4
MESSEN / TESTEN / PRÜFEN HANSER automotive 10 / 2015 56 © Carl Hanser Verlag, München K äufer eines neuen Automobils haben heute die Möglichkeit, sich aus einer Vielzahl von Optionen ein individuell gestaltetes Wunschfahrzeug zusammen- zustellen. Die nahezu unbegrenzten Kom- binationsvarianten spiegeln sich auch in der steigenden Anzahl der im Fahrzeug eingesetzten Bussysteme wider: Aktuell kommen bis zu 126 Steuergeräte in ei- nem einzigen Kraftfahrzeug zum Einsatz – Tendenz steigend. Gleichzeitig steigen die Zahl der Tests, was Hersteller und Zu- lieferer vor enorme Probleme stellt. Die von der carts GmbH entwickelte offene Plattform „NovaCarts“ ermög- licht es, Komponenten verschiedener Hersteller aus den Bereichen Hardware- in-the-Loop-Prüfstände und Fahrzeug- Bus-Kommunikation zu kombinieren. Durch einen modularen und skalierbaren Aufbau von Hardware und Simulations- modellen lassen sich die HiL-Systeme vielseitig einsetzen und innerhalb kürzes- ter Zeit an geänderte Anforderungen an- passen. Die einzelnen Module sind wie- derverwendbar, sodass verschiedenste Mit der Anzahl an Steuergeräten potenziert sich auch die Zahl der Tests, die Her- steller beziehungsweise Zulieferer durchführen müssen – denn nur mithilfe von Tests lässt sich die erforderliche Qualität sicherstellen. Um Automobilhersteller und -zulieferer optimal auf diese und zukünftige Aufgaben vorzubereiten, arbeitet der HiL-System-Hersteller carts eng mit Vector Informatik zusammen. Entstanden sind modulare, skalierbare Hardware-in-the-Loop-(HiL)-Systeme, die dem Anwender die erforderliche Flexibilität bieten, um schnell auf neue Anforderungen zu reagieren. Gesamtfahrzeugsimulation mit carts und Vector Mit dem Nova- Carts-Gesamt- HiL-System lässt sich die gesamte Elek- tronik eines Fahrzeugs simulieren. Fahrzeugkonfigurationen kostengünstig erstellt und getestet werden können. Der modulare Ansatz wird im Zusammenspiel mit den Netzwerk- Tools von Vector konsequent fortge- führt. Durch den integrierten Einsatz von CANoe, dem Werkzeug für Analyse, Simulation und Test von Steuergeräten, wird die für die Analyse der gesamten Buskommunikation erforderliche Test- tiefe erreicht. Dabei können bestehen- de Restbussimulationen für einzelne Steuergeräte im HiL-Prüfstand wieder-

Gesamtfahrzeugsimulation mit carts und Vector

  • Upload
    others

  • View
    0

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Gesamtfahrzeugsimulation mit carts und Vector

M E S S E N / T E S T E N / P R Ü F E N

HANSER automotive 10 / 201556 © Carl Hanser Verlag, München

K äufer eines neuen Automobils haben heute die Möglichkeit, sich aus einer Vielzahl von Optionen ein individuell

gestaltetes Wunschfahrzeug zusammen-zustellen. Die nahezu unbegrenzten Kom-binationsvarianten spiegeln sich auch in der steigenden Anzahl der im Fahrzeug eingesetzten Bussysteme wider: Aktuell kommen bis zu 126 Steuergeräte in ei-nem einzigen Kraftfahrzeug zum Einsatz – Tendenz steigend. Gleichzeitig steigen die Zahl der Tests, was Hersteller und Zu-lieferer vor enorme Probleme stellt.

Die von der carts GmbH entwickelte offene Plattform „NovaCarts“ ermög-licht es, Komponenten verschiedener Hersteller aus den Bereichen Hardware-in-the-Loop-Prüfstände und Fahrzeug-Bus-Kommunikation zu kombinieren. Durch einen modularen und skalierbaren Aufbau von Hardware und Simulations-modellen lassen sich die HiL-Systeme vielseitig einsetzen und innerhalb kürzes-ter Zeit an geänderte Anforderungen an-passen. Die einzelnen Module sind wie-derverwendbar, sodass verschiedenste

Mit der Anzahl an Steuergeräten potenziert sich auch die Zahl der Tests, die Her-

steller beziehungsweise Zulieferer durchführen müssen – denn nur mithilfe von

Tests lässt sich die erforderliche Qualität sicherstellen. Um Automobilhersteller und

-zulieferer optimal auf diese und zukünftige Aufgaben vorzubereiten, arbeitet der

HiL-System-Hersteller carts eng mit Vector Informatik zusammen. Entstanden sind

modulare, skalierbare Hardware-in-the-Loop-(HiL)-Systeme, die dem Anwender die

erforderliche Flexibilität bieten, um schnell auf neue Anforderungen zu reagieren.

Gesamtfahrzeugsimulation mit carts und Vector

Mit dem Nova-

Carts-Gesamt-

HiL-System

lässt sich die

gesamte Elek-

tronik eines

Fahrzeugs

simulieren.

Fahrzeugkonfigurationen kostengünstig erstellt und getestet werden können.

Der modulare Ansatz wird im Zusammenspiel mit den Netzwerk-Tools von Vector konsequent fortge-führt. Durch den integrierten Einsatz von CANoe, dem Werkzeug für Analyse, Simulation und Test von Steuergeräten, wird die für die Analyse der gesamten Buskommunikation erforderliche Test-tiefe erreicht. Dabei können bestehen-de Restbussimulationen für einzelne Steuergeräte im HiL-Prüfstand wieder-

© Carl Hanser Verlag, München. Der Nachdruck, auch auszugsweise, ist nicht gestattet und muss beim Verlag gesondert beauftragt werden.

Page 2: Gesamtfahrzeugsimulation mit carts und Vector

M E S S E N / T E S T E N / P R Ü F E N

57HANSER automotive 10 / 2015www.hanser-automotive.de

verwendet werden. Dies reduziert den Aufwand bei der Realisierung von Test-systemen erheblich und erhöht die Transparenz zwischen Entwicklung und Test.

Ein weiterer Vorteil: Durch die Kom-bination des carts-CAN-Gateways, ei-ner speziell für die Versuchsbedienung entwickelten Software, und des Vector-Real-Time (RT)-Systems können An-wender die Botschaftsinhalte in der Kommunikation der Steuergeräte unter-einander gezielt auf virtuellen Bussen

verstimmen. Damit lassen sich das kor-rekte Zusammenspiel der Steuergeräte untereinander sowie die Diagnose über-prüfen.

Zukunftssichere „reale Vernetzung“ für Integrationstests

In den NovaCarts-Gesamt-HiL-Syste-men (G-HiL-Systeme), die die vollstän-dige Elektronik eines Fahrzeuges abbil-den, sind die einzelnen Steuergeräte

wie im realen Fahrzeug miteinander vernetzt. Ergänzt wird der Aufbau durch die Möglichkeit zur Fehleraufschaltung sowie zur Manipulation der Botschaf-ten, die über die Fahrzeugbusse zwi-schen den Steuergeräten übertragen werden. Derartige Aufbauten finden bei Integrationstests Verwendung, um die Funktionalität des Gesamtverbunds al-ler Steuergeräte sowie die On-Board-Diagnose (OBD) zu prüfen.

Die Anzahl der I/O-Signale ist dabei sehr hoch. Bei der aktuellen Schnittstel-B

ilder

: car

ts (A

ufm

ache

r, B

ilder

1 u

nd 2

), Ve

ctor

Info

rmat

ik (B

ilder

2,3

und

4)

Bild 1: Sche-

matischer

Aufbau der

NovaCarts-

Prüfstände.

Bild 2: Soft-

ware-Struktur

zur Einbindung

von Vector

Interfaces in

NovaCarts-HiL-

Systeme.

»

© Carl Hanser Verlag, München. Der Nachdruck, auch auszugsweise, ist nicht gestattet und muss beim Verlag gesondert beauftragt werden.

Page 3: Gesamtfahrzeugsimulation mit carts und Vector

M E S S E N / T E S T E N / P R Ü F E N

HANSER automotive 10 / 201558 © Carl Hanser Verlag, München

Neben den produktspezifischen Schnittstellen wie dem LabView- und Matlab-Interface stehen produktunab-hängige Technologien, wie die ASAM-XIL-API und das Vector eigene Fast-Da-ta-eXchange (FDX)-Protokoll, zur Verfü-gung. FDX ist ein UDP-basiertes Proto-koll zum schnellen Datenaustausch von Signal- und Variablenwerten. Es wird deshalb sowohl zur Anbindung von eta-blierten Bussystemen wie FlexRay als auch für neue, für höhere Datenmen-gen ausgelegte Busse wie CAN FD oder Ethernet verwendet.

Über die offenen Schnittstellen von CANoe lassen sich bestehende und be-reits bewährte Funktionalitäten wie die CAN-Software oder das Software-Gateway von carts einbinden und wei-ter nutzen. Auf dem Fahrzeug-Bus-

Knoten greift so zum Beispiel die carts-Software über FDX sowie die XL Driver Library direkt auf den Bus zu.

Aufgrund des vergleichsweise hohen Datenvolumens, das bei der Restbussimulation eines gesamten Fahrzeuges anfällt, überträgt der carts-Echtzeitrechner die Simulationsdaten per Ethernet-Kommunikation über das echtzeitfähige RDB-Protokoll an den Fahrzeug-Bus-Knoten. Da die für die Steuerung notwendigen Schnittstellen von CANoe offen sind, können alle für die Busbedatung des HiL-Systems not-wendigen Metadaten automatisch ab-gefragt werden (Bild 2).

Der FBK wird typischerweise auf einem RT-fähigen Netzwerk-Interface realisiert. Daneben bietet die Vector- Lösung abhängig von weiteren Anforde-

rungen an das Testsystem mehrere Alternativen, den RT-Teil von CANoe auszuführen. Soll beispielsweise das I/O- Verhalten eines Prüflings genau-er getestet werden, so ist der Einsatz eines VT Systems von Vector sinnvoll. Für das VT Sys-tem gibt es eigene Netzwerk-In-terface-Module und passend dazu verschiedene Real-Time-Module, auf denen der RT-Teil von CANoe und die RDB-Anbin-dung an die carts-Umgebung lauffähig sind (Bild 3).

Für Testsysteme, bei denen eine hohe Anzahl an Buskanälen parallel betrieben wird (beispiels-

lenkonditionierung der einzelnen Steu-ergeräte sind bei einem G-HiL-System insgesamt etwa 1.300 I/O-Signale pro Millisekunde in Echtzeit zu erfassen und zu verarbeiten. Die Kommunikation der Steuergeräte mit den unterschied-lichen Bussystemen und Protokollen sowie das Berechnen komplexer und umfangreicher Simulationsmodelle stel-len ebenfalls hohe Anforderungen an die Leistungsfähigkeit des Testsys-tems. Um die erforderliche Rechenleis-tung zu gewährleisten, verfügen die G-HiL-Systeme von carts unter anderem über leistungsfähige Multicore-Rech-ner, die sich bei Bedarf auch zu Verbün-den zusammenschalten lassen.

Schematischer Aufbau von NovaCarts-Prüfständen

Das NovaCarts-G-HiL-System wird über einen Bedien-PC gesteuert, auf dem sowohl die Versuchsbedien-Soft-ware von carts als auch der Steuerungs-teil von CANoe von Vector zum Einsatz kommt. Der Bedien-PC kontrolliert da-bei sowohl den NovaCarts-Echtzeit-rechner, mit dem die gesamten I/Os des Testaufbaus bedient werden, als auch den echtzeitfähigen Fahrzeug-Bus-Knoten (FBK) (Bild 1).

CANoe (CAN open environment) ist eine offene Umgebung für Steuer- gerätetest und -simulation und bietet zahlreiche Schnittstellen zur Interaktion mit anderen Softwarekomponenten.

Bild 3:

Ausführungs -

umgebungen

für CANoe RT.

i Plattform „NovaCarts“

W Generisch: einfache Bedienung durch Verwendung gleicher Grundkompo-nenten (Echtzeitrechner, Adapterbox, I/O-Hardware etc.) in allen Systemen.

W Skalierbar: schnelle und kostengünsti-ge Auf- und Umrüstung.

W Modular: hohe Wiederverwendbarkeit und Flexibilität der Testkomponenten.

W Modifizierbar: schnelle und leichte Ein-bindung neuer Steuergeräte und Bus-Systeme.

W Integrierbar: einfache Integration in be-stehende Abläufe durch modularen Aufbau der Soft- und Hardware.

© Carl Hanser Verlag, München. Der Nachdruck, auch auszugsweise, ist nicht gestattet und muss beim Verlag gesondert beauftragt werden.

Page 4: Gesamtfahrzeugsimulation mit carts und Vector

M E S S E N / T E S T E N / P R Ü F E N

und der gewählten Ausführungseinheit von CANoe RT kann die jeweils optima-le Lösung ausgewählt werden (Bild 4).

Fazit und Ausblick

Durch die Kombination der NovaCarts-Plattform mit der flexiblen Fahrzeug-Bus-Netzwerklösung von Vector ist eine leistungsfähige Gesamtlösung entstanden, die die technologisch führenden Features beider Systeme optimal integriert und die Anforderun-gen von Herstellern und Zulieferern voll-ständig erfüllt.

Die modularen und offenen Lösun-gen von carts und Vector bilden bereits heute eine ideale Grundlage für die fle-xible, individuelle Konfiguration und

Realisierung komplexer HiL-Systeme. Zusätzlich lassen sie sich bei Bedarf um neue Bus-Systeme wie CAN FD oder Ethernet erweitern – ein entscheiden-der Vorteil in puncto Zukunftsfähigkeit. Um künftig weitere Anforderungen ziel-genau erfüllen zu können, arbeiten Vec-tor und carts gemeinsam daran, die Möglichkeiten zur Integration von HiL-Komponenten kontinuierlich auszubau-en. W (oe) » www.vector.com

» www.carts.de

Andre Bergmann ist im Vertrieb der carts GmbH tätig. Dort ist er für den Vertrieb der NovaCarts-Prüf-stände zuständig. [email protected]

Sebastian Mezger ist bei Vector Informatik als Teamleiter im Bereich der kundenspezifischen Testsyste-me tätig. Seine Zuständigkeit: Akquise und Leitung von Kunden-projekten. [email protected]

Dr. Heiner Hild ist Gruppenleiter und Produktmanager im Bereich VT System bei Vector Informatik. Dort ist er zuständig für die Entwicklung des VT Systems und weiterer I/O-Test-Hardware sowie deren Anbindung an CANoe. [email protected]

weise Integrationstestplätze), wird häufig auch ein separater und leistungsfähige-rer Rack-PC eingesetzt, auf dem der CANoe-RT-Teil die einzelnen PCI-Netz-werk-Interface-Karten bedient. Damit lassen sich mit einem Rechner bis zu 32 separate Busnetzwerke parallel anbin-den. Dies ermöglicht eine einheitliche Zeitstempelung über alle Bussignale.

Bus-Interfaces in HiL-Prüfständen

Im Portfolio von Vector findet sich pas-send zu den unterschiedlichen Anforde-rungen der Automobilbranche eine gro-ße Anzahl an Bus-Interfaces. Abhängig vom geforderten Bus-System (CAN, LIN, FlexRay, Ethernet, MOST, J1708)

Bild 4: Übersicht Bus-Interfaces von Vector.

© Carl Hanser Verlag, München. Der Nachdruck, auch auszugsweise, ist nicht gestattet und muss beim Verlag gesondert beauftragt werden.