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Gerta Overbeck (Dortmund 1898 - 1977 Lünen) Aquarelle, Zeichnungen und Druckgraphik der 1920er Jahre

Gerta Overbeck...Greta Overbeck studierte in der Textil- und Graphikklas-se der Städtischen Handwerks- und Kunstgewerbeschule Hannover bei Professor Fritz Burger-Mühlfeld (1882-1969),

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Page 1: Gerta Overbeck...Greta Overbeck studierte in der Textil- und Graphikklas-se der Städtischen Handwerks- und Kunstgewerbeschule Hannover bei Professor Fritz Burger-Mühlfeld (1882-1969),

Gerta Overbeck (Dortmund 1898 - 1977 Lünen)

Aquarelle, Zeichnungen und Druckgraphik der 1920er Jahre

Page 2: Gerta Overbeck...Greta Overbeck studierte in der Textil- und Graphikklas-se der Städtischen Handwerks- und Kunstgewerbeschule Hannover bei Professor Fritz Burger-Mühlfeld (1882-1969),

Einführung

Hildegard Reinhardt: Gerta Overbeck - Entdeckung eines verloren geglaubten Konvoluts

Gerta Overbecks sozialkritische Arbeiten entstanden überwiegend 1919 bis 1922 während des Studiums in der Graphik-Klasse von Prof. Burger-Mühlfeld an der Kunstge-werbeschule Hannover. Unter dem Eindruck der Russischen Revolution trat sie 1919 der soeben gegründeten KPD bei und fokussierte mit humanitär-kommunistischer Empathie und Solidarität das Elend und Entbehrungen der ersten Jahre der jungen Weimarer Republik. Die Welt der Deklas-sierten und Entrechteten, deren düstere, triste Lebenswirk-lichkeit sie selbst in heruntergekommenen Wohnsiedlungen oft in der Nähe rauchender Industrieanlagen miterlebte. Auch die eigene finanzielle Situation verschärfte sich 1922 eklatant. „[Als] ... ich mich dabei ertappte, wie ich die Straße nach Geld absuchte, sagte ich mir, dass es so nicht weiter-gehen könne“, wie sie in ihrem biografischen Rückblick „Es liegt in der Luft mit der Sachlichkeit“ 1974 formulierte. Nach dieser schockierenden Erkenntnis beendet sie ihr Studium und nahm in Dortmund eine Stelle in ihrem erlernten Beruf als Zeichenlehrerin an. In einer Mixtur nachexpressionisti-scher und konstruktivistischer Stilelemente fixierte sie ihre Sozialstudien der Nachkriegsjahre. In den kleinformatigen Papierarbeiten steht zumeist eine Person im Zentrum der genrehaften Darstellung. Inspirieren ließ sich Gerta Over-beck zunächst in Hannover und ab 1922 in Dortmund, wo sie zeitweilig „gleich neben der Grube“ wohnte, von der unmittelbaren Alltagsrealität. Vorführungen in Hippodromen, halbseidene Geschäftigkeit in Bordellen in „Babylon“ (1927), das nächtliche Zusammengepferchtsein wohnungsloser Proletarierinnen in einer „Massenunterkunft“ (1923), die Demonstration der Folgen von „Hunger“ (1921) an Mensch und Tier veranlassten sie zu ihren ganz diesem sozialen Mili-eu gewidmeten Studien. Obdachlosigkeit thematisierte sie in „Ohne Trost“ (1921), ja sogar den Mord von „Raskolnikow“ (1920) an einer Pfandleiherin als Reverenz an Fjodor Dos-tojewskis Roman „Schuld und Sühne“: Wurde in den 1920er Jahren der Typus der eleganten, selbstbewussten „Neuen Frau“ propagiert, die sich berufliche, finanzielle und erotische Freiheiten erobert hatte, so sind die Frauen, deren Lebens-schicksal Gerta Overbeck in diesen knappen Impressionen streiflichtartig vergegenwärtigte, exakte Kontrastfiguren die-ser lässig-selbstbewussten Garçonne wie etwa „Hippodrom auf der Reeperbahn“ (1926). Mit dem (vorläufigen) Abschied von Hannover und der Übersiedlung nach Dortmund 1922 vollzieht sich ein deutli-cher thematisch- stilistischer Wandel.. Bereits 1923 setzte sie sich mit einem so spröden Motiv wie dem menschenleeren „Schrottlager“ auseinander. Die Aquarelle „Kinder mit Hand-wagen“ und „Eiswagen“ (beide 1924) belegen die Distan-zierung von den genrehaften Momentaufnahmen der Inflati-onsjahre und die neu entdeckte Präferenz für Konstruktion,

Geometrisierung der Bildfläche und Versachlichung des Stilvokabulars. Die Personen agieren als starre Statisten vor der freudlosen Architektur der Bergarbeiterstadt Dortmund, von 1922 bis 1931 Wohn- und Arbeitsort der Künstlerin. Das bescheidene Freizeitvergnügen des Kartenspiels variierte sie 1927/28 mehrfach in aquarellierten Szenen stumm neben-einander platzierter Spieler in Spelunken oder Hausfluren, besonders humorvoll in der Tuschzeichnung „Kartenspieler“ (1927). Das Aquarell „Kanalhafen“ (1928) steht stellvertre-tend für die Werkgruppe der Industrie- und Baubilder der ausgehenden 20er Jahre, in denen die Präsenz der mensch-lichen Figur immer bedeutungsloser wird. Leben die narra-tiven Alltagsszenen des Frühwerks von dem Zusammenspiel schwarz-weißer Kontur- und Binnenzeichnungen, so verla-gert sich das bildnerische Interesse in den darauffolgenden Jahren auf die Fixierung vielgestaltiger konstruktiver Bildele-mente in zumeist zurückhaltender aquarellierter Farbigkeit. Im hohen Alter resümierte die Künstlerin in ihrem Aufsatz „Die hannoversche Sachlichkeit – ein Rückblick“ (1977): „So sehr ich das Werk von Käthe Kollwitz schätze, finde ich doch, dass ein Maler sich in erster Linie mit der Komposition und Farbgebung zu befassen hat und nicht versuchen sollte, auf diese direkte Weise seine proletarische Gesinnung zum Ausdruck zu bringen und Gutes zu wirken.“

Page 3: Gerta Overbeck...Greta Overbeck studierte in der Textil- und Graphikklas-se der Städtischen Handwerks- und Kunstgewerbeschule Hannover bei Professor Fritz Burger-Mühlfeld (1882-1969),

Biographie

Gertrud (genannt Gerta) Overbeck wurde am 16. Januar 1898 in Dortmund geboren. Ihr Vater Julius (1864-1942) stammte aus einem bereits seit Ende des 18. Jahrhunderts in Dortmund ansässigen Brauereiunternehmen, die Mut-ter Hedwig (1876-1968) war die Tochter des Dortmunder Oberbürgermeisters Wilhelm Schmieding (1841-1910), der ein Landhaus in Cappenberg besaß. Hierhin zog die Familie um 1900. Die musischen Fähigkeiten der Kinder wurden von den Eltern, besonders vom Vater, sehr unterstützt. „Ich besuchte die Volksschule zu Dortmund, später nach unse-rem Umzug nach Cappenberg b. Lünen a/d Lippe die höhere Töchterschule zu Lünen. Nebenbei zeichnete ich noch in der Handwerkerschule zu Dortmund. Vom Jahre 1912 an nahm ich Privatstunden in den Schulfächern u. machte dann Ostern 1915 die Aufnahmeprüfung für die Frauenschule mit, wo-durch ich ein Zeugnis bekam, daß dem Reifezeugnis eines Ly-zeums gleichkommt. Von Ostern 1915 bis zum 15. Juni nahm ich Privatstunden im Zeichnen, und seit dem 15. Juni besuche ich die Vorschule des Zeichenseminars zu Düsseldorf.“1

Zeugnis der Höheren Mädchenschule der Stadt Lünen 1912

Nach einjährigem Zeichenunterricht an der Vorschule von Professor Lothar von Kunowski (1866-1936) in Düsseldorf, wurde die Künstlerin im Oktober 1916 am dortigen Zei-

1 Aus einem handgeschrieben Lebenslauf Gerta Overbecks, geschrieben in Berchtesgaden am 29. August 1915, adressiert an die Direktion der staatlichen Zeichenlehrerkurse in Düsseldorf

chenlehrerseminar der Kunstgewerbeschule Düsseldorf (die 1919 in die Kunstakademie aufging) aufgenommen und machte im Juli 1918 bei Kunowski die Abschlußprüfung. Nach einem weiteren Probejahr am Goethegymnasium in Dort-mund, erhielt sie im Oktober 1919 die Unterrichtserlaub-nis als Zeichenlehrerin. Um diese Zeit war sie der gerade gegründeten KPD beigetreten.

Abschlußzeugnis des Düsseldorfer Zeichenlehrerseminars 1918

„Da mir meine Ausbildung noch nicht genügte, setzte ich meine Studien auf der Kunstgewerbeschule zu Hannover fort, die ich mit kurzer Unterbrechung von Oktober 1919 bis Oktober 1922 als Vollschülerin der graphischen Klasse besuchte. Im Jahre 1920/21 unterbrach ich mein Studium, um nun vorübergehende Vertretungsstunden am Schillerlyzeum zu Dortmund anzunehmen. Die Nachmittage benutzte ich, um an der hiesigen Kunstgewerbeschule Entwurf und Aus-führung künstlerischer Handarbeiten zu erlernen.“ 2

Zeugnis der Handwerker- und Kunstgewerbeschule zu Dortmund1920/21

2 Aus einem handgeschriebenen Lebenslauf der Künstlerin vom 15.1.1927, in Dortmund verfaßt

Page 4: Gerta Overbeck...Greta Overbeck studierte in der Textil- und Graphikklas-se der Städtischen Handwerks- und Kunstgewerbeschule Hannover bei Professor Fritz Burger-Mühlfeld (1882-1969),

Greta Overbeck studierte in der Textil- und Graphikklas-se der Städtischen Handwerks- und Kunstgewerbeschule Hannover bei Professor Fritz Burger-Mühlfeld (1882-1969), der 1917 die „Hannoversche Sezession“ gegründet hatte und den avantgardistischen Strömungen der Zeit offen gegenüber stand.„Als ich im Herbst 1919 mit meiner Ausbildung an der Kunstgewerbeschule in Hannover begann, gab es dort Unru-hen, in den Klassenräumen wurden politische Versammlungen von den linksradikalen Schülern einberufen. Dem Direktor wurde so sehr zugesetzt, daß er es vorzog, die Stellung auf-zugeben. Die Statue im Lichthof der Schule fand man eines Tages mit einer Badehose bekleidet. Auch die älteren Lehrer, die am Althergebrachten festhielten, hatten schwer zu leiden. Eine Ausnahme bildete unser geliebter und von allen ver-ehrter Lehrer Fritz Burger-Mühlfeld, der die Graphikklasse leitete und mit der Zeit ging. Viele ehemalige Soldaten und Kriegsgefangene, unter ihnen Lithographen, Drucker, The-atermaler, die zum Teil schon die Lehre hinter sich hatten, trafen sich in der graphischen Klasse von Professor Burger-Mühlfeld. Ernst Thoms kehrte aus englischer Gefangenschaft zurück, Erich Wegner kam aus Rostock - er wollte zum Kummer seiner Eltern nicht Zeichenlehrer werden -, Gre-the Jürgens aus Berlin, wo sie Architektur studiert hatte; sie wollte jetzt Graphikerin werden. Ich selbst hatte mein Zei-chenlehrerexamen in Düsseldorf gemacht und sehnte mich nun nach künstlerischer Ausbildung. Burger-Mühlfeld war ein äußerst anregender Künstler und Lehrer. Bei ihm konnte ich die Köpfe und Töpfe, die Schmetterlinge, Eichelblätter und Zigarrenkisten, überhaupt die ganze Perspektive vergessen, die man mir in Düsseldorf auf dem Seminar beigebracht hatte.“3

Hier lernte sie Grethe Jürgens, Friedrich Busack, Erich Weg-ner, Ernst Thoms und 1925 Hans Mertens und Karl Rüter kennen und bildete mit ihnen einen Kreis gleichgesinnter Ma-ler, die später als Gruppe der hannoverschen Neusachlichen bezeichnet werden sollten4. Besonders mit Ernst Thoms, der 1920 kurz bei Burger-Mühlfeld studiert hatte, verband Gerta Overbeck eine intensive Freundschaft. 5 1928 macht sie ge-meinsam mit Grethe Jürgens und Ernst Thoms eine Fahrrad-tour nach Belgien.

3 Gerta Overbeck, unveröffentlichtes Manuskript 1974. Zitiert nach: Heike Scholz, Grethe Jürgens. Eine Künstlerin der zwanziger Jahre in Hannover. Dissertation, Marburg 1999. S. 254 f.

4 von Carl Buchheister 1934 als „Klicke Thoms“ bezeichnet (Ines Katenhu-sen, „In summa so etwas wie das künstlerische Gesicht unserer Stadt“? Die Stadt, die Provinz und die Maler der Neuen Sachlichkeit in den zwanziger und dreißiger Jahren. In: „Der stärkste Ausdruck unserer Tage“. Neue Sachlichkeit in Hannover. Katalog der Ausstellung im Sprengel-Museum Hannover 2001/2002. S. 45)

5 Die Künstlerin war mit Thoms seit etwa 1925 liiert. Ihretwegen lebte er mit ihr zwei Jahre in Dortmund (mit Unterbrechungen) und nahm dort sogar eine Stellung an. (Siehe: Heike Scholz, Grethe Jürgens. Eine Künstlerin der zwanziger Jahre in Hanno-ver. Dissertation, Marburg 1999. S. 113) In dieser Zeit wohnt er bei Familie Silberbach, die ihm sogar ein Atelier im Haus zur Verfügung stellt (Heinrich-Detlev Gadesmann, Beschreibender Werkkatalog der Ölbilder von Ernst Thoms. Dissertations Hamburg 1981. S. 45)

„Nach dem Unterricht liefen wir - die Elektrische war zu teuer - in die Dörfer, meist singend - es war die Zeit des Wandervogels. Mittags aßen wir in der Volksküche und ließen selten etwas übrig für den ‚Tellerlecker‘, das war ein Armer, der die Reste von den Tellern aß. Abends traf man sich in einer winzigen Bude, dem Atelier eines Mitschülers, Walter Hartung.“6

Kostumfest 1924, sitzende Frau im hellen Kleid vermutlich Gerta Overbeck7

Abschluß-Zeugnis der Staatlich-Städtischen Handwerker- und Kunstgewerbeschule

Hannover 1922

Alle teilten das Schicksal mittellos zu sein, so daß die ma-terielle Not sie zwang, Aushilfs- und Gelegenheitsarbeiten anzunehmen.

„Als die Inflation weiter fortschritt, mußten die meisten von uns die Schule verlassen. Sie strichen Eisengerüste und Fahrstühle an, arbeiteten als Bühnenarbeiter, als Kunstge-werbler, Reklamezeichner für einen Stundenlohn von 120

6 Anmerkung 3. S. 255

7 Foto aus: „Der stärkste Ausdruck unserer Tage“. Neue Sachlichkeit in Han-nover. Katalog der Ausstellung im Sprengel-Museum Hannover 2001/2002. S. 11

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Reichsmark, der gerade ausreichte für Brot und Margarine, wenn man noch ausgehen wollte, und das taten wir oft nach dem Abendakt. Häufig besuchten wir die Fruchtweinschän-ken draußen vor der Stadt, einmal gingen wir zu Damenring-kämpfen. Beim Schützenfest - ich hatte Eier eingekauft - fuhr ich mit Ernst Thoms Achterbahn. Es blieb nur noch Rührei übrig. Eines Tages, als ich mich dabei ertappte, wie ich die Straße nach Geld absuchte, sagte ich mir, daß es so nicht weiterge-hen könne. Ich nahm eine Stelle als Zeichenlehrerin in Dort-mund an. Die Preise stiegen ins Unermeßliche. Ich bekam alle drei Tage Gehalt und stürzte dann gleich zum Schlachter, um das Geld sicher anzulegen und meiner Familie etwas zum Essen mitzubringen. In den Sommerferien unternahm ich mit Grete Jürgens und ihrem Bruder Hans lange Fußwan-derungen in den deutschen Mittelgebirgen. Als wir von den Rhönbergen hinunterstiegen, war die Mark auf eine Billion heraufgeklettert und da blieb sie stehen.In Dortmund wohnte ich, in Hannover war ich beheimatet, das heißt, ich verbrachte die Schulferien hier, kam manchmal sogar zu Festtagen und an Wochenenden. ‚In Hannover gibt es einen sprechenden Film‘, schrieb mir Grethe Jürgens am 28. Februar 1924.Durch meine Freundschaft mit Ernst Thoms habe ich viel ge-lernt. Er besaß das, was mir fehlte, die handwerkliche Grund-schulung. Er hatte ein Atelier mit Petroleumbeleuchtung und einem Kanonenofen, wo schon Kaulbach gemalt hatte: zwei übereinanderliegende Räume in einem Altstadthaus gegen-über dem Neustädter Markt.“8

„Nachdem meine Ausbildung in Hannover im Oktober 1922 beendet war, wurde ich erneut am Schillerlyzeum zu Dortmund beschäftigt, und zwar bis Oktober 1923. Am 1. Oktober 1923 kam ich ans katholische (Marienlyzeum) der Schwestern der christlichen Liebe, wo ich bis jetzt noch tätig bin.“9

„Am 1. Oktober 1923 kam ich ans Marienlyzeum in Dort-mund, wo ich bis Ostern 1928 tätig war. Von da ab nahm ich auf Grund meiner kunstgewerblichen Kenntnisse eine fortlaufende Beschäftigung an verschiedenen Schulen an. Am staatlichen Gewerbeseminar gab ich den Unterricht im Tafelzeichnen in den hauswirtschaftlichen Klassen, am technischen Seminar ders Mallinckrodtlyzeums den künstle-rischen Unterricht und in der Hausfrauenklasse der Droste Hülshoff-Mittelschule den Zeichenunterricht.“10

Im Juli 1926 reiste die Künstlerin mit Ernst Thoms nach Nor-derney, um dessen Freund August Heitmüller zu besuchen.

8 Anmerkung 3. S. 257

9 Aus einem handgeschriebenen Lebenslauf der Künstlerin vom 15.1.1927, in Dortmund verfaßt

10 Aus einem handgeschriebenen Lebenslauf der Künstlerin , geschrieben am 7. März 1940 in Cappenberg

Ernst Thoms, Gerta Overbeck. Bleistiftzeichnung signiert, datiert und bezeichnet, Juli 1926. Sammlung Michael Allnoch, Bremen.

Ostern 1928 wechselte Gerta Overbeck als nebenamtliche Zeichenlehrerin an das Staatliche Gewerbelehrerinnense-minar in Dortmund, wo sie bis zu dessen Auflösung im April 1931 blieb.

Brief von Ernst Thoms an Gerta Overbeck vom 16.10.1928, in dem er von der 15. Herbstausstellung Hannoverscher Künstler im Kunstverein Hannover berichtet. Sammlung Michael Allnoch, Bremen

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Transkription von Michael Allnoch, Bremen:

Hann. Dienstag 16.10.28Du liebe gute Teit !11

Ich habe gerade Kaffee getrunken, der Ofen ist warm, Hermann Landwerths Kohlen heizen gut, feucht sind die Bilder an den Wänden – Deine beiden Briefe liegen dicht bei mir. Vorhin wie ich im Bett lag, kam Mathilde12 und brachte freudig von Gerta …. schreiend Deine Briefe. Heute ist ein guter Tag, die Sonne strahlt und Teit hat an mich geschrie-ben, nun fehlst Du noch und es sollte ein toller Tag sein. Du bist so reich geworden Du. Ganz blaß wurde ich als in dem kleinen Brief 10 Mark lagen. Wenn es ging, müßte ich sparen um bei einer Gelegenheit nach Dortmund reisen zu können. Ich hoffe weiter wie ein gutes Schaf, die Bilder von Düsseldorf sind nach Nbg. Abgeschickt, ohne Erfolg. Nun hoffe ich auf die nächste erfolglose Gelegenheit, die hiesige Herbstausstellung. Und wenn es nichts wird, na dann hoffe ich auf den Weihnachtsmann. Auf der Herbstausstellung kannst Du sehen alles was Du denkst. Kurz: meine Bilder hängen gut mitten auf der Wand, Erich [Wegner] mit vier Bilder daneben, [Hans] Mertens dazwischen, Burger [Fritz Burger-Mühl-feld] [Friedrich] Busack rechts und links würdig (schönes Wort) [August] Trümper ganz links (2Bilder) So hast Du sie alle beisammen. Burger hat 9 Bilder, er ist genau so wie vor 6-7 Jahren und wirkt unangenehm münchnerisch, ich war über diesen Rückfall sehr erstaunt. Er selbst be-grüßte mich kurz noch aber herzlich, wie es einem Professor ziemt. Von mir haben sie angenommen 2 Stilleben und Heidebilder und das Portrait von Mutter. Das interessanteste“ Kleopatra“?

Hier endet der Brief, auf der Rückseite Skizze von Thoms: „Teit im Atelier – oder das Mädchen aus der Ackerstraße ? so denke ich mir die neue Wohnung.“

Die Künstlerin hatte ihre Kontakte zu den hannoverschen Freunden nie abbrechen lassen, so reiste sie 1930/31 mit

11 Den (Spitz)namen hatte Gerta schon von Kindesbeinen an.

12 Mathilde war eine gute Bekannte von Ernst Thoms, keine Freundin

ihrer Freundin Gretha Jürgens nach Bodenwerder an der Weser. „Später, 1931, siedelte ich dann wieder ganz nach Hannover über, in die Liststadt, wo im 5. Stock Ateliers ge-baut worden waren13. Damals erst lernte ich Hans Mertens, Gustav Schenk, Busack, der schon sehr krank war, und Tüter kennen. Als dann der 30. Januar 1933 kam, wohnte ich in einer Dachkammer in der Innenstadt, später in der Altstadt im Hinterhaus eines schmalen fünfstöckigen mittelalterlichen Hauses mit Ausblick auf den zweiten Hinterhof, wo die Rat-ten tanzten und die Leute ihren Abfall aus den angrenzenden Häusern in den Hof warfen. Das Zimmer hatten die ersten Boxer als Trainingsraum benutzt. In der Decke befanden sich noch die Haken für die Sandsäcke, und vor dem alten Kamin war der Fußboden aus gestampftem Lehm. Dort wohnte ich, als in der Masch - wo es damals noch keinen See gab - ein riesiges Feuer entzündet wurde, in dem die nicht erwünsch-ten Bücher verbrannt wurden. Ich zog erst aus, als mein Schwager, der Buchmacher Karl Eggert, mir mit der Gesund-heitspolizei drohte. Zu sagen war dann sowieso nicht mehr viel. Es wurde nur noch geflüstert.“14

Gerta Overbeck 1929

Um diese Zeit also kam sie dem langjährigen Lebensgefähr-ten von Gretha Jürgens, Gustav Schenk (1905-1969) näher15. Er trennte sich um 1935 von Gretha, wodurch es zum Bruch der beiden Künstlerinnen kam. Schenk und Overbeck heirateten am 18.5.1937, am 18.1.1937 war die gemeinsame Tochter Frauke geboren worden (gestorben am 27. Oktober

13 nach Aussage von Ines Katenhusen, die über die Entstehung der Atelier-häuser berichtet, zog Overbeck 1932 hier ein: Podbielskistr. 114. Ines Katenhusen, „In summa so etwas wie das künstlerische Gesicht unserer Stadt“? Die Stadt, die Provinz und die Maler der Neuen Sachlichkeit in den zwanziger und dreißiger Jahren. In: „Der stärkste Ausdruck unserer Tage“. Neue Sachlichkeit in Hannover. Katalog der Ausstel-lung im Sprengel-Museum Hannover 2001/2002. S. 40

14 Anmerkung 3. S. 258

15 „Die Malerin Gerta Overbeck zählte seit Ende der zwanziger Jahre zu seinem engsten Freundeskreis“ (Ines Katenhusen, Kunst und Politik. Hannovers Ausein-andersetzungen mit der Moderne in der Weimarer Republik. Hannover 1998. S. 382)

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2015). Schenk war Schriftsteller und gab von 1931 bis 1932 zusammen mit Grethe Jürgens die Zeitschrift „Der Wachs-bogen“ im Matrizendruck heraus (siehe hierzu Katalog-Nummer 24). 1931 beteiligte sie sich erstmals an Ausstellungen, der „5. großen westfälischen Kunstausstellung“ und der „18. Herbst-ausstellung“ im Kunstverein Hannover (mit 4 Werken).

1932 nahm die Künstlerin an der Ausstellung „Die Neue Sachlichkeit in Hannover“ im Herzog-Anton-Ulrich-Museum Braunschweig mit stattlichen 17 Werken teil (darunter wohl das hier offerierte Aquarell „Abbruchstelle“). Im Mai des Jah-res kaufte der Reichswirtschaftsverband bildender Künstler Hannover von Overbeck ein Aquarell, sowie von weiteren Künstlern der Gruppe „zum Zwecke der Verschönerung der Diensträume der städtischen Beamten.“16 Überhaupt war Gerta Overbeck in dieser Zeit künstlerisch durchaus erfolgreich und beteiligte sich zwischen 1931 und 1937 an vierzehn Ausstellungen. 1933 und 1936 erwarb die Stadt Hannover je ein Aquarell von ihr für die städtische Samm-lung, die dann ins Provinzialmuseum überstellt wurden.

„In den letzten Jahren habe ich nur vorübergehende Vertre-tungen übernommen, zuletzt im Jahre 1936 am Marienlyze-um in Dortmund. Ich habe mich während dieser Zeit ganz dem Künstlerberuf zugewandt und bin Mitglied der Reichs-kammer der bildenden Künstler. 1937 heiratete ich, lebe aber jetzt während der Kriegszeit mit meiner Tochter bei meiner Mutter in Cappenberg.“17

Am 15.3.1940 wurde die Ehe geschieden.

Diese Rückkehr in die Heimat erzeugte ihre vollkommene Isolation, die Rezeption ihres Schaffens brach nahezu voll-ständig ab. Im Alter von 60 Jahren nahm sie 1958 noch ein-mal ein Studium, nämlich das der Glasmalerei an der Werk-kunstschule Braunschweig, auf, welches sie 1961 beendete.

Mit Beginn der Sechziger Jahre bekam die „Neue Sachlich-keit“ schließlich ihre kunsthistorische Anerkennung. Die damit verbundenen zahlreichen Ausstellungsbeteiligungen Gerta Overbecks dokumentieren ihre Bedeutung für die Kunst der Weimarer Republik. „Neben Grethe Jürgens, ihrer Freundin aus der hannoverschen Studienzeit, sowie Käthe Hoch, Jeanne Mammen, Lea Grundig und Alice Lex-Nerlinger ist Gerta Overbeck eine der herausragenden weiblichen Figuren der Neuen Sachlichkeit.“18

Die Künstlerin starb sehr zurück gezogen am 2. März 1977 in Lünen.

16 Ines Katenhusen, „In summa so etwas wie das künstlerische Gesicht un-serer Stadt“? Die Stadt, die Provinz und die Maler der Neuen Sachlichkeit in den zwan-ziger und dreißiger Jahren. In: „Der stärkste Ausdruck unserer Tage“. Neue Sachlichkeit in Hannover. Katalog der Ausstellung im Sprengel-Museum Hannover 2001/2002. S. 40

17 Aus einem handgeschriebenen Lebenslauf der Künstlerin, geschrieben am 7. März 1940 in Cappenberg

18 Hildegard Reinhardt, Gerta Overbeck. In: Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte. Band 18. München 1979. S. 225

Ausstellungen:

Fünfte große westfälische Kunstausstellung, Dortmund • 1931Frühjahrs- und Herbstausstellungen hannoverscher • Künstler im Kunstverein Hannover, 1931-1940 und 194319

Die Neue Sachlichkeit in Hannover, Herzog-Anton-Ul-• rich-Museum Braunschweig, 1932Herbstausstellung westfälischer Künstler, Haus der • Kunst, Dortmund 1932Die Zwanziger Jahre in Hannover, Kunstverein Hannover • 1962Magischer Realismus in Deutschland 1920-1933. Von der • Heydt-Museum Wuppertal 1967Aspekte der Neuen Sachlichkeit. Galleria del Levante, • München/Rom 1968Realismus in der Malerei der 20er Jahre. Kunstverein • Hamburg 1968 und Kunstverein Frankfurt 1969Realismus zwischen Revolution und Machtergreifung • 1919-1933. Kunstverein Württemberg Stuttgart 1971Il Realismo in Germania, Rotonda di Via Besana, Mailand • 1971Nuova Oggettività Tedesca (1918-1933), Galleria d‘arte • Stivani, Bologna 1972Neue Sachlichkeit - Neuer Realismus. Galerie Loehr, • Frankfurt/M. 1972Realismus der zwanziger Jahre, Galerie Hasenclever, • München 1973Réalismes en Allemagne 1919-1933, Musée d‘Art et • d‘Industrie, St. Etienne und Musées d‘Art et d‘Histoire, Chambéry 1974Neue Sachlichkeit in Hannover. Kunstverein Hannover • 1974Querschau - Schwerpunkt Zwanziger Jahre. Galerie Kro-• kodil, Hamburg 1974.Neue Sachlichkeit. Zwölf Maler zwischen den Kriegen. • Galerie von Abercron Köln 1975Vom Art Brut zur Neuen Sachlichkeit, Realisten in Han-• nover. Galerie Krokodil, Hamburg 1975/76Gerta Overbeck - Malerei des Realismus 1920-1933. Ga-• lerie Krokodil, Hamburg (erste Einzelausstellung), 1976Realismus der zwanziger und der siebziger Jahr. (Gedok) • Kunsthaus Hamburg 1976Die zwanziger Jahre im Porträt. Porträts in Deutschland • 1918-1933. Rheinisches Landesmuseum, Bonn 1976Großstadt und Großstadtleben um 1926. BAT-Haus • Hamburg 1976Umwelt 1920. Kunsthalle Bremen 1977• Der Realismus der zwanziger Jahre. Niedersächsische • Landesgalerie, Hannover 1977/78Künstlerinnen international 1877-1977. Schloß Charlot-•

19 siehe hierzu: Krempel, Ulrich, Die hannoverschen Künstler der Neuen Sach-lichkeit auf Kunstausstellungen der 1920er bis 1940er Jahre. In: „Der stärkste Ausdruck unserer Tage“. Neue Sachlichkeit in Hannover. Katalog der Ausstellung im Sprengel-Museum Hannover 2001/2002. S. 27 f.

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tenburg 1977.Wem gehört die Welt - Kunst und Gesellschaft in der • Weimarer Republik. Staatliche Kunsthalle Berlin 1977Revolution und Realismus. Revolutionäre Kunst in • Deutschland 1917 bis 1933. Altes Museum, Berlin (Ost) 1979Aus Schacht und Hütte. Ruhrfestspiele Recklinghausen • 1980Stilleben und Landschaftsbilder der Neuen Sachlichkeit. • Galerie Levante, München 1980Kunst und Technik in den 20er Jahren. Städtische Galerie • im Lenbachhaus, München 1980L‘altra metà dell‘avanguardia 1910-1940. Palazzo Reale, • MailandAndra Hälften av Avantgardet, Kulturhuset Stockholm • 1981Grethe Jürgens - Gerta Overbeck. Bilder der zwanziger • Jahre. Bonner Kunstverein 1982Hannoversche Maler der Neuen Sachlichkeit. Eine Aus-• stellung der Niedersächsischen Sparkassenstiftung in der Universität Leipzig, Stadtsparkasse Hannover, im Augus-teum des Landesmuseums Oldenburg, Städtischen Muse-um Göttingen, Kulturgeschichtlichen Museum Osnabrück und Museum für das Fürstentum Lüneburg 1991Galerie Fischer, Frankfurt 1995• „Die Neue Frau? Malerinnen und Grafikerinnen der • Neuen Sachlichkeit“. Städtischen Galerie Bietigheim-Bissingen 2015.

Zur Provenienz der Werke:

Die nachfolgend aufgeführten Arbeiten stammen - mit Aus-nahme der Katalognummer 8 - aus dem Nachlaß des 2000 verstorbenen Kunsthistorikers Wolf Anschütz, der zugleich Inhaber der Hamburger Galerie Krokodil war, wo die erste (und bislang einzige) Einzelausstellung Gerta Overbecks 1976 stattfand. Anschütz, der auch eine Dissertation über die Hannoveraner Gruppe plante, erwarb alle Werke und Dokumente aus der Hand der Künstlerin. Wir danken seiner Frau, Dr. Irene Tesseraux, uns das kunst-historisch bedeutsame und facettenreiche Konvolut anver-traut zu haben, damit ein wichtiger Teil des Oeuvres von Gerta Overbeck nach 40 Jahren wieder in einer Einzelaus-stellung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden kann.

Offensichtlich hat Gerta Overbeck ihre Zeichnun-gen zu einem späteren Zeitpunkt auf Kartons mon-tiert und dann - der Erinnerung nach - betitelt und datiert. Wir haben diese Angaben übernommen, ihre Korrektur bedürfte einer umfangreicheren Recherche.

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1. Raskolnikow.

Kreide- und Tuschfederzeichnung, stellenweise weiß gehöht bzw. leicht koloriert, auf Velin, mit Bleistift signiert und datiert, 1920. 20,1 : 10,2 cm. Verso und auf dem Unterkarton von der Künstlerin in Bleistift betitelt.

Dargestellt ist eine Szene aus Dostojewskis Roman „Schuld und Sühne“, die Ermordung einer Pfandleiherin durch Rodion Romanowitsch Raskol-nikow.

„Es war die Zeit, als Haarmann in jener Gegend sein Unwesen trieb. In der Kreuzschanze, einer Verbrecherkneipe, in Spelunken, wo Straßen-mädchen verkehrten, in kleinen Lokalen mit sentimentalen Kabarettvor-führungen fanden wir das Milieu, welches uns den Stoff zu vielen Bildern und Zeichnungen lieferten. Man suchte den Kitsch, den es heute nicht mehr gibt, den Kitsch, der zu der Atmosphäre der schönen Altstadt so unerhörte Gegensätze zauberte.“ 1

Auch die Bilder Erich Wegners könnten die Künstlerin inspiriert haben, da er sich seit 1920 ausgiebig mit dem Thema Mord auseinandersetz-te.2

1 Gerta Overbeck zitiert nach: Hildegard Reinhardt, Gerta Overbeck. In: Britta Jürgs, Hrsg., Leider hab ich‘s Fliegen ganz verlernt. Portraits von Künstlerinnen der Neuen Sachlichkeit. Grambin 2000. S. 128

2 siehe hierzu: Kathrin Hoffmann-Curtius, Wegners Mordbilder. In: „Der stärkste Ausdruck unserer Tage“. Neue Sachlichkeit in Hannover. Katalog der Ausstel-lung im Sprengel-Museum Hannover 2001/2002. S. 49 ff

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2. Dame mit Hund.

Collage aus Stoff und Zeitungspapier auf Pappe, mit Ölfarbe bemalt, mit Tinte monogrammiert auf dem Unterpapier in Bleistift betitelt, signiert und datiert, 1921. Ca. 37,8 : 20,6 cm.Mit Spuren von Reisnägeln, der Unterkarton gebräunt und leicht fleckig, dieser rückseitig eigenhändig mit der Adresse der Künstle-rin in Kugelschreiber.

„Läßt man das in den zwanziger Jahren entstandene Oeuvre Gerta Overbecks vor sich wiedererstehen, so konstatiert man im wesentlichen zwei Themenkomplexe: Zu Beginn der zwanziger Jahre beschäftigte sich Gerta Overbeck überwiegend mit Genremotiven, die sie in ihrer unmittelbaren Umgebung aufspürte und in kleinformatigen Gouachen oder Aquarellen festhielt. In der Mitte des Jahrzehnts und gegen Ende hin wandte sie ihr Interesse den Bau- und Industriebildern zu, Themen also, die man gemeinhin mit dem Etikett ‚typisch männlich‘ belegt. [...] In den frühen zwanziger Jahren schilderte die Künstlerin vorwiegend kleine Genreszenen ihres unmittelbaren Lebenskreises (u.a. ‚Blumenver-käuferin‘ (1921), ‚Dame mit Hund‘ (1921), ‚Mädchen mit Katze‘(1921), ‚Die Näherin‘ (1922), ‚Paar mit Grammophon‘ (1922), ‚Garderobenfrau‘ (1922)). Es sind dies Momentaufnahmen des Studenten- und Arbeiter-milieus, in dem sie damals lebte, Eindrücke, die die junge Malerin in den Straßen, Läden und Lokalen im Vorübergehen in sich aufnahm.“1

Die Wahl der Technik läßt auf einen gewissen Einfluß von Kurt Schwit-ters schließen, der in seinen seit Ende 1918 geschaffenen Collagen Zeitungsschnipsel, Textilreste und sonstige Fundsachen „Brocken des täglichen Abfalls“ (Schwitters) durch die Einsicht „daß alle Werte nur durch Beziehungen untereinander bestehen, und daß die Beschränkung auf ein Material einseitig und kleinlich sei“ 2 in einen neuen Kontext brachte. Bestehend aus meist unbedruckten unifarbenen Papieren und Stoffen bezeichnete er die Bekenntnisse zur Abstraktion als „A“-Zeichnungen. Anders jedoch als die papier collés der Kubisten versuchte er alles Nachahmende zu vermeiden. Schwitters war Mitglied der von Burger-Mühlfeld mitgegründeten „Hannoverschen Sezession“ und stellte zwischen 1919 und 1921 regelmäßig in der Kestner-Gesellschaft aus. Overbeck und ihre Künstlerfreunde werden sicher diese Ausstelllungen besucht haben, und so wundert es nicht, dass die Künstlerin sich eben-falls in dieser neuen Ausdrucksform probiert. Während sie in „Dame mit Hund“ noch recht erzählerisch bleibt, wendet sie sich in der Collage „Strassensänger“ radikal vom Gegenständlichen ab. Vielleicht hat sie sich auch mit den theoretischen Schriften Schwitters beschäftigt, der 1920 schrieb: „Merz will die Befreiung von jeder Fessel, um künstle-risch formen zu können. Freiheit ist nicht Zügellosigkeit, sondern das Resultat strenger künstlerischer Zucht. Merz bedeutet auch Toleranz in bezug auf irgendwelche Beschränkung aus künstlerischen Gründen. Es muß jedem Künstler gestattet sein, ein Bild etwa nur aus Löschblättern zusammenzusetzen, wenn er nur bilden kann.“3 Obwohl mit Schwitters ein Vertreter der internationalen Avantgarde in Hannover weilte, sah man auf seinen Erfolg mit einem gewissen Neid: „Wir wurden gar nicht ernst genommen, uns kannte keiner, die liefen ja lieber zu Schwitters und den anderen in der Kestner-Gesellschaft, wir waren ja nicht modern genug.“4 Christian Fuhrmeister hält diese rückblickende (oftmals falsch

1 Hildegard Reinhardt, Gerta Overbeck. In: Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte. Band 18. München 1979. S. 234

2 Kurt Schwitters, Merz für den Ararat geschrieben. In: Das literarische Werk. Hrsg. von Friedhelm Lach.Köln 1973-1981. Band 5, S. 78

3 Anmerkung 2. S. 77

4 Gerta Overbeck zitiert nach: Georg Reinhardt, Zwischen Atelier und

in die 1920er Jahre datierte) Aussage Greta Overbecks jedoch für eine Form der Legendenbildung: „So entstand das angeblich sympathische Bild eines Kreises von einfachen, aufrechten Künstlerinnen, die mit einer gewissen Naivität vor sich hin gearbeitet hätten, ohne Beachtung zu finden“.5 Auch der Verleger Christoph Spengemann, Mitarbeiter im „Wachsbogen“ (siehe Katalog-Nummer. 26), war schärfster Kritiker der Kestner-Gesell-schaft und warf ihr Selbstgefälligkeit und Trägheit vor.6

Straßensänger. Collage aus farbigen und bemalten Papieren, ein Element durch Brandspuren gestaltet, mit Übermalungen in Tusche auf Papier, dieses auf Karton (Zielscheibe) ganzflächig montiert, mit Bleistift in der Darstellung monogrammiert „O/SCH“ (für Overbeck-Schenk)7, auf dem Unterkarton signiert, recto signiert und betitelt, um 1921. 25,8 : 17,8 auf 31,5 : 23 cm.Sammlung Michael Allnoch, Bremen.

Straße. Zur Geschichte und Malerei der Neuen Sachlichkeit in Hannover. In: Katalog der Ausstellung „Neue Sachlichkeit in Hannover“, Kunstverein Hannover 1974. S. 9

5 ChristianFuhrmeister,,Legenden,SpezifikaundDefinitionsfragen.In:„Derstärkste Ausdruck unserer Tage“. Neue Sachlichkeit in Hannover. Katalog der Ausstel-lung im Sprengel-Museum Hannover 2001/2002. S. 14

6 Ines Katenhusen, Kunst und Politik. Hannovers Auseinandersetzungen mit der Moderne in der Weimarer Republik. Hannover 1998. S. 262 f.

7 Die Künstlerin war mit Gustav Schenk von 1937 bis 1940 verheiratet, weshalb es sich hier nur um eine posthum angebrachte Signatur handeln kann.

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3. Ohne Trost.

Kreide- und Federzeichnung, teils leicht koloriert, auf Zeichenpa-pier, mit Bleistift signiert und datiert, 1921. 20 : 10,4 cm. Verso: Kreidestudie eines Mannes auf der Leiter.Von der Künstlerin auf dem Unterpapier in Bleistift betitelt.Am unteren Rand mit Papierstreifen hinterlegt.

Etliche der hier gezeigten Arbeiten aus 1921 und 1922 legen einen Einfluß durch Dix, Grosz und Felixmüller nahe. Alle drei Künstler wurden 1921 in der Kestner-Gesellschaft ausgestellt. Daneben veranstaltete die hannoversche Galerie Herbert von Garvens1 zwischen 1920 und 1923 insgesamt 26 Ausstellungen mit Werken von Archipenko, Bau-meister, Beckmann, Chagall, Dix, El Lissitzky, Ensor, Grosz, Jawlensky, Klee, Kokoschka, Kubin, Moholy-Nagy, Nolde, Schlemmer, Schwitters u. a. Zeugnisse belegen, dass die Künstler um Overbeck im Kontakt zu von Garvens standen, zumal ihr Lehrer Burger-Mühlfeld selbst dort 1921 Hinterglasbilder ausstellte.2 So erinnert sich auch Grethe Jürgens: „Anre-gungen habe ich auch von der Galerie Garvens bekommen. Dort habe ich Chagall und die russischen Künstler kennengelernt.“3 Nicht ohne Spuren dürfte auch der Besuch der Ausstellung der „Kunst von Geisteskranken“ 1921geblieben sein. Hierzu lud Garvens den berühmten Heidelberger Psychiater Hans Prinzhorn zu einem Eröff-nungsvortrag ein. Der Kunsthistoriker und Psychiater (1886-1933), dessen Sammlung seit 2001 in einem eigenen Museum in Heidelberg ausgestellt ist, hatte zwischen 1919 und 1921 mit dem Zusammentra-gen von bildnerischen Werken psychischkranker Patienten begonnen und so die „Art Brut“ aus der Taufe gehoben. Diese rein autodidaktischen, antiakademischen Kunstäußerungen werden die jungen Künstler um Gerta Overbeck sicherlich angesprochen haben.

1 ausführliche Informationen: Ines Katenhusen, Kunst und Politik. Hannovers Auseinandersetzungen mit der Moderne in der Weimarer Republik. Hannover 1998. S. 254 ff sowie: Katrin Vester, Herbert von Garvens-Garvensburg: Sammler, Galerist und Förderer der modernen Kunst in Hannover. In: Henrike Junge, Hrsg., Avantgarde und Publikum. Zur Rezeption avantgardistischer Kunst in Deutschland 1905-1933. Köln 1992. S. 93 ff

2 sieheChristianFuhrmeister,,Legenden,SpezifikaundDefinitionsfragen.In: „Der stärkste Ausdruck unserer Tage“. Neue Sachlichkeit in Hannover. Katalog der Ausstellung im Sprengel-Museum Hannover 2001/2002. S. 20

3 Grethe Jürgens und Gerta Overbeck. Bilder der zwanziger Jahre. Katalog der Ausstellung im Kunstverein Bonn 1982. S. 17

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4. Mann und Frau.

Tuschpinsel- und federzeichnung auf Pergament, mit Bleistift sig-niert und datiert, auf dem Unterpapier in Bleistift betitelt, 1921. 33 : 24,6 cm.In den Ecken verso Klebefilmstreifen, leicht recto durchschlagend.

„Nicht weit davon liegt die sogenannte ‚Rote Reihe‘, eine Gruppe müder, einander kaum noch stützender morscher Häuser. In diesem schmut-zigen Häusergewirr, auf den seit Jahrhunderten ausgetretenen elenden Holzstiegen, in Verschlägen, mehr Käfigen gleich, nur durch dünne Tape-tenwände oder Bretterverschläge von einander abgetrennt, hausten in Deutschlands Elendszeit die Ärmsten der Armen. [...] Auf der ‚Insel‘ war Diebesbörse und Hehlermarkt. Hier wurde (in der Sprache dieser Hin-terwelt geredet) allabendlich geküngelt und geküchtebücht. [...] Abends, wenn der Mond hing über den morschen Dächern und grauen Schloten und den gespenstischen schwarzen Fluß versilberte, kam die schwere, dürre, zermürbte, zerarbeitete Leidensmenschheit aus ihren alten Kästen hervor und hing und hockte über der stinkenden Lagune, auf der alten Brücke: arme, sorgenschwere, kinderreiche Mütter, müdegewordene, früh

verstumpfte Männer.“1

In so einer Stimmung mag sich die Künstlerin an ihre Heimat mit den Bergmannssiedlungen, der rußigen Luft und den qualmenden Schlo-ten erinnert fühlen, wo selbst die Sonne hinter dem schwarzen Staub verschwindet.

1 Theodor Lessing, Haarmann . Geschichte eines Werwolfs. 1925. Zitiert nach: Hannoversche Maler der Neuen Sachlichkeit. Eine Ausstellung der Niedersächsi-schen Sparkassenstiftung 1991. S. 10

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5. Hunger.

Federzeichnung über Bleistift auf Zeichenpapier, mit Bleistift sig-niert und datiert, 1921. 20,7 : 10,3 cm. Verso erneut betitelt, die Ecken mit Papier verstärkt.

„An drei Stellen der Stadt erhob sich ein Gauner-, Hehler- und Prostitu-tionsmarkt ohnegleichen, dessen die Behörden nicht mehr Herr wurden. Zunächst im Bahnhof und auf den ihn umgebenden Plätzen. Hier wurde in der schweren Brotmarkenzeit, wo man Brot, Fleisch und Milch nur in kleinsten Rationen gegen teures Geld und nach stundenlangem ‚Schlangestehn‘ erhalten konnte, unter der Hand ein schwunghafter Handel mit gestohlenem und heimlich geschlachtetem Nutzvieh, auch mit Kaninchen, Ziegen, Hunden und Katzen, mit Kartoffeln, Mehl und mit allerhand gepanschter und verschobener Ware getrieben: vor allem aber mit Kleidern, Wäsche und Schuhen. Hier versammelten sich all-nächtlich in den Wartesälen viele Obdachlose, Arbeitslose, Hungrige und Entgleiste...“1

1 Theodor Lessing, Haarmann . Geschichte eines Werwolfs. 1925. Zitiert nach: Hannoversche Maler der Neuen Sachlichkeit. Eine Ausstellung der Niedersächsi-schen Sparkassenstiftung 1991. S. 9

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6. Im Park. 1

Lithographie auf festem Papier, mit Bleistift signiert und datiert, auf dem Unterpapier in Bleistift betitelt und datiert, 1921. 29 : 22 cm.Geringfügig fleckig.

Das in Hannover entstandene Frühwerk der Künstlerin ist formal geprägt von expressionistischen und kubistischen Einflüssen, inhaltlich „fixierte sie ihre Beobachtungen der Lebenswelt der ‚kleinen Leute‘, [...] der Menschen, die >Schwere der Goldenen 20er Jahre< (Ernst Thoms) durchlitten: ein Pandämonium von Randexistenzen, das in seiner Eigen-willigkeit und Radikalität einzigartig ist.“2

1 Diese Graphik ist bei Hildegard Reinhardt mit „In Erwartung“ betitelt. Hil-degard Reinhardt, Gerta Overbeck. In: Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte. Band 18. München 1979. S. 228

2 Hildegard Reinhardt, Gerta Overbeck. Die Neue Frau gegen den Strich gebürstet.In:DieNeueFrau?MalerinnenundGrafikerinnenderNeuenSachlichkeit.Katalog der Ausstellung in der Städtischen Galerie Bietigheim-Bissingen 2015. S. 146

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7. Mädchen mit Roller.

Gouache und Tuschfederzeichnung auf Velin, mit Bleistift signiert und datiert, 1922. 20 : 10,3 cm. Verso eine kleine Aquarellstudie. Auf dem Unterkarton von der Künstlerin in Bleistift betitelt und datiert.

Trotz ihrer desolaten finanziellen Situation trachteten die Künstler um Greta Overbeck nicht nach einer Marktgängigkeit ihrer Werke. „Sehr bewußt stellten wir uns in den zwanziger Jahren in Gegensatz zur soge-nannten Gesellschaft. Wir wurden auf diese Weise davor bewahrt, den Leuten zuliebe landläufige und gut verkäufliche Themen zu wählen oder etwas nachzuahmen.“1

1 Gerta Overbeck zitiert nach: Hildegard Reinhardt, Gerta Overbeck. In: Britta Jürgs, Hrsg., Leider hab ich‘s Fliegen ganz verlernt. Portraits von Künstlerinnen der Neuen Sachlichkeit. Grambin 2000. S. 125

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8. Menschenfresser (verso: Industriearchitektur). Verso: Gouache und Kohle mit Bleistift; recto: Aquarell mit wenig Gouache und Bleistift auf perforiertem Zeichenblockpapier; verso mit Bleistift signiert und datiert, 1922; recto mit Bleistift signiert und datiert, 1924.Das Papier etwas gebräunt, leichte Altersmängel, sonst farbfrisch erhalten.Provenienz: Privatsammlung Köln.

Ausstellung: „Der stärkste Ausdruck unserer Tage“. Neue Sachlich-keit in Hannover. Sprengel Museum Hannover 2001/2002. Katalog-nr. 304 (mit Abbildung)

Kennzeichnet für die Arbeiten in Mischtechnik, die in den frühen 1920er Jahren entstanden, ist die stark eingeritzte Bleistiftkontur der einzelnen Bildelemente, die noch stellenweise auf der Rückseite relief-artig zu erkennen ist. Das Ergebnis erinnert entfernt an die Monotypien von Paul Klee.Zu sehen sind ein Liebespaar auf einer Bank vor einem See mit Segel-booten, dahinter ein karger Baum, Hügel und ein Haus. Im Zentrum des Bildes greift ein Mann oder eine Frau nach dem Arm eines kleinen Jungen, in der anderen Hand hält er/sie eine Tüte, die vielleicht mit Bon-bons gefüllt ist. Auf der rechten Seite kratzt sich ein Hund mit seinem Hinterlauf am Fell, dahinter sieht man neben einem weiteren Gebäude eine Art Gerüst.Statt um ein heiteres Sonntagsvergnügen im Park, handelt es sich um eine düstere und geheimnisvolle Szenerie, was durch die Farben und den Gesichtsausdruck der beiden Protagonisten unterstrichen wird. Dieses schwer zu enträtselnde Bild steht - wie schon die Zeichnung „Raskolnikow“ - im Kontext mit Wegners Mordbildern.

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9. Heimweg.

Federzeichnung mit Kohle und Deckweiß auf Pergament, mit Tu-sche signiert und mit Bleistift datiert, 1922. 32,7 : 24,7 cm. Auf dem Unterkarton betitelt.

„Die Kleinbürger und die unbürgerlichen Existenzen, Menschen, die vom Leben stiefmütterlich behandelt worden waren - sie und ihr tristes Ambiente sind als beständig wiederkehrende Motive in die Kunst der Hannover-Gruppe eingegangen.“1

1 Hildegard Reinhardt, Gerta Overbeck. In: Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte. Band 18. München 1979. S. 228

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10. Mann mit Kind.

Kreide- und Federzeichnung, teils leicht koloriert, auf Zeichenpa-pier, mit Bleistift signiert und datiert, 1922. 20 : 10,4 cm. Verso von der Künstlerin in Bleistift betitelt.

Ein rätselhaftes Motiv: schützend hält der Mann das Kind im Arm, unter seinem Hut scheint Blut hervorzutreten. Die Lippen sind angespannt, der Blick zornig. Was wird passieren?

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11. Zwillinge.

Tuschfederzeichnung auf Velin-Papier, mit Tinte monogrammiert und datiert, verso mit Bleistift betitelt: „Kalenderblatt: Zwillinge“ und signiert, 1922. 26,2 : 19 cm. Von der Künstlerin auf dem Unterpapier in Bleistift betitelt : „Zwillinge, Entwurf für ein Kalenderblatt“, signiert und datiert.Stellenweise leicht fleckig, am linken Rand wohl von der Künstlerin verso mit Papierstreifen hinterlegt.

Die Mutter-Kind-Motive in Overbecks Frühwerk sind „in keinem Fall idyllische, verklärende Berichte vom häuslichen Glück, sondern Bildfor-mulierungen, in die der Ernst und die Schwere der 20er Jahre Eingang gefunden haben.“1

Das Frühwerk Gerta Overbecks besteht aus Genreszenen, zu denen sie durch ihre unmittelbare Umgebung angeregt wurde. Typisch für diese Bil-der ist „ein ungeheurer Bewegungsreichtum, eine bunte Erzählfreudigkeit und deutliche Bevorzugung des malerischen gegenüber dem kompo-sitorischen Moment [...] niedergeschrieben in summarischer, pastoser Handschrift, die die Personen und Gegenstände gelegentlich eigenwillig verfremdet und verformt.“2

1 Hildegard Reinhardt, Grethe Jürgens. Gerta Overbeck. Bilder der zwanziger Jahre. Katalog der Ausstellung im Kunstverein Bonn 1982. S. 14

2 Anmerkung 1. S. 11 f.

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12. Schrottlager.

Aquarell mit Bleistift auf Velin, mit Kugelschreiber nachträglich monogrammiert, auf dem Unterkarton mit Bleistift signiert, datiert und betitelt, 1923. 13,8 : 20,5 cm.

Von den hannoverschen Sachlichen befaßt sich neben Erich Wegner nur Gerta Overbeck mit dem Thema Industrie. Hierzu schreibt sie 1932 im Wachsbogen (siehe Katalog-Nummer 24): „Man sollte meinen, daß ein Künstler sich von dem Profitgeist, der sich in einer ungeheuren Verge-waltigung und Ausbeutung von Mensch, Erde, Wasser, Luft durch die Industrie zeigt, abgestoßen fühlen müßte. Es zeigt sich aber, daß viele Versuche unternommen worden sind, einen künstlerischen Ausdruck für dieses naturfremde Gebiet zu finden. Die Empfindung, die man als lebendes Wesen zwischen dieser verstümmelten Natur hat, ist die einer grausamen, kulturlosen Lieblosigkeit. [...] Die Luft ist eine dicke Masse von Qualm, Staub und Eisenteilchen. Sie lagert über Feldern und Häusern und gibt nach kurzer Zeit allen Dingen eine gleichmäßige graue Färbung. Der Mensch ist zwischen Eisenbahndämmen, Zechen-gebäuden, Abflußkanälen und Schlackenbergen eingekeilt. Die Wege, die er einschlägt, um ins Freie zu gelangen, hören meist nach kurzer Zeit wieder auf, entweder vor einer Zechenmauer oder vor einem Schild „Durchgang verboten“. Sie sind nicht zum Spazierengehen gedacht. Der Mensch ist nur ein ganz unbedeutendes Etwas, auf das keine Rücksicht genommen zu werden braucht.“1

1 Gerta Overbeck, Industriebilder. In: Der Wachsbogen. Heft 7/8 1932 unpa-giniert

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13. Massenunterkunft.

Bleistiftzeichnung auf kariertem Papier, mit Bleistift signiert und datiert, 1923. 21,4 : 14 cm. Von der Künstlerin verso und auf dem Unterpapier in Bleistift betitelt.Am oberen Rand perforiert.

„Innerhalb einer so komplexe, heterogenen Kunstströmung wie der Neu-en Sachlichkeit steht die Hannover-Gruppe zwischen dem ‚rechten‘ Flü-gel, den ‚Idyllikern‘, etwa Kanoldt, Schrimpf oder Mense und dem ‚linken‘ Flügel, den ‚Veristen‘ Grosz, Dix, Griebel oder Scholz. Sie verstand sich als Vereinigung unpolitischer Künstler, obgleich politische Geschehnisse in ihren Arbeiten durchaus ihren Niederschlag gefunden haben. Es war jedoch nicht ihre Absicht, vordergründig politisch zu wirken. Ihre Leistung besteht aber wohl darin, das Kleinbürgertum der Weimarer Republik, so wie sie es in Hannover beobachten und erleben konnten, porträtiert zu haben, eine Schicht also, die das Gesicht der zwanziger Jahre unverkenn-bar mitgeprägt hat.“1

1 Hildegard Reinhardt, Gerta Overbeck. In: Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte. Band 18. München 1979. S. 241

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14. Häuser.

Linolschnitt auf Japanpapier, mit Bleistift monogrammiert, auf dem Unterpapier in Bleistift betitelt und datiert, 1924. 27,5 : 20,2 cm.Braunfleckig, in der oberen linken Ecke wasserrandig, stellenweise knittrig. Die Ecken verso mit Papier alt hinterlegt.

Gleichfalls in der Architektur kennt man die Bezeichnung „Neue Sachlichkeit“ und assoziiert damit als erstes die sogenannte „Bauhaus-Architektur“. Auch in Dortmund hat es Bestrebungen zum „Neuen Bauen“ gegeben, wie oben abgebildetes Foto sinnfällig zeigt. Natürlich sind auch hier die Begrifflichkeiten nicht unumstritten. Wohnungsnot und die Entwicklung des Eisenbetonbaus sorgten in den Städten für eine rasante architektonische Umwälzung und somit auch bei Künstlern wie Gerta Overbeck für neue Motive.

Dortmund, Westfalenhaus, Turm 1930Jacob Koerfer (Abbildung aus: Peter Kroos, Hrsg., Die goldenen 1920er Jahre. Bauten der Weimarer Repub-lik in Dortmund. Bönen 2013)

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15. Kinder mit Handwagen.

Aquarell auf Zeichenpapier, mit Bleistift monogrammiert und datiert (mit Kugelschreiber nachgezogen), auf dem Unterkarton von der Künstlerin in Bleistift betitelt, signiert und datiert, 1924. 26 : 34,7 cm. Farbfrische Erhaltung.

Nahezu gleichzeitig mit Grethe Jürgens ist bei Gerta Overbeck ab der Mitte der Zwanziger Jahre eine stilistische Umwandlung in Richtung „Neue Sachlichkeit“ zu beobachten. Sie legte die expressiven, deformie-renden Ausdrucksmittel ab zugunsten einer statischeren und strengeren Malerei, die nun auch immer größere Formate bekam.

Bilder wie dieses mit den typischen Merkmalen einer Ruhrgebiets-Stadt wie Dortmund, sind in Overbecks Werk seit der Mitte der zwanziger Jahre häufiger zu finden. „Mit dieser Arbeit leistet die Malerin einen bedeutenden Beitrag zur Kategorie des Stadtbildes, das infolge der In-dustrialisierung und Urbanisierung eigentlich erst im 19. Jahrhundert als bildwürdig empfunden wurde und das dann in der Malerei der Neuen Sachlichkeit einen beachtlichen Rang einnehmen sollte.“1 Werner Mirow, Redakteur beim Hannoverschen Tageblatt, schrieb 1934: „Diese Arbeiten [...] zeigen Ausschnitte aus der rheinisch-westfälischen Landschaft und geben in eindrucksvoller und überzeugender Weise den von rastloser Tätigkeit und menschlichem Gestaltungswillen gezeichne-ten Charakter jener Gegend wieder. Und es ist vor allem der Kampf, das spannungsvolle Verhältnis von Natur und Technik, das hier emp-findsam zum Ausdruck gebracht wird: zwischen Fördertürmen, Halden, Schornsteinen und Bahndämmen erheben sich kleine Wohnhäuser und sogar Kirchen, und grüne Höhen und friedliche Gärten mischen sich darunter.“2

1 Hildegard Reinhardt, Gerta Overbeck. In: Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte. Band 18. München 1979. S. 237

2 Werner Mirow, Junge niedersächsische Kunst - die Malerin Gerta Overbeck. In: Hannoversches Tageblatt, Nr. 330, 29.11.1934. Zitiert nach: Hildegard Reinhardt, Gerta Overbeck. In: Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte. Band 18. München 1979. S. 239

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16. Eiswagen.

Aquarell auf festerem Papier, mit Pinsel signiert und datiert, auf dem Unterkarton von der Künstlerin in Bleistift betitelt und da-tiert, 1924. 34,4 : 25,5 cm. Bis auf kleinere Randläsuren sehr schön erhalten.

Die hannoverschen Sachlichen sahen sich „in erster Linie als ‚vulgä-re Maler‘ und hatten weder politisch noch künstlerisch den Ehrgeiz, Neuerer zu sein. Sie wollten vielmehr schlicht, nüchtern und verständlich auf die exklusiven und ästhetisierenden Tendenzen in der Kunst, auf Expressionismus, Dadaismus und Kubismus, reagieren.“1 Mit ihrer Kunst wollten sie nicht anklagen, sondern Verständnis schaffen für die „kleinen Leute“.

1 Ines Katenhusen, Kunst und Politik. Hannovers Auseinandersetzungen mit der Moderne in der Weimarer Republik. Hannover 1998. S. 263

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17. Hippodrom auf der Reeperbahn1.

Gouache auf dickem Bütten, mit Pinsel signiert und datiert, 1926. 49 : 31 cm.

Verso: Stilleben mit Buch und Krügen.

Aquarell, mit Pinsel signiert.

In den Ecken Spuren von Heftzwecken; im oberen Bereich kleine-re Farbabplatzungen, untere linke Ecke etwas geknickt. Verso mit Montierungsspuren.

Ausstellungen:Neue Sachlichkeit in Hannover. Kunstverein Hannover 1974. • Kat.-Nr. 12 (hier irrtümlich auf 1922 datiert)Vom Art Brut zur Neuen Sachlichkeit - Realisten in Hannover. • Galerie Krokodil 1975/76Gerta Overbeck. Malerei des Realismus 1920-1933. Galerie • Krokodil. Hamburg 1976Realismus der Zwanziger und Siebziger Jahre. Ausstellung der • GEDOK im Kunsthaus Hamburg 1976.Die Neue Frau? Malerinnen und Grafikerinnen der Neuen • Sachlichkeit. Städtische Galerie Bietigheim-Bissingen 2015.Kat.Nr. 161 (mit ganzs. Abb.)

Eine allein sitzende Frau in einem Café oder einer Bar ist das Motiv in der Malerei der Neuen Sachlichkeit und wurde zugleich „zu einem Topos der Neuen Frau“ 2. 1925 malte Ernst Thoms, mit dem die Künstlerin von etwa 1925/26 bis 1928 liiert war, das Bild „Mädchen im Café“ (Sprengel Museum, Hannover; Gadesmann 83), was die Künstlerin zu ihrer Komposition angeregt haben könnte. Beide Frauen sitzen vor einem Geländer , mit dem Rücken zum Geschehen hinter bzw. unter ihnen. Sie blicken scheinbar ins Leere, die Hände geradezu andächtig übereinander gelegt. Ihr Ausdruck ist ernst, ihre Getränke scheinen unbe-rührt. Sicher zählen die zwei nicht zum Schönheitsideal der zwanziger Jahre. Vielmehr stehen sie für jene „Neue Frau“, die sich selbstsicher und ihrer eigenen Stärke bewußt zeigt. Die „Neue Frau“ tritt nicht mehr im privaten „Salon“, sondern im öffentlichen Café, der einstigen Männer-domäne, auf. „Frauen, die ohne Herrenbegleitung ein Café aufsuchten, setzten noch immer ihren guten Ruf aufs Spiel. Derartige Leichtfertigkeit und Schamlosigkeit geriet schnell in den Verdacht der Prostitution.“ 4

Diesen Frauentypus stellte Gerta Overbeck bereist 1922 und 1923 dar.5

1 nicht zu verwechseln mit dem ebenfalls mehrfach ausgestellten Blatt „Hip-podrom“ von 1923 (20,5 : 13,8 cm)

2 Bettina Götz, Die Frau im Café. Zu einem Topos der Neuen Sachlichkeit. In: „Der stärkste Ausdruck unserer Tage“. Neue Sachlichkeit in Hannover. Katalog der Ausstellung im Sprengel-Museum Hannover 2001/2002. S. 57

3 „Mit diesem Bild gewann Ernst Thoms den 2. Preis eines Kunstwettbewer-bes der Berliner Zeitung ‚Literarische Welt‘ im Jahre 1927, deren Herausgeber Paul Westheim war. Damit wurde er über Hannover hinaus erstmalig einem breiteren Pu-blikum bekannt. Bei der Dargestellten handelt es sich um die Buchhändlerin Tilly Höve, einer Bekannten Thoms. Die Räumlichkeiten auf dem Bild entsprechen denen des damaligen sogenannten ‚Wiener Cafés‘ am Kröpcke in Hannover.“ (Heinrich-Detlev Gadesmann, Beschreibender Werkkatalog der Ölbilder von Ernst Thoms. Dissertations Hamburg 1981. S. 56)

4 Anmerkung 2, S. 58 f.

5 siehe„DieNeueFrau?MalerinnenundGrafikerinnenderNeuenSach-lichkeit“. Katalog der Ausstellung in der Städtischen Galerie Bietigheim-Bissingen 2015. Katalognr. 154 und 155

Ernst Thoms, Mädchen im Café“Öl auf Leinwand 1925

Sprengel Museum Hannover

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verso

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18. An der Reling.

Bleistiftzeichnung auf festerem Papier, mit Bleistift signiert und da-tiert, auf dem Unterpapier in Bleistift betitelt, 1926. 30,1 : 23,8 cm.Verso verworfene Zeichnung eines Liebespaares. An den Rändern verso alt hinterlegt, geringfügig fleckig.

Matrosenbilder der Neuen Sachlichkeit kennen wir besonders durch Otto Dix, der seit Anfang der 1920er Jahre über 40 Bilder von diesem anti-bürgerlichen Männertyp schuf. Der Matrose als Held wird „mit dem Kieler Matrosenaufstand am 2. November 1918 erklärt, der als Auftakt der revolutionären Ereignisse am Ende des Ersten Weltkriegs gilt und damit weitreichende politische und soziale Umwälzungen initiierte.“1

Vorherrschend wird dabei der Typus des maskulinen Seemanns im „Hafen der Lüste“. Anders als bei Dix finden wir hier jedoch nicht den Matrosen mit „explosiver Potenz“ (Anne Söll), vielmehr erinnert die Sze-ne an die karikierenden Gedichte von Joachim Ringelnatz (der selbst zur See gefahren war), wie beispielsweise die seit 1920 erschienenen Verse des Seebärs Kuttel Daddeldu:

1 Anne Söll, „Neue Männlichkeit“ - Die Matrosenbilder von Otto Dix. In: Otto Dix und die Neue Sachlichkeit. Katalog der Ausstellung im Kunstmuseum Stutt-gart 2012/13. S. 50

Abschied der Seeleute

Chor der Seeleute:Wir FahrensleuteLieben die See.

Die SeemannsbräuteGelten für heute,

Sind nur für to-day.Die Mädchen, die weinen,

Sind schwach auf den Beinen.Was schert uns ihr Weh !

Das Weh, ach das legt sich.Unsre Heimat bewegt sich

Und trägt uns in See,Far-away.

Chor der Mädchen:Wir, die Bräute

Der Fahrensleute,Lieben und küssen,

Doch wissen, sie müssenZur Seefahrt zurück.

Und wenn sie ertrinken,Dann – wissen wir – winken

Uns andre zum Glück.

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19. Ohne Titel (Kartenspieler).

Aquarell auf Zeichenpapier, mit Bleistift signiert und datiert, 1927. 27 : 23,6 cm. Verso und auf dem Unterkarton von der Künstlerin in Bleistift betitelt.Papier etwas gebräunt, verso Montierungsstreifen, stellenweise Altersspuren, den Gesamteindruck aber nicht störend.

Hans Mertens malte ein Jahr zuvor zwei Kartenspieler (Juni 2916: Auktionshaus Hargesheimer, Düsseldorf), das laut Katalog der Ausstel-lung in Hannover „nach Eindrücken in Kellerlokalen der hannoverschen Altstadt“ 1 entstanden sei. Möglicherweise fand auch die Künstlerin hier ihr Motiv. Sie äußert sich zu diesem bei ihr häufiger anzutreffenden Motiv, sie habe „gewiß nicht die Absicht, einen sozialen Notstand, ver-ursacht durch Arbeitslosigkeit, zur Anschauung zu bringen, ebensowenig allerdings eine Stammtischrunde.“2

1 Die zwanziger Jahre in Hannover. Katalog der Ausstellung im Kunstverein Hannover 1962. S. 232

2 Hildegard Reinhardt, Gerta Overbeck. In: Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte. Band 18. München 1979. S. 237

Hans Mertens, Ecartéspieler. Öl auf Leinwand 1926.

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20. Kartenspieler.

Tuschfederzeichnung auf glattem Papier, mit Tusche monogram-miert und datiert, 1927 28 : 22 cm.

Ab etwa 1925 fertigt die Künstlerin minutiöse Tuschezeichnungen an. „Hier frönte die Malerin ihrer Liebe für die Zergliederung der Bildfläche in unendlich kleine gestreifte, gewürfelte, gepunktete und den phantasie-vollsten Mustern überzogene Bildfelder. Die Arbeiten sind eine gelungene Synthese aus Umriß- und Binnenzeichnungen. Wie kaum andere Her-vorbringungen atmen diese Federzeichnungen den Geist der 20er Jahre: Hier ließ die Künstlerin die Leichtlebigkeit, Amüsierwut und Lebensgier der ‚Goldenen Zwanziger‘ zu Worte kommen.1

1 Hildegard Reinhardt, Grethe Jürgens. Gerta Overbeck. Bilder der zwanziger Jahre. Katalog der Ausstellung im Kunstverein Bonn 1982. S. 28

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21. Babylon.

Tuschfederzeichnung auf Velin, mit Bleistift signiert und datiert, auf dem Unterpapier in Bleistift betitelt und datiert, 1927. 32,5 : 25,8 cm. Montierungsstreifen recto etwas durchscheinend, ganz geringe Braunfleckchen.

Wie Heike Scholz feststellt, findet das Thema der Prostitution kaum Eingang in die Werke von Künstlerinnen, obgleich dies eine durchaus gängige Thematik der Kunst der Neuen Sachlichkeit war.1

Die „babylonische Hure“ findet sich in den Offenbarungen des Johan-nes, der einen Satz des Propheten Hesekiel aufnimmt: „Und die Söhne Babels kamen zu ihr, um bei ihr zu schlafen, und machten sie unrein mit ihrer Hurerei, und sie machte sich unrein mit ihnen, bis sie ihrer müde ward“.2

Diese allegorische Figur steht für die Mutter der Hurerei und aller Greuel schlechthin und wird als Sinnbild für das römische Weltreich und später für die katholische Kirche gedeutet. In vorliegender Zeichnung hat sie alle Attribute 3 bis auf den Becher in der Hand verloren. Sie ist zur Inkarnation der Sünde geworden, eine „selbstbewußte Ware4“, deren frontaler Blick begleitet ist von einem lasziven Lächeln.

1 Heike Scholz, Grethe Jürgens. Eine Künstlerin der zwanziger Jahre in Han-nover. Dissertation, Marburg 1999. S. 154

2 Hesekiel 23, 17

3 siesitztaufeinemsiebenköpfigenTier,hathäufigeineKroneauf

4 Begriff von Jill S. Smith für den in der Moderne aufkommenden Typus der selbstbewusst auftretenden Prostituierten. Siehe: „Die Neue Frau? Malerinnen und GrafikerinnenderNeuenSachlichkeit“.KatalogderAusstellunginderStädtischenGalerie Bietigheim-Bissingen 2015. S. 12 und Anm. 17

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22. Abbruchstelle (in Dortmund).

Gouache auf Karton, mit Pinsel signiert und datiert, auf dem Un-terpapier in Bleistift betitelt, 1927. 48,5 : 64,8 cm.Am oberen rechten Rand kleiner Wasserfleck, im unteren Drittel leichte Oberflächenläsur, insgesamt aber schön erhalten.

Ausstellungen: Herzog-Anton-Ulrich-Museum, Braunschweig, Die neue Sach-• lichkeit in Hannover. 1932. (vermutlich)Kunstverein Hannover. 20. Herbstausstellung Hannoverscher • Künstler. 20. Oktober - 3. Dezember 1933 (vermutlich)Neue Sachlichkeit in Hannover. Kunstverein Hannover 1974. • Kat.-Nr. 28

„Die Frage, die oft an mich gerichtet wurde, warum ich gerade Bauplät-ze, Erdarbeiten an Strassen, Abbruchstellen zum Gegenstand meiner Bilder wähle, möchte ich folgendes beantworten.Es ist keineswegs das Interesse am Technischen, was mich dazu veran-lasst. Wenn es mir darauf ankäme so liessen sich in der heutigen Zeit viel interessantere Dinge finden und ich müsste bei meinen Bildern gera-de das hervorheben, was ich zu unterdrücken suche. Die Bilder würden eben dadurch einen illustrativen Charakter bekommen, ihr Kunstwert wäre zeitlich bedingt. Deswegen suche ich das darzustellen, was einen zeitlosen Ausdruck hat und ein allgemein menschliches Empfinden an-regt. Viele Jahrhunderte hindurch ist die Tätigkeit des Bauens die gleiche geblieben. Und noch heute stehen Männer auf dem Gerüst und legen einen Stein auf den anderen. [...] Eine Abbruchstelle bietet eine Unmen-ge von Blickmöglichkeiten und malerischen Werten. Man sieht Balken, die plötzlich aufhören, durch die hindurch man ein Stück Himmel sehen kann, halb zerstörte Fassadenteile deren verlogene und bombastische Pracht im Schnitt erst recht zu Tage tritt, Bruchteile von Säulen die nun plötzlich unmotiviert und verlassen dastehen, die so verblüffend wirken

können, wie Möbel, die man bei einem Umzug auf die Strasse stellt und die da nicht hingehören; Zimmer sind plötzlich aufgerissen, man sieht in sie hinein, ihre Eingeweide werden sichtbar, eine Treppe, die nirgendwo hinführt und die grellen Tapeten der verschiedenen Stuben. Wie auf einer Bühne sieht man das. Kulissenhaft frei stehen die Mauern. Gleich neben-an klafft ein Abgrund; hier sind Kellergewölbe offen gelegt, abgebrochene Bögen und steinerne Höhlen und der Boden ist mit Schutt, Fetzen alter Tapete, Ziegelsteinen und Balken bedeckt. In Holzschnitten von Dürer und Altdorfer findet man auch häufig diese Vorliebe für das Ruinöse. Darin liegt eine unbändige Freude an der Vielgestaltigkeit und Erweiterung des Raumes und der Drang aus dem Realen ins Uebersinnliche, Ueberraschende, Geheimnisvolle zu entweichen. Wenn man die ‚Geburt Christi‘ und ‚Ruhe auf der Flucht‘ von Dürer betrachtet, so sieht man, wie überall neue Möglichkeiten zur Erweiterung des Raumes gesucht werden. Die Vorderwand einer Scheune ist herausgebrochen damit man in das Innere hineinsehen kann. Durch ein offenes Fenster der Seitenwand sieht man eine ganze zierliche Landschaft mit Bergen und Türmen. In der Hinterwand wird der Durch-blick durch einen Torweg in einen Hof sichtbar gemacht. Das andere Bild zeigt eine schräggestellte Wand. Teile sind aus ihr herausgebrochen um den Blick auf ein dahinter gelegenes Gebäude frei zu machen das wiederum durch eine Reihe mit Säulen verbundener Fenster einen Blick ins Freie gewährt.Durch die herausgebrochenen Teile wird die Mauer im Schnitt sicht-bar: ein zerstörter Rundbogen und Teile von hervorstehendem Gebälk, wodurch die Umrisslinie der Wand reich bewegt und vielfach unterbro-chen wird. Die Mauer kann kein Hindernis für die Komposition werden, ebensowenig wie die religiöse Handlung, die sich irgendwo an einer nebensächlichen Stelle abzuspielen scheint.Es ist sicherlich nicht falsch, Beispiele aus der mittelalterlichen Kunst angeführt zu haben. Es besteht eben eine starke Verwandschaft im Geis-tigen zwischen der unsrigen Zeit und der vergangenen.“1

1 Gerta Overbeck, Der Blick durch die Wand. In: Der Wachsbogen. Heft 12. 1932. Unpaginiert

Albrecht DürerDie Geburt Christi. Holzschnitt um 1501-1505

aus dem Artikel „Der Blick durch die Wand“ von Gerta Overbeck (Der Wachsbogen, Heft 12. 1932) mit dem einmontierten Foto des verschollenen Aquarells „Baubild“

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23. Ohne Titel (Kartenspieler).

Aquarell auf Bütten, mit Pinsel signiert, 1928. 54,8 : 48,2 cm. In den Rändern Spuren von Heftzwecken, sonst sehr gut erhalten.

„So sehr ich das Werk von Käthe Kollwitz schätze, finde ich doch, daß ein Maler sich in erster Linie mit der Komposition und Farbgebung zu befassen hat und nicht versuchen sollte, auf diese Weise seine proleta-rische Gesinnung zum Ausdruck zu bringen oder Gutes zu wirken... Bei meinem Kartenspielerbild hatte ich allerdings gewiß nicht die Absicht, einen sozialen Notstand, verursacht durch Arbeitslosigkeit, zur Anschau-ung zu bringen, ebenso wenig allerdings eine Stammtischrunde.“ 1 Das Motiv der Kartenspieler ist im Werk Gerta Overbecks häufiger zu finden und mündet 1929 in einem Gemälde. Über eine aquarel-lierte Vorstudie hierzu, die ebenfalls 1929 entstand, schreibt Hildegard Reinhardt: „In erdfarbenen Blau- und Brauntönen entwarf die Künst-lerin eine knappe Skizze der vier Personen, die sie auf dem Ölbild auf drei um einen Tisch gruppierte Figuren reduzierte. Die Malerin hat die Spieler mit großer Monumentalität ausgestattet und diese Genreszene in eigentümlicher Erstarrung und Versteinerung festgehalten. Die beiden männlichen Figuren in Profilansicht und die Frau in direkter Frontalität mitihren grobknochigen, derben Proletariergesichtern sind in einem Augenblick totaler Konzentration auf das Spiel beobachtet worden. Der Innenraum des Gasthofes - es handelt sich im übrigen um das jetzige First-Class-Hotel Kreutzkamp in Cappenberg, das Ende der 20er Jahre noch eine einfache Bauernkneipe mit offener Feuerstelle, Steinfußbo-den, riesigen Tischen, Tresen und Kupfertöpfen war - gibt die Folie des Bildgeschehens ab.“2

1 Gerta Overbeck 1976 zitiert nach: Hildegard Reinhardt, Gerta Overbeck. In: Britta Jürgs, Hrsg., Leider hab ich‘s Fliegen ganz verlernt. Portraits von Künstlerinnen der Neuen Sachlichkeit. Grambin 2000. S. 132

2 Hildegard Reinhardt, Grethe Jürgens. Gerta Overbeck. Bilder der zwanziger Jahre. Katalog der Ausstellung im Kunstverein Bonn 1982. S. 25

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24. Kanalhafen.

Aquarell auf Bütten, mit Pinsel signiert, datiert und betitelt, 1928. 53,1 : 47,9 cm. In den Ecken Spuren von Heftzwecken, stellenweise kleinere Farb-verluste, den schönen Gesamteindruck aber nicht beeinträchtigend.Verso flüchtige Aquarellskizze, die Ecken von der Künstlerin mit Papier verstärkt, Montierungsreste.

Ausstellung: Grethe Jürgens und Gerta Overbeck. Bilder der zwan-ziger Jahre. Bonner Kunstverein 1982.

Dieses Bild steht beispielhaft für die Prinzipien der Neuen Sachlichkeit: „strenge Linearität, Betonung der Konturen, Statik, kühle Farbigkeit mit glatter Oberfläche, Tilgung des Malprozesses, einfache, übersichtliche, stark rechtwinklige, oft parallel zum Bildrahmen verlaufende, geome-trische, häufig stereometrische Kompositionen, zeichnerische Schärfe, graphischer Gesamtcharakter.“1

„... die Eigenständigkeit ihres Oeuvres besteht darin, daß sich ihr bildne-risches Interesse Mitte der zwanziger Jahre auf die Industriearchitektur und Bautätigkeit im Ruhrgebiet richtete, um in den ausgehenden zwan-ziger Jahren erneut den Menschen ins Zentrum der Arbeit zu stellen. Diese spröden Arbeiten einer höchst unweiblichen Thematik sowie ihre strengen Bildnisse von Freunden und Kindern sichern ihren Rang inner-halb der Neuen Sachlichkeit...“2

„Dortmund war ganz anders: die Industriebevölkerung, die Arbeitslo-sigkeit, die häßlichen, rußigen Häuser, ernüchternd, ohne vermittelnde Tradition. Hier wechselte ich oft meine Zimmer. Eine Zeitlang wohnte ich bei einer Bergarbeiterfamilie, gleich neben der Grube.“3

1 Hildegard Reinhardt, Gerta Overbeck. In: Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte. Band 18. München 1979. S. 235 f.

2 Hildegard Reinhardt, Gerta Overbeck. In: Britta Jürgs, Hrsg., Leider hab ich‘s Fliegen ganz verlernt. Portraits von Künstlerinnen der Neuen Sachlichkeit. Grambin 2000. S. 139

3 Anmerkung 2.. S. 130

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25. Der Wachsbogen.

Malerei, Plastik, Architektur, Musik, Schrifttum. 12 Hefte in 8 (= alles Erschienene). (Hannover) 1931-1932. Matrizendruck mit Klammer-heftung. Die Umschläge der Ausgaben 1-3 papierbedingt stärker beschädigt, insgesamt alters- und materialbedingter Zustand.Die anfängliche Auflage betrug 100 bis 150 Exemplare, die letzten Hefte erschienen in 200 Exemplaren.Von allergrößter Seltenheit!

„Ich meine, es war an einem Sonntagmorgen im Spätsommer 1931, als wir bei einem Besuch von Atelier zu Atelier in der Liststadt auf die Idee kamen, eine Zeitschrift zu verfassen. Wir glaubten, es wäre Zeit, nicht nur die Künste der Literatur, Malerei, Musik und Architektur praktisch auszuüben, sondern sie auch im Zusammenhang miteinander zu brin-gen durch Artikel über die Themen, die uns beschäftigten und die unsere Situation betrafen. Die Zeitschrift sollte von den Dingen berichten, über die wir nächtelang diskutierten. Ein regelmäßiges Einkommen hatten wir alle nicht, wenn man nicht die Arbeitslosenunterstützung dazu rechnete. Geldgeber hatten wir auch nicht, aber große Pläne und einen Auslösungs-schein für eine bei Zickenrodt und Pollmar versetzte Schreibmaschine, die diesen Weg schon öfter gemacht hatte. Daher war die Finanzierung eine schwierige Sache, über die wir uns aber in unserem Optimismus nicht allzu viele Gedanken machten [...] Durch irgendwelche günstigen Umstände kamen wir an einen Wachsbogenapparat, der mit der Hand betrieben wurde. Gustav Schenk schrieb seine eigenen Artikel und die seiner Mitarbeiter auf Wachsbögen und zog die Seiten ab. Wir anderen stellten sie zusammen und hefteten sie. Die Umschläge hatte ich in Linoleum geschnitten und sie mit der Hand abgezogen. Redaktion und Druckraum war mein Atelier. Die Nummer kostete 30Pf. Um Porto zu sparen, trugen Gerta Overbeck und ich die Exemplare für die Stadt mit dem Rad aus.“1

Die Zeitschrift bestand u. a. aus Beiträgen, die von Literaten aus einem kleinen Kreis um Gustav Schenk stammten (er schrieb unter insgesamt fünf Pseudonymen, darunter Georg Pahl und Cyrill Utis2) sowie künstle-rischen Aufsätzen (davon auch zwei von Gerta Overbeck). Die Texte wur-de mittels Wachsmatrizen gedruckt, was dem Projekt seinen Namen gab. Es sollte als Sprachrohr dienen, die jeweiligen künstlerischen Anliegen über die Grenzen Hannovers bekannt zu machen. Zwischen November 1931 und Juni 1932 erschienen 12 Ausgaben, dann wurde die Publikati-on wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten, die von Anfang an bestanden, eingestellt. Schon im ersten Heft schrieb Schenk: „ Bitte bestellen Sie! Ihre Sympathie in Ehren, aber wir müßten vor lauter Sympathie das Erscheinen unserer Zeitschrift einstellen, wenn sie sich nicht entschlie-ßen können, jede vierzehn Tage 30 Pfennig zu opfern! - Bestellen Sie, um Himmelswillen, bestellen Sie!“ Diese Publikation brachte Schenk „wohl während der Weimarer Repu-blik die meiste Beachtung in der Öffentlichkeit [... sie trägt] heute >fast legendäre Züge<“.3

1 Grethe Jürgens, Die Geschichte des „Wachsbogen“, abgedruckt in: „Neue Sachlichkeit in Hannover“, Katalog der Ausstellung im Kunstverein Hannover 1974. S. 21.

2 Da es nicht genügend Mitarbeiter gab, schrieben auch andere Autoren zu-sätzlich unter einem Pseudonym, damit nicht ständig die gleichen Namen auftraten (für weitere Informationen siehe: Ines Katenhusen, Kunst und Politik. Hannovers Auseinan-dersetzungen mit der Moderne in der Weimarer Republik. Hannover 1998. S. 381 ff.

3 Ines Katenhusen, Kunst und Politik. Hannovers Auseinandersetzungen mit der Moderne in der Weimarer Republik. Hannover 1998. S. 381

Schriftleiter der ersten vier Hefte war Gustav Schenk, danach Gre-the Jürgens, in deren Atelier bis auf eine Nummer alle Ausgaben der Zeitschrift hergestellt wurde. „Inzwischen kam es zu hitzigen Diskus-sionen und Streit in der Redaktion, da unser Herausgeber zu dikta-torisch wurde. Ich übernahm die Herausgabe, Gustav Schenk blieb ‚Chefredakteur‘.“4 Das Heft 5/6 wurde bei C. L. Schrader in der Thea-terstrasse gedruckt. „Dann fanden wir in Herrn Wundram, dem Besitzer dr Buchdruckerei C. L. Schrader, einen Mäzen, der uns zwei Nummern mit einem festen Umschlag und sogar mit Bildreproduktionen druckte.“ 5Das Blatt wurde nur an Abonenten ausgegeben, im Handel war es nicht erhältlich.

Die Bedeutung dieser Zeitschrift liegt vor allem in dem Bild, das hier besonders durch die Beiträge von Gustav Schenk, von den Künstlern der hannoverschen Sachlichkeit „als eines sowohl den unkünstleri-schen Machenschaften einer den Konventionen verhafteten städtischen Kunstpolitik als auch den Experimenten und Eitelkeiten einer abstrakt-konstruktivistischen Avantgarde unbestechlich gegenübertretenden Zusammenschlusses junger, redlich kämpfender Malerinnen und Maler“ vermittelt wurde.6 Die hier zu findenden Aufsätze „bezeugen nicht nur den Versuch, die wachsende öffentliche Anerkennung der Maler und Malerinnen des Kreises aktiv zu untermauern, sondern auch das Bestre-ben, sich mit einigen zentralen Debatten und Leitworten der deutschen Kulturszene während der Weltwirtschaftskrise auseinander zu setzen.“7

Anders ausgedrückt: „Sie waren diejenigen, die mit ihrer künstlerischen Arbeit ständig darauf aufmerksam machten, wie wenig golden die zwan-ziger Jahre waren.“8

4 Anmerkung 1. S. 21.

5 Anmerkung 1. S. 21.

6 Ines Katenhusen, „In summa so etwas wie das künstlerische Gesicht unse-rer Stadt“?. Die Stadt, die Provinz und die Maler der Neuen Sachlichkeit in den zwanzi-ger und dreißiger Jahren. In: „Der stärkste Ausdruck unserer Tage“. Neue Sachlichkeit in Hannover. Katalog der Ausstellung im Sprengel-Museum Hannover 2001/2002. S. 37

7 James A. van Dyke, „Der Wachsbogen“ und die „Krise der modernen Kunst“ um 1930.. In: „Der stärkste Ausdruck unserer Tage“. Neue Sachlichkeit in Han-nover. Katalog der Ausstellung im Sprengel-Museum Hannover 2001/2002. S. 70

8 Anmerkung 3.. S. 263

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Inhalt

Heft 1 (11 einseitig bedruckte Seiten)Leitartikel (Die Schriftleitung)• Kommende Baukunst (Eustach)• Der Weg der jungen hannoverschen Maler (Georg Pahl)• Eine Stimme der Maler (Grethe Jürgens)• Notizen zur Technik der Malerei (Hans Mertens)• Lyrik ohne Obdach (Schenk)• Tod im Herbst; Gedicht (Fritz Schmidt-Berna)• Dichter von heute; Gedicht (Herbert Gruenhagen)• Musik im Leben und Musik im Sterben (Hans Jürgens• 1)

Heft 2 (12 einseitig bedruckte Seiten)Der Leitartikel (Die Schriftleitung)• Die hannoversche Riemenschneider-Innung (Christof Spenge-• mann2)Die Situation der jungen Maler (Georg Pahl)• Original-Linolschnitt von Gerta Overbeck, mit Bleistift signiert •

1 Bruder von Grethe Jürgens

2 Spengemann war Literat und Herausgeber der Zeitschrift „Der Zwee-mann“. Als Freund von Kurt Schwitters druckte er dessen Merzgedichte ab.

(einmal gefalzt)Dezember; Gedicht (Werner Schumann)• Sommer, Frühling, Winter; Gedicht (Herbert Schumann)• Der Stier (Schenk)• Die Vortruppe des stummen Films (Eduard Kayser)• Musikfeste (Hans Jürgens)• Zug durch die Salzwüste (Schenk)•

Heft 3 (11 einseitig bedruckte Seiten)Der Leitartikel (Die Schriftleitung)• Ernst, Satire und Publikum (Alfred Littauer)• Aus dem Buche: Die Siegel der Strassen (Schenk)• Die Vortruppe des stummen Films II (Eduard Kayser)• Das Material als Ausdrucksträger (Hans Mertens)• Grundsätzliches zum Kultbau der Gegenwart (Eustach Lorenz)• Zug durch die Salzwüste (Schenk)• Liebeslied (Noten mit Text von Gustav Schenk und Hans • Jürgens)Senegallied (Noten mit Text von Gustav Schenk und Hans • Jürgens)

Heft 4 (18 beidseitig bedruckte Seiten)Der Leitartikel (Die Schriftleitung)•

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Wilder Tag!; Gedicht (Georg Seidler)• Das Geheimnis; Gedicht (Georg Seidler)• Fuer die Dichter (Alfred Littauer)• Abbildung: Der Landstreicher. Gemälde von Hans Mertens• Abbildung: Das Blumenmädchen. Gemälde von Grethe Jürgens• Malerei und Rede (Georg Pahl)• Architektur und Kunsthistoriker (Otto Meid)• Gedicht (Herbert Gruenhagen)• Der Mann Bilsenkraut (Gustav Schenk)• Die Seelenhaut und die innere Seife (Clifton Rums)• SDS (Dr. Richard Peters)• Offener Brief an Herrn Dr. Monty Jacobs (Dr. Richard Peters)• Siegel der Strassen (Noten mit Text von Gustav Schenk und • Hans Jürgens)Lied des Mannes Tollkirsche; Gedicht (Gustav Schenk)•

Heft 5/6 (16 beidseitig bedruckte Seiten)Auf der hinteren Umschlagseite wird das das legendäre Kostümfest geworben, mit dessen Einnahmen man die Schulden des Wachsbogens mindern wollte. Grethe Jürgens erinnert sich: „Das Fest fand in der da-maligen Grenzburg statt: Eintritt 1,50 RM, Studenten 1 RM. Der Raum der Stehbierhalle, das Wachsbogenkabinett, das wir Maler so schön ausgestattet hatten, wurde vom Wirt wegen „obszöner“ Darstellungen geschlossen. Es handelte sich um ein riesiges, wundervolles Wandgemäl-de einer Altstadtstraße mit spärlich bekleideten Busenmädchen, die aus allen Fenster sahen, ein Motiv, das auch sonst in unserer sachlichen Ma-lerei oft eine Rolle spielte. Die Gäste verzehrten nicht viel und schlugen sich oft, eine Scheibe in der Toilette wurde zerschlagen, eine kostümierte Dame holte der Krankenwagen ab. Einige Damen sollen nach damaliger Sitte sogar in den Hintern getreten worden sein. Das Fest im Februar wurde eine große Pleite; aber bis Mitte 1932 hielten wir noch durch.“1

Mit dieser Ausgabe wechselte die Schriftleitung von Gustav Schenk zu Grethe Jürgens

Offener Brief an Herrn Gustav Schenk (Alfred Littauer)• Verehrter Traumautor! (Gustav Schenk)• Inflation in der Lyrik? (Hans Dancker)• Giacomo Gedanken ueber Schriftstellerei (Deutsch von Dr. • Richard Peters)Goethen Sie! (Christof Spengemann)•

1 Grethe Jürgens, Die Geschichte des „Wachsbogen“, abgedruckt in: „Neue Sachlichkeit in Hannover“, Katalog der Ausstellung im Kunstverein Hannover 1974. S. 21

Rezepte zum erspries-• lichen Besuch einer Kunstausstellung (Grethe Jürgens)Noch einmal „SDS“ (Dr. Richard Peters)• Meine heutige Stellung zur Musik (Fritz Thoene)• Siegel der Strassen (Noten mit Text von Gustav Schenk und • Hans Jürgens)

Heft 7/8 (19 einseitig bedruckte, unpaginierte Seiten)Theodor Lessing (Gustav Schenk)• Sand fliegt; Gedicht (Georg Seidler)• Kurze Ansprache des ersten Vorsitzenden des Kunstvereins E. • V. an die jungen Künstler einer grösseren Provinzstadt (Georg Pahl)Entschuldigen Sie bitte (Christopf Spengemann)• Industriebilder (Gerta Overbeck)• Die Angst vor den Dingen (Friedrich Berghoff)• Siegel der Strassen (Gustav Schenk)• Dramaturgie des Puppenspiels (Eduard Kayser)• Prinzipien der Photographie (EKA)•

Manchmal wünscht man sich (Noten mit Text von H.Blank)

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Heft 9/10 (16 einseitig bedruckte Seiten)Bekenntnis zur Krise in der modernen Kunst (Cyrill Utis)• Kollektiver Egoismus! (P. SK.)• Sinn der Kunst (Christof Spengemann)• Nationale Kunst? (B. Ortmann)• Ein Dokument! (Iltz)• Sehr geehrter Herr Iltz! (K. Schwesig)• Tiftulische Kunst (Clifton Rums)•

Dem Heft liegt eine Postkarte bei, mit der Aufforderung, das Heft weiter zu abonnieren, was wohl nicht geschah, da sich Heft 5/6 und 9/10 mit Namen der Abonnentin in Bleistift auf dem Umschlag sowie diese Karte im Besitz von Gerta Overbeck befanden.

Heft 11/12 (Nummerierung handschriftlich korrigiert) (17 einseitig, bis S. 6 paginierte Seiten) dazu als Sonderheft: Gustav Schenk, Die Siegel der Strassen. Eine Dichtung (14 einseitig bedruckte Seiten; Klammerheftung)

Eine Grabrede (Die Schriftleitung)• Weltbild und Wissenschaft (Gustav Schenk)• Sinn der Kunst - Eine Erwiderung (Hermann Ludwig)• Der Blick durch die Wand (Gerta Overbeck), mit einem einge-• klebten Fotoabstrakt und abstrakt (Helmut Schaefer)• Die Volksintelligenz-Partei (Clifton Rums)•

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