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Gute ErnährungZukunftsfähige Beispieleaus der ganzen Welt

Gute Ernährungkennt keine Grenzen

und 800 Millionen Menschen leiden weltweitHunger. Weil sie arm sind und keinen Zu-gang zu Lebensmitteln haben; weil sie aufdem verfügbaren Land – auch aufgrund des

Klimawandels – nicht mehr genug Nahrung produzie-ren können oder es durch Landraub verlieren; aberauch, weil sie als Kleinproduzentinnen und -produzen-ten im weltweiten Handelssystem benachteiligt wer-den und mit den großen Konzernen nicht mithaltenkönnen. Zwei Milliarden Menschen auf der Welt sindmangelernährt, während fast zwei Milliarden  Men-schen übergewichtig sind. All dies sind Symptome fürFehlentwicklungen im Ernährungssystem – nicht nurim globalen Süden, sondern auch bei uns!

Die Erfahrung MISEREORs zeigt, dass mit der Förde-rung bäuerlicher Landwirtschaft eine sichere und ge-sunde Ernährung für alle möglich ist. Dafür brauchenBäuerinnen und Bauern die Kontrolle über Land, Was-ser und Saatgut, müssen ihre Produkte lokal und zueinem angemessenen Preis vermarkten können unddie Möglichkeit haben, ihre Landwirtschaft nachhaltigweiterzuentwickeln.

Die Beispiele der MISEREOR-PartnerorganisationenANTHRA und „Food Sovereignty Alliance“ in Indien zei-gen, dass der Handel mit Milchpulver zu Niedrigstprei-sen die Existenzen von Bäuerinnen und Bauern inNord und Süd gefährdet. Ihre Alternative ist eine Milch-produktion, die auf lokale Vermarktungsstrukturen mitdirektem Kontakt zwischen Erzeuger und Käufer setzt.

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Auch die steigenden Kosten für landwirtschaftliche Be-triebsmittel wie Saatgut und Dünger bergen ein hohesVerschuldungsrisiko. Die MISEREOR-PartnerorganisationDiobass in Burkina Faso fördert bäuerliche Innovationen,um mit lokal verfügbaren Mitteln die Landwirtschaftkostengünstiger und produktiver zu gestalten. Dabeistehen die Bäuerinnen und Bauern mit ihrem Wissenim Mittelpunkt. Die brasilianische MISEREOR-Partner-organisation REDE fördert urbane Landwirtschaft in derMegacity Belo Horizonte und unterstützt Menschen inden Favelas, Gärten anzulegen und so die Stadtbevöl-kerung mit frischen Lebensmitteln zu versorgen.

Die Projektbeispiele zeigen: eine bäuerliche Land-wirtschaft, die nachhaltig produziert, die Rolle der Pro-duzentinnen und Produzenten stärkt und von Konsu-mentinnen und Konsumenten unterstützt wird, hat Po-tential! MISEREOR setzt sich deshalb für ein Ernährungs-system ein, das für viele Menschen Arbeit und Einkom-men in Produktion, Verarbeitung und Handel zu gutenBedingungen schafft, das unsere Umwelt schützt undfür Vielfalt vom Acker bis auf den Teller sorgt. Solch einSystem ist tragfähiger und gerechter als ein System,das von wenigen Akteuren der Agro- und Nahrungsmit-telindustrie beherrscht wird. Dafür brauchen Bäuerin-nen und Bauern Unterstützung durch die Politik.

Alle Beispiele aus der Sammlung „Gutes Essen. FürAlle! Gerecht, vielfältig, zukunftsfähig: Beispielhafte Er-nährungssysteme im globalen Süden“ finden Sie unter:www.misereor.de/positivbeispiele

Ein zukunftsfähigesErnährungssystem brauchtBäuerinnen und Bauernin Nord und Süd

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ie kleine Gemeindeorganisation Comupra hatim Jahr 2007 damit begonnen, Freiflächen indem Stadtgebiet zu nutzen, um dort Landwirt-

schaft zu betreiben. Mit viel Kreativität passen die Be-wohnerinnen und Bewohner des Viertels ihr landwirt-schaftliches Knowhow an den Kontext Stadt an. Mit derEingliederung in lokale Netzwerke und das Gemeinde-leben entsteht so neues Wissen und wächst dasSelbstbewusstsein der Stadtbäuerinnen und -bauern.Das erkannte auch die MISEREOR-PartnerorganisationREDE; gemeinsam mit Comupra und anderen Organisa-tionen treibt sie die Stärkung der urbanen Landwirt-schaft voran. REDE trägt in Zusammenarbeit mit den

Bauernfamilien dazu bei,dass Produktionsflächenwie Haus- und Gemein-schaftsgärten agrarökolo-gisch und effektiv betrie-ben werden, fördert indi-viduelle und kollektiveBeratung und die Vernet-zung der städtischenLandwirte über die eige-nen Bezirke hinaus.

Allein in der RegionBaixo Onça gibt es heuteacht aktive Gruppen, dieGemüse, Früchte und Me-

dizinpflanzen anbauen und Nutzvieh halten. Sie leis-ten einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung und Wieder-herstellung der lokalen Biodiversität. Von der urbanenLandwirtschaft profitiert auch die Umwelt: verlassene

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BRASILIEN

Urbane Landwirtschaft:Gutes Essen für die Stadt

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„Das Wichtigste für michist, dass ich den Kindernbeibringen kann, sich ge-sund zu ernähren, ohnePestizide. Das Gleichemöchte ich den Leutenhier im Viertel nahe brin-gen. Die Kinder liebenmein Gemüse!“Júlia Machado Amaral,Stadtbäuerin

Brasiliens Großstädte wachsen unaufhörlich: die Sechstgrößte des Landes, Belo Horizonteim Bundesstaat Minas Gerais, zählt mehr als 2,5 Millionen Einwohner – Tendenz steigend.Viele der Zugewanderten kommen aus ländlichen Gegenden und haben einen landwirt-schaftlichen Hintergrund. Sie treffen in den schnell wachsenden Stadtrandgebieten wieBaixo Onça, in denen sie oft stranden, auf eine Vielzahl von Problemen. Darunter wenigArbeit, geringe Löhne, Gewalt und Umweltverschmutzung sowie eine schlechte Wohninfra-struktur. Die Mehrheit der Bewohnerinnen und Bewohner verdient weniger als den gesetz-lichen Mindestlohn, hat eine schlechte Schulbildung und kann sich häufig nicht ausrei-chend und gut ernähren.

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und vermüllte Flächenwerden in Stand gesetzt,Bäume gepflanzt undWasserquellen geschützt.Bio-Müll landet immerhäufiger in den Näpfender Nutztiere und selte-ner auf den Straßen. Vor dem Hintergrund,dass viele Menschen instädtischen Ballungsräu-men keinen Zugang zu er-schwinglichen, gesundenLebensmitteln haben, aberdurch die Verfügbarkeitvon preiswerten indus-

triellen Produkten und Softdrinks Fettleibigkeit, Herz-krankheiten und Diabetes zunehmen, haben es dieStadtbauernfamilien in Brasilien geschafft, die eigeneErnährung und somit auch ihre Gesundheit zu verbes-sern und mehr Konsu-menten zu erreichen.Die Landwirte erwirt-schaften Nahrungsmit-tel für die Eigenversor-gung und durch denVerkauf ein zusätzli-ches Einkommen – dieNachfrage nach gesun-dem Gemüse, Obstund Fleisch aus der ei-genen Region wächst.

Trotz dieses Potenti-als haben die Bäuerin-nen und Bauern in denurbanen RandbezirkenBrasiliens mit zahlrei-chen Herausforderun-gen zu kämpfen: DenAnsprüchen einer regel-mäßigen Vermarktunggerecht zu werden, dieimmer gleiches Volumen und gleiche Qualität erfordert,ist auf kleinen Flächen oft schwer. Doch nur so kanndie urbane Landwirtschaft zu einer konstanten Einkom-mensquelle werden. Außerdem ist ungewiss, wie langedie Flächen landwirtschaftlich genutzt werden können,da sie nach und nach den wachsenden Städten wei-chen müssen. Dennoch wollen Comupra, REDE und dieStadtbäuerinnen und -bauern nicht aufgeben: „UnsereLandwirtschaft erlaubt den Menschen, davon zu träu-men, dass sie auch in der Stadt ein gutes und gesun-des Leben führen können. Das Bild einer Stadt, die zer-stört, wird durch sie neu zusammengesetzt,“ so LorenaAnahi Fernandes da Paixao.

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Alle Beispiele zum Thema „Gutes Essen. Für Alle!Gerecht, vielfältig, zukunftsfähig: BeispielhafteErnährungssysteme im globalen Süden“ finden Sieunter: www.misereor.de/positivbeispiele

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„In den Vierteln, indenen die Menschenjahrelang nur für sichoder ihre Familie lebten,fangen sie nun an,gemeinsam aktiv zuwerden. Die Bewohne-rinnen und Bewohnererzählen von verbesser-ten Lebensumständen,von einer positiverenStimmung und Zusam-menhalt.“Lorena Anahi Fernandes da Paixao,Mitarbeiterin der MISEREOR-Partnerorganisation REDE

Gemeindegruppen und Vereine, Nichtregie-rungsorganisationen, Land- und Wohnrechtsbe-wegungen, Solidarökonomiegruppen, Studen-tinnen und Studenten sowie viele andere Ak-teure aus der Metropolregion Belo Horizontehaben früh erkannt, welche positiven Auswir-kungen die urbane Landwirtschaft auf Stadtund Menschen hat. Auf Initiative von REDEgründeten sie alle im Jahr 2001 – noch bevoreuropäische Initiativen Verbreitung fanden –das „Metropolitan-Netzwerk der urbanen Land-wirtschaft“ (AMAU). Heute gehören mehr als30 Initiativen urbaner Landwirtschaft zu AMAU.Bei den regelmäßigen Treffen des Netzwerkswerden Praxiswissen und theoretische Kennt-nisse ausgetauscht, die Arbeitsgruppen desNetzwerks beschäftigen sich mit der Umset-zung von Anliegen wie der Erhöhung der Agro-biodiversität, der Verbesserung von Produktionund Vermarktung sowie der Selbstorganisationvon Frauen und politischer Vernetzung.

in Beispiel für die dezentrale Milchversorgungin Indien sind die Maldhari-Hirten: Weitge-hend „unsichtbar“ für staatliche Behörden

produzieren sie im Bundesstaat Maharashtra hochwer-tige Frischmilch zu vergleichsweise geringen Preisen.Die Hirten der Maldhari-Gemeinschaft leben am Stadt-rand von Pune, hier fallen sie vor allem durch ihre Rin-der auf: Ghir, eine lokale Rasse aus Gujarat, die wegenihrer Milchqualität und ihres guten Charakters denWeg bis nach Brasilien gefunden hat. Die Maldharissind mit ihrer Umwelt ein ausgeklügeltes Beziehungs-system eingegangen – sie kaufen Rückstände aus derZucker- und Popcornindustrie, um ihre Tiere zu füttern

und verkaufen ihre Milchan lokale Teestände vorFabriken, an Süßwaren-läden oder direkt an derHaustür. Durch zahlreicheZeitungsberichte über dieschlechte Qualität ver-packter Milch beunruhigt,ziehen viele Kunden den

direkten Kontakt zu den Hirtenfamilien als Produzen-ten vor. Überschussmilch wird zu Joghurt, Buttermilchund Ghee (Butterfett) verarbeitet und dient der eige-nen Versorgung oder dem Verkauf. Der Dung der Rin-der findet Abnehmer bei organisch produzierenden Ge-müsegärtnereien. So können die Maldharis ausrei-chend Einkommen zur Deckung ihrer Grundbedürf-nisse erzielen.

Auch das Beispiel der „Milchpartnerschaft“ zwi-schen Kleinproduzenten und städtischen Käufern imindischen Rishi-Tal zeigt, wie durch Solidarität und Ver-trauen beide Seiten auf ihre Kosten kommen. In derRayalseema-Region von Andhra Pradesh leben vorallem Hirten und Kleinbauernfamilien. Seit rund 80

Jahren gibt es dort die Rishi Valley School, ein Internatfür rund 600 Kinder. Konnten sich die Schule, Hirtenund Bauernfamilien in den letzten Jahrzehnten weitest-gehend selbst mit Obst, Gemüse und Milch versorgen,hat sich die Situation in den letzten Jahren stark verän-dert: Kommerzielle Agrarerzeugnisse wie Baumwolleund Tabak haben den Anbau von Nahrungsmitteln ver-drängt, sogenannte exotische Hochertragskühe wur-den eingeführt, um den Milchertrag zu steigern. AlsFolge sank der Grundwasserspiegel ab, die Bodenqua-lität verschlechterte sich, Biodiversität und lokales Wis-sen verschwanden. Für die Menschen der Regionwurde es immer schwieriger, Zugang zu gesunden undnahrhaften Nahrungsmitteln oder zu lokalen Spezia-litäten zu bekommen.

Um die eigene Ernährungssouveränität zurück zu er-langen, haben sich Schule und Dorfgemeinschaft zu-

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Indien ist für seine Tradition dezentraler Milchproduktion bekannt: Auf dem Land als auchin Städten produzieren Milchviehhalterfamilien Milch, Joghurt, Butter und Buttermilch fürdie lokalen Märkte. Mit ihrer Milch versorgen die Kleinproduzenten rund 90 Prozent des in-dischen Milchmarktes. In ärmeren Haushalten tragen einzelne Milchkühe noch heute we-sentlich zur Ernährung und zur Einkommenssicherung der Familien bei.

Milchwirtschaft und ihre„unsichtbaren“ Produzenten

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„Wir sind Kuhhirten.Die Kuh ist unsere Göttin,kümmern wir uns um sie;wird sie uns durch schwie-rige Zeiten helfen.“Kukku Behn, Hirtenfrau

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sammengetan und mit Unterstützung der MISEREOR-Partnerorganisationen Anthra und Yakshi ein eigenskontrolliertes und unabhängiges Ernährungssystemwieder aufgebaut. Eine Milchkooperative, gegründetvon einer Frauengruppe, beliefert heute nicht nur die

nahe gelegene Schule mitfrischer Milch, sondernhat auch einen Absatz-markt in der benachbar-ten Stadt Madanapalleaufgebaut; hier wird ihreMilch zu fairen Preisen di-rekt an 150 Haushalteverkauft. Die Kooperativehat zudem ein eigenesGesundheitssystem fürdie Tiere aufgebaut, dasFutter kommt aus Ernte-rückständen und Getrei-de aus eigener Landwirt-schaft. Die Frauengruppe

hat begonnen, indigene Rinderrassen wieder einzu-kreuzen, so dass die Tiere robuster und an die hartenUmweltbedingungen angepasst sind. Durch das Ein-kreuzen der traditionellen Rassen können die Rinderzudem wieder als Zugtiere eingesetzt werden. Die Dorf-gemeinschaften haben sich auch in der Landwirtschaftauf altes Wissen zurückbesonnen: Immer mehr Hirse-und Trockenreissorten, Hülsenfrüchte, Ölsaaten sowielokale Gemüsesorten halten nicht nur Einzug auf dieFelder, sondern beleben auch alte Rezepte in denHaushalten wieder. Monokulturen von Verkaufsfrüch-ten wie Mais und Blumen wurden gegen klima-ange-passte, vielfältige Mischkulturen ausgewechselt, diedie Bauernfamilien auch auf kleinen Flächen anbauenkönnen – Nahrungsmittel werden nicht mehr nur fürden Eigenverbrauch produziert, sondern Überschüsseauch gewinnbringend verkauft.

Der Milchmarkt im Umbruch

Die Beispiele der Maldhari-Hirten und Milchkooperati-ven zeigen, dass lokale Ernährungssysteme, die auf Tra-dition, Vertrauen und Qualität beruhen, gut funktionie-ren können. Sie fördern kleinteilige Strukturen, sind pro-duktiv, nutzen lokale Ressourcen und ermöglichen dieVersorgung der städtischen Bevölkerung mit guter Milch.

Doch die dezentrale Versorgung des indischenMilchmarktes ist in Gefahr: Eingeleitet durch Reformenim Rahmen der WTO-Beitrittsverhandlungen im Jahr1992 wird die staatliche Kontrolle des Molkereisektorszum Schutz von Kooperativen zunehmend aufgehoben.Dies hat katastrophale Auswirkungen für Kleinprodu-zenten, die weder mit den privatwirtschaftlichen Inve-storen noch mit der Einfuhr von Magermilchpulver ausder EU mithalten können. Die staatliche Privatisierung

von Bereichen wie Züchtung, Futterlieferung und Veteri-närversorgung verursacht außerdem hohe Produktions-kosten, die viele ärmere Tierhalter nicht mehr aufbrin-gen können. Die zunehmende Vermarktung abgepack-ter Kuhmilch in Supermärkten verdrängt schleichenddie ursprünglich in Indien bevorzugte Büffelmilch vonKleinbauern und Hirten, hohe Hygienestandards stel-len weitere Barrieren dar. Arme Familien mit kleinenProduktionsmengen werden so zunehmend vom Marktverdrängt – der Verlust ihres Einkommens bedeutet fürviele von ihnen ein Abrutschen in Armut und Hunger.Die positiven Auswirkungen der einst durch die EUfinanzierten Stärkung indischer Kleinproduzentinnenund -produzenten im Milchsektor, die sogenannte„weiße Revolution“, werden durch Exportsubventionenin Millionenhöhe nach und nach wieder zerstört.

Alle Beispiele zum Thema „Gutes Essen. Für Alle!Gerecht, vielfältig, zukunftsfähig: BeispielhafteErnährungssysteme im globalen Süden“ finden Sieunter: www.misereor.de/positivbeispiele

Die indische Milchkooperative Amul hat mit ex-trem niedrigen Preisen den Milchmarkt derGroßstadt Hyderabad im indischen Bundes-staat Telangana übernommen. Sie wirbt mitMilch für 38 Rupien pro Liter (etwa 53 Cent) –hergestellt aus Milchpulver und Butterfett –statt der üblichen 45 bis 47 Rupien (65 Cent),zu denen andere Molkereien, Direktvermarkteroder der Kleinhandel ihre Milch anbieten. Amulhat sich zu einer Strategie entschieden, durchdie traditionelle Händler verdrängt werden,indem Amul Geschäfte und Hotels direkt belie-fert und den Händlern überhöhte Preise nach-sagt. „Heute tut Amul genau das, was sie inter-national anprangert – Milchdumping zu niedri-gen Preisen!“ betont Dr. Sagari Ramdas, Tier-ärztin und Mitglied der MISEREOR-Partnerorga-nisation Food Sovereignty Alliance.

„Wir liefern nicht nurMilch, wir kümmern unsauch um die Wünscheunserer Kunden. Wirfragen, ob sie aus derMilch Joghurt produzierthaben, ob sie Ghee her-stellen. Wenn nicht:Wir können ihnen allesliefern.“ Nandakumar, Mitglied derFrauenkooperative im Rishi-Tal

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minata ist Mitglied einer Gruppe von Klein-bäuerinnen und -bauern, die ihre Proble-me selbst in die Hand genommen haben.

Dabei steht ihnen Diobass zur Seite, eine MISEREOR-Partnerorganisation, die Bäuerinnen und Bauern seit1990 bei der Entwicklung von landwirtschaftlichenNeuerungen in Burkina Faso unterstützt. Am Anfangjeder Innovation steht die Problem- und Potenzialana-lyse. Im Fall von Aminatas Gruppe: dass die Lagerfähig-keit der Zwiebeln nicht ausreichte und so Einkommens-chancen vertan wurden. „Anbau und Ernte von Zwie-beln haben wir genau beobachtet und daraus Schlüssegezogen, wann die Zwiebeln am besten geerntet wer-

den. Auf die Detailskommt es an“, berichtetAminata. Das Resultatder gemeinsamen Innova-tion sind Empfehlungenfür den Zwiebelanbauund die Ernte sowie eineigens für Zwiebeln entwi-ckelter Speicher, in demdiese bis zu 10 Monategelagert werden können. Nicht immer müssen die

Bäuerinnen und Bauern mit ihren Ideen bei null anfan-gen. Junge Tierhalter aus der Gemeinde Tikare habenin der Vergangenheit viel Geld aufgrund der Pocken-seuche verloren, die Rinder, Schafe und Ziegen befällt.Mit Hilfe des Wissens alter und erfahrener Tierhalterwurden nicht nur ein wirksames Pflanzenheilmittel zurBekämpfung der Seuche ausgemacht, sondern auch

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BURKINA FASO

Der Erfindergeist afrikanischer Bauern:ein ungehobener Schatz

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„Zu viele Zwiebeln sindwährend der Lagerungverfault. So sind unshöhere Einnahmenwährend der Trockenzeitentgangen.“Aminata Compaoré aus Noungou,Burkina Faso

Afrikanische Kleinbäuerinnen und -bauern stehen einer Vielzahl von Problemen im Acker-bau und in der Tierhaltung gegenüber: vom Unkrautbefall über Tierkrankheiten, Problemenbei der Lagerung ihrer Ernte bis hin zum mangelnden Zugang zu Kraftfutter. Bei der Suchenach Lösungen kommt der Agrarforschung besondere Bedeutung zu – doch in vielen Fällenarbeitet sie hauptsächlich an Neuerungen, die kaum zugänglich oder erschwinglich sindund nicht den Bedürfnissen der Kleinbäuerinnen und -bauern entsprechen. Andere Zu-gangsschranken, wie mangelnde Transportmittel, machen es zudem häufig unmöglich, ent-wickelte Neuerungen aus eigener Kraft aufzugreifen, so eine jüngere Studie (GIZ, 2014).

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Kenntnisse darüber gesammelt, wie ihr vorgebeugtwerden kann. Dabei blieb es nicht: Die Gruppe verbes-serte die Wirkung des Mittels, indem sie es zu einerSalbe weiterentwickelte. Derart behandelt können sich

die Tiere heute vollstän-dig von der Pockenseu-che erholen, gewinnenihr Normalgewicht zu-rück und können ohnePreiseinbußen verkauftwerden. Dieses neuge-wonnene Selbstvertrau-en spornt viele Gruppenan, ihre eigenen Entwick-lungspotenziale zu nut-zen und konsequent inWert zu setzen. Westafri-kanische Kleinbäuerin-nen und -bauern vertrau-en schon von jeher aufden eigenen Erfinder-geist – Diobass hat daserkannt. In den beiden

letzten Jahrzehnten hat der Ansatz bäuerlicher Innova-tionen zunehmend Schule gemacht, weitere, von MISE-REOR unterstützte Organisationen in Westafrika,haben sich angeschlossen.

Diobass konnte auch INERA, das staatliche Agrar-forschungsinstitut, als Unterstützer gewinnen. Es über-prüft derzeit vielversprechende Neuerungen der Bäue-rinnen und Bauern auf ihre Wirksamkeit und Tauglich-keit. Beispielsweise die Bekämpfung des hartnäckigenUnkrauts Striga durch ein aus Pflanzen gewonnenesPuder. Striga setzt sich als Parasit an die Wurzeln vonGetreide wie Sorghum oder Mais und entzieht der

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Alle Beispiele zum Thema „Gutes Essen. Für Alle!Gerecht, vielfältig, zukunftsfähig: BeispielhafteErnährungssysteme im globalen Süden“ finden Sieunter: www.misereor.de/positivbeispiele

Welchen Schatz bäuerliche Innovationen zurEntwicklung der afrikanischen Landwirtschaftbergen, wurde im Mai 2015 im Rahmen einerbäuerlichen Innovationsmesse deutlich. DieMesse wurde durch einen Verbund aus Nicht-regierungsorganisationen, Forschungseinrich-tungen und Gebern ermöglicht, deren gemein-sames Ziel es ist, den Interessen von Bäuerin-nen und Bauern ein größeres Gewicht in derAgrarforschung zu geben. Neben Bäuerinnenund Bauern von Diobass stellten Erfinderinnenund Erfinder aus dem Senegal, Mali, Niger, Ka-merun, Togo, Benin, Ghana und Burkina Fasoihre Innovationen vor.

„Unsere Kenntnisse beider Prävention und Be-kämpfung der Pocken-seuche werden mittler-weile im großen Umkreisnachgefragt. Das ist nichtnur ein kleiner Neben-verdienst, sondern aucheine große Anerkennungfür unsere Arbeit. Dasbisher Erreichte ist An-sporn, weiterzumachen.“Einschätzung der Tierhalterder bäuerlichen Forschungsgruppeaus Tikaré, Burkina Faso

Pflanze lebenswichtige Nährstoffe– sie verkümmert und ihr Ertragsinkt. In Afrika ist das Unkraut weitverbreitet und für den Verlust gro-ßer Teile der Ernte verantwortlich.Der Befall mit Striga ist ein aner-kanntes Problem, das bislang aber

nur mit mäßigem Erfolg erforscht wurde. Bäuerinnenund Bauern haben die Wirksamkeit ihres Pflanzenpu-ders in eigenen Feldbesuchen bereits vielfach demon-striert. Mit einer ersten Versuchsanordnung konnteINERA bestätigen, dass das Pflanzenpuder wirkt.

Auch im Fall des von Bäuerinnen und Bauern entwi-ckelten Pflanzenpuders Tao-Tao gegen Insektenbefallvon Hühnern konnte die Wirksamkeit gegen Flöhe, Ze-cken und Wanzen durch INERA nachgewiesen werden.Tao-Tao erwies sich im Vergleich mit herkömmlichenMitteln in Sachen Behandlungserfolg und Verträglich-keit als ebenbürtig, ist für die Halter von Geflügel inden Dörfern zugänglicher und auch billiger.

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er Kölner Ernährungsrat bringt Vertreterinnenund Vertreter aus der Landwirtschaft, Lebens-mittelverarbeitung, Gastronomie, Handel, Ver-

einen, Bildung und Wissenschaft mit der Kölner Stadt-verwaltung an einen Tisch, um gemeinsam Konzeptefür die Ernährungspolitik in und um Köln zu entwickeln.Ziel ist es, regionale Strukturen aufzubauen, Produzen-ten und Konsumenten einander wieder näher zu brin-gen und wieder mehr Mitspracherecht bei der Gestal-tung ihrer lokalen Ernährungssysteme zu verschaffen.

Denn auch in und um Köln wird vor allem das geges-sen, was aus weiter Ferne importiert wird, währendLandwirte in der Region hauptsächlich für den interna-tionalen Markt produzieren. Doch angesichts des Preis-drucks in einem System, das auf die Produktion vonÜberschüssen und Export setzt, haben es Bäuerinnenund Bauern schwer, vor allem kleine Betriebe. Jedes

Jahr müssen allein inDeutschland etwa 10.000Höfe aufgeben. Der Ernäh-rungsrat will einen Bei-trag dazu leisten, dasssich dies ändert und Bäu-erinnen und Bauern vondem, was sie produzie-ren, wieder leben können.

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DEUTSCHLAND

Ernährungsräte:So regional is(s)t Deutschlands Zukunft

„Über unser Essen wirdin Konzern-Zentralen undeuropäischen Behördenentschieden, immer weiterweg von uns. Wir wollendas wieder in unsere Hän-de nehmen und auf lokalerEbene nachhaltige Struktu-ren in der Landwirtschaftunterstützen“, Valentin Thurn, Gründer des Vereins„Taste of Heimat“ und Initiator desErnährungsrat für Köln und Umgebung Fo

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Nur ein paar wenige Lebensmittelkonzerne haben großen Einfluss auf das, was wir täglichessen. Sie dominieren den Markt und diktieren Preise, das Sortiment und politische Rah-menbedingungen für den Lebensmittelhandel. Gleichzeitig geht ein Drittel aller Lebens-mittel verloren: Allein in Deutschland landen jedes Jahr 20 Millionen Tonnen im Müll. Wirwissen immer weniger über unsere Lebensmittel – woher sie kommen, unter welchen Um-ständen sie erzeugt wurden und welche Zutaten in ihnen stecken. All das möchte der Er-

nährungsrat für Köln und Umgebung ändern: Als einer der ersten Ernährungsräte inDeutschland setzt er sich dafür ein, dass die Lebensmittelversorgung regionaler, gerechterund vor allem nachhaltiger wird.

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Vier Ausschüsse im Kölner Ernährungsrat arbeiten inZukunft daran. Der Ausschuss „Regionale Direktver-marktung“ setzt sich dafür ein, dass neue Vermarkt-ungsmöglichkeiten für Landwirte und Landwirtinnengeschaffen werden und der Zugang zu regional erzeug-ten Lebensmitteln leichter wird. „Wenn ich auf demFeld stehe und Heu mache, habe ich keine Zeit, meineWaren auf dem Markt anzubieten“, sagt Peter Schmidt,Schaf- und Rinderzüchter aus Gummersbach. Konzeptewie Online-Kaufplattformen für regionale Lebensmitteloder sogenannte „Food-Coops“ sind mögliche Wegefür ihn und seine Kollegen, ihre Erzeugnisse leichter zuvermarkten. Auch für Gastronomen soll die Belieferungmit regionalen Lebensmitteln in Zukunft einfacher unddamit auch attraktiver gestaltet werden.

Weitere Ausschüsse des Ernährungsrates beschäfti-gen mit Veranstaltungen zum Thema „Regionale undnachhaltige Ernährung“, einer besseren Versorgungvon Schulen mit gesunden Lebensmitteln sowie demErhalt von Grünflächen für urbane Landwirtschaft undGemeinschaftsgärten in der Stadt. Viermal im Jahrkommen alle vier Ausschüsse zusammen – entstehensollen in Zusammenarbeit mit der Stadt Köln verbindli-che und vor allem messbare Ziele. Beispielsweise,dass die Zahl regional belieferter Großküchen undSchul- und Gemeinschaftsgärten vergrößert wird.

Weil die Frage „Wie wollen wir leben?“ auch für MI-SEREOR zentral ist, sind wir Mitglied im Ernährungsratfür Köln und Umgebung. Hierbei geht es MISEREOR vorallem um den Beitrag, den Konsumenten und Produ-zenten in Deutschland zu einem gerechten Miteinan-der weltweit leisten können. Die Stärkung regionalerLebensmittelkreisläufe ist dabei eine wichtige Strate-gie, um auf bestehende Probleme der Welternährungzu reagieren.

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Alle Beispiele zum Thema „Gutes Essen. Für Alle!Gerecht, vielfältig, zukunftsfähig: BeispielhafteErnährungssysteme im globalen Süden“ finden Sieunter: www.misereor.de/positivbeispiele

FOOD COOPS

„Food Coops“ sind Lebensmittel-Einkaufsge-meinschaften, bei denen sich Einzelpersonenund Haushalte zusammenschließen, um regio-nal und ökologisch angebaute Nahrungsmittelgemeinsam zu beziehen. Die Gemeinschaftenprofitieren von günstigeren Preisen, da sie denLandwirten größere Mengen abnehmen kön-nen. Hochwertige Lebensmittel sollen so füralle erschwinglich werden.

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ERNÄHRUNGSRÄTEALS WELTWEIT BEWÄHRTE STRATEGIE

Ernährungsräte sind ein weltweites Phänomen,auch wenn sie in Deutschland bisher kaum be-kannt sind. In Brasilien wurde bereits 1993 der„Nationale Rat für Ernährungssicherheit” (Con-selho de Segurança Alimentar e Nutricional –CONSEA) gegründet. In den USA gibt es die„food policy councils“ seit rund 15 Jahren in na-hezu jedem Ballungsraum. Und auch Kanada,Großbritannien, Frankreich und die Niederlan-de haben das Konzept in den letzten Jahrenübernommen. Neben dem Ernährungsrat inKöln gründet sich ein weiterer Ernährungsratfür Deutschland in Berlin.