6
WOLF-PETER VON PAPE Grundwassermessstellen mit Barometerfunktion Die Wasserstände in Grundwassermessstellen haben natürliche Schwankungen, die vor allem von der jah- reszeitlich veränderlichen Grundwasserneubildung aus dem Niederschlag geprägt wird. Im Sommerhalb- jahr sinkt das Grundwasser, da die Verdunstung bei höherer Temperatur und aktiver Vegetation groß ist. Im Winterhalbjahr wird es durch einen größeren ver- sickernden Teil der Niederschläge wieder aufgefüllt. Der Jahresverlauf der Grundwasserstände, der in Grafiken oft sinusförmig ist, wird von mehrjährigen Trocken- und Nassperioden überprägt. Die gesamte Schwankungshöhe des Grundwassers beträgt oft das doppelte des Jahresverlaufes. Nicht selten gibt es Grundwassermessstellen, in denen die Wasserstände in mehrtägigen, oft wöchentlichen Zeiträumen, mit Höhen bis zu +/-15 cm um die mittleren Wasserstände schwan- ken (Abb.1). Meist sind diese Schwankungen mit wenigen Millimetern unauffällig und kaum zu erken- nen. Da die Ablotung der Grundwassermessstellen meist wöchentlich und länger erfolgt, wirken diese Schwankungen wie ein Zappeln entlang einer ge- dachten mittleren Linie. Die kurzfristigen Schwankungen der Grundwasser- spiegel korrelieren häufig mit dem Luftdruck. Das Phänomen ist bekannt und wurde in Messstellen in Frankfurt und im Vogelsberg von R. Mügge 1 (1954) untersucht und beschrieben. Damals waren die Mes- sungen und deren Registrierung ein kniffeliges fein- mechanisches Unterfangen. Mügge beschreibt sogar die Beobachtung von Erdbebenwellen in Grundwas- serständen. Die Amplituden sind bis einem Dezime- ter groß und die Ausschläge dauer nur Sekunden. Zu erwähnen ist auch ein möglicher Gezeiteneinfluss des Mondes auf das Grundwasser. Dieser müsste sich in Messstellen mit freier Grundwasseroberfläche zei- gen. Die Drucksonden mit der Empfindlichkeit von einem Zentimeter zeigen keinen eindeutigen Einfluss. Heutzutage werden an einer Auswahl von Luft- messstationen des HLUG die Luftdrücke im 30 Minutentakt gemessen und die Messwerte im Inter- net veröffentlicht. Ein Teil der Messstellen des Lan- WOLF-PETER VON PAPE Grundwassermessstellen mit Barometerfunktion W4 Abb. 1: Grundwasserstände der Messstelle Gedern Nr. 486060. Jan.11 Apr.11 Jul.11 Jan.13 Apr.13 Jul.13 Okt.11 Apr.12 Jul.12 Okt.12 Jan.12 [m] unter Gelände Grundwasserstand [m] Tageswerte -44,0 -43,5 -43,0 -42,5 -42,0 1 MÜGGE R (1954) Das Grundwasser als geophysikalischer Indikator. Z f Geophysik 20: 65–74, 5 Abb.

Grundwassermessstellen mit Barometerfunktion

  • Upload
    others

  • View
    2

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Wolf-Peter von PaPe Grundwassermessstellen mit Barometerfunktion

Die Wasserstände in Grundwassermessstellen haben natürliche Schwankungen, die vor allem von der jah-reszeitlich veränderlichen Grundwasserneubildung aus dem Niederschlag geprägt wird. Im Sommerhalb-jahr sinkt das Grundwasser, da die Verdunstung bei höherer Temperatur und aktiver Vegetation groß ist. Im Winterhalbjahr wird es durch einen größeren ver-sickernden Teil der Niederschläge wieder aufgefüllt. Der Jahresv erlauf der Grundwasserstände, der in Grafiken oft sinusförmig ist, wird von mehrjährigen Trocken- und Nassperioden überprägt. Die gesamte Schwankungshöhe des Grundwassers beträgt oft das doppelte des Jahresverlaufes.

Nicht selten gibt es Grundwassermessstellen, in denen die Wasserstände in mehrtägigen, oft wöchen tlichen Zeiträumen, mit Höhen bis zu +/-15 cm um die mittleren Wasserstände schwan-ken (Abb.1). Meist sind diese Schwankungen mit wenigen Millimetern unauffällig und kaum zu erken-nen. Da die Ablotung der Grundwassermessstellen meist wöchentlich und länger erfolgt, wirken diese

Schwankungen wie ein Zappeln entlang einer ge-dachten mittleren Linie.

Die kurzfristigen Schwankungen der Grundwasser-spiegel korrelieren häufig mit dem Luftdruck. Das Phänomen ist bekannt und wurde in Messstellen in Frankfurt und im Vogelsberg von R. Mügge1 (1954) untersucht und beschrieben. Damals waren die Mes-sungen und deren Registrierung ein kniffeliges fein-mechanisches Unterfangen. Mügge beschreibt sogar die Beobachtung von Erdbebenwellen in Grundwas-serständen. Die Amplituden sind bis einem Dezime-ter groß und die Ausschläge dauer nur Sekunden. Zu erwähnen ist auch ein möglicher Gezeiteneinfluss des Mondes auf das Grundwasser. Dieser müsste sich in Messstellen mit freier Grundwasseroberfläche zei-gen. Die Drucksonden mit der Empfindlichkeit von einem Zentimeter zeigen keinen eindeutigen Einfluss.Heutzutage werden an einer Auswahl von Luft-messstationen des HLUG die Luftdrücke im 30 Minutentakt gemessen und die Messwerte im Inter-net veröffentlicht. Ein Teil der Messstellen des Lan-

Wolf-Peter von PaPe

Grundwassermessstellen mit Barometerfunktion

W4

Abb. 1: Grundwasserstände der Messstelle Gedern Nr. 486060.

Jan.11 Apr.11 Jul.11 Jan.13 Apr.13 Jul.13Okt.11 Apr.12 Jul.12 Okt.12Jan.12

[m] u

nter

Gel

ände

Grundwasserstand [m] Tageswerte

-44,0

-43,5

-43,0

-42,5

-42,0

1 Mügge R (1954) Das Grundwasser als geophysikalischer Indikator. Z f Geophysik 20: 65–74, 5 Abb.

Hessisches Landesamt für Umwelt und Geologie – Jahresbericht 2013

desgrundwasserdienstes ist ebenfalls mit Messgeräten und Datenfern übertragung ausgerüs tet, so dass täg-liche Messwerte im Internet veröffentlicht werden. Die Geräte in Grundwassermessstellen sind Druck-sonden, die mit Batterien versorgt werden. Eine täg-liche Daten übertragung muss ausreichen, damit der Stromverbrauch gering ist und die Batterien länger als ein Jahr halten. Die Grundwasserstände verändern sich meist nur gemächlich, so dass die Datendichte ausreichende Informa tionen bietet. Für die Untersu-chung der Wirkung des Luftdruckes auf die Grund-wasserstände wurden die Messungen an passenden Messstellen eine Zeit lang zeitgleich auf den 30- Minutentakt der Luftdruckmessungen eingestellt.

Das Phänomen, dass der Luftdruck die Grund-wasserstände verändert, ist nur unter bestimmten geologischen Bedingungen möglich. Normaler-weise hat die Außenluft durch Klüfte und Poren im Boden Kontakt mit dem Grundwasser, so dass sich der Luftdruck gleichmäßig auf die Grundwas-seroberfläche oder die Grundwasserdruckfläche2 auswirkt. Diese Grundwasserstände lassen sich nicht durch den Luftdruck verändern. Wenn das Grund-wasser von sehr dichtem und wenig luftduchlässigem Gestein überdeckt ist, lasten veränderte Luftdrücke in geringem Maße, aber wenig zeitverzögert auf das Grundwasser. Steht das Gundwasser in einer solchen geologischen Situation nur in dem Loch einer Mess-stelle direkt mit der Aussenluft in Kontakt, so kann ein veränderter Luftdruck das Wasser heben und sen-ken, aber nur in dieser Stelle. Steigender Luftdruck (rote Linien) drückt die Wassersäule (blaue Linien) nach unten, umgekehrt steigt der Wasserspiegel bei sinkendem Luftdruck. Diese Gegenläufigkeit wird beim Betrachten der nachfolgenden Abbildungen besonders deutlich.

Aus gleicher Ursache gibt es Bohrlöcher und Brun-nen, die bei Luftdruckänderung Luft ausblasen oder einsaugen. Hier gibt es einen luftgefüllten Kluft- oder Porenraum im Gestein zwischen Grundwasser-oberfläche und einer dichten Deckschicht, der durch die Öffnung des Loches den Druck auszugleichen versucht. Dieses Phänomen gibt es im Vogelsberg, da hier wechselnde klüftige Basalte mit dichten ver-witterten Tuffiten und Lehmen mehrere Grundwas-serstockwerke mit luftgefüllten Zwischenhorizonten

ausgebildet haben. Der Luftaustritt kann sehr stark sein, so dass durchaus der Eindruck eines Erdgasaus-bruches entstehen kann.

Es wurden Messwerte von vier Grundwassermessstel-len mit deutlichen und kurzzeitigen Schwankungen der Wasserspiegel mit Messwerten von Luftdrücken der am nahesten gelegenen Luftmessstationen ausge-wertet und ver glichen.

Die Grundwassermessstelle Frischborn Nr. 462070 (Abb. 2) liegt im nordöstlichen Vogelsberg. Die Bohr-tiefe ist 60 m. Das Gestein ist ein klüftiger Basalt, der von 20 m lehmig basaltischem Verwitterungsgestein überdeckt ist. Die Reaktion des Grundwasserspiegels kann bei Luftabschluss die gesamte Luftdruckände-rung abbilden. Das ist in der Messstelle Frischborn zu 100 % der Fall, da der Luftdruck von 1 Hektopascal [1 hPa = 1 Millibar] praktisch 1 cm Wassersäule ent-spricht.

Die Grundwassermessstelle Rixfeld Nr. 462069 (Abb. 3) liegt ebenfalls im nördöstlichen Vogelsberg. Die Bohrtiefe ist 67 m. Das Gestein ist ein klüftiger Basalt, der von 23 m Tuffit, Basalt und lehmig ba-saltischem Verwitterungsgestein überdeckt ist. Das natürliche Absinken des Grundwassers im Sommer wird mit untergeordneten Druckschwankungen überlagert. Die stufige Grafik entsteht durch die kleinste Auflösung der Drucksonde von 1 cm. Die Druckschwankung des Grundwassers beträgt ca. 2/3 des Luftdruckes. Das Grundwasser hat hier schwa-chen Kontakt zur Aussenluft.

Die Grundwassermessstelle Berndorf Nr. 383021 (Abb. 4) liegt im Nordwes ten Hessens. Die Bohrtiefe ist 168 m. Der Grundwasserleiter ist Dolomit und Schieferton des Zechsteins (Plattendolomit) über-deckt von 132 m Ton- und Sandstein des Unteren Buntsandsteins. Der Grundwasserleiter unterliegt hier ständigen Schwankungen, die einen Anteil des Luftdruckes enthalten. Die Ursache der stärkeren überlagernden Schwankungen können die Grund-wasserentnahmen aus Brunnen in der Ortslage Bern-dorf sein. Der Druck in dem gespann ten Grundwas-serleiter2 kann sich über lange Distanzen und weit über das Grundwassereinzugs gebiet von Brunnen hinaus ausbreiten.

2 Eine Grundwasserdruckfläche ist eine gedachte Fläche gleicher Grundwasserstände, die durch eine undurchlässige Schicht über dem Grundwasser gestaut wird. Ein unter Druck stehender Grundwasserleiter ist ein gespannter Grundwasserleiter.

Wolf-Peter von PaPe Grundwassermessstellen mit Barometerfunktion

Abb. 2: Grundwassermessstelle Frischborn Nr. 462070.

[m] u

nter

Gel

ände

Zeitraum 8.11.2012 bis 14.5.2013; 1 Teilstrich = 1 Woche; Messwerte alle 30 Minuten

[hPa]

-30,0

-29,8

-29,6

-29,4

-29,2

960

980

1000

1020

1040Grundwasserstand Frischborn Nr. 462070 [m]Luftdruck Burg Herzberg [hPa]

Abb. 3: Grundwassermessstelle Rixfeld Nr. 462069.

[m] u

nter

Gel

ände

Zeitraum 22.7.2013 bis 13.10.2013; 1 Teilstrich = 1 Woche; Messwerte alle 30 Minuten

[hPa]

960

980

1000

1020

1040

-35,6

-35,5

-35,4

-35,3

-35,2Grundwasserstand Rixfeld Nr. 462069 [m]Luftdruck Burg Herzberg [hPa]

Abb. 4: Grundwassermessstelle Berndorf Nr. 383021.

[m] u

nter

Gel

ände

Zeitraum 17.7.2013 bis 12.10.2013; 1 Teilstrich = 1 Woche; Messwerte alle 30 Minuten

[hPa]

970

980

990

1000

1010

1020

1030

-33,5

-33,0

-32,5

-32,0

-31,5

-31,0

-30,5

Grundwasserstand Berndorf Nr. 383021 [m]Luftdruck Bad Arolsen [hPa]

Hessisches Landesamt für Umwelt und Geologie – Jahresbericht 2013

Fazit

Wasserstände in Grundwassermesstellen, die in einem Grundwasserleiter unter weitgehendem Ab-schluss der Aussenluft stehen, reagieren wie Baro-meter auf Luftdruckänderungen. Die Korrelation der Wasserstände von vier hessischen Grundwas-sermessstellen mit den am nächsten gelegenen Luft-druckmessungen ist zeitgleich und außerordentlich genau. Die Auswertung zeigt, dass je dichter das Deckgebirge ist, um so deutlicher reagieren Grund-wasserstände in einem Bohrloch auf Veränderungen des Luftdruckes. Ein Hektopascal [1 hPa = 1 Millibar]

Druckunterschied kann die Grundwassersäule bis zu 1 cm verändern.

Für die Überwachung des Grundwassers in Absen-kungsgebieten von Brunnenanlagen ist die Mit-tellinie zwischen den Luftdruckschwankungen der gültige Wert, da dieser der tatsächlichen Grundwasser oberfläche entspricht. Das kann wichtig sein, wenn Grenzgrundwasserstände festgelegt sind, die für den Brunnenbetrieb maßgeblich sind.

Abb. 5: Grundwassermessstelle Rüsselsheim Nr. 507156.

[m] u

nter

Gel

ände

Zeitraum 15.11.2012 bis 1.2.2013; 1 Teilstrich = 1 Woche; Messwerte alle 30 Minuten

[hPa]

960

980

1000

1020

1040

1060

-4,7

-4,6

-4,5

-4,4

-4,3

-4,2

Grundwasserstand Rüsselsheim Nr. 507156 [m]Luftdruck Frankfurt Ost [hPa]

Die Grundwassermessstelle Rüsselsheim Nr. 507156 (Abb. 5) liegt in der südhessischen Untermain ebene. Die Bohrtiefe ist 12,5 m. Ein Grundwasserleiter aus kiesigem Sand wird ab 4,5 m von Schluffton mit Sandschichten überdeckt, der wenig durchlässig ist. Der natürliche Grundwasser-

anstieg im Winter wird von untergeordneten Druck-schwankungen überlagert. Die stufige Grafik entsteht durch die kleinste Auflösung der Drucksonde von 1 cm. Die Druckschwankung des Grundwassers be-trägt ca. die Hälfte des Luftdruckes. Das Grundwas-ser hat hier geringen Kontakt zur Aussenluft.

Folgende Skizzen zeigen die Auswirkungen von Luftdruckschwankungen in einem Brunnenrohr und in einem offenen Bohrloch. (Ergänzung 2014)

Wolf-Peter von PaPe Grundwassermessstellen mit Barometerfunktion