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46 Architektur 14. Oktober 2018 | sonntagszeitung.ch Andrea Eschbach (Text) und Douglas Mandry (Fotos) Das Haus könnte mit seinen bun- ten Farben und dem L-förmigen Grundriss auch in Kalifornien ste- hen. Allerdings ist es in den Sech- zigerjahren in Küsnacht ZH ent- standen. Dort entwarf der Archi- tekt Hans Jürg Wipf ein Gebäude, das den Geist der amerikanischen Moderne atmet. «Wir waren be- geistert, als wir das Haus sahen», sagen die Architekten Iela Herr- ling und Adi Heusser. «Die Anord- nung wie auch die Farbigkeit und Materialität der Anlage haben uns an Palm Springs und die dortigen Bauten des Schweizer Architekten Albert Frey erinnert. Daher stam- men auch der Projektname ‹Haus Frey› sowie gewisse Inspirationen», erklären die beiden Inhaber von ILAI GmbH für Architektur. Das junge Zürcher Architektur- büro machte auf Wunsch der pri- vaten Bauherrschaft 2013 zunächst eine Machbarkeitsstudie. Diese diente als Grundlage für das Vor- projekt im Jahr 2015. Die Liegen- schaft, bestehend aus zwei zusam- mengebauten Häusern, befand sich dank der sorgfältigen Bauwei- se und der Verwendung von hoch- wertigen Materialien im – immer noch guten – Originalzustand. Das Ensemble mit einem Gebäudevo- lumen von rund 743 Kubikmetern umspannt durch seine Anordnung viel Aussenraum und bietet jeder Wohnung einen privaten Vorplatz und Zugang. Wände wurden entfernt und so neue Sichtachsen ermöglicht Aber die haustechnischen Anla- gen waren veraltet. Auch die Raumaufteilung mit den kleinen, zellenartigen Zimmern erschien den Architekten nicht mehr zeit- gemäss. «Unser Auftrag war es, die Grundrisse völlig neu zu denken», sagt Iela Herrling. Nach dem Um- bau entstanden zwei gleichwerti- ge Studiowohnungen – eine davon behindertengerecht ausgebaut – mit Gartenzugang und Patio im Erdgeschoss sowie eine lichtdurch- flutete 4,5-Zimmer-Wohnung mit grosszügiger Terrasse im Oberge- schoss. «Wir wollten einen gross- zügigen Mix, da die späteren Nut- zer nicht von Anfang an bekannt waren», sagt Iela Herrling. «Wichtig war uns auch, dem wunderschönen Aussenraum mehr Präsenz im Innenraum zu verschaf- fen.» Dies erreichten die Architek- ten durch einen Umbau, der neue Sichtachsen ermöglichte. Be- stehende Wände wurden heraus- gebrochen, die Fenstereinteilung wurde geändert. Die Fenster beka- men zudem weniger Flügel und mehr Glas. Als neue Raumtrenner dienen die frei stehenden Küchen. «Wir wollten klar herausstellen, was neu ist, denn der Bestand trug eine klare Handschrift. Gerade die- se Verschränkung von Alt und Neu hat uns sehr gereizt», erklärt Iela Herrling. Um den heutigen ener- getischen Anforderungen zu genü- gen, ersetzten die Architekten Fens- ter und Türen, Innentüren und höl- zerne Fenstersimse erhielten sie je- doch und liessen sie sanieren. Die Böden sind teilweise mit Bambusparkett belegt Der bestehende Bodenaufbau, der zum Teil aus Tropenhölzern be- stand, wurde bis auf die Statik ab- getragen und mit Unterboden, Trittschalldämmung und Boden- heizung ausgestattet. Die neuen Bodenbeläge aus Bambusparkett, Zementfliesen und Mosaik geben den Räumen Identität und Rich- tung, die Übergänge zwischen den Bodenarten sind gekennzeichnet durch Messingleisten. Ein Paradebeispiel des sanften Umbaus sind wohl die Bäder: Die Architekten verwendeten Glas- mosaik, das mal petrol, mal rosa, mal grün und mal blau ist. Die Far- ben erinnern nicht von ungefähr an Kalifornien, sind aber in der ILAI’schen Interpretation etwas knalliger. Für mehr Licht im Bad sorgen Glasbausteine und Fenster- scheiben aus Caramelglas, für wel- che Iela Herrling und Adi Heusser Restbestände aufkauften. Viel Wert legten die Architekten auf Details: Das bestehende Badzube- hör wurde neu verchromt, ein kreisrunder Spiegel wird als auf- gemalter Halbkreis an der Wand zitiert. Der Umbau ermöglicht zeit- gemässes Wohnen und lebt dabei von der Spannung zwischen Be- stand und Neuinterpretation. «Unser Projekt erhält die einzig- artige Seele dieses Hauses», sagt Iela Herrling. «Und wir konnten endlich eine Hommage an Albert Frey machen.» Ein Bau wie aus Palm Springs Das Architekturbüro ILAI zitiert in einem Umbau in Küsnacht die amerikanische Moderne Der Baustil der Sechziger- jahre ist in eine zeitgemässe Bauweise überführt worden: Jede Wohnung hat einen eigenen Zugang; die Grundrisse im Inneren wurden neu gedacht Insbesondere die Farben im Bad lassen an Kalifornien denken: Verwendet wurde Glasmosaik

Gesellschaft - ILAI PROJECTS€¦ · MARCORIMA •HEIMWEH•LAPSUS AARAU 12.–23.Oktober2018 LUZERN 30.Okt.–09.Dez.2018 BERN18.–31.Dezember2018 MainPartner DASZELTFamily OfficialCar

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  • 46 Architektur 14. Oktober 2018 | sonntagszeitung.ch

    Andrea Eschbach (Text) undDouglas Mandry (Fotos)

    Das Haus könnte mit seinen bun-ten Farben und dem L-förmigenGrundriss auch in Kalifornien ste-hen. Allerdings ist es in den Sech-zigerjahren in Küsnacht ZH ent-standen. Dort entwarf der Archi-tekt Hans Jürg Wipf ein Gebäude,das den Geist der amerikanischenModerne atmet. «Wir waren be-geistert, als wir das Haus sahen»,sagen die Architekten Iela Herr-ling und Adi Heusser. «Die Anord-nung wie auch die Farbigkeit undMaterialität der Anlage haben unsan Palm Springs und die dortigenBauten des Schweizer ArchitektenAlbert Frey erinnert. Daher stam-men auch der Projektname ‹HausFrey› sowie gewisse Inspirationen»,erklären die beiden Inhaber vonILAI GmbH für Architektur.

    Das junge Zürcher Architektur-büro machte auf Wunsch der pri-

    vaten Bauherrschaft 2013 zunächsteine Machbarkeitsstudie. Diesediente als Grundlage für das Vor-projekt im Jahr 2015. Die Liegen-schaft, bestehend aus zwei zusam-mengebauten Häusern, befandsich dank der sorgfältigen Bauwei-se und der Verwendung von hoch-wertigen Materialien im – immernoch guten – Originalzustand. DasEnsemble mit einem Gebäudevo-lumen von rund 743 Kubikmeternumspannt durch seine Anordnungviel Aussenraum und bietet jederWohnung einen privaten Vorplatzund Zugang.

    Wände wurden entfernt und soneue Sichtachsen ermöglicht

    Aber die haustechnischen Anla-gen waren veraltet. Auch dieRaumaufteilung mit den kleinen,zellenartigen Zimmern erschienden Architekten nicht mehr zeit-gemäss. «Unser Auftrag war es, dieGrundrisse völlig neu zu denken»,

    sagt Iela Herrling. Nach dem Um-bau entstanden zwei gleichwerti-ge Studiowohnungen – eine davonbehindertengerecht ausgebaut –mit Gartenzugang und Patio imErdgeschoss sowie eine lichtdurch-flutete 4,5-Zimmer-Wohnung mitgrosszügiger Terrasse im Oberge-schoss. «Wir wollten einen gross-zügigen Mix, da die späteren Nut-zer nicht von Anfang an bekanntwaren», sagt Iela Herrling.

    «Wichtig war uns auch, demwunderschönen Aussenraum mehrPräsenz im Innenraum zu verschaf-fen.» Dies erreichten die Architek-ten durch einen Umbau, der neueSichtachsen ermöglichte. Be-stehende Wände wurden heraus-gebrochen, die Fenstereinteilungwurde geändert. Die Fenster beka-men zudem weniger Flügel undmehr Glas. Als neue Raumtrennerdienen die frei stehenden Küchen.

    «Wir wollten klar herausstellen,was neu ist, denn der Bestand trug

    eine klare Handschrift. Gerade die-se Verschränkung von Alt und Neuhat uns sehr gereizt», erklärt IelaHerrling. Um den heutigen ener-getischen Anforderungen zu genü-gen, ersetzten die Architekten Fens-ter und Türen, Innentüren und höl-zerne Fenstersimse erhielten sie je-doch und liessen sie sanieren.

    Die Böden sind teilweisemit Bambusparkett belegt

    Der bestehende Bodenaufbau, derzum Teil aus Tropenhölzern be-stand, wurde bis auf die Statik ab-getragen und mit Unterboden,Trittschalldämmung und Boden-heizung ausgestattet. Die neuenBodenbeläge aus Bambusparkett,Zementfliesen und Mosaik gebenden Räumen Identität und Rich-tung, die Übergänge zwischen denBodenarten sind gekennzeichnetdurch Messingleisten.

    Ein Paradebeispiel des sanftenUmbaus sind wohl die Bäder: Die

    Architekten verwendeten Glas-mosaik, das mal petrol, mal rosa,mal grün und mal blau ist. Die Far-ben erinnern nicht von ungefähran Kalifornien, sind aber in derILAI’schen Interpretation etwasknalliger. Für mehr Licht im Badsorgen Glasbausteine und Fenster-scheiben aus Caramelglas, für wel-che Iela Herrling und Adi HeusserRestbestände aufkauften. VielWert legten die Architekten aufDetails: Das bestehende Badzube-hör wurde neu verchromt, einkreisrunder Spiegel wird als auf-gemalter Halbkreis an der Wandzitiert.

    Der Umbau ermöglicht zeit-gemässes Wohnen und lebt dabeivon der Spannung zwischen Be-stand und Neuinterpretation.«Unser Projekt erhält die einzig-artige Seele dieses Hauses», sagtIela Herrling. «Und wir konntenendlich eine Hommage an AlbertFrey machen.»

    EinBauwie aus PalmSpringsDas Architekturbüro ILAI zitiert in einem Umbau in Küsnacht die amerikanische Moderne

    Der Baustilder Sechziger-jahre ist in einezeitgemässeBauweiseüberführtworden: JedeWohnung hateinen eigenenZugang; dieGrundrisse imInneren wurdenneu gedacht

    Insbesonderedie Farben imBad lassen

    an Kaliforniendenken:

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    Glasmosaik

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    VomWeg abgekommenIn Zürich leben rund 2500 ultraorthodoxe Juden. Wie es ist, aus dieser Gemeinschaft auszubrechen

    Tina Huber

    Wer verstehen will, was es bedeu-tet, frommer Jude zu sein, setzt sichin die Ma’adan Bakery in Zürich.Levi, wie er hier heissen soll, hat-te gezögert. «Für dich ist das keinProblem», hatte er zu Sam gesagt,«für mich schon.» Zu viele Leutekennt er hier, in der einzigen jüdi-schen Bäckerei der Stadt. Immerwieder treten Frauen in knielan-gen Jupes und dunkel gekleideteMänner mit Bart an die Theke, ei-nige nicken Sam und Levi zu, an-dere ignorieren sie. Man kenntsich. Sam und Levi stammen ausder ultaorthodoxen jüdischen Ge-meinschaft in Zürich; sie ist mitrund 2500 Mitgliedern die wich-tigste der Schweiz und gehört zurkonservativsten weltweit. Viele

    Menschen wissen über sie nichtmehr, als dass sie oft dunkle Klei-dung tragen und samstags nichtAuto fahren dürfen. Umgekehrthaben viele strenggläubige Judennoch nie eine Jeans getragen oderein Kino von innen gesehen.

    Hier treffen zwei Lebensweltenaufeinander, wie sie unterschied-licher nicht sein könnten. Sie lau-fen nebeneinander her, so wie diebeiden Fahrspuren, die vor derMa’adan Bakery in Zürich-Wiedi-kon zur Autobahn hinaufführen.Wie ist es, wenn man die Spurwechseln will, vom ultraorthodo-xen Judentum in ein säkulares Le-ben? Sam hat bereits gewechselt,Levi sucht noch eine Lücke zumAusscheren. Er, ein Familienvaterin den Vierzigern, lebt zwei Leben:Zu Hause trägt er Kippa, kaum aus

    dem Haus, tauscht er sie gegen eineDächlikappe aus. Samstags ziehter unter seiner Schabbat-Hose dieBadehose an und marschiert zumSchwimmbad, niemand darf se-hen, dass er am heiligen Ruhetagschwimmen geht. Er möchte nichtmehr fromm sein, doch der sozialeDruck hält ihn auf. Die orthodoxejüdische Gemeinschaft ist ein eng-maschiges Netz, das in der Notauffängt – aber auch jene zurück-hält, die ausbrechen wollen.

    Wolkenbruch ist lebendiger,als man denkt

    Der 36-jährige Sam, genanntShmulik, hat sich seine Schläfen-locken hingegen schon mit 12 ab-geschnitten, Kippa trägt er seit Jah-ren nicht mehr, dafür Tattoos undLeviˇs-Shirt. Eine verlorene Seele

    sei er, sagt Sam, und er meint dasnicht bedauernd. Er nimmt dasHandy hervor und zeigt ein Fotovon Schauspieler Joel Basman amSet von «Wolkenbruchs wunder-liche Reise in die Arme einerSchickse». Die Verfilmung desBestsellers von Thomas Meyerkommt dieser Tage ins Kino, SamsMitbewohner war beratend am Set.Die Geschichte handelt vom jun-gen Juden Motti Wolkenbruch, derausbrechen will und sich in seineMitstudentin Laura – eine Schick-se, eine Nichtjüdin – und ihrenhübschen Hintern verliebt. Wol-kenbruch ist lebendiger, als mandenkt. Sam erzählt, wie er als Teen-ager heimlich ein Mädchen insKino ausführte. Er zog eine Kap-pe an, überzeugt, ihn würde nie-mand erkennen. Am nächsten Tag

    drehten sich in der Synagoge allenach ihm um. «Bist du wahnsin-nig? Ins Kino? Mit einer Frau?»

    Sam und Levi verlassen die Bä-ckerei und gehen in Richtung Syn-agoge. Sie müssen laut sprechen,um gegen den Autolärm anzukom-men. Ständig grüssen sie einen Vor-beigehenden, winken einem Auto-fahrer zu. Hier ist die Schwägerinvon diesem, da der Bruder von je-nem. Unerkannt kann sich ein Judein dieser Gegend Zürichs keinenMeter bewegen.

    Die Mitglieder der ultraortho-doxen Gemeinschaft ernähren sichstrikt koscher, die Frauen bedeckenihre Haare, während ihrer Menst-ruation dürfen sie von ihren Ehe-männern nicht berührt werden.Viele haben kein Internet oder nurgefiltertes. Nicht jüdische Musik,

    Sport, Kino: alles tabu. Währendin den letzten Jahren sich viele derinsgesamt 18000 Schweizer Judensäkularisiert haben und ihre Reli-gion liberaler ausleben, schottetsich ein Teil der jüdischen Ortho-doxie als Reaktion auf die gesell-schaftliche Öffnung ab. Im ultra-orthodoxen Wochenblatt «Jüdi-sche Zeitung» etwa werden keineFrauen abgebildet, eine farbigeZeitung gibt es nur an Feiertagen.

    Bei Sam zu Hause stand, unüb-lich für fromme Familien, ein Fern-seher. Als Kind schaute er Action-filme, durfte aber in der Schulenicht darüber sprechen. «Da be-gannen meine Zweifel», sagt Sam.«Warum hat man einen Fernseher,wenn man nicht schauen darf? Wa-

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