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GERIATRIEKONZEPT DES LANDES RHEINLAND-PFALZ

GERIATRIEKONZEPT DES LANDES RHEINLAND-PFALZ · PDF file4 Teil A. Konzeptionelle Grundlagen 1. Kompetenz der Geriatrie als Disziplin Die Sektion Geriatrie der Europäischen Vereinigung

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GERIATRIEKONZEPT

DES LANDES

RHEINLAND-PFALZ

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Vorwort der Ministerin Im Jahr 2020 werden rund 23 Prozent der in Rheinland-Pfalz lebenden Menschen über 65 Jahre alt sein. Die Gruppe der Hochaltrigen (80 Jahre und älter) wird dann die am stärksten gewachsene Bevölkerungsgruppe sein. Ihr Anteil wird von heute etwa 4,9 auf 7,3 Prozent der Bevölkerung ansteigen. Damit wir das Geschenk des längeren Lebens wirklich nutzen können, muss sich unsere Gesellschaft besser auf die spezifischen Bedürfnisse älterer und vor allem hochaltriger Frauen und Männer einstellen. Das gilt besonders für die medizinische Versorgung. Das vorliegende Geriatriekonzept der rheinland-pfälzischen Landesregierung zielt darauf ab, dass die Menschen in unserem Land so lange wie möglich selbstbestimmt leben können. Dauerhafte Pflegebedürftigkeit und den Verlust von Eigenständigkeit wollen wir soweit es geht vermeiden. Zentrales Anliegen dieses Geriatriekonzeptes ist es deshalb, die Versorgungsstruktu-ren in der ambulanten, akutstationären und rehabilitativen Behandlung bedarfsge-recht, aber auch wirtschaftlich weiterzuentwickeln. Im Mittelpunkt stehen dabei - ne-ben der Krankenhausplanung - eine stärkere Vernetzung relevanter Strukturen und eine bessere Fort- und Weiterbildung. Ich möchte unsere Partnerinnen und Partner im rheinland-pfälzischen Gesundheits-wesen dafür gewinnen, sich im Dialog mit uns für eine flächendeckende und hoch-wertige geriatrische Versorgung der Menschen einzusetzen. Lassen Sie uns ge-meinsam aktiv werden, um den Frauen und Männern in unserem Land bis ins hohe Alter hinein eine gute Lebensqualität zu ermöglichen.

Malu Dreyer Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familie und Frauen des Landes Rheinland-Pfalz

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Inhalt

Teil A. Konzeptionelle Grundlagen...............................................................................4

1. Kompetenz der Geriatrie als Disziplin ................................................................. 4 2. Definition der geriatrischen Patientin und des geriatrischen Patienten................ 5 3. Demografische Entwicklung ................................................................................ 6 4. Rahmenbedingungen auf Bundes- und Landesebene ........................................ 7 5. Aktuelle Versorgungssituation und Versorgungsstrukturen in Rheinland-Pfalz ... 8 6. Gründe und Ziele einer bedarfsgerechten Weiterentwicklung der

geriatrischen Versorgung in Rheinland-Pfalz .................................................... 13 6.1. Gründe ....................................................................................................... 13 6.2. Ziele ........................................................................................................... 14

7. Strukturen der geriatrischen Versorgung........................................................... 18 7.1. Ambulante Versorgung............................................................................... 19 7.2. Akutstationäre Versorgung......................................................................... 20 7.3. Rehabilitation ............................................................................................. 21

8. Qualitätssicherung............................................................................................. 22 9. Fort- und Weiterbildung im medizinischen Bereich ........................................... 23 Teil B: Standortauswahl und Konsequenzen für die Krankenhausplanung...............25

1. Bedarfsprognose zur klinischen Geriatrie.......................................................... 26 2. Kriterien zur Ausweisung akutstationärer Kapazitäten ...................................... 30 3. Merkmale für geriatrische Hauptfachabteilungen und

Allgemeinkrankenhäuser mit geriatrischer Kompetenz ..................................... 32 4. Festlegung der Standorte zur Ausweisung akutstationärer

Geriatrie-Kapazitäten......................................................................................... 33 4.1. Hauptfachabteilungen Geriatrie in den Ballungsregionen .......................... 34 4.2. Regionalisierte Bedarfsdeckung in der Fläche durch die Ausweisung

von Standorten mit Allgemeinkrankenhäusern mit geriatrischer Kompetenz ................................................................................................. 35

4.3. Bildung von Netzwerken............................................................................. 35 5. Zusammenfassung der Auswirkungen der vorgeschlagenen Maßnahmen auf den Krankenhausplan und die geriatrische Versorgungsquote ................................ 37

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Teil A. Konzeptionelle Grundlagen

1. Kompetenz der Geriatrie als Disziplin

Die Sektion Geriatrie der Europäischen Vereinigung der Fachärzte beschreibt die

Kompetenz der Geriatrie als medizinische Spezialdisziplin, die sich mit physischen,

psychischen, funktionellen und sozialen Aspekten bei der medizinischen Betreuung

älterer Menschen befasst. Dazu gehört die Behandlung alter Patientinnen/Patienten

bei

• akuten Erkrankungen

• chronischen Erkrankungen

• präventiver Zielsetzung

• (früh-)rehabilitativen Fragestellungen und

• speziellen, auch palliativen Fragestellungen am Lebensende.

Diese Gruppe älterer Patientinnen und Patienten weist eine hohe Verletzbarkeit

(Vulnerabilität) auf und leidet an multiplen Krankheiten. Sie ist deshalb auf eine um-

fassende Betreuung angewiesen. Krankheiten im Alter können sich different präsen-

tieren und sind deshalb oft besonders schwierig zu diagnostizieren. Das Ansprechen

auf Behandlung ist oft verzögert und häufig besteht ein Bedarf nach gleichzeitiger

sozialer Unterstützung.

Geriatrische Medizin geht daher über einen organzentrierten Zugang hinaus und bie-

tet zusätzliche Behandlung in einem interdisziplinären Team an. Hauptziel dieser

Behandlung ist die Optimierung des funktionellen Status der älteren Patientinnen und

Patienten mit Verbesserung der Lebensqualität und Selbstbestimmung.

Die geriatrische Medizin ist zwar nicht spezifisch altersdefiniert, konzentriert sich je-

doch auf typische, bei älteren Patientinnen und Patienten gefundene Erkrankungen.

Die meisten Patientinnen und Patienten sind über 65 Jahre alt. Patientinnen und Pa-

tienten, die am meisten von der geriatrischen Spezialdisziplin profitieren, sind in der

Regel 80-jährig und älter. Die akutstationäre und rehabilitative Versorgung älterer

und hochaltriger Menschen ist primär auf den Erhalt von Selbstständigkeit fokussiert

und damit darauf ausgerichtet, Pflegebedürftigkeit und soziale Isolierung zu vermei-

den oder hinauszuzögern.

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Prinzipien der geriatrischen Behandlung sind die umfassende Beurteilung der Patien-

tinnen und Patienten im Rahmen des geriatrischen Assessments in Bezug auf A-

namnese, Körper- und Geisteszustand und ihre Fähigkeiten zur Bewältigung der Ak-

tivitäten des täglichen Lebens im individuellen sozialen Lebensumfeld.

Daraus folgt die Aufstellung eines individuellen Behandlungs- bzw. Rehabilitations-

plans. Die Umsetzung obliegt dem interdisziplinär aufgestellten, geriatrischen Be-

handlungsteam, welches unter ärztlicher Leitung und Verantwortung eines Geriaters

steht. Zu dem geriatrischen Team gehören vor allem der geriatrisch geschulte Arzt

(Facharzt mit spezifischer Weiterbildung in Geriatrie), die aktivierend-therapeutische

Pflege, das nichtärztliche Therapeutenteam (Ergotherapeuten, Logopäden, Physio-

therapeuten) und Psychologen. Hinzu kommt gegebenenfalls noch eine Unterstüt-

zung durch Sozialarbeiter.

Das multiprofessionelle Team stellt dabei die Basis einer jeden geriatriespezifischen

Behandlung dar, unabhängig davon, in welcher Versorgungsform (von ambulant bis

stationär) und auf welcher sozialrechtlichen Grundlage die Behandlung erfolgt.

2. Definition der geriatrischen Patientin und des geriatrischen Patienten

Alter und Krankheit sind zwar nicht per se miteinander verknüpft, aber im Alter treten

bestimmte Krankheiten gehäuft auf, weshalb die Multimorbidität ein Charakteristikum

der alten Patientin und des alten Patienten ist. Die Geriatrie ist spezialisiert auf die

Behandlung alter, multimorbider und von Pflegebedürftigkeit bedrohter Patientinnen

und Patienten. Der „geriatrische Patient“ wurde 2007 von den geriatrischen wissen-

schaftlichen Fachgesellschaften und der Trägergesellschaft geriatrischer Einrichtun-

gen definiert, wobei die seit 1995 bestehende Definition des Medizinischen Dienstes

der Spitzenverbände der Krankenkassen aufgenommen und ergänzt wurde.

Ein geriatrischer Patient bzw. eine geriatrische Patientin ist definiert durch eine geri-

atrietypische Multimorbidität und ein höheres Lebensalter (überwiegend 70 Jahre

oder älter). Die geriatrietypische Multimorbidität hat im Sinne des biologischen Alters

Vorrang vor dem kalendarischen Alter.

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Typische Syndrome sind:

• Immobilität,

• Sturzneigung und Schwindel,

• kognitive Defizite,

• Inkontinenz (Harninkontinenz, selten Stuhlinkontinenz),

• Wundliegen (Dekubitalulcera),

• Fehl- und Mangelernährung,

• Störungen im Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt,

• Depression, Angststörung,

• chronische Schmerzen,

• Sensibilitätsstörungen,

• herabgesetzte körperliche Belastbarkeit/Gebrechlichkeit,

• starke Sehbehinderung, ausgeprägte Schwerhörigkeit.

3. Demografische Entwicklung

Der bekannte demografische Trend des Anwachsens der Bevölkerungsanteile im

höheren Lebensalter wurde auch für Rheinland-Pfalz durch die jüngste Studie des

Statistischen Landesamtes bestätigt (Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz 2007:

RHEINLAND-PFALZ 2050, S. 132). Je nach dem, welche der betrachteten Progno-

sevarianten zur Abschätzung der älteren (65 Jahre und älter) und Hochbetagten (80

Jahre und älter) herangezogen wird, ergibt sich folgendes Bild der Entwicklung bis

zum Jahr 2020 (Tabelle 1):

1. Ein Anstieg der älteren Bevölkerungsanteile von ca. 20 Prozent im Basisjahr

2006 auf ca. 23 Prozent. In absoluten Zahlen ausgedrückt, wächst die Perso-

nengruppe von 815.000 Personen im Jahr 2006 auf bis zu 909.000 Personen

im Jahr 2020 an.

2. Ein Anstieg der hoch betagten Bevölkerungsanteile von knapp 5 Prozent in

2006 auf etwas über 7 Prozent. Absolut steigt damit die Zahl der hoch betag-

ten von knapp 200.000 Personen auf eine Zahl zwischen 284.500 und

286.000 Personen.

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Dieser demographische Trend, vor allem bei den hoch betagten Personen, setzt sich

nach den Daten des Statistischen Landesamtes in den Jahren nach 2020 nochmals

verstärkt fort. Hier wächst die Zahl der Einwohner (80 Jahre und älter) in der Mittle-

ren Prognosevariante auf 339.000 im Jahr 2035 und auf fast 500.000 im Jahr 2050

an (Tabelle 2).

Bei der Bewertung dieses demographischen Trends für den zukünftigen geriatri-

schen Versorgungsbedarf ist die Entwicklungsprognose der hoch betagten Bevölke-

rung deutlich stärker zu gewichten. Bei allen Prognosevarianten insgesamt sinkt die

Gesamtbevölkerung und die Zahl der Hochbetagten steigt im Vergleich zum Basis-

jahr 2006 um rund 43 Prozent bis 2020, 70 Prozent bis 2035 und fast 150 Prozent

bis 2050 an.

Tabelle 1: Bevölkerung 2006 – 2050 nach Altersgruppen, Anteile an der Bevölkerung in Prozent (Mittlere Variante) Altersgruppe 2006 2020 2035 2050

65 Jahre und älter 20,1 23,1 30,5 32,6 80 Jahre und Älter 4,9 7,3 9,1 14,1

Tabelle 2:Bevölkerung 2006 – 2050 nach Altersgruppen, absolute Zahlen (Mittlere Variante) Altersgruppe 2006 2020 2035 2050

65 Jahre und älter 814.879 905.046 1.130.518 1.125.964 80 Jahre und Älter 198.985 285.661 338.669 487.583

4. Rahmenbedingungen auf Bundes- und Landesebene

Bei geriatrischen Patienten besteht - aufgrund von Multimorbidität und Komplikatio-

nen - die Notwendigkeit gleichzeitiger akutmedizinischer Behandlung bzw. Überwa-

chung und frührehabilitativer Maßnahmen. Dabei können die Anteile im Behand-

lungsverlauf unterschiedlich gewichtet sein. Damit befinden sich die geriatrische Pa-

tientin und der geriatrische Patient mit ihren wechselnden Behandlungsschwerpunk-

ten leistungsrechtlich an der Schnittstelle zwischen Akut- und Rehabilitationsbehand-

lung.

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Diese Besonderheiten haben u. a. dazu geführt, dass es für die stationäre Versor-

gung der geriatrischen Patientinnen und Patienten in der Bundesrepublik Deutsch-

land mit Einrichtungen nach § 108 SGB V (Akutgeriatrie, ggf. einschließlich umfas-

sender Anschlussrehabilitation) und Einrichtungen nach § 111 SGB V (Geriatrische

Rehabilitation) zwei Strukturtypen mit unterschiedlichen Modalitäten der Patienten-

und Rehabilitandenzuweisung gibt.

Im föderalen System der Bundesrepublik Deutschland gibt es historisch und politisch

bedingte Strukturdifferenzen in der stationären Versorgung geriatrischer Patientinnen

und Patienten, die sich in den jeweiligen Versorgungskonzepten bzw. Geriatrieplä-

nen manifestieren. In einigen Bundesländern gibt es ausschließlich geriatrische Ab-

teilungen in Akutkrankenhäusern (Hessen), in anderen Bundesländern findet eine

spezielle geriatrische Behandlung nur in Rehabilitationskliniken statt und schließlich

finden sich Bundesländer mit einer unterschiedlich gewichteten Mischstruktur von

Einrichtungen bis hin zur Existenz von Kliniken mit geriatrischen Abteilungen nach §§

108 und 111 SGB V unter einem Dach (Niedersachsen). Nur wenige Bundesländer

haben bisher den Ansatzpunkt gewählt, Geriatrie dual und differenziert abgestuft im

Akut – wie im Rehabereich abzubilden.

5. Aktuelle Versorgungssituation und Versorgungsstrukturen in Rheinland-Pfalz

Rheinland-Pfalz ist in Abgrenzung zu den meisten anderen Bundesländern dadurch

gekennzeichnet, dass mit Ausnahme der Modelleinrichtungen in Mainz und Bad

Neuenahr keine geriatrischen Fachabteilungsstrukturen an den Akutkrankenhäusern

im Krankenhausplan des Landes ausgewiesen sind. Das Land hat bei der Versor-

gung dieser Patientengruppe in der Vergangenheit in Abstimmung mit den Kranken-

kassen den besonders dafür ausgestatteten Rehakliniken in Bad Münster am Stein,

Baumholder, Betzdorf, Burgbrohl, Nassau und Trier auch die frührehabilitative Be-

handlungsphase überantwortet (Abbildung 1). Diese Zuordnung der spezifischen Be-

handlungsplätze überwiegend im rehabilitativen Sektor war eine konsequente Ent-

scheidung unter den Ende der 90er Jahre bestehenden Rahmenbedingungen.

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Akutstationäre Versorgung

Im Rahmen des Krankenhausplanes 2003 wurde eine geriatrische Hauptfachabtei-

lung einschließlich einer geriatrischen Schlaganfalleinheit als Modellprojekt am Ka-

tholischen Klinikum in Mainz eingerichtet. Die ursprünglich 30 Betten umfassende

akutstationäre geriatrische Abteilung wurde zwischenzeitlich um weitere 30 Betten

auf nunmehr insgesamt 70 Betten ausgeweitet (Tabelle 3). Dieser Standort leistet

zum Teil auch in Kooperation mit der Universitätsmedizin in Mainz wichtige Aufgaben

in der Entwicklung und Evaluation akut geriatrischer Versorgungsstrukturen sowie in

der Aus-, Fort- und Weiterbildung. Modellhaft wurde in der Vergangenheit an einem

zweiten Standort, dem Marienhausklinikum in Bad Neuenahr/Ahrweiler, ein akutgeri-

atrisches Angebot eingerichtet. Am Krankenhaus zum Guten Hirten in der Stadt

Ludwigshafen sowie am Diakonissen-Stiftungs-Krankenhaus in Speyer befindet sich

jeweils eine Internistische Abteilung mit einem Schwerpunkt für Altersmedizin.

Stationäre Rehabilitation

Aufgrund der politischen Entscheidung in Rheinland-Pfalz, zunächst keine Kranken-

hausbetten für die geriatrische Behandlung auszuweisen, wurden Patientinnen und

Patienten, die die Kriterien der Frührehabilitation wie auch der Rehabilitation erfüll-

ten, in geriatrischen Rehabilitationskliniken nach §111 SGB V behandelt.

Die Auswertung der rehabilitationsrelevanten Daten (Verlaufsstatistik EVA-Reha des

Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Rheinland-Pfalz) der Rehabilitan-

den zeigt, dass zunehmend mehr Patientinnen und Patienten der (neurologischen)

Phase B (Frührehabilitation) zuzuordnen sind als noch 2006 und 2007. Bei diesen

Patientinnen und Patienten, vor allem in der Phase B, besteht in hohem Maße akut-

medizinischer Behandlungsbedarf aufgrund von z. B. Kardialen Dekompensationen,

Niereninsuffizienz, Pneumonien durch Aspiration bei Dysphagie einschließlich PEG

Anlage, entgleister Diabetes mellitus, intensive Wundbehandlung etc., so dass be-

reits jetzt Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit vorliegt und auch eine Kranken-

hausbehandlung durchgeführt wird.

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Tabelle 3: Stationäre und teilstationäre geriatrische Versorgungskapazitäten in Rheinland-Pfalz

Einrichtung akutstationäre Behand-lungsplätze

rehabilitative Behand-lungsplätze

Tagesklini-sche Plätze im Akutbe-reich

Tagesklinische Plätze im Rehabereich

Katholisches Klinikum Mainz

70 *

Marienhaus Klinikum Bad Neuenahr

30

Fachklinik Baumholder 60 15

Geriatrische Rehaklinik Bad Münster am Stein

80 5

Brohltalklinik Burgbrohl 70 15

Fachklinik für Geriatrie St. Josef, Betzdorf

40

Marienkrankenhaus Nassau

35 35 10

Geriatrische Rehaklinik St. Irminen, Trier

80 20

Kreiskrankenhaus Grünstadt

12

Diakonie-Stiftungskrankenhaus Speyer

12

Summe 135 365 12 77

*) einschl. 10 Betten Schlaganfalleinheit

Teilstationäre Versorgung in Tageskliniken

In Rheinland-Pfalz existieren bisher teilstationäre Versorgungsstrukturen an allen

geriatrischen Rehakliniken des Landes (Tabelle 3). Die in einigen anderen Ländern

vorhandenen teilstationären Strukturen an den Akutgeriatrien sind weder in Mainz

noch in Bad Neuenahr vorhanden. Angesichts der Komplexität der Erkrankungen

und der damit verbundenen umfassenden Einschränkungen in den Alltagskompeten-

zen ist ein weiterer Ausbau der teilstationären Kapazitäten in der akutstationären Be-

handlungsphase nicht geplant.

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Abbildung 1: Geriatrische Akutversorgung und Rehabilitation in Rheinland-Pfalz

Ambulante Versorgung

Mehr als die Hälfte der Patientinnen und Patienten in Hausarztpraxen ist über 65

Jahre alt. Vor allem in Verdichtungsgebieten leben diese Patientinnen und Patienten

oft allein in eigenen Wohnungen, versorgen sich selbst oder werden von Angehöri-

gen oder Sozialstationen betreut. Viele ältere Menschen leben aber auch in Heimen

der Altenpflege oder in betreuten Wohngemeinschaften. Es ist Aufgabe der Hausärz-

tin und des Hausarztes, nicht nur die akuten chronischen Erkrankungen, sondern

auch grundsätzlich die geriatrischen Erkrankungen zu behandeln.

Die Versorgung geriatrischer Patientinnen und Patienten ist oft zeitaufwändig und

läuft gleichberechtigt neben der Behandlung der Patientinnen und Patienten anderer

Altersgruppen ab. Sie erfordert das Engagement des gesamten Praxisdienstes. Die

Therapie hoch betagter Patientinnen und Patienten ist häufiger symptomorientiert

und ein kurativer Therapieansatz steht oft nicht im Vordergrund.

Baumholder

Trier

Burgbrohl Nassau

Bad Münster am Stein

Betzdorf

Mainz

Bad Neuenahr

Landkreis Vulkaneifel

Eifelkreis Bitburg- Prüm

Landkreis Südwestpfalz

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Zudem erfordern relativ frühzeitige Entlassungen aus den Akutkrankenhäusern be-

sondere Leistungen der Hausärztinnen und Hausärzte. Medikamentenunverträglich-

keiten können auftreten, wenn alte Medikamentenbestände übrig bleiben und ver-

wendet werden. Zudem könnte die neue, durch das Krankenhaus indizierte Therapie

teurer sein. All dies zeigt die Notwendigkeit, die Kooperation zwischen dem Kran-

kenhaus und dem ambulant behandelnden Arzt eng zu gestalten.

Die Behandlung geriatrischer Patientinnen und Patienten im niedergelassenen ärztli-

chen Bereich ist zu verbessern. Es fehlen besonders qualifizierte Hausärztinnen und

Hausärzte sowie Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmediziner, die die Basis

einer flächendeckenden geriatrischen Versorgung darstellen. In Rheinland-Pfalz gibt

es derzeit fast 100 Ärztinnen und Ärzte (Stand 2.10.2009, Landesärztekammer), die

eine abgeschlossene Weiterbildung zur Geriaterin bzw. zum Geriater absolviert ha-

ben.

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6. Gründe und Ziele einer bedarfsgerechten Weiterentwicklung der geriatri-schen Versorgung in Rheinland-Pfalz

Zur schlüssigen Entwicklung zukünftiger geriatrischer Versorgungsstrukturen werden

zunächst die Gründe für die Notwendigkeit der Weiterentwicklung dargelegt und an-

schließend die Ziele einer solchen Weiterentwicklung benannt.

6.1. Gründe

Zusammenfassend sind die folgenden Gründe maßgeblich für die notwendige Wei-

terentwicklung der geriatrischen Versorgungsstrukturen im Land Rheinland-Pfalz:

1. Die durch die veränderten gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht mehr

sachgerechte Zuordnung der stationären geriatrischen Behandlung nahezu

ausschließlich zu den Rehabilitationskliniken.

2. Der im bundesweiten Vergleich und im Ergebnis der Bedarfsprognose (vgl.

Teil B dieses Konzeptes) vorhandene Versorgungsbedarf vor allem bei den

akutstationären geriatrischen Kapazitäten.

3. Der erhebliche Bedarf geriatrisch qualifizierter Haus- und Fachärztinnen und -

ärzte.

4. Die unzureichende Vernetzung zwischen ambulantem und stationärem Sek-

tor.

Mit Einführung des DRG-Systems und der anschließenden Definition (OPS 8-550)

spezifischer DRGs zur Behandlung geriatrischer Patientinnen und Patienten verän-

dert sich auch die Versorgungsrealität für die betroffenen Patientinnen und Patienten.

Das bundesweit geltende Fallpauschalensystem zur Vergütung der akutstationären

Krankenhausbehandlung hat sich mit der Entscheidung, die frührehabilitative Be-

handlung als spezifische DRG im Akutkrankenhaus abzubilden, an den Versor-

gungskonzepten in anderen Bundesländern orientiert.

Es ist unübersehbar, dass auch die geriatrischen Patientinnen und Patienten auf-

grund der sinkenden Verweildauern in den Akutkrankenhäusern frühzeitiger als in

der Vergangenheit und mit einem entsprechend höheren akutstationären Versor-

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gungsbedarf in die besonders qualifizierten Rehakliniken des Landes entlassen wer-

den. Dies führt heute bereits dazu, dass der Anteil an Patientinnen und Patienten mit

akutmedizinischem Versorgungsbedarf im Rahmen der Frührehabilitation in den be-

sonders qualifizierten Rehaeinrichtungen zunimmt. In vielen Fällen müssen Patien-

tinnen und Patienten im Rahmen der Frührehaphase erst „rehafähig“ gemacht wer-

den, um dann anschließend mit dem normalen geriatrischen Rehabilitationspro-

gramm starten zu können.

6.2. Ziele

Im Vordergrund der zukünftigen Versorgungsstruktur stehen die Patientinnen und

Patienten und der an ihrem Behandlungsbedarf orientierte Weg in die ambulante,

voll- oder teilstationäre Versorgung. Auch für die Behandlung geriatrischer Patientin-

nen und Patienten gelten die Grundsätze „ambulant vor stationär“, „Reha vor Pflege“

und „präventiv vor kurativ“ uneingeschränkt.

Mit der Entwicklung wirksamer Strukturen in der geriatrischen Versorgung sind fol-

gende Ziele verbunden:

1. Ambulante Behandlung soll soweit wie möglich Vorrang vor stationären Thera-

pien haben.

2. Dauerhafte Pflegebedürftigkeit soll durch geriatrische Akutbehandlung und Reha-

bilitation vermieden werden.

3. Die Wohnortnähe der Behandlung soll durch ein differenziertes Angebot unter der

Abwägung wirtschaftlicher Gesichtspunkte erreicht werden.

4. Die Behandlungsstrukturen sollen anerkannten Qualitätsstandards entsprechen.

5. Die besonders qualifizierten stationären und ambulanten Strukturen sollen als

Fort- und Weiterbildungsstellen zur Nachwuchsförderung sowie zur Fortbildung

dienen.

6. Die Vernetzung von ambulantem und stationärem Sektor soll gefördert werden.

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Lückenlose Behandlungskette

Im Interesse der Patientinnen und Patienten, aber auch im Sinne einer wirtschaftli-

chen Entscheidung ist es erforderlich, eine schlüssige und möglichst lückenlose Be-

handlungskette von der ambulanten über die akutstationäre und rehabilitative Phase

der Behandlung geriatrischer Patientinnen und Patienten zu definieren.

Die Weichenstellung in die geriatriespezifische Versorgungsstruktur sollte dabei in

erster Linie von der Hausärztin bzw. dem Hausarzt gestellt werden. Sie bzw. er kennt

die Patientinnen und Patienten und kann differenziert entscheiden, ob eine rehabilita-

tive Behandlung bei drohender oder chronisch schleichender Entwicklung angezeigt

ist oder eine akute Verschlechterung besteht, die mit ambulanten Maßnahmen nicht

hinreichend beherrschbar ist und somit eine stationäre Akutbehandlung erforderlich

macht. Die Hinzuziehung einer Geriaterin oder eines Geriaters ist wünschenswert.

Dies gilt vor allem auch für den Bereich der Notfallaufnahme, wobei bei einem rele-

vanten Anteil von hochaltrigen Patientinnen und Patienten im Krankenhaus die re-

gelhafte Einbindung eines Geriaters in die Notfallaufnahme als Qualitätskriterium in

der Krankenhausbehandlung zu werten ist.

Grundsätzlich gilt: Je komplexer in ihrer Therapie und je seltener bestimmte Behand-

lungsfelder zu erbringen sind, umso mehr spricht für eine Zentralisierung von Leis-

tungsangeboten, um die Zielsetzungen Wirtschaftlichkeit und Qualität erreichen zu

können. Es gilt abzuwägen, wie eine regionalisierte Versorgung realisiert werden

kann.

Das gesundheitspolitische Ziel der Wohnortnähe entsprechender Versorgungsange-

bote für die Patientinnen und Patienten muss bei allen Strukturentwicklungen mit den

gleichfalls bestehenden Zielen einer wirtschaftlichen und qualitätsgesicherten Leis-

tungserbringung in Übereinstimmung gebracht werden. Das gilt auch für das verbrief-

te Wunsch- und Wahlrecht der Patientinnen und Patienten bezüglich der Behand-

lungseinrichtung.

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Es ist unumgänglich, durch Kooperationsverträge der Vertragspartner (geriatrische

Akutkrankenhäuser, geriatrische Rehabilitationskliniken und Kostenträger) eine für

die Patientinnen und Patienten reibungslose Anschlussrehabilitation zu ermöglichen.

Qualitätssicherung

Die Behandlung geriatrischer Patientinnen und Patienten muss durch Vorgaben der

Strukturqualität und durch die Messung der Ergebnisqualität begleitet werden. Ent-

sprechende Definitionen und Verfahren dazu sind etabliert und müssen flächende-

ckend eingefordert werden.

Netzwerkbildung

Geriatrische Behandlung auf qualitativ hohem Niveau bedarf in besonderer Weise

einer sektorenübergreifenden und interdisziplinären Zusammenarbeit. Diese ist zwar

an einzelnen Standorten unterschiedlich gut ausgeprägt, eine strukturierte Zusam-

menarbeit findet jedoch bisher noch nicht im angemessenen Rahmen statt. Die Ü-

bergänge der verschiedenen Behandlungsphasen geriatrischer Versorgung müssen

nahtlos organisiert sein. Dazu bedarf es klarer Absprachen, Verantwortungszuwei-

sungen und regionaler Zusammenarbeit (Netzwerke).

Innerhalb dieses Versorgungsnetzwerkes muss sichergestellt werden, dass die Be-

handlung qualitätsgesichert erfolgt. Dies setzt eine gefestigte und strukturierte Netz-

werkstruktur ebenso voraus wie auch die verpflichtende Qualitätskontrolle auf allen

Stufen der geriatrischen Behandlung. Auch in Allgemeinkrankenhäusern, in denen

keine ausgewiesene geriatrische Behandlungskompetenz vorhanden ist, muss si-

chergestellt sein, dass geriatrische Patientinnen und Patienten frühzeitig als solche

diagnostiziert und, sofern erforderlich, in ein spezialisiertes geriatrisches Akutkran-

kenhaus verlegt werden.

Die notwendigen Kompetenzen (personell wie infrastrukturell) zur qualitätsgesicher-

ten geriatrischen Behandlung sind derzeit flächendeckend nicht vorhanden und kön-

nen auch kurzfristig nicht hergestellt werden. Das dringend erforderliche geriatrisch

qualifizierte Personal muss sich in den dafür geeigneten Krankenhäusern und Reha-

bilitationseinrichtungen strukturiert fort- und weiterbilden können. Diese Fort- und

Weiterbildung muss deshalb Teil eines umfassenden Geriatriekonzeptes sein.

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Grundsätzlich sollten alle Krankenhäuser, die geriatrische DRG’s abrechnen, mit

Hausärztinnen und Hausärzten zusammenarbeiten. Eine wirksame Vernetzung geri-

atrischer Kompetenzen ist unerlässlich für eine gute Behandlung. Die Einbindung der

Geriatrie in ambulante und Sektoren übergreifende Versorgungssysteme soll nicht

nur zu einer besseren Versorgung bereits erkrankter älterer Bürgerinnen und Bürger

beitragen. Ebenso wichtig wird in Zukunft die Prävention, die sogenannte Geropro-

phylaxe, sowie die Beratung und Betreuung von Angehörigen sein. Geriatrische

Netzwerke sind hier besonders geeignet, entsprechende Aktivitäten zu bündeln.

Sicherung des Bedarfs

Berechnungen führen zu einem zusätzlichen akutgeriatrischen stationären Versor-

gungsbedarf im Umfang von rund 500 Behandlungsplätzen bis 2020 (siehe Teil B).

Die Bedarfsdeckung wird durch die Neuordnung der geriatrischen Versorgungsstruk-

turen auf der Ebene der Krankenhausplanung vorgenommen.

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7. Strukturen der geriatrischen Versorgung

Im Folgenden sollen die geplanten konkreten Bausteine einer bedarfsgerechten Ver-

sorgungsstruktur und deren Aufgaben im zu entwickelnden Netzwerk näher definiert

werden. Die regionalisierte Versorgung kann mithilfe des vorliegenden Konzeptes

durch eine verbesserte Versorgungsstruktur im ambulanten Sektor (vgl. 7.1) und

durch die Netzwerkbildung zwischen den spezialisierten Hauptfachabteilungen Ge-

riatrie in den fünf Ballungs- bzw. Oberzentren des Landes und den sonstigen

Allgemeinkrankenhäusern mit geriatrischer Kompetenz des Landes hergestellt wer-

den (vgl. 7.2). Regionalisierte Versorgung bedeutet in diesem Fall die wohnortnahe

flächendeckende Kompetenz in der Identifikation (Diagnostik) geriatrischer Patientin-

nen und Patienten und deren reibungslosen Transfer in entsprechend qualifizierte

Versorgungsangebote, sofern erforderlich.

Ähnliches gilt für den ambulanten Sektor, wo durch ein möglichst flächendeckendes

Netz besonders qualifizierter Hausärztinnen und Hausärzte gewährleistet werden

soll, dass der geriatrische Versorgungsbedarf frühzeitig erkannt und sichergestellt

werden kann.

Bei eventuell zum Ende der Krankenhausbehandlung noch bestehendem stationä-

rem oder teilstationärem Rehabilitationsbedarf ist konzeptionell ein nahtloser Über-

gang in die geriatrische Anschlussrehabilitation zu schaffen, damit die bestehenden

Potenziale der Patientinnen und Patienten bestmöglich genutzt werden können.

Das Versorgungskonzept berücksichtigt die Prüfung des Kostenträgers bezüglich der

Voraussetzungen der Regelleistung Rehabilitation vor deren Beginn. Dabei wird bei

der Auswahl der Rehabilitationseinrichtung in besonderem Maße den Aspekten der

fachlichen Qualifikation sowie der strukturellen Voraussetzungen der Einrichtung Be-

achtung geschenkt.

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7.1. Ambulante Versorgung

Hausärzte und geriatrische Schwerpunktpraxen

Die ambulante Versorgung geriatrischer Patientinnen und Patienten obliegt wie in

allen Bundesländern so auch in Rheinland-Pfalz den Hausärztinnen und Hausärzten.

Ihre Aufgabe ist es, einen möglicherweise vorhandenen geriatrischen Versorgungs-

bedarf frühzeitig zu erkennen und in ihrer Lotsenfunktion spezialisierte Kompetenzen

im ambulanten Sektor (Fachärztinnen und Fachärzte) oder soweit erforderlich auch

eine geriatrische Akutbehandlung oder Rehabilitation im stationären oder teilstationä-

ren Sektor einzuleiten. In enger Kooperation stehen die zur Behandlung geriatrischer

Patientinnen und Patienten erforderlichen komplementären Therapiebereiche (Phy-

siotherapie, Logopädie, Ergotherapie, Pflege- und Sozialdienst). Zur entsprechenden

Feststellung eignen sich besondere diagnostische Methoden (geriatrisches Basisas-

sesment), die im Rahmen von Fortbildungen vermittelt werden.

Zur Zeit gibt es in Rheinland-Pfalz noch keine geriatrischen Schwerpunktpraxen, de-

ren Etablierung jedoch die bedarfsgerechte Versorgung der geriatrischen Patientin-

nen und Patienten verbessern würde. Die fachärztliche geriatrische Schwer-

punktpraxis stellt die zweite Stufe der ambulanten Versorgungsstrukturen dar. Sie

soll mit den jeweiligen Hausärztinnen und Hausärzten in der Region ebenso eng zu-

sammenarbeiten wie mit den stationären Versorgungseinrichtungen. Die Kooperation

muss dabei ausdrücklich auch die Akutkrankenhäuser betreffen, die nicht über eige-

ne spezialisierte geriatrische Kompetenzen verfügen. Hier sind im Sinne einer Netz-

werkbildung idealerweise geriatrische Konsile zu etablieren, um Patientinnen und

Patienten mit entsprechendem Weiterbehandlungsbedarf im ambulanten und rehabi-

litativen Sektor frühzeitig zu identifizieren.

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7.2. Akutstationäre Versorgung

Die spezialisierte geriatrische Akutversorgung soll zukünftig in

1. Hauptfachabteilungen Geriatrie (in den Oberzentren) und in

2. Allgemeinkrankenhäusern mit besonderer geriatrischer Kompetenz und entsprechendem Versorgungsauftrag (in der Fläche)

geleistet werden. Die Geriatrie ist ein spezialisiertes Leistungsangebot, dessen Er-

bringung durch die Vielfalt der komplementären therapeutischen Angebote komplex

ist. Deshalb können qualitativ hochwertige geriatrische Leistungen nicht an jedem

Grundversorgungskrankenhaus des Landes Rheinland-Pfalz erbracht werden. Be-

reits die Tatsache, dass eine Vielzahl komplementärer therapeutischer Angebote

vorgehalten werden muss (Logopädie, Ergotherapie, Physiotherapie), spricht gegen

eine flächendeckende Angebotsvorhaltung.

Für eine Weiterentwicklung in der Geriatrie sind vor allem vier Gründe relevant:

1. Die Zusammenarbeit beider Sektoren (Akut und Reha) durch eine sehr

enge Kooperation im Rahmen eines geriatrischen Netzwerkes steht in

Übereinstimmung mit der patientenorientierten Zielsetzung, Behand-

lungsbrüche zu vermeiden. Dies ist gerade in der Geriatrie von beson-

derer Bedeutung.

2. Die für die zukünftige akutstationäre Versorgung erforderlichen perso-

nellen Kompetenzen, vor allem auf der Ebene der fachärztlichen Geria-

terinnen und Geriater, sind zur Zeit begrenzt. Sie sind in den Rehaklini-

ken vorhanden und werden auch zukünftig dort gebraucht. Die Zusam-

menarbeit von Reha- und Akutbehandlung innerhalb der Netzwerke er-

öffnet die Möglichkeit, diese Kompetenzen für beide Versorgungsberei-

che dort zu nutzen, wo dies erforderlich und für die Patientinnen und

Patienten nützlich ist.

3. Die durch die Zusammenarbeit in den geriatrischen Netzwerken ent-

stehenden geriatrischen Kompetenzen sind in besonderer Weise ge-

eignet, die dringend notwendigen Fort- und Weiterbildungsaktivitäten zu

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entfalten und den in Fort- und Weiterbildung befindlichen Personen eine

große Bandbreite der Versorgungsrealität zu vermitteln.

4. Die Bestätigung der in den Rehaeinrichtungen vorhandenen Behand-

lungskompetenz durch den MDK Rheinland-Pfalz (EVA-Reha) und die

ausgewiesene geriatrische Expertise zeigen deren Leistungsfähigkeit

auch in den frührehabilitativen Behandlungsphasen.

Die zukünftig für die akutstationäre Versorgung verantwortlichen Hauptfachabteilun-

gen Geriatrie und bestimmte Allgemeinkrankenhäuser mit geriatrischer Kompetenz

sind durch eine umfassende geriatrische und komplementäre Versorgungsstruktur

gekennzeichnet. 1 Neben den fachärztlich geriatrisch geleiteten medizinischen Berei-

chen finden sich dort Angebote der Physiotherapie, Logopädie, Ergotherapie, Psy-

chologie und des Sozialdienstes.

Den Geriatrischen Netzwerken kommt die Aufgabe der Beratungskompetenz für die

niedergelassenen Schwerpunktpraxen sowie für die Allgemeinkrankenhäuser ohne

eigene geriatrische Kompetenz zu. Besondere Aufgabe der Geriatrischen Netzwerke

ist auch die Fort- und Weiterbildung im Bereich der Geriatrie.

7.3. Rehabilitation

Die geriatrische Rehabilitation ist auch in den zukünftigen Versorgungsstrukturen des

Landes Rheinland-Pfalz ein fester Bestandteil mit einem eigenen Versorgungsauf-

trag, der sich von dem der akutstationären Versorgung unterscheidet. Die Einführung

geriatrischer Komplexpauschalen zur frührehabilitativen Behandlung und deren Ab-

rechnung in den Akutgeriatrien schließt eine anschließende Rehabilitation nicht aus,

sondern macht diese in vielen Fällen erst möglich. Es ist deshalb zwingend erforder-

lich, dass die Hauptfachabteilungen Geriatrie sowie die Allgemeinkrankenhäuser mit

geriatrischer Kompetenz mit den betreffenden Rehabilitationseinrichtungen im Rah-

men der jeweiligen Netzwerke eng zusammenarbeiten.

1 Entsprechend der Abrechnung des OPS 8-550 für die geriatrische Komplexbehandlung.

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Die stationäre, teilstationäre und mobile Rehabilitation wird in einer der anerkannten

geriatrischen Rehabilitationskliniken durchgeführt. Deren Leistungsangebot ist in

dem rheinland-pfälzischen Qualitätssiegel geriatrische Rehabilitation umfassend de-

finiert. Die Dokumentation und Prüfung der Ergebnisqualität der dortigen Behandlun-

gen erfolgt durch den MDK Rheinland-Pfalz.

Die mobile Rehabilitation ist derzeit noch kein etabliertes Angebot in Rheinland-Pfalz.

Das Land wird an der geriatrischen Rehabilitationsklinik Rheingrafenstein in Bad

Münster am Stein eine mobile Rehaeinheit in Zusammenarbeit mit dem Träger und

den Kostenträgern einrichten. Diese mobile Rehaeinheit soll im Rahmen eines Mo-

dellprojektes (Laufzeit: 24 Monate) erprobt werden. Bei einem positiven Ergebnis

sollte es das Ziel sein, an geeigneten geriatrischen Rehabilitationseinrichtungen eine

mobile Rehaeinheit für jeweils ca. 10 Patientinnen und Patienten vorzuhalten. Ein-

richtungen und Kostenträger sind dazu aufgefordert, zum gegebenen Zeitpunkt ent-

sprechende Verträge zur Realisierung derartiger Angebote zu schließen.

8. Qualitätssicherung

Eine qualitativ hochwertige geriatrische Behandlung kann beeindruckende Ergebnis-

se zur Verbesserung der Lebensqualität der betroffenen Patientinnen und Patienten

erreichen. Vielfach ist belegt, dass eine gute Behandlung Pflegebedürftigkeit vermei-

den und die Selbstständigkeit der betroffenen Patientinnen und Patienten wiederher-

stellen kann. Die Qualitätssicherung ist deshalb integraler Bestandteil des gesamten

geriatrischen Versorgungskonzeptes. Es ist dabei nicht erforderlich, neue und zu-

sätzliche Qualitätskriterien und Zertifikate zu definieren, sondern vielmehr angemes-

sen, die vorhandenen Qualitätssicherungssysteme konkret anzuwenden und zu be-

achten.

Für den ambulanten Sektor gilt dabei die vom Gesetzgeber vorgeschriebene Einfüh-

rung eines adäquaten Qualitätssicherungssystems als Grundlage der Arbeit. Die

Vorhaltung der konkreten fachlichen Kompetenzen und die Anwendung anerkannter

Verfahren, wie z.B. der geriatrischen Basisassesments in hausärztlichen Praxen,

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sind spezifische Qualitätsstrukturen, die nachgewiesen werden müssen. Hierfür bö-

ten die Hausarztverträge entsprechende Anknüpfungspunkte.

Im stationären Sektor existiert für den Bereich der Rehabilitation das Qualitätssiegel

geriatrische Rehabilitation in Rheinland-Pfalz, das von allen Rehaeinrichtungen an-

erkannt und von den Kostenträgern zur Grundlage der Verträge gemacht wird. Die

Überwachung dieses Qualitätssiegels erfolgt durch den MDK Rheinland-Pfalz.

Im akutstationären Sektor sind die Strukturvorgaben des jeweils geltenden Operati-

ons- und Prozedurenschlüssels (OPS 8-550) zur Abrechnung der spezifischen

DRG´s für die zu erbringende Qualität sowie die in Ziffer 2.1_–Teil B – genannten

strukturellen Voraussetzungen maßgebend. Auch die Einhaltung dieser Vorgaben

wird durch den MDK überprüft.

9. Fort- und Weiterbildung im medizinischen Bereich

Die medizinische Versorgung geriatrischer Patientinnen und Patienten erfolgt zum

überwiegenden Teil ambulant. Die geriatrische Krankenhausbehandlung und die ge-

riatrische Rehabilitation stellen nur ein kleines Segment der medizinischen Versor-

gung alter Menschen dar. Dies unterstreicht die überragende Bedeutung der Weiter-

bildung künftiger Hausärztinnen und Hausärzte sowie der hausärztlich tätigen Inter-

nistinnen und Internisten. Die Vermittlung geriatrischen Fachwissens sollte daher

nach Möglichkeit in entsprechende Weiterbildungscurricula integriert werden. Den

geriatrischen Netzwerken im Land kommt hierbei neben der Fortbildung des geriatri-

schen Nachwuchses für die stationäre Versorgung eine entscheidende Bedeutung

zu.

Der Durchdringungsgrad dieser spezifischen Fortbildung bei den Hausärztinnen und

Hausärzten ist derzeit noch verbesserungsfähig. Eine flächendeckende Versorgung

der Patientinnen und Patienten mit dieser notwendigen hausärztlichen geriatrischen

Diagnostik ist noch nicht erreicht. Hier sind sowohl der Hausärzteverband wie auch

die Krankenkassen aufgefordert, zum Beispiel im Rahmen von Hausarztverträgen

entsprechende Fortbildungen zu fördern. Neben dieser frühzeitigen Diagnostik sind

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es vor allem auch die Hausärztinnen und Hausärzte, die ihren Patientinnen und Pati-

enten unterstützend zur Seite stehen, um durch das Fördern von präventiven Aktivi-

täten den geriatrischen Versorgungsbedarf im besten Fall erst gar nicht entstehen zu

lassen.

Die ärztliche Approbationsordnung integriert erstmals altersmedizinische Ausbil-

dungsinhalte in das klinische Medizinstudium (Querschnittsfach Q7: „Medizin des

Alters und des alternden Menschen“ im 10. Semester). Eine weitere Stärkung der

Geriatrie im klinischen Fächerkanon der Universitäten könnte der wachsenden Be-

deutung des Faches in der Ausbildung künftiger Ärztinnen und Ärzte Rechnung tra-

gen.

Ärztinnen und Ärzte lernen auch im Regelbetrieb der Krankenhausabteilungen, geri-

atrische Patientinnen und Patienten zu versorgen. Auch die Weiterbildungsordnung

für die verschiedensten Fachärztinnen und Fachärzte sieht vor, dass die oder der

Weiterzubildende Kenntnisse auf dem Gebiet der Altersmedizin erwirbt. Diese

Kenntnisse sind bei der jeweiligen Facharztprüfung auch prüfungsrelevant. Hinzu

kommen noch entsprechende Fortbildungsaktivitäten auf lokaler und überregionaler

Ebene. Trotz alledem scheint ein Mehr an Weiter- und Fortbildung in diesem Bereich

empfehlenswert, was allerdings eine entsprechende Stellenkapazität voraussetzt.

Die Landesärztekammer unterscheidet in der Akutbehandlung und der Rehabilitation

zwischen

a) anerkannten Weiterbildungsstätten mit zur Weiterbildung zur Zusatzbe-

zeichnung Geriatrie befugten Ärztinnen und Ärzten und

b) Weiterbildungsstätten für andere Fachärztinnen und -ärzte, Schwerpunkte

oder Zusatzbezeichnungen, in denen während der Weiterbildungszeit und

auch noch danach Kenntnisse im Bereich der medizinischen Versorgung

von geriatrischen Patientinnen und Patienten erworben werden.

An den Krankenhäusern Maria Hilf, Bad Neuenahr-Ahrweiler, Katholisches Klini-

kum Mainz, und Diakonissen-Stiftungs-Krankenhaus Speyer sowie an den geriat-

rischen Rehabilitationsklinik St. Irminen, Trier, Rheingrafenstein, Bad Münster am

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Stein/ Ebernburg, St. Marienkrankenhaus Nassau, der Klinik für Geriatrische

Frührehabilitation am Krankenhaus Baumholder und der Geriatrischen Klinik St.

Josef, Burgbrohl können zur Zeit in Rheinland-Pfalz Geriater ausgebildet werden.

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Teil B: Standortauswahl und Konsequenzen für die Krankenhausplanung

1. Bedarfsprognose zur klinischen Geriatrie

Wie in allen anderen medizinischen Fachgebieten ist es auch in der Geriatrie nicht

möglich, einen unstrittigen Wert zur absoluten Bedarfsbemessung heranzuziehen.

Der tatsächliche Versorgungsbedarf ist zweifellos regional sehr unterschiedlich und

hängt von einer Vielzahl kaum zu erfassender Faktoren ab. Es ist jedoch möglich, die

relative Position der vorhandenen geriatrischen Versorgungslandschaft eines Bun-

deslandes darzustellen, und daraus zumindest tendenziell Rückschlüsse auf den

bedarfsgerechten Umfang der Versorgungskapazitäten zu ziehen.

Die hier vorgelegte Bedarfsprognose erfolgt vor dem Hintergrund einer vergleichen-

den Betrachtung der stationären und teilstationären geriatrischen Kapazitäten im A-

kut- und Rehasektor aller Bundesländer und des Bundesdurchschnitts. Zugrunde

gelegt wird darüber hinaus die aktuelle Bevölkerungsprognose des Statistischen

Landesamtes Rheinland-Pfalz und der darin ausgewiesene Anteil der Bevölkerung

65 Jahre und älter. Diese Bezugsgrößen zur vergleichenden Betrachtung "Angebots-

dichte im Verhältnis zum Bedarf" finden sich in aller Regel in der Literatur zum The-

ma und in den Geriatrieplänen und Konzepten der anderen Bundesländer. Auch der

Medizinische Dienst des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenversicherung

(MDS) veröffentlicht auf seiner Homepage diese Zahlen zur vergleichenden Darstel-

lung der geriatrischen Kapazitäten. Er verwendet dabei den Begriff der „Geriatrischen

Versorgungsquote“ = klinische geriatrische Versorgungsangebote bezogen auf je

10.000 Einwohner 65 Jahre und älter. (vgl. www.kcgeriatrie.de). Das Kompetenz-

zentrum Geriatrie des MDS legt dazu folgende Daten vor:

Die geriatrische Versorgungsquote schwankt zwischen den Bundesländern stark in

einer Bandbreite von 4,5 in Sachsen (sehr geringe Angebotsdichte) und 26,9 in

Hamburg (sehr hohe Angebotsdichte). Betrachtet man ausschließlich die Flächen-

länder, so schwankt die Quote zwischen 4,5 (Sachsen) und 25,1 (Saarland). Rhein-

land-Pfalz liegt nach Angaben des MDS mit einer geriatrischen Versorgungsquote

von 7,2 hinter Sachsen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. Der bundesweite Mit-

telwert liegt nach Angaben des MDS bei einer geriatrischen Versorgungsquote von

11,7.

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Tabelle 4: Versorgungsquote auf der Basis der stationären und teilstationären geri-atrischen Versorgungskapazitäten in Rheinland-Pfalz

Einrichtung akutstationäre Behand-lungsplätze

rehabilitative Behand-lungsplätze

Tagesklini-sche Plätze im Akutbe-reich

Tagesklinische Plätze im Rehabereich

Katholisches Klinikum Mainz

70*

Marienhaus Klinikum Bad Neuenahr

30

Fachklinik Baumholder 60 15

Geriatrische Rehaklinik Bad Münster am Stein

80 5

Brohltalklinik Burgbrohl 70 15

Fachklinik für Geriatrie St. Josef, Betzdorf

40

Marienkrankenhaus Nassau

35 35 10

Geriatrische Rehaklinik St. Irminen, Trier

80 20

Kreiskrankenhaus Grünstadt

12

Diakonie-Stiftungskranken-haus Speyer

12

Summe 135 365 12 77

Versorgungsquote definiert als Plätze/Betten bezogen auf je 10.000 Einwohner 65 Jahre und älter (825.390 in 2008)

akutstationäre Behand-lungsplätze

rehabilitative Behand-lungsplätze

Tagesklini-sche Plätze im Akutbe-reich

Tagesklinische Plätze im Rehabereich

1,64 4,42 0,14 0,93

Versorgungsquote in der Summe aller geriatrischen Angebote in Rheinland-Pfalz 7,13

*) einschl. 10 Betten Schlaganfalleinheit

Der vom MDS angegebene Wert von 7,2 als rheinland-pfälzische Versorgungsquote

weicht von den eigenen Berechnungen leicht ab. Der aufgrund der im Krankenhaus-

plan des Landes und der Versorgungsverträge der Kassen berechnete tatsächliche

Versorgungsgrad liegt leicht unter dem MDS-Wert bei 7,13 (vgl. Tabelle 4). Diese

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geringe Abweichung zeigt aber auch, dass die MDS-Daten offensichtlich durchaus

valide sind und sich zur Ermittlung der relativen Position eines Bundeslandes eignen.

Interessant ist zweifellos auch die Aufteilung der unterschiedlichen Versorgungsan-

gebote in dieser bundesdurchschnittlichen Quote. So bilden sich die bundesweit 11,7

Betten/Plätze pro 10.000 Einwohner zu 55 Prozent im akutstationären Sektor, zu

rund 33 Prozent im stationären Rehabereich und zu 12 Prozent in der mobilen Re-

habilitation* und im Tagesklinischen Geschehen ab (Abbildung 2).

Abbildung 2: Geriatrische Versorgungsstrukturen und Versorgungsquoten in Deutschland

Quelle: Kompetenzzentrum Geriatrie des MDS

Betrachtet man die in der geriatrischen Versorgungsquote erfassten Leistungsfelder

„Akutgeriatrie“, „Geriatrische Rehabilitation“, „Tagesklinik“ und „mobile Rehaplätze“,

so wird deutlich, dass Rheinland-Pfalz in zwei Feldern (Geriatrische Rehabilitation,

Tagesklinik) im Bundesdurchschnitt liegt und in zwei Leistungsfeldern (Akutgeriatrie,

mobile Rehaplätze) deutlich nach unten abweicht. Wobei zu bemerken ist, dass in

Rheinland-Pfalz anders als in den meisten anderen Bundesländern, mit Ausnahme

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einer Tagesklinik, die Tageskliniken nicht an akutgeriatrischen Abteilungen an Kran-

kenhäusern, sondern an den Rehakliniken angesiedelt sind.

Legt man den bundesweiten Mittelwert (11,7) der geriatrischen Versorgungsquote als

Zielgröße zukünftiger klinischer geriatrischer Strukturen im Land zugrunde, berech-

net sich der aktuelle geriatrische zusätzliche Versorgungsbedarf wie folgt:

Im Vergleich zum Bundesdurchschnitt zeigt sich ein zusätzlicher Versorgungsbe-

darf von 4,57 Betten/Plätzen pro 10.000 Einwohner 65 Jahre und älter überwie-

gend in der Akutgeriatrie und in geringerem Maße in der mobilen Reha*. Bei einer

aktuellen Einwohnerzahl von 825.390 Personen im Alter von 65 Jahren und älter be-

rechnet sich der absolute zusätzliche Bedarf auf insgesamt 377 Betten/Plätze (Tabel-

le 5).

Tabelle 5: Versorgungsbedarf definiert als fehlende Plätze/Betten bezogen auf die aktuell vorhandenen bundesdurchschnittlichen Angebotskapazitäten (SOLL) (Einwohnerzahl 2008)

Geriatrische

Akutversorgung Geriatrische Rehabilitation

Alle Ange-bote

Bet-ten

Plätze TK

Betten Plätze (TK) Mobil*

IST 135 12 365 77 0 589 SOLL 531 12 319 77 27 966 Diffe-renz

396 - -46 0 27 377

Bezogen auf die Bevölkerungsstruktur des Jahres 2020 und unter Berücksichtigung

eines unveränderten bundesweiten Mittelwertes von 11,7 ergibt sich wegen des ge-

stiegenen Anteils der über 65 jährigen ein Versorgungsbedarf von 470 Bet-

ten/Plätze vor allem in der Akutgeriatrie und der mobilen Reha (Tabelle 6).

Obwohl es, wie zu Beginn dieser Bedarfsprognose bereits festgestellt, kaum möglich

ist, einen absolut richtigen Wert für die dem Bedarf angemessenen Kapazitäten zu

ermitteln, kann doch zweifellos festgestellt werden, dass Rheinland-Pfalz im Ver-

gleich zu anderen Bundesländern einen großen Handlungsbedarf im akutstationären

Sektor aufweist. Zielsetzung der weiteren Krankenhausplanung muss es deshalb

sein, die vorhandenen klinischen Versorgungsstrukturen an den aktuellen und stei-

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genden Bedarf anzupassen. Dabei kann und muss stufenweise vorgegangen wer-

den.

Tabelle 6: Versorgungsbedarf definiert als fehlende Plätze/Betten bezogen auf die aktuell vorhandenen bundesdurchschnittlichen Angebotskapazitäten (SOLL) (Einwohnerzahl 2020)

Geriatrische

Akutversorgung Geriatrische Rehabilitation

Alle Ange-bote

Bet-ten

Plätze (TK)

Betten Plätze (TK) Mobil*

IST 135 12 365 77 0 589 SOLL 583 12 349 77 38 1059 Diffe-renz

448 -16 0 38 470

2. Kriterien zur Ausweisung akutstationärer Kapazitäten

Die Festlegung der Standorte zur Weiterentwicklung der klinischen Geriatrie im Land

Rheinland-Pfalz orientiert sich an den im Geriatriekonzept formulierten Zielsetzungen

und Strukturvorgaben. Anhand der Bedarfsprognosen konnte ein Versorgungsbedarf

von aktuell 396 und perspektivisch rund 450 akutgeriatrischen Betten im Bundesver-

gleich nachgewiesen werden. Diese Differenz soll geschlossen werden, indem an

vorhandenen klinischen Einrichtungen, die bisher noch keine besondere Kompetenz

aufweisen, neue Behandlungsplätze eingerichtet werden.

Wie im Konzept ausführlich beschrieben, geht es bei der konkreten Zuweisung von

akutgeriatrischen Kapazitäten um die

1. Bedarfsdeckung vorrangig in den Ballungsregionen bzw. Oberzentren des

Landes und

2. regionalisierte Bedarfsdeckung in der Fläche durch den Aufbau geriatrischer

Kompetenzen an entsprechenden Standorten in Allgemeinkrankenhäusern.

Die Deckung des Versorgungsbedarfs soll und muss schrittweise erfolgen. Gerade

die auszuweisenden Einrichtungen, die heute noch nicht über die nach dem Geriat-

riekonzept notwendige Kompetenz verfügen, müssen diese in den kommenden Jah-

ren schrittweise aufbauen. Die Ausweisung zusätzlicher Kapazitäten darf nicht dazu

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führen, dass qualifiziertes Personal an anderer Stelle abgeworben wird und damit die

dort vorhandene geriatrische Versorgung in Frage gestellt ist.

Die im Geriatriekonzept vorgesehene Intensivierung der Fort- und Weiterbildung soll

dazu beitragen, diesen unübersehbaren Mangel an qualifiziertem Fachpersonal mög-

lichst schnell zu schließen und damit auch die Voraussetzung für die Einrichtung ge-

riatrischer Behandlungskompetenz zu schaffen.

Da die geriatrische Behandlung sowohl im Weiterbildungsbereich wie auch tatsäch-

lich im Behandlungsbereich große Schnittmengen zur Inneren Medizin aufweist, ist

die teilweise Umwandlung internistischer Planbetten zu akutgeriatrischen Betten ein

weiteres grundsätzliches Kriterium der Standortauswahl. Dabei wird von einer plan-

bettenneutralen Umwandlung ausgegangen. Im Hinblick auf die Folgewirkungen der

Standortauswahl für die Krankenhausinvestitionsförderung ist bei fachlich vergleich-

bar geeigneten Standorten auch die Notwendigkeit zusätzlicher Baumaßnahmen ein

Auswahlkriterium.

Der über den ersten Schritt der Erweiterung hinausgehende Bedarf an klinischen

Plätzen in Folge der sich verändernden Altersstruktur soll durch die bedarfsgerechte

Einzelausweisung von Kapazitäten im Rahmen der fortlaufenden Krankenhauspla-

nung der kommenden Jahre gedeckt werden.

Die auszuweisenden Standorte werden im Sinne des Geriatriekonzeptes als Geriatri-

sche Einrichtungen klassifiziert. Alle im ersten Schritt und in der Zukunft auszuwei-

senden Standorte haben die allgemeinen Strukturvorgaben für Geriatrische Einrich-

tungen nach dem Geriatriekonzept des Landes Rheinland-Pfalz zu erfüllen und dar-

über hinaus selbstverständlich alle weiteren bundesweiten Vorgaben, die für die Be-

handlung geriatrischer Patientinnen und Patienten relevant sind.

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3. Merkmale für geriatrische Hauptfachabteilungen und Allgemeinkrankenhäu-ser mit geriatrischer Kompetenz

Gemeinsame Merkmale

Die geriatrischen Hauptfachabteilungen und Allgemeinkrankenhäuser mit geriatri-

scher Kompetenz (geriatrische Einrichtungen) dienen der Akutversorgung alter, mul-

timorbider Patientinnen und Patienten mit häufig vorliegenden funktionellen Beein-

trächtigungen einschließlich der Frühmobilisation. Die Aufnahme erfolgt entweder

notfallmäßig oder auf Grund gezielter Zuweisung durch niedergelassene Haus- und

Fachärzte. Zuverlegungen aus anderen Krankenhäusern oder Krankenhausabteilun-

gen erfolgen indikationsspezifisch, z. B. nach Stürzen und Erstversorgung in der Un-

fallchirurgie oder bei spezifisch geriatrischen Komplikationen, die während eines

Krankenhausaufenthaltes auftreten können (Sturz, Schlaganfall etc.). Der Anteil von

akut aufgenommenen Patientinnen und Patienten sollte 70 % ( 50% in Allgemein-

krankenhäuser mit geriatrischer Kompetenz) nicht unterschreiten.

Die Indikationsstellung zur geriatrischen Behandlung, d.h. die Definition der geriatri-

schen Patientin und des geriatrischen Patienten, ist durch die Geriaterin oder den

Geriater vorzunehmen. Geriatrische Kompetenz ist deshalb unbedingt in der Notfall-

aufnahme bereitzustellen, ggf. durch entsprechende Konsiliarleistungen zu gewähr-

leisten. Die im OPS kodifizierten Kriterien für die Abrechenbarkeit der geriatrisch-

frührehabilitativen Komplexbehandlung (OPS 8-550) sind lückenlos einzuhalten. Der

geriatrische Bereich sollte über einen Zugang zur Intensivmedizin (Überwachung)

verfügen. Alle Patientinnen und Patienten sind nach Ende der Notwendigkeit der

Krankenhausbehandlung auf Eignung und Aussichten einer anschließenden Rehabi-

litationsbehandlung, in der Regel in einer geriatrischen Reha-Klinik, hin zu überprü-

fen. Entsprechende Maßnahmen sind nach Erfüllung der einschlägigen Kriterien

(siehe auch Kriterienkatalog des MDS zur geriatrischen Rehabilitation) indikationsge-

recht einzuleiten. Die Rate erfolgreich eingeleiteter Rehabilitationsbehandlungen soll

ebenfalls als Qualitätsindikator gelten.

Spezielle Merkmale für die Geriatrischen Hauptfachabteilungen:

Nach Abschluss einer zeitgerechten Aufbauphase sollte die geriatrische Hauptfach-

abteilung einen eigenen ärztlichen Bereitschaftsdienst und einen eigenen ärztlichen

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Hintergrunddienst (Rufbereitschaft) auf Facharztniveau (Geriater) einrichten. Die ge-

riatrische Hauptfachabteilung muss über alle Möglichkeiten des geriatrischen

Assessments sowie der internistischen Diagnostik verfügen. In eigener Verantwor-

tung sollten alle sonographischen (einschließlich Duplexsonographie und Echokar-

diographie) sowie elektrokardiographische Untersuchungsmethoden verfügbar sein.

Bei einem erwartet hohen Anteil von Schlaganfallpatientinnen und -patienten sollte

ebenfalls die Möglichkeit der videoendoskopischen Schluckdiagnostik bereitstehen.

Die geriatrische Hauptfachabteilung sollte über eigene Betten zur Monitorüberwa-

chung (im Intermediate Care Bereich) sowie Zugang zur Intensivbehandlungsstation

verfügen. Die Geriatrie muss in der Notfallaufnahme personell vertreten sein. Die

Indikationsstellung zur geriatrischen Behandlung, d.h. die Identifikation und Definition

geriatrischer Patientinnen und Patienten ist an die Fachkompetenz der Geriaterin

oder des Geriaters gebunden.

Die geriatrische Hauptfachabteilung sollte als Weiterbildungsstätte zur Weiterbildung

in der Geriatrie anerkannt sein. Die leitende Ärztin oder der leitende Arzt sollte mittel-

fristig über die volle Weiterbildungsbefugnis für die Geriatrie verfügen. Die geriatri-

sche Hauptfachabteilung sollte für Hospitationen interessierter Kolleginnen und Kol-

legen offen stehen. Gleiches gilt für die Fort- und Weiterbildung der weiteren Team-

mitglieder, besonders aus den Bereichen Pflege, Ergo- und Physiotherapie.

4. Festlegung der Standorte zur Ausweisung akutstationärer Geriatrie-Kapazitäten

Die Planung erfolgt bezogen auf den Standort. Krankenhäuser mit geriatrischen

Hauptfachabteilungen und Allgemeinkrankenhäuser mit geriatrischer Kompetenz

werden, sofern noch nicht festgelegt, bei der Aufstellung des Krankenhausplanes

2010 ausgewählt. Es wird davon ausgegangen, dass die Umsetzung planbettenneut-

ral erfolgt.

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4.1. Hauptfachabteilungen Geriatrie in den Ballungsregionen

Wie vorstehend bereits beschrieben, sollen in allen fünf Oberzentren des Landes

Rheinland-Pfalz akutgeriatrische Behandlungskapazitäten in Hauptfachabteilungen

Geriatrie vorhanden sein. Dies sind:

• Mainz (besteht bereits)

• Trier

• Koblenz

• Ludwigshafen

• Kaiserslautern

Das Ziel, in den Ballungsregionen des Landes akutgeriatrische Kompetenzen zu

schaffen, könnte zusammenfassend wie folgt erreicht werden:

Ort Geriatrische Hauptfach-abteilungen

Kapazität Planbetten- neutralität

Mainz Katholisches Klinikum 70 vorhanden

Trier Standortfrage im KH-Plan festlegen

40 Bedingung

Koblenz Standortfrage im KH-Plan festlegen

30 (35 Betten bereits in Nassau vorhanden)

Bedingung

Ludwigsha-fen

St. Marien- und St. Anna-stiftskrankenhaus

30 Bedingung

Kaiserslau-tern

Westpfalzklinikum 60 Bedingung

Durch die zusätzliche Ausweisung von vier Standorten für die Einrichtung von Haupt-

fachabteilungen Geriatrie kann der Versorgungsbedarf an allen Oberzentren des

Landes gedeckt werden. Ziel sollte es sein, diese zusätzlichen Betten ganz überwie-

gend durch Umwidmungen vorhandener Kapazitäten vornehmlich in der Inneren Me-

dizin zu erreichen.

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4.2. Regionalisierte Bedarfsdeckung in der Fläche durch die Ausweisung von Standorten mit Allgemeinkrankenhäusern mit geriatrischer Kompe-tenz

Über die oben angesprochenen Standorte in den Ballungszentren des Landes Rhein-

land-Pfalz hinaus soll eine angemessene regionale geriatrische Akutversorgung in

der Fläche entstehen. Die Merkmale für Allgemeinkrankenhäuser mit geriatrischer

Kompetenz sowie die Strukturvoraussetzungen des OPS 8-550 sind zu erfüllen. Bei

der Standortauswahl sind die zu versorgende Einwohnerzahl, die geographische La-

ge sowie die Verkehrsinfrastruktur von Bedeutung. Die Mindestgröße einer Fachab-

teilung sollte 25 Planbetten nicht unterschreiten.

4.3. Bildung von Netzwerken

Regional sollte die ambulante, stationäre, teilstationäre und rehabilitative Geriatrie

miteinander vernetzt werden. Ausgehend von der Tatsache, dass die ganz überwie-

gende Mehrheit der Patientinnen und Patienten ambulant versorgt werden kann und

muss, sollen die geriatrischen Einrichtungen (Akutversorger und Rehabilitation)

durch die Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen zu einer Verbesserung in diesem

Bereich beitragen. Umgekehrt soll durch die Propagierung des geriatrischen Fach-

wissens die bedarfsgerechte und gezielte Einweisung alter Patientinnen und Patien-

ten in die am besten geeignete Akutversorgung gefördert werden. Innerhalb der geri-

atrischen Netzwerke soll eine enge Kooperation zwischen den geriatrischen Einrich-

tungen sowohl in der Patientenversorgung als auch in der Weiterbildung der geriatri-

schen Teams sowie bei der Etablierung einheitlicher Qualitätsstandards erfolgen.

Integraler Bestandteil der Netzwerke sind auch jeweils die regional zugeordneten

geriatrischen Rehabilitationskliniken, deren Stellenwert durch die verbesserte Ein-

schätzung des Reha-Potentials alter multimorbider Patientinnen und Patienten in den

geriatrischen Akut-Einrichtungen gestärkt werden wird. Die geriatrischen Rehabilita-

tionskliniken besitzen ein hohes Maß an Fachwissen, besonders im Hinblick auf die

rehabilitativen Möglichkeiten, von dem die neu zu gründenden geriatrischen Akutver-

sorger erheblich profitieren können. Die Schnittstellenproblematik zwischen akutsta-

tionärer und rehabilitativer Behandlung kann so unter Einhaltung der etablierten

Rahmenbedingungen (siehe auch Richtlinien zur geriatrischen Rehabilitation des

MDS) erheblich gemindert werden. Durch die Bildung von geriatrischen Netzwerken

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in den Regionen soll eine sehr enge partnerschaftliche Zusammenarbeit zum Wohl

der Patientinnen und Patienten entstehen.

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5. Zusammenfassung der Auswirkungen der vorgeschlagenen Maßnahmen auf den Krankenhausplan und die geriatrische Versorgungsquote

Insgesamt stellt sich die zukünftige stationäre geriatrische Versorgungslandschaft im

Hinblick auf die Kapazitäten und deren regionale Verteilung in Netzwerken wie folgt

dar:

I. Geriatrisches Netzwerk Mittelrhein-Westerwald

Standorte

Einzugsbereiche Einrichtung Akutstationäre Versorgung Planbetten

Rehabilitation

1 2 3 4 5 6* Koblenz Stadt Koblenz, LK

Mayen-Koblenz, LK Neuwied

30

Nassau Rhein-Lahn-Kreis, Marienkranken-haus

35 35

10

Bad Neuenahr

LK Ahrweiler Marienhaus Klinikum

30

LK Alten-kirchen, LK Wes-terwald

LK Altenkirchen, LK Westerwald

25-30

Betzdorf Fachklinik für Geri-atrie St. Josef

40

Burgbrohl Brohltalklinik 70 15 Gesamt 30 90-95 145 25

II. Geriatrisches Netzwerk Rheinhessen-Nahe

Standorte Einzugsbereiche Einrichtung Akutstationäre Versorgung Planbetten

Rehabilitation

1 2 3 4 5 6* Mainz Stadt Mainz,

Landkreis Mainz-Bingen, rechts-rheinische Vororte

KKM 70

Bad Kreuznach

LK Bad Kreuz-nach, LK Birken-feld, LK Rhein-Hunsrück

25-30

Franken-thal/ Worms

Städte Franken-thal u. Worms, LK Alzey-Worms, LK Bad-Dürkheim

25-30

Bad Müns-ter a. Stein

Rehaklinik Rheingrafenstein

80 5 10*

Grünstadt Kreiskranken-haus

12

Gesamt 70 50-60 80 17 10*

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III. Geriatrisches Netzwerk Rheinpfalz

Standorte Einzugsbe-reiche

Einrichtung Akutstationäre Versorgung Planbetten

Rehabilitation

1 2 3 4 5 6* Ludwigshafen Stadt

Ludwigs-hafen, LK Rhein-pfalz, Städte Neustadt u. Speyer

St. Marien- u. St. Annastifts-Krankenhaus

30

Landau/ Südli-che Weinstra-ße

Stadt Landau, LK Südliche Weinstr., LK Germersheim

25-30

Speyer Diakonissen-Stiftungs-krankenhaus

25-30 12

Bad Bergzabern

Edith-Stein-Klinik offen

Gesamt 30 50-60 12 offen

IV. Geriatrisches Netzwerk Westpfalz

Standorte Einzugsbe-reiche

Einrichtung Akutstationäre Versorgung Planbetten

Rehabilitation

1 2 3 4 5 6* Kaiserslautern

Stadt Kai-serslautern, LK Kaisers-lautern, LK Donnersberg, LK Kusel, LK Südwest-pfalz, Städte Pirmasens u. Zweibrücken

Westpfalz-Klinikum

60

Baumholder 60 15 Gesamt 60 60 15

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V. Geriatrisches Netzwerk Trier

Standorte Einzugsbe-reiche

Einrichtung Akutstationäre Versorgung Planbetten

Rehabilitation

1 2 3 4 5 6* Trier Stadt Trier,

LK Trier-Saarburg, LK Bernkastel-Wittlich

40

Vulkaneifel Eifel-Kreis-Bitburg-Prüm, LK Vulkaneifel, LK Cochem-Zell

25-30

Trier St. Irminen 80 20 Gesamt 40 25-30 80 20

Zusammenfassung

Akutstationäre Versorgung Planbetten

Rehabilitation Geriatrische Netzwerke in Rheinland-Pfalz

1 2 3 4 5 6* I. Mittelrhein-Westerwald 30 90-95 145 25 II. Rheinhessen-Nahe 70 50-60 80 17 10* III. Rheinpfalz 30 50-60 12 offen IV. Westpfalz 60 60 15 V. Trier 40 25-30 80 20

Gesamt 230 215-245

12 365 77 10*

Gesamt 457-487 Legende: 1 = Planbetten Hauptabteilung Geriatrie 2 = Planbetten Krankenhaus mit geriatrischer Kompetenz 3 = Tagesklinische Plätze 4 = vollstationäre Betten 5 = Tagesklinische Plätze 6 = Mobile Rehabilitation

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Die Ausweisung zusätzlicher akutgeriatrischer Behandlungskapazitäten an den vor-

geschlagenen Standorten führt schrittweise im Gesamtergebnis zu einer Ausweisung

von 457-487 Betten. Zum größten Teil kann die Ausweisung im Zusammenhang mit

der Umsetzung des Krankenhausplanes 2010 planbettenneutral erfolgen. Der Pla-

nungshorizont bis 2016 ist zu dabei berücksichtigen (Tabelle 8).

Tabelle 8: Versorgungsangebot nach Umsetzung des Geriatriekonzeptes im Bun-desvergleich bezogen auf die Einwohnerzahl des Jahres 2008 und 2020

akutstationä-re Behand-lungsplätze*

rehabilitative stationäre Behand-

lungsplätze

Tagesklini-sche Plätze Im Rehabe-

reich

Mobile Rehabilitation

Alle Ange-bote

SOLL nach Bundesver-gleich 2008

543 319 77 27 966

SOLL nach Bundesver-gleich 2020

595 349 77 38 1059

IST RLP nach Umset-zung

457-487 365 77 10-40 909-969

* inklusive der tagesklinischen Plätze

Das Land wird mit diesem Konzept und den daraus resultierenden Standortentschei-

dungen seiner Verantwortung für eine flächendeckende und hochwertige Versorgung

geriatrischer Patientinnen und Patienten gerecht. Es sorgt für zukunftsfähige Struktu-

ren, die die vorhandenen Defizite in den Behandlungsstrukturen, aber auch im Be-

reich der Fort- und Weiterbildung aufgreifen. Durchgängige Behandlungsprozesse

über die Sektoren hinweg werden ermöglicht.

Die Standortentscheidungen orientieren sich konsequent an den vorhandenen geriat-

rischen Kompetenzen im Land und dem regionalen Versorgungsbedarf. Sie berück-

sichtigen die wirtschaftlichen Folgen für die Kostenträger und den Haushalt des Lan-

des Rheinland-Pfalz, indem vorhandene Strukturen genutzt und weniger ausgelaste-

te Kapazitäten umgewidmet werden.

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Geriatriekonzept des Landes Rheinland-Pfalz

IMPRESSUM Herausgeber: Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familie und Frauen Rheinland-Pfalz Referat für Reden und Öffentlichkeitsarbeit Bauhofstraße 9 55116 Mainz www.masgff.rlp.de Verfasser: Abteilung für Gesundheit des

Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familie und Frauen Rheinland-Pfalz Stand: Dezember 2009

Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit der Landesregierung Rheinland-Pfalz herausgege-ben. Sie darf weder von Parteien noch Wahlbewerbern oder Wahlhelfern im Zeitraum von sechs Monaten vor einer Wahl zum Zweck der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für Kommunal-, Landtags-, Bundestags- und Europawahlen. Missbräuchlich ist während dieser Zeit insbesondere die Verteilung auf Wahlveranstaltungen, an Informationsständen der Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken und Aufkleben parteipolitischer Informatio-nen oder Werbemittel. Untersagt ist gleichfalls die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung. Auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden Wahl darf die Druckschrift nicht in einer Weise verwendet wer-den, die als Parteinahme der Landesregierung zugunsten einzelner politischer Gruppen verstanden werden könn-te. Den Parteien ist es gestattet, die Druckschrift zur Unterrichtung ihrer eigenen Mitglieder zu verwenden.