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GUTACHTEN ZU FORSCHUNG, INNOVATION UND TECHNOLOGISCHER LEISTUNGSFÄHIGKEIT DEUTSCHLANDS GUTACHTEN 2016 20172018 2019 2020 2021 202220232024

GUTACHTEN 201620172018 201920202021 202220232024 · Gina Glock (studentische Mitarbeiterin) Vincent Victor (studentischer Mitarbeiter) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kommissionsmitglieder

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  • EXPERTENKOMMISSIONFORSCHUNGUND INNOVATION

    GUTACHTEN ZU FORSCHUNG, INNOVATION UND TECHNOLOGISCHER LEISTUNGSFHIGKEIT DEUTSCHLANDS

    GUTACHTEN2016 2017 20182019 2020 20212022 2023 2024

  • EXPERTENKOMMISSIONFORSCHUNGUND INNOVATION

    GUTACHTEN ZU FORSCHUNG, INNOVATION UND TECHNOLOGISCHER LEISTUNGSFHIGKEIT DEUTSCHLANDS

    GUTACHTEN2016

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    Unser Dankgilt Prof. Dr. Tamim Asfour, Jonghyun Baek, Ph.D., Prof. Dr. Sang Kyun Cha, Prof. Suk-Gwon Chang, Ph.D., Ki-sung Chi, Yoonkee Chung, Dr. Min-Keun Chung, Dr. Stefan Dreyer, Prof. Dr. Takahiro Fuji-moto, Hiroshi Fujiwara, Ph.D., Dr. Hermann Gumpp, Martin Hgele, Dr. Yuko Harayama, Ryuichi Hirano, Dr. Youm Huh, Ryuji Ichikawa, Atsushi Iriki, Ph.D., Kazuo Iwano, Ph.D., Seong Ju Kang, Prof. Sung Mo Steve Kang, Ph.D., Toshimitsu Kawano, Prof. Tong-Suk Kim, Prof. Dr. Gi Eun Kim, Prof. Jung Kim, Sung Jae Kim, Ph.D., Prof. Ho-Young Kim, Ph.D., Prof. Yasuo Kuniyoshi, Ph.D., Kazuo Kyuma, Ph.D., Siegfried Kornprobst, Chang G. Lee, Sukjoon Lee, Dr. Byung-Gwon Lee, Suk-Joon Lee, Dr. Hee-Gook Lee, Il-Houng Lee, Ph.D., Prof. Doo Yong Lee, Ph.D., Joonhyung Lim, Tae-Hoon Lim, Ph.D., Roberto Lorenzoni, Bot schafter Rolf Mafael, Atsu-shi Morita, Prof. Hiroshi Nagano, Prof. Yoshi hiko Nakamura, Ph.D., Hitoshi Nara, Prof. Dr. Yasu yuki Nishioka, Dr. Tomatsu Nomakuchi, Prof. Tet suya Ogata, Ph.D., Takashi Ohama, Prof. Dr. Heui-Jae Pahk, Hartmut Pannen, Prof. Dr. Jong-Oh Park, Prof. Dr. Youngwon Park, Prof. Dae keun Park, Ph.D., Elias Peterle, Christoph Pollmann, Thomas Puttrich, Prof. Dr. Keunkwan Ryu, Tomoko Sawada, Yosuke Sa-wada, Lothar Schnelle, Dr. Martin Schulz, Oh Yong Seok, Atsuo Takanishi, Ph.D., Tomohiro Terasaki, Eiji Wakai, Prof. Dr. Franz Waldenberger, Botschafter Dr. Hans Carl von Werthern, Dr. Iris Wieczorek, Dr. Udo Wolz, Yoo Hyung Won, Eun Gyeong Yang, Wan S. Yi, Ph.D. und Dr. Ulrich Zierahn, deren Expertise mit in das Gut achten eingeflossen ist.

    Ferner danken wir allen Personen, die an der Erstel-lung der Studien zum deutschen Innovationssystem mitgewirkt haben.

    Die Expertenkommission weist darauf hin, dass die im Gutachten dargelegten Positionen nicht notwen-digerweise die Meinungen der genannten Personen wiedergeben.

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    Mitglieder der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI)

    Professor Dr. Uschi Backes-GellnerUniversitt Zrich, Institut fr Betriebswirtschafts-lehre, Lehrstuhl fr Allgemeine Betriebswirtschafts-lehre, insbesondere empirische Methoden der Arbeitsbeziehungen und der Personalkonomik

    Professor Dr. Christoph BhringerCarl von Ossietzky Universitt Oldenburg, Department fr Wirtschafts- und Rechtswissen-schaften, Lehrstuhl fr Wirtschaftspolitik

    Professor Dr. Uwe Cantner Friedrich-Schiller-Universitt Jena, Lehrstuhl frVolkswirtschaftslehre/Mikrokonomik

    Professor Dietmar Harhoff, Ph.D. (Vorsitzender)Max-Planck-Institut fr Innovation und Wettbewerb,Innovation and Entrepreneurship Research

    Professor Dr. Ingrid OttKarlsruher Institut fr Technologie, Lehrstuhl frWirtschaftspolitik

    Professor Dr. Monika Schnitzer (stellvertretende Vorsitzende)Ludwig-Maximilians-Universitt Mnchen, Seminar fr Komparative Wirtschaftsforschung

    Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der EFI-Geschftsstelle

    Christine BeyerDr. Alexander CuntzDr. Nina CzernichDr. Helge DauchertDr. Florian KreuchauffDr. Petra Meurer

    Gina Glock (studentische Mitarbeiterin)Vincent Victor (studentischer Mitarbeiter)

    Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kommissionsmitglieder

    David BlzKarlsruher Institut fr Technologie, Lehrstuhl fr Wirtschaftspolitik

    Yvonne GiesingLudwig-Maximilians-Universitt Mnchen, Seminar fr Komparative Wirtschaftsforschung

    Miriam RinawiUniversitt Zrich, Institut fr Betriebswirtschafts-lehre, Lehrstuhl fr Allgemeine Betriebswirtschafts-lehre, insbesondere empirische Methoden der Arbeitsbeziehungen und der Personalkonomik

    Dr. Myriam RionMax-Planck-Institut fr Innovation und Wettbewerb, Innovation and Entrepreneurship Research

    Jan SchneiderCarl von Ossietzky Universitt Oldenburg, Department fr Wirtschafts- und Rechtswissen-schaften

    Hinweis zur Gleichstellung

    Aus Grnden der besseren Lesbarkeit wurde in der Regel die mnnliche Form verwendet. Die Experten-kommission weist an dieser Stelle ausdrcklich da-rauf hin, dass die Verwendung der mnnlichen Form als geschlechtsunabhngig verstanden werden soll.

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    Vorwort

    KURZFASSUNG

    Inhaltsverzeichnis

    KERNTHEMEN 2016

    AKTUELLE ENTWICKLUNGEN UND HERAUSFORDERUNGENA 1 Soziale Innovationen Kein Paradigmenwechsel in der F&I-Politik

    A 2 Patentboxen Kein Ersatz fr steuerliche FuE-Frderung

    A 3 Aktuelle Herausforderungen fr die Hochschulpolitik

    B 1 Der Beitrag von KMU zu Forschung und Innovation in Deutschland

    B 2 Robotik im Wandel

    B 3 Geschftsmodelle der digitalen Wirtschaft

    B 4 E-Government in Deutschland: Viel Luft nach oben

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    Inhalt

    berblick

    C 1 Bildung und Qualifikation

    C 2 Forschung und Entwicklung

    C 3 Innovationsverhalten der Wirtschaft

    C 4 Finanzierung von Forschung und Innovation

    C 5 Unternehmensgrndungen

    C 6 Patente

    C 7 Fachpublikationen

    C 8 Produktion, Wertschpfung und Beschftigung

    Inhaltsverzeichnis

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    STRUKTUR UND TRENDSC

    D VERZEICHNISSE

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    Vorwort

    Das Jahresgutachten 2016 der Expertenkommission Forschung und Innovation geht in seinen Analysen und Empfehlungen auf aktuelle Entwicklungen ein (A-Kapitel), stellt eine Reihe von detaillierten Untersuchungen vor (B-Kapitel) und dokumentiert die Entwicklung des deutschen Forschungs- und Innovationssystems anhand von acht Indikatorengruppen (C-Kapitel).

    Nicht nur technologische, sondern auch soziale Innovationen knnen zur Lsung gesell-schaftlicher Herausforderungen beitragen. Diese stehen im Mittelpunkt des Kapitels A 1. Soziale Innovationen werden in der deutschen F&I-Politik aber bisher nicht ausreichend bercksichtigt. Um hier eine nderung herbeizufhren, ist jedoch kein Paradigmenwechsel in der F&I-Politik erforderlich wie in anderen Bereichen auch, sollte eine Frderung nur dann erfolgen, wenn Marktversagenstatbestnde vorliegen.

    Patentboxen, wie sie in einer Reihe europischer Lnder eingefhrt wurden, werden in Kapitel A 2 betrachtet. Diese Regelungen gewhren einen verringerten Steuertarif auf Ein-knfte aus immateriellen Vermgenswerten (wie z. B. Patenten). Patentboxregelungen sind nicht als gleichwertige Alternative zu einer steuerlichen FuE-Frderung zu betrachten. Um FuE in Deutschland zu frdern, hlt die Expertenkommission nach wie vor die Einfhrung einer steuerlichen FuE-Frderung fr erforderlich.

    Die hochschulpolitische Diskussion wird derzeit von der geplanten Fortfhrung der Exzellenz initiative geprgt, die in Kapitel A 3 diskutiert wird. Die ersten Runden der Ex-zellenzinitiative haben die Leistungsfhigkeit der deutschen Wissenschaft und ihre inter-nationale Sichtbarkeit erhht. Auch knftig sollten besonders leistungsstarke deutsche Universitten eine institutionelle Frderung erhalten. Die Karriereperspektiven fr den wissenschaftlichen Nachwuchs mssen verbessert werden. Hochschulen und Politik sollten gemeinsam dafr Sorge tragen, studierfhigen Flchtlingen rasch und unbrokratisch den Zugang zum deutschen Hochschulsystem zu ermglichen.

    Im Kapitel B 1 stellt die Expertenkommission ihre im Vorjahr angekndigte Untersuchung zur Innovationsttigkeit in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in Deutschland vor. Die Gruppe der KMU ist in ihrer Innovationsleistung sehr heterogen. Im Durchschnitt sind Innovationsintensitt und Innovationsausgaben deutscher KMU im internationalen Vergleich gering. Patentaktivitten und Innovationserfolge zeigen ein gemischtes Bild. Wie schon im Vorjahr dokumentiert, sind Innovations- und Forschungsaktivitten der KMU in den letzten zehn Jahren rcklufig gewesen. Auch die staatliche Untersttzung der Forschung in KMU ist zurckgegangen und im internationalen Vergleich sehr niedrig. Bei der Suche nach den Ursachen zeigt sich, dass zu hohe Innovationskosten und ein zu hohes wirtschaftliches Risiko die am weitesten verbreiteten Innovationshemmnisse sind. Hinzu treten ein Mangel an Fachkrften und ein Mangel an internen Finanzierungsquellen.

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    Vorwort

    Die Expertenkommission stellt ein Bndel von Manahmen vor, um die Innovationskraft deutscher KMU wieder zu strken, so durch Einfhrung einer steuerlichen FuE-Frderung unter besonderer Beachtung der Belange der KMU sowie Manahmen zur Erhhung der Grndungsttigkeit und zur Verbesserung des Angebots an Fachkrften.

    Drei der vier B-Kapitel ergnzen die schon im Vorjahr vorgelegten Untersuchungen zur Rolle von Digitalisierung und Vernetzung. In Kapitel B 2 wendet sich die Expertenkommis-sion zunchst einer weiteren wichtigen Schlsseltechnologie zu, der Robotik. Deutschland ist im internationalen Vergleich beim industriellen Robotereinsatz derzeit noch gut aufge-stellt, bei der schnell wachsenden Servicerobotik gibt es in Forschung und Innovation aber Defizite. Nach Ansicht der Expertenkommission sollte die Bundesregierung eine explizite Robotikstrategie entwickeln, die insbesondere der wachsenden Bedeutung der Servicerobo-tik Rechnung trgt. Robotik sollte an den Hochschulen, in der dualen Berufsausbildung und in allen Weiterbildungsangeboten einen hheren Stellenwert als bisher erhalten.

    In vielen Lebensbereichen macht sich das Internet nicht direkt als neue Technologie, son-dern als Grundlage fr neue digitale Geschftsmodelle bemerkbar (Kapitel B 3), deren wirtschaftliche Bedeutung erheblich zugenommen hat. Neue Intermedire dominieren zu-nehmend den strategisch wichtigen Zugang zum Endkunden und bedrohen die Positionen etablierter Anbieter. Software- und internetbasierte Technologien wie Cloud Computing und Big Data ermglichen disruptive Innovationen mit weitreichenden Folgen. Die Experten-kommission empfiehlt der Bundesregierung, die Digitale Agenda zu einer ambitionierten Strategie weiterzuentwickeln, in der neue Wertschpfungsquellen im Vordergrund stehen. Im Umfeld digitaler Geschftsmodelle gibt es noch rechtlichen Klrungsbedarf. Die Kom-mission begrt trotz aller Kontroversen die neue EU-Datenschutzgrundverordnung. Start-ups sind in vielen Fllen der Motor fr die Entwicklung neuer Formen der Wertschp-fung. Die Expertenkommission erneuert ihre Empfehlung, auf die Verbesserung der Rah-menbedingungen fr Wagniskapital und die Einrichtung eines Brsensegments fr Wachs-tumsunternehmen hinzuwirken. Informatik ist als neue Schlsseldisziplin zu begreifen; Kompetenzen im Umgang mit digitalen Technologien und Geschftsmodellen sind in allen Ausbildungs- und Weiterbildungssegmenten zu frdern.

    In Kapitel B 4 untersucht die Expertenkommission den Status quo und die Aussichten des E-Governments (Electronic Government) in Deutschland. E-Government steht fr die Ab-wicklung von Regierungs- und Verwaltungsprozessen mit Hilfe von Informations- und Kommunikationstechniken ber elektronische Medien. E-Government stellt eine Innova-tion im ffentlichen Sektor dar, die sich in Deutschland nur verhalten verbreitet. Das im Jahr 2010 in der nationalen E-Government-Strategie von Bund, Lndern und Kommunen formulierte Ziel, bis zum Jahr 2015 deutsches E-Government zum internationalen Ma-stab fr effektive und effiziente Verwaltung zu machen, ist verfehlt worden. Deutschland

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    Prof. Dietmar Harhoff, Ph.D.(Vorsitzender)

    Prof. Dr. Uschi Backes-Gellner

    Prof. Dr. Uwe Cantner

    Prof. Dr. Monika Schnitzer(stellvertretende Vorsitzende)

    Prof. Dr. Christoph Bhringer

    Prof. Dr. Ingrid Ott

    liegt in diesem Bereich im internationalen Vergleich deutlich zurck. Damit lsst Deutsch-land wichtige Innovations- und Wertschpfungspotenziale brachliegen Brgern werden Qualitts verbesserungen in staatlichen Dienstleistungen vorenthalten, die Wirtschaft muss auf wichtige Nachfrageimpulse verzichten. Die Expertenkommission legt Vorschlge fr Manahmen vor, um diesen Rckstand zgig auszugleichen.

    Die Expertenkommission erneuert ihre Einschtzung, dass Digitalisierung, Vernetzung und die Einfhrung neuer internetbasierter Geschftsmodelle disruptive Vernderungen ver-ursachen. Sie ist angesichts der Erfahrungen aus den 1980er Jahren zuversichtlich, dass Deutschland bei den erforderlichen Anpassungen des Arbeitsmarktes gut abschneiden kann. Insgesamt ist die deutsche Politik derzeit aber zu sehr auf die Verteidigung etablierter deut-scher Strken ausgerichtet. Die Gestaltungsmglichkeiten der Digitalisierung werden nicht ausreichend bercksichtigt. Deutschland muss in Zukunft verstrkt an der Erschlieung neuer Quellen fr Wertschpfung und Arbeitspltze beteiligt sein dazu bedarf es auch eines Umdenkens in der Politik.

    Berlin, den 17. Februar 2016

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    EFI GUTACHTEN2016

    Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen

    Soziale Innovationen Kein Paradigmenwechsel in der F&I-Politik

    Nicht nur technologische, sondern auch soziale Innovationen knnen zur Lsung gesell-schaftlicher Herausforderungen beitragen. Soziale Innovationen werden in der deutschen F&I-Politik, die bisher durch ein technologisches Innovationsverstndnis geprgt ist, jedoch nicht ausreichend bercksichtigt. Die Expertenkommission fordert die Bundes regierung deshalb auf, soziale Innovationen verstrkt in den Blick zu nehmen und mit neuen Formaten der Partizipation und mit geeigneten Frderinstrumenten wie dem Wettbewerb um Preis-gelder zu experimentieren.

    Nach Ansicht der Expertenkommission erfordert die verstrkte Bercksichtigung von sozia len Innovationen aber keinen grundstzlichen Paradigmenwechsel in der bisherigen F&I-Politik. Es bedarf keiner speziellen Kriterien, die im Frderkonzept soziale gegenber techno logischen Innovationen abgrenzen. Wie in anderen Bereichen auch, sollte eine Fr-derung nur dann erfolgen, wenn Marktversagenstatbestnde vorliegen. Die staatliche Fr-derung sozialer Innovationen sollte vor allem die Entwicklung, Erforschung und Erprobung neuer Ideen zur Vernderung sozialer Praktiken untersttzen. Soziale Innovationen sollten auch nur dann gefrdert werden, wenn sie ausreichend Potenzial fr wirtschaftliche Nach-haltigkeit haben. Die Bewertung der Expertenkommission sollte nicht als Befrwortung einer staatlichen Dauerfinanzierung sozialer Innovationen missverstanden werden.

    Grundstzlich sollte die Frderung von sozialen Innovationen wie auch die von techno-logischen Innovationen systematisch wissenschaftlich vorbereitet, begleitet und spter evaluiert werden.

    Patentboxen Kein Ersatz fr steuerliche FuE-Frderung

    Eine Reihe von europischen Lndern hat Regelungen, sogenannte Patentboxen, eingefhrt, die einen verringerten Steuertarif auf Einknfte aus immateriellen Vermgenswerten wie z. B. Patenten gewhren. Dies wird mit der Frderung innovativer Ttigkeiten begrndet, die mit Arbeitspltzen fr Hochqualifizierte und mit Wissensgenerierung einhergehen. Die empirische Evidenz deutet jedoch nicht darauf hin, dass eine niedrige Besteuerung von Einknften aus Patenten zu einer Erhhung der FuE-Ttigkeiten im Inland fhrt.

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    Kurzfassung

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    Kurzfassung

    Eine Patentboxregelung ist keine gleichwertige Alternative zu einer steuerlichen FuE- Frderung. Patentboxen sind grundstzlich ein weniger geeignetes Instrument, um FuE im Inland zu frdern, da sie nicht an den FuE-Ttigkeiten direkt, sondern an den Einknften aus Patenten ansetzen. Die Expertenkommission begrt zwar die von der G20-Gruppe auf den Weg gebrachte internationale Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung (Base Erosion and Profit Shifting BEPS), ist jedoch skeptisch bezglich der Ausgestaltung des Nexus-Ansatzes. Grundstzlich empfiehlt die Expertenkommission der Bundesregierung, im internationalen Kontext darauf hinzuwirken, Patentboxregelungen in Gnze abzuschaf-fen. Um FuE in Deutschland zu frdern, hlt die Expertenkommission die Einfhrung einer steuer lichen FuE-Frderung fr dringend erforderlich.

    Aktuelle Herausforderungen fr die Hochschulpolitik

    Bei der geplanten Fortfhrung der Exzellenzinitiative ist die Differenzierung der Hoch-schulen weiter zu forcieren. Auch knftig sollten besonders leistungsstarke deutsche Uni-versitten eine institutionelle Frderung erhalten. Des Weiteren sollte bei der Fortfhrung der Exzellenzinitiative eine Untersttzung von herausragenden Forschungsstrukturen gewhrleistet werden, die thematisch oder disziplinr besonders fokussiert und internatio-nal anerkannt sind. Die zu frdernden Einrichtungen sind im Rahmen eines wissenschafts-geleiteten Wettbewerbsverfahrens auszuwhlen.

    Um auch im internationalen Wettbewerb die besten Talente anziehen zu knnen, mssen attraktive Arbeitsbedingungen und Karriereperspektiven fr den wissenschaftlichen Nach-wuchs geboten werden. In den nchsten Jahren sollten zustzliche W2- und W3-Professuren und vermehrt Tenure Track-Laufbahnen geschaffen werden.

    Die Hochschulen mssen Strategien entwickeln, um die Chancen der Digitalisierung besser zu nutzen. Sie sollten dabei durch die Identifizierung und Frderung von Best Practice-Beispielen untersttzt werden. Der Bund knnte zudem einzelne Hochschulen institutio-nell frdern, um die Umsetzung von besonders ambitionierten Digitalisierungsstrategien zu untersttzen.

    Hochschulen und Politik mssen zudem gemeinsam dafr Sorge tragen, studierfhigen Flchtlingen rasch und unbrokratisch den Zugang zum deutschen Hochschulsystem zu ermglichen.

    Kernthemen 2016Der Beitrag von KMU zu Forschung und Innovation in Deutschland

    Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) gelten als eine der Strken der deutschen Volks-wirtschaft. Dabei wird vor allem auf ihre groe Bedeutung fr Beschftigung und Innova-tion verwiesen. Die Gruppe der KMU ist in ihrer Innovationsleistung jedoch heterogen.

    Innovationsintensitt und Innovationsausgaben deutscher KMU sind im internationalen Vergleich gering. Patentaktivitten und Innovationserfolge hingegen zeigen ein gemischtes Bild. Whrend deutsche KMU bei der Hufigkeit der Produkt- oder Prozessinnova tionen fhrend sind, erreichen sie bezglich der Patentintensitt und des Umsatzanteils mit neuen Produkten im europischen Vergleich einen Platz im Mittelfeld.

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    Zu hohe Innovationskosten und ein zu hohes wirtschaftliches Risiko sind die am weitesten verbreiteten Innovationshemmnisse. Dahinter folgen der Mangel an Fachkrften und der Mangel an internen Finanzierungsquellen.

    In den meisten Vergleichslndern, die neben der direkten Frderung auch ber eine steuer-liche FuE-Frderung verfgen, ist der Anteil der aus staatlichen Quellen finanzierten FuE-Ausgaben von KMU wesentlich hher als in Deutschland, wo es keine steuerliche FuE-Frderung gibt.

    Die Expertenkommission spricht folgende Empfehlungen aus: Die bisher verwendeten Frderinstrumente sollten um die Einfhrung einer steuer-

    lichen FuE-Frderung unter besonderer Beachtung der Belange der KMU ergnzt werden.

    Deutschland muss Anstrengungen unternehmen, um dem Rckgang der Grndungs-raten entgegenzuwirken auch durch die Attrahierung von Grndern aus dem Ausland.

    Um die Rahmenbedingungen fr Wagniskapital und damit die Finanzierungsmglich-keiten fr innovative Unternehmen zu verbessern, mssen endlich die im Koalitions-vertrag angekndigten gesetzlichen Grundlagen geschaffen werden. Dabei sollte die private Finanzierung von Unternehmensgrndungen erleichtert werden.

    Das Angebot an Fachkrften ist insgesamt zu erhhen. Politik, Kammern und Verbn-de sollten ihre Untersttzungsmanahmen fr KMU, die Fachkrfte aus dem Ausland rekrutieren, intensivieren und eine entsprechende Informationskampagne starten.

    Die Struktur der Frderprogramme auf Bundesebene sollte regelmig berdacht und auf bermige Komplexitt sowie Doppelungen im Frderangebot berprft werden.

    Die KMU-Frderprogramme mssen nach aktuellen wissenschaftlichen Standards evaluiert werden. Die Evaluierungsergebnisse sind zu verffentlichen und die erhobe-nen Daten fr weitere wissenschaftliche Analysen zugnglich zu machen.

    Robotik im Wandel

    Seit gut 50 Jahren werden Roboter in der industriellen Fertigung eingesetzt. Zunchst dien-ten sie dazu, innerhalb von Produktionsprozessen monotone, gefhrliche oder krperlich anstrengende Ttigkeiten zu bernehmen. Einsatzpotenziale fr moderne Roboter existieren in vielen Branchen auch jenseits des industriellen Sektors bei der Erbringung von Dienst-leistungen mithilfe von sogenannten Servicerobotern. Deutschland ist im internationalen Vergleich beim Robotereinsatz in der industriellen Fertigung, insbesondere im Fahrzeug-bau, derzeit noch gut aufgestellt. Konkurrenz erwchst jedoch aus Robotik-Nationen wie den USA, Japan, Sdkorea und China. Zudem gewinnt die Servicerobotik an konomischer Bedeutung und wird Prognosen zufolge in naher Zukunft die konomische Bedeutung der Industrierobotik sogar bersteigen. Hier ist Deutschland bisher nicht gut positioniert.

    Die Expertenkommission empfiehlt: Die Bundesregierung sollte eine explizite Robotikstrategie entwickeln, wie sie andere

    Lnder bereits haben. Dabei sollte eine der wachsenden Bedeutung der Servicerobotik angemessene Frderung vorgesehen werden.

    Die sehr starke Konzentration des Robotereinsatzes auf die Automobilindustrie in Deutschland ist kritisch zu beurteilen. Frderprogramme sollten die Potenziale moder-ner Roboter fr den Einsatz in Branchen jenseits der Automobilindustrie strker bercksichtigen.

    An den Hochschulen muss die Robotikforschung ein strkeres Gewicht erhalten. Ausgrndungen aus der Forschung sollten strker als bisher untersttzt werden.

    In der dualen Berufsausbildung mssen die Anforderungen und Chancen einer strkeren Nutzung von Robotern vermittelt werden. Wichtig ist, nicht nur auf den Einsatz von

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    Kurzfassung

    Robotern in der Industrie abzustellen, sondern verstrkt auch den Einsatz von Service-robotern in den Blick zu nehmen.

    Lebenslanges Lernen und damit Weiterbildungsangebote in Robotikanwendungen und -entwicklung sollten sowohl fr Berufs- als auch fr Hochschulabsolventen systematisch ausgebaut werden. Hierbei stellen MOOCs eine groe Chance dar.

    In der Hochschulausbildung sollte eine strkere Verschrnkung von Ingenieurs- und Informatikausbildung erfolgen. Gleichzeitig sollten gezielt Ausbildungsschwerpunkte in der Robotik gestrkt werden.

    Geschftsmodelle der digitalen Wirtschaft

    Digitalisierung und Vernetzung schaffen neue Handlungsrume und stellen Wirtschaft, Politik und Gesellschaft vor groe Herausforderungen. Die wirtschaftliche Bedeutung da-tengetriebener Dienste und Geschftsmodelle fr die Wertschpfung hat erheblich zuge-nommen. Neue Intermedire dominieren zunehmend den strategisch wichtigen Zugang zum Endkunden und bedrohen die Positionen etablierter Anbieter. Software- und internetbasierte Technologien wie Cloud Computing und Big Data ermglichen disruptive Innovationen mit weitreichenden Folgen. Deutschland hat bisher weder in der klassischen IKT-Branche noch in den neuen, internetbasierten Bereichen der digitalen Wirtschaft besondere Strken aufbauen knnen. Die Politik in Deutschland hat es versumt, gute Rahmenbedingungen fr neue Geschftsmodelle zu schaffen, sondern eher auf etablierte Strukturen und Modelle gesetzt.

    Vor diesem Hintergrund hlt die Expertenkommission fest: Die starke Fokussierung der Bundesregierung auf einen relativ kleinen Bereich der Di-

    gitalisierung ist nicht zielfhrend. So wird mit Industrie 4.0 einseitig auf Effizienzstei-gerungen im Bereich der Produktionstechnik abgehoben. Auch andere industrie- bzw. anwendungsspezifische Initiativen wie Smart Service Welt oder E-Health sind in ihren Mglichkeiten beschrnkt, positive Frdereffekte in der Breite der digitalen Anwen-dungen zu erzeugen. Hier bedarf es dringend einer berzeugenden Gesamtstrategie. Die Digitale Agenda erfllt diesen Anspruch nicht, auch wenn sie eine hilfreiche Sammlung von Analysen und Handlungsnotwendigkeiten liefert.

    Start-ups, die mit ambitionierten Geschftsmodellinnovationen neue Quellen der Wert-schpfung aufbauen, haben in Deutschland derzeit keinen ausreichenden Zugang zu Wagniskapital und Wachstumsfinanzierung. Die Expertenkommission erneuert ihre Empfehlung, auf die Verbesserung der Rahmenbedingungen fr Wagniskapital und die Einrichtung eines Brsensegments fr Wachstumsunternehmen hinzuwirken.

    Kompetenzen im Umgang mit digitalen Technologien und Geschftsmodellen sind in der Breite zu frdern in allen Ausbildungs- und Weiterbildungssegmenten.

    E-Government in Deutschland: Viel Luft nach oben

    E-Government (Electronic Government) steht fr die Abwicklung von Regierungs- und Verwaltungsprozessen mit Hilfe von Informations- und Kommunikationstechniken ber elektronische Medien. E-Government stellt eine Innovation im ffentlichen Sektor dar. Konsequent umgesetzt, erffnet es ein bedeutendes Wertschpfungspotenzial und kann die Qualitt von Dienstleistungen der Behrden fr die Brger deutlich verbessern.

    In ihrer nationalen E-Government-Strategie von 2010 formulierten Bund, Lnder und Kommunen den Anspruch, das deutsche E-Government bis zum Jahr 2015 zum internatio-nalen Mastab fr effektive und effiziente Verwaltung zu machen. Verschiedene Studien zeigen allerdings, dass Deutschlands E-Government im internationalen Vergleich deutlich

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    EFI GUTACHTEN2016

    zurckliegt. Der Rckstand spiegelt vor allem ein begrenztes und wenig nutzerfreundliches E-Government-Angebot wider. Deutschland lsst damit wichtige Innovations- und Wert-schpfungspotenziale brachliegen.

    Die Expertenkommission empfiehlt daher: Die Bundesregierung sollte die Aktivitten fr den Auf- und Ausbau eines zentra-

    len E-Government-Portals sowie eines Open Data-Portals fr die Bereitstellung von offenen Regierungs- und Verwaltungsdaten deutlich verstrken.

    Auf dem E-Government-Portal sollten mglichst viele Angebote von Bund, Lndern und Kommunen gebndelt, nach Anliegen geordnet und aus einer Hand (One-Stop-Shop) fr Brger und Unternehmen bereitgestellt werden. Das bestehende Daten- Portal fr Deutschland, GovData, sollte zu einem Open Data-Portal ausgebaut wer-den, das die aktuellen Daten von Bund, Lndern und Kommunen maschinenlesbar zur Weiterverwendung zur Verfgung stellt.

    Sowohl fr das E-Government-Portal als auch fr das Daten-Portal gilt, dass es mit der bloen Bereitstellung von E-Government-Angeboten und groen Datenmengen nicht getan ist. Der Ausbau des E-Government-Angebots muss vielmehr mit einer Verbesse-rung der Nutzerfreundlichkeit einhergehen.

    Fr den Aufbau eines umfassenden, digital durchgngigen E-Government-Ange-bots bedarf es der Einfhrung von verpflichtenden Meilensteinen fr Bund, Lnder und Kommunen. Die Bundesregierung sollte eine zentrale Koordinierungsstelle fr E-Government im Kanzleramt schaffen. Diese sollte durch den IT-Planungsrat unter-sttzt werden, der mit entsprechenden Kompetenzen auszustatten ist, um eine konstruk-tive Zusammenarbeit aller Akteure sicherzustellen.

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    A Soziale Innovationen Kein Paradigmenwechsel in der F&I-Politik

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    Bedeutungszuwachs fr soziale Innovationen in der F&I-Politik

    In der Vergangenheit war die deutsche Forschungs- und Innovationsfrderung vorrangig technologisch orientiert. Dies hat in den letzten Jahren zu einem ver-strkten Diskurs ber die Rolle von sozialen Innova-tionen gefhrt.1 Es wird darauf hingewiesen, dass so-ziale Innovationen fr die Lsung gesellschaftlicher Herausforderungen wichtig sind, jedoch in der F&I-Politik aufgrund der Fokussierung auf ein technolo-gisches Innovationsverstndnis nicht ausreichend bercksichtigt werden. Vor diesem Hintergrund hatte sich die Expertenkommission bereits in ihrem Jahres-gutachten 2008 fr eine breitere Definition des Inno-vationsbegriffs ausgesprochen.2

    In der Innovationspolitik wird das Thema soziale In-novationen auf EU-Ebene explizit seit 2010 im Rah-men der Innovation Union Initiative aufgegriffen.3 Auch in Deutschland wurden in den letzten Jahren verschiedene Projekte zu sozialen Innovationen durch Ministerien und Stiftungen gefrdert.4 In ihrer neuen Hightech-Strategie (HTS), die den Anspruch einer umfassenden ressortbergreifenden Innova-tionsstrategie hat, weist die Bundesregierung aus-drcklich auf die Relevanz sozialer Innovationen hin. Der Begriff soziale Innovation wird allerdings nicht przisiert weder im Hinblick auf das, was unter so-zialer Innovation zu verstehen ist, noch im Hinblick darauf, welche sozialen Innovationen mit welchem Instrument gefrdert werden sollen.5

    Was sind soziale Innovationen?

    Der Diskurs verschiedener Wissenschaftsdisziplinen zur Rolle von sozialen Innovationen ist von einer Vielzahl von Definitionen und einer groen Hetero-genitt im konkreten Begriffsverstndnis geprgt. bereinstimmung besteht aber zumindest darin, dass soziale Innovationen einen wichtigen Beitrag zur

    Bewltigung groer gesellschaftlicher Herausfor-derungen leisten knnen: Zur Lsung sogenannter grand challenges wie z. B. des Klimawandels be-darf es neben neuartiger technologischer Entwick-lungen auch Vernderungen in der Nutzung der Tech-nologien sowie Vernderungen von Lebensstilen, Geschfts- und Finanzierungsmodellen, Arbeitswei-sen oder Organisationsformen (vgl. Box A 1-1). Sol-che Vernderungen werden als soziale Innova tionen bezeichnet und umfassen grundstzlich Vernderun-

    Box A 1-1

    Knappe Ressourcen: Ressourcenschonung und verbesserte Nutzung (sharing economy) Neue Organisationsformen der Mobilitt (z. B. Uber) Neue Formen des Zusammenlebens und Konsums (z. B. Couchsurfing oder Airbnb) Klimawandel: Reduktion von Emissionen Senkung des Energieverbrauchs durch neue Formen des Zusammenlebens und Konsums (z. B. Prosumetime oder Eaternity als spezialisierte Beratungen fr klima- freundliche Produktion und Konsum) Zivilisationskrankheiten: Gesundheitssektor Neue Konzepte der Gesundheitsversorgung und -vorsorge (z. B. Discovering Hands als Brustkrebsfrherkennung durch Tast- diagnostik Sehbehinderter) Demografie, Fachkrftemangel: Integration in die Bildungssysteme und den Arbeitsmarkt (insbesondere von Frauen, lteren Menschen und Migranten) Neue Konzepte fr einen erleichterten Bildungszugang, Bildungserfolg sowie Arbeitsmarktzugang marginalisierter Gruppen (z. B. Coaching-Initiativen)

    Beispiele zu sozialen Innovationen im Kontext von grand challenges

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    Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen

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    gen sozialer Praktiken. Soziale Innovationen knnen sowohl komplementr zu, als auch eine Folge einer technologischen Innovation sein oder aber vllig un-abhngig davon. Nach dieser allgemeinen Definition fhren soziale Innovationen nicht notwendigerweise zu einer Verbesserung gesellschaftlicher Zustnde und knnen durchaus auch kommerziell erfolgreich sein.

    Die Politik steht vor der Herausforderung, soziale Innovationen fr die staatliche F&I-Frderung zu operationalisieren. Die Heterogenitt der Begriff-lichkeit macht es fr die staatliche F&I-Politik sehr schwierig, spezifische Frder- und Erfolgskriterien festzulegen. Nach Ansicht der Expertenkommission bedarf es aber auch keiner speziellen Kriterien, die im Frderkonzept soziale gegenber technologischen Innovationen abgrenzen. Frderfhigkeit besteht grundstzlich dann, wenn Innovationen, die gesell-schaftspolitisch wnschenswert sind, ohne staatliche

    Frderung nicht in ausreichendem Mae entwickelt werden. Um herauszufinden, welche Innovationen gesellschaftspolitisch wnschenswert sind, sollte verstrkt auf gesellschaftliche Partizipation etwa durch internetbasierte Formen von Brgerdialogen gesetzt werden, was wiederum selbst eine soziale Innovation im Bereich des Regierens darstellt (good governance).6 Eine strkere Einbindung der Brger bei der Priorittensetzung in der F&I-Frderung hatte die Expertenkommission bereits in vergangenen Gut-achten eingefordert.7 Die Bundesregierung hat diesen Punkt in ihrer neuen Hightech-Strategie aufgegriffen und bereits Erfahrungen in verschiedenen Dialogfor-maten gesammelt.8

    Im Hinblick auf soziale Innovationen sollte es eine klare Aufgabenteilung zwischen F&I-Politik einer-seits und Sozialpolitik andererseits geben. Zwar kann z. B. die Entwicklung, Erforschung und Erpro-bung neuer Ideen zur Vernderung sozialer Praktiken

    A1 Soziale Innovationen Kein Paradigmenwechsel in der F&I-Politik

    Tab A 1-2Beispiele fr Marktversagen bei sozialen Innovationen und fr Instrumente einer weiter gefassten F&I-Politik

    Quelle: Eigene Darstellung.

    Probleme

    Soziale Innovatoren privatisieren nicht alle sozialen Ertrge der Idee; dies fhrt zu Unterinvestition. Fehlende monetre Anreize werden teilweise kompensiert durch altruistisches Verhalten.

    Soziale und wirtschaftliche Renditen sozialer Innovation sind durch Investor(en) vorab nur beschrnkt bewertbar; dies fhrt zu Unterfinanzierung.

    Andere Akteure profitieren von den Erstinvestitionen bzw. Erfahrungen sozialer Innovatoren, ohne diese zu entschdigen; auch hier kommt es zur Unterinvestition.

    Keine Anreize fr Innovatoren; die Investition unterbleibt in Gnze.

    Zu schwacher Innovationswettbewerb und nur geringe Anreize zur Verbesserung der Qualitt und Vorsorgeorientierung von Leistungen.

    Tatbestnde fr Marktversagen

    Soziale Innovation als ffentliches Gut; Verbreitung bzw. Imitation von Ideen durch andere Akteure (Spillover).

    Informationsasymmetrien auf Finanzierungsmrkten fr soziale Innovationen, insbesondere risikoreiche Grndungsaktivitten.

    Adoptionsexternalitten.

    Zu geringe Nachfrage oder wenig zahlungskrftige Nachfrage auf Mrkten, z. B. bei seltenen Krankheiten.

    Risikoaversion und begrenzter Zeithorizont der Akteure in staatlichen oder teilprivatisierten Sektoren wie Gesundheit oder Bildung verhindern langfristige Investitionen in und Experimente mit innovativen (Dienst-)Leistungen.

    Beispielhafte Instrumente der F&I-Politik

    Direkte FuE-Subventionen: wettbewerbliche Frderprogramme, Ausschreibung von Frderpreisen fr soziale Innovationen oder Reallabore.

    Entwicklung neuer Instrumente, die (auch) nicht-monetre Anreize setzen und gemeinntzige Orientierung untersttzen.

    Absatzfrderung bzw. Frderung der Verbreitung.

    Investitionsfreundliche Regulierung der Finanzmrkte, u.a. Regelungen zur Crowd-Finanzierung.

    Ausweitung der Grnderfrderung auf soziales Unternehmertum.

    Download Daten

    http://www.e-fi.de/fileadmin/Abbildungen_2016/Abb_A1-2_2016.zip

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    A

    frderfhig sein, die endgltige Implementierung solcher Manahmen bleibt aber Aufgabe des Sozial-ressorts. Die Umsetzung von Politikreformen, die im Kern Sozialpolitik betreiben, sind aus Sicht der F&I-Politik nicht als soziale Innovationen zu verstehen und fallen damit auch nicht in den Bereich staatlicher F&I-Frderung.

    Wie lassen sich soziale Innovationen frdern?

    In der F&I-Politik wird die Entwicklung sozialer In-novationen gegenwrtig kaum gefrdert. Aufgabe der F&I-Politik ist es, positive Anreize fr Innovationen dort zu setzen, wo Marktversagen gesellschaftspoli-tisch wnschenswerte Innovationsprozesse behin-dert.9 In Tabelle A 1-2 werden unterschiedliche For-men von Marktversagen sowie mgliche Instrumente der F&I-Politik fr soziale Innovationen aufgefhrt. So knnen beispielsweise Patente, die durch tempo-rre Schutzrechte Anreize fr Innovation setzen, im Bereich soziale Innovationen kaum Anreizwirkung entfalten, weil sie primr auf den Schutz technischer Erfindungen zielen.

    Ein flexibles Instrument zur Frderung von Inno-vationen knnen Wettbewerbe um Preisgelder sein sogenannte inducement prize contests (IPCs).10 Wettbewerbe um Preisgelder sind an eine klar um-rissene Problemstellung bzw. Zielsetzung geknpft. Insofern sind Wettbewerbe um Preisgelder gut geeig-net, um zielgerichtete F&I-Aktivitten sowie soziale und technische Lsungsanstze fr konkrete gesell-schaftliche Herausforderungen hervorzubringen (vgl. Box A 1-1).11 Wettbewerbe knnen darber hinaus wichtige Anreize zur Entstehung von Geschftsmo-dellen in der digitalen Wirtschaft setzen sowie die ffnung und Anwendung von Open (Government) Data strken (vgl. Box A 1-3; vgl. Kapitel B 3 und B 4).

    Ein relativ neues Frderinstrument ist die Einrich-tung sogenannter Reallabore im Kontext von sozialer Innovation und Regionalentwicklung.12 In Pilotpro-jekten bringen Wissenschaftler im engen Dialog mit Vertretern von Kommunen, Wirtschaft und Brgern innovative Vernderungen auf den Weg. Auf Lan-desebene werden Reallabore bereits heute als Instru-mente der F&I-Politik eingesetzt. So hat das Wissen-schaftsministerium in Baden-Wrttemberg mehrere

    Reallabore in einem Ausschreibungswettbewerb aus-gewhlt und frdert sie in den kommenden drei Jah-ren mit ca. acht Millionen Euro.15 Konkret wird u.a. die Entwicklung eines bedarfsorientierten, digitalge-sttzten PNV-Konzepts gefrdert, das ohne feste Haltestellen auskommt und damit den Nahverkehr besser an die individuellen Ansprche der Nutzer anpassen will. Wie in anderen Fllen ist auch hier sicherzustellen, dass derartige Frdermanahmen re-gelmig valide evaluiert werden.

    Sollten sich verschiedene Bundesressorts an der Fr-derung sozialer Innovationen beteiligen, entsteht Ko-ordinationsbedarf, um eine kohrente und effektive Mittelverwendung ber alle Ressorts hinweg sicher-zustellen.

    Box A 1-3

    Die Open Data Challenge Series (ODCS) um-fasst eine Reihe von Wettbewerben um Preis-gelder zu verschiedenen gesellschaftlichen He-rausforderungen, u. a. in den Bereichen Bildung, Energie und Umwelt, Arbeitsmarkt sowie Le-bensmittel, die erstmalig im Jahr 2013 ausge-schrieben wurden. Dabei werden Teams bei der Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen und bei der Grndung in diesen Zielbereichen in einem mehrstufigen Verfahren untersttzt. Im Rahmen des Verfahrens werden die Ideen-entwicklung und Grndung vergleichbar mit den Aktivitten eines Akzelerators und Inkuba-tors untersttzt und mit einem Preiswettbe-werb abgeschlossen.13 Am Wettbewerb teilneh-men knnen nur Teams, deren internetbasierte Geschftsmodelle auf Open (Government) Data aufbauen.

    Die ODCS wird vom Open Data Institute und der forschungsnahen Nesta-Stiftung begleitet bzw. durchgefhrt und durch Ministerien und Frder-agenturen finanziert. Eine Evaluation beschei-nigte den Erfolg des Preiswettbewerbs: Jedem investierten Britischen Pfund stehen hier nach den ersten drei Jahren durchschnittliche Ertrge zwischen fnf und zehn Britischen Pfund gegen-ber.14

    Open Data Challenge in Grobritannien

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    Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen

    A

    Handlungsempfehlungen

    Die Expertenkommission fordert die Bundesre-gierung auf, vor dem Hintergrund groer gesell-schaftlicher Herausforderungen soziale Innovati-onen verstrkt in den Blick zu nehmen. Hier sind in den kommenden Jahren mutige Schritte ntig, um mit neuen Formaten der Partizipation und mit neuen Frderinstrumenten zu experimentieren. Diese Schritte sollten von Anfang an systema-tisch wissenschaftlich vorbereitet, begleitet und spter evaluiert werden.

    Neue Frderinstrumente wie Wettbewerbe, Preis-gelder oder Reallabore sollten verstrkt erprobt werden.

    Im Hinblick auf soziale Innovationen sollte es eine klare Aufgabenteilung zwischen F&I-Poli-tik einerseits und Sozialpolitik andererseits ge-ben. Politikreformen, die im Kern Sozialpolitik betreiben, sollten nicht Gegenstand der F&I-Frderung sein. Zwar kann die Entwicklung, Erforschung und Erprobung neuer Ideen zur Ver-nderung sozialer Praktiken Teil der Forschungs-frderung sein; die endgltige Implementierung jedoch ist Aufgabe des Sozialressorts.

    Es sollten nur soziale Innovationen gefrdert werden, die nach dem Auslaufen einer ffent-lichen Anschubfinanzierung des Projektes nach-weislich ausreichend Potenzial fr wirtschaft-liche Nachhaltigkeit haben. Die Bewertung der Expertenkommission sollte nicht als Befrwor-tung einer staatlichen Dauerfinanzierung sozialer Innovationen missverstanden werden.

    Soweit soziale Innovationen von verschiede-nen Bundesressorts gefrdert werden, ist eine ressortbergreifende Koordination dieser Akti-vitten unter Beteiligung der wichtigsten Stake-holder aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft erforderlich. Dies gilt gerade auch in Zeiten gro-er Koalitionen, in denen parteipolitische Logik zu einer starken und gelegentlich dysfunktiona-len Konkurrenz der Ressorts fhrt.

    A1 Soziale Innovationen Kein Paradigmenwechsel in der F&I-Politik

  • EFI GUTACHTEN2016

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    Verbreitung und Ausgestaltung von Patentboxen

    In den letzten 15 Jahren hat eine Reihe von europ-ischen Lndern Regelungen eingefhrt, die einen verringerten Steuertarif auf Einknfte aus immateri-ellen Vermgenswerten wie z. B. Patenten gewhren. Der Begriff Patentbox fr diese Regelungen geht auf das Kstchen (Box) zurck, das bei der Steuerer-klrung anzukreuzen ist, um Einknfte aus Patenten kenntlich zu machen. Die Begrndungen, mit denen die verschiedenen Lnder Patentboxen eingefhrt haben, sind vielfltig: Man will Anreize fr Unter-nehmen setzen, mehr in innovative Ttigkeiten zu investieren, mobile Investitionen attrahieren, die mit Arbeitspltzen fr Hochqualifizierte und Wissens-generierung einhergehen, und Steuereinknfte aus mobilen Einkommensstrmen erhhen.16

    Derzeit gelten in zwlf europischen Lndern Patent-boxregelungen. Breite ffentliche Aufmerksamkeit erfuhren Patentboxen mit ihrer Einfhrung in den Niederlanden und in Luxemburg im Jahr 2007. Zuvor hatten bereits Frankreich und Ungarn in den Jahren 2000 bzw. 2003 derartige Regelungen eingefhrt.17 Weitere Lnder folgten in den nchsten Jahren, vgl. Tabelle A 2-1.

    Die Ausgestaltung der Patentboxregelungen in den einzelnen Lndern ist unterschiedlich, insbesondere hinsichtlich der Hhe des Steuersatzes, der Abgren-zung der frderfhigen Rechte an geistigem Eigen-tum sowie der daraus resultierenden Einknfte und der Bercksichtigung der Ausgaben fr Forschung und Entwicklung (FuE), die mit dem Recht am geisti-gen Eigentum verbunden sind.18

    Alle zwlf bestehenden Patentboxregelungen gewh-ren einen vergnstigten Steuersatz auf Einknfte aus Patenten. In Belgien, Frankreich und Grobritannien gilt die Regelung neben Patenten noch fr ergnzen-de Schutzzertifikate.19 Sehr viel weitreichender sind die Regelungen in Zypern, Ungarn und dem Schwei-

    zer Kanton Nidwalden. Hier unterliegen neben Pa-tenteinknften auch Einknfte aus Software, Marken, Designs und Modellen, geheimen Formeln und Pro-zessen, Know-how sowie Urheberrechten dem erm-igten Steuertarif.20

    In allen zwlf Lndern gelten im Rahmen der Pa-tentboxregelungen vergnstigte Steuerstze auf Lizenzgebhren. Bis auf Belgien und Malta gewh-ren zudem alle Lnder vergnstigte Steuerstze auf Gewinne aus dem Verkauf der Rechte an geistigem Eigentum. In Belgien, Liechtenstein, Luxemburg, den Niederlanden und Grobritannien knnen auch fiktive Lizenzzahlungen21 (notional royalties) und Umsatzerlse aus Produkten, die auf geistigen Eigen-tumswerten beruhen, geltend gemacht werden. Auer in Grobritannien erfordert die Bercksichtigung der Umsatzerlse die Berechnung der Hhe der Einnah-men, die direkt mit dem geistigen Eigentum verbun-den sind. Im Rahmen der derzeitigen Regelungen in Grobritannien fallen alle Einnahmen aus Produkten, die eine patentierte Erfindung enthalten, unter den vergnstigten Steuer tarif der Patentboxregelung.22

    Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal von Patent-boxregelungen ist, ob nur selbst erstelltes oder auch erworbenes geistiges Eigentum begnstigt wird. In der Mehrzahl der Lnder mit Patentboxen unterliegen auch Einnahmen aus erworbenen Rechten an geisti-gem Eigentum dem verringerten Steuertarif.23

    Die bisherigen empirischen Studien deuten darauf hin, dass die Hhe der Besteuerung von Einknften aus Patenten die Entscheidung, wo Patente angemel-det werden, beeinflusst.24 Eine aktuelle Studie25 spe-ziell zu Patentboxregelungen zeigt, dass Patentboxen einen positiven Effekt auf Patentanmeldungen haben. Dies gilt vor allem fr die Anmeldung von Patenten hoher Qualitt,26 mit denen die Erwartung auf hohe Einknfte verbunden ist. Der steuerliche Anreiz wirkt sich aber negativ auf lokale Innovationsaktivitten aus. Dieser negative Effekt wird abgeschwcht, wenn

    Patentboxen Kein Ersatz fr steuerliche FuE-Frderung

    A 2

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    Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen

    A

    A 2 Patentboxen Kein Ersatz fr steuerliche FuE-Frderung

    Tab A 2-1

    Land Jahr der Einfhrung

    Vergnstig-ter Steuer-satz durch Patentbox-regelung

    Nomi-neller Krper-schaft-steuer-satz1)

    Erworbene Rechte an geistigem Eigentum begnstigt

    Art der begnstigten Rechte an geistigem Eigentum

    Art der begnstigten Einkommen aus Rechten an geistigem Eigentum

    Belgien 2007 6,8 % 34,0 % Nein Patente, ergnzende Schutzzertifikate

    Lizenzgebhren, Umsatzerlse, fiktive Lizenzzahlungen

    Frankreich 2000 16,8 % 35,4 % Ja Patente, ergnzende Schutzzertifikate

    Lizenzgebhren, Erls aus Verkauf des Rechts

    Grobritannien 2013 10 % 21 % Ja Patente, ergnzende Schutzzertifikate

    Lizenzgebhren, Erls aus Verkauf des Rechts, Umsatzer-lse, fiktive Lizenzzahlungen

    Liechtenstein 2011 2,5 % 12,5 % Ja Patente, Software, Urheberrechte, Marken, Designs, Modelle

    Lizenzgebhren, Erls aus Verkauf des Rechts, Umsatzer-lse, fiktive Lizenzzahlungen

    Luxemburg 2008 5,8 % 29,2 % Ja Patente, ergnzende Schutzzertifikate, Software, Marken, Designs, Modelle

    Lizenzgebhren, Erls aus Verkauf des Rechts, Umsatzer-lse, fiktive Lizenzzahlungen

    Malta 2010 0 % 35 % Ja Patente, Software, Urheberrechte, Marken

    Lizenzgebhren

    Niederlande 2007 5 % 25 % Nein Patente, Software, Designs Lizenzgebhren, Erls aus Verkauf des Rechts, Umsatzer-lse, fiktive Lizenzzahlungen

    Portugal 2014 15 % 30 % Nein Patente, Designs Lizenzgebhren, Erls aus Verkauf des Rechts

    Schweiz (nur Kanton Nidwalden)

    2011 8,8 % 12,7 % Ja Patente, Software, Urheberrechte, Marken, Designs, geheime Formeln und Prozesse, Know-how

    Lizenzgebhren, Erls aus Verkauf des Rechts

    Spanien 2008 12 % 30 % Nein Patente, Designs, geheime Formeln und Prozesse

    Lizenzgebhren, Erls aus Verkauf des Rechts

    Ungarn 2003 9,5 % 19 % Ja Patente, Software, Urheber-rechte, Marken, Designs, ge-heime Formeln und Prozesse, Know-how

    Lizenzgebhren, Erls aus Verkauf des Rechts

    Zypern 2012 2,5 % 12,5 % Ja Patente, Software, Urheber-rechte, Marken, Designs, ge-heime Formeln und Prozesse, Know-how

    Lizenzgebhren, Erls aus Verkauf des Rechts

    Ausgestaltung bestehender Patentboxregelungen

    1) Enthlt, wo zutreffend, Zuschlge (Belgien, Frankreich, Luxemburg und Portugal), kommunale Steuern (Luxemburg und Kanton Nidwalden) und andere Einkommensteuern (Frankreich). Es wird jeweils von der Hchstrate ausgegangen. Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Evers et al. (2015).

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    das Unternehmen durch Auflagen zu lokaler FuE ver-pflichtet ist. Das deutet darauf hin, dass eine niedrige Besteuerung von Einknften aus Patenten per se nicht automatisch auch zu einer Erhhung der FuE-Ttig-keiten im Inland fhrt.

    Um Anreize fr die Durchfhrung von FuE zu geben, sollte eine Patentboxregelung gewhlt werden, die die Gewhrung der Vergnstigung daran knpft, dass die dem Patent zugrundeliegende FuE selbst durch-gefhrt wurde (Nexus-Ansatz). Noch wirkungsvoller wre eine steuerliche Frderung dieser FuE-Aktivi-tten. Die Vor- und Nachteile dieser beiden Mglich-keiten werden im nchsten Abschnitt diskutiert.

    Wirkung von steuerlicher FuE-Frderung und Patentboxen im Vergleich

    Die Frderung von Investitionen in FuE durch die f-fentliche Hand wird im Allgemeinen durch das Vor-liegen von Externalitten begrndet. Das bedeutet, dass sich Innovatoren nicht die vollen sozialen Ertr-ge ihrer Produkt- oder Prozessentwicklungen aneig-nen knnen und deshalb aus gesellschaftlicher Sicht zu wenig in die Wissensproduktion investieren. So profitieren von der Innovation einer Unternehmung oft auch andere Unternehmen, weil sie von dem neu-geschaffenen Wissen erfahren, z. B. durch kollegialen Austausch, durch Wechsel von Mitarbeitern, durch Re-Engineering von Produkten oder durch andere Formen von Wissensflssen.

    Eine Frderung von Innovationen im Rahmen des Steuersystems kann unterschiedlich gestaltet werden. Die gngigsten Formen sind die steuerliche FuE-Frderung und die steuerliche Frderung im Rahmen einer Patentboxregelung.27 Der entscheidende Unter-schied zwischen diesen beiden Frdermanahmen ist, dass im Fall der steuerlichen FuE-Frderung der Innovationsinput, FuE, in Abhngigkeit von den da-durch entstandenen Kosten gefrdert wird. Im Fall von Patentboxregelungen hingegen wird der Output, das Patent, in Abhngigkeit von den damit erzielten Einnahmen gefrdert.

    Ein Vorteil der Frderung des Innovationsoutputs durch eine Patentboxregelung ist, dass erfolgreiche Erfinder belohnt und somit Anreize gesetzt werden, erfolgversprechende Projekte zu verfolgen. Anderer-seits sind nicht alle Innovationen patentierbar. Durch Patentboxen wird also nur ein Teil der frderwrdi-gen FuE-Ergebnisse gefrdert.

    Auch spricht vieles dafr, dass die Wissensexterna-litten bei der Generierung des Wissens, also auf der Stufe der FuE, am hchsten sind.28 Je besser Patente Innovationen schtzen, desto schwerer ist es nachge-wiesenermaen fr andere Unternehmen, auf diesem Wissen aufzubauen. Eine Studie29 mit amerikani-schen Patentdaten zeigt, dass die Externalitten, die von wagniskapitalfinanzierten Unternehmen gene-riert werden, in den Industrien geringer sind, in de-nen Patente besonders effektiven Schutz gewhren. Patentboxen frdern also vor allem Innovationen, die durch Patente gut geschtzt werden knnen und bei denen es den Unternehmen besonders gut gelingt, sich die Ertrge der Innovation anzueignen. Das heit aber, dass man in solchen Fllen gerade nicht die In-novationen frdert, bei denen Externalitten beson-ders hoch sind.30Ein Vorteil von Patentboxregelungen knnte sein, dass sie den Anreiz fr die Lizenzierung von Patenten an Dritte erhhen. Durch eine geringere Besteuerung der Erlse aus dem Verkauf oder der Lizenzierung von Patenten wird dies fr Unternehmen u. U. pro-fitabel. So knnte die Verbreitung und Nutzung von Wissen und Technologien gesteigert werden, indem andere Unternehmen diese in ihre Produkte einflieen lassen. Inwieweit Patentboxregelungen tatschlich zu mehr Lizenzierungen bzw. einer breiteren Nutzung neuer Technologien beigetragen haben und wie stark dieser Effekt ggf. ist, wurde noch nicht empirisch berprft.

    Gleichzeitig ist die steuerliche FuE-Frderung zielge-nauer, wenn es darum geht, FuE-Ausgaben vor Ort zu erhhen und Arbeitspltze im Bereich FuE zu schaf-fen. Da die Steuergutschrift in dem Land gewhrt wird, in dem auch die FuE-Ausgaben anfallen, frdert sie FuE und Arbeitspltze im Inland. Bei einer Pa-tentboxregelung hingegen ist dies nur der Fall, wenn sie mit der Auflage verbunden ist, dass die zu einem Patent gehrige FuE im Inland durchgefhrt werden muss. Ohne solch eine Auflage kann die FuE auch in einem anderen Land durchgefhrt werden und es gibt keine Beschftigungseffekte auf den heimischen Ar-beitsmarkt fr FuE-Personal.

    Betrachtet man den Finanzierungsaspekt, so ist zu be-rcksichtigen, dass es mitunter lange dauert, bis die FuE eines Unternehmens in ein Patent mndet und daraus Einnahmen erzielt werden. Die finanzielle Untersttzung durch eine Patentboxfrderung ist also fr ein Unternehmen mit einer deutlich lngeren War-tezeit verbunden als bei einer steuerlichen FuE-Fr-

  • 25

    Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen

    A

    einer steuerlichen FuE-Frderung scheint hingegen wenig sinnvoll, wenn das Ziel in erster Linie die Fr-derung von FuE ist. Die Tatsache, dass die meisten Lnder, die eine Patentboxregelung eingefhrt haben, auch eine steuerliche FuE-Frderung bieten, lsst vermuten, dass bei Patentboxen die Attrahierung in-ternational mobiler Unternehmen bzw. deren Patent-portfolios im Vordergrund steht.

    derung und erfordert daher eine lngere Finanzierung durch andere Quellen.

    Ein Vergleich der beiden Frdermglichkeiten, steu-erliche FuE-Frderung und Patentboxen, mit Blick auf die generierten positiven Externalitten und die damit verbundenen Finanzierungseffekte fllt also in weiten Teilen zugunsten der steuerlichen FuE-Frde-rung aus. Der Einsatz einer Patentbox zustzlich zu

    Box A 2-2

    Abb A 2-3

    Beim Nexus-Ansatz wird die we-sentliche Geschfts ttigkeit an den Ausgaben festgemacht. Es ist jedoch nicht der Absolut betrag der Ausgaben entscheidend, son-dern der Anteil der qualifizierten Ausgaben an den Gesamtaus-gaben fr die Entwicklung des geistigen Eigentums. Dieser An-teil bestimmt, in welcher Hhe die Gesamteinknfte, die aus dem Recht am geistigen Eigen-tum resultieren, dem vergnstig-ten Steuersatz unterliegen (vgl. Abbildung A 2-3).31

    Die qualifizierten Ausgaben fr die Entwicklung des geistigen Eigentums mssen direkt beim Steuerpflichtigen angefallen sein. Sie umfassen nur Ausgaben, die fr die tatschlich durchgefhr-ten FuE-Ttigkeiten notwendig sind. Ausgaben, bei denen kein direkter Zusammenhang zu spe-zifischen Rechten an geistigem Eigentum besteht, knnen nicht angerechnet werden (z.B. Zins-

    zahlungen, Baukosten, Anschaf-fungskosten). Die genaue Defini-tion dieser Ausgaben obliegt den einzelnen Staaten.

    Um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass sowohl der Erwerb von Rechten an geistigem Eigen-tum als auch Auftragsforschung fr Unternehmen eine wichtige Rolle spielen, besteht zudem die Mglichkeit einer Erhhung der qualifizierten Ausgaben, die die entsprechenden Ausgaben be-rcksichtigt. Damit das Prinzip der wesentlichen Geschftsttig-keit erhalten bleibt, wird die Er-hhung auf 30 Prozent der qua-lifizierten Ausgaben beschrnkt.32

    Die Gesamtausgaben umfassen die qualifizierten Ausgaben, An-schaffungskosten fr geistiges Eigentum sowie Ausgaben fr Auftragsforschung.33

    Im Rahmen des Nexus-Ansatzes sollen nur Einknfte aus Patenten

    und aus Rechten an geistigem Eigentum, die Patenten funktional quivalent sind, d.h. die rechtlich geschtzt sind und einen hnli-chen Prfungs- und Registrie-rungsprozess durchlaufen, be-rcksichtigt werden.34

    Es soll nur direktes Einkommen aus Rechten an geistigem Eigen - tum steuerlich begnstigt wer-den, d.h. Lizenzgebhren, Ver-uerungsgewinne und Um-satzerlse aus Produkten, die auf geistigen Eigentumswerten beruhen (embedded IP income). Lnder, die sich dafr entschei-den, solche Umsatzerlse zu be gnstigen, mssen eine kon-sistente und kohrente Methode implementieren, um den Teil des Einkommens, der dem Recht an geistigem Eigentum zurechenbar ist, von anderem Einkommen zu trennen.35

    Ausgestaltung des Nexus-Ansatzes im Rahmen des BEPS-Projekts verabschiedete Regelungen

    Quelle: Eigene Darstellung basierend auf OECD (2015a).

    Qualifizierte Ausgaben fr die Entwicklung des geistigen Eigentums Aus dem Recht am

    geistigen Eigentum resultierende Gesamteinknfte

    x = Steuerbegnstigte EinknfteGesamtausgaben fr die Entwicklung des geistigen Eigentums

    Berechnung der steuerbegnstigten Einknfte im Nexus-Ansatz

    A 2 Patentboxen Kein Ersatz fr steuerliche FuE-Frderung

    Download Daten

    http://www.e-fi.de/fileadmin/Abbildungen_2016/Abb_A2-3_2016.zip

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    tionen in FuE und Steuerbegnstigung herzustellen und rein steuerinduzierten Gewinnverlagerungen entgegenzuwirken. Allerdings weist die Experten-kommission darauf hin, dass bei den vorliegenden Ausgestaltungsvorschlgen sehr hohe Anforderungen gestellt werden und ein groer Aufwand bezglich der Nachverfolgung von Einknften und Ausgaben auf die Unternehmen zukmen. Darber hinaus ist es an vielen Stellen schwierig oder sogar unmglich, die Zurechnung von Ausgaben und Einnahmen zu einem bestimmten Recht am geistigen Eigentum vorzuneh-men.

    Handlungsempfehlungen

    Patentboxen sind grundstzlich ein weniger geeigne-tes Instrument, um FuE im Inland zu frdern, da sie nicht an den FuE-Ttigkeiten direkt, sondern an den Einknften aus Patenten ansetzen. Es besteht die Ge-fahr, dass nicht patentierbare Forschungsergebnisse sowie nicht kommerziell erfolgreiche FuE-Projekte, die ebenfalls einen Beitrag zur Erhhung des Wis-sensstands und der Innovationsfhigkeit liefern kn-nen, benachteiligt werden.

    Die Patentbox ist keine gleichwertige Alternative zu einer steuerlichen FuE-Frderung und darf als solche nicht von der Politik dargestellt und ver-folgt werden.

    Die Expertenkommission begrt die von der G20-Gruppe angestoene internationale Harmo-nisierung der Unternehmensbesteuerung (Base Erosion and Profit Shifting BEPS), ist jedoch skeptisch bezglich der Ausgestaltung des Ne-xus-Ansatzes. Der aktuelle Vorschlag zur kon-kreten Umsetzung des Nexus-Ansatzes ist fr die Unternehmen mit einem unverhltnismig hohen brokratischen Aufwand verbunden. Hier gilt es, einfachere Regeln zu finden.

    Es wre vorzuziehen, Patentboxregelungen in Gnze abzuschaffen. Die Expertenkommission empfiehlt der Bundesregierung, darauf im inter-nationalen Kontext hinzuwirken.

    Um FuE in Deutschland zu frdern, hlt die Ex-pertenkommission die Einfhrung einer steuerli-chen FuE-Frderung fr dringend erforderlich. Deutschland ist eines der wenigen Lnder, das bislang keine steuerliche FuE-Frderung anbie-tet. Daher sieht die Expertenkommission nach wie vor die Notwendigkeit, die Innovationsfinan-zierung durch eine steuerliche FuE-Frderung zu untersttzen.

    Internationale Harmonisierung von Patentboxen

    Im November 2012 beauftragte die G20-Gruppe die OECD, Manahmen gegen die sogenannte Aushh-lung der Steuerbasis und die Gewinnverlagerung (Base Erosion and Profit Shifting BEPS) zu erar-beiten. Diese Manahmen sollten sicherstellen, dass Gewinne von Unternehmen in dem Land besteuert werden, in dem die wirtschaftliche Ttigkeit ausgebt wird und die Wertschpfung stattfindet. Das Projekt umfasste einen Aktionsplan mit mehreren Punkten, zu dem u.a. die Problematik der Patentboxen bzw. der Gewhrung von Steuervorteilen fr Einknfte aus geistigem Eigentum gehrte. Kernthema war dabei, eine Definition fr die wesentliche Geschftsttigkeit zu erarbeiten, von der in Zukunft steuerliche Sonder-regelungen abhngen sollen. Es wurde beschlossen, den Nexus-Ansatz zu verfolgen.36 Die Ergebnisse wurden im Oktober 2015 im Rahmen des Finanz-ministertreffens der G20 verabschiedet.

    Der Nexus-Ansatz beruht auf dem Grundprinzip einer ausgabenorientierten Steuerregelung, bei der Ausga-ben und Steuervorteile direkt miteinander verknpft sind, wie z. B. auch bei der steuerlichen FuE-Frde-rung. Der Nexus-Ansatz erweitert diesen Grundsatz auf einnahmenorientierte Steuerregelungen. Er er-laubt Staaten, nicht nur Steuervorteile auf die direkt bei der Schaffung des geistigen Eigentums angefal-lenen Ausgaben zu gewhren, sondern auch auf aus dem Recht am geistigen Eigentum resultierende Einknfte. Fr Letzteres ist allerdings ein direkter Zusammenhang, Nexus, zwischen den steuerbegns-tigten Einnahmen und den zu diesen Einnahmen bei-tragenden Ausgaben erforderlich.37 Um den Zusam-menhang zwischen Ausgaben fr geistiges Eigentum und Einknften aus geistigem Eigentum nachzuwei-sen, mssen Unternehmen, die von Patentboxregelun-gen profitieren wollen, ihre Ausgaben und Einknfte, bezogen auf das geistige Eigentum, umfassend nach-verfolgen und dokumentieren.38

    Fr eine detaillierte Beschreibung des Nexus- An satzes vgl. Box A 2-2.

    Die Expertenkommission hat in ihren vergangenen Jahresgutachten bereits mehrfach die Sorge geu-ert, dass sich durch die Einfhrung von Patentbox-regelungen in Europa ein Wettrennen um die gns-tigsten steuerlichen Bedingungen fr Einknfte aus Rechten an geistigem Eigentum entwickelt.39 Daher hlt die Expertenkommission den Nexus-Ansatz fr einen Schritt in die richtige Richtung, um zumindest teilweise einen Zusammenhang zwischen Investi-

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    Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen

    AAktuelle Herausforderungen fr die Hochschulpolitik

    A 3

    Das deutsche Innovationssystem bentigt leistungs-fhige und international wettbewerbsfhige Hoch-schulen, die Grundlagenforschung, angewandte For-schung und Lehre auf hohem und hchstem Niveau betreiben. Zudem sollen die Hochschulen der Gesell-schaft und Wirtschaft Zugang zu ihren Ergebnissen verschaffen und gleichzeitig neue Problemstellungen und Erkenntnisse aufgreifen. Vor diesem Hintergrund stehen die deutschen Hochschulen bzw. die Hoch-schulpolitik vor vielfltigen Herausforderungen, zu denen neben vielen anderen die weitere Ausdifferen-zierung des deutschen Hochschulsystems, die Schaf-fung attraktiver Bedingungen fr den wissenschaft-lichen Nachwuchs, die Nutzung der Chancen des digitalen Wandels sowie die Integration von Flcht-lingen gehren.

    Deutsches Hochschulsystem weiter ausdifferenzieren

    Die Expertenkommission hat sich bereits mehrfach fr eine weitere Ausdifferenzierung des deutschen Hochschulsystems ausgesprochen.40 Dadurch kann seine internationale Wettbewerbsfhigkeit und damit auch sein Beitrag zur Wettbewerbsfhigkeit Deutsch-lands nachhaltig gestrkt werden.

    Die Exzellenzinitiative hat bereits vor zehn Jahren einen Differenzierungsprozess in Gang gesetzt. Die Exzellenz universitten konnten ihre internationa-le Sichtbarkeit erhhen.41 Durch die Frderung von Graduiertenschulen und Exzellenzclustern wurde die Setzung wissenschaftlicher Prioritten an den gefr-derten Universitten untersttzt42 und damit eine Dif-ferenzierung zwischen den Hochschulen angestoen.

    Im Dezember 2014 haben die Regierungen von Bund und Lndern einen Grundsatzbeschluss ber ein Nachfolgeprogramm zur 2017 auslaufenden Exzel-lenzinitiative gefasst.43 Ein Konzept zur konkreten Ausgestaltung des Nachfolgeprogramms wird die

    Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK) im Juni 2016 vorlegen. Auf Basis der Evaluierung der Exzellenzinitiative durch die sogenannte Imboden-Kommission soll dieses entwickelt werden und noch Ende 2016 anlaufen.

    Die Expertenkommission spricht sich dafr aus, bei der geplanten Fortfhrung der Exzellenzinitiative die Differenzierung der Hochschulen weiter zu for-cieren. Auch knftig sollten die zum Zeitpunkt der Frderentscheidung leistungsstrksten deutschen Universitten eine institutionelle Frderung hnlich der dritten Frderlinie der noch laufenden Exzellenz-initiative erhalten, um eine hohe Sichtbarkeit des deutschen Wissenschaftssystems zu gewhrleisten. Der Exzellenzbegriff ist zuknftig schrfer zu fassen: Eine Exzellenzuniversitt sollte nicht nur heraus-ragende Forschung betreiben, sondern muss gleich-zeitig auch erfolgreich zum Erkenntnistransfer der Forschungsergebnisse in Wirtschaft und Gesellschaft beitragen. Des Weiteren sollte bei einer Fortfhrung der Exzellenzinitiative auch eine Untersttzung von herausragenden Forschungsstrukturen gewhrleistet werden, die thematisch oder disziplinr besonders fokussiert und international anerkannt sind.

    Es hat sich in der Vergangenheit bewhrt, die zu frdernden Einrichtungen im Rahmen eines wissen-schaftsgeleiteten Wettbewerbsverfahrens auszuwh-len.44 Die dabei schon erreichten Standards der Beur-teilung wissenschaftlicher Projekte sind in jedem Fall zu wahren und auszubauen.

    Die beiden Antragsrunden der Exzellenzinitiative haben gezeigt, dass eine sorgfltige Antragstellung und -bewertung einen hohen Aufwand fr die be-teiligten Wissenschaftler darstellt. Daher sollte die Frderdauer zuknftig deutlich mehr als fnf Jahre betragen,45 um die Durchfhrung langfristig angeleg-ter Forschungsprogramme zu ermglichen und die mit der Antragstellung verbundene Arbeitsbelastung in Relation zur Frder dauer zu reduzieren.

    A 3 Aktuelle Herausforderungen fr die Hochschulpolitik

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    Bei der Differenzierung des Hochschulsystems sind neben der Forschung auch andere Leistungsdimen-sionen der Hochschulen wie Lehre, Weiterbildung, Erkenntnistransfer und Forschungsinfrastruktur von Bedeutung. Die Hochschulen sind dazu aufgerufen, ihre komparativen Vorteile zu identifizieren und, da-rauf aufbauend, ihr Profil zu schrfen.

    Attraktive Bedingungen fr den wissenschaftlichen Nachwuchs schaffen

    Den Hochschulen obliegt mit der Aufgabe, den wis-senschaftlichen Nachwuchs auszubilden, eine groe Verantwortung. Sie mssen es den Doktoranden und Postdoktoranden ermglichen, sich bestmglich fr ihre spteren Ttigkeiten innerhalb und auerhalb des Wissenschaftssystems zu qualifizieren. Um auch im internationalen Wettbewerb die besten Talente anziehen zu knnen, mssen attraktive Arbeitsbedin-gungen und Karriereperspektiven geboten werden.

    Die meisten der wissenschaftlichen Nachwuchs krfte an Hochschulen sind befristet angestellt.46 In Bezug auf den Abschluss befristeter Vertrge zwischen staat-lichen Hochschulen und wissenschaftlichem Personal ist das im Jahr 2007 in Kraft getretene Wissenschafts-zeitvertragsgesetz einschlgig. Kern des hier verein-barten Sonderbefristungsrechts ist die sachgrundlose Hchstbefristungsdauer, die sowohl vor als auch nach der Promotion jeweils sechs Jahre betrgt ( 2 Abs. 1 Stze 1 und 2 WissZeitVG). Zudem ist im Wissen-schaftszeitvertragsgesetz als weitere Befristungs-mglichkeit die Drittmittelbefristung verankert ( 2 Abs. 2 WissZeitVG). Die im Jahr 2011 erfolgte Eva-luierung des Gesetzes ergab u. a., dass an Hochschu-len die Laufzeit bei ber der Hlfte der abgeschlos-senen Vertrge weniger als ein Jahr betrug.47 Zudem zeigte die Evaluierung Unklarheiten hinsichtlich der Frage, welchen Stellenwert die wissenschaftliche Qualifizierung bei der sachgrundlosen Befristung hat. Weitere Unklarheiten wurden bezglich der An-rechnung von Zeiten befristeter Arbeitsverhlt nisse vor Studienabschluss auf die Hchstbefristungsdauer identifiziert.48

    Der Bundestag hat am 17. Dezember 2015 eine nde-rung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes beschlos-sen, die u. a. an den genannten Punkten ansetzt.49 Zuknftig sind sachgrundlose Befristungen nur in Verbindung mit einer wissenschaftlichen oder knst-lerischen Qualifizierung zulssig und die Befristungs-dauer ist so zu gestalten, dass sie der angestrebten Qualifizierung angemessen ist. Bei Drittmittelfinan-

    zierungen soll die Befristungsdauer der Projektdauer entsprechen. Des Weiteren wird durch die nderung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes klargestellt, in welchem Mae befristete Arbeitsvertrge vor Studie-nabschluss zulssig sind.

    Die Expertenkommission verkennt nicht, dass es unter der alten Gesetzeslage im Hochschulbereich Missstnde gegeben hat, die durch die frhere Fas-sung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes u. U. begnstigt wurden. Einige dieser Missstnde wer-den mit der Neufassung des Gesetzes beseitigt.50 Gleichzeitig ist sie skeptisch, dass die Neufassung des Gesetzes zu einer allgemeinen und nachhalti-gen Verbesserung der Situation des wissenschaft-lichen Nachwuchses fhren wird. Zudem wird den Hochschulen ein hherer brokratischer Aufwand aufgebrdet und deren Flexi bilitt tendenziell einge-schrnkt.

    Strukturierte Promotionsangebote in Form von Graduiertenkollegs und -schulen haben an Bedeu-tung gewonnen51 und die Qualitt der Ausbildung fr Promovierende erhht. Weiterer Handlungsbe-darf besteht aus Sicht der Expertenkommission nun insbesondere darin, die Karriereperspektiven der Post doktoranden zu verbessern. Da der Anteil der dauerhaft beschftigten Professoren in Deutschland im internationalen Vergleich sehr gering ist,52 knnen sich Postdoktoranden nur geringe Chancen auf eine unbefristete Position ausrechnen.53 Deutsche Univer-sitten bieten zudem nur in geringem Mae Tenure Track-Laufbahnen an und knnen deshalb talentierte Nachwuchswissenschaftler im internationalen Wett-bewerb oft nur begrenzt anziehen oder halten.54

    Bund und Lnder haben im April 2015 in der GWK die Umsetzung einer Initiative fr den wissenschaft-lichen Nachwuchs vereinbart, die die Hochschulen dabei untersttzen soll, Planbarkeit und Verlsslich-keit der Karrierewege junger Wissenschaftler zu ver-bessern.55 Die Verhandlungen zur Ausgestaltung der Initiative sind derzeit noch nicht abgeschlossen.

    Die Expertenkommission spricht sich dafr aus, die Personalstruktur an den Universitten zu verndern. Sie sieht hierin einen zentralen Ansatzpunkt, um die Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses zu verbessern. In den nchsten Jahren sollten zustzliche W2- und W3-Professuren geschaffen und gleichzeitig die Curricularnormwerte erhht werden. Dies htte den Vorteil, dass die Lehrbelastung von Professoren reduziert und die Betreuungsrelation von Profes-soren zu Studierenden an internationale Standards

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    Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen

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    A 3 Aktuelle Herausforderungen fr die Hochschulpolitik

    angeglichen wrde. Somit knnten nicht nur die Karrie reperspektiven fr den wissenschaftlichen Nachwuchs verbessert, sondern auch die Qualitt der Lehre gesteigert und die zeitlichen Ressourcen fr die Forschung erhht werden.56

    Neben der Schaffung zustzlicher W2- und W3- Professuren empfiehlt die Expertenkommission, mehr Stellen fr Postdoktoranden bereitzustellen, auf denen selbststndig geforscht und gelehrt wird. Die bereits zu beobachtende zunehmende Etablie-rung von Nachwuchsgruppen sollte fortgefhrt wer-den.57 Anstelle der bisher gngigen Ausgestaltung der Juniorprofessuren, bei der eine Weiterbeschftigung selbst bei Bewhrung nicht vorgesehen ist, sollten vermehrt Tenure Track-Laufbahnen angeboten wer-den. Hier wird den Stelleninhabern im Falle einer erfolgreichen Evaluation die nach transparenten Kriterien durchgefhrt werden sollte eine dauer-hafte Beschftigung angeboten.

    Im Kontext einer Vernderung der Personalstruktur an Universitten ist auch die Frage nach Formen der inneruniversitren Organisation der Fakultten von Bedeutung.58 So wird beispielsweise in den USA und in Grobritannien nicht das Lehrstuhlprinzip verfolgt, sondern es herrschen dort Departmentstrukturen vor. Mit derartigen Modellen sollte verstrkt experimen-tiert werden knnen.

    Chancen des digitalen Wandels nutzen

    Die sich durch den digitalen Wandel fr die Hoch-schulen ergebenden Chancen sind noch besser zu nutzen.

    Eine Voraussetzung fr exzellente Forschung und Lehre ist eine adquate digitale Infrastruktur. Dies gilt nicht nur fr den MINT-Bereich, sondern zunehmend auch fr die Sozial- und Geisteswissenschaften.59 Hier stehen der Auf- und Ausbau sowie die Vernet-zung von Informationsinfrastrukturen im Fokus. In den Sozialwissenschaften ist der Aufbau von und der Zugang zu Datenbestnden, mit deren Hilfe empiri-sche Analysen ermglicht werden, essenziell.60 In den Geisteswissenschaften erlaubt insbesondere die Digi-talisierung von Texten und Artefakten neue Wege in der Forschung.61

    In der Lehre gilt es, den Studierenden Kompetenzen zu vermitteln, die es erlauben, die sich in Forschung und Praxis durch die Digitalisierung ergebenden Potenziale auszuschpfen hierzu zhlen beispiels-

    weise Techniken wie Programmieren, Data Mining oder Text Mining. Die Informatik-Ausbildung sollte interdisziplinrer und anwendungsorientierter aus-gerichtet werden, als dies heute der Fall ist. Zudem sollten digitale Technologien verstrkt zur Kompe-tenz- und Wissensvermittlung genutzt werden, ein Instrument knnten etwa Massive Open Online Cour-ses (MOOCs) sein.62

    Durch digitale Lsungen knnen auch die Verwal-tungsablufe in den Hochschulen weiter optimiert und transparenter gestaltet werden. Zudem bietet die Digitalisierung Chancen, den Erkenntnistransfer in Wirtschaft und Gesellschaft zu verbessern,63 die Internationalisierung der Hochschulen64 weiter vor-anzutreiben und Citizen Science zu betreiben.65

    Die Hochschulen bentigen individuelle Strategi-en fr ihren Umgang mit den Herausforderungen der Digitalisierung. Nach Auffassung der Experten-kommission wird dieses Thema von vielen Hoch-schulen bisher noch vernachlssigt. Diese Strate gien sind vor dem Hintergrund der jeweiligen Profil-bildungsprozesse zu entwickeln. Auch die Themen Open Access und Open Data sind mit einzubezie-hen.66 Durch die Identifizierung und Frderung von Best Practice-Beispielen knnen die Hochschulen bei ihrer Strategieentwicklung untersttzt werden.67Der Bund knnte zudem einzelne Hochschulen insti-tutionell frdern, um die Umsetzung von nachhal-tigen Digitalisierungsstrategien zu untersttzen, die die Interdisziplinaritt befrdern (vgl. Kapitel B 2), besonders ambitioniert sind und zur Profilbildung der Hochschulen genutzt werden.

    Jenseits der projektbezogenen IT-Investitionen be-ntigen die Hochschulen fr den Auf- bzw. Ausbau sowie den Betrieb einer angemessenen digitalen Infrastruktur in ausreichendem Mae Grundmittel.

    Flchtlingen den Zugang zum Hochschulsystem erleichtern

    Der Zugang studierfhiger Flchtlinge zum Bil-dungssystem und somit auch zum Hochschulsystem ist sowohl fr die Hochschulen selbst als auch fr die Hochschulpolitik eine groe Herausforderung.68 Diese Aufgabe rasch anzugehen, ist aus humani-tren Grnden und vor dem Hintergrund des sich abzeichnenden Fachkrftemangels geboten. An deut-schen Hochschulen gibt es mittlerweile eine Viel-zahl von Programmen und Initiativen zur Integration von Flchtlingen.69 Auch auf Landesebene wurden

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    verschiedene Manahmen ergriffen, um studierfhi-gen Flchtlingen den Hochschulzugang zu erleich-tern.70 Zudem hat die Kultusministerkonferenz am 3. Dezember 2015 einen Beschluss dazu gefasst, nach welchem Verfahren Hochschulzugang und Hoch-schulzulassung fr diejenigen Studienbewerber ge-regelt werden sollen, die den Nachweis der im Hei-matland erworbenen Hochschulzugangsberechtigung fluchtbedingt nicht erbringen knnen.71

    Die Expertenkommission spricht sich dafr aus, beim Zugang fr Flchtlinge in das Hochschulsystem auch unkonventionelle Wege zu beschreiten. Innovati-ve Wege zum Nachweis von Qualifikationen sowie Studienangebote in Form von englischsprachigen MOOCs knnen hier ein Teil der Lsung sein. Feh-lende Deutschkenntnisse sowie fehlende bzw. nicht anerkannte Dokumente drfen nicht dazu fhren, dass studierfhige Flchtlinge eine Hochschulaus-bildung erst mit groem Zeitverzug beginnen knnen oder sogar ganz darauf verzichten mssen.

    Ein interessantes Konzept hat die im Jahr 2014 als Start-up gegrndete private Kiron University in Ber-lin entwickelt, deren Ziel es ist, Flchtlingen den Zugang zu einem kostenfreien Hochschulabschluss zu ermglichen.72 Das Programm fr die ersten bei-den Studienjahre wird in Form von MOOCs bereit-gestellt, die mit Untertiteln in der jeweiligen Sprache versehen werden knnen. Zudem sind ergnzende Untersttzungsangebote wie Sprachkurse und Zu-gang zu IT-Infrastruktur verfgbar. Im dritten Jahr sollen bis dahin erfolgreiche Studierende regulre Veranstaltungen der Partnerhochschulen besuchen dazu gehren die RWTH Aachen, die Hochschule fr nachhaltige Entwicklung Eberswalde und die Hoch-schule Heilbronn.

    Handlungsempfehlungen

    Bei der Fortfhrung der Exzellenzinitiative sollte es weiterhin eine institutionelle Frderung der forschungsstrksten deutschen Universitten geben. Darber hinaus sollten herausragende Forschungsstrukturen untersttzt werden, die thematisch oder disziplinr besonders fokussiert und international anerkannt sind.

    Die Hochschulen sollten ihre Profile weiter schrfen und dabei neben ihren Forschungs-schwerpunkten auch andere Leistungsdimensio-nen wie Lehre, Weiterbildung, Erkenntnistrans-fer und Forschungsinfrastruktur bercksichtigen.

    Um attraktive Bedingungen fr den wissen-

    schaftlichen Nachwuchs zu schaffen, ist die Per-sonalstruktur der Hochschulen zu verndern: In den nchsten Jahren sollten zustzliche W2- und W3-Professuren geschaffen und gleichzeitig die Curricularnormwerte erhht werden. Anstelle der bisher gngigen Ausgestaltung der Juniorprofes-suren, bei der eine Weiterbeschftigung selbst bei Bewhrung nicht vorgesehen ist, sollten vermehrt Tenure Track-Laufbahnen angeboten werden.

    Die Hochschulen mssen Strategien entwickeln, um die Chancen der Digitalisierung besser zu nutzen. Sie sollten dabei durch die Identifizie-rung und Frderung von Best Practice-Beispie-len untersttzt werden. Der Bund knnte zudem einzelne Hochschulen institutionell frdern, um die Umsetzung von Digitalisierungsstrategien zu untersttzen, die die Interdisziplinaritt befr-dern (vgl. Kapitel B 2), besonders ambitioniert sind und zur Profilbildung der Hochschulen ge-nutzt werden. Fr den Auf- bzw. Ausbau sowie den Betrieb einer angemessenen digitalen Infra-struktur mssen in ausreichendem Mae Grund-mittel zur Verfgung stehen.

    Die Hochschulen und die Politik mssen gemein-sam dafr Sorge tragen, studierfhigen Flchtlin-gen rasch und unbrokratisch den Zugang zum deutschen Hochschulsystem zu ermglichen.

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    Gem Definition der EU-Kommission zhlt ein Unternehmen zu den kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), wenn es nicht mehr als 249 Beschftigte hat und einen Jahresumsatz von hchstens 50 Millionen Euro erwirtschaftet oder eine Bilanzsumme von maximal 43 Millionen Euro aufweist.

    Der Beitrag von KMU zu Forschung und Innovation in Deutschland

    * Produzierende Industrie: Abteilungen 5-39 der WZ 2008; berwiegend unternehmensorientierte Dienstleistungen: Abteilungen 46, 49-53, 58-66, 69-74 (ohne 70.1), 78-82 der WZ 2008.Quelle: Mannheimer Innovationspanel. Berechnungen des ZEW.

    Gruppe der KMU heterogen

    Anteile von Innovatoren, patentaktiven KMU und Hidden Champions an allen KMU 2010 bis 2012 in Prozent

    KMU KMU in der produzierenden Industrie und in berwiegend unternehmensorientierten Dienstleistungen*

    InnovatorenKMU, die eine Produkt- oder Prozessinnovation eingefhrt haben

    Patentaktive KMUKMU, die ein Patent ange-meldet haben

    Hidden ChampionsKMU mit hohen Exporten, hohem Marktanteil und berdurchschnittlichem Wachstum

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    Kernthemen 2016 B 1 Der Beitrag von KMU zu Forschung und Innovation in Deutschland

    Quelle: Innovationsausgaben im europischen Vergleich: Community Innovation Surveys. Berechnungen des ZEW in Rammer et al. (2016). Innova-tionsausgaben deutscher KMU sowie Mangel an Fachkrften und Finanzierungsquellen: Mannheimer Innovationspanel. Berechnungen des ZEW in Rammer et al. (2016). Anteil der forschenden KMU, die Schwierigkeiten bei der Akquise von neuem wissenschaftlichem Personal hatten: Schneider und Stenke (2015). Zum Anteil der direkten und indirekten staatlichen Finanzierung von FuE in KMU an den gesamten FuE-Ausgaben der KMU: OECD: Research and Development Statistics, Main Science and Technology Indicators. Berechnungen des ZEW in Rammer et al. (2016). Die Studie von Rammer et al. (2016: 152) zeigt, dass die betrachtete Quote in einer Vielzahl von OECD-Lndern deutlich ber derjenigen Deutschlands liegt.

    Innovationsausgaben deutscher KMU stagnieren seit 2009

    Innovationsausgaben deutscher KMU in Milliarden EuroDurchschnittliche Innovationsausgaben in 1.000 Euro je innovationsaktivem KMU im Durchschnitt der Jahre 2008, 2010 und 2012

    Innovationsausgaben deutscher KMU im internationalen Vergleich gering

    Milliarden Euro

    0

    20112006 2008 20102009 2014 20152012 20132007

    3

    6

    9

    12

    15

    18

    Staatliche FuE-Frderung von KMU in Deutschland relativ gering

    indirekte Frderung

    von Unternehmen selbst bezahlt

    direkte Frderung

    Mangel an Fachkrften und Finanzierungsquellen als wichtige Innovationshemmnisse

    11.000 Anzahl der KMU, die im Zeitraum 2010 bis 2013 aufgrund fehlender Finanzierungsmittel ihre Innova-tionsaktivitten aufgaben.

    23.000 Anzahl der KMU, die im Zeitraum 2010 bis 2013 aufgrund fehlender Finanzierungsmittel ihre Innova-tionsaktivitten einschrnkten.

    33% Anteil der innovationsaktiven KMU, die im Zeit-raum 2012 bis 2014 Mangel an geeignetem Fachpersonal als Innovationshemmnis betrachteten.

    68% Anteil forschender KMU, die 2013 aufgrund von hohen Gehaltsforderungen Schwierigkeiten bei der Akquise von neuem wissenschaftlichem Personal hatten.

    30% Anteil der innovationsaktiven KMU, die im Zeitraum 2012 bis 2014 Mangel an internen Finanzierungs-quellen als Innovationshemmnis betrachteten.

    22% Anteil der innovationsaktiven KMU, die im Zeitraum 2012 bis 2014 Mangel an externen Finanzierungs-quellen als Innovationshemmnis betrachteten.

    Anteil der direkten und indirekten staatlichen Finanzierung von FuE in KMU an den gesamten FuE-Ausgaben der KMU 2011/2013 in Prozent

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    Download Daten

    http://www.e-fi.de/fileadmin/Abbildungen_2016/B1_Infografik_2016.zip

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    Einleitung

    Im Jahresgutachten 2015 hatte die Expertenkommission darauf aufmerksam gemacht, dass die Innovationsanstrengungen von KMU langfristig rcklufig sind. In diesem Kapitel werden mgliche Grnde und Handlungsoptionen diskutiert.

    Die Gruppe der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) bzw. der mittelstndischen Unternehmen gilt gemeinhin als eine der besonderen Strken der deutschen Volkswirtschaft. Dabei wird vor allem auf ihre

    B 1-1 groe Bedeutung fr Beschftigung und Innovation verwiesen. Besonders hervorgehoben wird regelmig die Rolle der sogenannten Hidden Champions (vgl. Box B 11).

    Die Begriffe Mittelstand und KMU werden in der ffentlichen Diskussion oft synonym verwendet. In der Tat gibt es berschneidungen dieser Unternehmensgruppen, jedoch sollen an dieser Stelle die Begrifflichkeiten klar abgegrenzt werden. Fr den Mittelstand gibt es keine allgemein gltige Defini tion. Das Institut fr Mittelstandsforschung (IfM) z. B. defi niert

    Der Beitrag von KMU zu Forschung und Innovation in Deutschland

    B 1

    Box B 1-1

    Der Begriff Hidden Champions wurde erstmals 1990 in einer Stu-die von Hermann Simon verwen-det.73 Er bezeichnet eine Gruppe von oft relativ unbekannten Un-ternehmen, die meist inhaberge-fhrt und nicht brsennotiert sind, einen Jahresumsatz von unter drei Milliarden Euro aufweisen, auf den Weltmarkt abzielen und in den jeweiligen Mrkten eines der drei Unternehmen mit dem hchsten Marktanteil sind. Dabei zeichnen sich Hidden Champions dadurch aus, dass sie in engen Nischenmrkten aktiv sind. Fast die Hlfte der von Simon weltweit identifizierten Hidden Champions kommt aus Deutschland,74 wobei ein Groteil dieser Unternehmen zwar inhabergefhrt, aber nicht mehr den KMU zuzuordnen ist, sondern zu den mittelgroen und groen Unternehmen gehrt.

    Im Folgenden wird die Bedeu-tung von Hidden Champions fr die Gruppe der KMU in Deutsch-land untersucht. Dafr wurde das Mannheimer Innovationspanel (MIP)75 verwendet. Die Kriteri-en fr Hidden Champions wur-den, basierend auf diesen Daten, wie folgt operationalisiert: i) Ihr Hauptabsatzmarkt ist auerhalb Deutschlands, gleichzeitig muss ein Teil ihrer Exporte auch ins au-ereuropische Ausland gehen. ii) Sie haben einen hohen Marktan-teil im Hauptabsatzmarkt.76 iii) Sie wiesen in den letzten fnf Jahren ein im Vergleich zu ihrer Branche berdurchschnittliches Wachstum auf.

    Anhand dieser Kriterien wurden fr Deutschland fr das Jahr 2012 rund 1.200 KMU mit bis zu 249 Beschftigten sowie mehr

    als 350 mittelgroe Unternehmen mit 250 bis 999 Beschftigten als Hidden Champions identifiziert. Diese beiden Gruppen hatten im Jahr 2012 knapp 300.000 Be-schftigte und einen Jahresum-satz von ca. 93 Milliarden Euro.

    Die Hidden Champions unter den KMU (bis 249 Beschftigte) haben eine deutlich hhere Innovations-orientierung als die Gesamtgrup-pe der KMU. Im Jahr 2012 haben 77 Prozent der Hidden Champions unter den KMU eine Produktinno-vation eingefhrt (alle KMU: 29 Prozent). Deutliche Unterschiede zeigen sich auch bei kontinuierli-chen FuE-Aktivitten (47 Prozent versus 10 Prozent).

    Hidden Champions

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    Kernthemen 2016

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    als entscheidendes Kriterium fr die Zugehrigkeit eines Unternehmens zum Mittelstand die Einheit von Eigentum und Leitung. Ausschlaggebend ist demnach nicht die Gre des Unternehmens. Ein Groteil der KMU erfllt jedoch dieses Kriterium, so dass es groe berschneidungen der beiden Gruppen KMU und Mittelstand gibt.77 Die Gruppe der KMU definiert das IfM als alle Unternehmen mit weniger als 500 Mitarbeitern und unter 50 Millionen Euro Jahresumsatz.78

    In diesem Kapitel sollen die Innovationsleistungen der KMU nach der Abgrenzung der EU, d.h. bis zu einer Beschftigtenzahl von 249, in den Blick genommen werden. Auf diese Unternehmensgruppe entfallen 10 Prozent der gesamten deutschen FuEAusgaben und 15 Prozent der Innovationsausgaben. Sie ist fr 24 Prozent der transnationalen Patente aller deutschen Unternehmen verantwortlich.

    Die Gruppe der KMU ist in ihrer Innovationsleistung heterogen. Zwischen 2010 und 2012 haben 42 Prozent der KMU eine Produkt oder Pro zess innovation eingefhrt. 40 Prozent der KMU hatten im Jahr 2012 Innovationsausgaben und 22 Prozent der KMU betrieben interne Forschung und Entwicklung (FuE)79, 18,5 Prozent der KMU haben im Zeitraum 2010 bis 2012 ein Patent angemeldet.80

    Der Beitrag von KMU zu Forschung und Innovation Inputseite

    Um ein differenziertes Bild des Innovationsbeitrags der KMU zu ermitteln, wird zunchst die Inputseite des Innovationsprozesses in Form der Innovationsausgaben sowie der FuEAusgaben der KMU im internationalen Vergleich betrachtet.81 Fr den Vergleich werden sieben europische Lnder herangezogen, die besonders hohe Innovationsaktivitten zeigen oder in ihrer Struktur mit Deutschland vergleichbar sind (Finnland, Frankreich, Grobritannien, Italien, Niederlande, sterreich und Schweden). Die Unterschiede zwischen FuE und Innovationsausgaben werden in Box B 13 erlutert.

    Innovationsausgaben im internationalen Vergleich gering

    Abbildung B 12 zeigt die Innovationsintensitt der KMU, d.h. ihre Innovationsausgaben in Bezug zum gesamten Umsatz der Gruppe der KMU. Die Gruppe der KMU weist in Schweden, Finnland, Frankreich, den Niederlanden, sterreich und auch Italien ein hheres Verhltnis von Innovationsausgaben zum Umsatz auf als die KMU in Deutschland. Fr die FuE

    B 12

    B 1 Der Beitrag von KMU zu Forschung und Innovation in Deutschland

    1) nur 2008, 2) nur 2012. Quelle: Eurostat: Community Innovation Surveys. Berechnungen des ZEW in Rammer et al. (2016).

    Abb B 1-2Innovationsausgaben der KMU (10 bis 249 Beschftigte) in Relation zum Umsatz aller KMU im Durchschnitt der Jahre 2008, 2010 und 2012 in Prozent

    Niederlande

    Frankreich

    Italien

    Deutschland

    Grobritannien2)

    0,0% 0,4 0,8 1,2 1,6 2,0 2,4 2,8

    Finnland

    Schweden1)

    sterreich

    sonstige Innovationsausgaben FuE-Ausgaben

    Download Daten

    http://www.e-fi.de/fileadmin/Abbildungen_2016/Abb_B1-2_2016.zip

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    Ausgaben zeigt sich ein sehr hnliches Bild, lediglich in Grobritannien und Italien sind die Werte geringer als in Deutschland.

    Ein anderer Indikator, um die Innovationsstrke zu messen, sind die durchschnittlichen Innovationsausgaben pro innovationsaktivem85 KMU.86 Nach diesem Indikator sind die Innovationsausgaben deut

    scher innovationsaktiver KMU niedriger als die der Vergleichslnder (vgl. Abbildung B 14). Betrachtet man nur den Industriesektor, so steht Deutschland etwas besser da. Hier sind die Innovationsausgaben je inno vationsaktivem KMU hher als in Grobritannien und Italien. Darber hinaus zeigt sich, dass die Innovationsausgaben sowohl in kleinen Unternehmen (10 bis 49 Beschftigte) als auch in mittleren Unternehmen (50 bis 249 Beschftigte) in Deutschland geringer sind als in den Vergleichslndern.

    Innovationsintensitt deutscher KMU rcklufig

    Betrachtet man die Entwicklung der Innovationsintensitt deutscher KMU im Zeitablauf, zeigt sich in den letzten Jahren eine rcklufige Tendenz. Im Unterschied zur Innovationsintensitt ist die FuEIntensitt mit ca. 0,6 Prozent konstant geblieben. Der Rckgang der Innovationsintensitt von 1,7 Prozent (2006) auf 1,2 Prozent (2014) ist demnach durch einen Rckgang des Teils der Innovationsausgaben bedingt, der ber die FuEAusgaben hinausgeht (vgl. Abbildung B 15).

    Verschiedene Faktoren beeinflussen die Hhe der Inno vations