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Topologische Fragen der Differentialgeometrie 43. Gewebe und Gruppen. Von HELLMUTH KNESER in Greifswald. Der yon THOMSEN in Abhandhmg XII dieser Reihe 1) hergestellte Zusammenhang zwischen Gruppen und Kurvengeweben mit einer gewissen Schnittpunktseigenschaft li~l~t sich so aussprechen und beweisen, dab durchweg die Symmetrie zwischen den drei Scharen des Gewebes gewahrt bleibt. Diese Darstellung habe ich bei der Besprechung von REIDEMEISTERS ,,Grundlagen der Geometrie ''~) angegeben; nach einer freundlichen Auf- forderung yon Herrn BLASCHKE soll sie auch hier ihren Platz finden. Ein Gewebe ist ffir unsere Zwecke eine Gesamtheit yon zweierlei Gegenstiinden, ,,Punkten" und ,,Geraden". Die Geraden verteilen sich auf drei ,,Scharen", die a-, b- und c-Schar. Zwischen einem Punkt und einer Geraden kann die Beziehung der Inzidenz bestehen, die wir in tiblicher Weise mit ,,liegt auf", ,,enth~lt" und ~hnlich aussprechen. Die Inzidenzaxiome besagen: I. Jeder Punkt lieqt auf je genau einer Geraden jeder der drei Scharen. II. Zwei Gerade verschiedener Scharen haben genau einen Punkt gemeinsam. Bezeichnet nun die Formel (abc)die Aussage, dab die Geraden a, b und c der drei Scharen einen -- und nach II nur einen -- Punkt gemeinsam haben, so stehen nach I. die Punkte und die Geraden- tripel mit der Eigenschaft (abc) in eineindeutiger Beziehung zueinander, und wenn zwei der Geraden gegeben sind, so wird (abc) durch genau eine dritte erfiillt. Die anfangs erw~thnte, von THOMSEN a) mit P, in REIDEMEISTERS ,,Grundlagen der Geometrie" mit ~'. 1 bezeichnete Schnitt- punktseigenschaft li~13t sich nun folgendermal~en aussprechen: III. Sind akl, bti ~t~ld Cik (i, k, l --: 1, 2)je vier Gerade aus jeder do" drei Scharen, so folqt yon den acht Beziehungen (aklbliCik) eine aus den sieben i~brigen. Welche diese eine ist, macht wegen der Symmetrie nichts aus. Zeichnet man Gerade derselben Schar als parallele Gerade im gew0hn- lichen Sinn, so sieht die Figur zu III aus wie die Parallelprojektion derKanten eines Wfirfels. Ffinf geeignete unter den acht Geraden sind willkfirlich wahlbar; dann ist die Figur bestimmt. ~) Diese Abhandlungen, Band 7 (1929), S. 99-106. 2) GSttingische gelehrte Anzeigen 1932.

Gewebe und Gruppen

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Topologische Fragen der Differentialgeometrie 43.

Gewebe und Gruppen.

Von HELLMUTH KNESER in Greifswald.

Der yon THOMSEN in Abhandhmg XII dieser Reihe 1) hergestellte Zusammenhang zwischen Gruppen und Kurvengeweben mit einer gewissen Schnittpunktseigenschaft li~l~t sich so aussprechen und beweisen, dab durchweg die Symmetrie zwischen den drei Scharen des Gewebes gewahrt bleibt. Diese Darstellung habe ich bei der Besprechung von REIDEMEISTERS ,,Grundlagen der Geometrie ''~) angegeben; nach einer freundlichen Auf- forderung yon Herrn BLASCHKE soll sie auch hier ihren Platz finden.

Ein Gewebe ist ffir unsere Zwecke eine Gesamtheit yon zweierlei Gegenstiinden, ,,Punkten" und ,,Geraden". Die Geraden verteilen sich auf drei ,,Scharen", die a-, b- und c-Schar. Zwischen einem Punkt und einer Geraden kann die Beziehung der Inzidenz bestehen, die wir in tiblicher Weise mit ,,liegt auf", ,,enth~lt" und ~hnlich aussprechen. Die Inzidenzaxiome besagen:

I. Jeder Punkt lieqt au f je genau einer Geraden jeder der drei Scharen. II. Zwei Gerade verschiedener Scharen haben genau einen Punkt gemeinsam.

Bezeichnet nun die Formel (abc)die Aussage, dab die Geraden a, b und c der drei Scharen einen - - und nach II nur einen - - Punkt gemeinsam haben, so stehen nach I. die Punkte und die Geraden- tripel mit der Eigenschaft (abc) in eineindeutiger Beziehung zueinander, und wenn zwei der Geraden gegeben sind, so wird (abc) durch genau eine dritte erfiillt. Die anfangs erw~thnte, von THOMSEN a) mit P, in REIDEMEISTERS ,,Grundlagen der Geometrie" mit ~'. 1 bezeichnete Schnitt- punktseigenschaft li~13t sich nun folgendermal~en aussprechen: III. Sind akl, bti ~t~ld Cik ( i , k , l - - : 1, 2 ) j e vier Gerade aus jeder do"

drei Scharen, so folqt yon den acht Beziehungen (aklbliCik) eine aus den sieben i~brigen. Welche diese eine ist, macht wegen der Symmetrie nichts aus.

Zeichnet man Gerade derselben Schar als parallele Gerade im gew0hn- lichen Sinn, so sieht die Figur zu III aus wie die Parallelprojektion derKanten eines Wfirfels. Ffinf geeignete unter den acht Geraden sind willkfirlich wahlbar; dann ist die Figur bestimmt.

~) Diese Abhandlungen, Band 7 (1929), S. 99-106. 2) GSttingische gelehrte Anzeigen 1932.

148 H. Kneser:

Satz 1. Eine Gruppe G sei gegeben. Bezeichnen wit als Pankt jedes geordnete Tripel (a, fl, 7) yon Elementen yon G mit der Eigen- schaft a-1~-17-1 - - 1, als Gerade der h-ten Schar die Gesamtheit aller solchen Tripel mit festem h-ten Element, und definieren wir Inzidenz als Enthaltensein des _Punktes in der Menge der die Gerade bildenden Punkte, so haben wir ein Gewebe m~t den Eiqenschaften 1, II und III , das zu G geh6rige Gewebe.

Die Eigenschaft I folgt ni~mlich unmittelbar aus der Definition, und II besagt, daft die Gleiehung a - l ~ - l r - 1 = 1 bei zwei gegebenen Elementen durch genau ein drittes zu erftillen ist. Um III zu bestittigen, kfirzen wir den Ausdruck a-l~:,..lr-1 mit Rik~, ab. Dann gilt kl li ik

R -1 -i -i -1 -1 -1 au in Rn2/~i2 R~ll a,l = a21R12i R122 R222 R22i a~l �9

Von den acht Gleichungen Rik: = 1 folgt also jede aus den fibrigen; das ist die Eigenschaft III.

Das Ergebnis von THOMSEN i) ist die Umkehrung yon Satz 1: Sa t z 2. Jedes Gewebe mit den Eigenschaften I, II und III ist

das zu einer gewissen Gruppe geh6rige Gewebe. Wir zeichnen ein Tripel ao, bo, Co mit (ao bo Co) aus und definieren

zunichst eine Zusammensetzungsoperation innerhalb jeder Schar. Sind in tier a-Schar a und a' gegeben, so definieren wir b, c und a" durch (a b Co), (a' bo c) und (a" b c) und schreiben a" ---- a a'. In den anderen Scharen verfahren wir ebenso unter zykliseher Vertauschung der Rollen der drei Scharen. Nach den Inzidenzaxiomen ist die Gleichung a a' = a" nach a und a r eindeutig aufl6sbar, und ao ist einziges und universelles, rechts- und linksseitiges Einheitselement. Entsprechendes gilt in den anderen Scharen.

Durch die Forderung (abco) werden nun die Geraden der a- und b-Schar einander eineindeutig zugeordnet; wir schreiben dann a < > b und entsprechend bei den anderen Seharen. Die Gleichung a a ' ~ a" li~fit sich durch a ~ b, a' <-~ c, (a" bc) ausdriicken. Wir withlen in der Figur des Axioms III als a~l, b~l und c2s die Geraden ao, bo und co. Ffw. (a~ bzi ci~) sehreiben wir kurz i k l . Dann wird 111 durch cn = Co erftillt, 112, 121, 221. 211, 212 und 122 der Reihe nach durch geeignete Wahl yon bsl, c~2, b~s, csl, bss und a~s; dagegen sind als und a21 be- liebig. Die bisher erftillten Inzidenzen besagen als <-~ bsl, a21 < ) bls, ass = a~s as~ und b2s = b~s b~; die aehte, nach III aus ihnen folgende besagt ass <-~ b~2. Anders ausgedrtickt: ist a <---) b, ' b' a ~ - , , so ist a a' <--~ b' b; die Abbildung a <---> b ist beztiglieh unserer Zusammensetzung ,, anti-isomorph".

Lassen wir in der Figur des Axioms III die Gerade a~s = a be- liebig und withlen wir a~ = a~.~ ----- ao, bn = b2s = bo, so sind durch

Gewebe und Grupl~en 149

111 und 222 die Geraden c1~ : c~-----co festgelegt. Durch 112, 122, 121, 221 und 211 welden der Reihe nach bal ~ b', c1~ = c, a n = a ' ,

bl~ = b und cn = c' bestimmt gemi~fi den Beziehungen

(1) a ~ - - > b ' ~ - + c ~. ~ a ' ( >b< >c';

die nach I l I hieraus folgende Inzidenz 212 besagt, daft c ' , > a aus den Beziehungen (1) folgt. Ferner liest man leicht

aa ' = a ' a = ao, bb' = b'b = bo, cc' = c'c ~ Co

ab. Dutch die Beziehung zwisehen a, b und c sind die drei Scharen eineindeutig und isomorph aufeinander abgebildet; a und a', b und b', c und c' sind reehts- und linksseitige Reziproke voneinander; die iso- morphe und die anti-isomorphe Abbildung z.B. tier a- und b-Sehar auf- einander entstehen auseinander dutch Ubergang zum reziproken Element. Es gilt also allgemein (al a~)-~ = a21 ai -~.

Bezeichnen wir ftir den Augenblick Gerade verschiedener Seharen, die einander bei den isomorphen Abbildungen entsprechen, bis auf den Weehsel der Buehstaben a, b und c in derselben Weise, so kann die Inzidenz (a, b~cs) auf dreierlei Art gelesen werden, namlich als

a 1 : a ~ l a ~ 1, b 2 : b~ - l b l 1, c a = c11c21.

Wegen der Isomorphie kfinnen wir noch die Buehstaben b und c durch a ersetzen und erhalten durch Ubergang zum Reziproken und Einsetzen

(2) a l I = a s a 2 ~ a s (a~ -1 a~ -1) = (a~ -1 a ~ 1) a:

mit willkth'lichem al und a~ oder a, und as und die entspreehenden Formeln mit b und c, d. h. das assoziative Gesetz im Falle zweier reziproker Naehbarfaktoren.

Das Bisherige wurde mit der mindestens vierfaeh spezialisierten Fig. III erreieht; zum Beweise des allgemeinen assoziativen Gesetzes scheint das nur dreifaeh, namlich nur dureh a~ : ao und b~ = bo (und demnach c,~ ~---Co) spezialisierte Axiom III erforderlich, aus dem fibrigens das allgemeine Axiom III folgt. Die Inzidenzen 211, 121 und 112 besagen

Danaeh ktinnen wir 122, 212 und 221 als

(3) as: : al~ a : l , b~a : hl* b n , caa = c,a ~1

]esen. Definieren wir nun a a durah a s ~ b~2, so wird c21~-~ a~ -~ wegen b~a ~--* cn. Zufolge der Anti-isomorphie der Beziehung ~---> und auf Grund der Ausdriicke (3) fiir b,a und c.,a besagt 222 jetzt

a12 "21 = a22 = (~t12 a8) (a~ 1 a21)'

150 H. Kneser.

Setzt man noch a~ -1 a2~-----aa, so dal~ wegen (2) a=l = a 8 a 4 wird, so hat man das allgemeine assoziative Gesetz

aj2 (a3 a4) = (al,. as)a,;

denn man fiberzeugt sich leicht davon, dal~ a~, a8 und a4 beliebig gew~thlt werden kOnnen, und dab dann die Inzidenzen i k l bis auf 222 gerade die Figur bestimmen. Die drei Scharen mit der definierten Zusammensetzung bilden also drei Gruppen, die in der beschriebenen Weise isomorph und antiisomorph aufeinander abgebildet sind. Ordnet man jeder Geraden aus zwei yon den Scharen die ihr laut Isomorphie entsprechende der dritten Schar zu, so ergibt auch die Zusammensetzung yon Geraden verschiedener Scharen wohlbestimmte Gruppeuelemente, und nach (2) besagt die Inzidenz (abc), dal~ a -1 b -1 c -1 ~ 1 ist. Damit ist Satz 2 bewiesen.

Auch die y o n REIDEMEISTER 'a) beantwortete Frage nach den Ab- bildungen eines Gewebes auf sich lal~t sich in symmetrischer Weise behandeln. Gefragt wird nach Abbildungen, die jede Gerade in eine Oerade derselben Schar verwandeln, oder nach gleichzeitigen einein- deutigen Abbildungen der drei Scharen auf sich, die jede Inzidenz dreier Geraden erhalten, oder schlie~lich nach Tripeln yon eineindeutigen Abbildungen einer Gruppe auf sich:

a ~ a , b ~ x b , c ~ q J c

derart, dat~ aus abe z 1 allemal ~a Zb ~Oc ---- 1 folgt. Wir setzen

~1 = p,

r ~ p . f a ,

und erhalten

(4)

x l ~- q, ~'1 ~-- r, p q r - - - 1,

z b - - - - q . . q b , ~ c - = ~ . h c ,

f l = g l -~ hl = 1

p . f ( a b ) . q .g (b -~) .~'. h(a -1) = 1,

p . f a . q . r . h ( a -1) ~ 1,

p . f b . q . g ( b - ~ ) . r -= l ,

p . f ( a b ) ---- p . f a . q . r . p . f b ,

f ( a b ) ~--- f a . f b .

Die Abbilduug a ~ f a ist also isomorph und ebenso die Abbilduugen b--)gb und c ~ h c . AuBerdem gilt nach (4)

gb -----g(b-~) -~ ----- r . p . f b . q - - q-~ . f b . q

~) Grundlagen der Geometrie (1930), Kap. 4. w 9.

Gewebe und Gruppen. 151

und ebenso hc ~-- r - l . g c . r , f a = p - l . h a . p .

Es gilt also Sa t z 3. Die allgemeinste, jede der ~haren r ei~indeu~ige

Abbildung eines Gruppengewebes au f sich erhdlt man folgendermaflen. Man wahle drei Elemente p , q, r m~t p . q . r ~ 1 und drei Isomo~Thismen do" Gruppe, a ~ f a, b ~ g b, c ~ h c, die auseinander in zyklischer Folge dutch Transformation mit q, r u n d p hervorgehen: dann sind a--->p . f a, b--->q.gb, c--* r . h c die Abbildungen der drei Scharen a u f sich.

Da~ sich so immer eine Gewebeabbfldung ergibt, besti~tigt man ni~mlich sofort.

Die drei Elemente p, q und r geben an, in welche Geraden sich die drei dem Einheitselement der Gruppe entsprechenden Geraden fiber- gehen, sind also bestimmt, wenn das Bild des Schnittpunktes dieser drei Geraden vorgeschrieben wird. Will man nun in Analogie zu den Trans- lationen der affinen Geometrie aus der Gesamtheit der Gewebeabbildungen eine einfach transitive Untergruppe herausgreifen, so hat man zu gegebenen Elementen p, q und r mit p . q . r = 1 jeweils drei Iso- morphismen derselben Klasse gem~tg Satz 3 zu bestimmen und noch daffir zu sorgen, dag die so erhaltenen Gewebeabbildungen eine Gruppe bilden und, bis auf die identische, keine Fixpunkte haben. Man wird die Isomorphismen aus der Klasse der inneren Isomorphismen wi~hlen; inner- halb dieser aber eine Wahl zu treffen, scheint bei nicht kommutativen Gruppen schwierig, wenn man sich nicht entschliel~t, eine Schar zu bevorzugen und z. B. f a ~ a zu setzen, so dag die Scharen die Ab- bildungen

a ~ p . a , b - ~ b . q , c ~ q - l . c . p -1

erfahren. Damit sind auch Fixpunkte ausgeschlossen, und so verfi~hrt, in anderer Ausdrucksweise, auch REIDEMEISTER.