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Technik & Wissenschaft dmz 21/2017 14 deutsche-molkerei-zeitung.de Gut gerüstet für die Zukunft „Die Milchwerke Berchtesgadener Land kamen im Jahr 2014 mit der Anforderung auf uns zu, eine neue, zukunftsfähige Energiezentrale zu planen“, erklärt Tho- mas Winkler, Projektleiter bei Gammel En- gineering. „Dabei sollte bereits die pro- gnostizierte Produktionssteigerung von circa 50 % in die Überlegungen mit einflie- ßen.“ Das Ingenieurbüro erstellte zu- nächst eine Konzeptstudie und analysierte dafür den Gas- und Stromlastgang sowie den Kältebedarf des Unternehmens aus dem Jahr 2013. Darin wurde ein Jahres- gasbedarf von etwa 36.000 MWh ermit- telt, was bei einer Dampferzeugung bei 7,4 bar ü einer Jahresdampfmenge von knapp 40.000 t entspricht. Der Jahres- strombedarf wurde auf nahezu 14.000 MWh analysiert. Sowohl für den Wärme- als auch für den Stromlastgang sollten Steigerungsraten von 50 % für die nahe Zukunft berücksichtigt werden. Für die Drucklufterzeugung wurden Räumlichkei- ten in der neuen Energiezentrale vorgese- hen. Der Kälte- und Druckluftbedarf des Betriebes wird zunächst aber weiterhin von den vorhandenen Erzeugern bereitge- stellt. Zusätzlich übernahm das Ingenieur- büro die Aufgabe, die Medien in die neue Energieverteilung einzubinden. 82 % des künftigen Jahres- wärmebedarfs gedeckt Auf Basis des Strom- und Wärmelastgang- profils wurden zunächst mehrere Varian- ten zur Deckung des Energiebedarfs aus- gearbeitet. Dabei wurden ein Gas-BHKW, eine Gasturbine mit Abhitzekessel sowie eine Dampfturbine vergleichend gegen- übergestellt. Nach den Wirtschaftlichkeits- berechnungen von Gammel Engineering stellte sich die Gasturbine als beste Option heraus. „Diese deckt mit einer elektrischen Leistung von knapp 1.600 kW den Grund- last-Strombedarf sehr gut ab und kommt auf etwa 5.500 bis 6.000 Jahres-Volllast- stunden. Damit können die Milchwerke mehr als 70 % des Strombedarfs selbst er- zeugen. Zudem benötigen die Milchwerke derzeit circa 97 % des Jahreswärmebe- darfs als Dampf. Dieser wird mit der neuen Anlage bestmöglich abgedeckt“, führt der Projektleiter die Vorteile aus. Konkret be- deutet dies, dass circa 82 % des Wärme- bedarfs von der KWK-Anlage erzeugt wer- den können. Die Abgase der Gasturbine werden im nachgeschalteten Abhitzekes- sel zur Dampferzeugung genutzt, sodass die Energie vollständig für den Betrieb ver- wendet werden kann. Im Nachgang wur- den noch die alten Kessel durch zwei neue Spitzenlastkessel mit je 10 t/h Dampf er- setzt. Einstieg in Warmwasserversor- gung senkt Energieverbrauch Besonderen Wert legt das Ingenieurbüro darauf, dass die benötigte Energie mit ei- nem möglichst geringen Ressourcenein- satz erzeugt werden kann. Hier bestand vor allem im Bezug auf die Heizungstech- nik im Werk noch Optimierungsbedarf: Bisher wird der normale Heizwärmebedarf mithilfe von Hochtemperaturdampf be- reitgestellt und ist deshalb mit einem ho- hen energetischen Einsatz verbunden. Aus diesem Grund legte Gammel Engineering den Milchwerken ein Konzept zum Ein- stieg in die Heizungswasserversorgung vor. Dabei soll ein Teil des Wärmebedarfs Die Milchwerke Berchtesgadener Land Chiemgau eG (BGL) mit Sitz im oberbayerischen Piding verarbeiten täglich etwa 850.000 bis 900.000 l Milch. Für die Herstellung der Molkereiprodukte sind fast 40.000 t Dampf pro Jahr notwendig. Die dafür benötigte Energie wurde bisher über das öffentliche Stromnetz sowie über mittlerweile veraltete Gaskessel bezogen. Um die geplante Produktionssteigerung möglichst umweltfreundlich und effizient erreichen zu können, wurde deshalb in eine neue Energiezentrale mit einer Gasturbine, einem Abhitze- sowie zwei Spitzenlastdampfkesseln investiert, die die zukünftige Versorgung sichert. Bei den Milchwerken Berchtesgadener Land in Piding wurde eine neue Energiezentrale mit Erweiterungsmög- lichkeiten installiert. Federführend bei der Planung und Ausführung war die Gammel Engineering GmbH. Werkfotos

Gut gerüstet für die Zukunft - gammel.de · Neben der Gas-turbine mit einer Leistung von 1,6 MW el sah das Anlagenkonzept die Installation ei-nes Abhitzedampfkessels mit einer Erzeu

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Page 1: Gut gerüstet für die Zukunft - gammel.de · Neben der Gas-turbine mit einer Leistung von 1,6 MW el sah das Anlagenkonzept die Installation ei-nes Abhitzedampfkessels mit einer Erzeu

Technik & Wissenschaftdmz 21/2017

14 deutsche-molkerei-zeitung.de

Gut gerüstet für die Zukunft

„Die Milchwerke Berchtesgadener Landkamen im Jahr 2014 mit der Anforderungauf uns zu, eine neue, zukunftsfähigeEnergiezentrale zu planen“, erklärt Tho-mas Winkler, Projektleiter bei Gammel En-gineering. „Dabei sollte bereits die pro-gnostizierte Produktionssteigerung voncirca 50 % in die Überlegungen mit einflie-ßen.“ Das Ingenieurbüro erstellte zu-nächst eine Konzeptstudie und analysiertedafür den Gas- und Stromlastgang sowieden Kältebedarf des Unternehmens ausdem Jahr 2013. Darin wurde ein Jahres-gasbedarf von etwa 36.000 MWh ermit-telt, was bei einer Dampferzeugung bei7,4 barü einer Jahresdampfmenge vonknapp 40.000 t entspricht. Der Jahres-strombedarf wurde auf nahezu 14.000MWh analysiert. Sowohl für den Wärme-als auch für den Stromlastgang sollten

Steigerungsraten von 50 % für die naheZukunft berücksichtigt werden. Für dieDrucklufterzeugung wurden Räumlichkei-ten in der neuen Energiezentrale vorgese-hen. Der Kälte- und Druckluftbedarf desBetriebes wird zunächst aber weiterhinvon den vorhandenen Erzeugern bereitge-stellt. Zusätzlich übernahm das Ingenieur-büro die Aufgabe, die Medien in die neueEnergieverteilung einzubinden.

82 % des künftigen Jahres-wärmebedarfs gedeckt

Auf Basis des Strom- und Wärmelastgang-profils wurden zunächst mehrere Varian-ten zur Deckung des Energiebedarfs aus-gearbeitet. Dabei wurden ein Gas-BHKW,eine Gasturbine mit Abhitzekessel sowieeine Dampfturbine vergleichend gegen-

übergestellt. Nach den Wirtschaftlichkeits-berechnungen von Gammel Engineeringstellte sich die Gasturbine als beste Optionheraus. „Diese deckt mit einer elektrischenLeistung von knapp 1.600 kW den Grund-last-Strombedarf sehr gut ab und kommtauf etwa 5.500 bis 6.000 Jahres-Volllast-stunden. Damit können die Milchwerkemehr als 70 % des Strombedarfs selbst er-zeugen. Zudem benötigen die Milchwerkederzeit circa 97 % des Jahreswärmebe-darfs als Dampf. Dieser wird mit der neuenAnlage bestmöglich abgedeckt“, führt derProjektleiter die Vorteile aus. Konkret be-deutet dies, dass circa 82 % des Wärme-bedarfs von der KWK-Anlage erzeugt wer-den können. Die Abgase der Gasturbinewerden im nachgeschalteten Abhitzekes-sel zur Dampferzeugung genutzt, sodassdie Energie vollständig für den Betrieb ver-wendet werden kann. Im Nachgang wur-den noch die alten Kessel durch zwei neueSpitzenlastkessel mit je 10 t/h Dampf er-setzt.

Einstieg in Warmwasserversor-gung senkt Energieverbrauch

Besonderen Wert legt das Ingenieurbürodarauf, dass die benötigte Energie mit ei-nem möglichst geringen Ressourcenein-satz erzeugt werden kann. Hier bestandvor allem im Bezug auf die Heizungstech-nik im Werk noch Optimierungsbedarf:Bisher wird der normale Heizwärmebedarfmithilfe von Hochtemperaturdampf be-reitgestellt und ist deshalb mit einem ho-hen energetischen Einsatz verbunden. Ausdiesem Grund legte Gammel Engineeringden Milchwerken ein Konzept zum Ein-stieg in die Heizungswasserversorgungvor. Dabei soll ein Teil des Wärmebedarfs

Die Milchwerke Berchtesgadener Land Chiemgau eG (BGL) mit Sitz im oberbayerischen Piding verarbeiten

täglich etwa 850.000 bis 900.000 l Milch. Für die Herstellung der Molkereiprodukte sind fast 40.000 t

Dampf pro Jahr notwendig. Die dafür benötigte Energie wurde bisher über das öffentliche Stromnetz

sowie über mittlerweile veraltete Gaskessel bezogen. Um die geplante Produktionssteigerung möglichst

umweltfreundlich und effizient erreichen zu können, wurde deshalb in eine neue Energiezentrale mit einer

Gasturbine, einem Abhitze- sowie zwei Spitzenlastdampfkesseln investiert, die die zukünftige Versorgung

sichert.

Bei den Milchwerken Berchtesgadener Land in Piding wurde eine neue Energiezentrale mit Erweiterungsmög-lichkeiten installiert. Federführend bei der Planung und Ausführung war die Gammel Engineering GmbH.

Werkfotos

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durch einen Pufferspeicher abgedecktwerden. Dies geschieht auf Niedertempe-raturniveau von 90 °C, sodass zukünftigauch die kaskadierte Abwärmenutzungoder der Einsatz von Motor-BHKWs mög-lich ist. Die Milchwerke verfügen so übereine zukunftssichere Technik. Dies gilt imÜbrigen auch für die Gasturbine: Dieseverfügt über die Besonderheit, je nach Be-darf sowohl wärme- als auch stromgeführtgefahren werden zu können und ermög-licht damit einen sehr flexiblen Betrieb.Daneben können die Milchwerke darüberentscheiden, ob die überschüssige Energieins öffentliche Netz eingespeist werdensoll oder nicht. Im weiteren Verlauf des Projekts wurdendie Details ausgearbeitet. Neben der Gas-turbine mit einer Leistung von 1,6 MWelsah das Anlagenkonzept die Installation ei-nes Abhitzedampfkessels mit einer Erzeu-gung von 5 t/h sowie zweier Spitzenlast-kessel mit jeweils 10 t/h vor, womit eineabgesicherte Leistung von 15 t/h erreichtwerden kann. Der derzeitige Spitzenlast-bedarf liegt bei 11 t/h. Für die Produkti-onssteigerung wurden in der Planung Op-tionen zum späteren Integrieren weitererErzeuger für eine gesicherte Dampfleis-tung bis 25 t/h berücksichtigt, sodass zu-künftig 1,5 Mio. l Milch pro Tag verarbei-tet werden können.

Schnellere Projektabwicklungdank Ausschreibung

Bereits im Januar 2015 startete das Inge-nieurbüro mit der Entwurfs- und Geneh-migungsplanung und arbeitete die für denArchitekten notwendigen Informationenfür die Gebäudeplanung aus. Dabei muss-te beachtet werden, dass die MilchwerkeBGL Piding als Produktionsbetrieb nach Bundes-Immissionsschutzgesetz(BImSchG) genehmigt sind. Zusätzlichmussten die Dampfkessel ein Genehmi-gungsverfahren durchlaufen. Für die neueEnergiezentrale begleitete Gammel Engi-neering deshalb die komplette Ände-rungsgenehmigung und erarbeitete dieUnterlagen für die dafür notwendigenGutachten. Die frühzeitige Vorbereitungstellte sich schließlich als die richtige Stra-tegie heraus: Die endgültige Genehmi-gung wurde erst im Dezember 2016 erteilt– kurz bevor die Anlage in den Regelbe-trieb überging.

Die praktische Umsetzung ging dagegenschneller vonstatten: Nach reiflicher Über-legung entschieden sich die Milchwerkedafür, einen Generalunternehmer zu be-auftragen. „Anders als ein Einzelunterneh-mer, der nur einen kleinen Teil der Bau-maßnahmen ausführt, ist ein Generalun-ternehmer für die Ausführung sämtlicherBauleistungen zuständig. So lassen sich dieKosten besser überwachen. Da nicht zehnverschiedene Unternehmen an den Arbei-

ten beteiligt sind, können auch Abstim-mungen viel schneller erfolgen“, so Wink-ler. Nachdem im Mai 2015 die Entschei-dung für eine Generalunternehmeraus-schreibung mit funktionaler Leistungsbe-schreibung gefallen war, wurden acht An-gebote eingereicht, von denen vier in dieengere Auswahl gelangten. Bereits im De-zember konnte der Auftrag an ein Unter-nehmen erteilt werden – inklusive derMontageplanung des gesamten Technik-

Um einen Großteil des hohen Jahresdampfbedarfs selbst zu decken, wurden eine Gasturbine, ein Abhitze-dampfkessel sowie zwei Spitzenlastkessel installiert.

Nach ausführlichen Berechnungen des Ingenieurbüros stellte sich eine Gasturbine mit einer Leistung von 1,6MWel als wirtschaftlichste Variante heraus. Diese deckt circa 82 % des Jahreswärmebedarfs.

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gewerkes. Im April 2016 wurde mit demGewerkeausbau begonnen.

Schnelle Vergabe und Ausfüh-rung sichert KWK-Förderung

Da die endgültige Auftragsvergabe soschnell erfolgte und der Regelbetrieb be-reits Ende 2016 aufgenommen wurde –dazwischen lagen lediglich elf Monate –,sicherten sich die Milchwerke BGL eineKWK-Förderung nach dem KWK-Gesetz2012 für die neue Gasturbine. Die Pla-nungs- und Bauphase wurde regelmäßigvon Gammel Engineering überwacht. „Diekomplette Montage und Einbindung er-folgte während der laufenden Produktion.Dennoch konnten wir die nötigen Bau-

und Installationsmaßnahmen innerhalbvon nur acht Monaten abschließen“, soWinkler über die Projektabwicklung. Daswar mitunter ein entscheidendes Kriteriumfür die Milchwerke: „Auch in Umbaupha-sen im Unternehmen stehen wir gegen-über unseren Milchbauern in der Pflicht,die gelieferte Milch abzunehmen und wei-terzuverarbeiten“, erklärt KlausGschwendner, stellvertretender Techni-scher Leiter bei den Milchwerken Berch-tesgadener Land. „Die größte Herausfor-derung bestand deshalb darin, die Medienin den Bestand einzubinden, ohne den lau-fenden Betrieb zu stören.“ Das Ingenieur-büro löste diese Aufgabe, indem mehrereAnbindungspunkte im Bestand installiertwurden. So konnte Stück für Stück die

Umlegung auf die Neuanlage gewährleis-tet werden, sodass ein Ringleitungsnetzentstand.Für die Werksverteilung der verschiedenenMedienleitungen wie Dampf, Heizungs-wasser und Druckluft wurde die neueEnergiezentrale mit der ebenfalls neuenAbtankhalle und dem alten Kesselhausüber eine Medienbrücke verbunden. DieWerksverteilung wurde dabei – genausowie die Energiezentrale – bereits auf denzukünftigen Ausbau ausgelegt, sodass dieMilchwerke nun für eine geplante Produk-tionssteigerung gerüstet sind. Durch diegekoppelte Erzeugung von Strom undDampf für die Produktionszwecke werdennun jährlich 5.350 t CO2 eingespart. Derstellvertretende Technische Leiter zeigtesich aufgrund der zahlreichen Verbesse-rungen auch sehr zufrieden mit dem Pro-jektverlauf, der durch die langjährige Er-fahrung von Gammel Engineering bei de-zentralen Energiesystemen geprägt war:„Mit Herrn Winkler als Projektleiter des In-genieurbüros hatten wir einen kompeten-ten Ansprechpartner mit innovativen An-lagenlösungen zur Seite. Durch die rei-bungslose Zusammenarbeit sind zukünftigFolgeaufträge jederzeit denkbar“, soGschwendner.

Für die erste Ausbaustufe wurden zwei Spitzenlastdampfkessel mit je 10 t/h Dampf und 10 bar installiert, so-dass eine abgesicherte Leistung von 15 t/h garantiert werden kann. In der zweiten Ausbaustufe soll ein dritterSpitzenlastdampfkessel für bis zu 25 t/h Dampf sorgen.

„Auch in Umbauphasen im Unternehmen stehen wirgegenüber unseren Milchbauern in der Pflicht, diegelieferte Milch abzunehmen und weiterzuverarbei-ten“, erklärt Klaus Gschwendner, stellvertretenderTechnischer Leiter bei den Milchwerken Berchtesga-dener Land. „Die größte Herausforderung bestanddeshalb darin, die Medien in den Bestand einzubin-den, ohne den laufenden Betrieb zu stören.“

Mit der neuen Energiezen-trale ist der Einstieg auf dieHeizwasserversorgung amStandort erfolgt.