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Gertrud M. Ayerle /Andreas Weber (Hrsg.) Ausgewählte Beiträge zur Hebammenwissenschaft ja, da beginnt einneuer Abschnitt „„ ... ... „„

Gertrud M. Ayerle/Andreas Weber (Hrsg.) ja, da beginnt · Skinner entdeckte, dass ein bestimmtes Verhalten häufiger auftritt, je positiver es verstärkt wird. Ferner gilt, dass es

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Gertrud M. Ayerle/Andreas Weber (Hrsg.)

Ausgewählte Beiträge zur Hebammenwissenschaft

ja, da beginnt ein neuer Abschnitt „„...

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„… ja, da beginnt ein neuer Abschnitt ...“

Herausgegeben von

Prof. Dr. Philip Kunig, Freie Universität Berlin

Gertrud M. Ayerle/Andreas Weber (Hrsg.)

„… ja, da beginnt ein neuer Abschnitt ...“

Ausgewählte Beiträge zur Hebammenwissenschaft

aus dem Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaftder Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation inder Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografischeDaten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

CLXXXVII

© Universitätsverlag Halle-Wittenberg, Halle an der Saale 2018

Titelabbildung: Insung Yoon by unsplash.com

Printed in Germany. Alle Rechte, auch die des Nachdrucks von Auszügen, der photomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, vorbehalten.

ISBN 978-3-86977-186-1

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Geleitwort

Bereits kurz nach meiner Ernennung zur Leiterin des Instituts für Gesundheits- undPflegewissenschaft an der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-UniversitätHalle-Wittenberg haben wir die Forschungsaktivitäten des Instituts unter vierÜberschriften als Schwerpunkte gegliedert, was nicht bedeutet, dass andere Themenoder Anliegen nicht beforscht werden sollen oder beforscht werden können. Seit2013 bilden jedoch „Pflege und Unterstützung älterer und chronisch erkrankterMenschen“, „Patientenzentrierte interprofessionelle Forschung in der Onkologie“,„Evidence based practice“ und „Gesundheitliche Versorgung durch Hebammenund Familienhebammen“ zentrale Forschungsschwerpunkte, welche kontinuierlichin Projekten und Qualifizierungsarbeiten bearbeitet und ausgebaut werden. DerForschungsschwerpunkt „Gesundheitliche Versorgung durch Hebammen undFamilienhebammen“ richtet sich auf klinische und außerklinische gesundheitsbe-zogene Tätigkeiten von Hebammen und Familienhebammen und dient somit einerbedarfsgerechten, evidenzbasierten, effizienten und effektiven Versorgung vonFrauen und ihren Familien in der Lebensphase von Schwangerschaft, Geburt,Wochenbett und Stillzeit. Weitere Forschungsansätze betrachten strukturelle, orga-nisatorische und (sozial-) rechtliche Rahmenbedingungen (Rechtswirkungsfor-schung) und sind deshalb zentral für die international vergleichende Public HealthForschung. Neben den eingeworbenen Forschungsprojekten sind es auch die Fragenund „ersten wissenschaftlichen Gehversuche“ unserer Studierenden, die diesen For-schungsschwerpunkt lebendig halten.

Ich freue mich daher, dass es Frau Dr. Gertrud M. Ayerle als zentraler Ansprech-partnerin für diesen Bereich, selbst Hebamme und erfahrene Forscherin in Theorieund Praxis, gemeinsam mit Herrn PD Dr. Andreas Weber, MPH, gelungen ist, einenkleinen Band zu erstellen, der nicht nur eine Auswahl der Forschungsaktivitäten indiesem Bereich unseres Institutes dokumentiert, sondern auch in Arbeitsgemein-schaft mit den Studierenden inhaltlich interessanten Beiträgen eine Verbreitung er-möglicht.

Halle an der Saale im Sommer 2018Gabriele Meyer

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Für die Herausgeber

Die Ihnen vorliegenden Beiträge stellen überarbeitete oder gekürzte Fassungen vonForschungsprojekten und/oder Qualifizierungsarbeiten dar, die in den letzten Jah-ren am Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaften entstanden sind. Wäh-rend meine Kollegin Frau Dr. Ayerle viele Aspekte klinischer Erfahrungen, Projekt-berichte und Expertise in qualitativen Erhebungsverfahren einbrachte, bestandmeine Aufgabe darin, diese mit gesellschaftlichen und demographischen Aspektenin Lehrveranstaltungen, Forschungsprojekten und Qualifizierungsarbeiten undquantitativen Forschungsmethoden zu verbinden.

Für die schreib- und layouttechnische Unterstützung bedanken wir uns bei FrauDaniela Büchner, für das Lektorat bei Frau Dipl.-Stat. Ulrike Weber, die durch ihreExpertise auf dem Gebiet der statistischen Qualitätssicherung und durch ehren-amtliches Engagement in Einrichtungen des Hebammenwesens auf Ungenauig-keiten beim Lesen der Texte aufmerksam machen konnte. Michelle Sandner,Bachelorstudentin in Psychologie, prüfte die Literaturangaben auf Vollständigkeitund Korrektheit.

Wir sehen die hier veröffentlichten Arbeiten der letzten Jahre auch als Beitragzur demographieorientierten Zukunftssicherung der medizinischen Versorgung inSachsen-Anhalt und als Beitrag zum „Forschungsbereich Epidemiologie und Pfle-gewissenschaften“ der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität an,der – wenn auch nicht explizit im Namen aufgeführt – den Public Health relevantenBereich der gesundheitlichen Versorgung durch Hebammen und Familienhebam-men umfasst.

Halle an der Saale im Sommer 2018Andreas Weber

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Hebammenwissenschaft in Deutschland

In vielerlei Hinsicht wird Deutschland als „verspätete Nation“ bezeichnet, das giltsowohl für die Nationalstaatswerdung als auch für die Einführung einer parlamen-tarischen Demokratie. Diese Bezeichnung könnte auch im Zusammenhang mit die-sem Buch für die Hebammenwissenschaft und die Akademisierung der Hebam-menausbildung gelten.

Dankenswerterweise haben einerseits einige Studierende aus Bachelor- undMaster-Studiengang sich darauf eingelassen, bei uns aktuell entstandene For-schungsthemen und Forschungsfragen aufzugreifen, und haben so den Forschungs-schwerpunkt „Gesundheitliche Versorgung durch Hebammen und Familienheb-ammen“ mit uns weiter ausgebaut. Andererseits waren mein Kollege PD Dr. Weberund ich auch bereit, „Ideen“ für studentische Projekte ernsthaft nachzugehen, Kon-zeptionen für Arbeiten ausführlich zu diskutieren und die Studierenden und unswechselseitig in der Begutachtung und in „kritischen Momenten“ des „Projektfort-schritts“ zu unterstützen.

Ein zentrales Thema der Forschung am Institut für Gesundheits- und Pflegewis-senschaft macht die wissenschaftliche Befassung mit den sogenannten „Frühen Hil-fen“ aus, eine Tatsache, welche sich auch klinisch in der familienorientierten Ge-burtshilfe, der Frauenklinikmilchbank und den Möglichkeiten der vertraulichenGeburt am Universitätsklinikum in Halle (Saale) zeigt.

Eine gezielte, bis 2020 zu realisierende Reform der Hebammenausbildung, ins-besondere in Form eines Bachelorstudiengangs Hebammenwissenschaft an derMedizinischen Fakultät, kann von unseren Bildungs- und Forschungserfahrungenin diesem Bereich sicherlich profitieren.

Halle an der Saale im Sommer 2018Gertrud M. Ayerle

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Inhaltsverzeichnis 9

InhaltsverzeichnisInhaltsverzeichnis

IHebammen und Geburt

Theresa Dankert/Andreas Weber Warum Hebamme werden? Leitfadengestützte Interviews mit Hebammenschülerinnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

Stefanie Schinke/Juliane Krüger/Andreas Weber Determinanten der Geburtsortswahl aus Sicht von Müttern . . . . . . . . . . . . 31

Caroline Hanisch/Gertrud M. AyerleMessbarkeit der Wirksamkeit von Geburtsvorbereitungskursen anhand von geburtshilflichen Outcomes – eine Studienübersicht. . . . . . . . . . . . . . . 45

Anne Rose Haupt/Gertrud M. AyerleIntermittierende Lachgasinhalation zur peripartalen Schmerzreduktion bei Spontangeburten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

Sandy Billing/Gertrud M. Ayerle Bonding und Stillen. Der Effekt des unmittelbaren postpartalen Mutter-Kind-Hautkontaktes auf den Stillerfolg und die Stilldauer. Eine systematische Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79

Nadine Hermann/Gertrud M. Ayerle Erleben von Wöchnerinnen im stationären Wochenbett. Eine Ist-Stand-Erhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93

10 Inhaltsverzeichnis

IIFamilienhebamme

und familiäre Situationen

Wanda Mainka/Andreas WeberWarum Familienhebamme werden? Narrative Interviews mit Familienhebammen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109

Ulrike von Haldenwang/Gertrud M. AyerleWie nehmen Mütter aus sozial belasteten Familien ihre eigene Lebenssituation wahr? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127

Sarah Otto/Gertrud M. AyerleHäusliche Gewalt in der Partnerschaft während einer Schwangerschaft . . . 149

Ina Waterstradt/Gertrud M. Ayerle Familienhebammen und Familien-Gesundheits- und Kinderkrankenpflege in der Stadt Leipzig. Quantitative Evaluation des Projekts „Familienhebammen in Leipzig“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163

Stefanie Schrader/Andreas Weber Soziale Absicherung von Familienhebammen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177

Inhaltsverzeichnis 11

I

Hebammen und Geburt

12 Inhaltsverzeichnis

Warum Hebamme werden? 13

Warum Hebamme werden? Leitfadengestützte Interviews mit Hebammenschülerinnen

Theresa Dankert/Andreas Weber

Einleitung

„Dass es was ist, was nicht sinnlos ist, also ich stehe nicht irgendwo (...) am Band undproduziere irgendwas, was sowieso wieder weggeschmissen wird, sondern es ist was,ja, was Existentielles!“

Mit dieser Formulierung antwortete eine Hebammenschülerin auf die Frage nachihrer persönlichen Motivation zum Hebammenberuf.

Hebammen sind heutzutage mehr als nur die Fachfrauen für Geburtshilfe. DerBeruf vereint im weiteren Sinne die Funktionen als Pflegekraft, Therapeutin undFreundin. Entscheidet sich die werdende Mutter für eine Hebamme, erwartet diesevon ihrer Hebamme, dass sie ihr jederzeit, also rund um die Uhr, und mit vollerAufmerksamkeit zur Seite steht. Die Hebamme erfüllt selbstverständlich diese An-forderungen und sorgt sich um das physische und psychische Wohlergehen vonMutter und Kind. Hebammen sind sowohl persönlich für die Frau als auch für dasPaar und das Neugeborene von großer Bedeutung.

Gemäß dem Sächsischen Hebammengesetz gehört es zu den Aufgaben der Heb-amme, den Schwangeren, Gebärenden, Wöchnerinnen und Neugeborenen zu hel-fen. Dazu zählen die Beratung und Aufklärung der Frauen, die Überwachung vonMutter und Kind während der Schwangerschaft, die Vorbereitung der Eltern aufdas Eltern-Dasein, die Geburtsvorbereitung, die Betreuung und Überwachung vonNormalgeburten sowie die Pflege des Neugeborenen. Desweiteren führt die Heb-amme die Versorgung der Frau im Wochenbett durch und kontrolliert die angemes-sene Entwicklung des Kindes. Auch die Anleitung zum Stillen soll hier als beson-dere Aufgabe hervorgehoben werden (§ 3 Abs. 1 Sächsisches Hebammengesetz(SächsHebG), S. 1–9).

14 Theresa Dankert/Andreas Weber

Theoretischer Hintergrund

Wirft man einen Blick auf die theoretische Fundierung motivationalen Handelns,so kommen die klassischen motivationstheoretischen Theorien in den Fokus, wiez.B. die Psychoanalytische Theorie der Motivation nach Freud. Diese beinhaltetdrei Elemente, die das Verhalten beeinflussen. Das erste Element sind die Triebe alsinnerer Anstoß des Handelns. Zweitens das Persönlichkeitsmodell, bestehend ausdem Es, dem Ich und dem Über-Ich. Dabei folgt das Es dem Lustprinzip, das Ichdem Realitätsprinzip und das Über-Ich richtet sich nach der Moral (Rudolph,2009, S. 32). Das Es, Ich und Über-Ich bringen Konflikte hervor, die das Verhaltenbeeinflussen (Rudolph, 2009, S. 18). Als letztes Element sind Denk- und Hand-lungsmodelle bei Freud ursächlich für unser Verhalten. Diese werden in Primärmo-delle (Handlung ohne vermittelnden Ich-Bezug) und Sekundärmodelle („Ich“ ver-mittelt) unterteilt (Rudolph, 2009, S. 22).

Die Behavioristische Theorie der Motivation nach Hull unterscheidet dagegensogenannte „habits“ (Gewohnheiten) von Trieben. Triebe sind hier die motivati-onspsychologischen Antworten auf Bedürfnisse wie Hunger, Schmerz oder Durst.Diese Bedürfnisse sind darauf ausgerichtet, das Befinden zu verbessern. Die Wahr-scheinlichkeit, dass ein Verhalten auftritt, ist abhängig von der jeweiligen Trieb-und Gewohnheitsstärke (Stärke des „habit“). Ein Trieb zielt dabei auf innere Be-dürfnisse und ist zentral für die Motivation einer Handlung. Die „habits“ lenkendie Motivation. Je häufiger ein bestimmter Stimulus eine Reaktion hervorruft,desto eher entsteht eine Gewohnheit (Heckhausen & Heckhausen, 2006, S. 31–32).

In behavioristischen Ansätzen der Motivation ist ein Verhalten umso häufiger,je mehr ein Antrieb, ein Verstärker vorhanden ist. Diese Art der Motivation wirdals extrinsische Motivation bezeichnet. Die von außen einwirkenden Kräfte be-stimmen die Handlungsmotivation. Im Vergleich dazu findet eine intrinsisch moti-vierte Handlung um der Handlung selbst wegen statt. Der innere Antrieb sorgt fürdie Motivation des Handelns (Rudolph, 2009, S. 153).

Skinner entdeckte, dass ein bestimmtes Verhalten häufiger auftritt, je positiveres verstärkt wird. Ferner gilt, dass es seltener auftritt, desto negativer die Konse-quenzen sind. Skinner spricht von vier verschiedenen Arten der Verstärkung: posi-tiver Verstärkung, negativer Verstärkung, Bestrafung Typ I und Bestrafung Typ II(Rudolph, 2009, S. 52). Die Konsequenzen eines Verhaltens bestimmen also seineAuftrittswahrscheinlichkeit.

Die Feldtheorie nach Lewin erklärt das Verhalten eines Menschen nur unterEinbezug der auf ihn auftreffenden Einflüsse aus der Umgebung (Rudolph, 2009,

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S. 66). Das Verhalten eines Menschen wird dadurch motiviert, indem er sich zwi-schen mehreren Handlungsoptionen entscheiden muss. Er befindet sich in einemHandlungskonflikt, der durch das Vorhandensein verschiedener Bedürfnisse undUmwelteinflüsse geprägt ist. Dieser kann ein Annäherungs-Annäherungs-Konfliktsein, bei dem man sich zwischen zwei gleichwertig positiven Auswirkungen ent-scheiden muss. Beim Vermeidungs-Vermeidungs-Konflikt hingegen existieren zweinegative Handlungsalternativen. Der Annäherungs-Vermeidungs-Konflikt bein-haltet sowohl positive als auch negative Handlungsoptionen (Rudolph, 2009,S. 72).

Die Theorie der Leistungsmotivation geht auf J. Atkinson zurück. Er nahm Be-zug auf Lewins Definition der Motivation. Atkinsons Erwartungs-mal-Wert-An-satz beschreibt, dass das Verhalten darauf abzielt, Erfolge zu erreichen. Diese Ten-denz auf Erfolg Te ist ein Ergebnis aus drei multiplizierten Variablen: demLeistungsmotiv Me, der subjektiven Erfolgswahrscheinlichkeit We und dem AnreizAe, den der Erfolg mit sich führt. Dementsprechend gibt es bei Atkinson erfolgs-motivierte und misserfolgsmotivierte Menschen, die sich ihre Aufgaben und dieSchwere der Aufgaben nach der Art der eigenen Antriebskraft aussuchen, um einenErfolg zu erzielen beziehungsweise Misserfolge zu vermeiden. Motivierend sindmittelschwere Aufgaben, da das Produkt aus den Variablen am höchsten ist. Men-schen mit Dominanz des Erfolgsmotives tendieren zu mittelschweren Aufgaben.Menschen, die misserfolgsängstlich sind, tendieren eher zu schweren oder zu leich-ten Aufgaben (Rudolph, 2009, S. 94–95, S. 110).

Die Attributionsprozesse nach Heider erklären, wie man seinen eigenen Erfolgoder Misserfolg erklärt. Nicht die Ursachenfaktoren selbst bestimmen, ob jemandscheitert oder besteht, sondern wie viel Aufmerksamkeit die handelnde Person die-sen Ursachenfaktoren beimisst (Heckhausen & Heckhausen, 2006, S. 381). Des-weiteren beschreibt Heider, dass das Ergebnis einer Handlung abhängig ist vomZusammenspiel der Kraft, die in der Person selbst steckt, und der Kraft, die aus derSituation heraus entsteht (Rudolph, 2009, S. 115). Die Kraft, die in der Personselbst steckt, wird als internal bezeichnet, die Kraft aus der Situation heraus alsexternal. Die Unterscheidung von internalen und externalen Ursachen wird als Lo-kationsdimension bezeichnet (Rudolph, 2009, S. 133). Es gibt allerdings verschie-dene Ursachen, die zwar als internal bezeichnet werden, jedoch nicht gleicherma-ßen stabil sind. Hierzu zählen die Fähigkeit und die Anstrengung. Aus dieserÜberlegung heraus fügte Weiner (1979) die Stabilitätsdimension hinzu, die die Ur-sachen in stabil und variabel unterscheidet. Desweiteren schaffte Weiner die Di-mension der Kontrollierbarkeit, sodass Ursachen insgesamt im Hinblick auf derenLokation, Stabilität und Kontrollierbarkeit unterschieden werden.

16 Theresa Dankert/Andreas Weber

Deci und Ryan (1980) entwickelten in mehreren Phasen die Theorie der Selbst-bestimmung. Zentrale Punkte sind hierbei die angeborenen Bedürfnisse der Kom-petenz, der Selbstbestimmung und der sozialen Eingebundenheit. Kompetenz undSelbstbestimmung definieren hierbei die intrinsische Motivation, die umso höherist, je selbstbestimmter die Handlung von statten geht. Durch das Vorhandenseindes Bedürfnisses nach sozialer Eingebundenheit tendieren Menschen dazu, be-stimmte Verhaltensmuster zu übernehmen, die durch andere Personen an sie über-mittelt wurden. Anfangs fremdgesteuert (external reguliert) nimmt man Verhal-tensweisen über Prozesse des „Introjizierens“ und des „Identifizierens“ immermehr an, bis man das fremde Verhalten als sein eigenes Verhalten integriert hat.Diese Art der Selbstbestimmung wird als extrinsisch bezeichnet (Heckhausen &Heckhausen, 2006, S. 334).

Interviewdurchführung und Auswertungsmethode

In einem Vorgespräch wurden die Hebammenschülerinnen über Inhalt und Ablaufder Befragung aufgeklärt. Vor jedem Interview wurden die Einwilligungserklärungunterzeichnet und die wesentlichen Punkte kurz besprochen. Hierbei hatte dieSchülerin die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Um das Gespräch zu beginnen, wur-den kurz die Erwartungen und das Ziel des Interviews geschildert, ohne dabei dieeinzelnen Fragen durchzugehen. Das Interview begann in allen drei Fällen mit derErhebung der persönlichen Informationen. Damit sollte die erste Aufregung überbevorstehende Fragen, die die Interviewte eventuell nicht beantworten kann odermöchte, genommen werden. Die Hauptfrage des Interviews ist die Forschungsfragenach der Motivation zur Ergreifung des Hebammenberufs. Um eine Antwort nochin weitere Aspekte aufzufächern, wurden mit Hilfe des Leitfadens, der auf Basisdes theoretischen Hintergrundes und der berufspraktischen Erfahrung der Autorinerstellt wurde, Nachfragen gestellt.

In Anlehnung an das vereinfachte Transkriptionssystem nach Dresing und Pehl(2012) wurde das Transkript nach folgenden Regeln erstellt: Es wurde wörtlichtranskribiert, das heißt, vorhandene Dialekte wurden möglichst wortgenau insHochdeutsche übersetzt. Wort- und Satzabbrüche sowie auch Dopplungen wurdennur transkribiert, wenn sie der Betonung dienten, z.B. „Das ist alles sehr, sehr vielfür mich“. Wortverschleifungen wurden nicht transkribiert, stattdessen ausge-schrieben. So wird aus: „Ich hatte früher so’ne Ausbildung im Sinn“ zu: „Ich hattefrüher so eine Ausbildung im Sinn“. Die Satzform wurde beibehalten. Verständnis-signale des Gegenübers, wie beispielsweise „mhm, ja, genau“ etc., wurden nicht

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transkribiert, es sei denn, es handelte sich um eine Antwort, die nur aus „Mhm“oder Ähnlichem bestand. In diesem Fall wurde die Antwort als „Mhm (bejahend)“oder „Mhm (verneinend)“ transkribiert.

Die hier angewandte Methode der Auswertung ist die qualitative Inhaltsana-lyse, die in Deutschland in den 1980er Jahren durch Philipp Mayring begründetwurde (Mayring, 2016). Das wesentliche Merkmal der Vorgehensweise bestehtdarin, dass die analysierende Arbeit nicht am Ursprungstext stattfindet, sondernlediglich mit den aus dem Ursprungstext entnommenen Daten. Speziell zur Aus-wertung von Experteninterviews bietet sich die qualitative Inhaltsanalyse an, da sodie von den Expertinnen geschilderten Sachverhalte nachvollziehbar gemacht wer-den können (Gläser & Laudel, 2010, S. 47). Ein weiterer Vorteil der Nutzung derqualitativen Inhaltsanalyse besteht darin, dass das Ordnungsschema für die imText befindlichen Informationen erst im Laufe der Analyse erstellt wird, nicht abervon Beginn an feststeht (vgl. ebd.). Die von Gläser und Laudel (2010) entwickelteMethode der qualitativen Inhaltsanalyse bezieht sich zwar auf die von Mayring(2007) erstellte Methode, unterscheidet sich aber dennoch von seinem Verfahren.

Für die Auswertung der Daten wurden zuerst einzelne Fallanalysen(Interview01–Interview03) erstellt. Die Fallanalysen bilden jeweils Zusammenfas-sungen der einzelnen extrahierten Kategorien. Zu diesen Kategorien zählen in die-sem Fall die persönlichen Informationen (PI), wie das Alter (PI01), der Familien-stand (PI02) und eigene Kinder (PI03). Als zweite Kategorie wurde die Interviewshinsichtlich des beruflichen Werdegangs (BW) der Schülerinnen ausgewertet. Sieberichteten von ihrem Schulabschluss (BW01), vorherigen Ausbildungen (BW02),Tätigkeiten zwischen den Ausbildungen (BW03) und dem jetzigen Ausbildungsjahr(BW04). Die Kategorie „Der Hebammenberuf“ (HB) beinhaltet Punkte wie Ar-beitsfelder der Hebammen (HB01), persönliche Vor- und Nachteile des Berufes(HB02), persönliche Arbeitsmarktchancen (HB03), Zukunftspläne (HB04), dieHebammenausbildung (HB05) und die aktuelle Versicherungsproblematik vonHebammen (HB06). Während der theoretischen Vorüberlegungen ergab sich daseben beschriebene Kategoriensystem. Alle Kategorien, samt ihrer Untergruppen,können Einfluss auf die Frage nach der Motivation zum Hebammenberuf haben.Sie werden immer in Bezug zueinander Schritt für Schritt ausgewertet.

Viele Fragen rund um Mutterschaft und Geburt, aber auch die Berufswahl zur Hebamme bedürfen wissenschaftlich gestützter Antworten.

Mit Fragen wie: „Warum Hebamme wer-den ?“ oder „Wo soll mein Kind zur Welt kommen?“ und Aspekten wie „Häuslicher Gewalt in der Partnerschaft während einer Schwangerschaft“ sind nur einige Themen genannt, mit denen sich Stu -dierende der Gesundheits- und Pflege -wissen schaften an der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg in den vergangenen Jahren auseinandergesetzt haben.

Auszüge und Artikel auf Grundlage von studentischen Arbeiten in diesem Band zeigen auf, wie sinnvoll die Weiterent-wicklung zu „Hebammenwissenschaftli -chen Studiengängen“ ist, welche Themen wissenschaftlich bearbeitet und welche Forschungsinteressen von Studierenden eingebracht werden können.

Die Akademisierung der Hebammen, wie sie ab 2020 in Deutschland gefordert wird, ist also Herausforderung und Hoffnung zugleich: Herausforderung für die akade-mische Lehre und Hoffnung auf eine partizipative wissenschaftliche Forschung zur Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung von schwangeren Frauen, Müttern und Säuglingen.

Das Buch wendet sich daher an alle prak-tisch und wissenschaftlich interessierten Hebammen und „werdende“ Hebammen in Ausbildung, aber auch an andere Personen, die an Fragen der Demographie und der sozialen Sicherheit interessiert sind.

Viele der hier in diesem Buch gegebenen Antwortversuche auf konkrete Fragen rund um die Schwangerschaft und Geburt sind auch deshalb so zentral, weil für viele Frauen eine existentielle Erkenntnis die-ser Lebensphase lautet:

www.uvhw.de

ISBN 978-3-86977-186-1

„… ja, da beginnt ein neuer Abschnitt …“