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Denkraum 2019: Gutes Leben und nachhaltige Städte 2030

Gutes Leben und nachhaltige Städte 2030 · Sascha Haselmayer, Founder & CEO Citysmart, New York „Die Fachleute aus der Stadtverwaltung sollen dazu gezwungen werden, die Themen

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Denkraum 2019: Gutes Leben und nachhaltige Städte 2030

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Unsere Mission

Die BMW Foundation Herbert Quandt inspiriert Führungspersönlichkeiten weltweit, ihre gesellschaftliche Verantwortung wahrzunehmen und sich als Responsible Leaders für eine friedliche, gerechte und nachhaltige Zukunft einzusetzen. Mit unseren Aktivitäten wollen wir die Nachhaltigen Entwicklungsziele der Agenda 2030 der Vereinten Nationen unterstützen.

Wir inspirierenmit unseren Programmen Führungspersönlichkeiten dazu, ihr gesellschaftliches und politisches Engagement weiterzuentwickeln – über Sektoren-, Kulturen- und Ländergrenzen hinweg.

Wir vernetzenFührungspersönlichkeiten durch unser globales Responsible-Leaders-Netzwerk, das sich durch Vielfalt und Freude an der Zusammenarbeit auszeichnet und durch gemeinsames Handeln positiven Wandel vorantreibt.

Wir investierenin wirkungsorientierte Organisationen und ermutigen Führungspersönlichkeiten, Venture Philanthropy und Impact Investing als effektive Instrumente des gesellschaftlichen Wandels zu nutzen.

Sehr geehrte Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Denkraums,

zu Beginn unseres gemeinsamen Tages auf der Praterinsel in München stellte ich eine rhetorische Frage: Ist zum Thema Stadt nicht schon alles gesagt – nur noch nicht von allen? Immerhin beschäftigen sich kluge Köpfe seit dem Altertum mit dem Phänomen Stadt. Meine Antwort war dennoch: mitnichten.

Inzwischen geht es um mehr als utopische oder dystopische Gedankenspiele zur Weiterentwicklung des urbanen Lebens. Wir müssen jetzt handeln, damit Milliarden von Menschen in Zukunft ein gutes Leben in nachhaltigen Städten führen können. Dafür braucht es richtige Entscheidungen von verantwortungsvollen Führungspersönlichkeiten – von Persönlichkeiten wie Ihnen. Als BMW Foundation Herbert Quandt wünschen wir uns, Responsible Leadership als eine selbstver- ständliche Haltung zu verankern.

Bei unserem Treffen ging es um den interdisziplinären Austausch, um uns dem Gleichgewicht zu nähern, das es zu erreichen gilt. Schließlich stecken Städte voller Spannungsfelder. Wie viel Natur passt zur Urbanität? Wie kann Arbeit trotz Digitalisierung Sinn stiften? Wie können wir unseren Konsumbedarf decken und dabei weniger Ressourcen verbrauchen? Und was lässt sich gegen die zunehmende Anonymität tun, die mitten in der sozialen Dichte von Metropolen entsteht?

An einem Nachmittag ist es uns gelungen, Lösungsmöglichkeiten zu skizzieren, Richtungen auszuloten und ganz neu zu denken. Dafür bedanke ich mich herzlich bei Ihnen! Damit die Ideen nicht verpuffen, sondern von uns weitergedacht werden können, haben wir sie in dieser Dokumentation fixiert – zusammen mit Fotos, auf denen die inspirierende Stimmung des Denkraums regelrecht zu spüren ist.

Lassen Sie uns gemeinsam alles dafür tun, damit unsere Städte nachhaltig werden und uns auch in Zukunft ein gutes Leben ermöglichen!

Ihr Dr. Frank Niederländer, Vorstand der BMW Foundation Herbert Quandt

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Nehmen wir an, die Menschheit macht weiter wie bisher. Wie würde die Welt Ende des Jahrhunderts aussehen?Das Leben wäre für viele Menschen düster. Wenn sich der Trend der klimatischen Veränderung fortsetzt, sind im Jahr 2100 ganze Regionen unbe- wohnbar. Die knappe Ressource ist dann nicht Öl, sondern Wasser oder fruchtbares Land. Riesige Flächen können nicht mehr bewirtschaftet werden, was zu mehr Verteilungskämpfen und Hunger führt.

„Wir müssen das Ziel von Wirtschaften neu definieren.“Das Fachgebiet von Sarah Hackfort ist die Zukunft. Die Politikwissenschaftlerin forscht am IZT - Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung in Berlin. Ihre Keynote beim Denkraum sorgte für Diskussionen.

Können wir das noch verhindern?

Ich würde nie sagen, dass es zu spät ist. Das wäre fatalistisch. Die Zukunft liegt in unseren Händen. Doch um die Probleme zu lösen, brauchen wir neue Ideen. Die entstehen, indem man schlaue Köpfe zusammenbringt, die neu denken wollen. Wir brauchen außerdem den Mut, die Dinge wirklich umzusetzen.

Es gibt ja bereits gute Konzepte, viele belegt durch Studien. So wäre für effektiven Klimaschutz sinnvoll, dass Bahnfahren günstiger ist als Fliegen. Das könnte man erreichen, indem man klimaschäd- liche Subventionen für den Flugverkehr abschafft. Aber das passiert nicht.

Im Denkraum geht es um gutes Leben in nachhaltigen Städten. Wieso sind Städte wichtig, wenn wir Ökonomie, Ökologie und Menschen in Einklang bringen wollen?

Städte sind Kristallisationspunkte von mensch-lichem Zusammenleben. Sie machen nur zwei Prozent der Erdoberfläche aus, erzeugen aber 70 Prozent der Treibhausgasemissionen und verbrauchen 75 Prozent der Energie. Deshalb brauchen wir Lösungen für die Städte.

Wir haben mit einem düsteren Szenario begonnen. Welche positiven Visionen lassen sich dem entgegensetzen – für das Leben in der Stadt im Jahr 2030?

In der guten Stadt werden urbane Flächen produktiver genutzt. Wir haben mehr Grünflächen, die nicht nur bedrohten Tieren Lebensraum bieten, sondern auf denen auch Nahrungsmittel angebaut werden, unter anderem auch mit Aquaponik-Systemen oder Dachgärten. Städte werden wieder grüner auch als Anpassungsmaßnahmen an steigende Temperaturen im Klimawandel.

Die Stadtgesellschaft wird eine Circular Society sein. Die Ressourcen für Produktion und Konsum werden wiederverwertet. Stichwort: Urban Mining. Kaputte Geräte werden in Repair Cafés repariert, nicht weggeworfen. Natürlich nutzen wir Dächer und Fassaden für Solaranlagen.

Neue Wohnkonzepte werden zu mehr Gemein- schaft zwischen den Generationen führen. Und die Menschen werden Zeit füreinander haben. Denn die durchschnittliche Wochenarbeitszeit wird auf 25 Stunden gesunken sein.

Manche würden sagen, das sind sinnlose Gedankenspiele.

Das sehe ich ganz anders. Utopien zu entwickeln, eröffnet neue Perspektiven. Wir können uns dann fragen, durch welche Maßnahmen die Utopie zur Realität geworden sein kann. ZukunftsforscherInnen nennen das Backcasting. Leider denken PolitikerInnen selten so.

Danke für das Gespräch!

Oft wird das begründet mit bedrohten Arbeitsplätzen und der Gefahr sinkenden Wirtschaftswachstums. Von dieser Argumentation halten Sie nicht viel, oder?

Nein. Wir müssen das Ziel von Wirtschaften neu definieren. Wenn das Streben nach Wachstum die ökologische und soziale Grundlage unseres Daseins untergräbt, müssen wir das ändern. Arbeitsplätze bringen wenig, wenn es kein sau- beres Wasser und keine saubere Luft gibt.

Nicht Wachstum sollte das Ziel sein, sondern die Bedürfnisbefriedigung der Menschen. Wachstum ist dann nur noch Mittel zum Zweck. Die Ökonomin Kate Raworth spricht von Wachstumsagnostik. Zu den Grundbedürfnissen gehören übrigens nicht unbedingt Stereoanlagen, SUVs oder Fernreisen.

„In der guten Stadt werden urbane Flächen produktiver genutzt.“

Sarah Hackfort, IZT

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Die Stadt ist ein Ort von Lösungen, aber auch von widerstreitenden Kräften und Bedürfnissen. Die Manufakturen widmeten sich Themen, bei denen es nur Fortschritt geben kann, wenn eine Balance ökologischer, sozialer und ökonomischer Aspekte gelingt. Gemeinsam entwarfen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer positive Szenarien dafür.

Ideen aus neun Manufakturen

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NaturRäume, Bäume und ArtenvielfaltDie Herausforderung:

Für Insekten oder Vögel, die auf dem Land von Agrarmonokulturen verdrängt werden, können Städte zum Lebensraum werden: Balkonkästen, Parks oder Grünstreifen. Doch längst sind nicht alle Städte „grün“ genug. Dabei hätte das weitere Vorteile. Bäume reinigen und kühlen die Luft, bepflanzte Dächer senken den Energiebedarf, grüne Oasen verbessern die Gesundheit.

Manufakturmeister:

Michael John Gorman, Direktor, BIOTOPIA Naturkundemuseum, München

„Gebäude müssen sich ähnlich verändern können, wie das Leben der Menschen sich verändert.“

Hans Drexler, DGJ Architektur

„Ich möchte dazu beitragen, dass meine Tochter in Zukunft einen Planeten hat, auf dem man immer noch gut leben kann.“

Edith Aldewereld, WISF

Die Idee:

Artenvielfalt in der Stadt muss Spaß machen – Stichwort: „hedonistische Nachhaltigkeit“. Das kann durch einen Urban Wild Garden erreicht werden, der von Bürgern gemeinsam mit Schülern, Unternehmen und der Stadtverwaltung geschaffen wird. Auch Bildungs- und Citizen-Science-Projekte können dort stattfinden.

WohnungenArchitektur, Zusammenleben und BezahlbarkeitDie Herausforderung:

Der Bundespräsident mahnt, dass deutsche Städte nicht zum „sozialen Kampfplatz um das Wohnen werden“ dürfen. Denn es fehlt bezahlbarer Wohnraum. Und es geht noch schlimmer: Eine Zwei-Zimmer-Wohnung in Hong Kong, San Francisco oder New York kostet dreimal so viel wie in Berlin. Überall muss Wohnraum geschaffen werden, der zu neuen Lebensentwürfen passt und wenig Energie verbraucht.

Manufakturmeister:

Hans Drexler, DGJ Architektur, Frankfurt, Den Haag, Zürich

Die Idee:

Wohnhäuser erhalten nur noch einen statischen, massiven Kern mit wichtiger Infrastruktur. Daran angedockt werden mobile und variable Wohnmodule, die an sich wandelnde Bedürfnisse angepasst werden. Die Module sind recycelbar.

VerkehrParken, Transport und InnovationDie Herausforderung:

In Berlin gibt es für parkende Autos zehnmal mehr Fläche als für Spielplätze. Trotzdem ist es kaum möglich, einen Parkplatz zu finden. Überall verschmutzt Verkehr die Luft und verursacht CO2-Emissionen. Es braucht Konzepte, die Umweltschutz und Mobilität vereinen.

Manufakturmeister:

Prof. Dr.-Ing. Klaus Bogenberger, Professor für Verkehrstechnik an der Universität der Bundeswehr, München

„Wir haben versucht, eine Lösung zu finden, die eine Balance zwischen individueller Freiheit, reguliertem Verkehr und Zusammenleben schafft.“

Ophelie Jaschke, AlterMobili

Die Idee:

Autoverkehr soll gar nicht erst entstehen. Dazu tragen die Einheit von Wohnen und Arbeiten bei, die polyzentrische Planung der Städte und autofreie Zonen, in denen individuelle, emissionsfreie, öffentliche Mobilität angeboten wird – mit U- und Seilbahnen, autonomen Pods und Drohnen. Fußgänger und Radfahrer bekommen den Platz, der für parkende Autos bestimmt war.

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AbfallBeseitigung, Vermeidung und KonsumDie Herausforderung:

Das Wachstum der Städte sorgt für mehr Müll. Denn pro Kopf verursacht ein Städter doppelt so viel Abfall wie ein Mensch auf dem Land. Ändert sich nichts, wird das weltweite Müllaufkommen bis 2050 um 70 Prozent steigen, warnt die Weltbank. Die Kosten für die Entsorgung nehmen deutlich zu, auch die Umweltschäden durch Abfall, der nicht richtig entsorgt wird.

Manufakturmeister:

Stefan R. Munz, Geschäftsführer, Clover Sustainability Services, Köln

ArbeitDigitalisierung, Integration und SinnDie Herausforderung:

Auf den letzten Umbruch in der Arbeitswelt waren Städte nicht vorbereitet. Der Verlust von Industriebetrieben verwandelte manche Arbeiterviertel in „soziale Brennpunkte“. Menschen, die sich mit ihrem Beruf identifizierten, erlebten private Krisen. Wie kann die digitale Transformation besser gestaltet werden?

Manufakturmeisterin:

Dr. Anette Scoppetta, European Centre for Social Welfare Policy & Research, Wien

„Arbeit bedeutet Teilhabe an einer Gemeinschaft. Das wollen wir jedem im Rahmen seiner Wünsche und Fähigkeiten ermöglichen.“

Martina Hildebrandt, Landeshauptstadt München

„Wir wollen allen Produkten eine digitale Identität geben.“

Stefan R. Munz, Clover Sustainability Services

GovernancePolitischer Wille, Struktur und MachbarkeitDie Herausforderung:

Städte stehen für mehr als die Hälfte der Weltbe- völkerung und für 80 Prozent der Wirtschaftsleistung. Die Weichen für eine nachhaltige Zukunft müssen also dort gestellt werden – und das schnell. Doch sind die Institutionen darauf vorbereitet? Städte müssen agiler werden, dürfen aber nicht die Partizipation der Gesellschaft vernachlässigen.

Manufakturmeister:

Sascha Haselmayer, Founder & CEO Citysmart, New York

„Die Fachleute aus der Stadtverwaltung sollen dazu gezwungen werden, die Themen grundlegend zu erklären.“

Johannes Trischler, Sono Motors

Die Idee:

Der Wert von Arbeit sollte sich künftig an der Zeit bemessen, die investiert wird. Denn alle Formen von Arbeit sind gleich wichtig – ob Erwerbsarbeit, familiäre Pflege und Erziehung oder Ehrenamt. Außerdem braucht es flexiblere Modelle, um Arbeit und Leben zu verbinden.

Die Idee:

Um die Kreislaufwirtschaft zu fördern und Verpackungen zu vermeiden, die nicht recycelt werden können, wird Transparenz geschaffen. Mithilfe von kryptografischen Verfahren wird jedes Produkt identifizierbar. Per App können Rohstoffe, Wiederverwertbar- keit und Wert abgefragt werden. Gebrauchte Waren können darüber weiterverkauft werden.

Die Idee:

Öffentliche Aufträge sollen nicht mehr durch kaum verständliche Ausschreibungen vergeben werden, auf die sich wenige Firmen bewerben. In Zukunft erstellen ein per Zufall besetztes Bürgergremium und Betrof- fene Ausschreibungen gemeinsam mit der Verwaltung. So werden diese zielgerichteter und besser verständlich. Das erhöht die Zahl der Bewerber und die Chance auf Innovationen. Auch bei der Auswahl der Lösung entscheiden Bürger mit.

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KulturArroganz, Glück und OpernhäuserDie Herausforderung:

Kunst und Kultur gehören nicht zu den Sustainable Development Goals. Sind sie überflüssig für eine gute Zukunft? Kaum. Einrichtungen wie Opernhäuser sind Räume der Öffentlichkeit und der kollektiven Erfahrungen und laut Umfragen entscheidende Faktoren für urbanes Leben. In ihnen wird verhandelt, was gesellschaftlich relevant ist und wird. Kunst kann in einer polarisierten Gesellschaft Gemeinschaft herstellen.

Manufakturmeisterin:

Anja Gossens, Leitung Development, Staatsoper unter den Linden, Berlin

Die Idee:

Menschen sollen mit Kultur infiziert werden. Sie können dafür in Inszenie-rungen eingebunden werden oder diese aus neuen Perspektiven erleben, zum Beispiel aus dem Orchestergra-ben. Ensembles sollen auch in Bars auftreten. Musikinstrumente müssen in Schulen und Kitas gebracht werden, um kollektive Kindheits-erfahrungen zu schaffen.

„Wir wollen die Kultur zu den Menschen bringen, das heißt: Modelle entwickeln, die partizipativ sind und das Opernhaus öffnen.“

Anja Gossens, Staatsoper Berlin

GeldMacht, Investitionen und TransformationDie Herausforderung:

Der Umbau der Stadt zur Sustainable City, die mehr Lebensqualität bietet, wird nicht gratis zu haben sein. Doch öffentliche Gelder sind begrenzt, weshalb es private Mittel braucht. Doch wie kann wirkungsorientiertes Investieren ermöglicht werden?

Manufakturmeister:

André Marius Le Prince, WLP GmbH, Hamburg

Die Idee:

Genossenschaften können zum Modell für die Zukunft werden. Denn sie sorgen für Motivation. Jeder kann in soziale oder ökologische Projekte investieren und sich an ihrer Ausführung beteiligen. Die Trennung von finanziellen Rechten und Stimmrechten ist möglich, damit fachkundige Experten die Umsetzung übernehmen.

„Es braucht die richtigen Modelle, damit Investoren in nachhaltige Projekte investieren. Das können auch bestehende Konzepte sein.“

Zana Koval, BMW Group

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BeziehungenIndividualität, Nähe und NachbarschaftDie Herausforderung:

Städte können krank machen. Erst kommt der Stress, dann vielleicht Angststörungen oder Depressionen. Als Ursache sehen Psychologen eine Mischung aus sozialer Dichte und gleichzeitiger Isolation. Wer sich durch verstopfte U-Bahnen oder volle Einkaufsstraßen zwängt und sich trotzdem einsam fühlt, ist gefährdet. Besonders betroffen sind ältere Menschen. Die Zahl der Single-Haushalte und Alleinerziehenden in den Städten steigt ebenfalls.

Manufakturmeister:

Michael Vollmann, Nebenan.de Stiftung, Berlin

Die Agenda 2030 der Vereinten Nationen

Die globalen Herausforderungen lassen sich nur gemeinsam lösen. Davon ist die internationale Staatengemeinschaft überzeugt und verabschiedete deshalb im September 2015 die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Diese gilt für fast alle Staaten dieser Welt und schafft die Grundlage dafür, weltweiten wirtschaftlichen Fortschritt im Einklang mit sozialer Gerechtigkeit und im Rahmen der ökologischen Grenzen der Erde zu gestalten.

Das Kernstück der Agenda bildet ein ehrgeiziger Katalog mit 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung: die Sustainable Development Goals, kurz SDGs. Das elfte SDG ist, Städte und Siedlungen inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig zu machen.Die Idee:

Die verlässlichen Beziehungsnetz-werke der Dörfer sollen in städtische Nachbarschaften übertragen werden. Dazu braucht es konkrete Orte, Anlässe und Initiatoren. Gemeinsame Verantwortung – für geteilte Grün-flächen, Aufräumtage oder Nachbarschaftsessen – stiftet neue Beziehungen.

„Wir haben uns gefragt: Wie kommt es eigentlich, dass wir Hunderte von Freunden im Netz haben, sich aber zunehmend Menschen einsam fühlen?“

Michael Vollmann, Nebenan.de

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Gutes Leben ist etwas, das viele Menschen suchen. Doch die Vorstellung, was ein gutes Leben aus- macht, ist nicht nur bei jedem einzelnen unterschied- lich, sondern auch bei verschiedenen Kulturen, Wertegemeinschaften oder Religionsgruppen.

Ich habe vielen Menschen die Frage gestellt, was für sie gutes Leben bedeutet. Unter den Antworten waren Dinge wie Freundschaft, Gesundheit, Glück, ein finanzielles Auskommen und gute Arbeit, in Frieden leben, Urlaub machen, von anderen Menschen unterstützt werden, mit der Familie zusammen sein, Großzügigkeit oder respektvoller Umgang miteinander.

Die Vorstellung von gutem Leben wird auch durch unsere Werte bestimmt, also durch unsere inneren Maßstäbe und Überzeugungen, die uns Orientierung geben. Werte sind wie Leitplanken für das Leben – und häufig Produkte unserer Erziehung, unserer Eltern und Vorbilder, unserer Glaubensgemeinschaft, unserer Herkunft oder sogar unserer Lebenserfahrung und philosophischer Orientierung.

Werte schenken uns die notwendige Selbst-sicherheit, Glaubwürdigkeit und das notwendige Verantwortungsbewusstsein. Wenn wir wissen, was uns etwas wert ist, haben wir auch mehr Verständnis für andere und deren Einstellungen. Werte bilden die Grundlage für ethische Prinzipien, ohne deren Integration eine nachhaltige Entwick-lung kaum denkbar ist.

Was ist gutes Leben – und warum brauchen wir Ethik, um es zu erreichen? Gedanken von Obiora Ike, dem Executive Director von Globethics.net. Mit seinem Vortrag inspirierte er die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Denkraums.

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Ethisches Handeln zielt auf das Gemeinwohl ab, auf das gute Leben für alle. Niemand soll zurückge- lassen werden, haben die Staats- und Regierungs- chefs 2015 bei der Verabschiedung der Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen gefor- dert. Das gute Leben in nachhaltigen Städten ist das 11. Ziel, hat also einen prominenten Platz in der Agenda bis 2030 eingenommen.

Schon heute lebt mehr als die Hälfte der Welt- bevölkerung in Städten und städtischen Ballungs-gebieten. Bis 2050 werden es aller Voraussicht nach mehr als zwei Drittel der globalen Bevölkerung von dann fast 10 Milliarden Menschen sein. Das ist auch eine Chance für die Menschheit. Denn durch ihre Vielschichtigkeit kann die Stadt zu einem Ort der Lösungen werden. Konzepte für nachhaltige Stadtentwicklung sind allerdings nur dann tragfähig, wenn die Betroffenen eingebunden werden. Ihre Einbindung schafft erst den notwendigen sozialen Zusammenhalt.

Die Herausforderung besteht darin, einen positiven, ganzheitlichen und lösungsorientierten Blick basie- rend auf Responsible Leadership zu entwickeln.

Wir brauchen einen Mittelweg, der mithilfe von ethischen Prinzipien Menschheit, Natur und Technologie zusammenbringt.

Meine Hoffnung ist, dass wir eine gemeinsame Gesellschafsvision finden, die die Welt in Balance bringt. Die besteht aus einem intakten Ökosystem, aus nachhaltigen Existenzgrundlagen, aus Freude am Leben, aus Orten, an denen Kinder spielen und Spaß haben, aus interkultureller Vielfalt und aus Liebe, die die höchste Tugend ist.

Dietrich Bonhoeffer hat geschrieben: „In der ethischen Entscheidung werden wir in die tiefste Einsamkeit geführt.“ Er begriff, wie schwierig, problematisch und folgenreich das bewusste Ein- treten für Werte oft ist. Aber Werte lohnen sich.

„Meine Hoffnung ist, dass wir eine gemeinsame Gesellschaftsvision finden, die die Welt in Balance bringt.“

Obiora Ike, Globethics.net Bildnachweis: Ostkreuz (Cover), Erol Gurian | Gestaltung: www.studiokronastmaender.com

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