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24 GR 53 (2001) H. 6 Anton Escher, Sandra Petermann, Birgit Clos ie Aufnahme der maghrebinischen Altstädte von Algier, Kairouan, Sous- se, Tunis, Fès, Marrakech, Meknès und Tétouan in die Welterbe-Liste der UNESCO trägt der kulturellen Bedeutung einzelner Bauwerke und geschlossener Stadtensembles für die Weltgesellschaft Rechnung. Bereits die kolonialzeitliche Stadtplanungspolitik des ersten General- residenten in Marokko, Marschall Louis H. G. Lyautey (1912–1924), welche die Alt- städte räumlich und sozial isoliert, steht im Zeichen der Konservierung und Res- tauration städtischer marokkanischer Tra- ditionen. Aufgrund dieser französischen Protektoratspolitik (vgl. Prost 1932; Dethier 1970) heben sich noch heute die Altstädte der islamischen Zivilisation in Marokko von den Städten Tunesiens und Algeriens ab (vgl. Abb. 3). Dort wurden die von der Kolonialmacht errichteten Neustädte in den Baukörper der Medinen stärker integ- riert. Während die Altstädte Marokkos in der Protektoratszeit (1912–1956) von europäi- scher Penetration verschont bleiben, setz- ten seit der Unabhängigkeit vielfältige Ver- änderungen ein. Die marokkanische Ober- und Mittelschicht, soweit man von einer derartigen Stratifikation bei einer segmen- tären Gesellschaft sprechen kann, wander- te in die Wohnungen der Neustädte ab, die von der französischen Kolonialbevölkerung verlassen wurden (vgl. Mandleur 1972). Die Medina wurde nunmehr zu einem Wohnquartier eher mittlerer und unterer Einkommensschichten, die vom Lande zu- zogen. Auch heute ist die Altstadt ein be- vorzugtes Wohnquartier von informellen Kleinhändlern, saisonal tätigen Handwer- kern und einkommensschwachen Ange- stellten (vgl. Abu-Lughod 1980). So wohnen etwa über zwei Drittel der Bevölkerung der Medina von Marrakech nicht im dem Vier- D Gentrification in der Medina von Marrakech Die Bausubstanz der Wohnhäuser in den Altstädten des Maghreb verfällt und kann nicht erhalten werden! Vielfältige Planungsvorschläge zur Rettung der islamisch-orientalischen Altstädte wurden bislang nur rudimentär umgesetzt. Auch die Aufnahme einiger Altstädte in das Programm des Weltkulturerbes der UNESCO ändert daran nichts. In der letzten Dekade des 20. Jhs. kann man indessen einen Erneue- rungsprozess der Bausubstanz in mehreren Altstädten des Maghreb beobachten, der weltweit als Gentrification bekannt ist. Ein heraus- ragendes Beispiel für diesen Prozess ist die Medina der marokkanischen Stadt Marrakech. Abb. 1: Ausländer mit Immobilienbesitz Quellen: Belkeziz 1998; eigene Erhebungen 2000 in der Medina von Marrakech (nach Wohnvierteln) Entwurf: B. Clos und S. Petermann 2000 Kartographie: K. Schmidt-Hellerau

Gentrification in der Medina von Marrakech - JGU Blogs · Abb. 3). Dort wurden die von der Kolonialmacht errichteten Neustädte in den Baukörper der Medinen stärker integ-riert

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Page 1: Gentrification in der Medina von Marrakech - JGU Blogs · Abb. 3). Dort wurden die von der Kolonialmacht errichteten Neustädte in den Baukörper der Medinen stärker integ-riert

24 GR 53 (2001) H. 6

Anton Escher, Sandra Petermann, Birgit Clos

ie Aufnahme der maghrebinischenAltstädte von Algier, Kairouan, Sous-se, Tunis, Fès, Marrakech, Meknès

und Tétouan in die Welterbe-Liste der UNESCO trägt der kulturellen Bedeutungeinzelner Bauwerke und geschlossenerStadtensembles für die WeltgesellschaftRechnung. Bereits die kolonialzeitlicheStadtplanungspolitik des ersten General-residenten in Marokko, Marschall LouisH. G. Lyautey (1912–1924), welche die Alt-städte räumlich und sozial isoliert, steht im Zeichen der Konservierung und Res-tauration städtischer marokkanischer Tra-ditionen. Aufgrund dieser französischenProtektoratspolitik (vgl. Prost 1932; Dethier1970) heben sich noch heute die Altstädteder islamischen Zivilisation in Marokkovon den Städten Tunesiens und Algeriensab (vgl. Abb. 3). Dort wurden die von derKolonialmacht errichteten Neustädte inden Baukörper der Medinen stärker integ-riert.

Während die Altstädte Marokkos in derProtektoratszeit (1912–1956) von europäi-scher Penetration verschont bleiben, setz-ten seit der Unabhängigkeit vielfältige Ver-änderungen ein. Die marokkanische Ober-und Mittelschicht, soweit man von einerderartigen Stratifikation bei einer segmen-tären Gesellschaft sprechen kann, wander-te in die Wohnungen der Neustädte ab, dievon der französischen Kolonialbevölkerungverlassen wurden (vgl. Mandleur 1972).Die Medina wurde nunmehr zu einemWohnquartier eher mittlerer und untererEinkommensschichten, die vom Lande zu-zogen. Auch heute ist die Altstadt ein be-vorzugtes Wohnquartier von informellenKleinhändlern, saisonal tätigen Handwer-kern und einkommensschwachen Ange-stellten (vgl. Abu-Lughod 1980). So wohnenetwa über zwei Drittel der Bevölkerung derMedina von Marrakech nicht im dem Vier-

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Gentrification in der Medina von Marrakech

Die Bausubstanz der Wohnhäuser in den Altstädten des Maghreb verfällt und kann nicht erhalten werden! Vielfältige Planungsvorschlägezur Rettung der islamisch-orientalischen Altstädte wurden bislang nur rudimentär umgesetzt. Auch die Aufnahme einiger Altstädte in das Programm des Weltkulturerbes der UNESCO ändert daran nichts.In der letzten Dekade des 20. Jhs. kann man indessen einen Erneue-rungsprozess der Bausubstanz in mehreren Altstädten des Maghreb beobachten, der weltweit als Gentrification bekannt ist. Ein heraus-ragendes Beispiel für diesen Prozess ist die Medina der marokkanischenStadt Marrakech.

Abb. 1: Ausländer mit Immobilienbesitz Quellen: Belkeziz 1998; eigene Erhebungen 2000in der Medina von Marrakech (nach Wohnvierteln) Entwurf: B. Clos und S. Petermann 2000

Kartographie: K. Schmidt-Hellerau

Page 2: Gentrification in der Medina von Marrakech - JGU Blogs · Abb. 3). Dort wurden die von der Kolonialmacht errichteten Neustädte in den Baukörper der Medinen stärker integ-riert

tel, in dem sie geboren wurden (vgl. Belke-ziz und Hicham 1999b).

Der soziale und ökonomische Verfall der marokkanischen Altstädte wurde durch das zunehmende Interesse des internationalenTourismus – der einen bedeutenden Wirt-schaftsfaktor für das Land darstellt (vgl. Popp 1991) – modifiziert. Denn schon zu Beginnder 80er Jahre ist festzustellen, dass der Tou-rismus entscheidend zu einem gewissenökonomischen Bedeutungserhalt (vgl. Ehlers 1984) der Medinen Marokkos beitrug. Unddieser Effekt nahm in den beiden letztenJahrzehnten des 20. Jhs. weiter zu. Dies giltv. a. für die Touristenmetropole Marrakech(vgl. Widmer-Münch 1990).

Der touristische Beitrag zur Altstadt-entwicklung lässt sich in den 90er Jahrendeutlicher fassen: Um- und Ausbau traditio-neller Bazarläden in moderne Geschäfte fürTouristen und Marokkaner, Entstehungspezialisierter „Souvenir-Kaufhäuser“ undexotischer Restaurants für Touristen sowiemarokkanische Aufsiedlung der Freiflä-chen mit einfachen Wohnhäusern inner-halb der Stadtmauern (vgl. Escher 1994).Die dynamische Erneuerung und individu-elle Sanierung der älteren Bausubstanz bezieht sich insbesondere auf Wirtschafts-bauten oder auf Wohnbauten für kommer-zielle Nutzung und auf einzelne kunsthisto-risch interessante Objekte. Die Masse der

ser elitären Zuwanderung in die „Perle desSüdens“, nach Marrakech, und die Stadtwurde in der Nachkolonialzeit Ziel des in-ternationalen Jet-Set.

In den 60er und 70er Jahren erlangtedie „rote Stadt“ Berühmtheit als südlichsteStation im Streckennetz des – bei europäi-schen Jugendlichen sehr beliebten – Inter-rail-Reisens. In dieser Zeit wurden die Städ-te Essaouira und Marrakech Treffpunkt derHippiebewegung (vgl. Mayne 1953; Freud1992). Viele Ausländer zog die Gay Commu-nity, die in der liberal geltenden Stadt Mar-rakech entstanden ist, an. Die Europäerließen sich zunächst v. a. in den Palmen-gärten und in leicht zugänglichen Rand-gebieten der Medina nieder. In den 70erund 80er Jahren verlagerten nur verein-zelt Ausländer ihren Wohnsitz nach Marra-kech.

Diese relativ ruhige Phase europäischerEinwanderung mündete Ende der 80er undAnfang der 90er Jahre in eine vermehrteAnsiedlung von künstlerisch ambitionier-ten Individualisten einerseits und Perso-nen, die der Gay-Szene folgen, andererseits.Der Verkauf von Häusern in der Medina an Europäer boomt ab Mitte der 90er Jahre;und die Zahl der ausländischen Hausbesit-zer in der Medina stieg bis Sommer 1999von wenigen Dutzend auf ungefähr 150 Per-sonen an (vgl. Escher und Petermann 2000).

traditionellen Wohnbauten war indes wei-terhin – meist leer stehend oder aber über-belegt – dem Verfall preisgegeben. Seit En-de des 20. Jhs. lässt sich nun ein gänzlichneuer Prozess der Erneuerung und Sanie-rung vieler alter Wohnbauten in AltstädtenNordafrikas beobachten, der insbesonderein Marrakech einer herausragenden Dyna-mik unterliegt.

Ausländische Bevölkerung in MarrakechSchon in den 20er Jahren wird Marrakechaufgrund der Faszination des orientali-schen Flairs, der Farben, der Gerüche, derSonne und des ganzjährig warmen Klimaszum Ziel europäischer Künstler (z. B. Jac-ques Majorelle). Während zwischen 1920und 1956 die koloniale Neustadt (ville nou-velle) überwiegend von französischer Be-völkerung bewohnt wurde, blieb in dieserZeit nicht zuletzt durch die Protektorats-politik die Altstadt fast frei von Ausländern. Mitte des 20. Jhs. wurden mehrere StädteMarokkos zum bevorzugten Ziel westlichgeprägter Künstler und Schriftsteller. ZumBeispiel galt Tanger als ein attraktiver Ortfür Personen wie Paul Bowles, die sich dazuentschlossen ein Aussteigerleben in demnordafrikanischen Land zu führen. ÜberTanger hinaus verlagerte sich das Ziel die-

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Foto 1: Ausschnitt der Medina von Marrakech aus der Vogelperspektive

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Einen neuen Impuls setzt die Ausstrah-lung des Magazins „Capital“ im französi-schen Fernsehen, in welchem der Kauf ei-nes atriumartigen Innenhofpalastes (Riad)in Marrakech unter dem Titel „Les Riads deMarrakech“ thematisiert wird. Spielfilme,Printmedien (Maisons du Maroc, Medina,Condé Nast Traveller, Lufthansa-Magazin)und schließlich das Internet haben dazubeigetragen das Kaufinteresse von Auslän-dern an Immobilien in der Medina zu stei-gern.

Der traditionelle Immobilienhändler,der Samsar, der in seinem Viertel der Medi-na Wohnungen und Häuser aller Größenzur Miete und zum Verkauf vermittelt, wird inzwischen von marokkanisch-belgischenund marokkanisch-französischen Immobi-lienfirmen ergänzt. Die neuen Immobilien-firmen präsentieren sich in allen Medien,verfügen über bis zu 120 Mitarbeitern undbieten Objekte in der gesamten Altstadt an.

Mehrere Unternehmen organisierenAnkauf, Grundbucheintrag, Umbau, Sanie-rung und Innenausstattung. Sie liefern denRiad schlüsselfertig beim Käufer ab. BisNovember 2000 stieg die Zahl der ausländi-schen Eigentümer in der Medina auf nahe-zu 500. Der Verkauf von Häusern in derMedina an Ausländer hält weiter an.

Image von Marrakech bei AusländernDer Besitz eines Riad (vgl. Abb. 4) in Mar-rakech wurde inzwischen zu einem Status-symbol; es ist en vogue dort Hauseigentü-mer zu sein. „Unter Reichen, (...), ist Marra-kech begehrter als die Côte d’Azur“ weißdas Lufthansa-Magazin (1999, S. 16) zu be-richten. Aber inzwischen zieht es nicht nurReiche, Jet-Setter, Gays, Künstler und Exo-ten in die Medina von Marrakech. Auch„mittelständische Normalbürger“ und rüsti-

ge Rentner entscheiden sich zunehmend,dort einen Riad zu kaufen.

Die Neu-Marrakechi aus dem kühlenund regnerischen Norden schätzen die kli-matischen Verhältnisse der prä-saharischen Enklave. Die Bewohner genießen den ganz-jährigen Sonnenschein bei lediglich rd.250 mm Niederschlag pro Jahr, der als Win-terregen in den Monaten November undMärz fällt. Hinzu kommt das faszinierendePanorama aufgrund der Beckenlage derStadt mit den oft schneebedeckten Hängendes Hohen Atlas im Süden. Die immergrü-nen Palmen setzen einen exotischen Kon-trast zur eintönigen Vegetation und zumroten Baukörper der Stadt.

In zwei bis drei Flugstunden ist Marra-kech, die Stadt der Magie, der Träume, derRomantik, des Kontrasts, des Abenteuersund des Mittelalters, wie sie schwärme-risch von den Europäern beschrieben wird,von fast allen europäischen Metropolen auserreichbar. Die Neu-Bewohner bringen esim Gespräch über ihre Stadt auf den Punkt:„Ein Riad in Marrakech ist das exotischste,was man haben kann, finanziell erschwing-lich und geographisch so nah.“ „(...) es istdas fernste, was am nächsten ist!“ und „(...)man kann fast alles machen, wenn mansich nur ein bisschen an die Regeln hält!“.

Rahmenbedingungen für den Kauf eines RiadDie Rahmenbedingungen für den Hauskaufin Marrakech haben sich seit der Unabhän-gigkeit Marokkos in vielerlei Hinsicht ver-bessert und erweitert. Im Zusammenhangmit politischer und ökonomischer Globali-sierung bemüht sich die marokkanischeRegierung um administrative Deregulie-rung, internationale Integration und le-bensweltliche Toleranz gegenüber Frem-den. Im Zusammenhang mit dieser Politikfördert der marokkanische Staat ausländi-sche Investitionen jeglicher Art und denZustrom von Touristen um Devisen zu er-wirtschaften.

Die politische Situation hat sich aus derSicht der Neubürger Marrakechs mit derInthronisierung von König Mohammed VI.verbessert, da dieser sowohl als Garant fürdie zukünftige innenpolitische Stabilitätdes Landes als auch als Wegbereiter mo-derner Lebens- und Rechtsverhältnisse gilt.Zusätzlich wird von den europäischen In-vestoren als positiv registriert, dass dieaußenpolitische Strategie Marokkos einezukünftige Integration des Landes in dieEuropäische Union anstrebt. Dies drücktsich u. a. dadurch aus, dass in Marokko in-zwischen eine Zivilgesellschaft, die nachstaatsbürgerlichen Grundrechten, garan-tierter Versammlungsfreiheit und freierMeinungsäußerung strebt, entsteht (vgl.Hegasy 1997).

Die Rechtssicherheit für ausländischenImmobilienbesitz wird gewährleistet. Inden Städten tastete der marokkanische

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Gentrification in der Medina von MarrakechAnton Escher, Sandra Petermann, Birgit Clos

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A n g e b o t f ü r T o u r i s t e n

Kartographie:K.Schmidt-Hellerau

A u s l ä n d i s c h e r I m m o b i l i e n b e s i t z

Schweizer

Italiener

Spanier

NiederländerDeutsche

Franzosen

Belgier

Engländer

N u t z u n g d e r H ä u s e r

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Restaurant

Gästehaus(Maison d´Hôtes)

Hammam (öffentliches Bad)BackofenZaouïa (religiöse Einrichtung)

Moschee

Stand: November 2000

Kartierung und Entwurf:B. Clos, S. Petermann 2000

Teppiche

Schmuck

Keramik

Antiquitäten

Keramik, Schmuck,Antiquitäten

Großhandel

Holz

Lampen

Gewürze

Leder

Kleidung

Lager

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Abb. 2: Ausländischer Grundbesitz und touristische Infrastruktur im Altstadtviertel Ksour

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Staat nach der Unabhängigkeit – trotz dervollständigen Enteignungen im Agrarbe-reich – ausländischen Immobilienbesitz niean. Schon während der Protektoratszeitwurde in Marokko für Privateigentum aufder Basis australischer Rechtsprechung(Akt Torrens) das Immobilienrecht unterEinbeziehung traditioneller Rechtsverhält-nisse neu verfasst (vgl. Escher 1982). Des-halb kann der ausländische Eigentümerspätestens nach dem Grundbucheintrag (Titre Foncier) von hoher Rechtssicherheitausgehen.

Eine grundlegende Motivation für dieInvestition der Ausländer ist die kosten-günstige Lebenshaltung in Marokko. Mit-hilfe von Devisen ist es Ausländern in Ma-rokko möglich, bei – im Vergleich mit Eu-ropa oder USA – relativ geringen Kosten,einen Riad zu kaufen und eine hohe Zahlan Bediensteten (wie z. B. Köchin, Gärtner,Wächter und Dienstmädchen) zu beschäfti-gen. Nicht nur aufgrund der finanziellenÜberlegenheit entstehen für die Ausländererhebliche gesellschaftliche Freiräume, diedarin gipfeln, dass man heute nahezu voneiner Käuflichkeit aller Dienstleistungenund Güter, einschließlich fast aller Häuserin der Medina, für Europäer ausgehenkann. Hinzu kommt, dass im Vergleich zurkonservativen Bevölkerung anderer marok-kanischer Städte (wie z. B. Fès) die Bewoh-ner von Marrakech sehr liberal und offengegenüber Fremden sind. Diese politi-schen, ökonomischen und klimatischenRahmenbedingungen sowie das exotischeImage der Stadt machen ihre Attraktivität

registrierten Eigentümer, da die Ausländertendenziell an ihr Grundstück angrenzendeHäuser schrittweise aufkaufen und in ihrAnwesen integrieren.

Die meisten Europäer befinden sich inden Vierteln Bab Doukkala, Mouassine,Ksour, Riad Zitoun Kdim, Riad Zitoun Jdid,Kenneria und Douar Graoua (vgl. Abb. 1).In diesen Vierteln vollzieht sich ein tiefgreifender touristisch geprägter Struktur-wandel durch die zugezogenen Ausländerund die vielen internationalen Besichti-gungstouristen. Die räumliche Konzentrati-on ausländischen Immobilieneigentumsund die steigende Anzahl der Ausländer inden Jahren 1998–2000 weisen deutlich aufeinen Selbstverstärkungseffekt hin. VieleEuropäer bevorzugen Europäer in der Nach-barschaft. In die Viertel und Gassen, wosich bereits Ausländer eingekauft haben,ziehen auch durch Mundpropaganda Freun-de und Bekannte nach. Im Gegensatz dazugibt es mehrere Viertel, in denen kaumausländischer Grundbesitz anzutreffen ist,da entweder – wie z. B. im zentralen Souk-bereich – keine Wohnhäuser zur Verfügung stehen oder die Viertel aufgrund der Bau-substanz (Neubauviertel) und des Wohn-umfeldes (z.B. Mellah und Gerberviertel) von Ausländern gemieden werden.

Vieles spricht dafür, dass sich der Zu-zug von Ausländern auch innerhalb dernächsten Jahre nicht verringern wird. Mitt-lerweile ist schon ein Großteil der attrakti-ven Riads an Ausländer verkauft und beiden nicht veräußerten interessanten Objek-ten liegen oftmals ungeklärte Besitzverhält-

für finanzkräftige und Abwechslung su-chende Ausländer aus.

Ausländischer Immobilienbesitzin der MedinaStandortwahl und Kaufentscheidung für einen Riad treffen die meisten Ausländerprimär nach der Qualität der Bausubstanzdes Riad und sekundär nach seiner Lage inder Medina. Die Ausländer bevorzugen denklassischen Riad mit großem Innenhofbzw. Garten (vgl. Abb. 4). Die Bausubstanzsollte noch erhaltbar sein, obwohl man in-zwischen auch bereit ist, die alte Bausub-stanz abzureißen und durch einen Neubauzu ersetzen. Die Erreichbarkeit des Wohn-hauses mit dem Auto, die Parkmöglich-keiten und die Nähe zum zentralen PlatzJemâa el Fna spielen beim Kauf eine erheb-liche Rolle.

Die ersten Häuser von Ausländern inder Medina von Marrakech finden sich inden 50er und 60er Jahren an den Rändernder Bausubstanz im Westen. Heute kon-zentriert sich der ausländische Immobilien-besitz ringförmig in den Vierteln um denJemâa el Fna und um den zentralen Soukvon Marrakech (vgl. Abb. 1). Die für Aus-länder interessanten Immobilien, die Mit-te der 50er Jahre bei damals insgesamt26 500 Altstadthäusern auf 2 800 Riads (Rial 2000, S. 30) geschätzt werden, liegendurchweg in den älteren Vierteln der Medi-na. Die Zahl der an Ausländer verkauftenImmobilien übersteigt bei weitem die Zahlder nahezu 500 bei unserer Untersuchung

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Bahnhof

Busbahnhof

Flughafen

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M a r r a k e c h

QuartierQuartierQuartier

IndustrielIndustrielIndustriel Jemaa el FnaJemaa el FnaJemaa el Fna

PalaisPalaisPalaisRoyalRoyalRoyal

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SafiEl Jadida

Casablanca

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Cité du quartierCité du quartierCité du quartierindustrielindustrielindustriel

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CitéCitéCité Mohammedia Mohammedia Mohammedia

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MedinaMedinaMedina

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Kartengrundlage:Ministere de l‘Agriculture,Rabat 1986

Internetlinkswww.marrakechconnect.comwww.marrakech-medina.comwww.riyads.comwww.vernetservices.comwww.gentrification.org

Abb. 3: Stadtplan von MarrakechIm Gegensatz zu Tunesien und Algerien, wo die von der französischen Kolonialmacht errichteten Neustädte stärker in den Baukörper der Medinen integriert wurden, heben sich die Altstädte Marokkos deutlichervon den kolonialzeitlichen Erweite-rungen ab.

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nisse zugrunde. In jüngster Zeit werdendeshalb verstärkt kleine Häuser aufgekauft. Die gekaufte Bausubstanz wird bis auf dieAußenmauern abgerissen und durch groß-zügige Betonkonstruktionen ersetzt. VieleHäuser sind bereits in die Verkaufsunter-lagen der Immobilienfirmen aufgenommenund Presseberichte über die Ausländer inMarrakech nehmen weiterhin zu. Auch inder deutschen Tagespresse war in diesemZusammenhang die Schlagzeile „Die zweiteEroberung von Marrakesch“ (Sautter 1999,S. 16) zu lesen.

Ksour – ein älteres Wohnviertel in der Medina

Ksour ist eines der älteren Viertel, dessenWohnbebauung aus der Mitte des 16. Jhs.,der Zeit der Saadier, stammt (vgl. Wilbaux1999). Es finden sich überwiegend großeGrundstücke und repräsentative Wohnbau-ten, die dem Viertel einen großen architek-tonischen Reiz verleihen (vgl. Belkeziz undHicham 1999a). Das Viertel liegt am Randedes bebauten Altstadtareals, schließt direktan den Platz Jemâa el Fna an und befindet

sich nördlich der lokalen Polizeistation. Damit erfüllt es wichtige Kriterien für denZuzug von Europäern: Erreichbarkeit, Zent-ralität und Sicherheit.

Die Kartierung des ausländischen Im-mobilieneigentums und der Flächen bzw.Läden mit touristischer Nutzung zeigt dietief greifenden Veränderungen im Viertel(vgl. Abb. 2). In Ksour haben sich inzwi-schen nahezu drei Dutzend Ausländer ein-gekauft. Dabei überwiegen Franzosen, aberauch Deutsche, Belgier, Schweizer, Italie-ner, Spanier, Engländer und Niederländersind vertreten. Die meisten ausländischenHäuser werden auch von den Eigentümernbewohnt. Zusätzlich betreiben manche Be-sitzer Gästehäuser (Maisons d’Hôtes) undRestaurants. Aber nicht nur Europäer ver-ändern das Viertel, sondern auch marokka-nische Investoren, die ehemalige Wohnhäu-ser zu Touristenpalästen mit der gesamtenWarenpalette – besonders für größere Reise-gruppen – umgestalten. Verstärkt wird auf-grund dieser Touristenmagneten das schonlänger bekannte Phänomen der „Bazarisati-on“ (Troin 1986, S. 18), die Nutzung vonehemaligen Wohngassen als Bazargassen.

Erneuerung und Nutzung der WohnbautenDas allgemeine Verfügungsinteresse überdie Immobilien der zugezogenen Neubür-ger von Marrakech lässt sich – von indivi-duellen Einzelfällen abgesehen – grob in

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Gentrification in der Medina von MarrakechAnton Escher, Sandra Petermann, Birgit Clos

Foto 3: Schlafzimmer in einem „europäischen Riad“ in der Medina

Foto 4: Auf der Terrasse eines Riad über den Dächern von Marrakech

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Foto 2: Verfallender Riad in der Medina von Marrakech

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Page 6: Gentrification in der Medina von Marrakech - JGU Blogs · Abb. 3). Dort wurden die von der Kolonialmacht errichteten Neustädte in den Baukörper der Medinen stärker integ-riert

vier Typen fassen: Wohnhaus, Gästehaus,Restaurant sowie Museum bzw. Galerie.Der überwiegende Anteil der Ausländernutzt den Riad als permanentes oder tem-poräres Wohnhaus während der klimatischgünstigsten Monate des Jahres. In der Re-gel wird die Bausubstanz des Hauses er-neuert, die Infrastruktur (Strom- und Was-serversorgung) auf europäische Standardsgebracht sowie vorhandene Toiletten zu europäischen Badezimmern umgestaltet.Außerdem entscheiden sich viele für offeneKamine und einen Swimmingpool (vgl. Ta-gornet 2000). Auch die Dachterrasse möb-liert man und nutzt sie als Aufenthaltsort.Die herkömmliche Raumnutzung wirdnachhaltig verändert und modernen eu-ropäischen Bedürfnissen angepasst (vgl.Abb. 4).

große Zimmer geteilt und jeweils mit Nass-zelle ausgestattet.

Die ersten Restaurants für Ausländer in der Medina werden zwar nach der Unab-hängigkeit von Marokkanern eröffnet, aberinzwischen haben sich seit den 1990er Jah-ren auch teuere Spezialitätenrestaurantsmit orientalischer Küche unter europäi-scher Leitung etabliert. Je nach Größe undAusstattung dienen die Restaurants zurAbfertigung von eiligen Reisegruppen oderzum exquisiten Event-Mahl bei orientali-schem Bauchtanz und andalusischer bzw.marokkanischer Musik.

Die Europäer eröffnen in der Medina inzwischen auch kulturelle Einrichtungen.Sie reichen vom klassischen Völkerkunde-museum über sachliche Ausstellungsräu-me bis zur postmodernen Galerie. Einige

In der Hoffnung auf hohe Gewinne beiverhältnismäßig geringen Investitionen(Umbau, Personalkosten) beschließt ein zu-nehmend größerer Teil der Ausländer, denerworbenen Riad als Gästehaus (Maisond’Hôtes) aus- und umzubauen (vgl. Abb. 5).Zudem steigt die Nachfrage der Touristen,authentisch marokkanisch zu wohnen undzu schlafen (vgl. Chankou 1999). Man kannheute von mindestens 110 Maisons d’Hôtesin der Medina ausgehen. Viele dieser klei-nen bis mittleren Unternehmen arbeitenbislang illegal, d. h. sie sind staatlich nichterfasst und zahlen keine Steuern. Der Um-bau der alten Wohnhäuser zu Gästehäu-sern berücksichtigt die vorangegangeneArchitektur oft nicht mehr: Um eine effekti-ve Gestaltung der Gästehäuser mit vielenZimmern zu ermöglichen, werden einst

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Abb. 4: Grundriss eines Riad und Nutzung durch den europäischen Eigentümer

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Stiftungen bieten Mitgliedern zu bestimm-ten Konditionen Wohnung, Selbsterfah-rungs-, Mal- und Tanzkurse an. Damit etab-liert sich in der Medina ein neues, vorhernicht vorhandenes gesellschaftliches Le-ben. Inzwischen gibt es nahezu ein Dut-zend solcher Einrichtungen.

Orientalismus, Gentrificationoder Neokolonialismus?Bei der Beurteilung des Veränderungspro-zesses in der Medina von Marrakech ist diePerspektive von erheblicher Bedeutung.Restaurierung, Sanierung und Umbau derHäuser orientieren sich nicht immer anden traditionellen Mustern marokkani-schen Bauens, sondern eher an orientalisti-schen Vorstellungen der Künstler und Ma-ler des späten 18. und frühen 19. Jhs. Euro-päer gestalten heute in Marrakech den Ori-ent, so wie ihn die europäischen Literaten,Maler und Photographen konstruiert habenund auch heute noch in Hollywoodfilmen

pflegen (vgl. Said 1978; Benjamin 1997).Auch Bildbände (vgl. Ghachem-Benkiraneund Saharoff 1992; Lovatt-Smith 1995), dievorgeben, marokkanische Riads in Marra-kech zu thematisieren – wie insbesonderedie Veröffentlichung „Marrakech. Le secretdes maisons-jardin“ (Wilbaux 2000) – bil-den fast ausschließlich durch Ausländer„gestylte“ Häuser ab.

Bei dieser Kritik soll allerdings nichtverschwiegen werden, dass die marokkani-schen Eigentümer ihre Riads mehr nachökonomischen und weniger nach ästheti-schen Vorstellungen umbauen. Für Marok-kaner misst sich der Wert eines Wohnhau-ses in der Medina an der Zahl der zu ver-mietenden Zimmereinheiten (Belkeziz undHicham 1999b, S. 11).

Aus dem Blickwinkel deskriptiver Wahr-nehmung zeigt sich der beschriebene Pro-zess als Aufwertungsprozess eines sozialund ökonomisch sowie kulturell vormalsabgesunkenen Stadtteils und kann somit –obwohl die Gentrifier aus dem europäischen

Ausland kommen – als Gentrification be-zeichnet werden. Die Vorteile nennt BillWillis, ein berühmter amerikanischer Ar-chitekt, der seit 1973 in einem großen Pa-last im Norden der Stadt wohnt: „It’s verygood for the Medina because these foreignersare bringing in a lot of money and are fixingup all these old houses that are falling intoruins (...) or are tearing them down and arebuilding something marvelous in the place(...), so that’s very good. (...) It cleans up thecity. It brings a lot of money to Morocco. It em-ploys hundreds of Moroccan workmen, andso that part is very, very good“.

Die Sanierung der Wohnbauten, dieEntstehung von Arbeitsplätzen, die Wieder-belebung vieler Handwerksbranchen unddie Konservierung althergebrachter Hand-werkstechniken bringen eine allgemeineRevitalisierung der Altstadt mit sich. In Kon-trast dazu ist nicht zu übersehen, dass dieEuropäer Teile der Altstadt im wahrstenSinne des Wortes aufkaufen und dabei diemarokkanische Bevölkerung in ihre Diens-te nehmen. Die Lifestyle-Zeitschrift Archi-tektur und Wohnen kommentiert diese Ver-hältnisse mit den Worten: „(...) eine gewisse Art Luxus gedeiht heute nur noch in Ländern mit schier unerschöpflichen Ressourcen anhingebungsvollem Hauspersonal und begab-ten Handwerkern“ (Almquist 2000, S. 181).Derart werden die potenziellen Abhängig-keitsverhältnisse und die mögliche Einfluss-nahme der ausländischen Bevölkerung aufdas alltägliche Leben der Marokkaner be-schrieben. Zunehmende soziale Spannun-gen aufgrund des Lebensstils der Auslän-der, der nicht immer die marokkanischenNormen und Konventionen erfüllt, könnennicht geleugnet werden.

Der umfangreiche Verkauf von Immobi-lien der Medina an Fremde, der Lebensstilder Ausländer in der Medina und dieWechselwirkung mit der marokkanischenBevölkerung können durchaus auch alsAusdruck von Neokolonialismus bezeich-net werden. Denn der beschriebene Pro-zess zeugt von einer eindeutigen Dominanzeuropäischen Handelns und die Menschenvon Marrakech sowie die Medina der Stadtbilden lediglich eine dienstfertige und exo-tische Kulisse. ■

AutorenProf. Dr. Anton Escher, geb. 1955.E-Mail: [email protected]/Forschungsschwerpunkte:Nordafrika, Vorderasien, Stadtgeographie, Lateinamerika,Sozialgeographie.

Sandra Petermann.E-Mail: [email protected]/Forschungsschwerpunkte:Orient, Stadtgeographie, Gentrification.

Birgit Clos, geb. 1973.E-Mail: [email protected]/Forschungsschwerpunkte:Cultural Studies, Stadtgeographie, Orientalismus.

Geographisches Institut der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Becherweg 21, 55122 Mainz.

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Gentrification in der Medina von MarrakechAnton Escher, Sandra Petermann, Birgit Clos

Abb. 5: Grundriss eines Gästehauses (Maisons d’Hôtes) in ausländischem Besitz

Page 8: Gentrification in der Medina von Marrakech - JGU Blogs · Abb. 3). Dort wurden die von der Kolonialmacht errichteten Neustädte in den Baukörper der Medinen stärker integ-riert

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Gentrification in the Medina of Marrakesh

by Anton Escher, Sandra Petermann,and Birgit Clos

Individual foreigners have been residingin the Old Town of Marrakech for several decades, but since the late 1990s, there has been a veritable boom in the de-mand for Moroccan houses. Attractedby the image of the “Red City” – with itsrelated way of life – and not least due tomajor media presence, mainly Europe-ans have been buying dilapidated Riads,refurbishing them to their taste. The real estate concerned is concentrated main-ly in central locations with good accesswithin the Old Town. The article con-siders this process in the context of ori-entalism, gentrification, and neo-coloni-alism.

Der Begriff Gentrification wird von RuthGlass 1964 bei einer Untersuchung über die Wohnviertel von London geprägt. Eine prägnante Definition gibt Friedrichs(1995, S. 75): Als Gentrification „(...) wird ein Prozess der Aufwertung innenstadtna-her Wohngebiete durch einen Bevölke-rungsaustausch zugunsten einer status-höheren Bevölkerung bezeichnet.“ Dieseither reichhaltige Forschung über Gen-trification kommentiert Lee (2000, S. 397)rückblickend: „Gentrification is not the sa-me everywhere. Of course there are generalizable features, both internatio-nally and within single cities, but there arealso many important specificities that areequally important in any analysis of gentri-fication, and particularly in comparative re-search.“

Der Begriff Orientalismus wurde vompalästinensisch-amerikanischen Literatur-wissenschaftler Edward W. Said geprägt:„My idea is that European and then Ameri-can interest in the Orient was political ac-cording to some of the obvious historicalaccounts (...), but that it was the culturethat created that interest, that acted dy-namically along with brute political, eco-nomic, and military rationales to make theorient varied and complicated place that itobviously was in the field I call Orientalism.(...) Indeed, my real argument is that Orien-talism is – and does not simply represent –

a considerable dimension of modern politi-cal-intellectual culture, and as such hasless to do with the Orient than it does with‘our’ world“ (Said 1978, S. 12). Aus einermehr kunsthistorischen Perspektive for-muliert Stevens (1984, S. 15): „Between1798 and 1914, North Africa and the NearEast, as a closest non-Christian region toEurope, exercised a fascination upon theWest, which responded in a variety ofways: the scholarly study of ancient civili-sations and of contemporary cultures, imaginary evocations in poems and novels,literary descriptions and tourists’ enthu-siasms, as well as representations by ar-tists.“

Neokolonialismus ist eine von marxis-tischen Theoretikern geprägte Bezeich-nung für die Politik entwickelter Industrie-nationen, durch welche die im Verlauf derEntkolonisierung unabhängig gewordenenjungen Staaten der Dritten Welt weiter-hin wirtschaftlich, technisch und indirektauch politisch abhängig gehalten werden(siehe Brockhaus Enzyklopädie 1998,S. 477)

Heute wird der Begriff auf die schein-bar ausweglose Situation der armen Län-der angewandt, die durch eine Kombinati-on von „auswärtiger Intervention und in-nerer Unterdrückung“ eine „ganz alltägli-che Ausbeutung“ (vgl. King und Schneider1991) erfahren.

Summary

Kasten 2

Wichtige theoretische Begriffe: Gentrification, Orientalismus und Neokolonialismus