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Grammatiktheorien Teil 5 Theoriebildung Grammatikformalismen (1)

Grammatiktheorien

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Grammatiktheorien. Teil 5 Theoriebildung Grammatikformalismen (1). Inhalt der Vorlesung. Begriffsklärung Historisches zur Grammatik(-theorie) Grammatikmodelle Grundbegriffe der syntaktischen Analyse Grammatiktheorien Überblick Anwendungen. Sprachtheorie. - PowerPoint PPT Presentation

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Page 1: Grammatiktheorien

Grammatiktheorien

Teil 5

Theoriebildung

Grammatikformalismen (1)

Page 2: Grammatiktheorien

Inhalt der Vorlesung

• Begriffsklärung

• Historisches zur Grammatik(-theorie)

• Grammatikmodelle

• Grundbegriffe der syntaktischen Analyse

• Grammatiktheorien – Überblick– Anwendungen

Page 3: Grammatiktheorien

Sprachtheorie

• System von Hypothesen zur Erklärung der verschiedensten natürlichsprachlichen Phänomene

• Anspruch auf Universalitätuniverselle Eigenschaften

• Subtheorien der Sprachtheorie– Grammatiktheorie– Spracherwerbstheorie– Sprachveränderungstheorie– Sprachverwendungstheorie

Page 4: Grammatiktheorien

Grammatiktheorie

• Theorie über die Charakteristika von Grammatiken

• Gerüst von Hypothesen und Teiltheorien über die Art und Organisation der Elemente von Grammatik(en)

• Zentraler Bestandteil einer allgemeinen Sprachtheorie

Page 5: Grammatiktheorien

Theorie und Hypothese

• TheorieEine Theorie ist ein System von Hypothesen oder eine

Menge von solchen Systemen, die zur Erklärungbestimmter Phänomenbereiche entwickelt werden.

• HypotheseEine Hypothese ist eine empirische Verallgemeinerung

über einer Menge von Beobachtungsdaten.

Page 6: Grammatiktheorien

Phasen der Theoriebildung

1. Sammlung und Beschreibung von empirischen Daten

2. Hypothesenbildung

3. Theoriebildung

4. Überprüfung

Page 7: Grammatiktheorien

Ziel der Theoriebildung: Erklärung

Ein Phänomen oder Datum kann erklärt werden … – …durch die Benennung anderer Daten, die als Ursache,

Veranlassung, Symptom oder Disposition für das erste Datum gelten können.

– … dadurch, dass ein allgemeiner struktureller und funktionaler Zusammenhang von Daten genannt wird, aus dem logisch gefolgert oder wenigstens plausibel gemacht werden kann, dass dieses Datum (notwendig) so ist, wie es ist.

Diese Art von Erklärungen entspricht weitgehend jenen in den Wissenschaften verfolgten Erklärungen.

Linguistik als Wissenschaft

Page 8: Grammatiktheorien

Theoriebildung Phase 1

• Bestimmte Phänomene (Daten) werden … – … gesammelt– … beschrieben und – … klassifiziert

Datenerhebung Korpusbildung/-erfassung

• BeispielVerbstellung im DeutschenSammlung von Haupt- und Nebensätzen

Page 9: Grammatiktheorien

Theoriebildung Phase 1 - Beispiel

• Datensammlung Luisa schreit den ganzen Tag, obwohl Lena mit ihr spielt.Das grüne Krokodil liebt die Abwechslung.Weil der Elefant nichts vergisst, heißt er Memory.Schläfst Du schon?

• BeobachtungIn den Sätzen taucht an irgendeiner Stelle ein Verb auf.

Manchmal steht das Verb weiter vorne im Satz, manchmal ganz am Schluss.

• KlassifizierungUnterteilung in Haupt- und Nebensätze

Page 10: Grammatiktheorien

Theoriebildung Phase 2

• Bildung von Hypothesen auf Grundlage der klassifizierten Beobachtungsdaten

• BeispielHypothesen zur Verbstellung

H1: Im deutschen Hauptsatz folgt das Verb auf die erste Konstituente (Ausnahme: Ja/Nein-Frage).

H2: Im Nebensatz steht das Verb an letzter Stelle.

Die Hypothesen stehen in dieser Phase noch zusammenhanglos nebeneinander

Page 11: Grammatiktheorien

Theoriebildung Phase 3

• Erkennen eines Zusammenhangs zwischen den Hypothesen

• Formulierung allgemeiner Prinzipien zur Erläuterung der Beziehungen zwischen den Hypothesen

• Allgemeine Prinzipien als theoretische Konstrukte

Page 12: Grammatiktheorien

Theoriebildung Phase 3 - Beispiel

• ZusammenhangDie Verbstellung unterscheidet sich je nach Satzart.

Nebensätze werden durch subordinierende Konjunktionen eingeleitet. Das Verb steht hier nicht an zweiter Position, sondern ganz hinten.

• ErklärungDie Struktur des deutschen Satzes lässt sich mithilfe des

topologischen Feldermodells erfassen. Die linke Satzklammer ist im Hauptsatz durch das finite Verb

besetzt. Im Nebensatz steht hier die sub- ordinierende Konjunktion. Deshalb muss das Verb in seiner Ausgangsposition bleiben.

Page 13: Grammatiktheorien

Theoriebildung Phase 4

• Die Überprüfung der Theorie durch Falsifizierung anhand von Beispielen, die …

• … nicht durch die Theorie erklärt werden können• … im Widerspruch zu den Vorhersagen der Theorie stehen

• Eine Theorie ist gültig, solange sie nicht falsifiziert worden ist.

• Wenn auch scheinbare Gegenbeispiele durch die allgemeinen Prinzipien der Theorie erfasst werden können, aber der ursprünglichen Hypothese widersprechen, ist nur die Hypothese, nicht aber die Theorie falsifiziert.

Page 14: Grammatiktheorien

Theoriebildung Phase 4 - Beispiel

• FalsifizierungLuisa hat heute nicht geschlafen.

• In diesem Hauptsatz steht das Verb am Schluss.• Erklärung: Die linke Satzklammer ist die Position

für das finite Verb, in diesem Fall das Hilfsverb. Nicht-finite Verben und Verbteile stehen in der rechten Satzklammer.Er nahm die Nachricht gut auf.

Page 15: Grammatiktheorien

Negative Evidenz

• Zur Verifizierung von Hypothesen müssen Beispiele konstruiert werden, die nach den Vorhersagen der Theorie nicht erlaubt sind.

• Diese müssen von kompetenten Sprechern als ungrammatisch beurteilt werden.

Auch ein Sprecher, dessen Urteile nicht den Vorhersagen der Theorie entsprechen, ist kompetent!

Page 16: Grammatiktheorien

Negative Evidenz - Beispiel

• Sätze mit unbesetzter linker Satzklammer sind ungrammatisch:*Luisa den ganzen Tag geschrieen hat

• Die Satzklammer kann nicht durch Konjunktion und Verb besetzt sein:*Weil schreit Luisa den ganzen Tag.

Page 17: Grammatiktheorien

Beschränkungsbasierte Grammatikformalismen

• Engl. Constraint-based formalisms• Auch: unifikationsbasiert

Unifikationsgrammatik• Merkmalsstrukturen zur Repräsentation

detaillierter Informationen über morphologische, syntaktische und semantische Merkmale Verarbeitung kontextfreier Grammatiken

• Effiziente Verarbeitung der Semantik syntaktischer Repräsentationen

Page 18: Grammatiktheorien

Beschränkungen

Die Verknüpfung von Phrasen zu größeren Einheiten ist nicht ohne Einschränkung möglich– Kongruenz zwischen Adjektivattribut und Nomen

NP AdjP N

Ein groß-er Mann vs. *Ein groß-es Mann

– Kongruenz zwischen Artikel und NP

– Kongruenz zwischen Subjekt und Verb

– Kasusrektion des Objekts durch das Verb

– Etc.

Page 19: Grammatiktheorien

Kodierung der Beschränkungen

• Durch Regeln, die mit erweiterten grammatischen Kategorien arbeiten und so explizit morpho-logische Merkmale erfassen

3sg.mask.NP 3sg.mask.AdjP 3sg.mask.N3pl.mask.NP 3pl.mask.AdjP 3pl.mask.N 3sg.fem.NP 3sg.fem.AdjP 3sg.fem.N …sehr große Menge grammatischer Kategorien sehr viele und redundante Grammatikregeln Kopplung von struktureller Information mit Informationen

über Kongruenz und Abhängigkeitenschlechte Wartbarkeit, Verständlichkeit,…

Page 20: Grammatiktheorien

Kodierung der Beschränkungen (2)

• Durch Regeln, die mit allgemeiner gehaltenen Beschränkungen arbeiten

• Beispiel

Regel: NP AdjP N

Beschränkung: Agr N = Agr AdjP

Equality test

• Merkmalsstrukturen

• Unifikation

Page 21: Grammatiktheorien

Merkmalsstrukturen

• Auch Attribut-Wert-Terme,engl. feature structures

• Menge von Merkmal-Wert-Paaren– Merkmal: nicht weiter teilbares Symbol aus einer

finiten Menge solcher Symbole• cat (Kategorie), pers (Person), num (Numerus), gen (Genus),

agr (Agreeement), …

– Wert: atomare Symbole oder Merkmalsstrukturen• NP, 3, pl, fem, {cat: NP, pers: 3, num: pl}, …

Merkmalsstrukturen beliebiger Komplexität

Page 22: Grammatiktheorien

• Attribut-Wert-Matrix

• Klammerstruktur

{cat: NP, pers: 3, num: pl}

Darstellung von Merkmalsstrukturen

cat: NPpers: 3num: pl

agr:

Cat: NPPers: 3Num: pl

Page 23: Grammatiktheorien

Darstellung von Merkmalsstrukturen (2)

• Gerichteter GraphVP

cat:

head:form:

finitepl

subj:agr:

number:

person:3

Page 24: Grammatiktheorien

Elementare und komplexe Merkmalsstrukturen

• Elementare MerkmalsstrukturenDer Wert des Attributs ist atomar

• Komplexe MerkmalsstrukturDer Wert des Attributs ist selbst

eine Merkmalsstruktur

Cat: NPPers: 3Num: pl

cat: NPpers: 3num: plagr:

Ein Pfad in einer Merkmalsstruktur ist eine Folge von Merkmalen, die in der Merkmalsstruktur unmittelbar aufeinander folgen.

Der Wert eines Pfades ist die Merkmalsstruktur am Ende des Pfades.

Page 25: Grammatiktheorien

Reentranz

• Eine Merkmalsstruktur heißt reentrant, wenn zwei Merkmale in der Struktur einen gemeinsamen Wert aufweisen, d.h. zwei Merkmale teilen sich eine gemeinsame Struktur.

• Auch: token-identisch, koreferent• Kennzeichnung/Wiedergabe durch einen Index

(tags)• Z.B. bei Subjekt-Verb-Kongruenz

Page 26: Grammatiktheorien

Reentranz – Beispiel

Subjekt-Verb-Kongruenz: Luisa schreit.

SUBJ

PRED

PHON

AGR

luisa

NUMPER

sg3

PHONAGR

schreit

1

1

Reentranz darf nicht mit Wertgleichheit verwechselt werden!

Page 27: Grammatiktheorien

Subsumption

• Merkmalsstrukturen können nach ihrem Wert geordnet werden.

• Eine Merkmalsstruktur A subsumiert eine Merkmalsstruktur B (A B), wenn der Informationsgehalt von A kleiner oder gleich ist verglichen mit B.

• Ist der Informationsgehalt einer Merkmalsstruktur A kleiner/gleich gegenüber dem einer Merkmalsstruktur B, so ist die Zahl der durch A charakterisierten Objekte größer/gleich als der durch B charakterisierten Objekte.

Subsumption wird oft auch genau umgekehrt definiert.

Page 28: Grammatiktheorien

Unifikation

• Unifikation ist eine Operation, die den Informationsgehalt zweier

Merkmalsstrukturen miteinander kombiniert, sofern beide miteinander kompatibel sind.

• Definition: M1, M2 und M3 seien Merkmalsstrukturen. M3 ist genau

dann Unifikation von M1 und M2 (M3 = M1 M2), wenn• M3 von M1 und M2 subsumiert wird und

• M3 alle anderen Merkmalsstrukturen M subsumiert, die ebenfalls von M1 und M2 subsumiert werden.

Page 29: Grammatiktheorien

Unifikation (2)

• Scheitern der Unifikation bei inkompatiblen Merkmalsstrukturen:

[num: sg] [num: pl]

• Die leere Merkmalsstruktur ist das neutrale Element der Unifikation

• Eigenschaften– Idempotenz

M1 M1 = M1– Kommutativgesetz

M1 M2 = M2 M1

Page 30: Grammatiktheorien

Unifikation (3)

• Weitere Eigenschaften– Assoziativgesetz

M1 (M2 M3) = (M1 M2) M3

– Subsumptionsgesetz (M1 << M2) (M1 M2 = M2)

– MonotonieBei einer Unifikation bleibt die Information gleich

oder es wird Information hinzugefügt, niemals aber abgezogen.

Page 31: Grammatiktheorien

Typisierte Merkmalsstrukturen

• Unterscheidung von Merkmalstypen• Merkmalstyp als Index an der Merkmalsmatrix• Typfunktion für die Zuordnung der erlaubten

Merkmale (und deren Werten) zu den entsprechenden Typen

• Beispiel: Typ agrMerkmalsstrukturen vom Typ agr haben immer die Merkmale NUM (Numerus) vom Typ num und PER (Person) vom Typ per.

PER per

NUM numagr

Page 32: Grammatiktheorien

Zusammenfassung Unifikationsgrammatik

• Komplexe Merkmalsstrukturen für lexikalische Elemente und grammatische Kategorien

• Unifikation als Beschränkung für Konstituenten und deren Verknüpfung in PS-Regeln

• Zur Erfassung linguistischer Phänomene wie– Kongruenz

– Merkmalperkolation vom Kopf zur maximalen Projektion

– Subkategorisierung

Page 33: Grammatiktheorien

Wichtige constraint-basierte Grammatikformalismen

• LFG Lexikalisch-Funktionale Grammatik (Bresnan, Kaplan)

• HPSG Head-oriented PSG (Pollard, Sag)• FUG Funktionale Unifikationsgrammatik (Kay)• PATR-II „Parsing and Translation“ (Shieber)• GPSG Generalisierte PSG (Gazdar et al.)• DCG Definite Clause Grammar (Colmerauer,

Pereira/Warren)

Page 34: Grammatiktheorien

Vorträge

Zur Vorbereitung für die Vorträge und als Einführung für die verschiedenen Theorien:

Sells, Peter. Lectures on contemporary syntactic theories: an introduction to government-binding theory, generalized phrase structure grammar, and lexical-functional grammar. Stanford, Californien: CSLI, 1985.

Allgemein u.a.:http://www.fb10.uni-bremen.de/linguistik/khwagner/theorie/literatur.htm

Weitere Literatur und Links auf den Seiten zum Seminar

Page 35: Grammatiktheorien

Vorträge

• Entscheidung für eine Grammatiktheorie (spätestens bis Weihnachten)

• Mindestens ein linguistisches Phänomen (deutsch oder englisch) mit dem Instrumentarium der gewählten Theorie analysieren und diese Analyse (idealerweise in Auseinandersetzung mit anderen Theorien) vorstellen