsels des Mannes, das die niedrigere

Arbeitsplatzstabilität von Frauen verursacht (Humphrey, 1987, 170). Daß diese Faktoren

wichtig sind, haben auch meine Daten nahe gelegt. Allerdings reicht diese Erklärung, wie bei

einer genaueren Betrachtung der Lebensläufe meiner Informantinnen deutlich wird, nicht aus,

um die Diskontinuität ihrer Erwerbsbiographien zu erklären. Ein Großteil der Arbeitsplatz-

wechsel und Pausen ist durch Entlassungen und nicht durch eine eigene Entscheidung der

Arbeiterinnen verursacht (Nair und Arminda müssen den Arbeitsplatz wechseln, weil die

Firma schließt, Márcia, Cristina, Belisa, Natali und Paula müssen mindestens ein mal den

Arbeitsplatz wechseln, weil sie entlassen werden, und Nair, Cristina und Paula machen die

gleiche Erfahrung wie hier im Beispiel Fabiana, daß sie entlassen und kurze Zeit später mit

niedrigerem Lohn wieder eingestellt werden). So haben also auch „management polities

themselves an impact on stability“ (Humphrey, 1987, 170), wie die kurzzeitige Entlassung zur

Senkung der Löhne oder die fehlenden Trainings- und Beförderungsmöglichkeiten für Frauen.

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Fabiana fährt in ihrer Erzählung fort:

„Ich war drei Monate arbeitslos, dann wurde ich zurückgerufen zur selben Arbeit, dem selben Prozeß, genau der gleichen Sache nur mit niedrigerem Lohn. Aber in diesen drei Monaten hab ich keine andere Arbeit gesucht, aber als man mich eben zurückrief, da hab ich angenommen. Es war die gleiche Arbeit, der gleiche Pro-zeß, der gleiche Sektor, der gleiche Chef, alles eben. Ich bin hier seit 91 und kann mich nicht beschweren. Auch nicht über den Lohn, weil ich Möglichkeiten hatte, mir was Besseres zu suchen. In anderen Firmen. Aber ich bin hier geblieben, denn ich denke mir das so: Das hier ist meine letzte Firma, wenn ich hier wegge-he, dann werde ich keine andere Firma, keine andere Arbeit mehr suchen, Ich will was eigenes, wovon ich leben kann. Wir sind ja nur noch zu zweit, mein Mann und ich, ich hab‘ zwar ‘ne Tochter, aber die ist schon verheiratet. Also suche ich eine eigene Stabilität, anstatt in einer Firma zu sein mit ‘nem festen Arbeitstag und so. Von dem Moment an, in dem sie denken, daß es nicht mehr geht, daß sie mich entlassen wollen, von diesem Moment an hab ich nicht mehr die Absicht, einen anderen Job eine andere Firma zu suchen, weder im Metallbereich noch wo anders, gar nichts mehr. Ich versuche eine Sache für mich selbst zu machen.“

Für den Fall ihrer Entlassung hat Fabiana nicht vor, eine andere Anstellung in der Industrie

zu suchen. Auch innerhalb der Firma hat sie keine großen Ambitionen und keine Wünsche

nach einem Aufstieg. Obwohl sie sonst in vieler Hinsicht exemplarisch für alle von mir inter-

viewten Frauen ist, ist dieser Standpunkt eher nicht zu verallgemeinern. Viele der anderen

Frauen beklagen sich über die nicht vorhandenen Aufstiegschancen für Frauen in der Firma

und würden gern befördert werden. Darauf werde ich in Kapitel 6.3. noch genauer eingehen.

In der nun folgenden Sequenz von Fabianas Erzählung thematisiert sie die Bedeutung, die

ihre Arbeit für sie besitzt:

„Mir gefällt es zu arbeiten, und heutzutage ist die Situation so schwer, ich muß meinem Mann helfen. Ich habe nämlich immer gearbeitet, immer. Ich glaube, ich könnte mich nicht daran gewöhnen, zu Hause zu bleiben, ohne was zu machen, ohne eine Beschäftigung. Ich habe zwar ne Tochter, aber die ist schon verheiratet, also bleiben nur noch mein Mann und ich übrig. Ich glaube, das wäre wirklich öde, langweilig. Wenn du arbeiten gehst, dann kannst du Urlaub nehmen, du kannst reisen und dich ablenken. Aber wenn du die ganze Zeit zu Hause bleibst ... ich könnte das einfach nicht. Ich habe immer gearbeitet, ich mag Neuigkeiten, ich mag es eine Beschäftigung zu haben, ich bleib` nicht gern zu Hause. Und da ich in einem Apartment wohne, da hat man keine große Auswahl, da wäre ich den ganzen Tag eingeschlossen in der Wohnung. Ich bin gern aktiv, ich würde gern Friseurin sein, Für den Fall, daß sie mich entlassen dieses Jahr, weil ich nicht weiß, wie lange ich noch hier bleibe, dann würde ich gern etwas für mich, was eigenes machen, um nicht von meinem Mann abhängig zu sein.“

In dieser Textpassage wird die für Frauen typische doppelte Lebensplanung deutlich, die ich

in Kapitel 6.2. detaillierter analysieren werde. Auch hier spielt das Bild vom männlichen Fa-

milienernährer eine zentrale Rolle. Fabiana will aus der Lohnarbeit aussteigen und sich als

Friseurin niederlassen. Dies weist darauf hin, daß viele brasilianische Frauen die Arbeit im

informellen Sektor und im Dienstleistungssektor als Klein- und Kleinstunternehmerinnen be-

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vorzugen, da ihnen der informelle Sektor mehr Flexibilität und Eigenständigkeit ermöglicht

und kompatibler mit ihren häuslichen Pflichten ist (Safa, 1986, 305). Auch die von Lobo in-

terviewten Fabrikarbeiterinnen aus São Paulo äußerten den Wunsch, sich in Berufen wie

Schneiderin auf dem informellen Sektor selbständig zu machen (1989, 172).

Es schließt sich nun eine Sequenz in Fabianas Erzählung an, in der sie über ihre Stellung in

der Fabrik berichtet:

„Meine Funktion ist eigentlich Maschinenarbeiterin. Wenn man sich genau an-schaut, was ich mache. Ich arbeite an der Maschine, ich habe die Verantwortung für Maschine und Produkte. Aber in meinen Arbeitspapieren steht Hilfsarbeiterin, aber das korrekte wäre Arbeiterin, denn ich arbeite ja den ganzen Tag an der Ma-schine, und wenn die Maschine Probleme hat, bin ich dafür verantwortlich. Ich sehe mich als Arbeiterin. ...In meinem Fall ist das so: Ich bin ja schon lange hier, ich kann viele Sachen machen, die ich hier gelernt habe. Aber die Mädchen, die neu hier sind, die haben schon Schwierigkeiten. Dann helfe ich ihnen bis zu dem Punkt, wo ich auch nicht mehr weiter weiß. Dann hole ich jemand anders. Aber ich habe schon vielen Leuten, die hier angefangen haben, alles Wichtige beige-bracht.“

Obwohl Fabiana eine besonders langjährige Arbeiterin in ihrem Bereich ist und eine, wenn

auch informelle, Ausbildungsfunktion erfüllt, indem sie ihre Erfahrungen an die „Mädchen“,

d.h. junge, ungeschulte Arbeiterinnen, weitergibt, gilt sie immer noch als Hilfsarbeiterin, also

als unqualifizierte Arbeitskraft. Dies scheint keine Ausnahme zu sein, denn auch Lobo konnte

in ihrer Untersuchung zu brasilianischen Fabrikarbeiterinnen nachweisen, daß die Nichtüber-

einstimmung der Aufgabenbeschreibung in den Arbeitspapieren mit den tatsächlichen Ver-

antwortlichkeiten eine gängige Praxis der brasilianischen Industrie ist (Lobo, 1989, 172).

Zunächst verweist diese Sequenz Fabianas Erzählung auf typische Züge der geschlechtsdiffe-

renzierten Segregation des Arbeitsmarktes. Nach einer segmentationstheoretischen Position

(zusammenfassende Darstellung siehe Sesselmeier/ Blauermel, 1997) findet die Allokation

von Frauen auf dem sekundären Segment des Arbeitsmarktes statt, welches durch instabile

Arbeitsverhältnisse, schlechtere Bezahlung und keine oder nur geringe Aufstiegsmöglichkei-

ten gekennzeichnet ist. Im Gegensatz zum primären Segment, in dem sich die Arbeiter auf

mehr oder weniger institutionalisierten, verschiedene Jobs auf quasi natürliche Weise verbin-

denden Mobilitätsketten nach oben bewegen, finden sich Frauen auf „dead-end“ Jobs am

unteren Ende der Hierarchien wieder, die selbst nach langjähriger Betriebszugehörigkeit kei-

nen Aufstieg ermöglichen. Sie werden also nicht oder nur sehr selten in die internen Arbeits-

märkte der Unternehmen integriert. Dies bestätigen auch die Aussagen der anderen von mir

interviewten Frauen. Zur Begründung dieser Segmentation greift die duale Arbeitsmarkttheo-

rie wie auch Humankapital- und Sozialisationstheorien auf Faktoren zurück, die außerhalb des

Arbeitsmarktes liegen, wie fehlender Zugang zu Bildung und Qualifikation. Diese Theorien

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erklären demnach die Mechanismen der Allokation bestimmter Gruppen auf bestimmte Seg-

mente des Arbeitsmarktes als geschlechtsneutral (Humphrey, 1985, Humphrey, 1987, Gott-

schall, 1998).

Bei einer weiteren Analyse meines empirischen Untersuchungsmaterials4 erweist sich die

Annahme der Geschlechtsneutralität des Arbeitsmarktes allerdings als problematisch.

So konnte ich meinen Interviews mit den Arbeiterinnen und mit den verantwortlichen Produk-

tionsleitern entnehmen, daß die weiblichen Arbeiter aufgrund ihres Geschlechtes, unabhängig

von ihrer Beschäftigungsdauer oder der sich angeeigneten Erfahrung, keine Möglichkeiten

haben, in der Produktion zur Maschineneinrichterin, Vorarbeiterin oder Meisterin befördert zu

werden. Diese Positionen sind ausschließlich Männern vorbehalten (Débora, Gabriela, Már-

cia, Gilberto (Produktionsleiter) und Fabiano (Produktionsleiter). Fabiano, einer der Produk-

tionsleiter berichtet:

„Frauen haben nicht die gleichen Aufstiegsmöglichkeiten wie Männer, ich wollte das in meinem Bereich ändern, aber vom Personalleiter bekam ich die Informati-on, daß das Firmenkultur sei, daß Frauen nur bis zu einem bestimmten Grad auf-steigen könnten, während Männer keine Begrenzungen hätten. Aber ich warte ab, vielleicht schaffe ich es ja durchzusetzen, daß Frauen die gleichen Möglichkeiten zur Spezialisierung, die gleichen Posten, den gleichen Lohn und somit auch die gleiche Kontinuität wie die Männer erreichen.“

Frauen aus der Produktion werden auch nicht zu den firmeninternen Schulungen eingeladen

(Gabriela), die für eine Beförderung notwendig wären, d.h. ihre „Unterqualifizierung“ wird

im Betrieb zumindest zementiert, wenn nicht erst produziert. Wo Männer und Frauen die glei-

che Arbeit ausführen wie im Bereich der Kunststoffspritzgußmaschinen, erhalten Frauen 20%

weniger Lohn als Männer, wie mir der zuständige Produktionsleiter berichtete (Gilberto):

„Das Argument der Firmenleitung ist, daß die Männer besser arbeiten, und des-halb wollten sie eine Differenzierung vornehmen. In den anderen Firmenberei-chen ist das nicht notwendig. Da sind die Posten differenziert: An den Drehma-schinen, in der Auslese arbeiten nur Frauen. An der Fräsmaschine arbeiten nur Männer, also die schwereren, körperlichen Arbeiten machen nur Männer. So schaffen sie es also, die Frauen in einer und die Männer in einer anderen Lohnka-tegorie zu gruppieren. Aber der Spritzprozeß ist dafür nicht geeignet, also entwe-der nur Frauen oder nur Männer, weil eigentlich beide Geschlechter im Spritz-prozeß arbeiten können. Na ja, und dann geht bei uns die Unterscheidung eben di-rekt über den Lohn“ (Gilberto).

Auch Humphrey (1985, 1987) berichtet in seinen Analysen zu Gender und Qualifikation in

4 Dabei handelt es sich um qualitative Interviews mit Arbeiterinnen, Arbeitern und Produktionsleitern. Ich habe mich auch um die Beschaffung zusätzlicher Daten, wie Statistiken über Lohnverteilung und Verweildauer in der Firma bemüht, um die Aussagen meiner Interviews zu stützen, aber zu solchen Dokumenten hatte ich keinen Zugang.

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der brasilianischen Industrie von ähnlichen Phänomenen. So wurden dort Frauen, obwohl sie,

um zu einem selbständigen und fehlerfreien Ausführen ihrer Tätigkeiten in der Qualitätskon-

trolle zu gelangen, eine intensive Schulung von sechs Monaten mit ständiger Supervision

durchlaufen mußten, als unqualifizierte Arbeitskräfte klassifiziert und ohne Ausnahme der

niedrigsten Gehaltsgruppe zugeordnet (Humphrey, 1985, 221).

Anstatt also von der Geschlechtsneutralität des Arbeitsmarktes auszugehen, muß er als eine

soziale Institution verstanden werden, die im Kontext des „kulturellen Systems der Zweige-

schlechtlichkeit“ (Hagemann-White, 1984) funktioniert und dessen geschlechtsspezifische

Strukturen nicht einfach Resultat einer ökonomisch rationalen Zuordnung von Personen auf

bestimmte Arbeits- und Berufsfelder sind, sondern Konsequenz komplizierter Aushandlungs-

und Zuweisungsprozesse von Arbeit und Qualifikation der beteiligten Akteure.

So werden, wie das Zitat des Werksleiters nahe legt, durch gezielte Firmenpolitiken und Fir-

menstrategien Geschlechterdifferenzen erst erzeugt. Auf symbolischer, räumlicher und in die-

sem Fall auf der Ebene des Lohnes werden Differenzen hergestellt, um das "sameness-taboo",

wie Rubin (1975) die Angst vor geschlechtlichen Grenzverwischungen bezeichnete, aufrecht-

zuerhalten. Besonders klar wird in diesem Zitat die funktionelle Verknüpfung von Differenz

und Hierarchie im Konstruktionsprozeß (Gottschall, 1998, 66). Durch die hergestellte Diffe-

renz wird der Arbeit von Frauen systematisch, unabhängig von der Qualifizierung und Erfah-

rung der Frauen, unabhängig von ihrem Inhalt und ihrer Produktivität, weniger Wert beige-

messen und somit männliche Hierarchie und Dominanz aufrechterhalten. Phillips und Taylor

fassen pointiert zusammen: „It is the sex of those who do the work rather than its content,

which leads to its identification as skilled or unskilled.“ Diese Interpretation legen auch meine

Forschungsergebnisse nahe.

Für die von mir befragten Arbeiterinnen sind unstete, diskontinuierliche und sich durch häufi-

gen Branchenwechsel auszeichnende Arbeitsbiographien typisch. Diese Muster sind nur be-

dingt auf einen freiwilligen Rückzug aus dem Erwerbsleben, z.B. bei der Heirat oder der Ge-

burt eines Kindes und Machtasymmetrien in der Familie, also auf ein durch patriarchale

Strukturen geprägtes Geschlechterarrangement außerhalb der Firma selbst zurückzuführen.

Vielmehr werden im Arbeitsprozeß selbst durch diskriminatorische Firmenpolitiken in Bezug

auf Einstellung bzw. Entlassung, Lohn und Beförderung weibliche Identitäten produziert, die

die Höherwertigkeit, die höhere Qualifikation und Stabilität männlicher Arbeiter nicht in Fra-

ge stellen.

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6. Zur Konstituierung weiblicher Identitäten: Konflikte und Wandel

Im vorangegangenen Teil habe ich versucht zu zeigen, wie auf der Ebene von Firmenpolitiken

weibliche Identitäten konstruiert werden. Dabei konnte ich herausarbeiten, daß Arbeiterinnen

trotz ihrer oft langjährigen Erwerbstätigkeit eher als temporäre, instabile, unqualifizierte Ar-

beitskräfte und als Zuverdienerinnen definiert wurden. Wie aber sehen sich die Arbeiterinnen

selbst? Wie gehen sie mit der Diskontinuität und den Brüchen ihrer Lebens- und Arbeitswege

um? Welchen Sinn messen sie der von ihnen verrichteten Arbeit bei? Wie setzen sie aus den

verschiedenen vorhandenen Optionen ihre Identität als Frauen und Arbeiterinnen zusammen?

Wie gewichten sie die beiden Lebensbereiche Familie und Beruf?

6.1 Zwischen Kontinuität und Brüchen

Der Eintritt in eine bisher männlich dominierte Branche ist für viele der von mir interviewten

Frauen ein einschneidendes Erlebnis und nimmt viel Platz in ihren Erzählungen ein. Dieser

Schritt ist mit Unsicherheiten, Schwierigkeiten, ja sogar Angst verbunden, und die Arbeite-

rinnen betonen den radikalen Unterschied zu den von ihnen vorher ausgeführten Arbeiten.

„Die ersten Tage waren wirklich sehr schwer, weil ich noch nie in der Metall-branche gearbeitet hatte. Ich hatte Schwierigkeiten, weil ich die Stücke nicht kannte, ich wußte überhaupt nichts. Das war also ganz schön schwer für mich. Danach habe ich mich dran gewöhnt und hab alles besser kennengelernt, die Pro-dukte und auch die Maschinen“ (Nair).

„Bevor ich hier angefangen habe zu arbeiten, hatte ich nie in einer Firma gearbei-tet. Die ganze Zeit davor habe ich als Babysitter gearbeitet, das war also eine ziemlich große Veränderung. Vom Babysitter zur Fabrikarbeiterin, das war eine radikale Veränderung“ (Cristina).

„Ich habe angefangen als Kassiererin im Supermarkt. Das hat also gar nicht mit meiner Arbeit hier zu tun. Der Anfang war ganz schön hart, denn wenn man noch nie in der Metallfabrik gearbeitet hat, dann gibt es da so viele Sachen, die man noch nie gesehen hat. Hier bin ich seit Oktober 1990. Also seit fast 10 Jahren. Ich hab als Hilfsarbeiterin begonnen, und heute bin ich Arbeiterin. Ich habe in allen möglichen Bereichen gearbeitet. Heute arbeite ich an den Gewindedrehmaschi-nen. Aber ich hab von allem eine Ahnung, vom Sortieren, vom Drehen. Ich arbei-te gern hier“ (Gabriela).

Am prägnantesten beschreibt Márcia ihre schon fast traumatischen Erfahrungen zu Beginn

der Arbeit in der Fabrik.

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„Ich habe mit 14 Jahren angefangen, in einer Streichholzfabrik zu arbeiten. Ich habe die Schachteln in einer Reihe aufgestellt, damit die Reibflächen draufge-klebt werden konnten, hab also nicht an der Maschine gearbeitet. Danach blieb ich eine ganze Zeit arbeitslos. Dann bin ich in die Firma A, das ist ‘ne Automo-bilfirma, aber es war ‘ne vollkommen andere Arbeit als hier. Dort wurde ich ent-lassen und hab dann hier angefangen. Es war eine ganz neue Erfahrung, weil ich noch nie mit Spritzmaschinen gearbeitet hatte, ich hatte bis dahin nur in der Mon-tage gearbeitet. Hier hab ich dann gelernt, mit solchen Maschinen umzugehen, sie aufzumachen usw. Aber am Anfang, ehrlich gesagt, hatte ich eine Heidenangst, wenn irgendwelche Probleme auftraten ...ich wußte ja gar nichts über die Ma-schinen, absolut nichts. Ich hatte Angst vor der Produktion, hatte Angst, nicht ge-nau zu wissen, wie man die Maschine öffnet, hatte Angst davor, nicht zu wissen, wie man sie wieder schließt. Aber ich habe viel gelernt, und heute klappt es alles ganz gut. Ich bin glücklich mit meiner Arbeit, heute kann ich alle Maschinen bedienen.“

In gleichem Maße, in dem die Frauen hier von ihren Schwierigkeiten beim Arbeitsplatz- und

Branchenwechsel berichten, berichten sie auch von ihren Siegen. Aus der Angst vor den Ma-

schinen wird die Fähigkeit und das Wissen, sie zu bedienen, sowie die Macht und die Kon-

trolle über die Maschine. Sie sind stolz darauf, vielfältige Kenntnisse über sehr unterschiedli-

che Arbeitsbereiche in der Fabrik gewonnen zu haben.

Die Brüche in ihren Erwerbsbiographien, aber auch die eigene Leistung, sich trotz aller

Schwierigkeiten und Hindernisse im neuen Metier behauptet zu haben, sind für die Frauen

von zentraler Bedeutung.

Fabiana stellt ihre Berufsbiographie als eine ständige Suche, ein ständiges Experimentieren

dar. Zuerst probiert sie es in der Nahrungsmittelbranche, verläßt die Firma aber aus familiären

Gründen. Aus der zweiten Firma scheidet sie aus, um etwas ihren Fähigkeiten entsprechendes

zu suchen. Danach probiert sie es im Dienstleistungssektor als Verkäuferin, und das jetzige

Experiment ist die Metallbranche. Sie integriert die unterschiedlichen Fragmente ihrer Er-

werbsbiographie über die Struktur des Experimentes, der Suche nach Selbstverwirklichung

und Unabhängigkeit, zu einem zusammenhängenden Ganzen. Sie will etwas „ für sich selbst

machen“, etwas, das ihren Fähigkeiten entspricht, und vor allem: Sie will für ihren eigenen

Unterhalt sorgen. Allerdings ist es bisher eine erfolglose Suche, denn auch in der Metallbran-

che hat sie nicht gefunden, wonach sie sucht. Vielmehr sucht sie nach einer Alternative zur

abhängigen Erwerbsarbeit, will keinen neuen Job suchen, weder in der Metallbranche noch in

einer anderen Industrie.

Auch Arminda versucht in ihrer Erzählung, wenn schon keine inhaltliche Kontinuität möglich

ist, so zumindest eine zeitliche Kontinuität ihrer Erwerbsbiographie herzustellen, indem sie

auf ihre durchgehende Berufstätigkeit verweist:

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„Na ja, das ist ein ziemliches Durcheinander, keiner meiner Jobs hat irgend etwas mit dem anderen zu tun gehabt, aber ich habe wenigstens immer gearbeitet.“

Ob nun durch die Überwindung der Schwierigkeiten zu Beginn der Anstellung, durch das

Integrieren unterschiedlicher Beschäftigungen in ein Konstrukt lebenslanger Suche nach

Selbstverwirklichung oder durch das Verweisen auf ständige Erwerbsarbeit wird von den von

mir befragten Arbeiterinnen „die faktische Diskontinuität der Erwerbsbiographie ... durch

subjektive Kontinuiätskonstrukte überbrückt“ (Geißler/ Oechsle, 1994, 154).

6.2 Zwischen Familie und Beruf

Typisch für die von mir befragten Arbeiterinnen ist die „doppelte Lebensführung“ (Geiss-

ler/Oechsle, 1994, 152), die sich durch eine Verbindung und Gleichwertigkeit von Beruf und

Familie auszeichnet. Der Beruf ist ein wichtiges Element zur Konstruktion von Identität, aber

gleichzeitig liegt die primäre Zuständigkeit für die Familie auch noch bei der Frau.

Im Bezug der Frauen zur Erwerbstätigkeit dominieren subjektive Faktoren wie die Identifika-

tion mit der Arbeit und der Sinn der Arbeit.

Für Fabiana und Débora ist die außerhäusliche Erwerbsarbeit eine Befreiung aus ihrem Haus-

frauendasein und ermöglicht ihnen eine Erweiterung ihrer Handlungsspielräume und Kom-

munikationsmöglichkeiten.

„Ich habe nämlich immer gearbeitet, immer. Ich glaube, ich könnte mich nicht daran gewöhnen, zu Hause zu bleiben, ohne was zu machen, ohne eine Beschäfti-gung. Ich habe zwar ‘ne Tochter, aber die ist schon verheiratet, also bleiben nur noch mein Mann und ich übrig. Ich glaube, das wäre wirklich öde, langweilig. Wenn du arbeiten gehst, dann kannst du Urlaub nehmen, du kannst reisen und dich ablenken. Aber wenn du die ganze Zeit zu Hause bleibst ... ich könnte das einfach nicht. Ich habe immer gearbeitet, ich brauche Neuigkeiten, ich mag es, eine Beschäftigung zu haben, ich bleib` nicht gern zu Hause. Und da ich in einem Apartment wohne, da hat man keine große Auswahl, da wäre ich den ganzen Tag eingeschlossen in der Wohnung. Ich bin gern aktiv“ (Fabiana).

„Ich arbeite sehr gerne. Ich kann nicht einfach zu Hause bleiben, das geht einfach nicht, das wäre für mich sehr schwer. Ich bin zwar `ne Frau, aber mir gefällt mei-ne Arbeit hier in der Fabrik, hier gibt es immer was Neues, ich hab ein Leben au-ßerhalb des Hauses, ich hab hier meine Freunde, kann mich mit Leuten unterhal-ten, ich hab Dinge, über die ich nachdenken kann, also für mich allein zu Hause zu sein...Mann o Mann, das wäre schlimm“ (Débora).

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In ihren Erzählungen kontrastieren sie außerhäusliche Lohnarbeit mit Hausarbeit. Die Er-

werbsarbeit ermöglicht beiden Frauen die Flucht aus einem in Fabianas Fall durch räumliche

und in Déboras Fall durch soziale Isolation geprägtes Hausfrauendasein. Beide fühlen sich

durch die Hausarbeit nicht ausgefüllt und setzen sie mit Unbeweglichkeit gleich. Erwerbsar-

beit dagegen bedeutet Abwechslung, Dynamik und Herausforderungen und damit Autono-

mie. Fabiana hebt die markantere Trennung von Frei- und Arbeitszeit bei der Lohnarbeit her-

vor, im Gegensatz zur Hausarbeit, die sich für sie durch ihre Unstrukturiertheit und Endlosig-

keit auszeichnet.

Die Erwerbsarbeit gibt den beiden Frauen Freiraum, sich außerhalb der ihnen durch die patri-

archalen Geschlechterideologien zugeschriebenen Räumen zu bewegen. Déboras „ich bin

zwar `ne Frau, aber...“ ist ein Aufbegehren. Mit dem „aber“ distanziert sie sich von Erwartun-

gen, die aufgrund ihres Geschlechtes an sie gerichtet werden, und ermöglicht sich so ein

Stück Autonomie.

In diesen Aussagen reflektieren sich die „Anhänglichkeits- und Abhängigkeitsverhältnisse“

(Streckeisen, 1991, 13) der Hausarbeit. Privatheit bedeutet auch gesellschaftliche Isolation,

Abwesenheit von formalisierten Kommunikationszusammenhängen. Der Aspekt des Schutzes

und der Geborgenheit der Hausarbeit wird von den Frauen nicht angesprochen. Die „perma-

nente Synthetisierungsleistung“ (1991, 13), die erbracht werden müßte, um beide Seiten der

Hausarbeit miteinander in Einklang zu bringen, wird von den Frauen nicht geleistet, bzw. sie

lehnen diese Synthetisierung ab. Vielmehr bedeutet die durch Erwerbsarbeit erfahrene Kollek-

tivität, die über Kommunikation mit Kollegen und Kolleginnen entsteht, eine Befreiung aus

den Zwängen der Hausarbeit.

Neben dem Aspekt der Befreiung und der Erweiterung von Handlungsspielräumen ist auch

die Erprobung eigener Fähigkeiten von zentraler Bedeutung:

„Ich arbeite jetzt in der Qualitätskontrolle, und es gefällt mir. Die Arbeit ist schnell, hat einen schnellen Rhythmus. Bei der Arbeit hab ich viel Freiraum, ich kann spontan arbeiten, bin nicht immer unter Druck, das ist gut. Ich bin für mei-ne Arbeit selbst verantwortlich, sie vertrauen einem, das ist ein Zeichen von Ver-trauen“ (Natali).

„Mir gefällt meine Arbeit, auch wenn sie ermüdend ist, ich bin nicht immer an der gleichen Maschine, manchmal kommt es vor, daß ich ‘ne Woche an einer bin, das ist, weil ich schon länger hier bin als alle anderen, fünf Jahre, und ich kann schneller arbeiten als die anderen, das lernt man mit der Zeit, wenn also ein Pro-dukt besonders dringend ist, dann mach ich das“ (Vera).

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„Ich mag meine Arbeit, es ist eine dynamische Arbeit, man muß mit vielen Leu-ten reden. Es ist eine schnelle Arbeit. Und das gefällt mir. Ich kann nicht einfach rumsitzen und nichts tun, und bei der Arbeit hat man den ganzen Tag mit Leuten zu tun, man muß sich beeilen, es gibt Fristen, das ist dynamisch. Ich könnte nicht irgendwas Ruhiges arbeiten, ich muß vorwärts gehen“ (Flor).

Für diese Frauen ist die Arbeit eine Herausforderung, an der sie ihre eigenen Fähigkeiten er-

proben können. Dabei sehen sie vor allem selbständiges Arbeiten, die Schnelligkeit der Ar-

beit und den Umgang mit Maschinen als Möglichkeit an, ihre Kenntnisse und Qualifikationen

unter Beweis zu stellen.

Und auch der Wunsch nach Selbstverwirklichung, der sich in Fabianas Suche nach einer Ar-

beit „für sich selbst“, die ihren eigenen Fähigkeiten entspricht, widerspiegelt, ist von Bedeu-

tung. So drückt auch Belisa in ihrer Erzählung den Wunsch nach einer Arbeit aus, in der sie

ihre Fähigkeiten verwirklichen kann.

„Ich mache gerade meinen Hauptschulabschluß, ich will etwas Besseres, ja etwas Besseres, denn ich glaube, daß ich was Besseres kann, ich will nicht nur an der Maschine bleiben. Ich würde gerne in einem anderen Bereich arbeiten, wenn sich da eine Möglichkeit für etwas Besseres ergeben sollte.“

Allerdings handelt es sich dabei eher um eine potentielle als eine faktische Selbstverwirkli-

chung, wie ich ja schon am Beispiel von Fabiana weiter oben herausgearbeitet habe.

Und auch die Erfahrung materieller Unabhängigkeit spielt in den Erzählungen der Arbeite-

rinnen eine Rolle. So berichten Fabiana, Vera und Márcia, daß für sie die Arbeit wichtig ist,

um ein eigenes, vom Ehemann unabhängiges Einkommen zu besitzen.

In der doppelten Lebensplanung ist „Erwerbsarbeit ... eng verknüpft mit der Erweiterung von

Handlungsspielräumen, der Erprobung eigener Fähigkeiten und der Erfahrung materieller

Unabhängigkeit“ (Geissler/Oechsle, 1994, 153). Der Beruf und die Erwerbstätigkeit bilden

einen wichtigen Bereich der Identitäts- und Persönlichkeitsentwicklung der Arbeiterinnen.

Allerdings sprechen auch einige meiner Informantinnen wie Vera, Débora und Fabiana die

ökonomische Notwendigkeit ihrer Erwerbstätigkeit an, um den Lebensunterhalt der Familie

zu sichern. Erwerbstätigkeit wird trotz der positiven Aspekte auch als ein durch eine prekäre

finanzielle Situation verursachter Zwang erlebt. Dieser Zwang gestaltet sich für Frauen, deren

Männer, entgegen der gängigen Ideologie vom Familienernährer, keinen Familienlohn ver-

dienen, aber vor allem für Frauen, die allein einen Haushalt führen, besonders hart.

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„Der Lohn meines Mannes allein reicht nicht aus. Deshalb arbeite ich, um zu hel-fen. Wir haben nämlich eine Wohnung gekauft, und um die abzubezahlen... wenn wir das nicht bezahlen müßten, würde es vielleicht ausreichen. Es würde auch so reichen, aber es wäre eben ziemlich eng. Und wie sollen wir denn die Kinder richtig versorgen, denn ein Kind braucht viele Dinge. Deshalb arbeite ich also. Aber mein Mann will, daß ich aufhöre. Aber ich will nicht, weil ich ja bis jetzt al-les unter einen Hut bekommen habe. Er hilft mir viel, also klappt es“ (Vera).

„Ich bin eine verheiratete Frau, seit drei Jahren. Gott sei Dank habe ich einen Ehemann, der Arbeit hat und gut verdient. Ich hänge also nicht nur von meinem Lohn ab, weil wenn ich nur davon leben sollte, das würde nicht reichen. Ich habe zwei Kinder, ich bin Witwe. Und ohne Arbeit stürzt man ganz nach unten. Jetzt hab ich jemanden, der mir ein bißchen hilft“ (Débora).

„Heutzutage ist die Situation so schwer, da muß ich arbeiten, ich muß meinem Mann helfen“ (Fabiana).

Allerdings nimmt der Zwang in den Erzählungen der Frauen keinen so großen Raum ein wie

die positiven Aspekte der Erwerbstätigkeit. Im Vergleich zu einer von Saffioti 1970 durchge-

führten Untersuchung, in der ein Großteil der Arbeiterinnen angab, sie würden es vorziehen,

Hausfrauen zu sein und einen Mann zu haben, der die Rolle des Familienernährers übernimmt

(Saffioti, 1976, 156), scheinen sich hier in der Identität der Arbeiterinnen Veränderungen

vollzogen zu haben. So ist für die Arbeiterinnen, mit denen ich sprach, die Arbeitskraftper-

spektive, also eine Orientierung am Verhältnis von Leistung und Lohn sowie am Wert ihrer

Qualifikationen und Arbeitserfahrung (Geissler/Oechsle, 1994, 151) nicht unbedeutend. Cri-

stina, Vera und Paula definieren sich über ihre Leistungen als gute Arbeiterinnen. Trotz aller

Widerstände haben sie eine Identität als Arbeiterinnen entwickeln können.

Das zentrale Problem der doppelten Lebensplanung sind die ihr inhärenten Konflikte und Am-

bivalenzen. So spielt zwar die Erwerbsarbeit eine wichtige Rolle im Leben der Arbeiterinnen,

ohne daß dabei aber wesentliche Aspekte des Geschlechterarrangements, wie die Zuständig-

keit der Frau für die Familienarbeit und die Konnotation des Mannes als Familienernährer und

der Frau als Zuverdienerin, aufgelöst werden. Die Konfliktlinien gehen dabei mitten durch die

Person selbst, wie an den inkonsistenten Argumentationsfiguren Déboras, Veras und Fabia-

nas besonders deutlich wird. Sie geben zunächst als Grund für ihre Erwerbstätigkeit an, dem

Ehemann helfen zu müssen, greifen demnach auf das klassische, der patriarchalen Familien-

form entsprechende Geschlechterarrangement zurück und definieren sich somit primär als

Hausfrauen und Zuverdienerinnen. Im gleichen Atemzuge aber dekonstruieren sie mit ihren

negativen Aussagen zur Hausarbeit und ihren positiven Aussagen zur Erwerbsarbeit dieses

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ihren persönlichen Wünschen und Vorstellungen diametral entgegenstehende Arrangement, in

dem durch die Definition der Frau als ‚Gefährtin‘ des Mannes ein eigenständiger Bezug der

Frau zur Erwerbsarbeit nicht denkbar ist.

Außerdem erfordert die doppelte Lebensplanung von den Frauen ein „Vereinbarungshan-

deln“ (Müller, 1989, zitiert nach Geissler/Oechsle, 1994, 156), wie es an Veras Geschichte

sehr deutlich wird:

„Bevor ich hier gearbeitet habe, hatte ich zwei Jobs, einmal in einer Plastikfirma und danach in einem Schnellimbiß. Nach dem Imbiß hab ich hier angefangen, 1993. Ich arbeite also schon seit sechs Jahren hier. Zuerst hab ich nur drei Monate gearbeitet, dann bin ich schwanger geworden. Da hab ich aufgehört zu arbeiten, und als mein Kind dann ein Jahr alt war, hab ich wieder angefangen zu arbeiten. Im letzten Jahr bin ich dann wieder schwanger geworden und hab den Bereich gewechselt, weil das, was ich normalerweise mache, schwere Arbeit ist, und das ging nicht, ich hatte mein zweites Kind, blieb ‘ne Zeit lang zu Hause und hab dann wieder mit meiner norma-len Arbeit angefangen. Jetzt mit zwei Kindern ist es ein bißchen stressiger. Ich komme nach Hause und muß auf die Kinder aufpassen, ich bin gestreßter, bin mü-der. Wir beide, mein Mann und ich, passen auf die Kinder auf. Er hat andere Ar-beitszeiten, also versuchen wir das aufeinander abzustimmen. Ich arbeite morgens, Frühschicht, von 5 bis 2 Uhr mittags, um so viel Zeit wie möglich mit dem Baby zu verbringen, und so merkt sie es gar nicht, oder nicht so sehr, sie wacht spät auf, und wenn sie nach mir schreit, dann bin ich schon wieder zu Hause, und sie ist bei mei-nem Mann, wenn er frei hat, und meine ältere Tochter muß erst nachmittags zur Schule, also kriege ich alles unter einen Hut. Aber ich bin ganz schön müde, und wenn ich sehe, daß es nicht mehr klappt, da hab ich schon mit der Firma gesprochen, dann will ich entlassen werden. Wenn ich merke, daß es mir schadet oder einem der Kinder schadet, dann kann ich eben nicht weiter arbeiten, dann muß ich aufhören. Mein Mann will, daß ich aufhöre. Aber ich will nicht, weil ich ja bis jetzt alles unter einen Hut bekommen habe.“

Vera ist bemüht, Familie und Arbeit, wie sie sagt, „unter einen Hut zu bekommen“. Nach bei-

den Schwangerschaften kehrt sie trotz der immer stärker werdenden Belastung und trotz des

Drängens ihres Mannes, den Beruf aufzugeben, ins Berufsleben zurück. Allerdings wird auch

deutlich, daß der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, nicht zuletzt durch die beschränkte

physische Belastbarkeit eines Menschen, Grenzen gesetzt sind, so daß im Zweifelsfalle die

Erwerbstätigkeit den familiären Verantwortungen untergeordnet wird. „Zwar wird Erwerbsar-

beit als wichtig angesehen, zu verwirklichen ist diese aber nur in dem durch die Familienauf-

gaben definierten Rahmen“ ( Geissler/Oechsle, 1994, 155).

Es sind Ambivalenzen, die die Identitäten der Arbeiterinnen prägen. „Ambivalenz als subjek-

tive Problemlage drückt die konflikthafte Beziehung zu einem Gegenstandsbereich aus, sie ist

Art und Weise, wie zwiespältige Situationen dank einer lebensgeschichtlich erworbenen Am-

biguitätstoleranz psychisch verarbeitet und bewältigt werden“ (Streckeisen, 1991, 16).

Während Fabiana, Débora und Vera die ihren Lebensentwürfen inhärenten Konflikte durch

ein hohes Maß an Ambiguitätstoleranz und durch ihr Vereinbarungshandeln integrieren kön-

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nen, gestaltet sich die Situation für Anabela in höchstem Maße konfliktiv und problematisch.

Sie stammt aus einer Arbeiterfamilie, studiert Psychologie und ist bei Böllhoff als Praktikan-

tin beschäftigt. Auf die Frage wie, sie sich die Zukunft mit Familie und Beruf vorstellt, ant-

wortet sie:

„Ach , ich weiß noch nicht, wie meine Zukunft mal aussehen soll. Falls ich heira-te, dann ich will auf jeden Fall weiterarbeiten. Es ist alles so kompliziert. Mein Freund hat nicht studiert, und als ich studieren wollte, gab es ganz schönen Krach. Er wollte es einfach nicht. Wir haben wahnsinnig gestritten. Er will nicht studieren, und das ist ja auch für ihn OK. Aber für mich nicht. Ich will mehr ma-chen in meinem Leben, mehr machen aus meinen Leben. Alle meine alten Freun-dinnen sind schon verheiratet, aber die haben nicht studiert. Manchmal habe ich sogar ein schlechtes Gewissen und fühle mich schuldig. Mache ich denn irgend-was falsch, hinke ich denen irgendwie hinterher, weil ich noch nicht verheiratet bin?“

Anabela hat ihre Prioritäten auf eine längerer Ausbildung und somit auf einen Aufschub der

Familiengründung gelegt. Aus ihrem Leben „etwas zu machen“ bedeutet für sie berufliche

Verwirklichung. Damit hat sie einen Lebensweg gewählt, der den Erwartungen, die ihr eng-

stes soziales Umfeld, ihre Freundinnen und ihr Partner, ihr entgegenbringen, nicht entspricht.

Anabela versucht, sich als junge Frau in einer Welt mit neuen Möglichkeiten neu zu verorten,

was jedoch nicht konfliktlos vonstatten geht. Ihr Lebensentwurf entspricht eher der berufszen-

trierten Lebensplanung (Geißler/Oechsle, 1994, 159), die allerdings für die von mir befragten

Arbeiterinnen eher untypisch ist.

Für die von mir befragten Arbeiterinnen ist die doppelte Lebensführung, die sich durch die

Vereinbarung von Familie und Beruf auszeichnet (siehe Vera), Leitbild zur Lebensplanung

und von zentraler Bedeutung im Verständnis der eigenen Identität, wie Geißler und Oechsle

auch für Frauen in Deutschland zeigen konnten. Sie folgen nicht automatisch einem vorge-

zeichneten Weg in die Familienrolle, sondern entwickeln einen eigenständigen Bezug zur

Erwerbsarbeit, die vor allem die Erweiterung von Handlungsspielräumen, Erprobung eigener

Fähigkeiten und finanzielle Unabhängigkeit bedeutet. Diese Lebensführung erfordert von den

Arbeiterinnen die Fähigkeit zu einem Vereinbarungshandeln und ein hohes Maß an Ambigui-

tätstoleranz, um die unterschiedlichen identitätsstiftenden Faktoren Arbeit und Familie zu

integrieren. Wie die Aussage von Anabela zeigte, verläuft diese Integration nicht immer ohne

Konflikte.

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6.3 Zwischen Solidarität und Konkurrenz

Von großer Bedeutung im Herstellungsprozeß von weiblichen Identitäten sind die Beziehun-

gen der Arbeiterinnen zu ihren männlichen Kollegen und Vorgesetzten und die Beziehungen

zwischen den Arbeiterinnen selbst. Wie nehmen die Frauen die Beziehung zu Männern in der

Firma wahr und wie sehen sie sich als Frauen unter Frauen?

Die Beziehungen der Arbeiterinnen zu Männern sind durch die oben beschriebene ge-

schlechtsspezifische Arbeitsteilung von Differenz und hierarchischer Distanz bestimmt. Die

Beziehungen zwischen Arbeiterinnen und männlichen Vorgesetzten haben dabei einen stark

paternalistischen Charakter, der es dem Vorgesetzten ermöglicht, gleichsam eine Vaterrolle

zu übernehmen (Aguiar, 1976, 117). Der Produktionsleiter eines der Teilwerke definiert seine

Rolle folgendermaßen:

„Ich bin Ingenieur, aber in manchen Momenten bin ich Psychologe, Freund oder Vater, wenn die Arbeiterinnen verzweifelt zu mir kommen, weil der Ehemann trinkt oder sie schlägt“ (Gilberto).

Diese Rolle wird auch von den Arbeiterinnen akzeptiert, die sich von einer Autoritätsperson

Vertrauen, Rat und Hilfe erhoffen. Die hierarchisch eindeutig untergeordnete Position von

Frauen gegenüber Männern begünstigt zunächst die Herausbildung von „durch Achtung und

Respekt geprägten Beziehungen“ (Lobo, 1989, 175). So berichten viele der Arbeiterinnen, sie

hätten ein gutes Verhältnis zu ihren Vorgesetzten, an die sie sich immer wenden könnten, falls

sie ein Problem hätten. Auf der anderen Seite sind diese paternalistischen Beziehungen aber

auch von Kontrolle und Druck gekennzeichnet. So berichtet Vera von dem enormen Druck,

unter dem sie arbeitet, und Belisa von öffentlichen Verwarnungen durch ihren Vorarbeiter, als

sie die Norm nicht erfüllte.

„Wir haben hier einen ziemlich fiesen Vorarbeiter, der macht dich vor al-len Leuten runter, wenn du was nicht geschafft hast, so daß man sich rich-tig schämt“ (Belisa).

Solche Maßregelungen durch männliche Vorgesetzte sind, wie auch Humphreys Arbeiten

zeigen (1987, 130), typisch für die in brasilianischen Firmen über Arbeiterinnen ausgeübte

Kontrolle.

Im Gegensatz zu den durch Differenz und Distanz eindeutigen und somit konfliktärmeren

Beziehungen zu männlichen Kollegen sind die Beziehungen der Frauen untereinander zwar

durch Nähe und Gleichheit, aber auch durch Konkurrenz und Rivalität geprägt. Ein besonde-

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res Problem stellen die Lohnunterschiede dar, die auch zwischen den Arbeiterinnen existieren.

Vera, die mit ihrem Lohn nicht zufrieden ist, erzählt:

„In meinem Bereich arbeiten vier Frauen, einige verdienen mehr und andere we-niger. Ich gehöre zu denjenigen, die weniger bekommen. Die, die schon länger hier sind, verdienen mehr, die anderen verdienen weniger. Ich will nicht, daß ir-gend eine von den Kolleginnen denkt, ich würde sie kritisieren, nur weil sie mehr verdient. Ich hab schon mit meinem Chef darüber geredet, und er hat gesagt daß es eben eine Firmennorm ist, daß es nicht von ihm abhängt. Also werde ich nicht immer wieder darauf zurückkommen, denn sie wissen es ja schon.“

Vera verzichtet darauf, ihren Wunsch nach Lohnerhöhung vehement zu artikulieren, aus

Angst, die Kolleginnen könnten dies als Mißgunst auslegen. Bei Gabriela liegt der entgegen-

gesetzte Fall vor: Sie verdient etwas mehr als ihre Kolleginnen, aber auch sie hält dieser Um-

stand davon ab, einen den männlichen Kollegen entsprechenden Lohn zu fordern.

„Ich hab als Hilfsarbeiterin angefangen und wurde vor vier Jahren zur Arbeiterin befördert. Das hat ganz schön gedauert. Aber hier ist der Lohn das Problem. Alle Mädchen wurden entlassen und sind dann wiedergekommen. Ich bin geblieben, bin mit einem höheren Lohn geblieben. Der Unterschied ist auch nicht groß, aber manchmal kommt es mir schon komisch vor, daß ich mehr verdiene. Es sind auch nicht alle wieder zurück gekommen, aber drei arbeiten mit mir zusammen, und die haben einen Lohn, der ein bißchen niedriger ist als meiner, und das ärgert die natürlich. Da gibt es manchmal Konflikte. Ich würde natürlich gern soviel verdie-nen wie meine männlichen Kollegen, aber die (Firmenleitung) wissen ja, daß ich schon mehr verdiene als die Mädchen. Wenn man das so vergleicht, habe ich ei-nen guten Lohn. Aber man kann das natürlich nicht nur so betrachten. Man muß seine Fähigkeiten betrachten, ich kann an jeder Maschine arbeiten. Aber ich kann mich auch nicht zu sehr beschweren, denn draußen ist es sehr schwer, einen bes-seren Job zu bekommen.“

Die in diesen Aussagen zu Tage tretende Problematik des Neides und der Angst vor Verurtei-

lungen durch die Kolleginnen konnte auch Lobo in ihrer Studie feststellen. In den Erzählun-

gen der von ihr befragten Arbeiterinnen wurde deutlich, daß „sich die Frauen untereinander

nicht respektieren, wenn eine von ihnen mehr verdient oder besser arbeitet. In solchen Fällen

wird ihr von den Kolleginnen vorgeworfen, sie würde sich bei der Firmenleitung ‚anbiedern‘“

(Lobo, 1989, 176).

Viele der Frauen klagen über die „fofocas“, den Tratsch und Klatsch unter den Frauen oder,

wie Luzia, über die „Vulgarität der Kolleginnen“.

„Manchmal finde ich, also nicht um uns selbst zu diskriminieren, aber manchmal ist es besser, mit Männern zu arbeiten als mit Frauen. Bei den Männern gibt es keinen Tratsch. Bei den Frauen wird wegen jeder Kleinigkeit schon getratscht und geklatscht. Man erzählt was, die andere versteht was ganz anderes. Aber mit den Jungs hier verstehe ich mich sehr gut. Hier sind die Jungs sehr anständig zu

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uns. Sie sind niemals respektlos. Klar macht man Scherze, aber das ist ja ganz witzig“ (Gabriela).

Gabriela drückt eindeutig ihre Präferenz für die Zusammenarbeit mit Männern aus, was nicht

zuletzt auch auf ihre im Vergleich zu den anderen Frauen höhere Position zurückzuführen ist,

die Gerede und Rivalitäten fördert. Das Arbeitsklima in Bereichen mit vorwiegend männli-

chen Kollegen wird von den Frauen als angenehmer eingeschätzt als das Arbeitsklima in den

Bereichen, in denen Frauen nur mit Frauen zusammenarbeiten.

Betrachtet man diese Zusammenhänge, so überwiegen die konfliktiven Aspekte bei den Be-

ziehungen der Frauen zueinander. Man könnte diese als extrem partialisiert bezeichnen. Darin

spiegelt sich die ambivalente Situation wider, in der sich Frauen in mehrheitlich von Männern

ausgeführten Berufen befinden, wie sie Kanter in ihrem tokenism-Konzept darlegt (in

Heintz/Nadai/Fischer/ Ummel, 1997, 44). Die tokens5 verfügen in dem durch Mehrheits- und

Minderheitsverhältnisse strukturierten Raum nur über zwei Handlungsalternativen. Entweder

akzeptieren sie ihren Außenseiterstatus und bestätigen somit die Differenz, oder sie versuchen

Zugang zur dominanten Gruppe zu erlangen, was aber die Solidarität mit der eigenen Ge-

schlechtsgruppe verringert.

Allerdings existieren auch Facetten des Arbeitsalltags, die den gegenteiligen Effekt haben,

eine kollektive Identität der Arbeiterinnen zu fördern. So ist die objektive Ungleichbehand-

lung von männlichen und weiblichen Arbeitern durch die Unternehmensleitung ein zentrales

Thema in den Erzählungen der Arbeiterinnen. Wichtige Punkte dieser geschlechterdifferen-

zierenden Firmenpolitiken habe ich schon in Kapitel 5 behandelt. Für die Arbeiterinnen bildet

die Auseinandersetzung mit den durch diese Politiken erzeugten Unterschiede zwischen Män-

nern und Frauen den Kern ihrer weiblichen Identitäten als Arbeiterinnen. Von besonderer

Bedeutung sind dabei der geringere Lohn, die schlechten Beförderungsmöglichkeiten für

Frauen und die ungleiche Beteiligung an firmeninternen Weiterbildungskursen.

Wie auch Belisa, Débora, Vera und Gabriela, so drückt auch Márcia ihre Unzufriedenheit

mit der bestehenden Lohnpolitik der Firma aus:

„Mich ärgern die Unterschiede im Lohn von Männern und Frauen. Denn wir ar-beiten, machen die gleiche Arbeit, und sie verdienen mehr. Nicht nur ich denke so, wir Frauen denken alle so, alle beschweren sich. Wir müßten gleich verdie-nen, denn es ist exakt die gleiche Arbeit. Und manchmal sehen wir Männer, die weniger machen als einige Frauen. Und das regt einen natürlich auf. Das macht richtig wütend, explosiv. Warum nur, warum? Wir haben mit dem Chef gespro-

5 Kanter verwendet den Begriff token (Zeichen), um darauf zu verweisen, daß die Minderheiten nicht als Indivi-duen, sondern als Repräsentanten der ihnen zugeschriebenen sozialen Kategorie wahrgenommen werden.

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chen, wir haben eine Kollegin vorgeschickt und sie hat mit ihm gesprochen, und jetzt warten wir.“

Débora beschreibt wie Paula, Márcia und Gabriela die Aussichtslosigkeit auf Beförderung:

„Hier haben Frauen keine Chance, befördert zu werden. Ich würde gerne, aber hier ist es wirklich schwer. Weil nur Männer die Chance haben, Maschinenein-richter zu werden. Nur Männer können das, Frauen nicht. Also, was soll man da machen. Ich habe hier drin keine Erwartungen.“

Gabriela berichtet von den Weiterbildungskursen:

Es ist schwierig, als Frau an den Kursen teilzunehmen. Manchmal machen sie Kurse für die Männer oder Kurse für die Mädchen aus der Qualitätskontrolle. Also für uns hier gibt es keine Kurse, vielleicht, weil sie nicht wollen, daß wir lernen, oder weil sie uns Frauen keine Chance geben wollen bei dieser harten Arbeit ..., denn mein Bereich ist nämlich der härteste Bereich, den es hier in der Firma gibt. Vielleicht liegt es daran, daß es nie Kurse für uns gibt. Wenn es ir-gendein Problem mit den Maschinen gibt, dann kommt der Einrichter und repa-riert sie für mich, oder ich bastele manchmal selber daran, weil ich schon ein bißchen Ahnung von den Maschinen habe. Es ist eigentlich gar nicht so schwie-rig, mit dem Maschinen umzugehen. Ich glaube, wenn es auch für uns Kurse gäbe, wie man Maschinen einrichtet, dann könnten selbst wir das lernen. Denn eigentlich ist es gar nicht so kompliziert. Aber bis jetzt arbeiten wir nur an den Maschinen.“

Deutlich werden an diesen Aussagen zwei wesentliche Sachverhalte. Zum einen wird klar,

daß es gerade diese Ungleichbehandlung ist, die es ermöglicht, daß sich Männer und Frauen

als zwei homogene, sich entgegenstehende Gruppen in der Firma konstituieren und definieren

können. Die Frauen entwickeln ein starkes Wir-Gefühl und empfinden sich als Gruppe den

‚anderen‘, nämlich den Männern, gegenübergestellt. Diese Gruppenidentität wird durch kol-

lektive Praktiken, wie „sich beschweren“ verstärkt. Zum anderen zeigt sich, daß die Arbeite-

rinnen die ungleichen Behandlungen von Männern und Frauen nicht mehr vorbehaltlos und

kritiklos akzeptieren. Die von der Firmenleitung als Begründung vorgebrachte Kultur der Re-

gion, die es nötig mache, unterschiedliche Löhne zu zahlen, ist offenbar nicht die Kultur der

Frauen bzw. nicht eine Kultur, mit der sie einverstanden sind. Humphrey berichtet aus seiner

Forschung, daß gerade Frauen von den Personalchefs der von ihm untersuchten Firmen vor-

gezogen würden, weil sie im Gegenteil zu Männern nicht nach Beförderung verlangten und

sich mit geringerem Lohn zufriedengeben würden (Humphrey, 1985, 221). Auch der Bericht

der ILO über Arbeiterinnen in Multinationalen Unternehmen kommt zu ähnlichen Ergebnis-

sen: „...because of their low expectations and lack of employment alternatives, and because

they normally intend to work for a short time, women are willing to accept and put up with

„dead-end“ jobs offering no promotional prospects.“ (ILO, 1985, 29).

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Die Aussagen der von mir befragten Frauen lassen hingegen auf ein zumindest in Ansätzen

verändertes Bewußtsein schließen.

Lobo betont in ihrer Untersuchung die Vereinzelung der Arbeiterinnen (1989, 175-177). Wäh-

rend die Beziehungen zu den Männern durch eine klare und definitive Hierarchie geprägt sei-

en, haben die Beziehungen zwischen den Frauen einen falschen Anschein von Gleichheit, der

durch die Konkurrenz in alltäglichen Arbeitssituationen, durch Unterschiede im Lohn aller-

dings aufgebrochen werde. Diese ‚gebrochene Gleichheit‘ bringt die Frauen dazu, ihre indivi-

duelle Einzigartigkeit durch persönliche Strategien mit den Männern auszuhandeln, was aller-

dings, wie schon Kanter ausführte (nach Heintz/Nadai/Fischer/ Ummel, 1997, 43 ff.), die So-

lidarität zur eigenen Gruppe unmöglich macht.

Die Analyse meines empirischen Untersuchungsmaterials weist demgegenüber auf ein diffe-

renzierteres Bild hin. So traten die von Lobo (1989) konstatierten Rivalitäten und Konkurren-

zen zwischen den Arbeiterinnen auch in den Erzählungen der von mir befragten Frauen zu

Tage. Gleichzeitig war es aber den Arbeiterinnen unter bestimmten Umständen möglich, eine

kollektive Identität zu konstruieren und darauf aufbauend eine Solidarität zu entwickeln, die

es ihnen ermöglichte, anders auf die Diskriminierung in der Firma zu reagieren. So haben sich

die Arbeiterinnen in der Kunststoffabteilung, wie Márcia berichtet, abgesprochen und eine

Kollegin als Vertreterin zum Produktionsleiter geschickt, um dort die Beschwerden der Frau-

en vorzutragen. Allerdings ist zu beachten, daß die Wege ihres Protestes, nämlich mit dem

Vorgesetzten zu sprechen, die paternalistischen Hierarchien nicht auflösen, sondern diese

reproduzieren.

Auch die Beziehungen zu den männlichen Kollegen gestalten sich gleichermaßen ambivalent.

Einerseits erscheinen sie durch die sie strukturierende Hierarchie und Distanz eindeutiger und

sind somit weniger anfällig für Konflikte, wie Lobo dies schildert (1989). Andererseits wer-

den aber bestimmte Facetten dieses Geschlechterarrangements in der Fabrik von den Frauen

nicht mehr als natürlich gegeben akzeptiert, was zu Auseinandersetzungen und Spannungen

mit den männlichen Arbeitskollegen und zu einer „explosiven Stimmung“ (Márcia) in der

Fabrik führt.

Wo Frauen und Männer in unterschiedlichen Bereichen arbeiten, wird die Bevorzugung der

Männer von den Frauen nicht in Frage gestellt, da sie von ihnen nicht im gleichem Maße un-

mittelbar erlebt wird oder aber auf die differenzierten Anforderungen der Arbeit zurückge-

führt werden kann. Aber die Situation ändert sich, wenn Frauen und Männer in einem Bereich

an den gleichen Maschinen zusammenarbeiten, wie es in der Kunststoffabteilung der Fall ist.

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Jetzt sind die Arbeiterinnen in der Lage, ihre Arbeit, ihre Erfahrungen und ihre Qualifikatio-

nen mit denen der Männer zu vergleichen. Débora, Márcia und Belisa vergleichen ihre Arbeit

explizit mit der der männlichen Kollegen und kommen zu dem Schluß, daß sie genauso gut

arbeiten wie die Männer, wenn nicht sogar besser. „Within mixed departments the preserva-

tion of male superiority reveals itself as blatantly unjust because of the proximity of men and

women, which de-mystifies the rationale for it” (Humphrey, 1987, 113). Außerdem sind es

die zahlenmäßigen Verhältnisse der beiden Gruppen (Männer und Frauen), die zur vermehr-

ten „Wahrnehmung von Konkurrenz, Rivalität und kulturellen Differenzen“ (Heintz/Nadai/

Fischer/Ummel, 1997, 47) zwischen den Gruppen und somit zu Herausbildung einer starken

Gruppenidentität führen.

So befinden sich die Arbeiterinnen in einem komplexen und äußerst ambivalenten Gefüge

sozialer Beziehungen und Aushandlungsprozesse der firmeninternen Hierarchien, in dem sie

sich als Frauen untereinander zwischen Konkurrenz und Solidarität und als Frauen den Män-

nern gegenüber zwischen Akzeptanz und Infragestellung der Hierarchien verorten müssen.

7. Zusammenfassung

Für die befragten Arbeiterinnen sind unstete, diskontinuierliche und sich durch häufigen

Branchenwechsel auszeichnende Arbeitsbiographien typisch. Diese Muster sind nur bedingt

auf ein durch patriarchale Strukturen geprägtes Geschlechterarrangement außerhalb der

Firma zurückzuführen. Vielmehr werden im Arbeitsprozeß selbst durch diskriminatorische

Firmenpolitiken in Bezug auf Einstellung bzw. Entlassung, Lohn und Beförderung weibliche

Identitäten produziert, die die Höherwertigkeit, die höhere Qualifikation und Stabilität männ-

licher Arbeiter nicht in Frage stellen. So werden Arbeiterinnen trotz ihrer oft langjährigen

Erwerbstätigkeit eher als temporäre, instabile, unqualifizierte Arbeitskräfte und als Zuverdie-

nerinnen definiert.

Die faktische Diskontinuität der Erwerbsbiographien wird von den Arbeiterinnen durch sub-

jektive Kontinuitätskonstrukte wie die Überwindung der Schwierigkeiten zu Beginn der An-

stellung, das Integrieren unterschiedlicher Beschäftigungen in ein Konstrukt lebenslanger

Suche nach Selbstverwirklichung oder durch das Verweisen auf ständige Erwerbsarbeit über-

brückt.

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Für die von mir befragten Arbeiterinnen ist die doppelte Lebensführung, die durch die Ver-

einbarung von Familie und Beruf gekennzeichnet ist, Leitbild ihrer Lebensplanung und von

zentraler Bedeutung im Verständnis der eigenen Identität. Die Arbeiterinnen folgen nicht au-

tomatisch einem vorgezeichneten Weg in die Familienrolle, sondern entwickeln einen eigen-

ständigen Bezug zur Erwerbsarbeit, die vor allem die Erweiterung von Handlungsspielräu-

men, Erprobung eigener Fähigkeiten und finanzielle Unabhängigkeit bedeutet. Diese Lebens-

führung erfordert von den Arbeiterinnen die Fähigkeit zu einem Vereinbarungshandeln und

ein hohes Maß an Ambiguitätstoleranz, um die unterschiedlichen identitätsstiftenden Faktoren

Arbeit und Familie zu integrieren.

In der Fabrik selbst sind die Arbeiterinnen in ein widersprüchliches und komplexes Gefüge

sozialer Beziehungen eingebunden. Die Beziehungen der Frauen untereinander sind sowohl

von Konkurrenz als auch von Solidarität, die Beziehungen der Frauen zu den männlichen

Kollegen sowohl von Akzeptanz als auch von Infragestellung der Hierarchien geprägt.

Im Gegensatz zu den von Lobo noch vor zehn Jahren beschriebenen relativ eindeutigen Be-

ziehungen (1989, 175-177) scheinen die von mir dargelegten Ambivalenzen auf Veränderun-

gen der Handlungsspielräume und der den Frauen zur Verfügung stehenden Identitätsoptionen

zu verweisen. Ob diese Veränderungen aber zu einer wirklich tiefgreifenden Umstrukturie-

rung des Geschlechterarrangements und der damit eng verbundenen geschlechterdifferenzier-

ten Arbeitsteilung führen, wird sich erst in Zukunft abzeichnen.

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