24
Gruselgeschichten

Gruselgeschichten - bücher.de

  • Upload
    others

  • View
    5

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Gruselgeschichten - bücher.de

Gruselgeschichten

Welttagsedition_3_Gruselgeschichten_Titelei.indd 1Welttagsedition_3_Gruselgeschichten_Titelei.indd 1 20.01.11 12:0620.01.11 12:06

Page 2: Gruselgeschichten - bücher.de

DIE AUTOREN

Peter Freund ist seit 1980 in der Film- und Fernseh-branche tätig, zunächst als Leiter und Manager ver-schiedener Kinos, dann im Filmverleih und seit 1993 als Producer und Autor. Schon seit Ende der 80er-Jahre hat Peter Freund neben Drehbüchern immer wieder auch Romane und Geschichten veröffentlicht. Sein bisher größter Erfolg war die »Laura Leander«-Reihe, die Kinder wie Erwachsene begeisterte und in siebzehn Sprachen übersetzt wurde. »Die Drachen-Bande« ist das erste Buchprojekt, das Peter Freund zusammen mit seinem Sohn Florian konzipiert und geschrieben hat.

Von Peter und Florian Freund ist bei cbj bereits erschienen:

Die Drachen-Bande – Das Monster aus der Tiefe (21829)Die Drachen-Bande – Der Tanz der Gespenster (21830)Die Drachen-Bande – Das Phantom um Mitter-nacht (21831)

Von Peter Freund ist bei cbj bereits erschienen:

MYSTERIA – Das Tor des Feuers (40053)AYANI – Die Tochter des Falken (13724)Sinkkâlion – Das Schwert des Schicksals (13365)

Pierdomenico Baccalario wurde 1974 in Acqui Terme, Italien, geboren. Schon früh begeisterte er sich fürs Lesen und durchstöberte die riesige Bibliothek seiner Familie nach abenteuerlichen Geschichten. Er studierte zunächst Jura, bevor er sich dem Journalismus und dem Schreiben von Büchern zuwandte, die in über 18 Spra-chen übersetzt wurden.

Welttagsedition_3_Gruselgeschichten_Titelei.indd 2Welttagsedition_3_Gruselgeschichten_Titelei.indd 2 20.01.11 12:0620.01.11 12:06

Page 3: Gruselgeschichten - bücher.de

Peter und Florian FreundPierdomenico Baccalario

Grusel--

geschichten

Welttagsedition_3_Gruselgeschichten_Titelei.indd 3Welttagsedition_3_Gruselgeschichten_Titelei.indd 3 20.01.11 12:0620.01.11 12:06

Page 4: Gruselgeschichten - bücher.de

cbj ist der Kinder- und Jugendbuchverlagin der Verlagsgruppe Random House

Verlagsgruppe Random House FSC-DEU-0100Das für dieses Buch verwendete FSC®-zertifiziertePapier München Super Extra liefert Arctic PaperMochenwangen GmbH.

1. Aufl age Erstmals als cbj Taschenbuch April 2011Gesetzt nach den Regeln der Rechtschreibreform© 2008 cbj Verlag, MünchenOriginaltitel: »Die Drachenbande – Im Bann des schwarzen Ritters«© 2009 cbj Verlag, MünchenOriginaltitel: »Will Moogleys Geisteragentur – Unheimlichkeiten aller Art«© Dreamfarm 2008Die italienische Originalausgabe erschien 2008 unter dem Titel »Will Moogley Agenzia Fantasmi – Una famiglia … da brivido«bei Edizioni Piemme Spa, 15033 Casale Moferrato (AL) – Via G. de Carretto, 10Innenillustrationen: Matteo PianaAlle deutschsprachigen Rechte dieser Ausgabe vorbehalten durch cbj Verlag, MünchenUmschlagillustration: Ralf ButschkowÜbersetzung: Ulrike SchimmingUmschlaggestaltung: Basic-Book-Design, Karl Müller-Bussdorfkg ∙ Herstellung: CZSatz: Uhl + Massopust, AalenDruck und Bindung: GGP Media GmbH, PößneckISBN: 978-3-570-22235-5Printed in Germany

www.cbj-verlag.de

Welttagsedition_3_Gruselgeschichten_Titelei.indd 4Welttagsedition_3_Gruselgeschichten_Titelei.indd 4 20.01.11 12:0620.01.11 12:06

Page 5: Gruselgeschichten - bücher.de

Peter und Florian Freund

Die DrachenBande

Im Bann des

schwarzen Ritters

Welttagsedition_3_Gruselgeschichten_Titelei.indd 5Welttagsedition_3_Gruselgeschichten_Titelei.indd 5 20.01.11 12:0620.01.11 12:06

Page 6: Gruselgeschichten - bücher.de

Welttagsedition_3_Gruselgeschichten_Titelei.indd 6Welttagsedition_3_Gruselgeschichten_Titelei.indd 6 20.01.11 12:0620.01.11 12:06

Page 7: Gruselgeschichten - bücher.de

Der Spuk beginnt

Es war kurz nach zehn, als der Spuk begann. Wie diedüsteren Vorboten des drohenden Unheils geistertenschwarze Wolken über den nächtlichen Himmel.Marie Mertens jedoch hatte dafür keinen Blick. Dashoch aufgeschossene Mädchen drehte gerade seineallabendliche Runde durch den Stadtwald von RockCity, ganz in der Nähe der elterlichen Villa. Diva,Maries Golden-Retriever-Hündin, trabte leicht undelegant neben ihr her.

Zwischen den alten Bäumen, hauptsächlich Eichen,Buchen und Fichten, hatte sich bereits die Dunkelheiteingenistet. Nur ein paar einsame Laternen warfenFlecken aus gelbem Licht auf die Kieswege des park-ähnlichen Wäldchens. Der späten Stunde zum Trotzwar es noch drückend warm. Kein Wunder – Steinin-gen, wie der richtige Name des Städtchens lautete, er-lebte gerade den heißesten Sommer seit Jahren.Mückenschwärme schwirrten durch die schwüle Luftund formten schwarze Wirbel in den hellen Lichtke-geln. Vor der dunklen Tannenschonung, die sich rundfünfzig Meter weiter rechts vom Weg erhob, leuch-teten Hunderte von kleinen Lichtpunkten – Glüh-würmchen beim abendlichen Ausflug.

7

1_Freund_Drachenbande_U+M.qxd 20.01.2011 13:33 Uhr Seite 7

Page 8: Gruselgeschichten - bücher.de

Mit einem Male drang ein schriller Laut aus demWald: »Kijuuhh! Kijuuhh!«

Marie erkannte ihn sofort: Es war ein Waldkauz.Ein Weibchen. Schlagartig blieb sie stehen. Nichtweil der unheimliche Ruf ihr einen Schrecken einge-jagt hätte. Ganz im Gegenteil: Ein erfreutes Lächelnlegte sich auf ihr hübsches Gesicht.

Auch die Hündin verharrte, reckte leise winselnddie Schnauze nach vorne und spähte erwartungsvollzwischen die Bäume. Ihr Schwanz ging aufgeregt hinund her.

Marie strich mit der Hand über Divas Kopf. »Jetztbin ich mal gespannt«, flüsterte sie ihr zu, »ob wiruns gestern Abend nicht getäuscht haben.«

Erneut tönte der schrille Laut an ihr Ohr: »Ki-juuhh!«, dem unmittelbar darauf ein zweiter antwor-tete: »Kijuuhh!«

»Super!« Ein Strahlen ging über das Gesicht desMädchens, während es die Faust ballte. »Wir habendoch richtig gehört.« Erneut tätschelte Marie dasgoldbraune Fell ihrer Hündin. »Es ist tatsächlich einPaar, das sich in der alten Eiche eingenistet hat. Viel-leicht bekommen sie nächstes Jahr ja Junge und wer-den bei uns heimisch.«

Mit zufriedener Miene setzte Marie ihren Weg fort.Der Pferdeschwanz, zu dem sie ihr langes Blondhaarzusammengebunden hatte, wippte vergnügt. Marie

8

1_Freund_Drachenbande_U+M.qxd 20.01.2011 13:33 Uhr Seite 8

Page 9: Gruselgeschichten - bücher.de

engagierte sich nicht nur im Tierschutzverein, son-dern war überhaupt eine leidenschaftliche Tierlieb-haberin. Die heimatliche Fauna war ihr bestensvertraut, und so wusste sie natürlich auch, dass Wald-käuze in Mitteleuropa weit verbreitet waren. Nur inSteiningen hatte sich zu ihrem großen Bedauern bis-lang noch keiner dieser Eulenvögel angesiedelt. KeinWunder, dass Maries Herz schneller geschlagen hat-te, als am Abend zuvor erstmals ein Käuzchenruf imStadtwald erklungen war. Dass manche Leute diescheuen Nachtvögel als unheimlich und schauerlichempfanden, konnte sie überhaupt nicht verstehen.Schließlich waren Käuzchen überaus nützliche Tiere.Sie machten Jagd auf Ratten und Mäuse und sorgtendafür, dass die kleinen Nager nicht überhandnahmenund größere Schäden anrichteten. Und zum Dankdafür standen sie dann bei den meisten Menschenim Verruf. Erst kürzlich hatte Marie gelesen, dassKäuzchen in manchen Gegenden als Todesboten ver-schrien waren. In anderen Landstrichen wiederumwar man fest davon überzeugt, dass ihr Lockrufschlimmes Unheil ankündigte.

So ein Unsinn!Das war doch nichts als dummer Aberglaube.In diesem Moment blieb Diva, die einige Meter

vorangelaufen war, urplötzlich stehen. Dann ließ sieein Knurren hören, tief und bedrohlich.

9

1_Freund_Drachenbande_U+M.qxd 20.01.2011 13:33 Uhr Seite 9

Page 10: Gruselgeschichten - bücher.de

Marie eilte auf die Hündin zu, leinte sie fest undsah sie verwundert an. Das dichte Fell auf Divas Rü-cken war gesträubt. »Was ist denn los? Was hast dudenn?«

Diva reagierte nicht. Breitbeinig und mit gesenk-tem Kopf, stand sie da und starrte in die schwarzeDüsternis der Tannenschonung, die sich am Randedes Weges erstreckte. Erneut grollte ein Knurren ausDivas Kehle.

Das Mädchen hob den Blick und spähte in dieSchonung. In der Dunkelheit, die sich wie eine Hor-de bedrohlicher Gespenster zwischen den jungenBäumen ballte, war nichts zu erkennen. Nur Sekun-den später jedoch rissen die Wolken auf. Der fastvolle Mond trat hinter ihnen hervor. Bleiches Lichtergoss sich auf die Tannen und erhellte die Finster-nis – und als Marie nun endlich sehen konnte, wasDivas Aufmerksamkeit erregt hatte, lief ihr ein eisigerSchauer über den Rücken. Die feinen Härchen aufihren Unterarmen richteten sich auf, während sieentsetzt nach Luft schnappte: Dort im fahlen Lichtdes Mondes stand eine schemenhafte Gestalt. Sie warmannsgroß und trug die Rüstung eines Ritters. DasVisier des mächtigen Helms, den ein schwarzerFederschweif zierte, war zugeklappt. Das Gesicht warnicht zu erkennen.

Doch Marie wusste auch so, um wen es sich han-

10

1_Freund_Drachenbande_U+M.qxd 20.01.2011 13:33 Uhr Seite 10

Page 11: Gruselgeschichten - bücher.de

delte: Ohne jeden Zweifel – das war der SchwarzeRitter.

Der Schrecken von ganz Rock City!In diesem Moment schlug Diva wütend an und

zerrte so heftig an der Leine, dass Marie Mühe hatte,sie zu halten. »Sitz!«, zischte sie der Hündin zu, derenFlanken vor Aufregung bebten. Die schlanke Rutepeitschte hektisch hin und her. »Wirst du wohl ruhigsein!«

Diva verstummte augenblicklich und setzte sich.Der strenge Ton ihrer Herrin hatte ihr verraten, dasses ernst war.

»Brav!«, lobte das Mädchen, während sie DivasFlanke tätschelte. »Sehr brav.«

Als Marie wieder den Kopf hob, um erneut in dieSchonung zu blicken, war der Schwarze Ritter ver-schwunden. Als hätte die Dunkelheit ihn ver-schluckt, war nicht die geringste Spur mehr von ihmzu entdecken.

Doch Marie war sich ganz sicher, dass sie sichnicht getäuscht hatte. Mit eigenen Augen hatte siedas legendenumwobene Wesen erblickt, das seit Kur-zem das Tagesgespräch von ganz Steiningen war unddie Gemüter der Einwohner erhitzte. Nicht ohneGrund natürlich: Während der letzten Jahrhundertewar die unheimliche Spukgestalt angeblich immerwieder in der Stadt aufgetaucht und stets war

11

1_Freund_Drachenbande_U+M.qxd 20.01.2011 13:33 Uhr Seite 11

Page 12: Gruselgeschichten - bücher.de

schreckliches Unheil über Steiningen und seine Bür-ger hereingebrochen: Pest und Cholera. Dürre undFeuersbrunst. Krieg und Hungersnöte und ähnlicheKatastrophen mehr. Und alles immer infolge der gru-seligen Erscheinung. Jedenfalls wenn man den Spuk-geschichten glauben wollte, die über den SchwarzenRitter im Umlauf waren.

Marie machte kehrt und trat eilends den Rückwegan. Ein einziger Gedanke geisterte durch ihren Kopf:Wir müssen den Drachen-Rat einberufen, und zwarschnellstens! Schließlich musste sie Jan, Einstein undJulia umgehend von ihrer unheimlichen Begegnungberichten!

Der Lämmergeier reckte den Kopf nach vorne undblickte mit zusammengekniffenen Augen durch diedicken Brillengläser. »Ähm, räcks«, räusperte er sichund fuhr dann mit schnarrender Stimme fort: »Denmeisten von euch dürften die Schauergeschichten be-kannt sein, die seit ein paar Tagen in unserer Stadt dieRunde machen. Aber kennt jemand von euch viel-leicht die wahren historischen Hintergründe, die zudiesen abenteuerlichen Legenden geführt haben?«

Im Klassenzimmer war kein Laut zu vernehmen.Die 7a tat so, als hätte sie die Frage nicht gehört. DieMehrzahl der Schüler und Schülerinnen senkte denKopf, damit sich ihr Blick nicht zufällig mit dem ihres

12

1_Freund_Drachenbande_U+M.qxd 20.01.2011 13:33 Uhr Seite 12

Page 13: Gruselgeschichten - bücher.de

Geschichtslehrers kreuzte, dessen richtiger Name Dr.Lemmer-Geyer lautete. Die Schüler des Paracelsus-Gymnasiums nannten ihn allerdings nur »Lämmer-geier«. Zumal nicht nur sein Name eine verblüffendeÄhnlichkeit mit dem Aasfresser aufwies, sondernauch seine gesamte Erscheinung – der stechendeBlick, der vorgereckte Kopf, die gespreizte Körper-haltung und der wiegende Gang.

Dr. Lemmer-Geyer wischte sich Schweißtropfen vonder Stirn, bevor er erneut in die Runde spähte. »Was istlos?«, fragte er. »Auch wenn wir das noch nicht durch-genommen haben, solltet ihr das doch wissen.«

Ein großer schwarzhaariger Junge in der zweitenSitzreihe beugte sich zu seinem Banknachbarn hinü-ber. »Damit hat der Lämmergeier ausnahmsweisemal recht«, zischte Jan Berger dem fülligen Rotschopfan seiner rechten Seite ins Ohr. »Selbst das TAGE-BLATT hat gestern erst eine Titelgeschichte über denSchwarzen Ritter gebracht!«

»Was mehr als bedauerlich ist.« Albert Stein ver-drehte die Augen. »Und zudem der beste Beweis, dassder gesunde Menschenverstand in unserem Landvom Aussterben bedroht ist!« Seine rundlichen Wan-gen färbten sich vor Eifer, bis sie fast so feuerrot wa-ren wie die Haare auf seinem Kopf. »Man muss dochziemlich dämlich sein, um diesen Quatsch ernst zunehmen, findest du nicht auch?«

13

1_Freund_Drachenbande_U+M.qxd 20.01.2011 13:33 Uhr Seite 13

Page 14: Gruselgeschichten - bücher.de

»Ganz deiner Meinung, Einstein.« Jan nickte.»Aber viele Einwohner von Rock City sind felsenfestdavon überzeugt, dass die Geschichte stimmt.«

Einstein, wie Albert von seinen Freunden genanntwurde, wollte gerade zu einer Erwiderung ansetzen,als der Lämmergeier neben ihm auftauchte und ihnerwartungsvoll ansah. »Wie mir scheint, leiden deineKlassenkameraden unter einem Anfall akuter Ah-nungslosigkeit«, sagte der Lehrer mit breitem Geier-lächeln. »Willst du den Hohlraum in ihren Köpfen,den die meisten fälschlicherweise als Gehirn bezeich-nen, nicht ein wenig auffüllen, Albert?«

»Ja, klar«, ließ sich eine helle Mädchenstimme ausder hintersten Bankreihe vernehmen. »Einstein weißdoch alles!«

Erneut färbten sich Alberts Wangen rot. Diesmalallerdings aus Verlegenheit. Natürlich hatte MarthaMarbach recht: Einstein verfügte tatsächlich über einphänomenales Wissen und eine überragende Intel-ligenz. Er hielt damit auch keineswegs hinter demBerg. Im Gegenteil – er fand seinen Spitznamen, denman ihm aus diesem Grunde verpasst hatte, völligangemessen und trug ihn sogar mit Stolz. Dennochwar es ihm stets ein wenig peinlich, wenn er öffent-lich darauf angesprochen wurde – besonders voneinem Mädchen.

»Jetzt zier dich nicht länger …«, Jan stieß dem

14

1_Freund_Drachenbande_U+M.qxd 20.01.2011 13:33 Uhr Seite 14

Page 15: Gruselgeschichten - bücher.de

Freund den Ellbogen ganz sacht in die Seite, »… undgewähre uns Normalsterblichen endlich einen Ein-blick in die erhabenen Wissenswelten eines Genies!«

»Blödmann!«, zischte Einstein ihn an und wandtesich dann an den Lehrer. »Wie hätten Sie es denngerne, Dr. Lämmergei … äh … Dr. Lemmer-Geyer?Kurz und bündig? Oder lang und ausführlich?«

Erneut grinste der Lämmergeier – eine dumme An-gewohnheit, die ihm einen zweiten Spitznamen ein-getragen hatte: Grinseviel. »Ich bin mir sicher, dassdu einen mehrstündigen Vortrag über das Themahalten könntest. Aber da uns nur noch zehn Minutenbis zum Ende des Unterrichts bleiben, wäre ich dirfür eine Kurzfassung sehr dankbar.« Er blickte in dieRunde. »Ihr doch auch, oder?«

Allgemeines Kopfnicken und zustimmendes Ge-murmel waren die Antwort.

»Wie ihr wollt.« Einstein klang enttäuscht. Offen-sichtlich hätte er der 7a gerne mehr als nur die wich-tigsten Details aus dem Leben des Schwarzen Ritterserzählt. Dennoch legte er los.

Über viele Jahrhunderte, so erläuterte Einstein, be-fand sich Steiningen im Besitz der Grafen von Dra-chenfels. Ihr Stammsitz war die gleichnamige Burg,die das Herrschergeschlecht lange überdauerte undnoch immer das weithin bekannte Wahrzeichen desStädtchens darstellte. Graf Kuno II. von Drachenfels,

15

1_Freund_Drachenbande_U+M.qxd 20.01.2011 13:33 Uhr Seite 15

Page 16: Gruselgeschichten - bücher.de

der im zwölften Jahrhundert regierte, war einer derbeliebtesten Landesherren. Sein einziger Sohn dage-gen, Heidmar von Drachenfels, wurde wegen seinerfinsteren Gesinnung nur der »Schwarze Ritter« ge-nannt. In jungen Jahren buhlte Heidmar beständigum die Anerkennung seines gestrengen Vaters, wur-de von diesem aber immer wieder zurückgewiesen.Schwer enttäuscht machte sich der Schwarze Ritterschließlich auf den Weg ins Heilige Land, um seinenMut im Kampf gegen die Heiden unter Beweis zustellen.

Schon kurz nach seiner Ankunft in Akkon, einemder wichtigsten Stützpunkte der Kreuzritter, schlossHeidmar sich Richard Löwenherz an, dem sagen-umwobenen König von England, der den 3. Kreuz-zug anführte. Innerhalb kürzester Zeit gelang es demSchwarzen Ritter, das Vertrauen des Königs zu ge-winnen. Was von der offiziellen Geschichtsschrei-bung – so Einstein – allerdings ebenso verschwiegenwerde, wie das üble Spiel, das Heidmar von Drachen-fels mit dem englischen Herrscher trieb.

Im Jahre 1192, auf dem Heimweg aus dem Heili-gen Land, lockte der Schwarze Ritter Richard Löwen-herz nämlich in der Nähe von Wien in eine Falle,worauf dieser in die Hände seiner ärgsten Feinde fiel.Leopold von Österreich nahm den Herrscher gefan-gen und lieferte ihn an den Staufer-Kaiser Heinrich

16

1_Freund_Drachenbande_U+M.qxd 20.01.2011 13:33 Uhr Seite 16

Page 17: Gruselgeschichten - bücher.de

VI. aus, der ihn schließlich gegen die Zahlung einesLösegelds von 100000 Mark Silber wieder freiließ.

Als Dank für den feigen Verrat schenkte Leopoldvon Österreich dem Schwarzen Ritter einen unge-mein wertvollen Sarazenen-Dolch, der sich im Besitzvon Richard Löwenherz befand. Er war ein Geschenkdes legendären Sultans Saladin, der, obwohl Anfüh-rer der islamischen Heere, seinen christlichen Wider-sacher mit allergrößtem Respekt behandelt hatte.

Voller Stolz brachte Heidmar die kostbare Trophäezu seinem Vater in die heimatliche Burg. Doch anstattihn zu loben, strafte Kuno von Drachenfels seinenSohn nur mit Verachtung ob seiner verwerflichenTat. Auch die Untertanen hielten mit ihrer Ableh-nung nicht hinter dem Berg, spuckten vor Heidmaraus, wo immer sie ihm begegneten, und nannten diewertvolle Waffe fortan nur den »Verräterdolch«.

Die Demütigungen fanden ein jähes Ende, alsHeidmar von Drachenfels am nächsten Jahrestag derStadtgründung kurz nach Mitternacht aus dem Fens-ter seines Schlafgemaches in den Tod stürzte. Einschicksalhafter Unglücksfall – so jedenfalls lautete dieoffizielle Erklärung. Unter den Steininger Bürgernjedoch kursierte alsbald eine andere Version: Geplagtvom schlechten Gewissen, habe der Schwarze Ritterden Freitod gesucht. Zumal ein Nachtwächter, derZeuge des tödlichen Sturzes wurde, gehört haben

17

1_Freund_Drachenbande_U+M.qxd 20.01.2011 13:33 Uhr Seite 17

Page 18: Gruselgeschichten - bücher.de

wollte, wie Heidmar einen Fluch über die Bürger derStadt aussprach.

»Einen Fluch?«, unterbrach Martha Marbach Ein-steins Vortrag verwundert. Entgegen ihrer sonstigenGewohnheit – meist döste sie im Unterricht teil-nahmslos vor sich hin – schien sie plötzlich hellwach.Auch die übrigen Schüler blickten Albert vollerSpannung an. »Welchen Fluch denn?«

»Stand doch alles in der Zeitung, ihr Schnarch-nasen«, brummte Einstein vor sich hin, bevor er sichwieder an die Klasse wandte. »Angeblich hat Heidmarvor seinem Sturz Folgendes ausgerufen: ›Tod undVerderben Euch allen – und allen Euren Nachfah-ren!‹ Jedenfalls hat das der Nachtwächter behauptet.«

»Krass!«, stöhnte ein Mädchen, Selma Müller, inder ersten Reihe auf. »Das klingt ja total unheimlich.«

»Richtig gespenstisch.« Martha Marbach war blassgeworden um die Nase. »Und was ist dann passiert?«

Albert warf seinem Freund Jan einen Hilfe suchen-den Blick zu: Soll ich das wirklich erzählen?

Jan grinste nur und zuckte mit den Schultern, waswohl so viel wie »Da musst du jetzt durch!« bedeutensollte.

»Also«, fuhr Einstein gedehnt fort. »Ich halte dieGeschichte zwar für ausgemachten Blödsinn oder fürdie Ausgeburt eines fieberkranken Schreibergehirns,aber wenn man unserer Stadtchronik glauben darf,

18

1_Freund_Drachenbande_U+M.qxd 20.01.2011 13:33 Uhr Seite 18

Page 19: Gruselgeschichten - bücher.de

dann …« Er brach ab und machte ein unglücklichesGesicht. Offensichtlich widerstrebte es ihm, die aben-teuerliche Geschichte preiszugeben.

»Ja, was denn?«, drängte Frank Boysen, der amTisch hinter Jan und Albert saß. »Jetzt sag doch end-lich!«

»Ähm.« Einstein räusperte sich. »Angeblich such-te der Geist des Schwarzen Ritters die Stadt in denfolgenden Jahrhunderten gleich mehrere Male heim –nämlich immer dann, wenn am Tag des StadtfestesVollmond war, genau wie in der Nacht von HeidmarsTod. Glücklicherweise war das nur selten der Fall,denn gemäß den historischen Aufzeichnungen kames bei diesen wenigen Gelegenheiten zu einer außer-gewöhnlichen Häufung von Unglücksfällen undKatastrophen: so zum Beispiel zu einem verheeren-den Brand, dem ein Großteil der Häuser und Bewoh-ner zum Opfer fielen …«

»Krass!«, ließ sich Selma wieder vernehmen.»Ein anderes Mal ging ein schreckliches Unwetter

über Steiningen und Umgebung nieder, das die Erntevollständig vernichtete und Hunger und Not überseine Bewohner brachte. Ein weiterer Eintrag schließ-lich berichtet, dass just an einem solchen Vollmond-Stadtfest das erste Opfer der Pest zu beklagen war, diedann in kürzester Zeit fast die gesamte Bevölkerungdahinraffte. Und jedes Mal hat sich das Unheil da-

19

1_Freund_Drachenbande_U+M.qxd 20.01.2011 13:33 Uhr Seite 19

Page 20: Gruselgeschichten - bücher.de

durch angekündigt, dass einem oder mehreren Be-wohnern der Stadt kurz davor die geisterhafte Gestaltdes Schwarzen Ritters erschienen ist. Die jeweiligenAugenzeugen beschworen das jedenfalls hoch undheilig. Die Angst der Steininger Bürger vor demFluch des Schwarzen Ritters wurde schließlich sogroß, dass sie das Stadtfest immer dann ausfallen lie-ßen, wenn es auf einen Vollmondtag fi–«

»Moment mal!«, unterbrach ihn Martha Marbach.»Übermorgen, am Sonntag, haben wir doch auchwieder Stadtfest. Die 1000-Jahr-Feier sogar.«

Einstein grinste. »Stimmt.«»Und wenn ich richtig informiert bin, ist an dem

Tag ebenfalls Vollmond.«»Das ist absolut korrekt.«»Hey – ist das krass!« Martha wurde noch blasser,

während sie ihre Klassenkameraden ängstlich an-blickte. »Wenn das stimmt, was in der Stadtchroniksteht, müsste dieser Schwarze Ritter doch wieder auf-tauchen. Und bei uns in Steiningen was ganz Furcht-bares passieren!«

20

1_Freund_Drachenbande_U+M.qxd 20.01.2011 13:33 Uhr Seite 20

Page 21: Gruselgeschichten - bücher.de

Die Schrecklichen Drei

Kommissar Krausewitz konnte sich ein Lächeln nichtverkneifen. Mit spöttischem Blick beäugte er Bürger-meister Obermeier. Das übergewichtige Stadtober-haupt bot ein Bild des Jammers. Mit schweißnassemGesicht saß Obermeier hinter dem Schreibtisch sei-nes Amtszimmers und starrte auf die Zeitung, dieaufgeschlagen vor ihm lag.

»Mann, Mann, Mann!«, jammerte er immer wie-der. »Das hat uns gerade noch gefehlt. Nicht aus-zudenken, wenn das Herr Großkopf zu lesen be-kommt!«

Konrad Krausewitz grunzte nur vor sich hin. Erwusste, was dem Bürgermeister zu schaffen machte,dachte aber nicht im Traum daran, ihn mit ein paartröstenden Worten aufzumuntern. Der Kerl soll sichruhig mal Sorgen machen, ging es ihm durch denKopf, und im eigenen Saft schmoren. Dann behan-delt er mich in Zukunft vielleicht besser!

Natürlich hatte der Kommissar den Artikel imSTEININGER TAGEBLATT längst gelesen. Dieriesengroßen Buchstaben der Schlagzeile waren garnicht zu übersehen: »Steiningen im Bann eines jahr-hundertealten Fluchs!« Auch die Unterzeile schrie

21

1_Freund_Drachenbande_U+M.qxd 20.01.2011 13:33 Uhr Seite 21

Page 22: Gruselgeschichten - bücher.de

den Leser förmlich an: »Hat es der Schwarze Ritterdiesmal auf seinen Dolch abgesehen?« Im Berichtwar dann in reißerischen Worten von Heidmar vonDrachenfels und seinem angeblichen Fluch die Rede.Da die 1000-Jahr-Feier am Sonntag zufällig auf einenVollmond fallen würde, hatte es sich der Schreiber-ling natürlich nicht verkneifen können, heftige Spe-kulationen darüber anzustellen, ob sich der SchwarzeRitter an diesem Tage wieder in der Stadt sehen las-sen und welche Folgen das für die Steininger Bürgerhaben würde.

Dabei war das alles nur Humbug! Das reinste Ammenmärchen, weiter nichts!Der Bürgermeister jedoch schien das Geschreibsel

tatsächlich ernst zu nehmen. Obermeier ließ die Zei-tung sinken, schnaufte tief und wischte sich denSchweiß vom fast kahlen Schädel, den ein spärlicherHaarkranz zierte. Dunkle Schwitzflecken waren aufseinem weißen Hemd zu sehen, während er Krause-witz fast flehend anblickte. »Kann man dagegen dennnichts unternehmen, Herr Kommissar?«

»Unternehmen?« Krausewitz – er war einen Kopfkleiner als Obermeier und zehn Jahre jünger, dafüraber noch um einiges rundlicher – starrte den Bür-germeister überrascht an. »Was soll ich dagegen dennunternehmen? Es ist schließlich nicht verboten,einen Blick in die Stadtchronik zu werfen und einen

22

1_Freund_Drachenbande_U+M.qxd 20.01.2011 13:33 Uhr Seite 22

Page 23: Gruselgeschichten - bücher.de

Zeitungsbericht darüber zu verfassen.« Damit schober den karierten Hut in den Nacken, der an seinemKopf festgewachsen zu sein schien – jedenfalls konn-te sich niemand in ganz Steiningen daran erinnern,Krausewitz jemals ohne seinen Hut gesehen zu ha-ben. Vorwurfsvoll fügte der Kommissar hinzu: »Beiuns herrscht schließlich Pressefreiheit, vergessen Siedas nicht.«

»Aber das meinte ich doch gar nicht, Krausewitz!«Obermeier verzog unwirsch das Gesicht.

»Nein?« Der Kommissar war verdutzt. »Was dann?«»Dass wir dringend was dagegen unternehmen

müssen, dass Herr Großkopf sich von der allgemei-nen Hysterie anstecken lässt, die dieser unglücklicheArtikel in der Stadt ausgelöst hat. Das meine ich!«

»Ach, papperlapapp!« Krausewitz winkte verächt-lich ab. »Herr Großkopf ist doch ein intelligenterMann. Er wird sich von dieser albernen Gespenster-geschichte schon nicht ins Bockshorn jagen lassen.«

»Das behaupten Sie!« Obermeier schien keines-wegs überzeugt. »Was machen wir denn, wenn ihndas alles so sehr beunruhigt, dass er seine großzügigeSchenkung in letzter Sekunde wieder rückgängigmacht?«

Der Kommissar antwortete nicht sofort. Er kniffdie Augen zusammen und starrte nachdenklich vorsich hin. Natürlich wusste er, worauf der Bürgermeis-

23

1_Freund_Drachenbande_U+M.qxd 20.01.2011 13:33 Uhr Seite 23

Page 24: Gruselgeschichten - bücher.de

UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE

Welttagsedition 3 - Gruselgeschichten

Taschenbuch, Broschur, 352 Seiten, 12,5 x 18,3 cmISBN: 978-3-570-22235-5

cbj

Erscheinungstermin: März 2011

Die Drachen-Bande hat ein Talent dafür, in mysteriöse Fälle verwickelt zu werden. Als derlegendäre Dolch des schwarzen Ritters spurlos verschwindet, machen sich Jan, Einstein, Marieund Julia auf die Suche danach und stoßen auf eine mysteriöse Spur … Irgendwie ist dasGeschäft mit den Geistern auch nicht mehr das, was es einmal war, findet Will Moogley. Dochwofür hat man gute Freunde, wenn nicht für gute Ideen? Wills Freund Tupper gibt ihm einenentscheidenden Tipp, wie er wieder Leben in seine Geisteragentur bringen kann.Enthält »Die Drachen-Bande – Im Bann des schwarzen Ritters« von Peter und Florian Freundund »Will Moogleys Geisteragentur – Unheimlichkeiten aller Art« von Pierdomenico Baccalario.