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Grammatiktheorien
Teil 3
Grammatikmodelle
Inhalt der Vorlesung
• Begriffsklärung
• Historisches zur Grammatik(-theorie)
• Grammatikmodelle
• Grundbegriffe der syntaktischen Analyse
• Grammatiktheorien (GB, LFG, HPSG, OT)– Überblick– Anwendungen
Grammatikmodelle
• Allgemeine Grammatik
• Dependenzgrammatik
• Funktionale Grammatik
• Inhaltsbezogene Grammatik
• Kasusgrammatik
• Transformationsgrammatik
Allgemeine Grammatik
• Philosophische Grammatik, Universalgrammatik
• Seit der Antike bis heute
• Ziel: Entwicklung eines Grammatikmodells– Basierend auf logischen Prinzipien– Für alle Sprachen gültig
Universaliens. Folien aus Grammatiktheorien, Teil 2.
Dependenzgrammatik
• Abhängigkeitsgrammatik• von Lucien Tesniére (1953, 1959) entwickelt für
das Französische• Dependenz:
Valenz bestimmter ausgezeichneter Lexeme, ihre Wertigkeit in bezug auf übrige obligatorische und/oder fakultative Lexeme oder Lexemklassen
• Weiterentwicklung zur Valenztheorie– Ordnung der Verben nach ihrer Stelligkeit– Klärung von Abhängigkeitsbeziehungen
Dependenzgrammatik (2)
• Erfassung der inneren Struktur eines Satzes durch Beschreibung der Dependenzstruktur
• Satz = Gefüge von Abhängigkeitsrelationen zwischen seinen Elementen
• Hierarchische Darstellung: Baumgraphen
Das Modell von Tesniére
• Nucleus/Kern: Element des Satzes, dass in einer
Abhängigkeitsbeziehung zu einem anderen steht
• Konnexion: Verbindung zweier Kerne, strukturelle Beziehung
zwischen zwei Elementen
Abhängigkeitsbeziehung
Das Modell von Tesniére (2)
• Nexus/Knoten: Das Verb bildet den obersten Knoten, von dem alle
Konstituenten des Satzes mittelbar oder unmittelbar abhängen (Dependentien)
• Dependentien– Aktanten: Lebewesen oder Dinge, die aktiv oder passiv an
durch das Verb beschriebenen Aktionen beteiligt sind (z.B. Subjekt, Objekt)
– Angaben: zur näheren Bestimmung der Aktion (z.B. Adverbiale)
– Indices: von Aktanten und Angaben abhängig (Artikel, Adjektive, Pronomina)
Das Modell von Tesniére (3)
• Regentien: Dependentien, die anderen Elementen übergeordnet sind
• Junktive: quantitative Veränderung des Satzes (z.B. durch Konjunktionen)
• Translative: qualitative Veränderung des Satzes durch (semantisch) „leere“ Wörter (Überführung einer Kategorie in eine andere)
Tesniéres Modell – Ein Beispiel
Noam plagt die Studenten mit seinen Ideen.
Nuclei: Noam, plagt, die, Studenten, mit, seinen, Ideen
Nexus: plagt
Aktanten: Noam, (die) Studenten
Angaben: (mit seinen) Ideen
Indices: die, seinen, mit(?)
Kritik an Tesniéres Modell
• nicht (immer) auf andere Sprachen übertragbar und damit nicht universell.– Sprachen ohne (Hilfs-)Verben– Dependentienanalyse:
• Aktanten werden über ihre Kasusmarkierung identifiziert• Problem: Unterschiedlich viele Kasus(-markierungen) in
verschiedenen Sprachen (Kasusrealisierung Dt. vs. Frz.)• Einteilung Aktanten vs. Angaben (vgl. dt. Ergänzungen)
• Status des Verbs als Nexus – Verbkongruenz mit Subjekt– Sprachen ohne (Hilfs-)Verben
Funktionale Grammatik
• Entwicklung durch Admoni und Meier (60er Jahre)
• Weiterentwickelt bei Dik (1978)• Geht zurück auf die Funktionale Linguistik
begründet in der Prager Schule• Verhältnis von Form und Funktion („Je mehr
Funktion desto weniger Form“)• Funktion: durch sprachliche Äußerung
hervorgerufene außersprachliche Wirkung Kommunikative Funktion von Sprache
Funktionale Grammatik (2)
• Beschreibung und Erklärung sprachlicher Phänomene durch deren Funktion
• Topik vs. Prädikation• Thema vs. Rhema• Definitheit/Belebtheit• Syntaktische Funktionen (LFG/Relationale Grammatik) • Semantische Rollen (Kasusgrammatik)
• Vorteil gegenüber strukturalistischem Ansatz: – Funktionen sind universell– Unabhängigkeit von morphosyntaktischen
Eigenschaften
Inhaltsbezogene Grammatik
• Sprachinhaltsforschung(Neuromantik, energetische Sprachauffassung)
• Auf der Basis von Humboldts Sprachphilosophie Sprache als gestaltende Tätigkeit des menschlichen
Geistes
• Vertreter: Weisgerber, Brinkmann, Trier, Porzig, Gipper, Sapir, Whorf
• Sapir-Whorf-Hypothese Die Sprache determiniert das Denken des Menschen durch ein
Raster, um die Wirklichkeit erfassen zu können.
Inhaltsbezogene Grammatik (2)
• Begründet durch Leo Weisgerber (1899 – 1985)• Kein direkter Bezug zwischen Sprache und Objekt
(vgl. Zuordnung von Sternbildern)• Vier Erscheinungsformen von Sprache
• Das Sprechen• Der Sprachbesitz des Einzelnen• Sprache als Kulturbesitz• Das allgemeinmenschliche Prinzip Sprache in Sinne der für die
Menschheit kennzeichnenden Sprachfähigkeit
• Sprache als Spiegelbild eines Volkes (stark ideologisch geprägt) sprachlicher Idealismus
Inhaltsbezogene Grammatik (3)
• Ganzheitliches GrammatikkonzeptErforschung der sprachlichen ZwischenweltVermittlungsinstanz zwischen der
ungeordneten Realität der Dinge und der jeweiligen Sprachgemeinschaft
• Kritik: Sprache nicht als Kommunikationsmittel
Kasusgrammatik
• Auch Kasustheorie• Vgl. Funktionale Grammatik, Valenztheorie • Tiefenkasus (semantische/thematische/theta
Rollen) – als zentrales Beschreibungsmittel …
• … für Bedeutung• … für syntaktische Struktur
– Nicht traditioneller Kasusbegriff– Semantische Rollen– Vom Verb regiert (Selektion, Rektion)– Anzahl und Art je nach Ansatz umstritten
Kasusgrammatik (2)
• Abhängig vom theoretischen Ansatz– Kasuskonzeption– Funktion der Tiefenkasus in der Grammatik
(Zusammenspiel zwischen Kasusstruktur, Bedeutungsstruktur und syntaktischer Struktur)
• Einfluss der Kasusgrammatik auf …– … Relationale Grammatik– … Funktionale Grammatik– …Theta-Theorie (Generative
Transformationsgrammatik)
Kasusgrammatik - Fillmore
• Fillmore (1968, 1977)• Weiterentwicklung durch S.C.Dik (1978) in seiner
Funktionalen Grammatik• Semantische Rollen:
– Agens: der belebte Urheber/Verursacher einer Handlung– Instrumental: der unbelebte Verursacher/Objekt als Mittel
zur Handlung (Hammer)– Objektiv (Patiens, Ziel): unbelebtes, von der Handlung
direkt betroffenes Objekt– Weitere Rollen: Dativ (Rezipient, Benefaktiv,
Experiencer), Lokativ etc.
Kasusgrammatik – Fillmore (2)
• Tiefenkasus-Selektion durch das Verb Kasusrahmen
• Kasusstrukturen als Basis für syntaktische Regeln
• Beschränkungen Z.B. Vorkommen von Tiefenkasus im Satz (vgl. Theta-
Kriterium der Theta-Theorie)
• Realisierungsregeln zur Überführung der Tiefenkasus in syntaktische Funktionen
Kasusgrammatik – Fillmore (3)
• Universelle Definition von syntaktischen Funktionen auf der Basis von Tiefenkasus
• Tiefenkasus-HierarchieAgens Instrumental Objektiv
Wenn in einem Kasusrahmen mehrere Rollen vorkommen, dann wird diejenige in der Grunddiathese des Verbs als Subjekt realisiert, die in der Hierarchie am höchsten rangiert.
Kasusgrammatik – Jackendoff
• Tiefenkasus– Ursache (Agens)– Ziel (Dativ bzw. Rezipienten, Ziel- und
Richtungsangaben bei Bewegungsverben)– Thema (Patiens, Experiencer, erstes Argument bei
Positionsverben)
• Hierarchiegesetze (Jackendoff, 1972 und Dik, 1980) mit an ihre Rollen angepasster Hierarchie zur Erklärung verschiedener universeller Phänomene
Z.B. Verbkongruenz, Passiv, Reflexivierung
Kasusgrammatik – Andere Ausprägungen
• Dik (1978, 1983): Rollen relativ zur Aktionsart des Verbs bestimmt (z.B. muss der Experiencer nicht mehr Rezipient sein Sven hat Angst)
• Lokalistische Hypothese (Gruber, Anderson, Jackendoff)– Wenige lokale Rollen
– Übertragung auf „abstraktere“ Handlungen (z.B. Besitzwechsel)
Transformationsgrammatik
• Oberbegriff für jede Grammatik, die Transformationen verwendet
• Im engeren Sinn: Chomskys Generative Transformationsgrammatik
• Transformationen – Zur Überführung der Tiefenstruktur in die
Oberflächenstruktur
– Je nach Ansatz verschiedene (Zwischen-)Ebenen, Beschränkungen, Typen etc.
Chomskys generative Transformationsgrammatik
• Ziel: Abbildung des dem aktuellen Sprachgebrauch zugrunde liegenden impliziten Wissens durch ein System expliziter Regeln
• Grundlage: von kompetenten Sprechern bewertete Daten (Intuitionen)
• Durch Lexikonregeln erzeugte Tiefenstruktur• Durch Transformationen erzeugte
Oberflächenstruktur
Wichtige Begriffe
• Lexikon: Liste aller lexikalischen Formative Lexikonregeln: Einfügung der Formative in die Tiefenstruktur
• Theta-Theorie: Theoriekomponente in der UG zur Vermittlung zwischen thematischen Relationen und ihren syntaktischen Realisierungen als bestimmte Argumente eines Prädikats
• Logische Form (LF): Repräsentation der Skopusverhältnisse, Semantische Disambiguierung
• Phonetische Form (PF): Phonologische Realisierung der Oberflächenstruktur eines Satzes
D-Struktur und S-Struktur
• D-Struktur (deep structure): Tiefenstruktur als abstrakte Basisstruktur– Spezifizierung der grammatischen Relationen und
Funktionen– Mit allen zur Bedeutung des Satzes beitragenden
lexikalischen Elementen
• S-Struktur (surface-structure):– Oberflächenstruktur als Resultat eines
Transformationsprozesses– Eingabe für phonologische Komponente
Move-
• Move-: – Allegmeine Bewegungsregel– In der neueren Transformationsgrammatik nicht mehr
konstruktionsspezifisch (vgl. Passiv-Transformation, Fragesatzbildung, Relativsatzbildung etc.)
– Konstruktionsspezifische Eigenschaften werden erfasst durch
• Lexikalische Eigenschaften der beteiligten lexikalischen Kategorien• Allgemeine Beschränkungen für die Anwendungen von
Bewegungsregeln
– Unterscheidung von verschiedenen Bewegungstypen (s. GB-Theorie)
Head (Kopf)
• Kopfprinzip: Jede Phrase hat genau einen Kopf.
• Kopf-Vererbungsprinzip: Die morphologischen Merkmale einer Phrase werden beim Kopf der Phrase realisiert. Die Merkmale des Kopfes werden entlang der Projektionslinie nach oben projiziert. Die maximale Projektion ist die Phrase.
Exkurs: X-Bar-Theorie
• Entwickelt von Chomsky (1970), Jackendoff (1977) und Stowell (1981)
• Prämissen– Aufbau aller syntaktisch komplexen Kategorien nach
allgemeinen universellen Strukturprinzipien– Definition aller lexikalischen Kategorien durch
begrenztes Inventar universeller syntaktischer Merkmale
– Unterscheidung verschiedener Komplexitätsebenen• Maximale Expansion: NP, VP, PP etc.• Minimale Expansion: lexikalische Kategorien N, V, PP
Exkurs: X-Bar-Schema
• Die Verzweigungen jeder (unkoordinierten) Phrase genügen dem Schema Xn … Xn-1 ….Dabei ist X = A, N, V, P, oder evtl. anderes.„ …“ steht für eine Folge von beliebig vielen maximalen
Projektionen.„“ steht für die Beziehung der unmittelbaren Dominanz
in einem Baum.
• Später werden nur noch binär verzweigte Bäume zugelassen
Exkurs: X-Bar-Theorie
• X-Bar-Schema
XP maximale Projektion
Adjunkt X‘
YP X°
Komplement Kopf
Bäume
Phrasenstrukturgrammatik
Generative Grammatik
Kasusgrammatik
Dependenzgrammatik