Upload
ernst-ludwig-winnacker
View
215
Download
0
Embed Size (px)
Citation preview
Genentech
Genentech war das ersteBiotech-Start-up-Unterneh-men, das allein auf der
Grundlage der damals neuenGentechnik entstand. Der Name
Genentech ist ein Kunstwort, das imJahre 1976 von Dr. Herbert Boyer, einem
der zwei Gr�nder des Unternehmens, aus denAnf�ngen der Wortfolge Genetic EngineeringTechnologies gepr�gt wurde. Da diese Gr�ndungzu einer ungeahnten Erfolgsgeschichte wurde,lohnt sich eine n�here Betrachtung. In ihremkurzen Buch beschreibt Sally Smith Hughesdiese Geschichte vor dem Hintergrund derbeteiligten Wissenschaftler, ihrer persçnlichenInteressen und den Argusaugen einer (ameri-kanischen) �ffentlichkeit, die diese Entwicklungzu Anfang mit Besorgnis betrachtete.
Die Gentechnik wurde von den Wissenschaft-lern Herbert Boyer, Universit�t von Kalifornien inSan Francisco (UCSF), und Stanley Cohen, Uni-versit�t Stanford, erfunden. Boyer hatte sich inseinen Arbeiten auf so genannte Restriktionsen-zyme spezialisiert, die DNA in St�cke definierterL�nge spalten kçnnen. Cohen war ein Kenner vonPlasmiden, kleinen ringfçrmigen DNA-Molek�len,die sich im Innern von Bakterienzellen befinden,und beispielsweise die schnelle �bertragung vonAntibiotikaresistenzen bewirken. In der Folgeeiner von Cohen organisierten Konferenz �berPlasmide im November 1972 in Honolulu begannensie eine Zusammenarbeit, die schnell zum ge-w�nschten Erfolg f�hrte, n�mlich dem Einbaueines DNA-Fragmentes in ein vorher mit einemRestriktionsenzym aufgeschnittenes Plasmid.
Die Publikation dieser Ergebnisse machteFurore und rief den jungen Investor Bob Swansonauf den Plan. Es gelang ihm nicht nur, HerbertBoyer von dem kommerziellen Potenzial dieserErfindung zu �berzeugen, sondern auch einigeandere Investoren. So konnte Genentech imFr�hjahr 1976 mit einem Startkapital von 100 000US-Dollar aus der Taufe gehoben werden.
Der Weg zum Erfolg war allerdings mit einerReihe ungewohnter H�rden gepflastert. Auf dereinen Seite hatte Boyer das Gl�ck, in einem De-partment zu arbeiten, in dem andere Kollegen amKlonen von Genen interessanter Proteine arbeite-ten, n�mlich am Insulin- und am Wachstumshor-mongen. Als einer von ihnen, Howard Goodman,dann die Herstellung der entsprechenden Klonepublizierte, erhçhte dies das mediale Interesse andieser Technologie, rief aber auch die klassischePharmaindustrie auf den Plan, insbesondere die, dieschon bisher diese Proteine produziert hatten, wennauch durch eine sehr aufwendige Isolierung austierischen Bauchspeichel- und menschlichen Hirn-
anhangdr�sen. Ich erinnere mich gut daran, imFr�hjahr 1978 Bob Swanson zusammen mit Dr.Hans-Hermann Schçne, dem Direktor der Bioche-mie und Verantwortlichen f�r die Insulinproduktionbei der Hoechst AG, damals dem grçßten Pharma-unternehmen der Welt, in neu hergerichteten, abernahezu leeren R�umen unweit des Flughafens vonSan Francisco besucht zu haben. Man hat uns seinerseinerzeit einen 5%-igen Anteil von Genentech f�r10 Millionen US-Dollar angeboten. Leider erwiessich die Technologie damals als zu neu, zu experi-mentell und zu unkonventionell, als dass die klassi-sche Pharmaindustrie darauf angesprungen w�re –zu ihrem sp�teren Leidwesen. Im Jahre 2009, alsHoffmann-LaRoche 40% von Genentech erwarb,waren diese 5% gute 5 Milliarden US-Dollar wert.
Auf der anderen Seite sprangen Hindernisse wiePilze aus dem Boden. Nur eine Persçnlichkeit mitdem Unternehmungsgeist eines Bob Swansonkonnte ihrer Herr werden. Er schloss mit allen be-teiligten Wissenschaftlern Vertr�ge ab, die sp�ter inkostspieligen rechtlichen Auseinandersetzungenentwirrt werden mussten. In einer ber�hmten Nacht-und-Nebel-Aktion am Silvesterabend 1978 entfern-ten zwei Postdoktoranden, Axel Ullrich und PeterSeeburg, aus dem Labor von Howard Goodman, dieKlone f�r Insulin und Wachstumhormon, undbrachten sie zu Genentech, ihrem neuen Arbeitge-ber, was ebenfalls nicht ohne entsprechende Klagenabging. Ullrich und Seeburg sind heute Direktorender Max-Planck-Gesellschaft, Goodman verließ dieUCSF und gr�ndete mit Unterst�tzung der HoechstAG ein Department f�r Molekulare Biologie amMassachusetts General Hospital in Boston.
Gleichzeitig eskalierte in den USA die çffent-liche Auseinandersetzung um die Gentechnik. Dieneuen Richtlinien der US-amerikanischen NationalInstitutes of Health (NIH) sahen zun�chst vor, dasskeine DNA aus nat�rlichen Quellen verwendetwerden durfte. Genentech umging diese Vorschriftdurch die Verwendung synthetischer DNA, damalsein technisch schwieriges Unterfangen, zudemrecht trickreich, weil es eine Gesetzesl�cke aus-nutzte. Der Erfolg gab am Ende den BeteiligtenRecht. Die Synthese von Proteinen in Bakterien istheutzutage ein Routineversuch, und die NIH-Richtlinien wurden bald vereinfacht.
Das Buch ist extrem fl�ssig und spannend ge-schrieben. Die Autorin hat alles erdenkliche Ma-terial zum Thema gesichtet und mit vielen Betei-ligten gesprochen. Angesichts der Bedeutungdieser Technologie und der beteiligten Persçnlich-keiten kann ich die Lekt�re w�rmstens empfehlen.
Ernst-Ludwig WinnackerHuman Frontier Science ProgramStrasbourg (Frankreich)
DOI: 10.1002/ange.201206934
GenentechThe Beginnings of Biotech.Von Sally Smith Hughes.University of Chicago Press,2011. 232 S., geb.,25.00 $.—ISBN 978-0226359182
.AngewandteB�cher
10368 � 2012 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Angew. Chem. 2012, 124, 10368