43
VSA VSA-Fortbildungskurse 1993 Nährstoffelimination in der biologischen Abwasserreinigung Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation in Belebungsanlagen Prof. Dr. Willi Gujer ETH/EAWAG 8600 Dübendorf

Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation in Belebungsanlagen … · 2018. 3. 6. · kation noch weitgehend. Vorerst müssen wir die Frage beantworten, wo und warum die

  • Upload
    others

  • View
    0

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation in Belebungsanlagen … · 2018. 3. 6. · kation noch weitgehend. Vorerst müssen wir die Frage beantworten, wo und warum die

VSA

VSA-Fortbildungskurse 1993Nährstoffelimination in derbiologischen Abwasserreinigung

Grundlagen der Nitrifikation und derDenitrifikation in Belebungsanlagen

Prof. Dr. Willi GujerETH/EAWAG8600 Dübendorf

Page 2: Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation in Belebungsanlagen … · 2018. 3. 6. · kation noch weitgehend. Vorerst müssen wir die Frage beantworten, wo und warum die

VSA Fortbildungskurse 1993Nährstoffelimination in der biologischen Abwasserreinigung

:i$:¦:1:¦:¦:fi:1:Q¦:1:¦:§§¦:2:2:¦:¦:I:¦:¦:1:1$:2:1:=:¦:¦:§§1:=:1$:¦:¦:¦:2$:'§:¦:¦:2§:¦:¦:=:1:1:2:1:2gj:1:3:1:1:112;1:$$:1$$$:§_$:2:=:1:=:1:1:1:¦:I:¦:1:1:1:1:¦:¦:¦:¦:¦:¦:¦:¦gj:1:f:1:2:f:~:«:¦:1¦1:¦§§§§§:§§;:-:;§~:¦:fi:¦:¦:¦:~:=:-:-:§1:1:151-:1:1:¦:¦:¦:¦:¦$$:E5-:~:-:-:-:¦:-:¦:-:~:-:4;§5§1:§§¦:-:-:-:~:-:-:¦;:-:¦:-:-:~:;§§:1:§§{§§§;:-:§;-:-:~:;§2§~$$$§$§:¦;';:-:-:~:¦:-:-:-5"-:-':¦f2¦$.-<.- ' ':;;.f.'§$_.'F«$ /-:~§I'›_:'//9';_ ~ - -. _. ; . . . ..§-:-:-:-:-:-š:~:-:-:-:fi«:~:;;~:-:-:-:-:-:~:-:›:-:~:¶~:-:-:-:-:-:-:~:<-:-:-:-§5~:~:4;:;:;:;:;:;:E:-:-:E:-:;:5-:-:-:;:;1;:1:5;:;:;:;:;:~:;:;:;.;.;.;.;.;.¦2.;.;.;.;.;.;.;.;.;.;.¦.;.¦.;.;.3.;.ç;.;:¦:;.;.;.;.;'q.;.;.gç$>;.¦.;.;.;.¦:;:;.;.;.;.¦3.;š;.;.;.;:;.¦.5¦.;.;.;.;.;.¦.;:;;.;§:¦.;.;q.;.;.;.;:;:;.;.¦.¦.;.;.;:;¦¦_5.;f;;.;.;.5;.±.;.;.;.fi:2:5ç;c@5;_.;:;:?".;:;:2:;:5%; „$.;:_4"_í,6_$x of/ __§§.,š$_-ff .f.-

sš:è§=š=i=š=iš#.=ê=šzš=ä=i==' iz*--~s ie iii 2 ' =i Q 2 =sšs222sf' iš sëzf* ii " 1222222 g ' .ifzšsše " E zii isšs f :E 2; 'iii 22:: = @ 2 " »zii 5 " 2; g Q s .==s=;=z2:2s%2šf=-isšsšz=zšz2siz.. . a=z= ==. _.. =s-_ »a =: =.. " .- .=. ;=s=z=z .=« =s=z ::=z=s- ft. 1 =z;:- :=:= :=:= V =; ;z;:;§= := s. ¬ ~:=z 2. ...f ,=;. 2:. 2. i ==~ =.¦...=-..=='='=^"='=zš:Es2zš:šfš=š=š;š:š;2:=z=z=:2z=zi2=s=:S:%s=s=;šzš:is=z::š:2:fa=:izš:ë=sšz=z=z::=zš:š;š:=s=z=;=z:5=a=;šzšsiz=f=sf;2:=2=:=2f2:222=s=2=s=2=322=z=22222=s=:š:šsšz2s=;a=;%;2z%s=sizes:fi2:sš:šz=z=:š:E25222:;5E22:;s§z2:;:§z;z2:=:fašzšz=5=sEs2s=2;s§5;s§2;s;2;s;2;222:z=s2ts2§ä;:;s;z;5§E§à;z;§332§5;ä;§sä§z;e;;s§§§§s;=;;;s;z;s;sšs;5;2?s§§s=§%§z=ss:sä=2:=§;eeá===e2=t§sššš;ä;§†ê-Ltáb' ...Isëzšzësizšs zšsšsšsšziaëzšsšzšsšzšzšzšzšzšzšzizE22;22522;22ë;š;2;2sës2sëe=s=s=s=s=z:z:z:s=a=1:2=s=z=z=z=z=2=z=21z=z=:=z=z=s=s=z:z=s=z=;=z=§z=z:z=z=z=;=::z==›=-=~=-=-==s==-=-=-=-=~===~=-==:==~=-z~=-===~=~=~=~=~=~=~=~=~=~=~==z=-=-=-=-=-=-f~=~=-=~===-=-z=z==-=-==;=s~=-=-z:s==~=~=-=:='=^F=-:=z==~=-=-=~=z==~=-==s-'=~e=s=z=s=s=:=:=:=e=z=z=s=;=;=s=s=s=s=a=a=áz=s=.=s=s=a=z=z=z=;=;=s=a=s=s=s=s=z=z=a=sr=sz=zs=sz=2=s=2=s=;2ea=aerezz=aa=st..=ezz;=a2r=s=se«

-:Z:1:1:1:1:I:1:1:1:i:1:1 :-:-:-:-:~:~:~:~:~:~:~:-:1:2:~:-:-:-:~:-:-:-:-:-:-:-:-:-:›:~:~:-:-:-:-:-:-:-:-:-:-:-:~:~:-:4~:-:-:~:-:;:;:;:;:-:-:;:›:-:-:-:-:-:-:- .; ; «:~:; :;:¦ ;- : 1; ._ ~:-:; :;:; 1, „ ._ :;:;:;:;:;:;:;:;:;:;:;:;:;:3:1:-:-:-:;:;:;:;:;:;:;:;:;:§;:;:;:«:;:5-:-:-:;:4;:;:;:;.5;:;.;:f:f:j:;:-:4-:-:-:-:;:-:;:;:-:;:-:era-:-:-'41-c-:$55ç,o:;.¦~¦~¦-¦~¦~Z-¦-2-2-2-2~2~Z -Z-Z¬Z~Z'I'I'I-2'¦'Z'¦~Z~Z~Z~¦-¦-¦~I~2~2;2~1~Z;2~2;2:211-1-1-Z'Z-I'Z:I'Z'2~¦~2;2;2;¦¦¦¦¦¦¦;2§Z;¦;¦§2:2:.1.~.:.32-Z-.;I;Z;2;Z;Z;I;C:1_ __.: . ;Z¦._ 1 `¦¦¦- ¦.¦.` ¦.j._ _ .;I;I;._ ;. ;.;._ _ _.;.;._ §3. ;.; ~._. _.;. -.;._ ;.1.;.1.;.1.1.1.1.¦.1.;.1.1.;.;Z§Z;I;.§.;.;.;.;.;.¦.¦.;.¦.;.;.32-;~;3;I;Z;.'Z1.;.1.1.;.:.;.;.;.;.¦.;.§1;2'§'¦f3ü'{J';v"."' -¦$Z^"$¦~¦¦¦'C~..~I.¦.'7å'.r

~ . wff fi < ffrfttffiäffi.-*>›i$':r'„=1f'4@r°¶' ,/in/\

2 'ii šsšzšs' zšzšša "E2E52; f `=F. ;f =;.<' ii 'iz F `=%. ;=,=,..':'.'íiáf±.±=ä§=,;§;:,.,.;ra=~. . „.=,...r.. . T.=§=2=s:z=:=s=2:s=s=s=s=s=z=z§=;=z=z=s=;=s=i:;s;a;z;z=s=2=2:2=§:z:z:z=2=2=2z=s=ä=25s;s;255;s=a;::;=z:ss=s=s=z:s=z=§;z;:;z;s;s; _: , z;s;s=: „ .; ;s;z;;; ,„ =: 2;: 2 1 :._. '2= ._ = _;;§;=;== -=; =;=, ;=iiEsiiiEiii;22i22Ei252S2F2929zE5E5ê2Sii2í252Esis?sšsšsšsšsåsšiiëšsšisšêšsšsíiëšëšziëzištšiëššsšsiêsšsE2E2Ei2i5á25252225sfsS2i22E;š;EsiEisäs2itE;225222šfšaëisšzšsšsšzšašišzšaEsšzšaiii;šsësšiisšs5si;EsšsšsšsšašsšsštašsšizšzšaEsisE;5252E2Es2295E5E5F5S5S5Ei5=s22SzEsStEs:5=2E222iE222225á2S5S2E2E5E;EE2Sê2Eii2E2E29222S2S5E5EsE;E;E;iiEii2E2fsëfsišzššsEsizii;iiE2E55i9=e=i;E2:siiiiiišáëi==Ieiíâšëš§äsšii=r==š?›i:===

1 _ _

Prof. wiııi Gujer, ETH f EAWAG, sooo Dübendorf

Inhalt SeiteNomenklaturDefinitionenBemerkung zu den Beispielen1. Einleitung2. Der Stickstoffkreislauf in der Natur3. Prozesse der Nitrifikation O)-ß-I'¦›0)|\J|\)4. Dio Ökologie dor Niırifikanıon 75. Verfahrenstechnik der Nitrifikation 1 1

5.1. Das Schlammalter 115.2. Der erforderliche 'Sicherheitsfaktor' 135.3. Reaktorgestaltungz Längsdurchströmter Reaktor 165.4. Minimierung der Nitrit Konzentration im Ablauf. 17

6. Dimensioníenıng der Nitrifikation 177. Hemmung der Nitrifikation 20

7.1. Hemmung durch geringen pH Wert 217.2. Hemmung durch Faulwasser 227.3. Hemmung durch Fällungsmittel 227.4. Hemmung durch industrielle Abwässer 22

8. Prozesse der Denitrifikation 239. Verfahrenstechnik der Denitrifikation 24

9.1. vorgeschaltete, simultane, alternierende und nachgeschalteteDenitrifikation

10. Dimensionierung der Denitrifikation1 1 . Schlammproduktion

11.1. Schlammproduktion durch Elimination von organischen Stoffen11.2. Schlammproduktion durch Phosphor-Fällung

12. Sauerstoffbedarf13. pH Wert im Belebungsbecken14. Charakterisierung des Abwassers

14.1. Bestimmung des leicht abbaubaren CSB im Abwasser15. Pilotversuche16. Referenzen

2426343435363740404242

5.1

Page 3: Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation in Belebungsanlagen … · 2018. 3. 6. · kation noch weitgehend. Vorerst müssen wir die Frage beantworten, wo und warum die

Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation Seite 2

NOMENKLATUR

ln Anlehnung an internationale Konventionen habe ich in dieser Arbeit fürKonzentrationen die folgende Konvention gewählt:

C?? steht für die Konzentration eines Stoffes der sowohl gelöst als auch partikulärvorkommt, z.B. CTKN = totale Konzentration von Kjeldahl Stickstoff.

S?? steht für die Konzentration eines gelösten Stoffes, z.B. SNH = Konzentration vonAmmonium.

X?? steht für die Konzentration eines partikulären Stoffes, z.B. XTSS = TSS Konzentration,total suspendierte Stoffe.

Indices:

Der Index ?0 bezeichnet eine Zuflusskonzentration, der Index 7, bezeichnet eineAblaufkonzentration.

DEFINITIONEN

Aerob: Die Umweltbedingungen werden als aerob bezeichnet, wenn gelöster Sauerstoff inmessbarer Konzentration vorhanden ist.

Anoxisch: Die Umweltbedingungen werden als anoxisch bezeichnet, wenn gelösterSauerstoff nicht in messbarer Konzentration vorhanden ist aber Nitrat vorhanden ist.

Anaerob: Die Umweltbedingungen werden als anaerob bezeichnet, wenn weder gelösterSauerstoff noch Nitrat in messbarer Konzentration vorhanden sind.

Autotrophe Bakterien: Bakterien sind autotroph, wenn sie den Kohlenstoff zum Aufbauihrer Biomasse durch Reduktion und Assimilation von CO2 gewinnen. Diese Bakterienbauen entsprechend keine oder nur geringe Mengen von organischen Stoffen ab. Dadie Reduktion von CO2 grosse Mengen von Energie und reduzierenden Stoffen ver-braucht, vermehren sich (wachsen) autotrophe Bakterien häufig nur langsam.

Heterotrophe Bakterien: Bakterien sind heterotroph, wenn sie zum Aufbau ihrerBiomasse organische Stoffe assimilieren. Da organische Stoffe häufig in ihrem RedoxZustand der Biomasse nahekommen, müssen diese Organismen entsprechend nurgeringe Mengen von Energie aulwenden um diese Stoffe zu assimilieren, sie könnensich entsprechend rasch vermehren (wachsen).

Nitrifikation: Unter Nitrifikation verstehen wir einen biologischen Prozess, in dem nitri-fizierende Bakterien (Spezialisten) in Gegenwart von Sauerstoff (O2) Ammonium(NH4+) vorerst zu Nitrit (NO2') und anschliessend zu Nitrat (NO3') oxidieren. DieNitrifikation bedingt, dass

5.2

Page 4: Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation in Belebungsanlagen … · 2018. 3. 6. · kation noch weitgehend. Vorerst müssen wir die Frage beantworten, wo und warum die

Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation Seite 3

1) gelöster Sauerstoff (aerob),2) Ammonium und3) nitrifizierende Bakterien

gleichzeitig aufeinander treffen.

Denitrifikation: Unter Denitrifikation verstehen wir einen biologischen Prozess, in demheterotrophe Bakterien (meist Generalisten) in Abwesenheit von Sauerstoff Nitrat(NO3') zu elementarem Stickstoff (N2) reduzieren. In dieser Reduktion übernimmt dasNitrat die Rolle von Sauerstoff, gleichzeitig müssen organische Stoffe (CSB, BSB5)verfügbar sein, die oxidiert (abgebaut) werden können. Die Denitrifikation bedingt,dass

1) kein gelöster Sauerstoff vorhanden ist2) Nitrat vorhanden ist3) abbaubare (möglichst gelöste) organische Stoffe angeboten werden4) denitrifizierende Biomasse vorhanden ist.

Wenn eine dieser vier Bedingungen nicht zutrifft, so ist die Denitrifikation nicht effizientbis unwirksam.

Ammonium (NH4+) / Ammoniak (NH3): Reduzierte Formen von Stickstoff, die in denGewässern eine Sauerstoffzehrung auslösen. Bei erhöhtem pH Wert verschiebt sichdas Gleichgewicht auf die Seite des Fischgiftes Ammoniak.

Nitrit (N02-): Eine oxidierte Form von Stickstoff, die als Zwischenprodukt sowohl in derNitrifikation als auch in der Denitrifikation entsteht und abgebaut wird. Nitrit ist uner-wünscht, es kann eine Reihe von biologischen Prozessen hemmen und darf nicht ingrösseren Konzentrationen in die Gewässer eingeleitet werden. Es ist ein Fischgift.Vorsicht: Nitrit wird in der CSB Analyse (mit Dichromat) zu Nitrat oxidiert und vergrös-sert damit den gemessenen CSB um 1.14 g CSB g'1 N02'-N. Es ist sinnvoll dengemessenen CSB um diesen Wert zu vermindern.

Nitrat (NO3'): Die am höchsten oxidierte Form von Stickstoff. Nitrat kann keinen weiterenSauerstoffbedarf mehr auslösen und hat direkt bis zu hohen Konzentrationen kaumnachteilige Folgen in den Gewässern. Weil Nitrat durch Denitrifikation zu Nitrit redu-ziert werden kann, ist es z.B. im Trinkwasser unenıvünscht.

Kjeldahl Stickstoff total (TKN) und gelöst (GKN): Der Kjeldahl Stickstoff umfasstAmmonium, Ammoniak und den Stickstoff in den meisten organischen Verbindungen.TKN umfasst auch den partikulären organisch gebundenen Stickstoff, GKN umfasstnur die gelösten Fraktionen.

BEMERKUNG ZU DEN BEISPIELEN

Insgesamt sind 15 Beispiele in den Text eingebaut. Diese sollen die Konzepte erläutern,die im jeweiligen Kapitel eingeführt wurden. Sie unterstützen das Verständnis des Stoffes,sie können aber beim Durchlesen übersprungen werden.

5.3

Page 5: Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation in Belebungsanlagen … · 2018. 3. 6. · kation noch weitgehend. Vorerst müssen wir die Frage beantworten, wo und warum die

Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation Seite 4

1. EINLEITUNG

Die Nitrifikation wird seit ca. 1975 in der Schweiz gezielt in die biologische Abwasserreini-gung integriert, entsprechend bestehen heute grundsätzlich grosstechnische Erfahrungenmit der Oxidation von Ammonium. Leider gibt es aber in der Schweiz bis heute kaumsystematische Erfolgskontrollen über die Dimensionierung und den Betrieb von nitrifizie-renden Belebungsanlagen. Nach wie vor sind wir auf Resultate von Pilotversuchen und aufErfahrungen im Ausland angewiesen. In Anbetracht der lnvestitions- und der Betriebs-kosten, die die Nitrifikation verursacht, ist das wenig sinnvoll. Es fehlen uns z.B. Angabenzur Nitritkonzentration im Ablauf von nitrifizierenden Belebungsanlagen genauso wie einesystematische Zusammenstellung der Ammoniumkonzentration im Ablauf in Abhängigkeitvon der Betriebstemperatur und der Betriebsparameter. Ganz offensichtlich ist die Schweizhier international im Rückstand, auch wenn wir uns gerne unserer Leistungen rühmen.

Bis heute sind noch keine Betriebserfahrungen von Schweizerischen Kläranlagen publi-ziert worden, die gezielt für die Denitrifikation dimensioniert wurden. Nur eine HandvollAnlagen muss Grenzwerte für Nitrat oder Gesamtstickstoff einhalten. In Dänemark undDeutschland ist die Denitrifikation 'Stand der Technik' und muss in die meisten Anlagenintegriert werden. Weltweit gibt es Tausende von Anlagen die Stickstoff aus demAbwasser eliminieren.

Während wir heute über geeignete Kriterien verfügen um über die Anforderungen in Bezugauf die Nitrifikation zu entscheiden (Einleitbedingungen), fehlen uns diese für die Denitrifi-kation noch weitgehend. Vorerst müssen wir die Frage beantworten, wo und warum dieDenitrifikation erforderlich ist.

Im Vergleich zur Europäischen Praxis überrascht es, dass die Schweizer Ingenieure nichtaggressiver das 'Know How' erarbeiten, das ihnen auch in Zukunft ihre Arbeit sichernkönnte. Die Stickstoffelimination wird in Europa in den nächsten 10 Jahren Milliarden-beträge für Investitionen erfordern, die Projektierungsaufträge dafür werden aber hoffent-lich an Fachleute gehen, die ihr ABC oder CNP (Kohlenstoff, Stickstoff, Phosphor) kennen.

2. DER STICKSTOFFKREISLAUF IN DER NATUR

In Figur 1 ist der Stickstoffkreislauf dargestellt, wie er in der Natur abläuft. ElementarerStickstoff N2 wird durch Bakterien zu Ammonium NH4+ fixiert (gebunden, reduziert, in denKreislauf eingeführt). Ammonium dient den Pflanzen als Nährstoff für den Aufbau(Assimilation) von Biomasse, der Stickstoff wird in viele organische Stoffen (z.B. in Eiweis-sen) als organisch gebundener Stickstoff eingebaut. Durch den Abbau dieser organischenStoffe (Dissimilation) wird der Stickstoff wieder als Ammonium freigesetzt - in derAbwasserreinigung sind es die heterotrophen Bakterien, die für diesen Prozess verant-wortlich sind. Ammonium kann in Gegenwart von Sauerstoff zu Nitrit N02- und anschlies-send zu Nitrat N03' oxidiert werden. Diese Prozesse heissen Nitrifikation; autotrophe,obligat aerobe Bakterien (Nitrosomonas und Nitrobakter) sind dafür verantwortlich. Nitratkann in Abwesenheit von Sauerstoff von heterotrophen Bakterien via Nitrit zu elementaremStickstoff reduziert werden, gleichzeitig oxidieren (bauen ab) diese Organismen

5.4

Page 6: Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation in Belebungsanlagen … · 2018. 3. 6. · kation noch weitgehend. Vorerst müssen wir die Frage beantworten, wo und warum die

Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation Seite 5

ASSIMILATION DESAMINIERUNGQqQëN__ hoher H

=`=““"f`e ',I

I

MTRAT- ,/ N*F'X'ERUNG Nlmırı -AssııvııLATıoN N„RA†_ kA†ıoNRsoukrıon M/ lm\

NITRIFIKATION

GRUN DWASSER

FIGUR 1: Der Stickstoffkreislauf in der Natur.

ZU >Fl1 -I2 Q-l2211

organische Stoffe (Denitrifikation). Die Reduktion von Nitrat zu Ammonium können vielePflanzen einsetzen um sich das erforderliche Ammonium als Nährstoff zu beschaffen(Nitratassimilation). Einige Bakterien, die obligat anaerob sind (dauernd kein Sauerstoffvorhanden), können Nitrat zu Ammonium reduzieren und gleichzeitig organische Stoffeoxidieren (Nitratreduktion).

In der Abwasserreinigung werden alle diese Prozesse des Stickstoffkreislaufes genutzt. Inder Schweiz von Bedeutung sind aber primär:

Die Assimilation und die Dissimilation: Nutzung und Freisetzung von Stickstoff für dasWachstum der heterotrophen Organismen, die organische Stoffe abbauen. Die Nutzungvon Stickstoff für die Assimilation kann z.B. in industriellen Abwässern zu einer Stick-stofflimmitation führen, wenn das Verhältnis CSB / N im Abwasser besonders hoch ist.

Die Nitrifikation: Die Oxidation von Ammonium via Nitrit zu Nitrat. Dieser Prozess wirdgenutzt um den flschgiftigen Ammoniak NH3 und das sauerstoffzehrende AmmoniumNH4+ in das weniger kritische Nitrat N03' umzuwandeln.

Die Denitrifikation: Die Reduktion von Nitrat zu elementarem Stickstoff erlaubt, denStickstoff aus dem Stickstoff-Kreislauf zu entziehen und ihn gasförmig in unschädlicherForm in die Atmosphäre zurückzuleiten.

5.5

Page 7: Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation in Belebungsanlagen … · 2018. 3. 6. · kation noch weitgehend. Vorerst müssen wir die Frage beantworten, wo und warum die

Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation Seite 6

3. PROZESSE DER NITRIFIKATION

ln der Nitrifikation wird Ammonium in zwei Stufen über Nitrit zu Nitrat oxidiert. Diese Oxida-tion dient zwei Gruppen von autotrophen Bakterien (Nitrosomonas und Nitrobakter) alsQuelle von Energie und Reduktionsäquivalenten zur Assimilation von C02. Die folgendenReaktionen charakterisieren die Nitrifikation:

1) NH4+ + 1.5 03 -› N03- + H30 + 2 H+ (Nitrosomonas)2) N03- + 0.5 O3 -› N03- (Nitrobakter)1)+2) NH4+ + 2 03 -› N03- + H30 + 2 H+ (Nitrifikanten)3) 2 H+ + 2 HCO3- -› 2 H20 + 2 C03 (Neutralisation)

4) 1-Ola' NH4+ + 2 O2 + 2 HCO3` -) N03' + 3 H20 + 2 CO2

5) Wachstum10 CO3 + 7 NH4+ -› 2 C5H7NO2 + 5 N03- + H30 + 12 H+Gleich. 1

Der 1. Prozess beschreibt die Oxidation von Ammonium zu Nitrit durch eine Gruppe vonBakterien mit dem Namen Nitrosomonas. Diese Bakterien sind autotroph und obligat aerob(wachsen nur in Gegenwart von Sauerstoff), sie scheiden Nitrit aus und produzieren Säure(H+), die im 3. Prozess durch Bikarbonat (HCO3-, Alkalinität) neutralisiert wird. Der 2.Prozess beschreibt, wie Nitrit durch die Bakterien der Gruppe Nitrobakter zu Nitrat oxidiertwird. Nitrobakter sind für die Überlegungen, die wir hier machen, ebenfalls autotroph undobligat aerob. Unter normalen Bedingungen ist die maximale Wachstumsgeschwindigkeitvon Nitrobakter μm, grösser als diejenige von Nitrosomonas μNS, daher wird Nitrit rasch zuNitrat oxidiert und tritt kaum in grossen Konzentrationen auf. Die Nitrifikation wird meist alsSumme der beiden Oxidationsprozesse 1) + 2) beschrieben. ln Prozess 3 wird zusätzlichnoch die Neutralisation der produzierten Säure beschrieben. In Prozess 4 werden dieProzesse 1) bis 3) zusammengefasst, so wie sie von aussen beobachtet werden können.

Das Wachstum der autotrophen Nitrifikanten (Nitrosomonas und Nitrobakter) hat zurFolge, dass CO3 zu Biomasse reduziert wird, dazu muss Ammonium zu Nitrat oxidiertwerden (Prozess 5). lm Prozess 4 sind 2 Mol 03 erforderlich um 1 Mol NH4+ zu N03- zuoxidieren, d.h. 4-16 g O3 / 14 g N03--N = 4.57 g O2 / g N. Da der Prozess 5 gleichzeitigabläuft und ebenfalls zur Bildung von N03- beiträgt, messen wir im Experiment einenSauerstoffbedarf von nur 4.33 g O3 g-1 N03--Np,°d„„e„. Die Differenz von 4.57 - 4.33 =0.24 g CSB g-1 N03--N entspricht der Blomassenproduktion in der Nitrifikation.

5.6

Page 8: Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation in Belebungsanlagen … · 2018. 3. 6. · kation noch weitgehend. Vorerst müssen wir die Frage beantworten, wo und warum die

Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation Seite 7

Belsplel 1: Ein Abwasser enthält 250 g CSB m-3, der biologisch eliminiert werden kann und 21 g NH4+-Nm'3 das nitrifiziert werden muss. Die Alkalinität des Abwassers beträgt 5 Mol m'3.

Der Abbau von 1 g CSB führt zur Bildung von 0.5 g Belebtschlamm, gemessen als CSB und verbrauchtca. 0.5 g O2.

Die Oxidation von 1 g NH4*-N zu 1 g N03'-N führt zu einer Produktion von 0.24 g CSBB;„m„„ undverbraucht 4.33 g O2

1) Vlfieviel Biomasse wird pro m3 Abwasser produziert?

250 Q m`3 ' Q CSBBí°mass9 Q4 CSBAbbau = 125 Q CSBBM-nasse ITT3

21 Q NH4+'N "T3 ` 0-24 Q CSBBiomasse Q4 Nnítrífiziert = 5 Q CSBBiomasse "T3

Total werden also 130 g m'3 Biomasse produziert, nur 4% davon sind Nitrifikanten.

2) Wieviel Sauerstoff wird für die Reinigung dieses Abwassers verbraucht?

250 g CSB m'3 - 0.5 g O2 g'l CSBAbba„ = 125 g O2 m-321 Q NH4*-N ITT3 ° 4.33 Q O2 Q`1 Nnimfizjen = 91 Q O2 m'3

Total werden also 216 g O2 m'3 verbraucht, 42% davon für die Nitrifikation.

3) Wie gross ist die Alkalinitåt des gereinigten Abwassers?

Nach Gleichung 1, Reaktion 4, werden pro Mol NH4+-N 2 Mol HCO3' verbraucht:

Restalkalinität = 5 Mol m-3 - 21 g N m-3 - 2 Mol HCO3' Mol-1 N/ 14 g N MoI'1 N = 2 Mol HCO3' m'3.

4. DIE ÖKOLOGIE DER NITRIFIKANTEN

In nitrifizierenden Belebungsanlagen müssen wir nitrifizierende Bakterien züchten und ingenügender Konzentration unterhalten, sodass das Ziel der Reinigung erreicht wird. DasZüchten von Bakterien bedingt, dass wir wissen wie diese Bakterien auf die Umweltreagieren. Als wichtigste Grösse für die nachfolgende Dimensionierung von nitrifizierendenBelebungsanlagen erweist sich die maximale Wachstumsgeschwindigkeit derjenigenOrganismen, die die Leistung der Anlage bestimmen.

Unter den Betriebsbedingungen, die in Belebungsanlagen meist vorherrschen, könnensich Nitrobakter rascher vermehren als Nitrosomonas. lm einem angenähert stationärenZustand können wir unsere Überlegungen daher auf das Verhalten von Nitrosomonasbeschränken. In Übergangsperioden (lnstationärer Betrieb, Inbetriebnahme, Belastungs-änderungen, Temperaturänderungen, Vergiftungen) ist es allerdings möglich, dassNitrobakter sich erst nach Nitrosomonas im Belebtschlamm entwickelt, weil Nitrosomonasvorerst das Substrat für das Wachstum von Nitrobakter (Nitrit, NO2') produzieren muss. Dadiese Arbeit nur den stationären Fall diskutiert, wird hier nur das Verhalten vonNitrosomonas dargestellt.

5.7

Page 9: Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation in Belebungsanlagen … · 2018. 3. 6. · kation noch weitgehend. Vorerst müssen wir die Frage beantworten, wo und warum die

Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation Seite 8

100 I I |;?` I l l I F' __

dg'liT9' .OO3 l'lSl'a6 CDO

-_ _"._ ._ 0 -

-_. 2,.,

E 6O_ WPRL (1965) __sgeschwn

r`f`kanen.O-I-\ rka0-ı-ı _'

Wachsum fürN dermaxN' lx)o

- _ _ __ O ._x _ 0.11 (T- 10)0.2 -,IX P ' 0-29° " _

__, _ 0

`-4

-ı-4

.gn

max ke C)d§._. m__ ö.. KS.- 3.-

o/0 OO5

¬:›`ı`_ I®

TEMPERATUR °C

'Ü '/°~°¬¬ ~ ' "0

f ` _ '= oownmsr`l'ka`onsrae 88<›`°

N'trf`kaonsraedi®̀ oOO0

-. 0 _ _ ı<NowLEs (1965) _- WPRL (1964) 40 15°C (MONOD)dermaxN ro4-\oo dermax

I0o 1..-

0/0O

O ts).- ;_\._ mi cp... 6°/0 O

O N›_. gg...

mg 02/1 NH;-N mg/ıFIGUR 2: Einfluss der Temperatur, des pH Wertes, der Sauerstoffkonzentration und der

Ammoniumkonzentration auf das Wachstum und die Aktivität von Nitrosomonas.

Die Aktivität von Nitrosomonas wird dominant durch die Temperatur, den pH Wert imBelebungsbecken, die verfügbare Konzentration von gelöstem Sauerstoff und demAngebot von Ammonium bestimmt. Zusätzlich müssen allfällige Hemmungen durchFällungsmittel und Rückläufe aus der Schlammbehandlung berücksichtigt werden.

ln Figur 2 sind experimentelle Resultate zusammengestellt, die den Einfluss vonverschiedenen Umweltbedingungen auf das Wachstum und die Aktivität der Nitrifikantendarstellen. Für die Dimensionierung der Nitrifikation müssen wir die maximaleWachstumsgeschwindigkeit der Nitrifikanten unter Betriebsbedingungen abschätzen, dazuwerden heute häufig die folgenden Annahmen gemacht:

A131 (1991) basiert auf der folgenden Annahme für die maximale Wachstums-geschwindigkeit von Nitrosomonas:

μmax_N5 = 0.29 d'1 ° exp[0.098'(T - 10°C)] Gleich. 2

5.8

Page 10: Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation in Belebungsanlagen … · 2018. 3. 6. · kation noch weitgehend. Vorerst müssen wir die Frage beantworten, wo und warum die

Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation Seite 9

V _ l l I I I I

" _ __. """"`__ 90°/. GRENZE

0 "`§

0.3-- O\~O0ı _

:_. 0_""< \

-.1 . \ . 1`§ O O

wAcHs†uMseescHwNockeTFKANTENpTage'.0.0N-b ~ı._`

_ n = 21 "`- r = -0.56 __ - _ _o30 O16 NH4 FRACHT FAuı_wAssER

_ I' ` ' ' ' NH4 FRACHT ABwAssER

AXMALE RNTR

9

M DE l I I I I IO I0 20 30 40 50

NH4 - FRACHT IM FAULWASSER ALS % DERNH4 -FRACHT IM ABWASSER

FIGUR 3: Hemmende Wirkung des Faulwassers auf das Wachstum der Nitrifikanten alsFunktion der Ammonium Fracht im Faulwasser. Laboıversuche mit Faulwasser derKläranlage Werdhölzli, Zürich, 1975.

Diese Wachstumsgeschwindigkeit wird nur erreicht, wenn genügend Sauerstoff (> 2 g O2m'3), ein genügender pH Wert (> 7.0), und eine genügende Ammoniumkonzentration (> 5g NH4+-N m-3) verfügbar sind und keine Hemmstoffe in die Anlage gelangen. GenaueAngaben für die Reduktion der Wachstumsgeschwindigkeit in Funktion der Umweltbeding-ungen können nicht gemacht werden. Angaben in der Literatur, die das vortäuschen,sollten nur mit Vorsicht benutzt werden. Sie können allenfalls als Schätzwerte, die mitgrossen Unsicherheiten belastet sind, in die Überlegungen einbezogen werden. Mit Hilfeder dynamischen Simulation kann eine Empfindlichkeitsbetrachtung gemacht werden, dieaufzeigt, auf welche Grössen und Störungen die Leistung einer Anlage besondersempfindlich reagiert.

Ein wichtiger Faktor, der die Unsicherheiten bei der Beurteilung der effektivenWachstumsgeschwíndigkeiten der Nitrifikanten dominiert, ist die Grösse derBelebtschlammflocken. Stoffe gelangen v.a. mit molekularer Diffusion ins Innere dieserFlocken, daraus ergibt sich, dass die Verhältnisse in der unmittelbaren, mikroskopischenUmgebung der Bakterien ganz anders sein können, als wir uns das auf Grund unserermakroskopischen Überlegungen vorstellen. ln Laborversuchen stellen sich ev. als Folgevon anderen Durchmischungsbedingungen (Scherkräften) andere Flockengrössen ein; dieÜbertragbarkeit der Resultate in die grosstechnische Anwendung ist daher nur mit Vorsichtmöglich.

Erfahrungen in grosstechnischen Anlagen zeigen, dass die Zugabe von zweiwertigemEisen Fe2+ für die simultane Fällung von Phosphor zu einer Hemmung der Nitrifikantenführen kann. A131 schlägt daher vor, die maximale Wachstumsgeschwindigkeit der

5.9

Page 11: Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation in Belebungsanlagen … · 2018. 3. 6. · kation noch weitgehend. Vorerst müssen wir die Frage beantworten, wo und warum die

Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation Seite 10

Nitrifikanten beim Einsatz von Fe2+ um 10% zu verringern (respektive das erforderlicheSchlammalter entsprechend zu vergrössern).

Rückläufe aus der Schlammbehandlung können das Wachstum der Nitrifikanten hemmen.ln Figur 3 ist der Effekt einer zunehmenden Rückführung von Faulwasser aus derSchlammfaulung dargestellt (Es.ist nicht das Ammoniumim Faulwasser, das die Nitrifikan-ten hemmt, dieses wird nur stellvertretend für die unbekannten Hemmstoffe betrachtet). Daheute das Faulwasser meist vorerst gestapelt wird und zu Zeiten in die Anlage zurückge-führt wird, wenn die Nitrifikanten Leistungsreserven haben (z.B. während Nachtstunden),kann dieser Effekt meist unberücksichtigt bleiben.

BEISPIEL 2: Wie gross ist die maximale Wachstumsgeschwindigkeit der Nitrifikanten μ,„„_N, in einerBelebungsanlage, mit den folgenden Betriebsbedingungen:

- Längsdurchströmtes Belebungsbecken- Betriebstemperatur 9'C- Simultanfällung mit FeSO.,- Der pH Wert entlang des Belebungsbeckens nimmt von anfänglich 7.1 auf minimal 6.8 ab.- Der gelöste Sauerstoff nimmt entlang des Beckens von 1.5 bis 3 g O2 rrrfl zu.- Die maximale Ammoniumkonzentration im Ablauf soll 2 g NH4+-N m'3 nie überschreiten (Stichprobe)- Faulwasser wird nur in der Nacht, bei Leistungsreserven zurückgeführt.

Aus Gleichung 2 ergibt sich μ„,„_N, = 0.29-exp(0.098-(9-10)) = 0.26 d-1

Für Simultanfällung mit Fe2+ wird ein Abzug von 10% gemacht: μ,„„_N„ = 0.26 di/1.1 = 0.24 dl.

Die Veränderungen des pH Wertes und des gelösten Sauerstoffes wirken entgegengesetzt. BeideAngaben liegen im Bereich, in dem noch gute praktische Erfahrungen vorliegen, es wird daher keinezusätzliche Korrektur vorgenommen.

Bei einer Ammoniumkonzentration von maximal 2 g N m3 erreichen die Nitrifikanten ihre volleLeistungsfähigkeit nicht, allerdings liegt die Ammoniumkonzentration am Anfang des Belebungsbeckensnoch höher. Eine Reduktion der maximalen Wachstumsgeschwindigkeit um ca. 20% ist angezeigt, sofemdie Einleitbedíngung sich ausdnicklich auf die Tagesspitze bezieht. Ein Tagesmittelwen von 2 g Nl-14+-Nm-3 könnte voraussichtlich ohne diesen Zuschlag eingehalten werden.

Das Faulwasser wird nur in Zeiten von Leistungsreserven in die Anlage zurückgeleitet, eine Hemmungder Nitrifikation hat dann nur geringe Auswirkungen.

Für die weiteren Berechnungen wird der Wert von μ„,a„_N, = 0.24 di/1.2 = 0.2 di benutzt. Für dieEinhaltung von 2 g NH4+-N m-3 im Tagesmittel könnte der Wert von 0.24 dl venuendet werden.

Dieses Beispiel soll aufzeigen, dass bei der Abschätzung der maximalen Wachstumsgeschwindigkeit derNitrifikanten ein Ermessensspielraum besteht. Leider wirkt sich dieser Spielraum sehr direkt auf dasberechnete erforderliche Volumen des Belebungsbeckens aus. Es scheint daher sinnvoll, hier ohneReserven zu rechnen und zum Schluss allfällige Sicherheitsreserven auszuweisen.

Die heutigen differenzierten Anforderungen an die Leistung der Kläranlagen lassen sich mit statischenBetrachtungen nicht mehr zufriedenstellend erfüllen. Die dynamische Simulation kann aufzeigen, aufwelche Grössen und Randbedingungen die Leistung der Anlage besonders empfindlich reagiert.

5.10

Page 12: Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation in Belebungsanlagen … · 2018. 3. 6. · kation noch weitgehend. Vorerst müssen wir die Frage beantworten, wo und warum die

Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation Seite 11

5. VERFAHRENSTECHNIK DER NITRIFIKATION

Die Dimensionierung einer nitrifizierenden Belebungsanlage basiert auf der Wahl eineserforderlichen Schlammalters, das eingehalten werden muss um die Nitrifikation zugewährleisten. Das gewählte Schlammalter muss der folgenden Gleichung genügen:

SF = μmax'Ns ' ex 3

Mit SF = Ein dimensionsloser 'Sicherheitsfaktor' [-]OX = Schlammalter, das der Dimensionierung zu Grunde liegt [d]μ„,aX,NS = Maximale Wachstumsgeschwindigkeit von Nitrosomonas unter

kritischen Betriebsbedingungen [d-1]Die Wahl des erforderlichen 'Sicherheitsfaktors' SF wird in Kapitel 5.2 diskutiert, dieGrundlagen für die Abschätzung von μmams wurden in Kapitel 4 vorgestellt (Siehe auchBeispiel 2), das Schlammalter GX wird in Kapitel 5.1 diskutiert.

BEISPIEL 3: Wie gross wird das Dimensionierungsschlammalter für die Anlage, derenBetriebsbedingungen in Beispiel 2 charakterisiert sind?

Nach Beispiel 2: μ„,„_„, = 0.2 d~1.

Der erforderliche Sicherheitsfaktor wurde zu SF = 2.3 bestimmt.

Aus Gleichung 3 folgt: ex = SF/μ„„„_Ns = 11.5 d.

5.1. Das Schlammalter

Die Einführung des Schlammalters als wichtige Dimensionierungsgrösse für nitrifizierendeBelebungsanlagen kann mit Hilfe von Massenbilanzen theoretisch begründet werden. Esist nicht Aufgabe dieser Arbeit die Grundlagen zur Bilanzierung von Belebungsanlagen zuvermitteln.

Das Schlammalter drückt aus, wie lange eine Belebtschlammflocke im Durchschnitt ineinem Belebtschlammsystem venıveilt, bevor sie das System im Ablauf oder imÜberschussschlamm verlässt. Ein Schlammalter kann nur sinnvoll definiert und berechnetwerden, wenn während einer Periode von mehreren Schlammaltern die Betriebsbe-dingungen stabil und angenähert stationär sind. Es ist üblich (und sinnvoll), dasSchlammalter nur auf den Verbleib im Belebungsbecken zu beziehen und den Schlammim Schlammbett des Nachklärbeckens zu vernachlässigen.

lm angenähert stationären Zustand kann das Schlammalter im Betrieb berechnet werdenaus:

5.11

Page 13: Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation in Belebungsanlagen … · 2018. 3. 6. · kation noch weitgehend. Vorerst müssen wir die Frage beantworten, wo und warum die

Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation Seite 12

eX=

Mit exTSBBVsaQüsTsüsQTs,

TSBB ' VBBGleich. 4

lm instationären

QÜS'TSÜ3 + Q°TSeSchlammalter [d]Konzentration des Belebtschlammes im Belebungsbecken [g TS m'3]Volumen des Belebungsbeckens [m3]Menge des Überschussschlammes [m3 d'1]Konzentration des Überschussschlammes [g TS m'3]Durchfluss von Abwasser durch die Anlage [m3 d'1]Konzentration von suspendierten Stoffen im Ablauf [g TSS m~3]Betrieb, wenn TSBB und QÜS von Tag zu Tag stark variieren, ist die

Berechnung des Schlammalters wenig sinnvoll!

Für die Dimensionierung einer Anlage für ein bestimmtes Schlammalter muss auf dieSchlammproduktion SP abgestellt werden (Siehe dazu Kapitel 11, Seite 34). Mit derAnnahme, dass im Durchschnitt die Produktion von Belebtschlamm dem Verlust vonSchlamm entspricht ergibt sich:

SP = QÜ3'-FSÜS + Q'-I-Se

und

TSBB'VBBGX = i-- Gleich. 5

SP

Mit SP = Schlammproduktion [g TS d'1]Wird das Schlammalter als Dimensionierungsgrösse verwendet, so muss zur Abschätzungder Schlammproduktion eine zugehörige Belastung der Anlage und eine zugehörigeBetriebstemperatur festgelegt werden. In der Schweiz ist es heute üblich, die Belastung,die an 80% der Tage nicht überschritten wird, als Grundlage für die Dimensionierung zuvenıvenden. Diese Wahl geht auf die Regel zurück, dass Grenzwerte (Einleitbedingungen)in 4 von 5 Proben eingehalten werden müssen (Entsprechend den Anforderungen inDeutschland geht A131 von einer etwas anderen Belastungssituation aus.). Mit dieserWahl der Belastung ergibt sich im Betrieb typisch ein Schlammalter, das im Mittel um ca.25% grösser ist als der Dimensionierungswert.

5.12

Page 14: Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation in Belebungsanlagen … · 2018. 3. 6. · kation noch weitgehend. Vorerst müssen wir die Frage beantworten, wo und warum die

Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation Seite 13

Beispiel 4: ln einem Belebungsbecken mit VBB = 1000 m3 wird die Konzentration TSBB = 3000 g TS m4gemessen. Der Durchfluss beträgt Q = 2500 m3 d-1, dieser enthält im Ablauf des Nachklärbeckens nochTS, = 10 g TSS ma. Der Überschussschlamm QL-,S = 100 m3 d-1 wird direkt aus dem Belebungsbeckenabgepumpt (Also TSÜS = TSBB = 3000 g TS m3).

Wie gross ist das Schlammalter 6x dieser Anlage?

Nach Gleichung 4 wird:

OX = 1000-3000 / (100'3000 + 2500°10) = 9.23 d.

Wenn der Überschussschlamm direkt aus dem Belebungsbecken abgezogen wird, so kann vereinfachtdas Schlammalter mit VEB/QÜS = 10 d abgeschätzt werden. Der Verlust von Belebtschlamm im Ablauf desNachklärbeckens verringert dieses Schlammalter um ca. 10%.

Beispiel 5: Eine Belebungsanlage soll für ein Schlammalter von l-lx = 10 Tagen beiDimensionierungsbelastung (80% Wert) unter Winterbedingungen (10'C) dimensioniert werden.

Die zulässige Belebtschlammkonzentration TSBB wird auf Grund der Dimensionierung desNachklärbeckens auf 3500 g TS n†° geschätzt.

Die Schlammproduktion wird zu SP = 750'000 g TS di berechnet (Kapitel 11).

Wie gross wird das erforderliche Volumen des Belebungsbeckens?

vB., = ex - SP/ TSB., = 10 - 7so'ooo / 3'500 = 2140 ma

5.2. Der erforderliche 'Sicherheitsfaktor'

Der erforderliche 'Sicherheitsfaktor' SF für eine nitrifizierende Belebungsanlage ist primärabhängig von der Variation der Belastung der Anlage mit Ammonium. Der'Sicherheitsfaktor' gibt an, wieviel mehr Ammonium der Belebtschlamm im Maximumnitrifizieren kann als er im Tagesdurchschnitt nitrifiziert. Massgebend für die Wahl desSicherheitsfaktors ist die Spitzenbelastung der Anlage mit Ammonium, typisch wird eineBelastungsspitze gewählt, die täglich während ca. 2 Stunden auftritt (basierend auf einerTagesganglinie mit 2 Stunden Sammelproben, Figur 4). Beispiel 6 zeigt, dass trotz langenhydraulischen Aufenthaltszeiten in nitrifizierenden Belebungsanlagen bereits sehr kurzeBelastungsspitzen einen grossen Effekt auf die Ablaufkonzentration haben können. Figur 5zeigt den raschen Anstieg der Ammoniumkonzentration als Folge der zunehmendenBelastung in den Morgenstunden.

Die Tagesganglinien der Ammoniumfracht in Figur 4 zeigen, dass mit abnehmenderGrösse des Einzugsgebietes die Extremwerte der Belastung zunehmen. Mit zunehmenderAufenthaltszeit des Abwassers in der Kanalisation wird in grossen Städten die Belastungausgeglichen. In Figur 6 sind gemessene Extremwerte der Tagesganglinien in Funktionder Grösse des Einzugsgebietes (Mittlere Ammoniumfracht) zusammengestellt.

5.13

Page 15: Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation in Belebungsanlagen … · 2018. 3. 6. · kation noch weitgehend. Vorerst müssen wir die Frage beantworten, wo und warum die

Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation Seite 14

300

280 _

GESMTTELS

_ 260 _

240 _

220 _

200 _

ISO _

l60_

140 _

120 _

100 _

NH4-FRACHTN%DESTA80_

RELATVE20_

ıllllllllll

GO

- “°E_I__r-

TAGESMTTELS

WINZERHALDEFmmı = |3 aug NH.,-N/Tag _

N%DES

NH4-FRACHT

RELATVE

FIGUR 4: Tagesganglinie der Ammoniumfracht in 2 Stundenintervallen. Links Werte aus

IIIIIIIIIIIo24saıoı2l4ıs1a2o2224

UHRZEIT

Illll

WERDHÖLZLI

180 _

160 _

140 _

120 _

100 _

B0

G0 _

40 _

20 _

I I I I I I

man = zsoo lg NH4- N/mg

UHRZEIT

einem Quartier der Stadt Zürich, rechts Zulauf zur Kläranlage Werdhölzli.

IIIIIIIIIIo24ssıoı2ı4ısıs2o22

I I I I I I I I I l I I I l I I I I

20

LAUF -Nmg/ ö51O7

22.4. 75 23. 4. 75 24. 4. 75 25.4.75

ABLAUFVKB

ABLAUF BB

wa

ZUNH4

ÖOU1 kn G3 §5- &__. ı\›C ro -Ã-\ ß-_ (1) §1- 35 roC) roJ-\ -3-\ @

|\| 'B -'ION7-5-\

FIGUR 5: Ammoniumkonzentration im Zulauf und im Ablauf einer nitrifizierenden,

1216 20 24 4 812 UHR

I24

ABLAUFBELUFTUNGSBECKEN

N|'I4“NITIQ/

volldurchmischten Belebungsanlage. Um den raschen Einfluss der zunehmendenBelastung in den Morgenstunden aufzuzeigen, wurden die Ablaufproben direkt imAblauf des Belebungsbeckens gezogen.

Damit im Belebungsbecken die Tagesspitzen nitrifiziert werden können, muss derSicherheitsfaktor mindestens entsprechend dem Verhältnis der maximalen zur mittlerenAmmoniumfracht gewählt werden. Figur 6 gibt einen ersten Anhaltspunkt für die Wahl deserforderlichen Sicherheitsfaktors. Da dieser Faktor aber massgebend die erforderlicheGrösse des Belebungsbeckens (oder die im Betrieb erreichte Leistung) bestimmt, solltenimmer Messungen von mehreren Tagesganglinien gemacht werden. Diese Daten sind dıeBasis für die genauere Dimensionierung und Gestaltung der Anlage.

5.14

Page 16: Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation in Belebungsanlagen … · 2018. 3. 6. · kation noch weitgehend. Vorerst müssen wir die Frage beantworten, wo und warum die

Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation Seite 15

.--1I___.

VERHALTNSDEREXTREMEN(211)

ZURMTTLEREN(24h)NH4-FRACHT

N)O0-I-\Lf|

1.1III

II III'I0

trfIIII .I-1- .00

'' ' ""_'4.0-3.0- -------_ 90°/„GRENZE -_ __ " -~____..20 @êš_=337.I:-008 f

Fmim ' mıttl.1.0 --------------------------------_

_ = 0.17~ FM -. _.' ' . 4...._ : mıttl. .. .di 17* :.r._L________

-'† _'------_“""'ê0°/„ GRENZE _1 __.--_„_--__ O____.._

_ I „I , I „ „ „ll0'110 100 1000 10'000

1/HTTLERE (2411) AMM0NıuM FRACHT (1911/<1]FIGUR 6: Verhältnis der extremen zur mittleren Ammoniumfracht in Funktion der mittleren

Fracht. Grundlage sind Tagesganglinien mit 2 Stunden Sammelproben in 7 kompaktenEinzugsgebieten.

Belsplel 6: Ein volldurchmischtes Belebungsbecken mit VEB = 2000 m3 wird in den Nachtstunden mit3000 m3 d-1 Abwasser belastet, das 10 g NH;-N ma enthält. lm Ablauf wird eine Konzentration von 1 gNH„+-N m-3 gemessen. Die morgendliche Belastungsspitze des Abwassers venırsacht im Zulauf eineKonzentration von SNH1„ = 25 g NH4+-N m3 bei einer Wassermenge von 5000 m3 d-1.

Wie lange dauert es bis die Konzentration von NH„+ im Becken von 1 auf 2 g N m3 angestiegen ist, wenndie Leistungsfähigkeit (Abbauleistung) des Belebtschlammes nicht zunimmt?

(Vereinfachte Berechnung)

In die Anlage gelangen (Morgen): Q ~ SNH„z„ = 5000 - 25 = 125'000 g N diAbgebaut werden (Nacht): O ~ (SNH„,„ - SNH_„„) = 3000 - (10 - 1) = 27'000 g N d-1lm Ablauf verloren gehen: Q - (Mittel von SNH„„b) = 5000 - (1 + 2) / 2 = 7'500 g N d-1lm Becken gespeichert werden: Zulauf - Abbau ~ Ablauf = 125'000 - 27'000 - 7500 = 90'500 g N d'1

Für die Zunahme von 1 auf 2 g NH4,-N mit im Becken sind VBB - (2 - 1) = 2'000 g N erforderlich. Diesewerden in 2'000 g N / 90'500 g N di = 0.022 d = 30 min nachgeliefert.

Obwohl die mittlere hydraulische Aufenthaltszeit während den Tagesstunden im Belebungsbecken ca. 10Stunden beträgt, reagiert die Ammoniumkonzentration sehr rasch (30 min) mit einer Verdoppelung derKonzentration.

Die Variation der Stickstofffracht im Zulauf zur Anlage wird massgebend beeinflusst durchden Zeitpunkt der Rückführung der Rückläufe aus der Schlammbehandlung. InKläranlagen mit Schlammfaulung und Faulschlammentwässerung kann der Stickstoff-gehalt des Faulwassers und des Filtrates der Entwässerung bis zu 15% der zulaufendenStickstofffracht ausmachen. Wird diese Fracht nur an Werktagen in die Anlage zurück-

5.15

011 _ 1

Page 17: Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation in Belebungsanlagen … · 2018. 3. 6. · kation noch weitgehend. Vorerst müssen wir die Frage beantworten, wo und warum die

Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation Seite 16

geleitet, so vergrössert sich der Anteil auf 15% - 7 / 5 = 21%. Damit die Anlage währendden Tagesstunden nicht mit Ammonium überlastet wird, müssen diese Rückläufe währendder Nacht, möglichst verteilt auf die ganze Woche, zurückgeleitet werden. Das bedingt denBau von Stapelbecken für diese Rückläufe. Eine genaue Abschätzung derStickstofffracht in den Rückläufen erfordert eine genaue Kenntnis des gewähltenSchlammbehandlungsverfahrens. Sie ist immer erforderlich! Die optimaleBewirtschaftung der Rückläufe wird vorteilhaft mit Hilfe der dynamischen Simulationoptimiert.

Beispiel 7: Eine Belebungsanlage soll das Abwasser von 20'000 Einwohnern nitrifizieren. Pro Einwohnerfallen ca. 7 g NH„+-N d-1 an.

Wie gross ist der erforderliche 'Sicherheitsfaktor' für diese Anlage?

FM„„, = 20'000 E - 0.007 kg N E-1 di = 140 kg N di.

Nach Figur 6 wird SF > 3.37 - FM,„„„-°-0° = 2.3

5.3. Reaktorgestaltung: Längsdurchströmter ReaktorDas Belüftungsbecken, in dem nitrifiziert wird, soll längsdurchströmt gestaltet werden. Dashat den Vorteil, dass am Kopfende des Beckens die Nitrifikation bei hoher Ammonium- undBikarbonat-Konzentration (pH), d.h. mit hoher Geschwindigkeit ablaufen kann. DieRestkonzentrationen im Ablauf des Beckens werden dadurch vermindert. Der Nachteildieser Reaktorgestaltung ist, dass der Sauerstoffverbrauch entlang des Beckens variiertund entsprechend der Sauerstoffeintrag angepasst werden muss. Der Tagesgang desSauerstofibedarfes entlang solcher Becken wird heute mit Vorteil durch dynamischeSimulation abgeschätzt.

Ein längsdurchströmtes Becken kann entweder als Serie-Schaltung von mehreren Becken-teilen (2 - 4 gleich grosse Becken) oder als Umlaufbecken gestaltet werden. Umlaufbeckenmit kurzen Umlaufzeiten (wenige Minuten) verhalten sich in Bezug auf die Nitrifikationangenähert wie volldurchmischte Becken. Die Beckengestaltung hat ein grossen Effekt aufdie Eindickeigenschaften des Belebtschlammes (Selektor-Effekt), sie muss im Hinblickdarauf überprüft werden.

BEISPIEL 8: In einem vollständig belüfteten Belebungsbecken mit einem Volumen von V = 1000 m'*werden Q = 3000 m3 d-1 Abwasser mit einem Ammoniumgehalt von CNN = 20 gN rrrfi nitrifiziert. DasBelebungsbecken ist als Umlaufbecken mit einer Umlaufzeit von 5 Minuten gestaltet.

Wie viel Ammonium wird pro Umlauf nitrifiziert?lm Belebungsbecken werden O-CNH, I V = 60 gN m3 d-1 nitrifiziert. Pro Umlauf (5 Min) macht das 60 - 5/1440 = 0.2 gN mit aus. Die Gradienten der Ammoniumkonzentration entlang des Beckens sind also sehrklein. Effektiv sind die Gradienten meist etwas grösser, weil die Anlagen mit Leistungsreserven gebautwerden.

5.16

Page 18: Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation in Belebungsanlagen … · 2018. 3. 6. · kation noch weitgehend. Vorerst müssen wir die Frage beantworten, wo und warum die

Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation Seite 17

BEISPIEL 9: ln einem vollständig belüfteten Belebungsbecken mit einem Volumen von V == 1000 nf*werden Q = 3000 m3 d-1 Abwasser mit einem Ammoniumgehalt von CNH4 = 20 gN m¬'i nitrifiziert. DasBelebungsbecken ist in drei gleiche Teile aufgeteilt, die Menge des Rücklaufschlammes ist gleich demZulauf (R = O).

Wie gross sind die Ammonium Konzentrationen in den einzelnen Becken, wenn die Anlage vollständignitrifiziert (Ablauf CNH„ = 0) und in allen drei Becken gleich viel nitrifiziert wird?

Der Zulauf zum 1. Becken wird durch den Rücklaufschlamm auf 10 g„rrr3 verdünnt. In den drei Beckenergibt sich eine Abnahme der Ammoniumkonzentration um je 33%, also: C, = 6.7 gN m3, C2 = 3.3 gN m3,C3 = 0 gN rrr3.

Die Gradienten der Ammoniumkonzentration entlang des Beckens sind also recht gross (Vergleichevorhergehendes Beispiel), in Wirklichkeit sind sie noch grösser als hier berechnet, weil Leistungsreservenin die Anlage eingebaut werden müssen, die zu einer schnelleren Nitrifikation führen.

5.4. Minimierung der Nitrit Konzentration im Ablauf.

Nitrit ist ein Zwischenprodukt sowohl der Nitrifikation als auch der Denitrifikation. Häufigkönnen durch die Nitrifikation kleinere Restkonzentrationen von Nitrit erreicht werden alsdurch die Denitrifikation. Es soll daher darauf geachtet werden, dass die letzte Reinigungs-phase im Belebungsbecken (vor dem Ablauf zum Nachklärbecken) eine aerobeNitrifikationsphase ist.

In einer nitrifizierenden Belebungsanlage, in der die beiden Gruppen der Nitrifikanten imGleichgewicht sind, gilt: Je geringer die Ammoniumkonzentration ist, desto geringer ist alsFolge der Nitrifikation die Restkonzentration von Nitrit. D.h., dass grosse Schlammalterund längsdurchströmte Nitrifikationsbecken die Tendenz haben die Nitritkonzentration imAblauf zu vermindern. Heute fehlen uns gute Modelle, die erlauben würden eine genaueVoraussage der Nitritkonzentration im Ablauf von Belebungsanlagen zu machen.

lm Allgemeinen können wir in sorgfältig gestalteten und betriebenen Belebungsanlagenden heute in der Schweiz gültigen Grenzwert für Nitrit (0.3 g NO2'~N m-3) gut einhalten. Inüberlasteten Anlagen, oder Anlagen deren Betrieb gestört ist (O2 Mangel, Störungen durchZulauf, Inbetriebnahme, instationärer Betrieb) können extrem hohe Nitritkonzentrationenauftreten.

Allgemein gilt, dass im Sommer die Nitritkonzentrationen höher sind als im Winter; dasgeht darauf zurück, dass zunehmende Temperatur das Wachstum von Nitrosomonas mehrbeschleunigt als dasjenige von Nitrobakter.

6. DIMENSIONIERUNG DER NITRIFIKATION

Als Ziel der Nitrifikation wird heute meist eine mittlere (Tagesmittelwert) oder eine maxi-male (Tagesspitzenweft) Ammoniumkonzentration im Ablauf der Anlage spezifiziert, diebei einer bestimmten Temperatur mit einer festgelegten Häufigkeit nicht überschrittenwerden darf. Diese Vorgabe ist zwar wichtig, in der Dimensionierung der Anlage können

5.17

Page 19: Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation in Belebungsanlagen … · 2018. 3. 6. · kation noch weitgehend. Vorerst müssen wir die Frage beantworten, wo und warum die

Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation Seite 18

wir aber nicht unterscheiden zwischen einer mittleren Ablaufkonzentration von 1 oder 2 gNH4+-N m-3. Einerseits reicht die Genauigkeit unserer Dimensionierungsmodelle dazunicht aus, andererseits können Details in der Gestaltung und im Betrieb der Anlage einengrösseren Unterschied in der mittleren Leistung der Anlage verursachen. Die dynamischeSimulation der projektierten Anlage kann uns Hinweise geben, wie diese Gestaltung oderder Betrieb verbessert- werden könnte.

Wenn die Dimensionierung auf die Begrenzung der maximalen Ammoniumkonzentrationausgelegt werden soil (Tagesspitzenwert) müssen die Durchmischungsbedingungen imBelebungsbecken und insbesondere auch im Nachklärbecken mit in die Überlegungeneinbezogen werden. Grosse durchmischte Volumen haben die Tendenz, die extremenKonzentrationen auszugleichen.

Die folgenden Angaben zur Dimensionierung der Nitrifikation können deshalb nurRichtwerte darstellen, die z.T. mit Betriebserfahrungen erhärtet werden müssen oder diedurch Simulation der geplanten Anlage verfeinert werden können.

Für die Dimensionierung einer nitrifizierenden Belebungsanlagen kann z.B. wie folgtvorgegangen werden:

SCHRlT'l' 1: Festlegung der Abwasser-Zusammensetzung, der Einleitbedinungenund der Dimenslonlerungsfrachten.

Die minimalen Angaben sind ähnlich denjenigen bei der Dimensionierung einerdenltrifizierenden Anlage (Siehe Tabelle 3, Seite 28), viele Erfahrungswerte für die Produk-tion von Belebtschlamm und den Verbrauch von Sauerstoff beziehen sich aber auf denBSB5, daher werden hier auch die Angaben bezogen auf diesen Parameter gefordert.

Massgebend für die Dimensionierung sind diejenigen Frachten, die an 80% der Tage (inkl.Wochenende) unterschritten werden. Wenn im Winter geringere Frachten anfallen, sosollten verschiedene Lastfälle bei verschiedenen Temperaturen definiert werden. inTabelle 1 sind die minimal erforderlichen Angaben zusammengestellt. Es macht wenigSinn, mit der Dimensionierung zu beginnen, wenn nicht mindestens diese Angabenverfügbar sind.

SCHRITT 2: Abschätzung der maximalen Wachstumsgeschwindigkeit derNitrifikanten unter Betriebsbedingungen.

Das Vorgehen zur Abschätzung der Wachstumsgeschwindigkeit wurde in Beispiel 2. Seite10, erläutert. Es resultiert μ„,_„,Ns.

SCHRl1T 3: Abschätzung des minimal erforderlichen Schlammalters.

Der minimal erforderliche 'Sicherheitsfaktor' SF beträgt ßNH4 (Siehe Tabelle 1). AusGleichung 3 ergibt sich das minimal erforderliche Schlammalter zu:

5.18

Page 20: Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation in Belebungsanlagen … · 2018. 3. 6. · kation noch weitgehend. Vorerst müssen wir die Frage beantworten, wo und warum die

Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation Seite 19

eX,min = ßNH4 / μmax,Ns

Sofern der Wert von 9X_„„„ kleiner ist als der Wert in Tabelle 2, sollte nur mit gutem Grundder kleinere Wert akzeptiert werden.

Nun muss das Dimensionierungsschlammalter (-ini, > 0X,m(„ gewählt werden.

TABELLE 1: Minimale Charakterisierung des Abwassers für die Dimensionierung einernitrifizierenden Belebungsanlage. Die Symbole werden in den nachfolgendenmathematischen Gleichungen verwendet. Alle Werte beziehen sich auf 24 StundenMittelwerte und sind mindestens für die Dimensionierungsbelastung (in der Schweiztypisch 80% Werte) zu erarbeiten.

Zulauf Ablauf Einheit

Zufluss Wassermenge QTemperatur T

QT

m3 d-1

'C

Suspendierte Stoffe (0.45 μm) TS0BSB5 BSBO

oder CSB,°,a| CSB0und CSBg„|ös,_(„e„ (nicht abbaubar) Sl,e

g TSS m°3Q O2 m`3

g CSB m-3g CSB m~3

Totaler Kjeldahl Stickstoff C†KN_02lAmmonium Stickstoff (NH4+ + NH3-N)Rückbelastung aus der Schlammbehandlung o1†KN3)Variation der Ammoniumbelastung im Tagesgang ßNH44i

SNH,e1)gNm-3gNm'3

Totaler Phosphor Cp_°Gelöster Phosphor SP,0

gPm-3gPm-3

AI SA|_K_0 Mol m-3

Stunden Mittelwert definiert.

werden.

Mittelwert.

1) Dieser Weft wird je nach Vorflut und Situation als Tagesspitzenwert oder als 24

2) Dieser Wert soll ohne Rückbelastung aus der Schlammbehandlung angegeben

3) 01†KN = Anteil des totalen Kjeldahl Stickstofies, der am Dimensionierungstag aus derSchlammbehandlung in die Anlage zurückgeleitet wird (100% = Q - (>rKN„0)

4) Spitzenwert der Ammoniumfracht während 2 Stunden dividiert durch 24 Stunden

5.19

Page 21: Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation in Belebungsanlagen … · 2018. 3. 6. · kation noch weitgehend. Vorerst müssen wir die Frage beantworten, wo und warum die

Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation Seite 20

TABELLE 2: Minimale Schlammalter (-lx in Tagen bei Dimensionierungsbelastung inAbhängigkeit des Reinigungszieles. Angaben nach A131, für Einleitbedingungen wie siein Deutschland üblich sind. EW = Einwohnerwerte.

Reinigungsziel Grösse der Anlage< 20'000 EW > 100'000 EW

Abwasserreinigung ohne Nitrifikation 5 4

Abwasserreinigung mit Nitrifikation 10 8(Bemessungstemperatur 10°C)

Abwasserreinigung mit Nitrifikation und Denitrifikation (Bemessungstemperatur 10°C)VD / VBB = 0.2 12 10

0.3 13 110.4 15 130.5 18 16

Abwasserreinigung mit Nitrifikation, 25 nichtDenitrifikation und Schlammstabilisierung empfohlen

Weiteres Vorgehen:

Sofern die Anlage denitrifizieren soll, kann nun mit bekanntem Bm, in die Dimensionierungder Denitrifikation eingestiegen werden (Kapitel 10, Seite 26).

Soll die Anlage nur nitrifizieren, so kann nun die Schlammproduktion SP auf der Basis derDimensionierungsbelastung und unter Berücksichtigung einer allfälligen Phosphorelimina-tion berechnet werden (Kapitel 11, Seite 34). Daraus ergibt sich nach Wahl der zulässigenBelebtschlammkonzentration TSBB das erforderliche Volumen des Belebungsbeckens VBB.Angaben zum Sauerstoffbedarf sind in Kapitel 12 zusammengestellt. Die Restalkalinitätund der resultierende pH Wert im Belebungsbecken können mit den Angaben in Kapitel 13abgeschätzt werden. Wenn der resultierende pH Wert deutlich unter 7.0 liegt, so muss dieBerechnung mit einem geringeren μ„,a„,Ns wiederholt werden oder mit Hilfe von Denitrifika-tion oder Chemikalien die Restalkalinität erhöht oder mit Hilfe einer anderen Beiüftungsein-richtung (weniger O2 Ausnutzung) das CO2 effizienter gestrippt werden.

7. HEMMUNG DER NITRIFIKATION

Die Nitrifikation kann durch eine Reihe von Umweltfaktoren gehemmt, d.h. verlangsamtwerden und als Folge nur unvollständig ablaufen:

- Geringe Temperatur: Dieser 'Lastfall' wird im Rahmen des Voraussehbaren bereits inder Dimensionierung berücksichtigt.

5.20

Page 22: Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation in Belebungsanlagen … · 2018. 3. 6. · kation noch weitgehend. Vorerst müssen wir die Frage beantworten, wo und warum die

Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation Seite 21

Nellowachslumsgeschwındıgkeil (Temp 10°C)PN [1/Tag]

0 3*-

0 25- I -

0 2-

0 15 _

0.1-

0.05 _

0 _ı_ı_I_í>0.0 es 1.0 1.5 pH

FIGUR 7: Einfluss des pH Wertes im Belebungsbecken auf die maximaleWachstumsgeschwindigkeit der Nitrifikanten (Schwager und Gujer, VSAVerbandsbericht Nr. 348, 1987).

- Extreme des pH Wertes: Die beiden Gruppen von nitrifizierenden Mikroorganismenreagieren unterschiedlich auf extreme pH Werte (hohe und tiefe). Sowohl die maximaleWachstumsgeschwindigkeit μmax als auch der Sättigungsbeiwert Ks (Monod Kinetik) derBakterien ist abhängig vom pH Wert.

- Abwasserinhaltstoffe z.B. aus lndustriebetrieben können das Wachstum von Nitrifikan-ten verlangsamen, eine generelle Aussage ist nicht möglich.

- Hemmstoffe können auch in der Kläranlage selbst produziert werden (z.B. in derSchlammbehandlung oder direkt im Belebungsbecken, z.B. im Zuge der Denitrifikation).Details sind nur schlecht dokumentiert.

in kommunalen Kläranlagen ist es mit Ausnahme der bekannten Hemmung durch Zugabevon Fällmitteln und ev. geringem pH Wert wenig sinnvoll, die Hemmung des Wachstumsder Nitrifikanten in der Dimensionierung der Anlagen zu berücksichtigen, weil dieGrössenordnung der Hemmung kaum zuverlässig bestimmt werden kann und sich zudemlaufend ändern wird. Es ist aber erforderlich, dafür zu sorgen, dass Hemmungen nichtauftreten! Dazu sind Massnahmen an der Quelle (industrie und Gewerbe) zu ergreifenund die Verfahren so zu gestalten, dass der pH Wert nicht zu gering wird (Art derBelüftungseinrichtung, Denitrifikation).

7.1. Hemmung durch geringen pH Wert

Die Hemmung der Nitrifikation durch geringen pH Wert wird in Figur 2 dargestellt.Langzeitversuche im Labor, mit Belebungsanlagen, die mit erhöhtem CO2 Anteil in der Luftbegast wurden, haben zu den Resultaten geführt, die in Figur 7 dargestellt sind. Derbeobachtete Effekt ist etwas geringer als die Resultate in Figur 2.

5.21

Page 23: Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation in Belebungsanlagen … · 2018. 3. 6. · kation noch weitgehend. Vorerst müssen wir die Frage beantworten, wo und warum die

Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation Seite 22

7.2. Hemmung durch Faulwasser

Die Hemmung der Nitrifikation durch Faulwasser ist experimentell beobachtet worden(Figur 3). Wird der ausgefaulte Schlamm entwässert und wird zusätzlich Fremdschlammauf die Anlage angeliefert, so kann dieser Effekt sehr bedeutend sein. EinWirkungsmechanismus ist nicht bekannt.

Diese Hemmung hat vermutlich eine vernachlässigbare Wirkung, wenn die Rückbelastungnur während schwachbelasteten Zeiten in die Anlage zurück gelangt.

7.3. Hemmung durch Fällungsmittel

Es ist bekannt, dass zweiwertiges Eisen (Fe2+ aus FeSO4). das zur Fällung von Phosphorzugegeben wird, zu einer Hemmung der Nitrifikation führen kann. Uber die Wirkung vonFe2+ ist wenig bekannt, möglich ist, dass die folgende Chemodenitrifikation abläuft:

N02' + Fe2+ + 2H+ -› NO + Fe3+ + H20

Das dabei entstehende Stickoxid NO, ist ein bekanntes Zellgift, das bereits in geringenMengen eine Hemmung von sauerstoffzehrenden biochemischen Prozessen auslösenkann.

A131 empfiehlt, diese Hemmung zu berücksichtigen, in dem für Anlagen mitSimultanfällung mit Fe2+ das erforderliche Schlammalter um 10% erhöht wird.

Eigene Messungen (Gujer und Boller 1977) haben ergeben, dass die maximaleWachstumsgeschwindigkeit von Nitrosomonas μmams bei 10°C und pH = 7 ohneSimultanfällung ca. 0.29 ± 0.02 d'1 beträgt, während sie mit Simultanfällung mit Fe2+ auf0.23 ± 0.03 d-1 reduziert wird. Dies würde eine Vergrösserung des erforderlichenSchlammalters um 100-(1-0.29/0.23) = 26% ± 15% bedingen, also etwas grösser als dieVergrösserung, die in A131 empfohlen wird.

7.4. Hemmung durch industrielle Abwässer

immer wieder findet man in der Literatur den Hinweis, dass industrielle Abwässer dieNitrifikation hemmen. Häufig kann aber die Vermutung einer solchen Hemmung auf anderePhänomene zurückgeführt werden: Mangelnder Sauerstoff, zu geringes Schlammalter,grosse Belastungsschwankungen, Rückläufe aus der Schlammbehandlung, Messfehleraller Art, etc. Trotzdem sind Fälle bekannt, in denen Stoffe aus lndustriebetrieben dieNitrifikationsieistung von Belebungsanlagen vermindert haben.

Eine Methode zur Beurteilung von industriellen Abwässem ist die Messung derNitrifikationsleistung von nitrifizierendem Belebtschlamm, der mit dem Abwasser verdünntwird (verfolgen von Ammonium, Nitrit und Nitrat über die Zeit, bei konstanter Temperatur,im Vergleich zu Kontrollversuchen). in Dänemark wird darüber berichtet, dass diese

5.22

Page 24: Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation in Belebungsanlagen … · 2018. 3. 6. · kation noch weitgehend. Vorerst müssen wir die Frage beantworten, wo und warum die

Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation Seite 23

Methode dazu eingesetzt wird, die hemmende Wirkung des Abwassers entlang derKanalisation zu verfolgen und so den Verursacher zu identifizieren.

8. PROZESSE DER DENITRIFIKATION

Die Denitrifikation ist ein Wachstumsprozess von heterotrophen Mikroorganismen, dieunter anoxischen Bedingungen organische Stoffe abbauen und dabei Nitrat zu elementa-rem Stickstoff N2 reduzieren. in einer Belebungsanlage, die systematisch und dauernd mitDenitrifikation betrieben wird, können die meisten Bakterien, die aerob organische Stoffeabbauen unter anoxischen Bedingungen auch denitrifizieren.

Die folgenden Reaktionen vergleichen die aerobe Atmung mit der anoxischen Atmung(Denitrifikation) der Bakterien, dabei steht CH2O für die abbaubaren organischen Stoffe:

5 CH2O + 5 O2 =› 5 CO2 + 5 H20 (aerobe Atmung)

5 CH2O + 4 NO2; =› CO2 + 4 HCO2- + 2 N2 + 3 H20 (Denitrifikation)

Gleich. 6

Den 5 Mol O2 (= 5 Mol - 2 - 16 g O Mol-1 = 160 g O2) entsprechen also 4 Mol NO2- (4 Mol -14 g N Mol'1 = 56 g N) oder 160/56 = 2.86 g O2 /g NO2'-N. Pro Mol Nitrat wird ein MolBikarbonat (HCO3', Alkalinität) freigesetzt, entsprechend nimmt die Alkalinität pro 1 gdenitrifiziertes Nitrat N um 0.07 Mol zu.

Der Verbrauch von organischen Stoffen und Nitrat kann in erster Näherung abgeschätztwerden auf Grund der Erfahrungen in aeroben Systemen, wobei insbesondere derSauerstoflverbrauch im aeroben System ein Mass für die mögliche Denitrifikation imanoxischen System ist.

Eine rasche Denitrifikation wird erreicht, wenn viel gelöste, leicht abbaubare, organischeStoffe verfügbar sind. Ein Teil dieser Stoffe wird für den Aufbau von Biomasse benötigt(Yefi = effektiver Ausnützungskoeffizient, der angibt, welcher Teil des abgebauten CSB indie Biomasse eingebaut wird), der Rest (1 - Yefi) kann veratmet werden. Für die Denitrifika-tion ist daher das folgende CSB Angebot erforderlich:

Csßabgebaut 2-86 Q O2 Q-1 NO3"N

N0a"Ndenmrr1z1en 1 ' YeffDie Denitrifikation erfordert das Zusammentreffen der folgenden 4 Bedingungen:

1. Es müssen möglichst viel leicht abbaubare organische Verbindungen vorhanden sein(aus dem Zulauf oder künstlich zugefügt).

2. Es muss Belebtschlamm in möglichst grosser Konzentration verfügbar sein, damit dieBiomassenkonzentration hoch ist.

5.23

Page 25: Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation in Belebungsanlagen … · 2018. 3. 6. · kation noch weitgehend. Vorerst müssen wir die Frage beantworten, wo und warum die

Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation Seite 24

3. Es soll kein Sauerstoff vorhanden sein, weil dieser von den Mikroorganismen bevorzugtgenutzt wird und deshalb die Denitrifikation hemmt.

4. Es muss Nitrat vorhanden sein.Es gibt eine Vielzahl von Verfahren, in denen diese 4 Bedingungen zusammentreffen.

9. VERFAHRENSTECHNIK DER DENITRIFIKATION

9.1. Vorgeschaltete, simultane, alternierende und nachgeschalteteDenitrifikation

in Figur 8 sind drei typische Verfahren für die Denitrifikation von kommunalem Abwasserdargestellt:

- ln der vorgeschalteten Denitrifikation wird in einem ersten anoxischen Beckendenitrifiziert. Da die aerobe Nitrifikation erst anschliessend erfolgt, müssen die gebilde-ten Nitrate über den Rücklaufschlamm und ev. interne Rezirkulationen in die Denitrifika-tion zurückgeführt werden. Es ist als nie eine vollständige Denitrifikation möglich, weilim Ablauf immer ungefähr die gleich Nitratkonzentration vorhanden ist wie in den Rück-läuten.

- In der simultanen Denitrifikation fliesst das Abwasser - Belebtschlamm - Gemisch imKreise. Während einer 1. Phase nach dem Belüftungsaggregat herrschen aerobeVerhältnisse, anschliessend, wenn der Sauerstoff gezehrt ist, dominieren anoxischeVerhältnisse. Die Fliessgeschwindigkeit im Becken wird ca. 0.2 - 0.3 m s'1 gewählt,sodass sich der Belebtschlamm nicht absetzen kann. Bei einer Beckenlänge von z.B.100 m dauert ein Umlauf also ca. 5 - 8 Minuten. Der rasche Wechsel zwischen aerobenund anoxischen Bedingungen führt zu scheinbar simultanen Prozessen.

- In der nachgeschalteten Denitrifikation folgt das Denitrifikationsbecken der aerobenNitrifikation. Historisch ist das das älteste Verfahren. Da die Denitrifikation aber nurnoch langsam abläuft, wird es in der Praxis meist nur in Kombination mit dervorgeschalteten Denitrifikation eingesetzt um die Restkonzentration des Nitrates nochweiter zu verringern.

Hier nicht gezeigt, aber in der Praxis auch eingesetzt wird das folgende Verfahren:

- Die alternierende Denitrifikation: Hier werden aerobe und anoxische Phasen durchzu- und ab-schalten der Belüftung erreicht. Die einzelnen Phasen dauern länger als inder simultanen Denitrifikation (z.B. um die Motoren der Belüftungsaggregate zuschonen).

Es gibt eine grosse Anzahl von verschiedenen Möglichkeiten, die Denitrifikation insBelebungsverfahren zu integrieren. Welches dieser Verfahren sich im Einzelfall eignethängt von der Grösse der Anlage, der Abwasserzusammensetzung, der Zielsetzung, denVorinvestitionen, den Erfahrungen des lngenieurs, etc. ab. Für die Details wird auf dieFachliteratur ve rvviesen.

5.24

Page 26: Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation in Belebungsanlagen … · 2018. 3. 6. · kation noch weitgehend. Vorerst müssen wir die Frage beantworten, wo und warum die

Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation Seite 25

Denitrifikation Nitrifikation Nachklärung

Zulauf I _í AbIaUI

0 o 0 oO /1 0

o o°°0o000

0o ooeıı °

interne Rezirkulation_- - - - ..- ›

Rücklaufschlamm Uberschussschlamm

Luft

Zulauf___, Denitrifikation

<_ 8-} NitrifikationAblauf

Nitrifikation Denitrifikation Nachklärung

Zulauf Ablauf00° ”"`

00°0 \ 00°

Q0 OO

Q

__ _"- _ _ ›RüCk|aUiSC|'i|amm Überschussschlamm

FIGUR 8: Typische Verfahrensschematas für eine vorgeschaltete (oben), eine simultane(Mitte) und eine nachgeschaltete (unten) Denitrifikation.

Die Atmung der heterotrophen Mikroorganismen kann unterteilt werden in einen AnteilSubstratatmung, der rasch auf die Zufuhr von leicht abbaubaren organischen Stoffenreagiert und einen Anteil Grundatmung, der nur langsam reagiert (Abbau von Kolloiden,Zerfall von Biomasse, endogene Atmung). Die verschiedenen Verfahrens-Varianten derDenitrifikation unterscheiden sich v.a. in Bezug auf die Art der Substrate und der Atmung,die für die Denitrifikation genutzt wird (Figur 9). In der vorgeschalteten Denitrifikationwerden die leicht abbaubaren Substrate aus dem Zufluss in das Denitrifikationsbeckengeleitet und stehen vollumfänglich für die dort ablaufenden Prozesse zur Verfügung. In dersimultanen Denitrifikation laufen aerobe und anoxische Prozesse parallel oder zeitlich in

5.25

Page 27: Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation in Belebungsanlagen … · 2018. 3. 6. · kation noch weitgehend. Vorerst müssen wir die Frage beantworten, wo und warum die

Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation Seite 28

TABELLE 3: Minimale Charakterisierung des Abwassers für die Dimensionierung einerdenltrifizierenden Belebungsanlage. Die Symbole werden in den mathematischenGleichungen venıvendet. Alle Werte beziehen sich auf 24 Stunden Mittelwerte und sindfür verschiedene Lastfälle zu definieren. Der Zulauf schliesst alle Rückbelastungen ausder Schlammbehandlung mit ein.

Zulauf Ablauf Einheit

Zufluss Wassermenge Q Q m3 d'1Temperatur T T 'C

Suspendierte Stoffe (0.45 μm) TSO TS, g TSS m'3CSBt°ta| g m'3

CSBge,ös, nicht abbaubar (inert) S291) g CSB m'3CSBg„|ös, leicht abbaubar S02) g CSB m'3

Totaler Kjeldahl Stickstoff C†KN_0 g N m'3Gelöster Kjeldahl Stickstoff S†KN_,3) g N m-3Ammonium Stickstoff (NH4+ + NH2-N) SNR, g N m'3Nitrit + Nitrat Stickstoff SNQO SNQQ4) g N m'3

Totaler Phosphor Cp,0 g P m'3Gelöster Phosphor Sp_0 g P m-3

II(8IITlI1ä1 S/(|_K.0 M01 lTI'3

1) Dieser Wert entspricht dem nicht abbaubaren, gelösten CSB der im Ablauf derAnlage zu erwarten ist. in der Regel ca. 10 - 15% von CSB0.

2) Dieser Wert muss im Ablauf der Vorklärung gemessen werden, dabei gilt es zubeachten, dass belüftete Öl-Sandfänge die Konzentration der leicht abbaubarenorganischen Stoffe stark vermindern können.

3) Dieser Wert setzt sich aus dem organischen Stickstoff in den gelösten organischenStoffen (ca. 2% von S|_„) und der Ablaufkonzentration von Ammonium SN“,zusammen.

4) Häufig wird als Einleitbedíngung der totale, gebundene Stickstoff festgelegt, dieserSetzt sich zusammen aus S†KN_„ + SNQQ + partikulärer TKN (ca. 4% von TSQ).

5.26

Page 28: Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation in Belebungsanlagen … · 2018. 3. 6. · kation noch weitgehend. Vorerst müssen wir die Frage beantworten, wo und warum die

Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation Seite 27

„_ M- ~ ~ ~ ~ „.3:-›f.;:-:.3:-›:<›_._;.~:~;;:›:;;

fífífifífšfífi:E:í§1§§:§:§12:2:2:§f§:§§§f§§§f§:§§§f§f§:§f2:2:E:2:§:§:§:§;2:§:§:§f§:§:í“ 'f:§:§:§:§:§:í'."¦' í:§:§:§ if ff,í.§:§;§:§f;` f:í.5:f:3:1:3.3:1.3'¶§'f:5:""f§ ` ':§:}:I §~§:§:§ =.f.§~§:§^§:'¬§:§:§.2'3'3:';§:1:§:5:¦"'§:§:§:§;f :rf:2:2:E:§:1:2:§:2:2:2:§^f:§:§:§:§;§:§:§:§:§:§:§:§:2:E:Z:E:§:§:§:§:§:§:§:§:§:§:2:2:2:E:§1í:i:1:3:3:3:2:§:§:§:1'1:§:{±2:§:§:2:3:1:§:1:¦:21:3:1:-:3:5:1:5:1:3:3:1:1:3:1:1:1:§:§:§:§:§:§:§:§:-:-:~:1:3:1:1:1:-:-:~:-:-:-:-:-1-1-:-5:4-:-:-:-

SCHRITI' 1: Festlegung der Abwasser-Zusammensetzung, der Einleitbedingungenund der Anforderungen an die Nitrifikation.

in Tabelle 3 sind die minimal erforderlichen Angaben für die Charakterisierung desAbwassers und der Einleitbedingungen zusammengestellt. Es hat wenig Sinn eineDimensionierung zu beginnen, ohne dass diese Angaben zuverlässig erhoben wurden.Zusätzlich muss das erforderliche Schlammalter 6,“, zur Einhaltung der Anforderungen andie Nitrifikation berechnet worden sein (Siehe Kapitel 6, Seite 17).

SCHRi1T 2: Berechnung der erforderlichen Denitrifikationsleistung.

Der zufliessende Stickstoff (C†KN_0 + SNOIO) wird z.T. in die Biomasse (denBelebtschlamm) eingebaut (iN = 0.02 - 0.025 g N gi CSBe„mi„,e„), der Rest muss entwederdenitrifiziert werden (SNO_d9„) oder er verlässt die Anlage in gelöster Form (SrKN,„ + SNQG).Also ergibt sich der Anteil des Stickstoffes, der denitrifiziert werden muss zu:

SNo,den = C†kN,o + SNo,o ' IN (C530 ' 31,2) ' 5†r<N,e ' 5No,eSCHRITI' 3: Berechnung der erforderlichen Rückführung von Nitrat in der internenRezirkulation und im Rücklaufschlamm.

Bei vorgeschalteter Denitrifikation muss das Nitrat, das in der Nitrifikation gebildet wird, imRücklaufschlamm QRS und ev. in einer internen Rezirkulation OHG, in die Denitrifikations-zone zurück geführt werden. in die Denitrifikationszone muss mindestens das Nitratgelangen, das denitrifiziert werden muss:

Qzu ' 3No,o + (Qıas + Qı=reı)'SNo,e > Qzu ' 3No,den Odef

QRS + QRQZ 3No,den ' 3No,oOi > _-O

Qzu SNO,eDie Aufteilung der erforderlichen Rückführung zwischen Rücklaufschlamm (QRS) undRezirkulation (QRQZ) basiert auf Uberlegungen, die die hydraulische Belastung desNachklärbeckens und die Rezirkulation von gelöstem Sauerstoff (Schritt 6) miteinbeziehen.

SCHRITT 4: Abschätzung des enıvarteten Schlammalters 0x„„„a„„

Die Nitrifikation (das erforderliche Schlammalter 9„„), das Verhältnis (BNOICSB) desdenitrifizierten Nitrates SN0_d„„ zu den eliminierten organischen Stoffen (CSB0 - S|_„) unddie Temperatur bestimmen dominant das erforderliche Schlammalter GX. Es gilt:

5.27

I.I

|.ı

I1

I

1'

Page 29: Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation in Belebungsanlagen … · 2018. 3. 6. · kation noch weitgehend. Vorerst müssen wir die Frage beantworten, wo und warum die

Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation Seite 26

Aerobe und __ _ _ _ _ _anoxische F_ur dıe DenıtrıfıkatıonAtmung anoxısch verfügbare Atmung

A A

TotaeAtmung

Substrat

GrundAtmung_LAtmung

Vorgeschate s`mutan atern'erendnachgeschatet

1

Y Y

FIGUR 9: Anteile der Atmung, die in den verschiedenen Denitrifikationsverfahren für dieDenitrifikation zur Verfügung stehen.

sehr kurzen Intervallen ab. Ein Teil der leicht abbaubaren Stoffe wird hier aerob abgebaut.in der alternierenden Denitrifikation wechseln längere Phasen mit aerober Nitrifikationund anoxischer Denitrifikation im gleichen Becken. Währen aeroben Phasen werden leichtabbaubare Stoffe aerob abgebaut. ln der nachgeschalteten Denitrifikation folgt dieDenitrifikation einer aeroben Reinigung, die leicht abbaubaren Stoffe sind dann bereitsabgebaut und es steht nur noch die langsamere Grundatmung für die Denitrifikation zurVerfügung (die Denitrifikation im Schlammbett eines Nachklärbeckens fällt in dieseKategorie).

10. DIMENSIONIERUNG DER DENITRIFIKATION

Für die Gestaltung einer denltrifizierenden Anlage muss v.a. bekannt sein, welcher Anteildes Belebungsbeckens für die Denitrifikation (anoxisch) und welcher Anteil für die Nitrifika-tion (aerob) reserviert werden muss. Diese Aufteilung des Belebungsbeckens hängt vomenıvünschten Grad der Denitrifikation, von der Temperatur, von der Abwasser-Zusammen-setzung, von der Verfahrensführung (vorgeschaltete, simultane oder nachgeschalteteDenitrifikation) und vom Eintrag von Sauerstoff in die Denitrifikationszonen des Belebungs-beckens ab (Zulauf, Rückläufe, Oberflächenbelüftung).

Die folgenden Berechnungen ergeben eine Grössenordnung des erforderlichen Volumensfür die Denitrifikation. Der Berechnungsgang ist durchschaubar und zeigt die Abhängigkei-ten auf. Ohne den Tagesgang zu berücksichtigen ist aber eine zuverlässige Dimensionie-rung nicht möglich. Der Tagesgang der Belastungen kann nur mit Hilfe der dynamischenSimulation sinnvoll in die Überlegungen eingebracht werden.

5.28

Page 30: Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation in Belebungsanlagen … · 2018. 3. 6. · kation noch weitgehend. Vorerst müssen wir die Frage beantworten, wo und warum die

Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation Seite 29

I3No,csB = 3No,<1en / (C330 ' 51,9)

Das erforderliche Schlammalter kann in erster Näherung mit der folgenden Gleichungabgeschätzt werden:

9x,ervvar1er = 91111 ' (1 + )0'I3No,csB)

Für eine Temperatur von 10'C liegt (ini, bei ca. 10 Tagen. Mit typischen Werten vonßNO_CSB im Bereich von 0.03 - 0.08 g NO2--N g-1 CSB resultieren Schlammalter von 13 - 18Tagen. im Sommer kann mit deutlich geringerem Schlammalter denitrifiziert werden.

SCHRITI' 5: Bestimmung des scheinbaren Ausnützungskoeffizienten YCSB.

Der scheinbare Ausnützungskoeffizient YCSB gibt an, welcher Anteil der organischenStoffe, gemessen als CSB, in den Belebtschlamm inkorporiert wird. Der Rest der organi-schen Stoffe (1- YCSB) wird entweder mit Sauerstoff oder Nitrat zu CO2 und H20 veratmet.YCSB hängt ab von der Temperatur (je wärmer das Abwasser, desto rascher sind dieZerfallsprozesse, desto weniger Schlamm wird gebildet), vom Schlammalter GX (je grösser0x, desto mehr Zeit steht für den Zerfall zur Verfügung) und der Abwasserzusammen-setzung. Tabelle 4 erlaubt YCSB abzuschätzen.

TABELLE 4: Beobachteter, scheinbarer Ausnützungskoeffizient YCSB ausgedrückt alsAnteil des eliminierten CSB, der in den Belebtschlamm eingebaut wird (dimensionslos).Berechnete Werte, in Analogie zu Tabelle 5, Seite 35. TS0 = Abfiltrierbare Stoffe imZulauf zur Anlage (0.45 μm Membranfiltrat) in g TSS m'3, CSBO = Totaler CSB im Zulaufzur Anlage in g CSB m-3. Nur gültig für dominant kommunales Abwasser.

Schlammalter GX in Tagen5 10 15 20 5 10 15 20

TSG/CSB0 Temperatur 10'C Temperatur 20°C

0.3 0.49 0.45 0.42 0.40 0.45 0.40 0.36 0.340.4 0.57 0.52 0.49 0.47 0.52 0.47 0.44 0.420.5 0.64 0.59 0.56 0.54 0.59 0.54 0.51 0.490.6 0.71 0.66 0.63 0.61 0.66 0.61 0.58 0.56

SCHRl1"l' 6: Abschätzung des Sauerstoffeintrages in die Denitrifikationszone.

Damit die Denitrifikation effizient einsetzen kann, muss vorerst der gelöste Sauerstoff, derin die Denitrifikationszonen eingetragen wird, gezehrt werden. Dazu wird bevorzugt derleicht abbaubare Anteil der organischen Stoffe gezehrt.

Bezogen auf den Zufluss werden die folgenden Mengen Sauerstoff in die Denitrifikations-zonen eingetragen:

5.29

Page 31: Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation in Belebungsanlagen … · 2018. 3. 6. · kation noch weitgehend. Vorerst müssen wir die Frage beantworten, wo und warum die

Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation Seite 30

Aus dem Zufluss: Je nach Art der Überfälle und Pumpen nach dem Vorklärbecken: 0 - 4g O2 m-3

Aus dem Rücklaufschlamm: Je nach Art der Pumpen, Überfälle, Leitungsführung unddem Verhältnis QRS / Om: 0 - 4 g O2 m-3 - QRS / Q

Aus der internen Rezirkulation: Je nach Sauerstoffkonzentration in der Nitrifikation (ca.2 g O2 m-3 bei geregeltem Sauerstoffeintrag und häufig mehr in kleinen Anlagen), der Artder Leitungsführung und dem Verhältnis von Rezirkulation zu Zulauf in Abhängigkeit dererforderlichen Denitrifikation: 0 - 10 g O2 m-3 (Konzentration im Becken mal One, / Om).

Aus der Belüftung durch die Oberfläche: Sorgfältige Durchmischung in derDenitrifikationszone trägt nur ca. 10 - 20 g O2 m-3B„ke„ d-1 ein, zu heftige Durchmischungkann bis zu 100 g O2 m'3BeCke„ d') eintragen. Bezogen auf den Zufluss ergibt das ca. 2 -20 g O2 m'3 (= Eintrag - VDe„ / Qzu).

Die Zuflüsse ins Denitrifikationsbecken müssen sorgfältig gestaltet werden: Ein Zulauf, derüber dem Wasserspiegel eingeleitet wird kann viele Luftblasen ins Denitrifikationsbeckeneintragen, die zu einem grossen Sauerstoffeintrag führen.

Diese Beiträge müssen aufsummiert werden zu S02_ei„, dem totalen Sauerstoff, der pro m3Abwasser in die Denitrifikationszone eingetragen wird. Typische Werte bei sorgfältigerGestaltung der Anlage sind < 10 g O2 m-3 (z.B. 7 g O2 m-3), in schlecht gestaltetenAnlagen können häufig Werte bis über 20 g O2 m'3 beobachtet werden.

Beispiel 10: in ein Denitrifikationsbecken wird ein Zulauf eingeleitet, der nach dem Überfall imVorklärbecken noch 2 g O2 m'3 aufgenommen hat. Der Rücklaufschlamm wird mit einem Saugräumergefördert und fliesst in einem langen Kanal zu einer Schneckenpumpe, er enthält beim Einfliessen insDenitrifikationsbecken 3 g O2 m'3. Das Verhältnis QRS / 02„ beträgt 1.2. Zusätzlich führt eine interneRezirkulation mit O26,/Om = 1.5 Belebtschlamm aus der Nitrifikation zur Denitrifikation, derSauerstoffgehalt ist 2.5 g O2 m'3. Das Denitrifikationsbecken hat eine Aufenthaltszeit Vden/02„ von 2Stunden, es ist intensiv durchmischt, sodass der Sauerstoffeintrag durch die Oberfläche ca. 40 g O2 m'3d' beträgt.

Wieviel Sauerstoff wird pro m3 Abwasser ins Denitrifikationsbecken eingetragen?

SO2.ein = 1Qzu'2 1' QRS'3-0 + QRez`2-5 'I' Vden`40I / Qzu == 2 +1.2'3.0 +1.5'2.5 + 2/24'40 = 12.7 g O2 OT3

Diese Menge Sauerstoff führt zum Verlust einer Denitrifikationsleistung von 12.7 / 2.86 = 4.4 g NO2'-N m'3 oder typisch mehr als 20% der Denitrifikationsleistung!

5.30

Page 32: Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation in Belebungsanlagen … · 2018. 3. 6. · kation noch weitgehend. Vorerst müssen wir die Frage beantworten, wo und warum die

Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation Seite 31

Beispiel 11: Eine Belebungsanlage wird mit einer Rücklaufschiammmenge von QRS = 1.2 02„ betrieben.im Zulauf zum Nachklärbecken (nicht im Ablauf des Belebungsbeckensl) wird eineSauerstoffkonzentration von 8022„ = 2.5 g O2 m-3 gemessen, im Ablauf des Nachklärbeckens (direktunter dem Wasserspiegel des Nachklärbeckens, nicht nach dem Überfalll) werden noch S022., = 0.5 gO2 n†3 gemessen.

Wieviel Sauerstoff gelangt pro m3 Abwasser ins Schlammbett der Nachklärung? (Diese Frage ist vonBedeutung, wenn die Denitrifikationsleistung des Nachklärbeckens als nachgeschaltete Denitrifikationabgeschätzt werden soll).

Der einzige import von gelöstem Sauerstoff ist im Zulauf, eine Oberflächenbelüftung findet nicht statt. imRücklaufschlamm wird in aller Regel kein gelöster Sauerstoff mehr gemessen. Damit wird:

SO2,ein = IIQzu 'I' QRS) ' SO2.zu ' Qzu ' sO2.abI / Qzu = 5 Q O2 mıa-

Der Eintrag von Sauerstoff ins Schlammbett des Nachklärbeckens umfasst die Differenz zwischen Zulauf(02„ + ORS) und Ablauf. Der ganze Verbrauch muss im Schlammbett gezehrt werden, weil nur dort eineZehrung möglich ist. Der Eintrag ins Nachklärbecken ist relativ klein (im Vergleich zum Eintrag in einDenitrifikationsbecken), daher kann die Denitrifikation im Nachklärbecken bei einem grösserenSchlammbett bedeutend werden.

SCHRITI' 7: Berechnung der Substratatmung.

Die Substratatmung entspricht dem Sauerstoffbedarf, der erforderlich ist, um die leichtabbaubaren organischen Stoffe abzubauen. Dieser Teil der Atmung läuft sehr rasch ab,soweit Sauerstoff vorhanden ist, ist diese Atmung aerob.

SO2,Substrat = 0-38 Q O2 9-1 CSB ' S0

Der Wert 0.38 g O2 g-1 CSBabgeba„, ist ein experimentell bestimmter Wert und gibt an, dassfür den Abbau von gelösten Substraten diese Menge Sauerstoff erforderlich ist. 1 - 0.38 =0.62 g CSB g-1 CSBabgeba„, ist der Anteil des CSB, der in die Biomasse inkorporiert wird(der effektive Ausnützungskoeffizient, Yefi).

SCHRI11' 8: Berechnung der Grundatmung

Als Grundatmung wird der Sauerstoffbedarf bezeichnet, der verteilt über die ganzeBelebungsanlage anfällt. Ursache der Grundatmung ist der langsame Abbau vonkolloidalen und partikulären, langsam abbaubaren Substraten und der dauerndvorhandene Erhaltungsstoffvvechsel der Mikroorganismen. Sie kann berechnet werden ausder Differenz des totalen Sauerstoffbedarfes für den Abbau der organischen Stoffe und derSubstratatmung: '

So2,erund = (C350 ' 31,6) ' (1 * Voss) ' 0-33 9 02 9" CSB ' S0

Der scheinbare Ausnützungskoeffizient (YCSB) drückt aus, welcher Anteil des eliminiertenCSB (CSB0 - S|_e) in den Belebtschlamm eingebaut wird, der Rest (1 - YCSB) ist der Anteilder insgesamt veratmet wird. Von der totalen Atmung muss die Substratatmungabgezogen werden.

5.31

Page 33: Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation in Belebungsanlagen … · 2018. 3. 6. · kation noch weitgehend. Vorerst müssen wir die Frage beantworten, wo und warum die

Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation Seite 32

SCHRITI' 9: Berechnung der erforderlichen Sauerstoffäquivalente für dieDenitrifikation.

Die erforderliche Denitrifikationsleistung SN0,d„„ kann in einen äquivalenten Sauerstoff-bedarf umgerechnet werden (Gleichung 6, Seite 23):

SO2,den '_' SNO,den ° 2-86 9 O2 9-1 NO3-`N

SCHRITT 10: Berechnung des Anteils der Grundatmung, der für die Denitrifikationgenutzt werden muss.

Je nach Verfahrensführung stehen unterschiedliche Anteile der Substrat- und der Grund-Atmung für die Denitrifikation zur Verfügung (Figur 9, Seite 26). Zusätzlich muss derSauerstoffeintrag in die Denitrifikationszone veratmet werden bevor die Denitrifikationeinsetzt:

Definition: ßden = Anteil der Grundatmung, der für die Denitrifikation genutzt werden muss.

Vorgeschaltete Denitrifikation:Es steht die ganze Substratatmung im Denitrifikationsbecken zur Verfügung.

5o2,<1en = 3o2,subsrrar + ßden ' So2,e.run<1 ' 302,«-1111

SO2,den 1' SO2,ein ` SO2,Substratßden

SO2,Grund

Simultane und alternierende Denitrifikation:Die Substratatmung steht im gleichen Umfang zur Verfügung wie die Grundatmung.

SO2,den = (SO2,Substrat 'I' SO2,Grund) ' ßden ' SO2,ein

SO2,den 'I' SO2,einßden =

SO2,Substrat 'I' SO2,Grund

Nachgeschaltete Denitrifikation:Die Substratatmung steht nicht für die Denitrifikation zur Verfügung.

Soaden = ßden ' Soaerund ' 502,611

5o2,<1en + 302,911ȧden = OTTO

SO2,Grund

5.32

Page 34: Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation in Belebungsanlagen … · 2018. 3. 6. · kation noch weitgehend. Vorerst müssen wir die Frage beantworten, wo und warum die

Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation Seite 33

SCHRITT 11: Berechnung des Anteiles des Belebungsbeckens, der für dieDenitrifikation genutzt werden muss.

Die Grundatmung ist in erster Näherung gleichmässig über das ganze Belebungsbeckenverteilt. Der unter Schritt 9 berechnete Anteil der Grundatmung Bm entspricht deshalbdem Anteil des Belebungsbeckens (oder der Zeit), der für die Denitrifikation genutztwerden soll. Häufig beobachtet man aber, dass die Denitrifikation etwas langsamer verläuft(80%) als die aerobe Atmung (100%). Der Anteil der Denitrifikationszone VD am ganzenBelebungsbecken VDD sollte deshalb um den Faktor 1/0.8 vergrössert werden:

vD / V22 = ß„„„ / 0.0.Das Verhältnis VD / VDD sollte nicht grösser als 0.5 gewählt werden. Resultiert hier einWert, der grösser ist, so sollte versucht werden entweder die Stickstoffbelastung derAnlage zu reduzieren (ev. durch Reduktion der Rückbelastung aus der Schlammbehand-lung) oder es sollten mehr organische Stoffe in die Anlage geleitet werden (z.B. durch dieReduktion der Vorklärung oder durch Zugabe von leicht abbaubaren Substraten wieMethanol oder flüchtigen Säuren) oder es muss dafür gesorgt werden, dass wenigerSauerstoff in die Denitrifikation eingetragen wird.

SCHRi1"l' 12: Wahl des erforderlichen Schlammalters.

Erfolgreiche Nitrifikation bedingt, dass für die Vermehrung der nitrifizierenden Organismengenügend Zeit zur Verfügung steht. Da Nitrifikanten nur unter aeroben Bedingungenwachsen können, muss das Schlammalter 6„„, das für die Nitrifikation erforderlich wäre,(Siehe Kapitel 6, Seite 17) so vergrössert werden, dass die Aufenthaltszeit der Nitrifikantenim aeroben Belebungsbecken noch ausreicht:

910: = 91111 ' VBB / (VBB ' Vo) = 91111/ (1 ' VD/VBB)

A131 erlaubt 6,0, etwas kleiner zu wählen, weil mit zunehmender Grösse des Belebungs-beckens die Belastungsspitzen etwas ausgeglichen werden, das ist sinnvoll (Siehe Tabelle2, Seite 20).

Wenn das hier berechnete 6,0, stark vom Wert abweicht, der in Schritt 4 (6x_„,wa„„,)geschätzt wurde, so sollte ab Schritt 4, mit dem neuen Wert gerechnet werden.

Weiteres Vorgehen.

Nun kann die Schlammproduktion berechnet werden (Kapitel 11, Seite 34); daraus ergibtsich nach der Wahl der zu erreichenden Belebtschlammkonzentration TSDD die Grössedes Belebungsbeckens (Gleichung 5, Seite 12). Der erforderliche Sauerstoffeintrag, derauch die Verminderung durch die Denitrifikation berücksichtigt, kann mit Hilfe der Angabenin nächsten Kapitel 12 abgeschätzt werden. Die Restalkalinität und der zugehörige pHWert im Belüftungsbecken werden in Kapitel 13, Seite 37, besprochen.

5.33

Page 35: Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation in Belebungsanlagen … · 2018. 3. 6. · kation noch weitgehend. Vorerst müssen wir die Frage beantworten, wo und warum die

Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation Seite 34

11. SCHLAMMPRODUKTION ~

Gut fundierte Angaben zur Abschätzung der Produktion von Belebtschlamm bei derReinigung von kommunalem Abwasser gibt das Arbeitsblatt A131 der ATV (DieseAngaben gehen auf Arbeiten v.a. von R. Kayser zurück). Die totale Produktion desSchlammes SPD, setzt sich zusammen aus einem Anteil SPDSD5 als Folge der Eliminationder ungelösten Stoffe und des BSB5 und einem Anteil SPS): als Folge der Fällung vonPhosphor im Simultanfäilungsverfahren. Der Beitrag der Nitrifikanten zurSchlammproduktion muss nicht ausgewiesen werden, er wird mit SPDSDS erfasst. Es gilt:

313101 = Spasßs + 5Psr= le in 9†s d`1

11.1. Schlammproduktion durch Elimination von organischen Stoffen

Die Produktion von Belebtschlamm ist abhängig von:

- der Abwasser-Zusammensetzung: Insbesondere hat das Verhältnis von abfiltrier-baren Stoffen TSD (TSS, GUS, 0.45 μm) zu abbaubaren organischen Stoffen (BSB5)einen Einfluss. Je grösser dieses Verhältnis, desto mehr der abfiltrierbaren Stoffeakkumulieren im Belebtschlamm: Die Schlammproduktion nimmt zu.

- dem Schlammalter: Mit zunehmendem Schlammalter nimmt die Bedeutung derZerfallsprozesse der Biomasse und der Abbau der geflockten suspendierten Stoffe(TSS) zu, die Schlammproduktion wird kleiner.

- der Temperatur: Mit zunehmender Temperatur nimmt auch die Geschwindigkeit derbiologischen Prozesse, insbesondere der Zerfalls- und der Abbauprozesse zu, dieSchlammproduktion wird entsprechend vermindert.

Die Schlammproduktion SPDSD5 kann für kommunales Abwasser nach A131 abgeschätztwerden auf Grund der folgenden empirischen Gleichungen (adaptiert):

Spßsas = Q ' Cases ' Y†s,Bsas G|eI°h 7Tso 0.03 - e›<p(0.0e9-(T-1o'c))

YTs,BsBs= 0-5' (_ +1) 'C3335 1/GX + 0.056 ' GXp(0.069'(T-10°C»

Mit SPDSDD = Produktion von Belebtschlamm als Folge der Elimination vonabfiltrierbaren Stoffen (TSD) und BSB5 [g†3 d')]

Q = Zuflusswassermenge [m3 d-1]CDSD5 = Konzentration des BSB5 im Zufluss [gD2 m'3] 'YTSBSDS = Spezifische Schlammproduktion [g†S gDSD5')]TSD = Konzentration der abfiltrierbaren Stoffe im Zulauf (0.45 μm) [g†SS m'3]T = Temperatur [°C]9„ = Schlammalter [d]

5.34

Page 36: Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation in Belebungsanlagen … · 2018. 3. 6. · kation noch weitgehend. Vorerst müssen wir die Frage beantworten, wo und warum die

Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation Seite 35

TABELLE 5: Abhängigkeit der spezifischen Schlammproduktion Y†s_BSB5 von derTemperatur, der Abwasser-Zusammensetzung und vom Schlammalter. Berechnungenbasierend auf Gleichung 7

Temperatur T 10 20 'C

Schlammalter 9, 5 10 15 20 5 10 15 20 d

T50/Cases0.6 0.840.8 0.961.0 1.081.2 1.20

0.76 0.71 0.670.88 0.83 0.791.00 0.95 0.911.12 1.07 1.03

0.770.871.011.13

0.670.790.911.03

0.620.740.860.98

0.580.700.820.94

9†s9BsBs

BEISPIEL 12: Aus einer Vorklärung fallen 5'000 m3 dl Abwasser mit der folgenden Zusammensetzungan: TS0 = 120 g†sS m-3, BSB5 = 150 gog m3. Die nachfolgende Belebungsanlage wird mit einemSchlammalter von 10 Tagen betrieben.

Wie gross ist die Schlammproduktion als Folge der Elimination der organischen Stoffe unterWinterbedingu ngen (10'C)?

TS0/C3535 = Q1'55 QQSB54, T = 1Ü.C, ex = 10 d =$ flaCh Tabeue 51 Y¬|'3'BsB5 = QT5 gg5ß5'1

SPQSB5 = Q ' C5335 ° Y'|'S_g3B5 = = 66Ü KQTS d'1

Eine alternative Möglichkeit, die Schlammproduktion abzuschätzen beruht auf der Verwen-dung der scheinbaren Ausnützungskoeffizienten YCSB in Tabelle 4:

Spcsß = Q ' (C350 ' Sta) ' Ycsa ' iTs,csB in 9 T3 Ö*Mit i†S_CSB = Umrechnungsfaktor von CSB zu TS im Belebtschlamm [g TS g'1CSB]

11 .2. Schlammproduktion durch Phosphor-Fällung

Die Produktion von Fällungsproduktion als Folge der simultanen Fällung von Phosphor inBelebungsanlagen kann abgeschätzt werden mit Hilfe der folgenden stöchiometrischenGleichung, die den Fällungsprozess angenähert beschreibt:

Für Fällung mit dreiwertigem Eisen Fe3+ ergibt sich:

Fe3+ + XPO43' + 3(1'X) OH' => Fe(PO4)x(OH)3(1_x)

Zweiwertiges Eisen, z.B. von FeSO4 wird angenähert quantitativ zu dreiwertigem Eisenaufoxidiert, damit ergeben sich die gleichen Fällungsprodukte.

5.35

Page 37: Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation in Belebungsanlagen … · 2018. 3. 6. · kation noch weitgehend. Vorerst müssen wir die Frage beantworten, wo und warum die

Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation Seite 36

Für Fällung mit Aluminium AI3+ ergibt sich:

A|3+ + XPO43' -I' 'X) OH' => _x)

Aus diesen beiden Gleichungen lässt sich die Schlammproduktion als Folge der Simultan-fällung berechnen zu:

3Psı= = 1-5 Q†sQP`1'Qzu'3P + 1-9 9†s9ı=e" 'Qıu'3ı=e + 2-9 9Ts9Aı`1'Q'3AıMit: SPSF = Schlammproduktion als Folge der Simultanfällung [g†S d'1]

= Abwasser-Zufluss [m3 d'1]= Phosphorkonzentration, die gefällt werden muss [gp m-3]= Eisenmenge, die pro Abwasser dosiert wird [gps m'3]= Aluminiummenge, die pro Abwasser dosiert wird [gA, m-3]

1.5, 1.9, 2.9 = Theoretische Faktoren [g†S g'1p„pe.A|]

QZU

SPSFe3Aı

BEISPIEL 13: Aus einer Vorklärung fallen 5'000 m3 dl Abwasser mit der folgenden Zusammensetzungan: Pw, = 6 gp m3, BSB5 = 150 ggg m3.

Der Phosphor soll in einer Simultanfällung mit Fe3+ gefällt werden, die Ablaufkonzentration darf noch Sp_,¦,= 0.5 gp_g„|°s, m-3 betragen, dazu ist ein Verhältnis von ß = 2 Mol Fe / Mol Pgems, erforderlich.

Wie gross ist die Phosphorkonzentration, die gefällt werden muss?Annahme (A131): Für den Aufbau der Biomasse werden pro kg abgebautem BSB; 0.01 kg Phosphorbenötigt.

Pgemsı = P10! ' = 6 ' 1.5 = 4.5 m.3

Gefällt werden muss:Sp = Pm ' 0.Ü1 BSB5 ' Spßb = 6 ' 1.5 - = 4.Ü gp fTI'3

Wie gross ist die Dosierung von Eisen Spa (Atomgewichte für P = 31, für Fe = 55.8)?

Sp, = P9910., ~ ß - (55.8 gp, / 31 gp) = 4.5 ~ 2 ~ 55.8 / 31 = 16.2 gp, m-3 oder Q~Sp„ = 81 kgp, d-1.

Wie gross ist die Produktion von Schlamm als Folge der chemischen Phosphorelimination (SPsp)?

SPSF = 1.5-Q-Sp + 1.9~Q-SFG = 1.5-5000-4.0 + 1.9~5000-16.2 = 184 kg†S d-1.Das sind SPSF / (Sp-Q) = 9.2 gfs gp-1 bezogen auf den getâllten Phosphor und SPsp / (P„„-Q) = 6.1 g†sgp-1 bezogen auf den totalen Phosphor im Zulauf.

A131 gibt einen Schätzwen von 6.8 g†S gp'1.

12. SAUERSTOFFBEDARF

Der Sauerstoffbedarf von nitrifizierenden und denltrifizierenden Belebungsanlagen setztsich zusammen aus den Anteilen die erforderlich sind für die Nitrifikation und für denAbbau von organischen Stoffen. Mit zunehmender Denitrifikation verringert sich derSauerstoffbedarf um ca. 2.86 g O2 /g N03--N. Zusätzlich zu dem Tagesmittelwerten für dieverschiedenen Lastfälle müssen die Tagesganglinien berücksichtigt werden.

5.36

Page 38: Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation in Belebungsanlagen … · 2018. 3. 6. · kation noch weitgehend. Vorerst müssen wir die Frage beantworten, wo und warum die

Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation Seite 37

A131 gibt Richtwerte für die Abschätzung des Sauerstoffverbrauches, dabei ist zuberücksichtigen, dass die Berechnung nach A131 Reserven enthält. Bei der Dimensionie-rung der Belüftungsaggregate ist zudem darauf zu achten, dass der erforderlicheSauerstoffbedarf unter Betriebsbedingungen und bei einer vorhandenen typischenSauerstoffkonzentration in der Nitrifikation von häufig ca. 2 g O2 m'3 eingetragen werdenmuss. Das bedingt eine stark vergrösserte mögliche Eintragsleistung unter Standard-bedingungen. Für detaillierte Betrachtungen wird auf die entsprechende Fachliteraturverwiesen.

Eine alternative Möglichkeit, den Sauerstoffbedarf abzuschätzen beruht auf derAnwendung eines Erhaltungssatzes für CSB. Der eliminierte CSB muss entweder imBelebtschlamm oder in Form von Sauerstoffverbrauch wieder gefunden werden. Derbeobachtete Ausnützungskoeffizient für den CSB YCSB (Tabelle 4, Seite 29) gibt an,welcher Teil des CSB in den Schlamm inkorporiert wurde; der Teil des CSB, der veratmetwurde fcsp berechnet sich daher aus:

fcse = 1 ' Ycsa ifl 9 02 9” C3Baı›geı›auı-Der tägliche Sauerstoffbedarf F02 kann berechnet werden mit:

F02 = Q [(0350 ' 5ı,e)'fcsB + (3No,e ' 3No,o)'4-57 + 3No,den'1-71]Mit Tagesmittelwerten von

F02 = Sauerstoffveıbrauch in g O2 d'1Q = Zufluss in m3 d'1CSB0 = Totaler CSB in g CSB m-3She = Nicht abbaubarer gelöster CSB im Ablauf in g CSB m-3fcsp = Anteil des CSB, der veratmet wirdSNQQ, SNQDO = Nitratkonzentration im Ablauf und im Zulauf in g N m-3SN0_de„ = Nitrat, das pro Volumen Abwasser denitrifiziert wird in g N m'3, siehe

Kapitel 10, Seite 26.4.57, 1.71 = Theoretische Faktoren in g O2 g-1 N

Um Momentanwerte zu berechnen (Tagesspitzen) muss dieser Tagesmittelwert noch mitStossfaktoren multipliziert werden, die sich z.B. aus A131, aus Messungen oder ausSimulationen ergeben.

13. pH WEFIT IM BELEBUNGSBECKEN

lm Belebungsbecken bestimmt das Kohlendioxid (CO2) - Bikarbonat (HCO3') Puffersystemden pH Wert. Für das Gleichgewicht:

HCO3' + H4' <=> CO2 + H20

kann die Gleichgewichtskonstante angeschrieben werden als:

5.37

Page 39: Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation in Belebungsanlagen … · 2018. 3. 6. · kation noch weitgehend. Vorerst müssen wir die Frage beantworten, wo und warum die

Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation Seite 38

lHC0a'l ' lH+1KS = -_-i [] steht für die Konzentration in Mol/l

[C02] \

Daraus kann der pH Wert berechnet werden als:

PH = PKs + '09 ([HC03'] / [(3021) PKS = - '09 KsIm Abwasser, im Temperaturbereich von 10 - 20'C gilt ungefähr pKS = 6.4.

In der aeroben biologischen Abwasserreinigung wird sowohl als Folge des Abbaues vonorganischen Stoffen als auch als Folge der Nitrifikation proportional zum Sauerstoffver-brauch oder zur Denitrifikation CO2 produziert und die Konzentration von HCO3' verändert:

CH2O + O2 =› CO2 + H20 (Aerober Abbau von organischen Stoffen)

5 + 4 N03' =¦* CO2 + 4 HCO3' + 2N2 -l-

NH4+ + 2 O2 + 2 HCO3' => N03' + 3 H20 + 2 CO2

Die Verschiebung des [CO2] / [HCO3'] Verhältnis führt zu einer Verschiebung des pHWertes im Abwasser. Beide aeroben Prozesse haben die Tendenz, den pH Wert zureduzieren - die Nitrifikation stärker als der Abbau der organischen Stoffe, weil dieNitrifikation auch die Bikarbonat Konzentration (Alkalinität, Säurebindungsvermögen,Säurekapazität) reduziert.

Die Belüftung trägt CO2 in die Atmosphäre aus, das hat die Tendenz, den pH Wert wiederanzuheben. Je weniger Luft durch die Becken geleitet werden muss, desto weniger CO2wird ausgetragen. Mit Belüftungssystemen, die den Sauerstoff sehr effizient eintragen,muss nur wenig Luft eingeblasen werden um den Sauerstoffbedarf abzudecken. Das hatden Vorteil eines geringen Energiebedarfes, aber den Nachteil, dass nur wenig CO2ausgetrieben wird und daher der pH Wert im Belebungsbecken abnimmt.

In erster Näherung kann die Restalkalinität des Abwassers nach Nitrifikation, Denitrifikationund Phosphorfällung mit der folgenden Gleichung abgeschätzt werden:

3A,ab = 3A,zu ' 0-071 (SNH,ıu*3NH,ab'3No,ıu+5No,ab)' S|:e3+ ' S|:e2+ ' 11 SA|3+ + Sp

ıvm sA = Aıkaıınııätin Moı Hco.,-m-3SNH3NoSFe3+SFe2+3Aıs+SP

Ammoniumkonzentration in g N m'3Nitrit plus Nitrat Konzentration in g N m'3Zudosierte Menge von Fe3+ in g Fe m'3Abwa.__,„,Zudosierte Menge von Fe2+ in g Fe m-3Abwass„,Zudosierte Menge von Al3+ in g Al m'3Ab,„ass„,Gefällte Phosphorkonzentration in g P m-3

5.38

Page 40: Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation in Belebungsanlagen … · 2018. 3. 6. · kation noch weitgehend. Vorerst müssen wir die Frage beantworten, wo und warum die

Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation Seite 39

Belsplel 14: Der Zulauf und der Ablauf einer Belebungsanlage haben die folgende Zusammensetzung:Zu Ab

SA 5 ? Mol HCO3- m-3SNH 20 2 g N m3 (Nitrifikation)SN0 1 8 g N rrr3 (Denitrifikation)Mit Hilfe von 18 g Fe2+ m-3 werden 4 g P mit gefällt.

Vlfıe gross ist die Restalkalinität des Abwassers?

sm, = 5 - o.o71 (20 - 2 - 1 + e) - o.oas - 1a + o.o4a - 4 = 2.79 ıvıoı Hco„- mß.

Mit Hilfe von vereinfachenden Modellen kann der pH Wert im Belebungsbeckenabgeschätzt werden. Von Bedeutung ist die Restalkalinität im Abwasser und dieAusnützung des Sauerstoffes aus der Luft, die in das Becken eingetragen wird. Je mehrSauerstoff aus der Luft im Becken gelöst wird, desto weniger Luft muss durch das Beckengeblasen werden, desto weniger CO2 wird ausgetragen, desto geringer wird derresultierende pH Wert. ln Tabelle 6 sind theoretisch berechnete pH Werte für verschiedeneSituationen zusammengestellt.

Belsplel 15: Ein Abwasser enthält 28 g NH.,+-N m3 die nitrifiziert werden sollen. DieBikarbonatkonzentration beträgt 6 Mol HCO3- m~3 und der pH Wert des rohen Abwassers beträgt 7.5.

Wie gross ist die CO2 Konzentration im rohen Abwasser?

pH = pks + ıog ([Hco3-1/[co21› oder[col] = [Hco3-1/ 1o››H-ı›K=~= = 0.47 Moı coz mßWie gross wäre der pH Wert im Abwasser, wenn die Nitrifikation ohne Verlust von C02 in die Atmosphäreablaufen würde?

Nach Nitrifikation von 28 g NH„+-N m-3 = 2 Mol rrrfi verbleiben noch 6 - 2-2 = 2 Mol HCO3- m3 und esergeben sich 0.47 + 2-2 = 4.47 Mol CO2 m3 (Gleichung 1, Seite 6).Daraus würde ein pH Wert von pH = 6.4 + log (2 / 4.47) = 6.0 resultieren.

Zusammen mit dem Eintrag des erforderlichen Sauerstoffes wird nun aber CO2 aus dem Abwasserausgetragen, sodass der pH Wert wieder ansteigt. Die genaue Menge des ausgetragenen CO2 kann nurbei genauer Kenntnis des Belüftungssystemes abgeschätzt werden. Wenn die Restkonzentration desCO2 noch z.B. 1 Mol m-3 beträgt so ergäbe sich ein pH Wert von ca. 6.7. Dieser Wert liegt an der unterenGrenze für eine effiziente Nitrifikation. Nach Tabelle 6 müsste dieser Wert erwartet werden, wenn 24%des eingetragenen Sauerstoffes in Lösung gehen. Eine Ausnützung in dieser Höhe wird unterBetriebsbedingungnen nur mit sehr effizienten Belüftungssystemen oder in tiefen Belebungsbecken (>5m) erreicht. Wenn Oberflächenbelüfter eingesetzt würden (solche haben eine 'Sauerstoffausnützung'von ca. 6%) ergäbe sich ein pH Wert von 7.2.

5.39

Page 41: Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation in Belebungsanlagen … · 2018. 3. 6. · kation noch weitgehend. Vorerst müssen wir die Frage beantworten, wo und warum die

Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation Seite 40

TABELLE 6: Eıwarteter pH Wert (Richtwerte) in Belüftungsbecken in Abhängigkeit derAlkalinität des Abwassers SA und der Sauerstoffausnützung des Belüftungssystemesunter Betriebsbedingungen (Quelle US EPA, Nitrogen Control Manual 1976, A131).

Alkalinität pH Wert im Belüftungsbecken beiSA in Sauerstoffausnutzung in %

Mol HCO3~ m-3 6% 12% 18% 24%

6.9 6.6 6.5 6.47.2 6.9 6.8 6.77.4 7.1 7.0 6.97.5 7.2 7.1 7.0-I>0DI\)-*

14. CHARAKTERISIERUNG DES ABWASSERS

ln Tabelle 3 sind die minimalen Anforderungen an die Charakterisierung des zu reinigen-den Abwassers zusammengestellt. Einzig für die Bestimmung des gelösten, leichtabbaubaren CSB ist heute keine standardisierte Methode verfügbar.

14.1. Bestimmung des leicht abbaubaren CSB im Abwasser

Der leicht abbaubare CSB im Zufluss zur Anlage muss mit Hilfe eines biologischenMessverfahrens bestimmt werden. Die einfachste Möglichkeit dazu ist, Abwasser mitBelebtschlamm zu vermischen und den Sauerstoffbedarf dieser Mischung im Verlaufe derZeit zu bestimmen. Dabei ist darauf zu achten, dass die Nitrifikation z.B. durch Zugabe vonAllylthioharnstoff, ATH (ca. 10 g m'3) gehemmt wird.

Der folgende Ablauf eines solchen Versuches ist sinnvoll:

1. Belebtschlamm, möglichst aus einem aeroben, hinteren Teile des Belebungsbeckensmit ATH versetzen und während ca. 1 h weiterbelüften um das restliche Nitritabzubauen.

2. Zu testendes frisches Abwasser, das auch mit anderen Analysen charakterisiert wird,mit gelöstem Sauerstoff anreichern und im Verhältnis Abwasser zu Schlamm = 3 : 1vermischen (Genaue Volumen bestimmen).

3. Abnahme der Sauerstoffkonzentration mit der Zeit verfolgen (O2 Elektrode mitSchreiber). Es muss darauf geachtet werden, dass keine Oberflächenbelüftung statt-findet; das geschieht am besten, indem der Reaktor verschlossen aber durchmischtwird.

4. ln regelmässigen Abständen, wenn die O2 Konzentration unter ca. 3 g m°3 abfällt neubelüften (mit Vorteil mit reinem Sauerstoff aus einer Gasflasche) bis zu einer Konzentra-tion von ca. 12 g O2 m-3. Diese Prozedur wird wiederholt, bis die Sauerstoffzehrung

5.40

Page 42: Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation in Belebungsanlagen … · 2018. 3. 6. · kation noch weitgehend. Vorerst müssen wir die Frage beantworten, wo und warum die

Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation Seite 41

800 ~700 s sa Do 5.11.92, 11.00, T= 15 °c600 Ss = 36.8 g/m3 = 15 % CSBtot

go21m3*u -PU1 C3C)OOf-F

H B

H E

_ 300 __ss*(1-Y) Er02 NOO f E

10° T rO2,grund0 ¬ ı -1 : ı 1 1

0 30 60 90 120 150 180t [min]

FIGUR 10: Sauerstoffzehrung im Verlaufe der Zeit. Versuch zur Bestimmung des leichtabbaubaren CSB im Abwasser (Purtschert und Bühler).

während mindestens 30 Minuten konstant bleibt (sichtbar an der konstanten Steigungdes Abfallens der Sauerstoffkonzentration).

5. Auswerten der Sauerstoffkonzentrationen, indem die Zeitabstände mit konstanter O2Abnahme ausgeschieden werden und die Steigung der Abnahme z.B. in g O2 n'r3 dlberechnet werden.

6. Auftragen der Sauerstoffzehrungen analog zu Figur 10. Durch abtrennen der Grund-atmung und Integration der restlichen Fläche kann die Substratatmung S02 in g 02 prom-30„m,$„h bestimmt werden. Der leicht abbaubare CSB S0 berechnet sich dann mit derfolgenden Gleichung:

S02 VSchlamm T VAbwasserS0 = ' 'n Q CSB m'3Abwasser

1 Yeff vAbwasser

Ye“ steht für den Ausnützungskoeffizienten des CSB und beträgt ca. 0.62 g CSBe;„g„ba„, g'1 CSBabgeba„,. Wichtig ist nicht der absolute Wert des Ausnützungskoeffizienten, sonderndass bei der Berechnung von S0 der gleiche Wert verwendet wird, der auch anschliessendfür die Bemessung der Denitrifikation eingesetzt wird.

Wenn sich die Substratatmung nur ungenau von der Grundatmung trennen lässt, so mussder Versuch ev. mit einem anderen Verhältnis VAbwasSe, zu Vscmamm wiederholt werden.

5.41

tl

Page 43: Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation in Belebungsanlagen … · 2018. 3. 6. · kation noch weitgehend. Vorerst müssen wir die Frage beantworten, wo und warum die

Grundlagen der Nitrifikation und der Denitrifikation Seite 42

15. PILOTVERSUCHE

In Pilotversuchen werden Dimensionierungsgrössen erarbeitet, die eine wirtschaftlich -technisch sinnvolle Gestaltung eines Verfahrens erlauben. lm Hinblick auf die Nitrifikation/Denitrifikation sind die wichtigsten Dimensionierungsgrössen:

- Die Schlammproduktion: Diese bestimmt massgebend die erforderliche Grösse derBelebungsbecken, die Sauerstoffzehrung und die mögliche Denitrifikationsleistung.

- Der Anteil der leicht abbaubaren organischen Stoffe am CSB im Zulauf. Dieserbestimmt die mögliche Denitrifikationsleistung und ev. die Sedimentationseigenschaltendes Belebtschlammes.

- Die maximale Wachstumsgeschwindigkeit der Nitrifikanten unter Betriebsbedingungen.- Die Variation der CSB und der Stickstofffracht im Tagesgang.- Die mögliche Denitrifikationsleistung in Abhängigkeit vom Anteil des

Denitrifikationsbeckens am ganzen Belebungsbecken.Versuche sollten nicht primär so gestaltet werden, dass sie die geplanten Betriebsbedin-gungen einer grossen Anlage möglichst genau nachbilden, sondern es sollen je nachFragestellung Versuche gemacht werden, die mithelfen die gesuchten Grössen möglichstzuverlässig und genau abzuschätzen. Heute stehen uns Werkzeuge zur Verfügung(Simulation), die anschliessend erlauben zuverlässige Prognosen zu machen, wie sicheine Anlage unter veränderten Betriebsbedingungen verhalten wird.

Der Massstab der gewählten Versuchsanlage bestimmt die Art der Aussagen, die aus denVersuchen abgeleitet werden können:

Sedimentationseigenschaften von Belebtschlamm können nur in grossen Pilotanlagen, diesehr genau die Durchmischungseigenschaften der zukünftigen Anlage nachbildenerarbeitet werden (Selektor - Effekt). Die Schlammproduktion kann in kleinen Laboranla-gen meist genauer erarbeitet werden als in Pilotanlagen mit einem kaum je stationärenBetrieb. Usw.

Die Planung und die Durchführung von Pilotversuchen braucht Erfahrung. Praktisch tätigeIngenieure machen hier häufig Fehler. Es empfiehlt sich, schon frühzeitig einen Fachmannbeizuziehen. In vielen Projekten könnten Versuche und Untersuchungen mit Kosten voneinigen wenigen Prozenten der Bausumme ein Vielfaches an Investitionen einsparen oderdoch mindestens die Erfolgsquote der Projekte verbessern.

16. REFERENZ

ATV, Arbeitsblatt A131, Februar 1991 'Bemessung von einstufigen Belebungsanlagenab 5000 Einwohnerwerten', Vertrieb: Gesellschaft zur Förderung derAbwassertechnik e.V., Postfach 11 60, Markt 71, W-5205 St.Augustin 1.

5.42