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www.tuv.com/tourismus-berlin TÜV RHEINLAND AKADEMIE Geschäftstourismus in Metropolen nachhaltig gestalten. Protokoll zur Fachtagung.

Geschäftstourismus in metropolen nachhaltig gestalten.€¦ · Protection Act unterzeichnet hätte. Als Geschäftsreiseverbrand sei dies daher mehr Sache der allgemeinen Reisever-bände

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Page 1: Geschäftstourismus in metropolen nachhaltig gestalten.€¦ · Protection Act unterzeichnet hätte. Als Geschäftsreiseverbrand sei dies daher mehr Sache der allgemeinen Reisever-bände

www.tuv.com/tourismus-berlin

TÜV Rheinland akademie

Geschäftstourismus in metropolen nachhaltig gestalten.

Protokoll zur Fachtagung.

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Begrüßung: Markus Dohm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

Einführung: Margrit Zauner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

Podiumsdiskussion: Aussichten auf nachhaltigen Geschäftstourismus? . . . . 5

7 Fragen an 7 Berliner Unternehmen rund um Nachhaltigkeit.

In Anlehnung an die World Café-Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

Wie viel Tourismus verträgt die Metropole Berlin? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

Wie funktioniert Edutainment als Instrument bei der Ansprache

junger Zielgruppen im Bereich Nachhaltigkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

Nach welchen Kriterien erfolgt eine nachhaltige Beschaffung

von Produkten und Dienstleistungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

Was zeichnet ein nachhaltiges Personalmanagement in KMU aus? . . . . . 10

Wie kann ein Unternehmen mit innovativen und nachhaltigen

Produkten Märkte gestalten und neue Zielgruppen erschließen? . . . . . . . 11

Wie gestaltet sich die interne und externe Kommunikation eines

Unternehmens, das Nachhaltigkeit als zentralen Wert und Teil

seiner Unternehmenskultur versteht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

Wie gestaltet ein Veranstaltungsdienstleister seine Wertschöpfungskette

nachhaltig? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

Talking Futures: Gewissheit der Ungewissheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

Die Zukunft von Metropolen – Herausforderungen und

innovative Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

inhaltsverzeichnis.

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3

Begrüßung – markus dohm

Geschäftsführer TÜV Rheinland Akademie GmbH, Köln

Hinweis auf Nachhaltigkeitsausrich- �

tung vom TÜV Rheinland:

2006 Unterzeichnung des UN -

Global Compact

2010 Integration des Nachhal- -

tigkeitsbericht in den Geschäfts-

bericht

2011 Entsprechenserklärung zum -

Nachhaltigkeitskodes des Rats für

Nachhaltige Entwicklung (Nach-

haltigkeitsrat)

2012 Fachtagung wird klimaneut- -

ral veranstaltet

Begrüßung von Margrit Zauner, �

Leiterin des Referats Berufliche Qua-

lifizierung in der Senatsverwaltung

für Arbeit, Integration und Frauen in

Berlin und Dank für Ihre Unterstüt-

zung im Projekt

Dank ausgesprochen an Projektleite- �

rin des Pilotprojekts „Nachhaltiger

Business Travel in Berlin“ Dr. Car-

men Giese und das gesamte Team

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4

einführung: margrit ZaunerLeiterin des Referats Berufliche Qualifizierung in der Senatsverwaltung

für Arbeit, Integration und Frauen, Berlin

Berlin als Dienstleitungsanbieter �

80 % der Beschäftigung in Berlin -

befinden sich im Dienstleistungs-

sektor

Hier ist besonders die berufliche -

Qualifizierung wichtig

Berlin als Tourismusstandort: �

115.700 Veranstaltungen pro Jahr -

in Berlin

6 Millionen Übernachtungen sind -

dem Bereich Meetings, Incentives,

Conventions, Events (MICE) zuzu-

rechnen

Das sind insgesamt ¼ aller Hotel- -

übernachtungen

Die Branche bietet damit 34.000 -

Arbeitsplätze (+ 2.000 im Vorjahr)

Nachhaltigkeit als Positionierung für �

Tourismusstandort Berlin:

Alle Dienstleistungsunternehmen -

im Tourismus sind angesprochen

Vermarktung von nachhaltigen -

Dienstleistungen soll gesteigert

werden

Unterstützung durch die Regierung -

für gute Projekte / Unternehmen,

etc. ist geplant

Nachhaltigkeit ist mehr, als ökologi- �

sches und soziales Engagement, und

beinhaltet auch bspw. Personalma-

nagement.

Ein besonderes Lob geht an die am �

Projekt teilnehmenden Unterneh-

men, da sie die Vorreiterrolle einge-

nommen haben.

Heute ist es schwer, ein gutes, ganz- �

heitliches Angebot für eine nach-

haltige Tagung zu finden, denn bei

der Umsetzung von Nachhaltigkeit

besteht oft das Problem der Hand-

habbarkeit.

Durch die Zusammenarbeit mit dem �

TÜV Rheinland in diesem Projekt,

wird ein handhabbares, praktisches

und einfach umzusetzendes Hand-

buch erarbeitet. Jedes Unternehmen

kann so von dem im Projekt erlang-

ten Wissen profitieren.

Das Pilotprojekt gibt Anregungen �

und trägt dazu bei einen Standard

für Green Meetings zu bilden.

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Podiumsdiskussion: aussichten auf nach haltigen Geschäftstourismus?

Auf dem Podium

Dr. Carmen Giese, Leiterin Center �

Corporate Social Responsibility,

Sustainability & Compliance,

TÜV Rheinland Akademie GmbH

Sabine Minninger, im Auftrag des �

Evangelischen Entwicklungsdienstes

(EED) – Arbeitsstelle Tourism Watch

– Klimawandel, nachhaltiger Touris-

mus und Entwicklungsfragen

Robert Schmiel, Manager des Hotels �

Scandic Potsdamer Platz, Berlin

Lorenz Szyperski, KfW Bankengrup- �

pe, Konzernentwicklung/ Nachhaltig-

keit (KEc4) sowie Leiter des Fachaus-

schusses Nachhaltigkeit im Verband

Deutsches Reisemanagement e. V.

(VDR)

Peter Westenberger, Leiter Nachhal- �

tigkeits- und Umweltinformation,

Deutsche Bahn AG Umweltzentrum

Gesamtmoderation

Susanne Bergius, Journalistin, Mode-

ratorin und Expertin für nachhaltiges

Wirtschaften und Investieren

Susanne Bergius eröffnete die Podi-

umsdiskussion mit der Eingangsfrage,

ob große Unternehmen eine Vorbild-

rolle einnehmen sollten zum Thema

Nachhaltigkeit. Die Podiumsteilneh-

mer bejahten dies einstimmig.

Frau Dr. Giese betonte die aus ihrer

Sicht wichtige Integration der Nach-

haltigkeitsstrategie in die Unterneh-

mensstrategie sowie die Anforderung

an große Unternehmen, diese formu-

lierte Nachhaltigkeit auch zu leben.

Der TÜV Rheinland biete in dieser

Hinsicht schon viele Maßnahmen zur

Umsetzung, wie beispielsweise die

Verabredung von Fahrgemeinschaften

vom Flughafen in die Zentrale in Köln

oder die Buchung des Ökotickets der

Bahn, was 164t CO2 jährlich einspart.

Auch die generelle Reisevermeidung

und das Ausweichen auf Videokonfe-

renzen seien wichtige Maßnahmen, so

Dr. Giese.

Herr Schmiel sprach die Bedeutung

des Wissenstransfers an und warnte

vor einer Silo-Mentalität der Unter-

nehmen, die ihr erlangtes Wissen

nicht teilen würden. Scandic sehe für

sich im Bereich nachhaltige Geschäfts-

reisen die Reisevermeidung als wichtig

an, welche flankiert wird von Maß-

nahmen wie das generelle Verbot der

Benutzung eines Taxis auf der Fahrt

zum Flughafen. Mitarbeiter bekom-

men Fahrräder oder Elektroautos für

die Termine mit Kunden zur Verfü-

gung gestellt und das Jobticket der

BVG bezuschusst.

Frau Minninger betonte die Verant-

wortlichkeit großer Unternehmen

die Corporate Social Responsibility

umzusetzen.

Als Aufgabe innerhalb der Vorbildrolle

von Unternehmen hob Herr Szysper-

ski die externe und interne Kommu-

nikation von Nachhaltigkeitsthemen,

das Setzen gezielter Impulse und die

dadurch erreichte Standardisierung

hervor. Der Fachausschuss Nachhaltig-

keit des VDR biete die Möglichkeit des

Knowhow-Transfers und Hilfestellung

durch einen Standard zur Berechnung

des CO2-Ausstoßes einer Geschäftsrei-

se und den „Wegweiser Nachhaltig-

keit – Leitfaden für ein nachhaltiges

Travel“

Herr Westenberger setzte auf beleg-

bare und nachvollziehbare Kriterien

der Unternehmen, die damit ihre

Ziele formulieren und (auch unange-

nehme) Transparenz für die Umwelt

schaffen. Im Sinne der Vorbildwirkung

von großen Unternehmen sei man

bei der Einführung des Ökotickets

zuerst an die Key-Accounts, also die

größten Kunden, herangetreten. Herr

Werstenberger wies weiter darauf

hin, dass das Ökoticket jedoch kein

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CO2-Ausgleich biete, sondern für diese

Tickets Ökostrom eingekauft werde.

Im Zuge des Ziels der Bahn, bis 2020

den Ökostromanteil auf 35 % zu erhö-

hen, bietet die Bahn seit dem 16. April

eine Probe BahnCard 25 mit 100 %

Ökostrom an.

Auf die Frage der Moderatorin hin,

welche zusätzlichen Maßnahmen

durch die Unternehmen umgesetzt

werden könnten, führte Frau Dr. Giese

die Aufnahme von Compliance Richt-

linien in die Zielvereinbarungen und

weitere Anreizsysteme, wie Wettbewer-

be, an. Nachhaltigkeit sei ein kreatives

Thema und biete generell viel Platz für

neue Möglichkeiten.

Die Möglichkeit von Kooperationen

zeigte Herr Schmiel auf. Scandic

kooperiere beispielsweise mit Jamie

Oliver, der Hinweise für gesunde

Ernährung und den nachhaltigen und

umweltverträglichen Einkauf von Pro-

dukten gebe. Auch sei der Dresscode

sei ein Thema, so habe Scandic die

Uniform auf Jeans umgestellt, da diese

länger als Stoffhosen halten, einfacher

zu reinigen seien und weitere Vorteile

böten. Gleichzeitig müsse auch auf

die Produktion geachtet werden, so

werden die Jeans selbst für Scanidc in

Skandinavien gefertigt.

Dies betreffend fügte Frau Minninger

hinzu, dass bei einer nachhaltigen

Ausrichtung die gesamte Lieferkette

im Fokus stehe und somit auch die

Produktionsbedingungen der Zu-

lieferer – im Falle der Scandic Jeans

die Baumwolle – betrachtet werden

müsse.

Frau Bergius brachte die Frage ein,

was in Berlin geschehen muss, um die

Stadt als nachhaltigen Tagungsstand-

ort weiter zu entwickeln. Dazu berich-

tete Frau Minninger von den erschre-

ckenden Zahlen, dass Berlin, nach

Prag, Rang zwei der Kinderprostituti-

onsrate europäischer Städte einnimmt.

Gerade die Hotels seien gefragt, auf

diese traurige Tatsache aufmerksam zu

machen, Leitfäden gegen Kinderpros-

titution zu unterzeichnen und damit

die soziale Dimension von Nachhaltig-

keit eingehender zu bedienen. Auf die

direkte Ansprache von Frau Minninger

äußerte Herr Schmiel von Scandic

Hotels Interesse diese Themen aufzu-

nehmen und auch mit dem deutschen

Hotel- und Gaststättenverband DEHO-

GA zusammenzuarbeiten.

Zu diesem Thema wies Herr Szysperski

darauf hin, dass der Deutscher Reise-

Verband e.V. (DRV) bereits den Child

Protection Act unterzeichnet hätte. Als

Geschäftsreiseverbrand sei dies daher

mehr Sache der allgemeinen Reisever-

bände und daher fühle sich der VDR

nicht als der richtige Ansprechpartner.

Sabine Minninger hielt dagegen, dass

es jedoch auch Geschäftsreise Unter-

nehmen Vorreiter in diesen Bereichen

gebe, wie beispielsweise FCm Travel

Solutions.

Als weiteren Punkt der sozialen Nach-

haltigkeit führte Robert Schmiel das

Thema Barrierefreiheit an und zeige

an Beispielen, dass keine großen Um-

strukturierungen notwendig seien, um

körperlich eingeschränkte Personen

zu unterstützen. So sei die Möglich-

keit einen Gehstock an der Rezepti-

on einzuhängen schon ein Anfang.

Scandic habe sich mit diesem Thema

ausführlich auseinander gesetzt und

einen 110-Punkte Plan aufgestellt, der

Maßnahmen definiert, um Behinderte

zu unterstützen. Scandic werbe aktiv

dafür, dass weitere Hotels diesen Plan

übernehmen, um Berlin als nachhalti-

gen Standtort weiter zu entwickeln.

Herr Sysperski pflichtete Herrn

Schmiel in der Bedeutung der sozialen

Nachhaltigkeit bei und wies darauf

hin, dass der VDR bestrebt sei, diese

auch in die Ausbildung im Tourismus

zu integrieren. Heute seien bereits von

der VDR Akademie Themenblöcke

zum Thema Nachhaltigkeit für den

zertifizierten Travel Manager einge-

baut.

Einen erneuten Impuls in die Diskus-

sion lieferte Frau Bergius mit der Fra-

ge, ob Label im Nachhaltigkeitsbereich

sinnvoll seien und wenn ja, welche

die Podiumsteilnehmer empfehlen

könnten.

Herr Schmiel empfahl das DNGB

Siegel für nachhaltiges Bauen, welches

gute Kriterien anführe, jedoch kos-

tenaufwendig sei und nur realisierbar,

wenn neu gebaut werde.

Eher skeptisch gegenüber Siegeln

äußerte sich Herr Werstenberger. Zwar

werde die Qualität der einzelnen Sie-

gel allmählich besser, jedoch sein eine

unabhängige Prüfung und Evaluation

der Inhalte durch NGOs zwingend

erforderlich.

Einen Versuch der Evaluation habe

der eed in Zusammenarbeit mit den

Organisationen arbeitskreis tourismus

& entwicklung (akte), ECOTRANS e.V.,

Evangelischer Entwicklungsdienst

(EED) Tourism Watch und Naturfreun-

de Internationale (NFI) unternommen

und den „Wegweiser durch den La-

beldschungel im Tourismus“ entwi-

ckelt, berichtete Frau Minninger. Hier

werden wichtige Hinweise für den

Verbraucher hinsichtlich des Inhaltes

der verschiedenen Label gegeben.

Herr Szysperski äußerte zunächst, dass

generell Vorsicht geboten sei, bei der

Herausgabe von neuen Siegeln, da die-

se nur schwer vom Markt angenom-

men werden würden. Der VDR selbst

vergebe das Zusatzsiegel „Green Ho-

tel“ mit 65 Kriterien. 20 Hotels seien

bereits durch die Zusatzzertifizierung

gegangen, die auf die Zertifizierungen

zu „Conference Hotel“ bzw. „Business

Hotel“ aufsetzt. Auf die Anmerkung

der Moderatorin Frau Bergius, dass

soziale Kriterien vernachlässigt wür-

den innerhalb dieses Kriteriensets des

VDR, erwiderte Szysperski, dass dies

ein grünes Siegel mit dem Fokus auf

Umweltthemen darstelle. Frau Bergius

bemerkte weiter, dass sich aus ihrer

Sicht in diesem Siegel einige Punkte

widersprechen würden.

Herr Szysperski wand ein, dass es Wei-

terentwicklungsbedarf für dieses Siegel

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gebe, der VDR darin jedoch versucht

habe, einen Anfang zu finden, um das

Thema verbandsweit aufzugreifen.

Im Anschluss an diese Diskussionsrun-

de war es möglich für das Publikum

Fragen an das Podium zu stellen. Da-

bei wurde diskutiert, ob Freiwilligkeit

beim Thema Nachhaltigkeit ausreicht.

Frau Minninger machte klar, dass

bei kleinen Aktionen, wie das Benut-

zen von Fahrrädern im Stadtverkehr

oder ähnlichem, die Verpflichtung

eine geringere Rolle spiele als bei

den großen Umwelt-Kostenstellen.

So seien 14 % der globalen Emissi-

onen Flugemissionen. Hier sei eine

gesetzliche Eindämmung zwingend

notwendig, da der fortschreitende

Klimawandel keinen Raum und keine

Zeit zur Sensibilisierung der Beteilig-

ten biete. Das mache schon der Fakt

deutlich, dass bis heute die meisten

Akademiker nicht verstanden hätten,

was ihre Flugemissionen bewirken.

Frau Minniger gab außerdem Einblick

in die politische Lage, die die Durch-

setzung von Regulationen erschwert.

So berichtete sie von einem Brief der

US-amerikanischen Außenministerin

Hillary Clinton, in dem der EU, im

Falle einer Besteuerung von CO2 Emis-

sionen bei Flugreisen, Sanktionen in

verschiedenen Wirtschaftsbereichen

angedroht wurden.

Dass Freiwilligkeit in diesen Themen

nur Veränderungen im einstelligen

Kommabereich auslöse, wie beispiels-

weise beim Thema Frauenquote, bestä-

tigte auch Frau Dr. Giese. Gerade der

TÜV Rheinland mache die Erfahrung,

dass Zertifizierungen und Beratungen

erst angefragt werden, wenn bereits

Regulierungen in diesem Bereich

bestehen.

Auch das Thema CO2 Kompensation

wurde erneut angesprochen und mit

der Frage verbunden, wie viel in den

Unternehmen tatsächlich kompen-

siert werde. Frau Dr. Giese zeigte, dass

diese Veranstaltung kompensiert und

dabei auch ein größerer Betrag von

TÜV Rheinland gespendet wurde, als

errechnet. Auch die Pressekonferenz

Bilanzpräsentation des TÜV Rheinland

Anfang April 2012 sei kompensiert

worden. Das Problem an Kompensati-

on sei laut Herrn Westenberger jedoch

die Intransparenz und die verschiede-

nen Wege unterschiedlicher Instituti-

onen die Höhe zu berechnen. Zudem

sei das einmal ausgestoßene CO2

nicht wieder aus der Atmosphäre zu

holen und daher Effizienzsteigerung,

Verminderung und Vermeidung von

CO2 generell zu bevorzugen. Frau Min-

ninger entgegnete, dass aus ihrer Sicht

eine Kompensation jedoch ein Anfang

ist und immer noch eine relevante

Möglichkeit sei und weiter ausgebaut

werden sollte.

Weiter wurde die Frage gestellt, inwie-

fern ein Austausch und eine internati-

onale Kooperation zum Thema Nach-

haltigkeit bestehen. Herr Szysperski

führte die VDR Kooperation mit der

GBTA an. Als globales Unternehmen

gelte für den TÜV Rheinland, so Giese,

die Nachhaltigkeitsstrategie in allen

61 Ländern und Niederlassungen um-

zusetzen. Zudem fände dieses Jahr ein

globales Meeting aller Officer in den

Bereichen CSR und Compliance zum

Austausch statt. Nach Frau Bergius

Einschätzung bestehe im Bereich der

globalen Kooperation jedoch noch

viel Handlungsbedarf. So sei auch der

Global Compact kaum untereinander

vernetzt, da keine Verbindung der ein-

zelnen nationalen Chapter bestehe.

Frau Bergius stellte zum Abschluss an

die Teilnehmer der Podiumsdiskussion

die Frage, ob die Geschäftsreiseorgani-

sation im Jahre 2030 nachhaltig sein

werde?

Dr. Carmen Giese: „Ich hoffe Ja“

Robert Schmiel: „Ich hoffe Ja,

glaube aber Nein“

Sabine Minninger: „Ja, davon bin ich

überzeugt“

Lorenz Szyperski: „Nein“

Peter Westenberger: „Nein“

Die Gäste auf dem Podium (v.l.n.r.): Frau Dr. Giese, Herr Schmiel, Frau Minninger, Frau Bergius, Herr Szysperski und Herr Westenberger

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7 Fragen an 7 Berliner Unternehmen rund um nachhaltigkeit. In Anlehnung an die World Café-Methode.

Wie viel Tourismus verträgt

die Metropole Berlin?

Dirk Arndt, Visit Berlin – Berlin Touris-

mus & Kongress GmbH

Moderation: Dr. Carmen Giese

TÜV Rheinland Akademie GmbH

Herr Arndt erläuterte zu Beginn die

Eckdaten des Auftrags von Visit Berlin.

So sei das Tourismuskonzept seit 2011

vorhanden, indem eine Steigerung

von bisher 22,4 Mio. auf 30 Mio.

Übernachtungen bis 2020 vorgege-

ben ist. Berlin verbuchte bereits im

vergangenen Jahr eine Steigerung

der Gästeanzahl um 9 % auf 9,9 Mio.

Gäste. Dabei wurden 115.700 Veran-

staltungen (+2 % zum Vorjahr) mit

insgesamt 9,6 Mio. Teilnehmern und

6,05 Mio. Übernachtungen (+7 % und

+9 %) gezählt. Angesichts dieser Zah-

len und der Anforderung zu weiterem

Wachstum, stellt sich die Frage: Wie

viel Tourismus verträgt die Stadt?

Als wichtiger Entwicklungspunkt

für das Tourismuskonzept wurde die

Schaffung von qualitativen Kriterien

angesprochen, in denen definiert

wird, unter welchen Rahmenbedin-

gungen das Wachstum erreicht wer-

den soll. Eine generelle Ausrichtung

auf nachhaltige Kriterien wurde dabei

als wünschenswert angesprochen.

Auch ergab sich eine Diskussion um

die gewünschte Zielgruppe an Tou-

risten. So gab Herr Arndt an, dass ein

Kulturtourist durchschnittlich 5 Tage

in Berlin bleibt, wobei der Durch-

schnitts Tourist nur 2,2 Tage bleibt.

Unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten

ist eine möglichst lange Verweildau-

er wünschenswert, da sich so der

Aufenthalt „mehr lohnt“. Das reine

Marketing an Kulturtouristen wurde

jedoch nicht von allen Diskussions-

teilnehmern als positiv betrachtet, da

das Alleinstellungsmerkmal für Berlin

nicht im hochpreisigen Kultursegment

allein gesehen wird, sondern gerade

Berlin als günstige Alternative zu vie-

len anderen Städten gesehen wird.

In der Diskussion wurde deutlich, dass

Berlin das Image einer „Grüne Metro-

pole“ weiter entwickeln sollte, um das

Wachstum für die Bewohner erträg-

lich zu machen und gleichzeitig die

Attraktivität für Touristen zu erhöhen.

Berlin soll „hip“ und grün gleichzeitig

sein. Im Marketing für Berlin könnten

daher die grünen Seiten von Berlin,

wie beispielsweise die vielen Seen und

Grünflächen, weiter hervorgehoben

und weiterentwickelt werden.

Thema der Diskussion war ebenfalls

die teilweise negative Einstellung von

Bewohnern gegenüber Touristen. Als

Grund identifizierten die Diskussions-

teilnehmer das rasche Wachstum

der Stadt nach dem Mauerfall sowie

die noch bestehende Inselmentalität

vieler Bewohner. Dieser Fakt wurde

einerseits als Negativum ausgewie-

sen und als ein Aktionsfeld für Visit

Berlin identifiziert. Jedoch pranger-

ten die Teilnehmer auch an, dass die

Stadtentwicklung generell mehr mit

der Tourismusmanagement der Stadt

Berlin zusammen arbeiteten müsste,

was bisher nicht der Fall ist. Hotels

sollten sich verträglich in das Stadt-

bild integrieren. Das bedeute auf der

einen Seite, dass die Touristen nicht

durch ihre Anwesenheit die Anwoh-

Ergebnisse des World Cafés

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ner stören sollten. Als Negativ Beispiel

wurde die Bewilligung von einem Hos-

tel Projekt mit 2000 Betten mitten in

einem Wohnviertel angeführt, was zu

einer massiven Störung der Anwoh-

ner durch die Hostel Besucher führte.

Hier sei es Aufgabe der Regierung die

Freigabe von Bettenkapazitäten zu re-

gulieren. Auf der anderen Seite wurde

davor gewarnt, die Touristen „aussper-

ren“. So macht es Berlin gerade attrak-

tiv, das der Tourist die Möglichkeit

hat, den „echten“ Berliner zu treffen.

Es geht also um die verträgliche Inte-

gration der Hotels mit gleichzeitiger

Regulierung von staatlicher Seite.

Wie funktioniert Edutainment

als Instrument bei der Ansprache

junger Zielgruppen im Bereich Nach-

haltigkeit?

Haralabos Rousvanidis,

MEININGER Shared Services GmbH

Moderation: Annegret Zimmermann

TÜV Rheinland Akademie GmbH

Zunächst stellte Herr Rousvanidis die

MEININGER Strategie bei der Zielgrup-

penansprache in Sachen Nachhaltig-

keit vor. Dabei geht es deutlich darum,

die Sprache der Jungen Menschen zu

sprechen. Witzige und freche comicar-

tige Motive weisen die junge Zielgrup-

pe speziell darauf hin Müll zu entsor-

gen, nicht zu rauchen etc. Hilfreich

erscheint es MEININGER die „Sprache

des Systems“ zu nutzen (cool, laser,

endlaser, mega…). Kommunikations-

medien sind verstärkt jungen Ziel-

gruppen angepasst (sms, facebook,

twitter, whatsapp).

Bei Meininger wird eine sehr brei-

te Zielgruppe angesprochen. Von

Jugendlichen auf Klassenfahrt bis zum

Geschäftsreisenden oder von 14 bis

40 Jahren. Hierbei kam die Frage auf,

ob dies nicht ein zu weites Spektrum

ist. Dazu gab Herr Rousvanidis zurück,

dass sich die MEININGER-Zielgruppe

zwar im Alter unterscheiden, jedoch

auch insgesamt eine Spezielle Gruppe

angesprochen wird. Die „jung geblie-

benen“, unkonventionellen Geschäfts-

reisenden. MEININGER spricht das

weite Spektrum auf verschiedene

Weise an. An Standorten an Bahn-

höfen und Flughäfen beispielsweise

wird zwar eine ähnliche coole und

trendige, jedoch nicht ganz so „junge“

Kommunikation gepflegt.

Nachhaltigkeitsmaßnahmen werden

nicht „nur“ für ein positives Image

MEININGERS durchgeführt, eine

MEININGER-Nachhaltigkeitsstrategie

muss unbedingt positive monetäre

Auswirkungen haben. Dabei geht

MEININGER so weit zu sagen, dass

zunächst egal ist wieso und warum

junge Menschen nachhaltig handeln.

Wichtig ist, dass sie es tun. Lustbeton-

tes Verhalten muss provoziert werden

bzw. kurzfristiges Verhalten durch

Lustversprechen ausgelöst werden. Da-

bei entbrannte eine lebhafte Diskus-

sion. Sollten Nachhaltigkeitsstrategien

hauptsächlich lustbetont sein und

Jugendliche spontan ansprechen und

sie erfolgreich „bespielen“? Oder sollte

der Lustfaktor grundsätzlich mit dem

Sinnhaften und der Frage nach dem

Warum verknüpft werden?

Nachhaltigkeit muss Spaß machen

und darf nicht wehtun. Nachhaltig-

keitsstrategien müssen gemeinsam

Herr Arndt, Visit Berlin – Berlin Tourismus & Kongress GmbH, und Frau Dr. Giese diskutieren mit den Teilnehmenden die Fragestellung

Herr Rousvanidis, MEININGER Shared Services GmbH, über die Unternehmensstrategie bei der Zielgruppenkommunikation

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mit der Zielgruppe erarbeitet werden,

beispielsweise diverse Wettbewerbe

ausgeschrieben werden. Edutainment

ist, wenn etwas vermittelt wird und

dabei ein Lächeln erzeugt wird.

Nach welchen Kriterien erfolgt eine

nachhaltige Beschaffung von Produk-

ten und Dienstleistungen?

Charlotte Sieben, Kulturveranstaltungen

des Bundes in Berlin GmbH

Moderation: Frank Weber

TÜV Rheinland Akademie GmbH

Die World-Café-Teilnehmerinnen

erachten es als wichtig bei der nach-

haltigen Beschaffung nach einem Stu-

fenmodell vorzugehen: dabei treten

zunächst Großvolumina mit EU-weiter

Ausschreibung in den Fokus.

Durch das Etablieren von Nachhaltig-

keitsmanagement, einem geeigneten

Wissensmanagement, dem Bündeln

von Funktionen sowie der Schaffung

von Kennziffern und Transparenz

kann eine nachhaltig orientierte Be-

schaffung entwickelt werden.

Anwendung des aus dem Energiesek-

tor bekannten Modells des „Intrac-

tings“ als Modus gesteuerter Ökobi-

lanz in Lieferketten.

Es wurde deutlich unterstrichen,

je nachhaltiger die Leistungsnach-

frage ist, desto komplexer wird die

Ausschreibung von Leistungen und

Produkten.

Flexible Handhabung und Auswahl

von Nachhaltigkeitskriterien je nach

Marktlage.

Seitens der KBB wird konstatiert, dass

die Entwicklung einer nachhaltigen

Beschaffung von der Geschäftsleitung

vorangebracht werden muss. Nachhal-

tige Beschaffung muss breit aufgestellt

sein, das heißt die gesamte Produkt-

und Leistungskette fokussieren, dabei

müssen verlässliche Nachhaltigkeits-

kriterien Anwendung finden und alle

müssen hinter dem Konzept stehen

(top runner). Nachhaltiger Einkauf

sollte Einsparpotenzial im Energiebe-

reich bieten.

Nachhaltige Beschaffung ist in di-

rekter Verbindung zur nachhaltigen

Vergabe zu sehen. Diese muss syste-

matisiert werden.

Erfolge beim Energiesparen sollten an

die Mitarbeiter kommuniziert werden,

da dies die Beteiligungsmotivation

steigert.

Die Unternehmensrepräsentanten war-

fen zwei Fragen auf: Sind die Lieferan-

ten dem erhöhten Aufwand gewach-

sen? Hält man so den Mittelstand?

Was zeichnet ein nachhaltiges

Personalmanagement in KMU aus?

Sandra Becker, Westtours-Reisen GmbH

Moderation: Barbara Joachimi

TÜV Rheinland Consulting GmbH

In der Diskussion zu diesem Thema

kristallisierte sich folgendes Grundver-

ständnis bei den Teilnehmern heraus:

Nachhaltiges Personalmanagement �

ist vor allem nachhaltige Unterneh-

mensführung

Nachhaltiges Personalmanagement �

ist eine unternehmerische Führungs-

funktion

Nachhaltiges Personalmanagement �

beinhaltet die Integration der Hum-

anressourcen in die Leistungserstel-

lungsprozesse des Unternehmens

Den Diskussionsteilnehmer war

besonders wichtig, und dies wurde

auch in umfänglich diskutiert, dass

den Führungskräften der mittleren

Führungsebene gerade im Bereich

des Personalmanagements besondere

Bedeutung zukommt.

Führungskräfte des mittleren Ma- �

nagements fungieren als Puffer/

Mittler zwischen Unternehmens-

führung und Mitarbeitern. Damit

kommt ihnen die besondere Rolle

zu, die geltenden Führungsgrund-

sätze erlebbar für Mitarbeiter zu

gestalten.

Führungskräfte des mittleren Ma- �

nagements haben insbesondere eine

Vorbildfunktion im Unternehmen

und sorgen damit für ein positives

Betriebsklima.

Führungskräfte des mittleren �

Managements haben insbesondere

die Aufgabe, eine transparente und

nachvollziehbare Kommunikation

im Unternehmen mit zu gestalten

und aktiv positiv zu beeinflussen.

Dies sowohl nach innen gerichtet

(an die MitarbeiterInnen, als auch

nach außen (Kunden, andere An-

spruchsgruppen)

Einigkeit in den Diskussionsrunden

bestand darin, dass ein nachhaltiges

Personalmanagement darauf ausge-Diskussionen am World-Café-Tisch der Kulturveranstaltungen des Bundes in Berlin GmbH

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richtet sein muss, die Arbeitgeber-

marke zu stärken. Dies gilt für alle

Bereiche des Personalmanagements:

Personalrekrutierung, Personalbin-

dung und Personalmanagement. Da-

mit verbunden ist auch die Einhaltung

der Prinzipien, die in den Basiswerken

zur Nachhaltigkeit festgeschrieben

sind u.a. wie:

Das Recht auf Versammlungsfreiheit �

Die Beseitigung aller Formen von �

Zwangsarbeit

Recht auf Gleichbehandlung und die �

Beseitigung von Diskriminierung in

Beschäftigung und Beruf.

Aber auch die Berücksichtigung des

Erhalts der Beschäftigungsfähigkeit

der MitarbeiterInnen durch regenera-

tionsförderliche Strukturen, Prozesse

und Instrumente des Personalmanage-

ments im Unternehmen.

Einige gute Beispiele wurden von den

Teilnehmern benannt:

Kostenfreie Bereitstellung von Obst �

Arbeitszeitmodelle �

Gesundheitsförderndes Verhalten �

am Arbeitsplatz (spezielle Gymnas-

tik) u.a.

Zusammenfassend kann man sagen:

Nachhaltiges Personalmanagement

gehört zur nachhaltigen Unterneh-

mensführung dazu. Es ist auf allen

Ebenen im Unternehmen zu veran-

kern. Besondere Bedeutung, dieses

Personalmanagement erlebbar und

nachvollziehbar zu gestalten, kommt

den Führungskräften zu. Nachhaltiges

Personalmanagement ist keine Ein-

zelmaßnahme, sondern ein Prozess,

welcher individuelle zum Unterneh-

men und seinen Mitarbeitern gestaltet

werden muss.

Wie kann ein Unternehmen mit inno-

vativen und nachhaltigen Produkten

Märkte gestalten und neue Zielgrup-

pen erschließen?

Sven Malmstroem

united catering services GmbH

Moderation: Jörn Frenzel, Architekt und

selbständiger Strategieberater

Die Diskussion konzentrierte sich

zunächst auf die Qualität von Produk-

ten, die Kunden und Nutzer überzeu-

gen müssten. Von zentraler Bedeutung

war dabei, dass jegliche Produkte

zunächst erst einmal ganz unaufgeregt

über ihre eigene Qualität als „gutes

Produkt“ überzeugen müssen und der

Aspekt der Nachhaltigkeit als cha-

rakterisierendes, eigentlich selbstver-

ständliches Merkmal in der Kommuni-

kation eher nachrangig ist. Am Markt

setzen sich also Produkte durch, die

durch ihre Qualität überzeugen und

nachhaltige Kriterien als selbstver-

ständlich berücksichtigen. Der Aspekt

der Produktinnovation schließt dabei

nicht zwangsläufig nur „das Neue“

ein, sondern auch „das Alte oder

Bewährte“ (z.B. das „Brandenburger

Apfelschwein“, das „Rhönschaf“, die

smart vermarktete „Fallobstwiese auf

dem Land“), das mit einer Geschichte

belegt wird und die Emotionen und

(über Information) den Verstand

Diskussionen um nachhaltiges Personalmanagement bei der Westtours-Reisen GmbH

Eindrücke aus der Gruppenarbeit bei united catering services GmbH

Page 12: Geschäftstourismus in metropolen nachhaltig gestalten.€¦ · Protection Act unterzeichnet hätte. Als Geschäftsreiseverbrand sei dies daher mehr Sache der allgemeinen Reisever-bände

12

ethisch handelnder Kunden anspricht.

Jenseits von „Trends“ können Firmen

ohne großes Zurschaustellen und

inflationären Gebrauch des Begriffes

Nachhaltigkeit durch authentisches

Handeln und echtes Interesse an der

Sache ethischen Handelns durch lang-

fristiges Arbeiten Kunden gewinnen

und dauerhafte – sprich „nachhalti-

ge“ – Partnerschaften schmieden. Das

Gewinnen von immer neuen Zielgrup-

pen als marktökonomischer Affekt ist

demgegenüber gar nicht so wichtig.

Der Aspekt des langfristigen Denkens

und der dauerhaften Partnerschaften

der Akteure am Markt führte zu dem

Begriff der Sicherheit für alle Betei-

ligten: Verlässlichkeit, Sicherheit des

Unternehmens und der Beschäftigten

sowie der Kundenzufriedenheit.

Als Verkaufsargumente gegenüber dem

Kunden (Wodurch wird ein Produkt

eigentliche „besser“ bzw. nachhal-

tiger) sind nicht so sehr finanzielle

(„günstig“) oder materielle Faktoren

wichtig, sondern dass das Produkt die

Lebensqualität steigert: fühle ich mich

besser?, bringt mir der Kauf oder die

Benutzung des Produktes zusätzlich

neue Aspekte wie soziale Kontakte

oder ethische Identifikation? „Be-

lohnt“ werden die Akteure also nicht

durch „Geldwerte“ Anreize, sondern

ideelle Werte. Entscheidend für die

Kommunikation und das Marketing

sind die Parameter der „Relevanz“

(„Spricht mich das ganz persönlich

an?“) und der Identifikation.

Als Handlungsempfehlung für die Fir-

menkultur selber stach das „learning

by doing“ heraus. Der pure Versuch

und die wahrhaftige Absicht (gewon-

nen aus Einsicht!), nachhaltig zu

handeln, sind Grundvoraussetzung für

folgendes Handeln und schrittweises

Lernen. Der menschliche Faktor, des

„Einfach machen“ (und nicht soviel

reden) und dabei lernen sind allemal

überzeugender (authentischer) als

designte Verantwortlichkeitskonzepte

aus der Retorte.

Wie gestaltet sich die interne und

externe Kommunikation eines Un-

ternehmens, das Nachhaltigkeit als

zentralen Wert und Teil seiner Unter-

nehmenskultur versteht?

Penelope Rosskopf, ariadne an der spree

GmbH – Agentur für zeitgemäße Kommu-

nikation

Moderation: Jürgen Breiter, Urban Cura-

tor, Strategie- und Konzeptentwicklung

Vorsicht vor Schönfärberei, Etiketten-

schwindel oder Greenwashing-Glaub-

würdigkeit und die damit einhergehen-

den Risiken eines Reputationsverlustes

im Falle von unglaubwürdigen Un-

ternehmensbotschaften wurde in der

Gesprächsrunde als der wesentliche

Faktor für externe Unternehmenskom-

munikation aufgeführt.

Die Inhalte der Werbebotschaften sei-

en unbedingt glaubhaft zu vermitteln

– Übertreibungen oder Marketingtricks

werden durch Internet basierte Kom-

munikationskanäle schnell kommen-

tiert und gegen das eigene Unterneh-

men als Negativbotschaft eingesetzt.

Um die Glaubwürdigkeit der Unter-

nehmensbotschaft zu stärken, könn-

ten Kunden aber auch selbst zu Wort

kommen, zum Beispiel durch aktive

Ansprache konkreter Zielgruppen.

Diese könnten in Ihren eigenen sozi-

alen Netzwerken für die Verbreitung

entsprechender Botschaften sorgen

insoweit das Produkt bzw. die Dienst-

leistung auch glaubhaft den gestellten

Anforderungen an Nachhaltigkeit

entsprechen.

In der Art der Darstellung werden

anschauliche und verständliche

Darstellungen gewünscht. Unterneh-

mensbotschaften können Geschichten

erzählen und dabei Spaß an Nachhal-

tigkeit vermitteln. Anstatt abstrakter

Botschaften werden bildhafte und

leicht verständliche Darstellungen der

Auswirkungen eines Produktes bzw.

einer Dienstleistung gewünscht, z. B.

visuelle Ampel anstatt abstrakter An-

gabe von CO2 Einsparungen in schwer

nachvollziehbaren Zahlenangaben.

Grundsätzlich wurde in der Ge-

sprächsrunde immer wieder über das

„Wie“ im Sinne von Art der Umset-

zung der Kommunikation gesprochen.

So trafen sich die Gedanken immer

wieder bei Themen wie Materialwahl,

Produktionsart, Ressourcen sowie

Wahl des Kommunikationsmediums

selbst. Die Frage nach dem „Was“, also

welche konkreten Nachhaltigkeitsbot-

schaften in Form von Kampagnen und

Aussagen Verwendung finden, wurde

im Rahmen der Gesprächsrunde trotz

mehrfacher Nachfrage durch den Frau Decker, ariadne an der spree GmbH – Agentur für zeitgemäße Kommunikation, gibt Einbli-cke in das Werteverständnis des Unternehmens

Page 13: Geschäftstourismus in metropolen nachhaltig gestalten.€¦ · Protection Act unterzeichnet hätte. Als Geschäftsreiseverbrand sei dies daher mehr Sache der allgemeinen Reisever-bände

13

Moderator kaum aufgegriffen. Obwohl

das „Was“ der Unternehmensbot-

schaft als Ergebnis einer glaubhaften

und gründlichen inhaltlichen Ausein-

andersetzung mit den im Rahmen der

eigenen Unternehmenskultur formu-

lierten Nachhaltigkeitsziele zugleich

auch einen wesentlichen Beitrag

zur glaubhaften und authentischen

Außenkommunikation leistet. Maß-

nahmen wie zum Beispiel der Einsatz

von Recyclingpapier für Werbemittel

erscheinen an dieser Stelle als „Trans-

portmedium“ für Nachhaltigkeitsziele

plausibler.

Die interne Kommunikation eines

Unternehmens unterscheidet sich im

Wesentlichen von der externen Kom-

munikation durch unterschiedliche

Anforderungen und Zielgruppen. Es

gilt ein Verständnis über ein gemein-

sames Bild von Nachhaltigkeitszielen

im Unternehmen zu erzeugen. Hierzu

wurden in der Gesprächsrunde interne

Informationsveranstaltungen, Int-

ranet oder Newsletter (ggf. auch in

Papierform oder als Aushänge) und

Mitarbeiterfortbildungen als mögliche

Maßnahmen vorgeschlagen.

Die Rolle der MitarbeiterInnen wurde

als wichtiges Kriterium benannt – es

reicht nicht aus Nachhaltigkeitsziele

von oben zu verordnen – vielmehr ist

es wichtig dass die MitarbeiterInnen

sich darüber bewusst sind warum

sie Nachhaltigkeitsziele umsetzen

wollen. Dabei werden auch die

Lebensgewohnheiten und Lebenssti-

le der MitarbeiterInnen berührt da

sich individuelle Gewohnheiten und

Mindsets sowohl im Privat- als auch

im Berufsleben auswirken und hierbei

kaum Grenzen einhalten.

Als konkrete Maßnahmen zur Veran-

kerung von Nachhaltigkeitszielen wur-

den Anreizsysteme wie zum Beispiel

Ideenwettbewerbe für Verbesserungs-

vorschläge oder Erfolgsbeteiligungen

durch Bonussysteme vorgeschlagen.

Das Thema der Glaubhaftigkeit spielt

auch bei der internen Kommunikation

eine wichtige Rolle. Die Nachhaltig-

keitsziele sollten von allen Mitarbei-

terinnen gelebt werden. Insbesondere

den Entscheidungsträgern im Unter-

nehmen kommt hierbei eine besonde-

re Vorbildrolle zuteil.

Veränderungen in der Unterneh-

menskultur vollziehen sich mitunter

langsam und können von Teilen der

Belegschaft als auferlegter Zwang zur

Nachhaltigkeit sowie als Mehrarbeit

empfunden werden. Die Verände-

rungsprozesse im Unternehmen be-

nötigen daher Akzeptanz und Bereit-

schaft zur Veränderung. Transparenz

und Informationspolitik in Form der

bereits erwähnten internen Kommu-

nikationsmittel sind hierbei wichtige

Werkzeuge. Um einen gemeinsamen

Lernprozess im Unternehmen zu voll-

ziehen können auch kleine und ein-

fach umzusetzende Schritte hilfreich

sein um neue Wege der Unterneh-

menskultur erlebbar zu machen sowie

eingeschliffene Denkmuster aufzuwei-

chen. Die ersten gemeinsamen Erfolge

können dann auch als Motivation

für weitere Schritte und Maßnahmen

dienen.

Wie gestaltet ein Veranstaltungs-

dienstleister seine Wertschöpfungs-

kette nachhaltig?

Anke Stopperich, Umweltforum Berlin

Auferstehungskirche GmbH

Moderation: Rita Döbel

TÜV Rheinland Consulting GmbH

Frau Anke Stopperich legte in ihrer

Darstellung den Fokus auf die umfas-

sende Stärken – Schwächen Analyse

der eignen Organisation und berei-

cherte damit eine befruchtende Dis-

kussion unter den Teilnehmenden.

Sie machte deutlich, dass es ihrem

Unternehmen besonders wichtig

und sehr angenehm war, die Zusam-

mensetzung der Workshopgruppen

selbst bestimmen zu können. Dies

war für die Geschäftsführung des

Umweltforums eine wichtige strategi-

sche Maßnahme, hier in erster Linie

Führungsaufgaben wahrzunehmen.

Die Individualität der Beratungen hat

in vieler Hinsicht zu größerer Klarheit

geführt.

Dass die Entscheidungshoheit über

inhaltliche Aspekte in jedem Fall beim

Umweltforum geblieben ist, und dass

eine Reihe von unternehmerischen

Schritten erfolgreich in Angriff ge-

nommen werden konnten, war ihnen

besonders wichtig.

Frau Stopperich, Umweltforum Berlin Auferstehungskirche GmbH, zum Thema Wertschöpfungs-kettenmanagement

Page 14: Geschäftstourismus in metropolen nachhaltig gestalten.€¦ · Protection Act unterzeichnet hätte. Als Geschäftsreiseverbrand sei dies daher mehr Sache der allgemeinen Reisever-bände

14

Unterstützung bei der Vorbereitung �

der Zertifizierung nach EMAS

Mitarbeiterschulung Vertrieb �

Hilfe bei Entscheidungsfindung für �

die Entwicklung nachhaltiger Cate-

ringangebote

Etc. �

Es wurde allerdings von den Teil-

nehmern am Tisch auch deutlich

gemacht, dass eine Beratung zu

Nachhaltigkeitsprozessen noch sehr

hinten im unternehmerischen Den-

ken steht, weil viele andere wichtige,

meist existenzsichernde Aufgaben im

Vordergrund stehen/ deshalb ist es

durchaus überlegenswert, solche Pro-

jekte weiterzuführen, oder bestehende

entsprechend zu modifizieren.

Talking Futures: Gewissheit der Ungewissheit.

Matthias Böttger, raumtaktik, Kurator und künstlerischer Leiter des Deutschen

Architektur Zentrums (DAZ)

Herr Böttger eröffnete seinen Vortrag

mit dem Hinweis darauf, dass die

Nachhaltigkeitsszene seit 2000 aus

zwei Szenen zusammen gewachsen ist:

die ökologisch bewegte Alternativbe-

wegung und die Innovationsszene. So

wird heute das, was innovativ, effektiv

und effizient ist, auch als nachhaltig

angesehen. Dabei betonte Herr Bött-

ger, dass dabei ebenfalls die Möglich-

keit der Benutzung von alten Häusern

und Techniken in Betracht gezogen

werden sollte und sich nicht nur auf

die Errichtung von neuen, innovati-

ven Techniken und Gebäuden gerich-

tet werden sollte. Oft würden schon

heute alte Techniken wieder benutzt,

wie beispielsweise das riesige Segel,

mit dem Tanker zusätzliche Fahrtkraft

gewinnen und dabei Sprit sparen.

Innovationen haben immer den Sinn,

so Böttger, eine bessere Zukunft zu

schaffen. Was aber heißt eine bessere

Zukunft? Böttger erläuterte, dass für

eine erfolgreiche Entwicklung von

Zukunftsbildern sich zunächst damit

abgefunden werden muss, dass die Zu-

kunft unvorhersehbar ist und bleibt.

Es könne lediglich eine Art und Weise

gefunden werden, wie man mit einer

ungewissen Zukunft umgeht. „Zu-

kunft können wir nicht wissen, aber

wir können sie gestalten.“

Es bestehen schon lange immer wieder

verschiedene Vorstellungen von Zu-

künften. Zu bemerken dabei sei aber,

dass alle Utopien in der Vergangenheit

immer zu einer Katastrophe geführt

hätten. Böttger warb dafür den Begriff

Utopie wieder positiv zu besetzen.

Utopien bleiben dabei ein extremes

Bild von einer möglichen Zukunft,

können aber auch als Positivszenarien

gedacht werden.

Böttger machte sich über mögliche

Formen von Zukunft mit seiner Firma

raumtaktik in seinem Projekt „Opti-

onal Cities – Berlins Zukünfte – Be-

richt aus einer Szenario-Werkstatt“

Page 15: Geschäftstourismus in metropolen nachhaltig gestalten.€¦ · Protection Act unterzeichnet hätte. Als Geschäftsreiseverbrand sei dies daher mehr Sache der allgemeinen Reisever-bände

15

Gedanken. Entstanden dabei sind

vier verschiedene Zukunftsbilder von

Berlin: Berlin Blade Runner, BERLinc.,

Fundamen-taliCITIES und ThinkTank-

stelle Berlin.

Im Anschluss an seinen Vortrag be-

schrieb Matthias Böttger die logische

Konsequenz aus den kürzlich erbauten

Häusern, die mehr Energie erzeugen,

als sie verbrauchen. So würde das aus

seiner Sicht auf ein weniger verdich-

tetes Stadtbild weisen ähnlich zu den

heutigen Vororten, bei dem jedes

Haus eine Ackerbewirtschaftung und

eine autarke Energieversorgung besitze

und längere Strecken nur selten sowie

mit einem Elektroauto zurück gelegt

werden.

Auf die Frage, wie die Zukünfte

erarbeitet werden, verwies Matthias

Böttger darauf, dass Architektur in

sich immer Zukunft sein und Zu-

kunft immer ein Kind der Gegenwart

sei. Visionen hätten sich nur selten

genauso bewahrheitet, wie sie gemalt

worden seien. Dennoch beleben sie

das Bild des Möglichen und helfen

dabei Zukunft zu gestalten. Kon-

kret würden zur Entwicklung dieser

Bilder verschiedene Personen durch

einen Systematisierten Prozess, des

Szenarioprozess, geleitet, an dessen

Ende - nach der Kombination von

verschiedenen Entwicklungsmöglich-

keiten und der Analyse der einzelnen

Wechselwirkungen – unterschiedliche

Szenarien stehen.

Die Frage, ob der Stadt als Funktion

oder als soziales Gefüge sehe, be-

antwortete Matthias Böttger damit,

dass in seinen Augen die Funktion

einer Stadt und das soziale Füge nicht

getrennt zu sehen seien und die Stadt

nur funktionieren kann, wenn sie so-

zial passt. In den Zukunftsbildern von

Berlin sei es das Ziel gewesen aus der

Vogelperspektive die Stadt zu zeigen,

die konkrete, einzelne soziale Interak-

tion jedoch dabei nicht im Zentrum

stand.

Berlin Blade Runner

Zwischen Fragmentierung/Desinteg-

ration und entschwundenem Mythos

Berlin finden wir eine dunkle Berliner

Zukunft: ein Detroit der Kreativ-

wirtschaft, eine Stadt, die weiterhin

Transferempfänger, aber als globaler

Impulsgeber für Kunst, Kultur und

Geschichte irrelevant geworden ist.

Wer hier nicht leben muss, zieht

weiter. Berlin ist durch das hegemoni-

ale Streben einzelner sozialer Akteure

und Gruppen sozial und räumlich

zergliedert – ein Sammelsurium an

Ghettos, Zitadellen und Enklaven. Es

gibt weder geistige noch physische

Freiräume und keine Visionen für die

Zukunft. Die Stadt agiert nicht mehr

als regionaler, nationaler, geschwei-

ge denn globaler Akteur. Die einst

verheißungsvoll vorfinanzierten klein-

und mittelständischen Unternehmen

verließen die Stadt als erste, nur

einige Großunternehmen konnten

immer wieder mit Hauptstadtzulagen

zum Bleiben gezwungen werden und

ziehen die verbleibenden kapitali-

sierbaren Ressourcen aus der Stadt.

Bundestagsabgeordnete verbringen

so viel Zeit, wie sie können, in ihren

Heimatwahlkreisen. Christian Ströbe-

les Bronzestatue am Moritzplatz ist vor

kurzem wieder gestohlen und diesmal

nicht mehr ersetzt worden. Die Stadt

ist ein Nährboden für Fundamentalis-

men jeder Art geworden, doch auch

diese radikalen, antidemokratischen

Tendenzen stagnieren, Berlin ist ein-

fach zu weit weg von der Welt, sogar

den Fundamentalisten fehlt der Nach-

wuchs. Kaum ein Tourist interessiert

sich noch für das billige Mauerfall-

Disneyland in der Mitte der Stadt.

BERLinc.

Zwischen Integration/Homogenisie-

rung und entschwundenem Mythos

Berlin finden wir ein Berliner Futu-

rama: Die Stadt hat sich in die Reihe

der wirtschaftlich mächtigen Zentren

dieser Welt eingereiht. Strategien zur

ökonomisch sinnvollen Ansiedlung

von Kreativ- und Zukunftsbranchen,

die unermüdliche Unterstützung von

klein- und mittelständischen Un-

ternehmen aus den Bereichen Bio-

technologie, Psychopharmakologie,

Nanorobotics usw. haben aus Berlin

einen Wissenschaftsstandort erster

Güte gemacht. Berlin ist reich an

Nachhaltigkeitsinitiativen, -projekten,

-showrooms, -architekturen. Funkelnd

gleicht es den 2010er Heile-Welt-

Renderings der Architektengruppe

Graft. Kein Schmutz, keine Armut, die

ist inzwischen anderswo. Denn nicht

umsonst wird Berlin seit einiger Zeit

das „Singapur Europas“ genannt. Als

5-maliger Träger des Titels „Sustain-

ability Capital of the World“ kommen

Delegationen aus der ganzen Welt,

um von Berlin zu lernen, in Berlin

zu investieren. Es ist wichtig, sich

ständig von seiner besten Seite zu

zeigen: Die Straßen sind clean und

bleiben es auch. Der Tourismus blüht

und blüht: Um der Touristenmassen

Herr zu werden, hat man in der Mark

Brandenburg mehrere historische

Stadtkerne verschiedener Epochen

nachgebaut. So wandelt man morgens

durchs Wilhelminische Viertel, fährt

Mittags per Transrapid zum Mauerbau

ins Berlin 1961, um dann um 16 Uhr

dem Mauerfall am Checkpoint Charlie

beizuwohnen. Berlin gleicht einer

wohlgeölten Maschine. Berlin ist ein

zukünftsfähiges (Stadt-) Unternehmen

im 21. Jahrhundert. Berliner Politik

und Wirtschaft denken regelmäßig

laut darüber nach, sich aus dem anti-

quierten Föderationssystem zu lösen

und eigenständig zu werden. Nur ein

paar ganz alte Nörgler erzählen jedem,

der es nicht hören will, etwas von

Offenheit und Experimentierfreude in

einem Berlin, das in einem Land vor

unserer Zeit existierte.

FundamentaliCITIES

Zwischen Fragmentierung/ Desinte-

gration und gelebtem Mythos Berlin

finden wir ein Berlin als lebendiges

urbanistisches Manifest für einen

situationistischen Fundamentalismus.

„Berlin ist wunderbar und einzigartig,

Berlin besteht aus Blasen, Berlin ist

Schaum!“ konstatierte der inzwischen

103-jährige Philosoph Peter Sloter-

dijk kürzlich unter großem Beifall

Page 16: Geschäftstourismus in metropolen nachhaltig gestalten.€¦ · Protection Act unterzeichnet hätte. Als Geschäftsreiseverbrand sei dies daher mehr Sache der allgemeinen Reisever-bände

16

in der Sphäriker-Blase, bevor er sich

zur feierlichen Eröffnung des neuen

Hauptquartiers der Berliner Alpinisten

auf den Tempelhofer Berg begab. Und

man muss ihm recht geben, Berlin ist

wirklich erstaunlich: Urbane Inseln,

die sich über die letzten 40 Jahre

durch permanente Zuwanderung

gebildet und gefüllt haben, haben die

Gestalt der Stadt völlig verändert. Die

Berliner leben in homogenen Einhei-

ten, die sich quer über das Stadtge-

biet verteilt haben. Jeweils gleicher

Geschmack, Ästhetik, Stil und Kultur

haben sich magnetisch angezogen

und ausformiert, ohne dass die Stadt-

planung daran etwas hatte ändern

können. Die lokale Ausgestaltung der

Inseln als ethnographische Themen-

parks hat für eine dauerhaft hohe At-

traktion der Stadt gesorgt und für jede

Blase den wirtschaftlichen Erfolg ge-

bracht. Trotz wirtschaftlicher Prospe-

rität entsteht kaum ein Gemeinwesen,

denn die autarken Bezirke pflegen ihre

Beziehungen eher mit ihren globalen

Entsprechungen als mit ihren räumli-

chen Nachbarn. Es gibt Talibanistan,

intellektuell und wirtschaftlich eng

mit dem afghanisch-pakistanischen

Grenzgebiet verbunden, iBerlin, eine

physische Extension von Cupertino,

wo sich Apple-County als autonome

Region nach dem Zerfall Kaliforniens

etablierten konnte. Die eingangs er-

wähnten Alpinisten unterhalten starke

Bindungen nach St. Moritz und in die

kanadischen Rocky Mountains nach

Whistler. Der Austausch findet eher

in diese Richtungen statt, die Bezie-

hung zu den räumlichen Nachbarn ist

hingegen distanziert, aber friedfertig.

Berlin ist in historischen Sinne keine

Stadt mehr, lediglich ein Amalgam

ausgelagerter Archipel anderer Sinn-

und Sachzusammenhänge. Die vielen

Berliner Blasen ergeben einen tragfä-

higen, transparenten, flexiblen – aber

auch anfälligen – Schaum.

ThinkTankstelle Berlin

Zwischen Integration/Homogenisie-

rung und gelebtem Mythos Berlin

finden wir eine Stadt vor, die nun

richtig arm und richtig sexy ist: Berlin

ist ein Labor für soziale Innovationen

und frei gelebte, parasitäre Architek-

tur. Anything goes! Parasitäre Zufalls-

und Temporärarchitekturen verändern

das gebaute Bild der Stadt ständig. In

parallelen Entwicklungen treiben die

Einwohner ein neues Berlin voran.

Ein Berlin, in dem die Stadtpolitik

in erster Linie damit beschäftigt ist,

die grundsätzlichen (Überlebens-)

Infrastrukturen bereitzustellen und

die Subventionen für das nächste

Haushaltsjahr zu organisieren. Für die

Entwicklung innerhalb der Stadtgren-

zen haben sich andere Akteure als

wirksamer erwiesen. Durch die Co-

Existenz von frei gelebter Architektur

und zukunftsfähiger zivilgesellschaft-

licher Planung können neue Experi-

mente ökologischen Wirtschaftens

und Energiehaushaltens ausprobiert

werden. Neben dem hochmodernen

Plusenergiehaus, eingefasst von ver-

tikalen Farmanlagen, hält ein ambi-

tionierter Stadtschäfer seine Herden

in den oberen Stockwerken einen

Plattenbaus – das dämmt die darunter-

liegenden Stockwerke exzellent, dort

oben könnte die Heizkosten sowieso

keiner bezahlen. Berlin ist ein Para-

debeispiel für den gelungen Transfer

neuer Planungsorganisation, die von

unten funktioniert und auf einem

holistischen Wissenstransfer in Selbst-

organisation basiert. Die Stadtentwick-

lung ist somit ein purer Transforma-

tionsprozess. Ein Problem bleibt: Alle

kommen gerne zum Spielen vorbei.

Jeder findet hier frische Ideen, Inspi-

rationen, verlässt dann aber die Stadt

mit vollgetankten Kreativ-Akkus Rich-

tung Heimat, um am Businessplan zu

feilen. Und ach ja: Auf dem Tempel-

hofer Flughafen landen jetzt wieder

die Wasserstoffflugzeuge der Yuppies,

die mit einer guten Berliner Idee wo-

anders viel Geld gemacht haben und

jetzt regelmäßig am Wochenende zum

Feiern einfliegen ...

Weitere Informationen zu den Zu-

kunftszenarien finden Sie unter:

http://urbanfutures.fromabetterfu- �

ture.net

http://www.boell.de/downloads/ �

Endf_Urban_Futures_2050.pdf

http://www.raumtaktik.de/texte-1/ �

arch-zukunftsszenarien

Im Anschluss an seinen Vortrag be-

schrieb Matthias Böttger die logische

Konsequenz aus den kürzlich erbauten

Häusern, die mehr Energie erzeugen,

als sie verbrauchen. So würde das aus

seiner Sicht auf ein weniger verdich-

tetes Stadtbild weisen ähnlich zu den

heutigen Vororten, bei dem jedes

Haus eine Ackerbewirtschaftung und

eine autarke Energieversorgung besitze

und längere Strecken nur selten sowie

mit einem Elektroauto zurück gelegt

werden. Rückfragen aus dem Publikum

Page 17: Geschäftstourismus in metropolen nachhaltig gestalten.€¦ · Protection Act unterzeichnet hätte. Als Geschäftsreiseverbrand sei dies daher mehr Sache der allgemeinen Reisever-bände

17

Auf die Frage, wie die Zukünfte

erarbeitet werden, verwies Matthias

Böttger darauf, dass Architektur in

sich immer Zukunft sein und Zu-

kunft immer ein Kind der Gegenwart

sei. Visionen hätten sich nur selten

genauso bewahrheitet, wie sie gemalt

worden seien. Dennoch beleben sie

das Bild des Möglichen und helfen

dabei Zukunft zu gestalten. Kon-

kret würden zur Entwicklung dieser

Bilder verschiedene Personen durch

einen Systematisierten Prozess, des

Szenarioprozess, geleitet, an dessen

Ende – nach der Kombination von

verschiedenen Entwicklungsmöglich-

keiten und der Analyse der einzelnen

Wechselwirkungen – unterschiedliche

Szenarien stehen.

Die Frage, ob der Stadt als Funktion

oder als soziales Gefüge sehe, beant-

wortete Matthias Böttger damit, dass in

seinen Augen die Funktion einer Stadt

und das soziale Füge nicht getrennt zu

sehen seien und die Stadt nur funktio-

nieren kann, wenn sie sozial passt. In

den Zukunftsbildern von Berlin sei es

das Ziel gewesen aus der Vogelperspek-

tive die Stadt zu zeigen, die konkrete,

einzelne soziale Interaktion jedoch

dabei nicht im Zentrum stand.

die Zukunft von metropolen – herausforderungen und innovative lösungen.Podiumsgäste (v. l. n. r.) Eva-Maria Persy, Dr. Friedemann Kunst, Susanne Bergius

(Moderation) und Dr.-Ing. Susanne Böhler-Baedeker

Dr. Susanne Böhler-Baedeker, Stell- �

vertretende Forschungsgruppenlei-

terin, Forschungsgruppe Energie-,

Verkehrs- und Klimapolitik, Wup-

pertal Institut für Klima, Umwelt,

Energie GmbH

Dr. Friedemann Kunst, Leiter der �

Abteilung Verkehr, Senatsverwaltung

für Stadtentwicklung und Umwelt,

Berlin

Eva-Maria Persy Leiterin des Bereichs �

Nachhaltige Entwicklung in der Wie-

ner Umweltschutzabteilung, Nach-

haltigkeitskoordinatorin der Stadt

Wien und stellvertretende Leiterin

des Programms Ökokauf Wien

Frau Bergius eröffnete die Runde mit

der Frage, was Städte tun könnten, um

in Richtung Nachhaltigkeit zu gehen.

Frau Böhler-Baedeker wies dazu auf

die Einwirkungsmöglichkeiten der

Stadt durch kommunikative und in-

formative Kampagnengestaltung hin.

So könnte durch das Schaffen einer

entsprechenden Infrastruktur sowie ei-

ner stimmenden Preispolitik im ÖPNV

mehr Nachhaltigkeit erreicht werden.

Herr Dr. Kunst wies darauf hin, dass

die Infrastruktur in Berlin zu 85 %

über 20 Jahre alt sei und es hier sehr

viele Handlungsnotwendigkeiten

gebe. Infrastruktur müsse stets 40 Jah-

Page 18: Geschäftstourismus in metropolen nachhaltig gestalten.€¦ · Protection Act unterzeichnet hätte. Als Geschäftsreiseverbrand sei dies daher mehr Sache der allgemeinen Reisever-bände

18

re vorausgedacht werden – allerdings

sei das meist nicht möglich, was auch

im Vortrag von Herrn Böttcher her-

raus gekommen sei. Zudem seien die

Möglichkeiten der Gestaltung meist

begrenzter, als allgemein angenom-

men würde.

Frau Persy brachte ein, dass es ihrer

Meinung nach am wichtigsten sei mit

gutem Vorbild voran zu gehen, Sie

berichtete von der Initiative der Stadt

Wien, in der der gesamte Warenein-

kauf auf nachhaltige Kriterien um-

gestellt wurde, nachdem festgestellt

wurde, dass der Einkauf nach ökolo-

gischen Kriterien kostenneutral oder

kostensenkend wirkt. Dies betreffe ins-

gesamt einen Wareneinkauf von rund

5 Mrd. € jährlich. Wien habe heute

bereits einen Bio-Anteil von 50 % in

Kindergärten und 30 % in Kranken-

häusern. Außerdem berichtete Frau

Persy von der Initiative „nachhaltige

Tonerstadt“. Hier werde das Thema

Nachhaltigkeit durch beispielsweise

Kochkurse und Joga-Lachgruppen

greifbar gemacht, mit positiven Bil-

dern belegt und an Beispielen defi-

niert.

Frau Bergius gab in die Diskussion die

Frage, ob eine Stadtverdichtung oder

die Ausweitung durch mehr Grünflä-

chen wünschenswert seien. Herr Dr.

Kunst betonte daraufhin, dass eine

Stadt immer mit dem Verkehrssystem

zusammen gedacht werden müsse. Für

ein gut funktionierendes Verkehrssys-

tem sei eine verdichtete Stadt besser,

da dieser so effizienter und damit auch

nachhaltiger organisiert werden kön-

ne. Auch eine Verkehrsvermeidung sei

nur in einer verdichteten Stadt ein-

fach. Berlin nehme dabei eine Spezial-

Rolle ein, da hier die Organisation in

Sub-Zentren erfolgt, im Gegensatz zur

Monozentralität von anderen Groß-

städten. Gleichzeitig dürfe die soziale

und klimatische Funktion von Parks

nicht unterschätzt werden. Es gelte

daher der Anspruch ein Mittelmaß

zwischen Verdichtung und Verbrei-

tung zu finden.

Als Vorreiterstadt in Sachen Nach-

haltigkeit identifizierte Frau Böhler-

Baedeker Kopenhagen. Hier hätte

man über Jahrzehnte hinweg mit viel

Geduld, Geld und Zeit sowie den rich-

tigen Multiplikatoren an einem Image

der nachhaltigen Stadt mit Erfolg gear-

beitet. Frau Bergius fügte Toronto hin-

zu. Die Stadt habe das Ziel die größte

innovativste und sparsamste Stadt zu

werden. Dazu habe die Verwaltung

bereits ein Tool zur CO2 Berechnung

initiiert.

Frau Dr. Giese regte aus dem Publikum

mit der Frage nach der rechtlichen Or-

ganisation von nachhaltiger Beschaf-

fung an Frau Persy eine Kontroverse

an. So erklärte Frau Persy zunächst,

dass durch die Schaffung von Nach-

haltigkeitsstandards in der öffentli-

chen Beschaffung seit 12 Jahren kein

einziges Verfahren aufgenommen

wurde. Da die zu erfüllenden Krite-

rien klar messbar definiert wurden

und transparent aufgelistet wurden,

sei dies aus der Sicht der öffentlichen

Beschaffung unbedenklich. Schwie-

rigkeiten bestehen nur im Hinblick

auf soziale Kriterien, da diese schwe-

rer quantitativ Messbar seien. Frau

Böhler-Baedeker äußerte jedoch im

Anschluss, dass nachhaltige Beschaf-

fung dennoch als Luxus anzusehen

sei, was in München und Wien durch-

aus Erfolge verspräche, Berlin sich das

jedoch nicht leisten könne. Auch aus

dem Publikum kamen Stimmen, die

die Schuldenbremse als Entwicklungs-

hemmer identifizierten. Frau Persy be-

tonte daraufhin abermals, dass durch

die flächendeckende Einführung der

ökologischen Kriterien sich insgesamt

eine Kostensenkung ergeben habe.

Sie gestand gleichzeitig aber auch ein,

dass Wien im vorteilhaften Besitz von

verschiedensten Einrichtungen, wie

Schulen, Kindergärten sowie Kranken-

häuser sei, was erhebliche Skaleneffek-

te verursache.

Zum Abschluss stelle Frau Bergius die

Frage, wie sich die Podiumsteilneh-

mer ihre Reise und den Aufenthalt in

Berlin im Jahr 2030 vorstellen.

Frau Böhler-Baedeker: sie kommt erd-

gebunden nach Berlin. Die Reise ist

energiearm gestaltet und die Orien-

tierung in Berlin einfach. Es besteht

ein flächendeckendes Fahrradverleih-

system und man sieht nur wenige,

energiesparsame Autos sowie emis-

sionsfreie Taxis im Stadtbild.

Dr. Friedemann Kunst: die Situation ist

sehr ähnlich zu der heutigen.

Frau Persy: sie reist mit dem Nacht-

zug an, findet ein besser organisiertes

Frühstück vor mit weniger Wegwerf-

Produkten und profitiert von nachhal-

tig organisierten Hotels und ÖPNV.