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Geschichte der Soziologie USA 3 The Chicago School — die Praxis

Geschichte der Soziologie USA 3 The Chicago School die Praxis

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Geschichte der Soziologie

USA 3

The Chicago School — die Praxis

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Chicago als soziologisches Laboratorium

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Chicago als soziologisches Laboratorium

Zum sozio-historischen Hintergrund

• Nach dem Brand von Chicago 1871 entsteht eine industrielle Metropole, die Arbeitskräfte und Immigranten anzieht.

• In der Stadt leben starke irische, deutsche, jüdische, skandinavische, polnische und italienische Minderheiten, die untereinander konkurrieren.

• Organisierte Kriminalität und kommunale Politik sind stark verzahnt.

Chicago in den 20er Jahren

Al Capone

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Chicago als soziologisches Laboratorium

Schneller sozialer Wandel und soziale Probleme

• Entwicklung des „Konsumkapitalismus“, Massenkonsum wird zu Lebensform

• Multikulturalität, Subkulturen

• Integrationsprobleme

• Abweichendes Verhalten als Anpassung an die Konsumkultur:

– Kriminalität, Prostitution

– Bandenbildung und Korruption: Gangs und Politik

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Chicago als soziologisches Laboratorium

Verbindung wissenschaftlicher und praktischer Interessen

• Förderung der Soziologie durch die Chicagoer Bürgerschaft

• Soziologie soll als „troubleshooter“ die sozialen Probleme auf Ursachen untersuchen und Lösungen vorschlagen

• Ende der „arm chair sociology“, Internationalisierung

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Forschungskonzept: R.E. Parks und E. W.Burgess „Humanökologie“: City as Social Laboratory

Studium der Philosophie und Psychologie zuerst in Michigan und Harvard, dann in Straßburg und Heidelberg bei James, Santayana, Simmel und Windelband

• 1904 - Promotion in Heidelberg,• 1905-1911 - Journalist und Mitarbeiter des schwarzen Bürgerrechtlers Booker T.

Washington• 1911 - unabhängig durch das Erbe seines Vaters• 1914 - Ruf nach Chicago• 1919 - „The City: Suggestions for the Investigation of

Human Behavior“• 1919 - Leiter des Soziologischen Instituts dortselbst• 1925 - Präsident der „American Sociological Association“ (ASS)• 1929 - zusammen mit Burgess „The City als Social Laboratory“

posthum:• 1950 - Race and Culture• 1952 - Human Communities• 1955 - Society

Robert Ezra Park(1864 -1944)

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Forschungskonzept: R.E. Parks und E. W. Burgess „Humanökologie“: City as Social Laboratory

• 1913 - Promotion in Chicago

• 1921 - Assistant Professor dortselbst

• 1921 - mit Park „Introduction into the Science of Sociology“

• 1925 - mit Park: „The City“

• 1927 - Professor dortselbst

• 1930-1939 - Direktor des „Behavior Research Fund of Chicago“

• 1934-1943 - Leiter des „Chicago Area Project“

• 1934 - Präsident der „American Sociological Association“

Ernest W. Burgess(1886 – 1966)

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Forschungskonzept: R.E. Parks und E. W. Burgess „Humanökologie“: City as Social Laboratory

Humanökologie als Forschungsprogramm zur Lösung sozialer Probleme:

• Hintergrund: Meads Theorie der interaktiven Identitätsbildung und die empirische Methodologie von Thomas und Znaniecki

• Hauptthese: Städte sind keine losen Menschenansammlungen, sondern komplexe soziale Mechanismen: „moderne humane Umwelten“.

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Forschungskonzept: R.E. Parks und E. W. Burgess „Humanökologie“: City as Social Laboratory

3 Ebenen der sozialen Ordnung des Stadtraums und ihrer Dynamik:

• architektonische und wirtschaftliche Infrastruktur

• Schichtungs- und Berufstruktur

• Nachbarschaften, Netzwerke, ihre Zusammensetzung und Wandel

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Forschungskonzept: R.E. Parks und E. W. Burgess „Humanökologie“: City as Social Laboratory

Funktionen der Netzwerke/Subkulturen:

• soziale Kontrolle, Definition von Verhaltensnormen

• Inklusion/Exklusion

• Konformität/Abweichung (konforme oder abweichende Subkulturen)

• Fehlen der Netzwerke – Anonymität/Singles/Anomie

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Empirische Einlösung des Programms: Soziale Anatomie amerikanischer Großstädte

Ausgewählte Untersuchungen der „Chicago School“ und ihre Autoren:

• Harvey W. Zorbaugh: The Golden Coast and the Slum, Chicago 1929

• Frederic M. Thrasher: The Gang: A Study of 1313 Gangs in Chicago, Chicago 1927

• William F. Whyte: Street Corner Society: The Social Structure of an Italian Slum, Chicago 1943

• Louis Wirth: The Ghetto, Chicago 1923

• Paul G. Cressey: The Taxi-Dance Hall, Chicago 1932

• Nels Anderson: The Hobo: The Sociology of Homeless Man, Chicago 1923

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Empirische Einlösung des Programms: Soziale Anatomie amerikanischer Großstädte

Soziale Geographie der Lebensräume von Minderheiten und sozialen Gruppierungen in Chicago:

Harwey W. Zorbaughs „Golden Coast and the Slum“, 1929:

Verteilung von Armut und Wohlstand, Subkulturen, Lebensstile (Minderheiten, Singles etc.)

Chicago School

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Empirische Einlösung des Programms: Soziale Anatomie amerikanischer Großstädte

Dynamik der Verslumung von Stadtvierteln:

• Industrialisierung von zentrumsnahen Zonen

• Zuzug der Arbeiter und Immigranten, Wegzug des Bürgertums in die Vorstädte

• Verslumung der Zentren

Chicago School

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Empirische Einlösung des Programms: Soziale Anatomie amerikanischer Großstädte

Untersuchungen von Subkulturen und Lebensformen unterschiedlicher sozialer Gruppen:Frederic M. Thrashers „The Gang“, 1927:

• Jugendliche Streetgangs und ihre Subkulturen als alltägliche Organisation der Anpassung männlicher Immigrantenjugend an die neue moderne und individualisierte Umwelt.

Race or Nationality

Number of Gangs

Mixed nationalities

PolishItalian

IrishNegro

American – whiteMixed negro-white

JewishSlavic

BohemianGermanSwedish

LithuanianMiscellaneous

35114899756345252016128765

Total 880

Race or Nationality

Number of Gangs

Population of foreign Extraction

Polish

Italian

Irish

Jewish

Slavic

Bohemian

German

Swedish

Lithuanian

Others

148

99

75

20

16

12

8

7

6

5

318.338

124.457

199.956

159.518

77.309

106.428

431.340

121.386

44.065

363.501

Total 396 1.946.298

Races and Nationalities of Gangs in Chicago Gangs of Single Foreign Nationality in Chicago

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Empirische Einlösung des Programms: Soziale Anatomie amerikanischer Großstädte

• „Gang“ als Lebensform:

– eigene Normen

– Territorialität

– Freizeitgestaltung

• Potentielles Reservoir für organisierte Kriminalität

• Mögliche Gegenmaßnamen: Streetworker, Einrichtung von Sportklubs.

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Empirische Einlösung des Programms: Soziale Anatomie amerikanischer Großstädte

William F. Whytes „Street Corner Society“, 1943:

• Problem: Abweichende Subkulturen, Kriminalität und Politik

• Untersuchung der Subkultur unter italienischen Immigranten der 2. Generation in Boston

• Subkulturen als Vehikel der Integration oder Wege in die „ Gettoisierung“

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Empirische Einlösung des Programms: Soziale Anatomie amerikanischer Großstädte

William F. Whytes „Street Corner Society“, 1943

„College Boys“ und „Street Corner-Boys“

• Mittelschichtwerte der “College Boys“: Individualismus, Leistungsorientierung, Bildung, langfristige Planung, argumentative Lösung von Konflikten, Mobilität

• Gang-Subkulturwerte der „ Street Corner Boys“: Kollektivismus, Anerkennung von Autorität und körperlicher Stärke, Solidarität, feste Bindung an das Quartier und Ganghierarchie, kurzfristige Planung, Geld nicht das Maß aller Dinge

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Empirische Einlösung des Programms: Soziale Anatomie amerikanischer Großstädte

William F. Whytes „Street Corner Society“, 1943

Symbiose von Gangs und Politik: Struktur

städtischer Korruption.

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Empirische Einlösung des Programms: Soziale Anatomie amerikanischer Großstädte

William I. Thomas „Unadjusted Girl“ (1923) und Paul G. Cresseys „Taxi-Dance Hall“ (1932)

• Während die Gangbildung einen Weg der männlichen Jugendlichen darstellt, mit der Immigration fertig zu werden, führen die Anpassungsstrategien weiblicher Jugendlicher durch unterschiedliche Formen der Instrumentalisierung des Körpers und der Sexualität.

i) Thomas’ Studie untersucht die „Karrieren“ dieser „nicht angepassten Mädchen“, die in die Berufsprostitution oder zum bürgerlichen Aufstieg führen können.

ii) Cressey erforscht die „taxi-dance halls“, in welchen man Tanzpartnerinnen mieten kann – eine Institution, die aus Symbiose von „Singles“ und der Suche von Immigrantenmädchen nach selbstständiger Existenz lebt.

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Empirische Einlösung des Programms: Soziale Anatomie amerikanischer Großstädte

Louis Wirths „Ghetto“, 1923

Nicht alle Immigranten Subkulturen motivieren zum Abweichendem Verhalten:

• die Subkultur der jüdischen Einwanderern aus Osteuropa betont Bildung

• zeichnet sich durch hohen traditionellen Zusammenhalt aus

• mindert Tendenzen zum abweichenden Verhalten

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Empirische Einlösung des Programms: Soziale Anatomie amerikanischer Großstädte

Nels Anderson „The Hobo: The Sociology of the Homeless Man”, 1923

• Subkultur amerikanischer „Modernisierungsverlierer“

• Aussteiger, Gelegenheits- und Wanderarbeiter, die der schnelle Wandel der amerikanischen Gesellschaft aus dem Rahmen bürgerlicher Existenz hinausdrängte.

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Empirische Einlösung des Programms: Soziale Anatomie amerikanischer Großstädte

Nels Anderson „The Hobo: The Sociology of the Homeless Man”, 1923

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Chicago SchoolGeschichte der Soziologie

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Die Bedeutung der Chicago School

• Paradigma des „symbolischen Interaktionismus“ (G.H. Mead)

• Das Ende der „arm chair sociology“: Praxis der sozial engagierten empirischen Feldforschung

• Entwicklung qualitativer Methoden, Fallstudien

• legt Grundlagen für:– Soziologie abweichenden Verhaltens

– Jugendsoziologie/ Subkulturenforschung

– Stadtsoziologie

– Untersuchungen der Migration und sozialen Wandels

– praktische Sozialarbeit

• Prägt amerikanische Soziologie bis in die 40er Jahre hinein

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Geschichte der Soziologie

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Abgabetermin für die Hausarbeit 15.3. 2005