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Sprachtypologie Grundkurs Anja Latrouite WS 2018/2019

Grundkurs Anja Latrouite WS 2018/2019 - isi.hhu.de · uZiel der Typologie: Die Parameter sprachlicher Variation durch grundlegendere Merkmale/Eigenschaften zu erklären (z.B.durch

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SprachtypologieGrundkurs

Anja Latrouite

WS 2018/2019

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Typologie

’Lehre vom Urbild’: Klassifizierung von Elementen auf der Basis

formal-struktureller, inhärenter Eigenschaften.

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Sprachtypologie

Klassifizierung von Elementen auf der Basis formal-strukturellerEigenschaften (inhärenter Eigenschaften -> Grammatik)

Abgrenzung: Sprachklassifikation aufgrund historisch-‘genetischer‘ oder geographisch, arealer, also nicht-inhärenterZusammenhänge (Sprachfamilien, Sprachbünde).

Nicolas Beauzées (1767), Grammaire générale ou exposition

raisonnée des éléments nécessaires du langage, pour servir de

fondement à l’étude de toutes les langues.

Universalgrammatik (cf. A. Arnaulds, C. Lancelots etc.).

Friedrich Schlegel (1808), August Wilhelm Schlegel,(1818), Wilhelm von Humboldt (1836): erste grammatischeSprachtypenunterscheidung

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Phonologische Typologie

Tonsprachen vs. Betonungssprachen

Beispiel: Tonsprache Mandarin

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Phonologische Typologie

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Tonakzent versus Betonung

A. ame : (1) � ‚rain‘ (2) � ‚candy‘ (Japanisch)

a me a me

https://translate.google.com/?hl=de - ja/en/�https://translate.google.com/?hl=de - ja/en/�

hashi: (1) � ‚bridge‘ (2) � ‚chopstick‘

https://translate.google.com/?hl=de - ja/en/�https://translate.google.com/?hl=de - ja/en/�

B. mo‘dern Adjektiv `modern Verb (Deutsch)

Au‘gust Monat `August – P.Name

um‘fahren `umfahren

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Tonsprachen mit und ohne Betonung

https://translate.google.com/?hl=de - th/en/ฉนอยท *โรงเรยน

https://translate.google.com/?hl=de - zh-CN/en/����

A. Tonsprache mit Betonung/Konturtonsprache Chinesisch

B. Tonsprache ohne Betonung/Registertonsprache Thailändisch

https://www.youtube.com/watch?v=0S2Rt19c6Vw

https://www.youtube.com/watch?v=dADTBoYH6Fo

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Phonologische Typologie

CV(C)-Sprachen vs. Sprachen mit komplexen Konsonantenclustern(Phontaktik):

(1) Hawaianisch

ahupua‘a /ɁahupωaɁa/ ‚land division‘

(2) Slovenisch

skrbstvo /skrbstʋo/ ‚welfare‘

Was haben alle Sprachen phonologisch gemein?

Mögliche Universalie?

Unbeschränkte Universalie: ‚Alle Sprachen weisen x auf‘

Implikative Universalie: ‚Wenn eine Sprache x aufweist, weist sie auch zauf‘

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Arten von Universalien

Unbeschränkte, absolute Universalie: ‚Alle gesprochenen

Sprachen besitzen mindestens zwei Vokale auf‘

Unbeschränkte, nicht absolute Universalie: ‘Die meisten

gesprochenen Sprachen weisen nasale Konsonanten auf‘

Beschränkte, absolute Universalie: ‚Wenn eine Sprache

Flexion hat, dann hat sie auch Derivation‘

Beschränkte, nicht absolute Universalie: ‚Für die meisten

Sprachen gilt, wenn sie eine Genusunterscheidung bei

Pluralpronomen haben, dann haben sie auch eine

Genusunterscheidung bei mindestens einigen

Singularpronomen.‘

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Morphologische Typologie

z.B.

u Zählkonstruktionen (Sprachen mit bzw. ohne

Klassifikatoren, mit bzw. ohne Pluralmarker);

u Affigierungsrichtung (präfigierend – suffigierend);

u Akkusativsystem – Ergativsystem;

u Komplexität der Wortformen: analytisch – synthetisch;

isolierend – agglutinierend – flektierend – polysynthetisch

(heute Vertiefung)

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Klassifikator- vs. Zahlwortsprachen

Nicht alle Sprachen verfügen über Pluralmorpheme und können wie das Deutsche oder Englische einfach Zahlwörter vor Nomen setzen (drei Häuser, drei Autos, drei Menschen), sie benötigen Klassifikatoren:

(1) a. san-dai no kuruma ‚drei Autos‘

drei-KL.Maschine Gen Auto

b. san-mai no tegami ‚drei Briefe‘

drei-KL.flachOBJ Gen Brief

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Zahlwortsprachen

Sprachen wa hlen aus den verschiedenen mo glichen Numerusformen

Singular vs. Plural: Kind vs. Kinder

Dual: mój ‘wir zwei’; hrodaj ‘zwei Paläste’ (Obersorbisch)

Trial : a ‘er/sie’, dir ‘sie beide’, dital ‘sie drei’, diat ‘sie >3’ (Tolai)

Quadral: gim ‘wir’, giur ‘wir beide’, gimtul ‘wir drei’, gimhat ‘wir vier’, (Sursunga, Neu-Irland)

Paucal: ba:bun ‘Tor’, abwa:bun ‘einige Tore’ (Iraki-Arabisch)

Sprachen wählen aber nicht beliebig aus, sondern folgen dieser Reihenfolge.

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Implikative Universalien

u Greenberg 1966, Universale 34:

u • Wenn eine Sprache einen Trial/Paucal hat, dann hat sie einen Dual.

• Wenn eine Sprache einen Dual hat, dann hat sie einen Plural

• Wenn eine Sprache einen Plural hat, dann hat sie einen Singular.

Dies schließt z.B. Sprachen mit Singular und Dual, aber ohne Plural aus.

u Erklarung fur die Universalien:

Der Trial ist kognitiv komplexer und seltener anwendbar als der Dual; etc.

u Ziel der Typologie: Die Parameter sprachlicher Variation durch

grundlegendere Merkmale/Eigenschaften zu erklären (z.B. durch

Lern- und Verarbeitungsmechanismen oder dem Grammatiksystem

inhärente Prinzipien etc.)

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Präfigierende Sprachen

Beispiel für den präfigierenden Typus (Sumerisch)

(2) <nu-mu-ù-ta-zu>nu–mu–j–ta–Ø–zu–Ø (Rekonstruktion)

NEG-VENT-2SG-ABL-1SG.A-know.PST

'I did not know it from you.‘

NEG: Negation

VENT: Ventive = zum Sprecher gerichtet

ABL: Ablative = ‚from‘

A: Actor

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Suffigierende Sprachen

Beispiel für den suffigierenden Typus (Türkisch)

(3) a. al-a ςák-miş

buy-FUT-INF.PST2.3SG

‚It turns out they were going to buy.‘

b. muvaffak-iyet-siz-les-tir-ci(-mek)

successful-NOM-ohne-werden-CAUS-NOM

‚maker of unsuccessful ones‘

NOM: Nominalisierung; CAUS: Kausation

PST2: inferiert (erschlossen) Vergangenheit

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World Atlas of Language Structures: Flexion

http://wals.info/feature

u Von 969 untersuchten Sprachen sind

406 vorwiegend suffigierend,

58 vorwiegend präfigierend,

147 sowohl präfigierend als auch suffigierend,

123 Sprachen zeigten leichte Präferenzen für Suffigierung,

94 Sprachen zeigten leichte Präferenz für Präfigierung.

Wie sieht die Situation für das Deutsche aus?

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Morphologische Komplexität

u Grammatische Kategorien werden je nach Einzelsprache entweder

analytisch oder synthetisch, also durch eigene Wörter oder durch

gebundene Morpheme (kleinste bedeutungstragende Einheit),

realisiert:

(4) a. Englisch: more / most intelligent

Deutsch: intelligent-er/-est-

b. Latein: lauda-tur

lob-3SG.PASSIV

Deutsch: (er/sie) wird gelobt

c. Rumänisch: om-ul

Mann-DEF.SG.M

Deutsch: der Mann

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Morphologische Komplexität

(5) Ungarisch:

a. az én kalap-om ‘mein Hut’

DEF 1SG Hut-1SG

b. a Péter kalap-ja ‘Peters Hut’

DEF Peter Hut-3SG

Die klassische Typologie (frühes 19. Jhd.): Schlegel unterscheidet zunächst zwischen analytischem und synthetischem Sprachbau:

u Sprachen mit analytischem Sprachbau weisen pro Wort nur wenige Morpheme auf.

u Sprachen mit synthetischem Sprachbau weisen pro Wort viele Morpheme auf.

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Morphologische Komplexität

(6) a. Mandarin-Chinesisch:

Ta gei wo mai le yi ben shu.

er geb ich kauf PERF ein KL Buch

‘Er kaufte mir ein Buch.’

b. Yupik-Eskimo:

angya-ghlla-ng-yug-tuq ‘Er möchte ein großes Boot kaufen.’

Boot-AUGM-erwerb-DESID-3SG

c. Inuit (Eskimo):

arnajaraq eqalut-tur-p-u-q ‘Arnajaraq ate salmon.’

Arnajaraq salmon-eat-IND-TR-3SG

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Morphologische Komplexität: Synthesegrad

Zwei Extreme:

u Isolierende Sprachen: nur ein Morphem pro Wort, auch

grammatische Information wird durch Wörter realisiert à keine

Flexionsaffixe

u Polysynthetische Sprachen: ein ganzer Satz kann durch eine

Wortform ausgedrückt werden à lexikalische Elemente können

ebenfalls in ein Wort inkorporiert werden.

(7) Chuckchi (Paläo-Sibirisch):

tə-meynə-levtə-pəɣt-ərkən1SG .SU BJ-big-head-ache-IM PERF

‘I have a fierce head-ache.’

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Deutsch als synthetische Sprache?

Viele Sprachen weisen analytische Muster nebensynthetischen Mustern auf, z.B. Deutsch mitperiphrastischem Passiv und Futur neben synthetischemPräteritum.

(8) a. Ich wurde entführt/Ich werde weglaufen.

b. Ich entführte ihn/Ich lief weg.

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Morphologische Komplexität: Fusionsgrad

u Agglutinierende Sprachen: Morpheme innerhalb eines

Wortes haben klare Grenzen (Segmentierbarkeit), im

Idealfall trägt ein Morphem nur eine Bedeutung und ist

invariant

u Fusionierende Sprachen: Verschmelzung von

grammatischen Morphemen, sodass ein Morphem mehr als

eine Funktion/Bedeutung trägt (Portemanteau-Morphem).

Der fusionierende Typ wird manchmal als ‚flektierend‘

bezeichnet. Dies ist irreführend, da agglutinierende

Sprachen auch flektieren.

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Agglutination

u Agglutination bezeichnet das „Aneinanderkleben“ von

Morphemen. In agglutinierenden Sprachen sind Morpheme in

Bezug auf ihre Form und Funktion tendenziell eindeutig

segmentierbar.

(9) Türkisch yɪl ‘Jahr’: Singular Plural

Nominativ yɪl yɪllarGenitiv yɪlɪn yɪllarɪnDativ yɪla yɪllaraAkkusativ yɪlɪ yɪllarɪLokativ yɪlda yɪllarda

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Fallbeispiel Ungarisch

(10) Numerus und Possessorkongruenz im Ungarischen

a. asztal ‘Tisch’ b. asztalok ‘Tische’

c. asztalt ‘Tisch (A K K )’ d. asztalokat ‘Tische (A K K )’

e. asztalom ‘mein Tisch’ f. asztalaim ‘meine Tische’

g. asztalomat ‘meinen Tisch’ h. asztalaimat ‘meine Tische(AK K )’

u Kriterien für die Agglutination sind (i) die Segmentierbarkeit und

(ii) die Invarianz von Morphemen: Während Türkisch fast eine

agglutinierende Sprache in Reinform ist, weist Ungarisch

Tendenzen zur Fusion auf: Welche?

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Fallbeispiel Ungarisch

(10) Numerus und Possessorkongruenz im Ungarischen

a. asztal ‘Tisch’ b. asztalok ‘Tische’

c. asztalt ‘Tisch (A K K )’ d. asztalokat ‘Tische (A K K )’

e. asztalom ‘mein Tisch’ f. asztalaim ‘meine Tische’

g. asztalomat ‘meinen Tisch’ h. asztalaimat ‘meine Tische(AK K )’

u (i) Der Akkusativ wird zwar invariant durch –t realisiert, dem kann aber (je nach Auslaut) ein Vokal vorausgehen. Lautet die Segmentierung also asztalok-at oder asztaloka-t?

u (ii) -ai in asztalaim ist zwar klar segmentierbar, seine Information [P L/P O SSED IER T ] überlappt aber mit der von (o)k [P L] (Allomorphie).

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Fusionierung

(11) Fusion von Tempus, Person und Numerus in Latein:

a. lauda:bo: ‘ich werde loben’

b. lauda:bat ‘er lobte’

c. lauda:bant ‘sie lobten’

d. lauda:bimus ‘wir werden loben’

e. lauda:bit ‘er/sie wird loben’

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Extreme in fusionierenden SprachenExtrem an fehlender Segmentierbarkeit: Wurzelflexion, v. a. in semitischen Sprachen

(12) ‘Broken Plural’ im Maltesischen:

CVCVC und CCVC als feste Muster

a. basla basal ‘Zwiebel’ b. triʔ toroʔ ‘Straße’

c. ʔalb ʔlub ‘Herz’ d. deɣma dmuɣ ‘Träne’

Extrem an geringer Segmentierbarkeit und Invarianz: Suppletion,

d.h. hochgradig irreguläre Formen und z.T. etymologisch nicht verwandte Stämme

(13)a. sein, seid – sind – bin – bist – ist – war

b. go – went

c. bonus – melior – optimus (Latein) gut – besser – best-

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Zusammenfassung

monomorphe-matisch

komplexe Wörterdurch viele Affixeund Integration vonStämmen

Verkettungvon AffixenmiteindeutigerFunktion

Portmanteau-Formen

Zusammenfassung der Typologie nach morph. Komplexität und Fusionsgrad:

isolierend <––––––––––––––––––––––––––––––––––––––> polysynthetischGrad der Synthese: Anzahl der Morpheme pro Wort

agglutinierend <––––––––––––––––––––––––––––––––––––––> fusionierend

Grad der Verschmelzung: Segmentierbarkeit, Invarianz

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Syntaktische Typologie

Zentrale Fragestellung syntaktischer Typologen:

i. Welche Grundwortstellungen gibt es?

ii. Wie häufig sind diese Grundwortstellungen?

iii. Wie fest sind diese Grundwortstellungen?

iv. Mit welchen anderen grammatischen Phänomen korreliertdie Grundwortstellung? (Sprich: Lassen sich aufgrund derGrundwortstellung Vorhersagen über andere Bereiche derGrammatik einer Sprache machen? Hierzu mehr in dieserSitzung)

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WortstellungsmusterFolgende Wortstellungsmuster hinsichtlich Subjekt, Objekt und Verb sind logisch möglich: SOV, SVO, VSO, VOS, OVS, OSV.(14)a. SOV: Türkisch

Hasan kitab-ı oku-du.Hasan Buch-AKK les-PRÄT‘Hasan las das Buch.’

b. SVO: SwahiliWantuwa Kenya wa-na-wa-penda wa-toto.

people(CL2) ASC.CL2 Kenya SUBJ CL2-PAST-OBJ CL2-like CL2-child‘Kenyan people like children.’c. VSO: Walisisch

Lladdodd y ddraig y dyn.tötete DEF Drachen DEF Mann‘Der Drachen tötete den Mann.’

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WortstellungsmusterFolgende Wortstellungsmuster hinsichtlich Subjekt, Objekt und Verb sind logisch möglich: SOV, SVO, VSO, VOS, OVS, OSV.

(15)

d. VOS: Toba Batak (Indonesien)

Manjaha buku guru i.

liest Buch Lehrer der

‘Der Lehrer liest ein Buch. ’

e. OVS: Hixkaryana (Südamerika)Toto yahosiye kamara.

Mann ergriff Jaguar

‘Der Jaguar hat den Mann ergriffen.’

f. OSV: Urubú (Südamerika)Pako xuã u’u.

Banane Johann ass

‘Johann hat die Banane gegessen.‘

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Wortstellungsmuster:Häufigkeit

Häufigkeit der möglichen Reihenfolgen als Hauptreihenfolge

u 1. SOV

u 2. SVO

u 3. VSO

u 4. VOS

u 5, 6. OVS ~ O

70% SV, 15% VS

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Freie Wortstellung

Nicht in allen Sprachen gibt es eine feste Grundwortstellung:

(16) Polnisch:

a. Ewa lubi dzieci b. Ewa dzieci lubi

c. Dzieci Ewa lubi d. Dzieci lubi Ewa

e. Lubi dzieci Ewa f. Lubi Ewa dzieci

‘Eva liebt Kinder’

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Korrelation : Wortstellung Adpositionen

Es gibt interessante Korrelationen zwischen Wortstellung in Sätzen und der in Phrasen, z.B. gibt es eine Korrelation zwischen Verbstellung und Präpositionen und Postpositionen:

— In VSO Sprachen gibt es nur Präpositionen, nie Postpositionen. (Ein Sprachuniversal!)

— In SOV Sprachen gibt es überwiegend Postpositionen; nur einige SOV Sprachen haben Präpositionen.

Wie sieht es im Deutschen aus?

Er macht nur Probleme. Gestern ist er den neuesten

Nachrichten zufolge aus der Station weggelaufen.

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Konfigurationalität

Konfigurationale Sprachen versus nicht-konfigurationaleSprachen.

Was heißt konfigurational?

(17) a. I saw a helicopter.

b. Ich sah einen Helikopter.

c. J‘ ai vu un hélicoptère.

d. Ich saw it./ Ich sah ihn/ Je l‘ai vu.

e. Einen Helikopter sah ich.

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Syntaktische TypologieWas heißt nicht-konfigurational?

Warlpiri (Hale 1983)u (18) a. Ngarrka-ngku ka panti- rni.

man-ERG AUX spear NONPAST‘The man is spearing him/her/it

b. Wawirri ka panti- rni.

kangaroo AUX spear.NONPAST‘He/she is spearing the kangaroo.’

c. Panti-rni ka.spear NONPAST AUX

‚He/she is spearing him/her/it.‘

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Typologie - Fazit

In der Typologie befasst man sich mit den Gemeinsamkeiten

und Unterschieden, die Sprachen in allen grammatischen

Teilbereichen aufweisen.

Ziel ist es, sprachliche Variation zu beschreiben und zu

erklären.

Ein gutes typologisches Sample sollte Sprachen aus allen

Sprachfamilien enthalten, damit areale und genetische

Faktoren ausgeschlossen werden können.

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Hausaufgabe

u Bitte lesen Sie:

David Crystal (1998), Die Cambridge-Enzyklopädie der

Sprache. Köln: Parkland Verlag

Und:

Erläutern Sie, warum das Studium der Typologie einerseits und das der Universalien andererseits eng zusammengehören! Welche übergeordneten Fragestellungen kann man dadurch verfolgen?