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Geophysische und klimatische Risiken: Geschichtliche Perspektive Spielten unterschiedliche geophysisch-klimatische Gefahrenniveaus eine Rolle für die unterschiedliche ökonomische Entwicklung in Asien und Europa? 11. Dezember 2006 Didier Anthamatten Reto Graf Cengiz Temel

Geophysische und klimatische Risiken: Geschichtliche Perspektive Spielten unterschiedliche geophysisch-klimatische Gefahrenniveaus eine Rolle für die unterschiedliche

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Geophysische und klimatische Risiken: Geschichtliche Perspektive

Spielten unterschiedliche geophysisch-klimatische Gefahrenniveaus eine Rolle für die unterschiedliche ökonomische Entwicklung in Asien und Europa?

11. Dezember 2006

Didier AnthamattenReto GrafCengiz Temel

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Agenda

These Jones

Gefahrenniveaus Geophysische Gefahrenniveaus Klimatische Gefahrenniveaus

Strategien Demographische Strategie Landwirtschaftliche Strategie Kapitalakkumulation

Schlussfolgerungen

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These von Jones

Hauptthese:

„Kurz gesagt, Europa scheint Umweltvorteile gehabt zu haben, und wenn diese auch nicht spezifische Reaktionen oder überhaupt Reaktionen garantierten, so mag doch ihr Fehlen in Asien eine Entwicklung dort erschwert haben.“

„Europa überrundete Asien und die übrige Welt allmählich mit der Vielfalt seiner Massnahmen gegen Katastrophenvermeidung oder -bekämpfung.“

Jones, E.L., (1987). „Das Wunder von Europa: Umwelt, Wirtschaft und Geopolitik in der Geschichte Europas und Asiens“

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Unterschiedliche Gefahrenniveaus?

Jahr Art Ort Opferzahl

1556 Erdbeben China 830000

1642 Überschwemmung China 300000

1662 Erdbeben China 300000

1737 Orkan Indien 300000

1693 Erdbeben Italien 153000

1730 Erdbeben Japan 137000

1290 Erdbeben China 100000

1730 Erdbeben China 100000

1099 Überschwemmung England/Niederlande 100000

1667 Erdbeben Kaukasus 80000

1727 Erdbeben Iran 77000

1268 Erdbeben Kleinasien 60000

1287 Überschwemmung Niederlande 50000

1755 Erdbeben/Tsunami Portugal 50000

1707 Tsunami Japan 30000

1669 Vulkanausbruch Italien 20000

1780 Orkan Karibik 20000

1783 Vulkanausbruch Island 10000

Todesopfer grosser einzelner Naturkatastrophen, 1000 - 1800

Quelle: Sieferle, R.P. (2006): Skript „Risiko und Geschichte“, Wintersemester 06/07

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Unterschiedliche Gefahrenniveaus?

Indikator für unterschiedliche objektive Gefahrenniveaus:

Fluktuation der Bevölkerungsgrösse in Zusammenhang mit volatileren Umweltbedingungen

Quelle: Sieferle, R.P. (2006): Skript „Risiko und Geschichte“, Wintersemester 06/07

Bevölkerungsentwicklung in China und Europa (in Mio.)

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Geophysische Gefahrenniveaus I/II

Was sind geophysische Katastrophen?

• Erdbeben• Vulkanausbrüche• Seismische Wogen (Tsunami)

Opferzahlen von Erdbeben (1400 – 1700)

• China 1‘230‘000• Indien 300‘000• Europa 110‘000• Naher Osten 77‘000

In China und Indien deutlich höhere Todesopfer

Jones: Primäre und unbeeinflussbare Gefahr „Erdbeben“ hatte grösseren Einfluss in Asien

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Geophysische Gefahrenniveaus II/II

Quelle: http://denali.gsfc.nasa.gov/dtam/seismic/

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Klimatische Gefahrenniveaus I/II

Was sind klimatische Katastrophen?

• Dürren

• Überschwemmungen

• Wirbelstürme, Sturmfluten

• Frost, Hagelschlag

Überschwemmungen kommen in Europa und Asien vor, aber Überflutungen in Asien häufiger

Häufigere Dürreperioden in Asien

• Zwischen 108 vor Chr. bis 1911 beinahe jedes Jahr in einer Provinz eine durch Dürre oder durch Überschwemmung hervorgerufene Hungersnot

Jones: Grössere Klimaschwankungen in Asien führten häufiger zu Klimaextremen

schwierig sich Durchschnittswert von landwirtschaftlicher Produktion zu nähern

Homogenere ökologische Gebiete begünstigen ökonomischen Einfluss von Klimaschwankungen

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Klimatische Gefahrenniveaus II/II

Quelle: http://www.allcountries.org/maps/world_climate_maps.html

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Kritische Würdigung

Indikator für unterschiedliche objektive Gefahrenniveaus:

keine signifikanten Bevölkerungsschwankungen auf Grund von geophysischen und klimatischen Katastrophen sichtbar

Bevölkerungsentwicklung in China und Europa (in Mio.)

Quelle: Sieferle, R.P. (2006): Skript „Risiko und Geschichte“, Wintersemester 06/07

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Strategieentwicklung

Jones geht davon aus, dass unterschiedliche Gefahrenniveaus in Asien und Europa zu unterschiedlichen Strategieentwicklungen geführt haben, die schliesslich die unterschiedliche ökonomische Entwicklung erklären.

Strategien:

Demographische Strategien Landwirtschaftliche Strategien Kapitalakkumulation

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Demographische Strategien

Definition Form Chancen Gefahren

r – Strategie

(Asien)

grosse Mengen von Nachwuchs wenig Investition in einzelnes Exemplar

ein einziger Nachkomme genügt, dass die Gene, die diese Strategie steuern auch in der Zukunftspopulation repräsentiert sind

Patrilineare Grossfamilien bzw. Sippenverbände

Koppelung von Ressourcenverfügung und Familiengrösse ist relativ locker Porftolio-Strategie zur Ruinvermeidung stabile Erwartungen (sehr verlässliche Beziehungen in der Grossfamilie) innerhalb einer stark fluktuierenden Umwelt

Verlust der Autonomie (Versicherungsprämie) malthusianische Krisen Übergang zur Industrialisierung, Individualisierung, Initiative, Rechtsstaat und Markwirtschaft erschwert

K – Strategie

(Europa)

wenig Nachkommen relativ grosse Investitionen (Zeit/Ressourcen) in Humankapital

Kognatische Kern- oder Kleinfamilie

Unabhängigkeit Individualisierung Leistungsprinzip Förderung des Kapitalismus Dualität von Privatsphäre und Öffentlichkeit Nutzen von Personalverband sinkt

gegen Knappheitssituationen sehr sensibel

Nach Jones haben sich aufgrund der unterschiedlichen Gefahrenniveaus in Europa und Asien unterschiedliche demographische Strategien entwickelt

Unterschiedliche Fertilitätsverhalten

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Kritische Würdigung

Grössere Landflächen

zur Ernährung

Grosse Flächen bei

Katastrophen betroffen

Mehr Arbeit zur Reparatur

und Bewirtschaftung benötigt

Grosse Familien

Infantizid in China führt zu Verschiebung der Geschlechterzusammensetzung Minderung der Fertilitätsrate (Annäherung an K-Strategie)

Probleme der r-Strategie nach Pryor

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Landwirtschaftliche Strategie

Europa:

• Regenlandwirtschaft- Geringe Eingriffe in die Agrarlandwirtschaft Felder und

Weiden gegenüber äusseren Schocks sehr elastisch

- Kein grossen Versicherungsprämien

Asien:

• Bewässerungslandwirtschaft - Grosse Flächen werden überflutet und zum Teil über Jahre

unbrauchbar

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Kritische Würdigung I/IV

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Kritische Würdigung II/IV

Fehlende Betrachtung von weiteren Faktoren wie Topographie und evolutionären Prozessen!

Himalaja als Regenfänger

Erosion

Mehr Geschiebe in Flüssen

Veränderung von Flussläufen/höhere Flussläufe

Überschwemmungen

Wasser aus Gebirge und Fluss mit hohem Salz- und Mineralgehalt

Bewässerungslandwirtschaft mit Flusswasser

Unfruchtbare Böden

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Kritische Würdigung III/IV

Jones: Grössere Klimaschwankungen in Asien führten häufiger zu Klimaextremen

Pryor: keine signifikanten Unterschiede von extremen Regenfällen in Europa und Asien

Ratio von extremen Regenmengen:

• Asien: 0.447• Europa: 0.473

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Kritische Würdigung IV/IV

Wahl der Landwirtschatsnutzung suboptimal in Asien?• Bsp: Wasser mit hohem Salzgehalt macht landwirtschaftliche

Flächen unfruchtbar

Wahl des Katastrophenniveaus• Z.B. lieber alle 200 Jahre grosse Überschwemmung (Stabilisation)

oder alle 10 Jahre kleine Überschwemmung?

• Versicherungsprämie in Asien höher

Aber es gibt die Möglichkeit des Infrastrukturbaus und daraus entstehende evolutionäre Entwicklungen

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Kapitalakkumulation

Europa:• Von seinen Umweltbedingungen her, besseren Schutz für

Kapitalgüter als Arbeitskräfte

• klimatische und geophysische Katastrophen weniger

• biologischen und sozialen Katastrophen viel eher betroffen, was aber meistens nur Menschleben kostete und kein Kapital zerstörte (ausser bei Kriegen) Neutronenbomben-Effekt

Asien:• Höheres Ausmass von Katastrophenschäden

• Arbeit und Kapital eher in gleichem Ausmass vernichtet

• Keine qualitative Verbesserung der Kapitalausstattung

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Kritische Würdigung

Landwirtschat

• Bewässerungsanlagen mussten wieder aufgebaut werden

Zeitlicher Vorteil für Europa technologischer Fortschritt

Beispiel der Viehzucht

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Schlussfolgerung

Naturfaktoren (Erdbeben, Klimaextreme) konnten nicht verringert werden, aber sie prämierten den Aufbau von Strategietrajektoren, die schliesslich ein rationaleres Risikokalkül gestatteten

Die Fluktuation der Bevölkerungsgrösse konnte nicht durch volatilere Umweltbedingungen als Indikator für unterschiedliche objektive Gefahrenniveaus erklärt werden

Geophysisch-klimatische Gefahrenniveaus spielten keine signifikante Rolle für die unterschiedliche ökonomische Entwicklung in Asien und Europa

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Vielen Dank für Ihre

Aufmerksamkeit !