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| TREFFPUNKT FORSCHUNG Nach diesem furiosen Auftakt bleibt abzuwarten, wie sich dieses neue Antibiotikum in präklinischen und klinischen Studien bewährt. Bei der schlechter werdenden Resistenz- lage ist zu hoffen, dass beide Sub- stanzen den Weg in die Klinik finden. [1] Wang, J., Soisson, S. M., et al.: Platensimy- cin is a selective FabF inhibitor with potent antibiotic properties. Nature 441 (2006), 358-361. [2] Wang, J., Kodali, S., et al.: Discovery of pla- tencin, a dual FabF and FabH inhibitor with in vivo antibiotic properties. PNAS 104 (2007), 7612-7616. [3] Jayasuriya, H., Herath, K. B., et al.: Isolation and structure of Platencin: A FabH and FabF dual inhibitor with potent broad- spectrum antibiotic activity. Angew. Chem. Int. Ed. 46 (2007), 1-6. Ulrike Holzgrabe, Würzburg Bewegungskoordination der Patien- ten verbessern. Primäres Ziel der Studie war die Testung der Verträglichkeit des Gen- transfer-Vektors. Adeno-assoziierte Vi- ren (AAV) sind nicht-humanpathoge- ne Parvoviren mit einem einzelsträn- gigen DNA-Genom. Sie infizieren so- wohl proliferierende Zellen als auch Zellen, die sich nicht teilen. Das macht AAV-basierte Gentransfer-Sys- teme besonders interessant für die In-vivo-Anwendung im Nerven- system. Adeno-assoziierte Viren sind im menschlichen Organismus kaum immunogen, was scheinbar auch für die aus AAV abgeleiteten Gentransfer- Vektoren gilt. Zwar können AAV-ba- sierte Vektoren prinzipiell in das Ge- nom der infizierten Zellen integrie- ren und stellen damit ähnlich wie re- trovirale Gentransfer-Systeme ein Ri- siko für Insertionsmutagenesen dar. Allerdings scheinen AAV-basierte Vek- toren über längere Zeit episomal zu persistieren und eine nachhaltige Ex- pression des Transgens auch ohne Integration zu unterstützen, was bei Retroviren nicht der Fall ist. In der Tat scheinen AAV-Vektoren nur mit relativ geringer Frequenz zu integrie- ren, so dass das Risiko von Insertions- mutagenesen erheblich geringer zu sein scheint als bei retroviralen Vek- toren. Das größte Problem in der An- wendung AAV-basierter Gentransfer- Systeme ist die mit ~ 4,5 kb sehr ge- ringe Größe der verwendbaren thera- peutischen DNA, was im Falle der Expression der Glutaminsäure-Decar- boxylase allerdings kein Problem dar- stellte. In der Studie von Kaplitt et al. [1] wurden in einer bis zu dreijähri- gen Nachbeoachtungszeit keine Gen- transfer-assoziierten Nebenwirkun- gen festgestellt. © 2007 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.pharmuz.de 6/2007 (36) | Pharm. Unserer Zeit | 419 HOOC OH OH N H O O O CH 3 H 3 C Platensimycin Thiolactomycin H 3 C O O O NH2 Cerulenin HOOC OH OH N H O O H 2 C H3 C Platencin S OH CH 3 O H 2 C CH3 H 3 C ABB. 2 | STRUKTUREN DER TYP-II-FETTSÄURESYNTHESE-INHIBITOREN MEDIZIN | Gentherapie bei Morbus Parkinson Ein neuer gentherapeutischer Ansatz adressiert nicht den Erhalt dopaminerger Neurone, sondern setzt auf die Unterstützung des inhibi- torischen GABAergen Systems. Der Transfer von Genen in soma- tische Zellen von Patienten zu thera- peutischen Zwecken (landläufig als „Gentherapie“ bezeichnet) ist nach wie vor in der experimentellen Pha- se. In letzter Zeit macht die Genthe- rapie eher durch unerwünschte Wir- kungen und mangelnde Effektivität Schlagzeilen als durch echte Thera- pie-Fortschritte. Umso wichtiger ist es, auch einmal über ermutigende Er- gebnisse von Gentherapie-Studien zu berichten. Zwar ist auch die von Kaplitt et al. in Lancet [1] publizierte Studie erst der Anfang einer mög- licherweise erfolgreichen Therapie, aber der Ansatz zur Behandlung des Morbus Parkinson ist dennoch bemerkenswert. In der offenen, nicht-kontrollier- ten Phase-I-Studie [1] wurden zwölf Parkinson-Patienten in drei Gruppen unterschiedliche Mengen eines AAV- basierten Gentransfer-Vektors in den Nucleus subthalamicus injiziert. Die- ser hat als Teil des Zwischenhirns wichtige Bewegungsimpuls-hemmen- de Funktionen. Übertragen wurde das Gen für die Glutaminsäure-De- carboxylase, die an der Biosynthese von γ-Aminobuttersäure (GABA) be- teiligt ist (Abb. 1). Dies sollte die GABA-Konzentration im Nucleus sub- thalamicus erhöhen und so die H 3 N CH C CH 2 O O CH2 C O O + H 3 N CH 2 CH 2 CH 2 C O O + GAD Glutamat γ-Aminobuttersäure CO 2 ABB. 1 Biosynthese von GABA. GAD: Glutaminsäure-Decarboxylase.

Gentherapie bei Morbus Parkinson

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Page 1: Gentherapie bei Morbus Parkinson

| T R E F F P U N K T FO R SC H U N G

Nach diesem furiosen Auftaktbleibt abzuwarten, wie sich diesesneue Antibiotikum in präklinischenund klinischen Studien bewährt. Beider schlechter werdenden Resistenz-lage ist zu hoffen, dass beide Sub-stanzen den Weg in die Klinik finden.

[1] Wang, J., Soisson, S. M., et al.: Platensimy-cin is a selective FabF inhibitor with potentantibiotic properties. Nature 441 (2006),358-361.

[2] Wang, J., Kodali, S., et al.: Discovery of pla-tencin, a dual FabF and FabH inhibitor within vivo antibiotic properties. PNAS 104(2007), 7612-7616.

[3] Jayasuriya, H., Herath, K. B., et al.: Isolationand structure of Platencin: A FabH andFabF dual inhibitor with potent broad-spectrum antibiotic activity. Angew.Chem. Int. Ed. 46 (2007), 1-6.

Ulrike Holzgrabe, Würzburg

Bewegungskoordination der Patien-ten verbessern.

Primäres Ziel der Studie war dieTestung der Verträglichkeit des Gen-transfer-Vektors. Adeno-assoziierte Vi-ren (AAV) sind nicht-humanpathoge-ne Parvoviren mit einem einzelsträn-gigen DNA-Genom. Sie infizieren so-wohl proliferierende Zellen als auchZellen, die sich nicht teilen. Dasmacht AAV-basierte Gentransfer-Sys-teme besonders interessant für dieIn-vivo-Anwendung im Nerven-system. Adeno-assoziierte Viren sindim menschlichen Organismus kaumimmunogen, was scheinbar auch fürdie aus AAV abgeleiteten Gentransfer-Vektoren gilt. Zwar können AAV-ba-sierte Vektoren prinzipiell in das Ge-nom der infizierten Zellen integrie-ren und stellen damit ähnlich wie re-trovirale Gentransfer-Systeme ein Ri-siko für Insertionsmutagenesen dar.Allerdings scheinen AAV-basierte Vek-toren über längere Zeit episomal zupersistieren und eine nachhaltige Ex-pression des Transgens auch ohne Integration zu unterstützen, was beiRetroviren nicht der Fall ist. In derTat scheinen AAV-Vektoren nur mitrelativ geringer Frequenz zu integrie-ren, so dass das Risiko von Insertions-mutagenesen erheblich geringer zusein scheint als bei retroviralen Vek-toren. Das größte Problem in der An-wendung AAV-basierter Gentransfer-Systeme ist die mit ~ 4,5 kb sehr ge-ringe Größe der verwendbaren thera-peutischen DNA, was im Falle derExpression der Glutaminsäure-Decar-boxylase allerdings kein Problem dar-stellte. In der Studie von Kaplitt et al.[1] wurden in einer bis zu dreijähri-gen Nachbeoachtungszeit keine Gen-transfer-assoziierten Nebenwirkun-gen festgestellt.

© 2007 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.pharmuz.de 6/2007 (36) | Pharm. Unserer Zeit | 419

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Platencin

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ABB. 2 | STRUK TUREN DER T YP-II-FET TSÄURESYNTHESE-INHIBITOREN

M E D IZ I N |Gentherapie bei Morbus ParkinsonEin neuer gentherapeutischer Ansatz adressiert nicht den Erhaltdopaminerger Neurone, sondern setzt auf die Unterstützung des inhibi-torischen GABAergen Systems.

Der Transfer von Genen in soma-tische Zellen von Patienten zu thera-peutischen Zwecken (landläufig als„Gentherapie“ bezeichnet) ist nachwie vor in der experimentellen Pha-se. In letzter Zeit macht die Genthe-rapie eher durch unerwünschte Wir-kungen und mangelnde EffektivitätSchlagzeilen als durch echte Thera-pie-Fortschritte. Umso wichtiger istes, auch einmal über ermutigende Er-gebnisse von Gentherapie-Studien zu berichten. Zwar ist auch die vonKaplitt et al. in Lancet [1] publizierteStudie erst der Anfang einer mög-licherweise erfolgreichen Therapie,aber der Ansatz zur Behandlung

des Morbus Parkinson ist dennochbemerkenswert.

In der offenen, nicht-kontrollier-ten Phase-I-Studie [1] wurden zwölfParkinson-Patienten in drei Gruppenunterschiedliche Mengen eines AAV-basierten Gentransfer-Vektors in denNucleus subthalamicus injiziert. Die-ser hat als Teil des Zwischenhirnswichtige Bewegungsimpuls-hemmen-de Funktionen. Übertragen wurdedas Gen für die Glutaminsäure-De-carboxylase, die an der Biosynthesevon γ-Aminobuttersäure (GABA) be-teiligt ist (Abb. 1). Dies sollte die GABA-Konzentration im Nucleus sub-thalamicus erhöhen und so die

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In der Studie konnten über-raschend deutliche Verbesserungender motorischen Fähigkeiten der Pati-enten beobachtet werden. Die Werteauf der Unified Parkinson’s DiseaseRating Scale (UPDRS) waren nach etwa drei Monaten im Durchschnittum 25 bis 30 % verbessert, bei eini-gen Patienten sogar um 40 bis 65 %.Diese Verbesserungen hielten biszum Ende der Studiendauer an.

Das Studienprotokoll wurde vonder zuständigen Behörde mit der Ein-schränkung genehmigt, dass nur jeweils eine Hemisphäre des Gehirnsmit dem AAV-Vektor behandelt wer-den durfte, um im Falle unerwartetertoxischer Effekte die Auswirkungenzu begrenzen. Interessanterweisezeigte sich die Verbesserung der Mo-torik bevorzugt in der Körperhälfte,

die von der jeweils behandelten He-misphäre kontrolliert wird, was alseine Verbesserung der Symptomatikaufgrund der Gentherapie interpre-tiert werden kann.

Es bleibt einiges zu tun, bevorvon einer erfolgreichen Gentherapiedes Morbus Parkinson gesprochenwerden kann. So muss in einer fol-genden Studie mit größeren Patien-tenzahlen vor allem auch gezeigtwerden, dass der beobachtete Effektnicht doch auf Placebo-Effektezurückzuführen ist.

[1] Kaplitt, A.G., et al.: Safety and tolerabilityof gene therapy with an adeno-associatedvirus (AAV) borne GAD gene for Parkin-son’s disease: an open label, phase I trial.Lancet 369 (2007), 2097-2105.

Thomas Winckler, Jena

– sowohl bei Menschen wie auch bei Pilzen wird Lanosterol demethy-liert, bevor sich die Synthesewegetrennen (Abb. 2). Beim Menschenentsteht letztlich Cholesterol und beiPilzen Ergosterol, das für den Zell-wandaufbau wichtig ist. Jedoch wirddie Pilz-Demethylase schon bei deut-lich geringeren Konzentrationen ge-hemmt als die menschliche Demethy-lase. Dass die Zielstruktur tatsächlichdie Demethylase ist, konnten die For-scher in Versuchen zeigen, bei denenin Modellen die Expression der hu-manen 14-Demethylase in den Nabel-venen-Endothelzellen ausgeschaltetwurde und sich in der Folge derenWachstum deutlich verlangsamte.

In den Versuchen erwies sichKetoconazol trotz struktureller Ähn-lichkeit als 40-mal weniger wirksam– Fluconazol und Voriconazol warensogar unwirksam. Beim Itraconazolhat das 4-S-cis-Diastereomer mit ei-nem IC50-Wert von 0,056 µM eine20-fach höhere Effektivität als das 4-R-cis-Stereoisomer (IC50 = 0,16 µM).

Interessant ist noch, dass auchbei Azalanstat, ebenfalls ein Hemm-stoff der humanen 14-Demethylase,die Abwesenheit von Cholesterol zueiner stark verbesserten Inhibitiondes Enzyms führt. Diesen Effekt beobachtet man nun auch bei Itra-conazol.

Schließlich erbrachte die Gruppeum Liu den Nachweis, dass Itra-conazol ebenfalls in vivo erfolgsver-sprechend ist – mit Hilfe eines Mouse-Matrigel-Models. Hier wird eine Ma-trigel-Matrix (löslicher Basalmembran-extrakt) in eine bestimmte Körper-region der Maus gespritzt – in dieMatrix hinein wachsen Endothelzel-len und im Zuge der Angiogeneseneue Blutgefäße, deren Ausmaß dannnach späterer Entnahme sichtbar ge-macht werden kann. Behandelte mannun die Mäuse mit Itraconazol, fiel die Einsprossung neuer Gefäßedeutlich geringer aus als ohne Itra-conazol.

Fazit der Wissenschaftler: dasScreening auch altbekannter Wirk-stoffe ist eine wichtige Option umimmer neue Zielstrukturen und Hin-

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M E D IZ I N |Itraconazol auch zur Antiangiogenese geeignet?

nen. Auch bei der diabetischen Reti-nopathie und bei der rheumatoidenArthritis spielt sie eine wichtige Rolle.

In Untersuchungen an humanenNabelvenen-Endothelzellen (HUVEC= human umbilical vein endotheli-al cell) konnten die Forscher zeigen,dass die Proliferation der Zellen imStadium G1 des Zellzyklussesblockiert wird. Angriffspunkt ist dasEnzym Lanosterol-14-demethylase,welches für die endotheliale Zell-proliferation und die Angiogenesemit entscheidend ist. Dieses Enzymist auch verantwortlich für die anti-mykotische Wirkung von Itraconazol

A B B . 1 Das Antimykotikum Itraconazol.

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Im Rahmen eines Screenings vonArzneistoffen, die schon lange in derTherapie verschiedenster Erkrankun-gen etabliert sind, fiel einer Forscher-gruppe um Jun O. Liu von der JohnsHopkins University, School of Medi-cine das Antimykotikum Itraconazol(Abb. 1) auf. Ziel der Suche war, Stoffe zu finden,die in der Lage sind, die Angiogenesezu stoppen.

Bei einigen Erkrankungen ist dieAngiogenese, also die Bildung neuerBlutgefäße, entscheidend für dasFortschreiten der Krankheit, da Tu-more beispielsweise so mit neuenBlutgefäßen versorgt werden kön-