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G.W.F. Hegel. Werke in 20 Bänden. Band 3

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    Georg Wilhelm Friedrich Hegel

    Werke 3

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    GeorgWilhelm FriedrichHegel

    Phnomenologie des Geistes

    Suhrkamp

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    Auf derGrundlage derWerkevon 1832-1845 neu edierte AusgabeRedaktion EvaMoldenhauer undKarl Markus Michel

    CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek

    Hegel, Georg Wilhelm Friedrich:Werke: [in 20 Bnden] /

    Georg Wilhelm Friedrich Hegel. -

    Auf d. Grundlage d. Werke von 1832-1845

    neu ed. Ausg., Ausg. in Schriftenreihe

    Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft. -Frankfurt am Main: Suhrkamp.

    ISBN 3-518-09718-0

    N E : Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: [Sammlung]

    Auf d. Grundlage d. Werke von 1832-1845

    neu ed. Ausg., Ausg. in Schriftenreihe

    Suhrkamp-Taschenbuch WissenschaftBd. 3. P hnome no l og i e des Geistes. -

    2. Aufl . - 1989(Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft;603)

    ISBN 3-518-28203-4

    N E : G T

    suhrkamp taschenbuch Wissenschaft 603

    Erste Auflage 1986

    Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1970

    Suhrkamp Taschenbuch Verlag

    Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das

    des ffentlichen Vortrags, der bertragung

    durch Rundfunk und Fernsehen

    sowie der Ubersetzung, auch einzelner Teile.

    Druck: Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden

    Printed in Germany

    Umschlag nach Entwrfen vonWilly Fleckhaus und Rolf Staudt

    2 3 4 5 6 7 - 94 93 92 91 90 89

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    III. Kraft undVerstand, Erscheinung und bersinnliche

    Welt . 107

    B. SELBSTBEWUSSTSEIN

    I V. D ie Wahrheit der Gewiheit seiner selbst 137

    A . Selbstndigkeit und Unselbstndigkeit des

    Selbstbewutseins; Herrschaft un d Knechtschaft 145

    B. Freiheit des Selbstbewutseins 155

    Stoizismus 156, Skeptizismus 159 und das un

    glckliche Bewutsein 163

    C . ( A A ) V E RNUNF T

    V . Gewiheit un d Wahrheit der Vernunft 178

    A . Beobachtende Vernunft 185

    a. Beobachtung der N a t u r 187

    Beschreiben berhaupt 189- Merkmale 190-

    Gesetze 192Beobachtung des Organischen 196

    a. Beziehung desselben auf das Unorganische

    196 - . Teleologie 198 - y. Inneres und

    ueres 202 - aoc. Das Innere 202 - Gesetze

    seiner reinen Momente, der Sensibilitt usw.

    203 - Das Innere und sein ueres 209 -

    . Das Innere und das uere als Gestalt210 - yy. Das uere selbst als Inneres und

    ueres oder die organische Idee bergetra

    gen auf das Unorganische 217 - Das Orga

    nische nach dieser Seite; seine Gattung, Art

    und Individualitt 221

    b. Die Beobachtung des Selbstbewutseins in

    seiner Reinheit und in seiner Beziehung aufuere Wirklichkeit; logische und psycholo

    gische Gesetze 226

    c. Beobachtung der Beziehung des Selbstbe-

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    wutseins auf seine unmittelbare Wirklich

    keit 233

    Physionomik 233 und Schdellehre 242

    B. Die Verwirklichung des vernnftigen

    Selbstbewutseins durch sich selbst 263

    a. Di e Lust und die Notwen di gk ei t 270b. Das Gesetz des Herzens und der Wahnsinn

    des Eigendnkels 275

    c. Die Tugend und der Welt lauf 283

    C. Die Individualitt, welche sich an und fr sich

    reell ist 292

    a. Das geistige Tierreich und der Betrug oderdie Sache selbst 294

    b. Die gesetzgebende Vernunft 311

    c. Die gesetzprfende Vernunft 316

    (BB) D E R GEIST

    V I . De r Geist 32

    4A . De r wahre Geist. Di e Sitt lichkeit 327

    a. Die sittliche Welt. Das menschliche und

    gttliche Gesetz, der Mann und das Weib . . . 328

    b. Die sittlicheHandlung. Das menschliche und

    gttliche Wissen, die Schuld und das Schicksal 342

    c. Der Rechtszustand 355

    B. Der sich entfremdete Geist. Die Bildung 359

    I.D i e Welt des sich entfremdeten Geistes . . . 362

    a. Die Bildung und ihr Reich der

    Wirklichkeit 363

    b. Der Glaube und die reine Einsicht 391

    II. Die Aufklrung 398

    a. Der Kampf der Aufklrung mit demAberglauben 400

    b. Die Wahrheit der Aufklrung 424

    III. Die absolute Freiheit und der Schrecken . . 431

    C. Der seiner selbst gewisse Geist. Di e Moralitt 441

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    a. Die moralische Weltanschauung 442

    b. Die Verstellung 453

    c. Das Gewissen. Die schne Seele, das Bse

    und seine Verzeihung 464

    ( C C ) D I E R E L I G I ON

    V I I . Di e Rel igi on 495

    A . Die natrliche Reli gi on 503

    a. Das Lichtwesen 505

    b. Die Pflanze und das Tier 507

    c. Der Werkmeister 508

    B. Di e Kunstre ligio n 5 1 2

    a. Das abstrakte Ku ns tw er k 515

    b. Das lebendige Ku nst we rk 525

    c. Das geistige Ku nst we rk 529

    C. Die offenbare Re li gi on 545

    ( D D ) D A S ABSOLUTE WISSEN

    V I I I . Das absolute Wissen 575

    Hegels Selbstanzeige 593

    Anmerkung der Redaktion 595

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    Systemder

    W i s s e n s c h a f tvon

    Ge.Wi l l i .Fr. HegelD . u . Professor der Philosophie zu Jena,

    der Herzogl. Mineralog Soziett daselbst Assessorund andrer gelehrten Gesellschaften Mitglied,

    Erster Theil,

    die

    Phnomenologie desGeistes.

    Bamberg und Wrzburg,

    bey Joseph Anton o e b b a r d t ,1807,

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    Vorrede

    Eine Erklrung, wie sie einer Schrift ineiner Vorrede nach

    der Gewohnheit vorausgeschickt wird - ber den Zweck,

    den derVerfasser sich inihr vorgesetzt, sowie ber dieVer

    anlassungen und das Verhltnis, worin er sie zu anderen

    frheren oder gleichzeitigen Behandlungen desselben Gegen

    standes zu stehen glaubt - , scheint bei einer philosophischen

    Schrift nicht nurberflssig, sondern um derN a t u r der Sa

    che willen sogar unpassend und zweckwidrig zu sein. Denn

    wie und was von Philosophie in einer Vorrede zu sagen

    schicklich wre - etwa eine historische Angabe der Tendenzund desStandpunkts, des allgemeinen Inhalts und der Re

    sultate, eine Verbindung von hin und hersprechenden Be

    hauptungen undVersicherungen ber das Wahre - , kann

    nicht fr dieA r t und Weise gelten, in der diephilosophische

    Wahrheit darzustellen sei. Auch weil diePhilosophie wesent

    lich im Elemente derAllgemeinheit ist, die dasBesondere in

    sich schliet, so findet bei ih rmehr als bei anderen Wissen

    schaften der Schein statt, als ob in demZwecke oderden

    letzten Resultaten dieSache selbst und sogar inihrem vol l

    kommenen Wesen ausgedrckt wre, gegen welches dieAus

    fhrung eigentlich das Unwesentliche sei. In derallgemeinen

    Vorstellung hingegen, was z.B. Anatomie sei, etwa die Kennt

    nis derTeile des Krpers nach ihrem unlebendigen Daseinbetrachtet, ist man berzeugt, die Sache selbst, den Inhalt die

    ser Wissenschaft, noch nicht zu besitzen, sondern auerdem um

    das Besondere sich bemhen zu mssen. - Ferner pflegtbei

    einem solchen Aggregate vonKenntnissen, das denNam en

    Wissenschaft nicht mitRecht fhrt, eine Konv er sati on ber

    Zweck und dergleichen Allgemeinheiten nicht von der histori

    schen und begriff losen Weise verschieden zusein, inder auch 1

    1 pflegt . . . verschieden zu sein, in der auch - A : ist . . . verschieden,

    worin . (Bis S. 35 folgt unser Text H e g e l s - b e r a r b e i t u n g . A = Erst

    fassung. Vgl. die Anm. d. Red. S.595)

    I I

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    von dem Inhalte selbst, diesen Ne rven, Mus keln usf., ge

    sprochen wird. Bei der Philosophie hingegen wrde die Un

    gleichheit entstehen, da von einer solchen Weise Gebrauch

    gemacht und diese doch von ihr selbst als unfhig, die Wahr

    heit zu fassen, aufgezeigt wrde.

    So wird auch durch die Bestimmung des Verhltnisses, dasein philosophisches Werk zu anderen Bestrebungen ber den

    selben Gegenstand zu haben glaubt, ein fremdartiges In

    teresse hereingezogen und das, worauf es bei der Erkenntnis

    der Wahrheit ankommt, verdunkelt. So fest der Meinung

    der Gegensatz des Wahren und des Falschen wird, so pflegt

    sie auch entweder Beistimmung oder Widerspruch gegen ein

    vorhandenes philosophisches System zu erwarten und in

    einer Erklrung ber ein solches nur entweder das eine oder

    das andere zu sehen. Sie begreift die Verschiedenheit philo

    sophischer Systeme nicht so sehr als die fortschreitende Ent

    wicklung der Wahrheit, als sie in der Verschiedenheit nur

    den Widerspruch sieht. Die Knospe verschwindet in dem

    Hervorbrechen der Blte, und man knnte sagen, da jenevon dieser widerlegt wi rd; ebenso wird durch die Frucht

    die Blte fr ein falsches Dasein der Pflanze erklrt, und als

    ihre Wahrheit tritt jene an die Stelle von dieser. Diese For

    men unterscheiden sich nicht nur, sondern verdrngen sich

    auch als unvertrglich miteinander. Ab er ihre flssige N a

    tur macht sie zugleich zu Momenten der organischen E in

    heit, worin sie sich nicht nur nicht widerstreiten, sondern

    eins so notwendig als das andere ist, und diese gleiche Not

    wendigkeit macht erst das Leben des Ganzen aus. Aber

    der Widerspruch gegen ein philosophisches System pflegt

    teils sich selbst nicht auf diese Weise zu begreifen, teils

    auch wei das auffassende Bewutsein gemeinhin nicht,

    ihn vo n seiner Einseitigkei t zu befreien oder frei zuerhalten und in der Gestalt des streitend und sich zu

    wider Scheinenden gegenseitig notwendige Momente zu

    erkennen.

    Die Forderung von dergleichen Erklrungen sowie die Be-

    12

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    friedigungen derselben gelten leicht dafr 2, das Wesentliche

    zu betreiben. Worin knnte mehr das Innere einer philoso

    phischen Schrift ausgesprochen sein als in den Zwecken und

    Resultaten derselben, und wodurch diese bestimmter erkannt

    werden als durch ihre Verschiedenheit von dem, was das

    Zeitalter sonst in derselben Sphre hervorbringt? Wenn aber

    ein solches Tun fr mehr als fr den Anfang des Erkennens,

    wenn es fr das wirkliche Erkennen gelten soll, ist es in der

    Tat zu den Erfindungen zu rechnen, die Sache selbst zu um

    gehen und dieses beides zu verbinden, den Anschein des

    Ernstes und Bemhens um sie und die wirkliche Ersparung

    desselben. - Denn die Sache ist nicht in ihrem Zwecke erschpft, sondern in ihrer Ausfhrung, noch ist das Resultat

    das wirkliche Ganze, sondern es zusammen mit seinem Wer

    den; der Zweck fr sich ist das unlebendige Allgemeine, wie

    die Tendenz das bloe Treiben, das seiner Wirk li ch ke it noch

    entbehrt, und das nackte Resultat ist der Leichnam, der die

    Tendenz3 hinter sich gelassen. - Ebenso ist die Verschieden

    heit vielmehr die Grenze der Sache; sie ist da, wo die Sache

    aufhrt, oder sie ist das, was diese nicht ist. Solche Bem

    hungen mit dem Zwecke oder den Resultaten sowie mit den

    Verschiedenheiten und Beurteilungen des { einen und des

    anderen sind daher eine leichtere Arbeit, als sie vielleicht

    scheinen. Denn statt mit der Sache sich zu befassen, ist sol

    ches Tun immer ber sie hinaus; statt in ihr zu verweilenund sich in ihr zu vergessen, greift solches Wissen immer nach

    einem Anderen und bleibt vielmehr bei sich selbst, als da

    es bei der Sache ist und sich ihr hingibt. - Das leichteste ist,

    was Gehalt und Gediegenheit hat, zu beurteilen, schwerer,

    es zu fassen, das schwerste, was beides vereinigt, seine Dar

    stellung hervorzubringen.

    Der Anfang der Bildung und des Herausarbeitens aus der

    Unmittelbarkeit des substantiellen Lebens wird immer da-

    2 gelten leicht daf r - A : scheinen viell eich t

    3 die Tendenz - A: sie

    13

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    mit gemacht werden mssen, Kenntnisse allgemeiner Grund

    stze und Gesichtspunkte zu erwerben, sich nur erst zudem

    Gedanken der Sache berhaupt heraufzuarbeiten, nicht

    weniger sie mit Grnden zu untersttzen oder zu wider

    legen, die konkrete undreiche Flle nach Best immtheiten

    aufzufassen un d ordentlichen Bescheid und ernsthaftes Urteilber sie zu erteilen zu wissen. Dieser Anfang derBildung wird

    aber zunchst dem Ernstedeserfllten Lebens Platz machen,

    der in die ErfahrungderSache selbst hineinfhrt; und we nn

    auch dies noch hinzukommt,da derErnst desBegriffs in

    ihre Tiefe steigt, so wird eine solcheKenntnis und Beurteilung

    in der Konversation ihre schickliche Stelle behalten.

    Die wahre Gestalt, i nwelcher die Wahrheit existiert, kann

    allein das wissenschaftliche System derselben sein. Daran

    mitzuarbeiten, da die Philosophie der Form derWissen

    schaft nherkomme - demZiele, ihren N am e n der Liebe

    zum Wissen ablegen zu knnen undwirkliches Wissen zu

    sein ist es, wasich mi rvorgesetzt. Die innere Notwendig

    keit, da das Wissen Wissenschaft sei, liegt in seiner Natur,und diebefriedigende Erklrung hierber istallein die D a r

    stellung der Philosophie selbst. Dieuere Notwendigkeit

    aber, insofern sie, abgesehen von derZuflligkeit der Person

    und der individuellen Veranlassungen, auf eine allgemeine

    Weise gefat wird, istdasselbe, was dieinnere [ist], in der

    Gestalt nmlich4, wie die Zeit das Dasein ihrerMomente vor

    stellt. Da die Erhebung derPhilosophie zur Wissenschaft

    an der Zeit ist, dies aufzuzeigen wrde daher die einzig

    wahre Rechtfertigung der Versuche sein, die diesen Zweck

    haben, weil sie dessen Notwendigkeit 5 dartun, ja sie 6ihn

    zugleich ausfhren wrde.

    Indem die wahre Gestalt der Wahrheit in diese7

    Wissen-

    4 nmlich fehlt in A

    5 dessen Notwendigke i t - A :die Notwendigkeit desselben

    6 A : ja weil sie

    7 A : die

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    schaftlichkeit gesetzt wird - oder, was dasselbe ist, indem

    die Wahrheit behauptet wird, an dem Begriffe allein das

    Element ihrer Existenz zu haben -, so wei ich, da dies

    im Widerspruch mit einer Vorstellung und deren Folgen zu

    stehen scheint, welche eine so groe Anmaung als Aus

    breitung in der Uberzeugung des Zeitalters hat. Eine Er

    klrung ber diesen Widerspruch scheint darum nicht ber

    flssig; wenn sie auch hier weiter nichts als gleichfalls eine

    Versicherung wie das, gegen was sie geht, sein kann. Wenn

    nmlich das Wahre nur in demjenigen oder vielmehr nur als

    dasjenige existiert, was bald Anschauung, bald unmittel

    bares Wissen des Absoluten, Reli gi on , das Sein - nicht imZentrum der gttlichen Liebe, sondern das Sein desselben

    selbst - genannt wird, so wird von da aus zugleich fr die

    Darstellung der Philosophie vielmehr das Gegenteil der

    Form des Begriffs gefordert. Das Absolute soll nicht be

    griffen, sondern gefhlt und angeschaut [werden], nicht sein

    Begriff, sondern sein Gefhl und Anschauung sollen das Wort

    fhren und ausgesprochen werden.

    Wird die Erscheinung einer solchen Forderung nach ihrem

    allgemeineren Zusammenhange aufgefat und auf die Stufe

    gesehen, worauf der selbstbewute Geist gegenwrtig steht,

    so ist er ber das substantielle Leben, das er sonst im Ele

    mente des Gedankens fhrte, hinaus, - ber diese Unmittel

    barkeit seines Glaubens, ber die Befriedigung und Sicherheit der Gewiheit, welche das Bewutsein von seiner

    Vershnung mit dem Wesen und dessen allgemeiner, der

    inneren und ueren, Gegenwart besa. Er ist nicht nur

    darber hinausgegangen in das andere Ex trem der substanz

    losen Reflexion seiner in sich selbst, sondern auch ber diese.

    Sein wesentliches Leben ist ihm nicht nur verloren; er ist sich

    auch dieses Verlustes und der Endlichkeit, die sein Inhaltist, bewut. Von den Trebern sich wegwendend, da er im

    argen liegt bekennend und darauf schmhend, verlangt er

    nun von der Philosophie nicht sowohl das Wissen dessen,

    was er ist, als zu r Herstellung jener Substantialitt und

    15

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    der Gediegenheit des Seins erst wieder durch sie zu gelangen.

    Diesem Bedrfnisse soll sie also nicht sosehr die Verschlos

    senheit derSubstanz aufschlieen unddiese zumSelbstbe

    wutsein erheben, nicht so sehr daschaotische Bewutsein 8

    zur gedachten Ordnung und zur Einfachheit des Begriffs

    zurckbringen, als vielmehr die Sonderungen des Gedan

    kens zusammenschtten, den unterscheidenden Begriff unter

    drcken und dasGefhl desWesens herstellen, nicht sowohl

    Einsicht alsErbauung gewhren. Das Schne,Heilige, Ewige,

    die Religion und Liebe sind derKder, dergefordert wird,

    um dieLust zu m Anbeien zu erwecken; nicht derBegriff,

    sondern die Ekstase, nicht dieka lt fortschreitende No tw e ndigkeit der Sache, sondern diegrende Begeisterung solldie

    Haltung und fortleitende Ausbrei tung des Reichtumsder

    Substanz sein.

    Dieser Forderung entspricht die angestrengte und fast eifernd

    und gereizt sich zeigende Bemhung, dieMenschen aus der

    Versunkenheit insSinnliche, Gemeine un d E inzelne heraus

    zureien und ihren Blick zu denSternen aufzurichten;als

    ob sie, desGttlichen ganz vergessend, mit Staub u nd Was

    ser, wie der Wurm, auf demPunk te sich zu befriedigen

    stnden. Sonst hatten sie einen Himmel mit weitlufigem

    Reichtume von Gedanken undBildern ausgestattet.V o n

    allem, was ist, lag die Bedeutung indem Lichtfaden, durch

    denes anden Himmel geknpft war; anih m, statt in dieserGegenwart zu verweilen, glitt der Blick ber sie hinaus,

    zum gttlichen Wesen, zu einer, wenn man so sagen kann,

    jenseitigen Gegenwart hinauf. DasAuge desGeistes mute

    mit Z wangauf dasIrdische gerichtet u nd bei ihm festgehal

    ten werden; undes hateiner langen Ze it bedurft, jene K l a r

    heit, dienur dasUberirdische hatte, in die Dumpfheit und

    Verworrenheit, worin derSinn desDiesseitigen lag, hinein

    zuarbeiten und dieAufmerksamkeit auf das Gegenwrtige

    als solches, welche Erfahrung genannt wurde, interessant

    8 A :ihr chaotisches Bewutsein

    16

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    und geltend zu machen. - Jetzt scheint die N o t des Ge

    genteils vorhanden, derSinn so sehr in demIrdischen 9 fest

    gewurzelt, da es gleicher Gewalt bedarf, ihndarber zu

    erheben. DerGeist zeigt sich so arm,da er sich, wie in der

    Sandwste derWanderer nach einem einfachen Trun k Was

    sers, nurnach demdrftigen Gefhle des Gttlichen berhaupt fr seine Erquickungzu sehnen scheint. A n diesem,

    woran dem Geiste gengt, ist die Gre seines Verlusteszu

    ermessen.

    Diese Gengsamkeit des Empfangens oder Sparsamkeitdes

    Gebens ziemt 1 0 der Wissenschaft -nicht. Wer nurEr bauung

    sucht, wer dieirdische Ma nnigf alt igk eit seines11 Daseinsund

    des Gedankens in Nebel einzuhllen undnach demunbe

    stimmten Gensse dieser unbestimmten Gttlichkeit ver

    langt, magzusehen, wo er dies findet; er wird leicht selbst

    sich etwas vorzuschwrmen und damit sich aufzuspreizen

    die Mittel finden. DiePhilosophie aber mu sich hten,er

    baulich seinzuwoll en.

    Noch weniger mudiese Gengsamkeit, die auf die Wissenschaft Verzicht tut, darauf Anspruch machen, da solche

    Begeisterung und Trbheit etwas Hheres sei als die Wissen

    schaft. Dieses prophetische Reden meint recht 1 2 im M i t t e l

    punkte und derTiefe zu bleiben, blickt verchtlich auf die

    Bestimmtheit (den Horos) un d hlt sich absichtlich von dem

    Begriffe und der Notwendigkeit entfernt als vo n der Re

    flexion, die nur in derEndlichkeit hause. Wie es aber eine

    leere Breite gibt, so auch eine leere Tiefe, wie eine 1 3 Exten

    sion der Substanz, die sich i n endliche Mannigfaltigkeit

    ergiet, ohne Kraft, sie zusammenzuhalten, so eine gehalt

    lose Intensitt, welche, als lautere Kraft ohne Ausbreitung

    9 A : in das Irdische

    10 A : zi emt jedoch

    11 die irdische Mannigfaltigkeit seines - A : seine irdische Mannig

    faltigkeit des

    12 A : gerade so recht

    13 A : , wie e ine. B: ; - eine

    17

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    sich haltend, dasselbe ist, was die Oberflchlichkeit. Die

    Kraft des Geistes ist nur so gro als ihre uerung, seine

    Tiefe nur so tief, als er in seiner Auslegung sich auszubreiten

    und sich zu verl ieren getraut. Zugleich wenn dies begrifflose

    substantielle Wissen die Eigenheit des Selbsts in dem Wesen

    versenkt zu haben und wahr und heilig zu philosophierenvorgibt, so verbirgt es sich dies 1 4, da es, statt dem Gotte

    ergeben zu sein, durch die Verschmhung des Maes und der

    Bestimmung vielmehr nur ba ld in sich selbst die Zuflligkeit

    des Inhalts, bal d in ihm die eigene Wil lkr gewhren lt.

    - Indem sie sich dem ungebndigten Gren der Substanz

    berlassen, meinen sie, durch die Einhllung des Selbstbe

    wutseins und Aufgeben des Verstandes die Seinen zu sein,

    denen Gott die Weisheit im Schlafe gibt; was sie so in der

    Tat im Schlafe empfangen und gebren, sind darum auch

    Trume.

    Es ist brigens nicht schwer zu sehen, da unsere Zeit eine

    Zeit der Geburt und des bergangs zu einer neuen Periode

    ist. Der Geist hat mit der bisherigen Welt seines Daseinsund Vorstellens gebrochen und steht im Begriffe, es in die

    Vergangenheit hinab zu versenken, und in der Arbeit seiner

    Umgestaltung. Zwar ist er nie in Ruhe, sondern in immer

    fortschreitender Bewegung begriffen. Aber wie beim Kinde

    nach langer stiller Ernhrung der erste Atemzug jene A l l

    mhlichkeit des nur vermehrenden Fortgangs abbricht - ein

    qualitativer Sprung - und jetzt das K i n d geboren ist, so

    reift der sich bildende Geist langsam und stille der neuen Ge

    stalt entgegen, lst ein Teilchen des Baues seiner vorher

    gehenden Welt nach dem andern auf, ihr Wanken wird nur

    durch einzelne Symptome angedeutet; der Leichtsinn wie die

    Langeweile, die im Bestehenden einreien, die unbestimmte

    Ahnung eines Unbekannten sind Vorboten, da etwas anderes im Anzge ist. Dies allmhliche Zerbrckeln, das die

    Physiognomie des Ganzen nicht vernderte, wird durch den

    14 dies fehlt in A

    18

  • 8/12/2019 G.W.F. Hegel. Werke in 20 Bnden. Band 3

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    Aufgang unterbrochen, der, ein Blitz, in einem Male das

    Gebilde der neuen Welt hinstellt.

    Allein eine vollkommene Wirklichkeit hat dies Neue so

    wenig als das eben geborene K i n d ; und dies ist wesentlich

    nicht auer acht zu lassen. Das erste Auftreten ist erst seineUnmittelbarkeit oder sein Begriff. Sowenig ein Gebude

    fertig ist, wenn sein Grund gelegt worden, so wenig ist der

    erreichte Begriff des Ganzen das Ganze selbst. Wo wir eine

    Eiche in der Kraft ihres Stammes und in der Ausbreitung

    ihrer ste und den Massen ihrer Belaubung zu sehen wn

    schen, sind wir nicht zufrieden, wenn uns an Stelle dieser 1 5

    eine Eichel gezeigt wird. So ist die Wissenschaft, die Kroneeiner Welt des Geistes, nicht in ihrem Anfange vollendet.

    Der Anfang des neuen Geistes ist das Produkt einer weit

    lufigen Umwlzung von mannigfaltigen Bildungsformen,

    der Preis eines vielfach verschlungenen Weges und ebenso

    vielfacher Anstrengung und Bemhung. E r ist das aus der

    Sukzession wie aus seiner Ausdehnung in sich zurckgegangene Ganze, der gewordene einfache Begriff desselben.

    Die Wirklichkeit dieses einfachen Ganzen aber besteht darin,

    da jene zu Momenten gewordenen Gestaltungen sich wieder

    von neuem, aber in ihrem neuen Elemente, in dem geworde

    nen Sinne entwickeln und Gestaltung geben.

    Indem einerseits die erste Erscheinung der neuen Welt nur

    erst das in seine Einfachheit verhllte Ganze oder sein allgemeiner Grund ist, so ist dem Bewutsein dagegen der Reich

    tum des vorhergehenden Daseins noch in der Erinnerung

    gegenwrtig. Es vermit an der neu erscheinenden Gestalt die

    Ausbreitung und Besonderung des Inhalts; noch mehr aber

    vermit es die Ausbildung der Form, wodurch die Unter

    schiede mit Sicherheit bestimmt un d in ihre festen Verhlt

    nisse geordnet werden 1 6 . Ohne diese Ausbildung entbehrt die

    Wissenschaft der allgemeinen Verstndlichkeit un d hat den

    15 AB: an dieser Stelle

    16 A: sind

    19

  • 8/12/2019 G.W.F. Hegel. Werke in 20 Bnden. Band 3

    19/591

    Schein, ein esoterisches Besitztum einiger Einzelner zu sein;

    - ein esoterisches Besi tz tum: denn sie ist nur erst i n ihrem

    Begriffe oder ihr Inneres vorhanden; einiger Einzelner: denn

    ihre unausgebreitete Erscheinung macht ihr Dasein zum

    Einzelnen. Erst was vollkommen bestimmt ist, ist zugleich

    exoterisch, begreiflich und fhig, gelernt und das Eigentumaller zu sein. Die verstndige Form der Wissenschaft ist der

    allen dargebotene und fr alle gleichgemachte Weg zu ihr,

    und durch den Verstand zum vernnftigen Wissen zu gelan

    gen, ist die gerechte Forderung des Bewutseins, das zur

    Wissenschaft hinzutritt; denn der Verstand ist das Denken,

    das reine Ich berhaupt; und das Verstndige ist das schon

    Bekannte und das Gemeinschaftliche der Wissenschaft und

    des unwissenschaftlichen Bewutseins, wodurch dieses un

    mittelbar in jene einzutreten vermag.

    Die Wissenschaft, die erst beginnt und es also noch weder zur

    Vollstndigkeit des Details noch zur Vollkommenheit der

    Form gebracht hat, ist dem Tadel darber ausgesetzt. Aber

    wenn dieser ihr Wesen treffen soll, so wrde er ebenso ungerecht sein, als es unstatthaft ist, die Forderung jener Aus

    bildung nicht anerkennen zu wo ll en. Dieser Gegensatz

    scheint der hauptschlichste Knoten zu sein, an dem die

    wissenschaftliche Bildung sich gegenwrtig zerarbeitet und

    worber sie sich noch nicht gehrig versteht. Der eine Teil

    pocht auf den Reichtum des Materials und die Verstndlich

    keit, der andere verschmht wenigstens diese und pocht auf

    die unmittelbare Vernnftigkeit und Gttlichkeit. Wenn

    auch jener Teil, es sei durch die Kraft der Wahrheit allein

    oder auch durch das Ungestm des andern, zum Stillschwei

    gen gebracht ist und wenn er in Ansehung des Grunds der

    Sache sich berwltigt fhlte, so ist er darum in Ansehung

    jener Forderungen nicht befriedigt; denn sie sind gerecht,aber nicht erfllt. Sein Stillschweigen gehrt nur halb dem

    Siege, halb aber der Langeweile und Gleichgltigkeit, welche

    die Folge einer bestndig erregten Erwartung und nicht

    erfolgten Erfllung der Versprechungen zu sein pflegt.

    20

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    20/591

    In Ansehung des Inhalts machen dieanderen 1 7 sich es wohl

    zuweilen leicht genug, eine groe Ausdehnung zuhaben.Sie

    ziehen auf ihren Boden eine Menge Material, nmlich das

    schon Bekannte undGeordnete, herein, undindem siesich

    vornehmlich mit denSonderbarkeiten undKuriositten zu

    tun machen, scheinen sie um somehr das brige, womitdas

    Wissen inseiner A r t schon fertig war, zu besitzen, zugleich

    auch das noch Ungeregelte zu beherrschen undsomit alles

    der absoluten Idee zu unterwerfen, welche hiermit inallem

    erkannt und zur ausgebreiteten Wissenschaft gediehen zu

    sein scheint. Nher aber diese Ausbreitung betrachtet, so

    zeigt sie sich nicht dadurch zustande gekommen, da einund dasselbe sich selbst verschieden gestaltet htte, sondern

    sieist diegestaltlose Wiederholungdes einen und desselben,

    das nur an das verschiedene Material uerlich angewendet

    ist und einen langweiligen ScheinderVerschiedenheit erhlt.

    Die fr sich wohl wahre Idee bleibt in der Tat nur immer

    in ihrem Anfange stehen, wenn die Entwicklung in nichts

    als in einer solchen Wiederholung derselben Formel besteht.

    Die eine unbewegte Form vomwissenden Subjekte an dem

    Vorhandenen herumgefhrt, das Material in dies ruhende

    Element von auenher eingetaucht, dies ist so wenig als

    wil lkrliche Einflle ber den Inhalt dieErfllung dessen,

    was gefordert wird, nmlich der aus sich entspringende

    Reichtum undsich selbst bestimmende Unterschied der Gestalten. Es ist vielmehr ein einfarbiger Formalismus,dernur

    zum Unterschiede des Stoffes, undzw ar dadurch kommt,

    weil dieser schon bereitet und bekannt ist.

    Dabei behauptet er diese Eintnigkeit und die abstrakte

    Allgemeinheit fr das Absolute; er versichert, da in ihr

    unbefriedigt zu sein 1 8 eine Unfhigkeit sei, sich des abso

    luten Standpunktes zu bemchtigen und auf ihm festzuhalten. Wenn sonst die leere Mglichkeit, sich etwas auch 1 9

    17 A : d ie ersten

    18 in ihr unbefriedigt zu sein - A :d ie Ungengs amkei t mit ihr

    19 auch fehlt in A

    21

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    21/591

    auf eine andere Weise vorzustellen, hinreichte, um eine Vor

    stellung zu widerlegen, und dieselbe bloe Mglichkeit, der

    allgemeine Gedanke, auch den ganzen positiven Wert des

    wirklichen Erkennens hatte, so sehen wir hier gleichfalls 2 0

    der allgemeinen Idee in dieser Form der Unwirklichkeit

    allen Wert zugeschrieben und die Auflsung des Unterschiedenen und Bestimmten oder vielmehr das weiter nicht

    entwickelte noch an ihm selbst sich rechtfertigende Hinunter

    werfen desselben in den Abgrund des Leeren fr spekula

    tive Betrachtungsart gelten. Irgendein Dasein, wie es im

    Absoluten ist, betrachten, besteht hier in nichts anderem, als

    da davon gesagt wird, es sei zwar jetzt von ihm gesprochen

    worden als von einem Etwas; i m Absoluten, dem A = A ,

    jedoch gebe es dergleichen gar nicht, sondern darin sei alles

    eins. Dies eine Wissen, da im Absoluten alles gleich ist, der

    unterscheidenden und erfllten oder Erfllung suchenden

    und fordernden Erkenntnis entgegenzusetzen oder sein Ab

    solutes fr die Nacht auszugeben, worin, wie man zu sagen

    pflegt, alle Khe schwarz sind, ist die Naivitt der Leere anErkenntnis. - Der Formalismus, den die Philosophie neue

    rer Zeit ver klagt und geschmht [hat] un d der sich i n ihr

    selbst wieder erzeugte, wird, wenn auch seine Ungengsam

    keit bekannt und gefhlt ist, aus der Wissenschaft nicht ver

    schwinden, bis das Erkennen der absoluten Wirk li ch ke it sich

    ber seine N at u r vo ll ko mm en kla r geworden ist. - In der

    Rcksicht, da die allgemeine Vorstellung, wenn sie dem,

    was ein Versuch ihrer Ausfhrung ist, vorangeht, das Auf

    fassen der letzteren erleichtert, ist es dienlich, das Ungefhre

    derselben hier anzudeuten, in der Absicht zugleich, bei die

    ser Gelegenheit einige Formen zu entfernen, deren Gewohn

    heit ein Hindernis fr das philosophische Erkennen ist.

    Es kommt nach meiner Einsicht, welche sich nur 2 1 durch die

    Darstellung des Systems selbst rechtfertigen mu, alles dar-

    20 A: ebenso

    21 nur fehlt in A

    22

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    auf an, das Wahre nicht als Substanz, sondern ebensosehr

    als Subjekt aufzufassen und auszudrcken. Zugleich ist zu

    bemerken, da die Substantialitt so sehr das Allgemeine

    oder die Unmittelbarkeit des Wissens selbst als auch 2 2 die

    jenige, welche Sein oder Unmittelbarkeitfr das Wissen ist,

    in sich schliet. - Wenn Gott als die eine Substanz zu fassen das Zeitalter emprte, worin diese Bestimmung ausge

    sprochen wurde,' so lag teils der Grund hiervon in dem In

    stinkte, da darin das Selbstbewutsein nur untergegangen,

    nicht erhalten ist, teils aber ist das Gegenteil, welches das

    Denken als Denken festhlt, die Allgemeinheit als solche 2 3,

    dieselbe Einfachheit oder ununterschiedene, unbewegte Sub

    stantialitt; und wenn drittens das Denken das Sein der

    Substanz 2 4 mit sich vereint und die Unmittelbarkeit oder das

    Anschauen als Denken erfat, so kommt es noch darauf an,

    ob dieses intellektuelle Anschauen nicht wieder in die trge

    Einfachheit zurckfllt und die Wirklichkeit selbst auf eine

    unwirkliche Weise darstellt.

    Die lebendige Substanz ist ferner das Sein, welches in Wahrheit Subjekt oder, was dasselbe heit, welches i n Wahrheit

    wirklich ist, nur insofern sie die Bewegung des Sichselbst

    setzens oder die Ve rmi tt lu ng des Sichanderswerdens mit sich

    selbst ist. Sie ist als Subjekt die reine einfache Negativitt,

    eben dadurch die Entzweiung des Einfachen; oder die ent

    gegensetzende Verdopplung, welche wieder die Negation

    dieser gleichgltigen Verschiedenheit und ihres Gegensatzes

    ist: nur diese sich wiederherstellende Gleichheit oder die

    Reflexion im Anderssein in sich selbst - nicht eine ursprng

    liche Einheit als solche oder unmittelbare als solche - ist

    das Wahre. Es ist das Werden seiner selbst, der Kreis, der

    sein Ende als seinen Zweck voraussetzt und zum Anfange

    hat und nur durch die Ausfhrung und sein Ende wirklichist.

    22 s elbs t als auch - A : a ls

    23 als solc he fehlt in A

    24 A : S ub st an z als s olch e

    *3

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    23/591

    Das Leben Gottes und das gttliche Erkennen mag also

    wohl als ein Spielen der Liebe mit sich selbst ausgesprochen

    werden; diese Idee sinkt zur Erbaulichkeit und selbst zur

    Fadheit herab, wenn der Ernst, der Schmerz, die Geduld

    und Arbeit des Negativen darin fehlt. An sich ist jenes

    Leben wohl die ungetrbte Gleichheit und Einheit mit sichselbst, der es kein Ernst mit dem Anderssein und der Ent

    fremdung sowie mit dem berwinden dieser Entfremdung

    ist. Aber dies Ansich ist die abstrakte Allgemeinheit, in wel

    cher von seiner Natur, fr sichzu sein, und damit berhaupt

    von der Selbstbewegung der Form abgesehen wird. Wenn die

    Form als dem Wesen gleich ausgesagt wird, so ist es eben

    darum ein Miverstand, zu meinen, da das Er kennen sich

    mit dem Ansich oder dem Wesen begngen, die Form aber

    ersparen knne, - da der absolute Gru nd sa tz oder die ab

    solute Anschauung die Ausfhrung des ersteren oder die

    Entwicklung der anderen entbehrlich mache. Gerade weil

    die Form dem Wesen so wesentlich ist als es sich selbst, ist

    es nicht blo als Wesen, d. h. als unmittelbare Substanz oderals reine Selbstanschauung des Gttlichen zu fassen und

    auszudrcken, sondern ebensosehr als Form und im ganzen

    Reichtum der entwickelten Form; dadurch wird es erst als

    Wirkl iches gefat und ausgedrckt.

    Das Wahre ist das Ganze. Das Ganze aber ist nur das durch

    seine Entw ic kl un g sich vollendende Wesen. Es ist von dem

    Absoluten zu sagen, da es wesentlich Resultat, da es erst

    am Ende das ist, was es in Wahrhei t ist; und hierin eben

    besteht seine N a t ur , Wirkliches, Subjekt oder Sichselbst

    werden zu sein. So widersprechend es scheinen mag, da das

    Absolute wesentlich als Resultat zu begreifen sei, so stellt

    doch eine geringe berlegung diesen Schein von Widerspruch

    zurecht. Der Anfang, das Prinzip oder das Absolute, wie eszuerst und unmittelbar ausgesprochen wird, ist nur das A l l

    gemeine. Sowenig, wenn ich sage: alle T ie re , dies Wort fr

    eine Zoologie gelten kann, ebenso fllt es auf, da die Worte

    des Gttlichen, Absoluten, Ewigen usw. das nicht ausspre-

    24

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    24/591

    chen, was darin enthalten ist; - und nur solche Worte drk-

    ken in der Tat die Anschauung als das Unmittelbareaus.

    Was mehrist als ein solches Wort, derUbergang auch nurzu

    einem Satze, enthlt 2 5 ein Anderswerden, das zurckgenom

    men werden mu, ist eine Vermittlung. Diese aber ist das,

    was perhorresziert wird, als ob dadurch, da mehr aus ihrgemacht wird denn nurdies, da sie nichts Absolutesund

    im Absoluten gar nicht sei, dieabsolute Erkenntnis aufge

    geben wre.

    Dies Perhorreszieren stammt aber in der Tat aus derUnbe

    kanntschaft mit der N a t u r derVermittlungund des abso

    luten Erkennens selbst. Denn die Vermittlung ist nichtsanderes als diesich bewegende Sichselbstgleichheit, oder sie

    ist dieReflexion in sich selbst, dasMoment des frsichseien

    den Ich, diereine Negativitt oder, auf ihre reine Abstrak

    tion herabgesetzt26 , das einfache Werden. Das Ichoder das

    Werden berhaupt, dieses Vermitteln ist um seiner Einfach

    heit willen eben diewerdende Unm ittelb ark eit und dasU n

    mittelbare selbst. - Es istdaher ein Verkennen derVernunft,wenn die Reflexion aus dem Wahren ausgeschlossen und

    nicht als positives Moment des Absoluten erfat wird. Sie

    ist es, die dasWahre z um Resultate macht, aber diesenGe

    gensatz gegen sein Werden ebenso aufhebt, denn dies Wer

    den istebenso einfach und daher von derForm desWahren,

    im Resultate sich als einfach zu zeigen, nicht verschieden;

    es istvielmehr eben dies Zurckgegangensein in die Einfach

    heit. - Wenn derEmbr yo wohl ansich Mensch ist, so ist er

    es aber nicht fr sich; frsich ist er esnur alsgebildete Ver

    nunft, diesich zu dem gemacht hat, was sieansich ist.Dies

    erst ist ihre Wir kl ichke it. Aber dies Resultat ist selbst ein

    fache Unmittelbarkeit, denn es ist die selbstbewute Fre i

    heit, die insich2 7

    ruht un d den Gegensatz nicht auf dieSeite

    25 A : ist

    26 auf . . . herabgesetzt fehlt in A

    27 A : in sich selbst

    *5

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    25/591

    gebracht hat und ihn da liegen lt, sondern mit ihmver

    shnt ist.

    Das Gesagte kann auch so ausgedrckt werden, da die

    .Vernunft das zweckmige Tunist. DieErhebung der ver

    meinten Natur ber das mikannte Denken und zunchst

    die Verbannung der ueren Zweckmigkeit hat die Formdes Zwecks berhaupt in Mikredit gebracht. Allein, wie

    auch Aristoteles die N at u r als das zweckmige Tun be

    stimmt, derZweck ist das Unmittelbare, Ruhende, dasU n

    bewegte, welches seihst bewegend ist; so ist es Subjekt28.

    Seine Kraft, zubewegen, abstrakt genommen 2 9, ist das Fr

    sichsein oder die reine Negativitt. Das Resultat ist nur

    darum dasselbe, was der Anfang, weil der Anfang Zweck

    ist; - oder das Wirkliche ist nur darum dasselbe, was sein

    Begriff, weil das Unmittelbare als Zweck das Selbst oder

    die reine Wirklichkeit in ihmselbst hat. De r ausgefhrte

    Zweck oder dasdaseiende Wirkliche istBewegung undent

    faltetes Werden 3 0 ; eben diese Unruhe aber ist das Selbst;

    und jener UnmittelbarkeitundEinfachheit des Anfangs istes darum gleich, weil es das Resultat, das in sich Zurck

    gekehrte, - das insich Zurckgekehrte aber eben das Selbst

    und das Selbst die sich auf sich beziehende Gleichheit und

    Einfachheit ist.

    Das Bedrfnis, das Absolute als Subjekt vorzustellen,be

    diente sichderStze: Gott ist dasEwige, oder die moralische

    Weltordnung, oder dieLiebe usf. In solchen Stzen ist das

    Wahre nurgeradezu als Subjekt gesetzt, nicht aber als die

    Bewegung dessich in sich selbst Reflektierens dargestellt.Es

    wird in einem Satze der A r t mit demWorte Gott ange

    fangen. Dies frsichist ein sinnloser Laut, ein bloer Name;

    erst das Prdikat sagt, was er ist, ist seine Erfllung und

    28 Ruhende . . . Subjekt - A : das Ruhende, welches selbst bewegend

    oder Subjekt ist

    29 Kraft . . . abstrakt g e n o m m e n - A : abstrakte Kraft, zu bewegen

    30 Be w e g u n g . . . Werden - A : die Bewegung und das entfaltete

    Werden

    26

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    Bedeutung; der leere Anfang wird nur in diesem Ende ein

    wirkliches Wissen. Insofern ist nicht abzusehen, warum nicht

    vom Ewigen, der moralischen Weltordnung usf. oder, wie

    die Alten taten, von reinen Begriffen, dem Sein, dem Einen

    usf., von dem, was die Bedeutung ist, allein gesprochen

    wird, ohne den sinnlosen Laut noch hinzuzufgen. Aberdurch dies Wort wird eben bezeichnet, da nicht ein Sein

    oder Wesen oder Allgemeines berhaupt, sondern ein in sich

    Reflektiertes, ein Subjekt gesetzt ist. Allein zugleich ist dies

    nur a ntizipiert . Das Subjekt ist als fester P unkt angenom

    men, an den als ihren H a l t die Prdikate geheftet sind,

    durch eine Bewegung, die dem von ihm Wissenden angehrt

    und die auch nicht dafr angesehen wird, dem Punkte selbst

    anzugehren; durch sie aber wre allein der Inhalt als Sub

    jekt dargestellt. In der A r t , wie diese Bewegung beschaffen

    ist, kann sie ihm nicht angehren; aber nach Voraussetzung

    jenes Punkts kann sie auch nicht anders beschaffen, kann sie

    nur uerlich sein. Jene Antizipation, da das Absolute

    Subjekt ist, ist daher nicht nur nicht die Wirklichkeit diesesBegriffs, sondern macht sie sogar unmglich; denn jene setzt

    ihn als ruhenden Punkt, diese aber ist die Selbstbewegung.

    Unter mancherlei Folgerungen, die aus dem Gesagten flie

    en, kann diese herausgehoben werden, da das Wissen nur

    als Wissenschaft oder als System wirklich ist und dargestellt

    werden kann; da ferner ein sogenannter Grundsatz oder

    Prinzip der Philosophie , wenn er wa hr ist, schon darumauch falsch ist, insofern er nur als 3 1 Grundsatz oder Prinzip

    ist. - Es ist deswegen leicht, ih n zu widerlegen. Di e Wi de r

    legung besteht darin, da sein Mangel aufgezeigt wird;

    mangelhaft aber ist er, weil er nur das Allgemeine oder

    Prinzip, der Anfang ist. Ist die Widerlegung grndlich, so

    ist sie aus ihm selbst genommen und entwickelt , - nichtdurch entgegengesetzte Versicherungen und Einflle von

    auen her bewerkstelligt. Sie wrde also eigentlich seine Ent-

    31 i ns of er n er nur als - A : w ei l er

    27

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    wicklung undsomit dieErgnzung seiner Mangelhaftigkeit

    sein, wenn siesich nicht darin verkennte, da sie ihrnegati

    ves Tun 3 2 allein beachtet undsich ihres Fortgangs und Re

    sultates nicht auch nach seiner positiven Seite bewut wird.

    - Dieeigentliche positive Ausfhrung des Anfangs ist zu

    gleich umgekehrt ebensosehr einnegatives Verhalten gegenihn, nmlich gegen seine einseitige Form, erst unmittelbar

    oder Zweck zu sein. Siekan n somit gleichfalls a ls 3 3 Wider

    legung desjenigen genommen werden, was den Grund des

    Systems ausmacht; richtiger aber ist sie als ein Aufzeigen

    anzusehen3 4, da derGrund oder dasPrinzip desSystemsin

    der Tat nur seinAnfang ist.

    Da dasWahrenur alsSystem wirklich oder da dieSub

    stanz wesentlich Subjekt ist, ist in der Vorstellung ausge

    drckt, welche dasAbsolute alsGeist ausspricht,- dererha

    benste Begriff undder der neueren Zeit undihrer Religion

    angehrt. Das Geistige allein ist das Wirkliche; es ist das

    Wesen oder Ansichseiende, - das sich Verhaltende und Be

    stimmte, das Anderssein und Frsichsein - und [das] indieser Bestimmtheit oder seinem Auersichsein in sich selbst

    Bleibende; - oder es istan und fr sich. - Dies Anundfr-

    sichsein aber ist es erst fr unsoder ansich, es i st 3 5 diegei

    stige Substanz. Es mudies auch fr sich selbst, mu das

    Wissen von dem Geistigen und dasWissenvonsich als dem

    Geiste sein, d. h. es mu sich als Gegenstand sein, aber

    ebenso unmittelbar als aufgehobener3 6, in sich reflektierter

    Gegenstand. Er istfr sichnur fr uns, insofern sein gei

    stiger Inhalt durch ihnselbst erzeugt ist;insofern er aber

    auch fr sich selbst fr sichist, so ist dieses Selbsterzeugen,

    der reine Begriff, ihm zugleich das gegenstndliche Element,

    worin ersein Dasei n hat, un der ist aufdiese Weise inseinem

    32 ihr negatives Tun - A : ihre negative Seite

    33 gleichfalls als - A :ebensosehr als die

    34 richtiger . . . anzusehen - A :besser aber als ein Aufzeigen

    35 A :oder es ist

    36 als aufgehobener - A : als vermittelter, das hei t aufgeho bener

    28

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    Dasein fr sich selbst in sich reflektierter Gegenstand. - Der

    Geist, dersichsoentwickelt 3 7 als Geist wei, ist die Wissen

    schaft.Sie istseine Wirklichkeit und dasReich, das ersich in

    seinem eigenen Elemente erbaut.

    Das reine Selbsterkennen im absoluten Anderssein, dieserther alssolcher, ist derGrund und Boden derWissenschaft

    oder das Wissen im allgemeinen. Der Anfang der Philo

    sophie macht die Voraussetzung oder Forderung, da das

    Bewutsein sich in diesem Elemente befinde. Aber dieses

    Element erhlt 3 8 seine Vollendung undDurchsichtigkeit

    selbst nur durch die Bewegung seines Werdens. Es ist die

    reine Geistigkeit als 3 9 dasAllgemeine, das die Weise derein

    fachen Unmit tel bar kei t ha t; 4 0 - dies Einfache, wie es als

    solches Existenz hat, ist derBoden, derDenken, dernurim

    Geist ist. Weil dieses Element, diese Unmittelbarkeitdes

    Geistes dasSubstantielle berhaupt desGeistes ist,ist sie die

    verklrte Wesenheit, die Reflexion, die selbst einfach, die

    Unmittelbarkeit alssolche fr sich ist, dasSein, das die Re flexion in sich selbst ist. Die Wissenschaft verlangt vonihrer

    Seitean dasSelbstbewutsein 4 1, da es in diesen ther sich

    erhoben habe, um mit ihr und inih r leben zu knnen undzu

    leben. Umgekehrthat dasIndividuumdas Recht zuforde rn,

    da die Wissenschaft ih m die Leiter wenigstens zu diesem

    Standpunkte reiche, ihm in ihm selbst denselben aufzeige 4 2.

    Sein Recht grndet sich auf seine absolute Selbstndigkeit,

    diees injeder Gestalt seines Wissens zu besitzen wei; denn

    37 entwickel t fehlt in A

    38 A : hat

    39 A : oder

    40 Der folgende Satz lautet in A : Wei l es die Unmittelbarkeit des

    Geistes, weil die Substanz berhaupt der Geist ist, ist sie die verklrteWesenheit, die Reflexion, die selbst einfach oder die Unmittelbarkeit ist,

    das Sein, das die Reflexion in sich selbst ist.41 ver langt . . . Selbstbewutsein - A : v o n ihrer Seite verlangt vom

    Selbstb ewuts ein

    42 ihm . . . aufzeige fehlt in A

    29

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    in jeder - sei sievon derWissenschaft anerkannt oder nicht,

    und der Inhalt sei welcher er wolle - ist es die absolute

    Form, d. h. es ist 4 3 dieunmittelbare Gewiheit seiner selbst

    und, wenn dieser Ausdruck vorgezogen wrde, damit unbe

    dingtes Sein. Wenn der Standpunkt des Bewutseins, von

    gegenstndlichen Dingen im Gegensatze gegen sich selbstund von sich selbst i mGegensatze gegen sie zu wissen,der

    Wissenschaft als das Andere das, worin es sich bei sich

    selbst wei 4 4 , vielmehr als derVerlust des Geistes - g i l t 4 5 ,

    so ist ihmdagegen das Element der Wissenschaft eine jen

    seitige Ferne, worin es nicht mehr sich selbst besitzt. Jeder

    von diesen beiden Teilen scheint fr denanderen dasVer

    kehrte derWahrheitzusein.Da dasnatrliche Bewutsein

    sich derWissenschaft unmittel bar anvertraut, istein Versuch,

    den es, eswei nicht von wasangezogen, macht, auch einmal

    auf demKopfe zu gehen; der Zw ang, diese ungewohnte

    Stellung anzunehmen und sichin ihr zubewegen, isteineso

    unvorbereitete als unntig scheinende Gewalt, die ihm ange

    mutet wird, sich anzutun. - Di e Wissenschaft sei an ihrselbst, was sie w i l l ; im Verhltnisse zumunmittelbaren

    Selbstbewutsein stellt sie sich als ein Verkehrtes gegen

    dieses4 6 dar; oder weil dasselbe in der Gewiheit seiner

    selbst dasPrinzip seiner Wirklichkeit hat 4 7 , trgt sie, indem

    es fr sich auer ihr ist, die Form derUnwirklichkeit. Sie

    hat darum solches48 Element mit ihrzuvereinigen oder viel

    mehr zu zeigen, da und wie es ihrselbst angehrt. Als

    solcher 4 9 Wirklichkeit entbehrend ist sie nur der Inhalt als 5 0

    das Ansich, derZweck, der erst noch einInneres, nichtals

    43 , d. h. es ist - A : zugleich oder hat

    44 sich bei sichselbst w e i - A :bei sichselbst ist

    45 gilt steht in A nach Andere

    46 A : es

    47 dasselbe . . . hat - A : das unmittelbare Selbstbewutsein das Prinzip

    der Wirklichkeit ist

    48 A : jenes

    49 Als solcher - A : Der

    50 der Inhalt als fehlt in A

    30

  • 8/12/2019 G.W.F. Hegel. Werke in 20 Bnden. Band 3

    30/591

    Geist, nurerst geistige Substanz ist.Dies Ansich51 hatsich

    zu uern und fr sich selbst zu werden; dies heit nichts

    anderes als: dasselbe 52 hat dasSelbstbewutsein alseins mit

    sichzusetzen.

    Dies Werden der Wissenschaft berhaupt oder des Wissens

    ist es, wasdiese Phnomenologie des Geistes darstellt5 3

    . DasWissen, wie es zuerst ist, oder derunmittelbare Geist ist das

    Geistlose, das 5 4 sinnliche Bewutsein. U m zum eigentlichen

    Wissen zu werden oder dasElement derWissenschaft, das 5 5

    ihr reiner Begriff selbst 5 6 ist, zuerzeugen, hat es sich durch

    einen langen Weg hindurchzuarbeiten.- Dieses Werden, wie

    es in seinem Inhalte und denGestalten, diesich ini hm zei

    gen, sich aufstellen w i r d 5 7 , wird nicht das sein, was man

    zunchst unter einer Anleitungdesunwissenschaftlichen Be

    wutseins zur Wissenschaft sich vorstellt 5 8 , auch etwas ande

    res als dieBegrndung der Wissenschaft, - so ohnehinals

    die Begeisterung, die wie aus derPistole mit dem absoluten

    Wissen unmittelbar anfngt und mitanderen Standpunkten

    dadurch schon fertig ist, da siekeine N o t i z davon zunehmen erklrt.

    Die Aufgabe 5 9 , das Individuum von seinem ungebildeten

    Standpunkte aus zum Wissen zu fhren, war inihrem a l l

    gemeinen Sinn zu fassen und das allgemeine Individuum,

    der selbstbewute Geist 6 0 , inseiner Bildung zubetrachten. -

    Was das Verhltnis beider betrifft, so zeigt sich indem a l l

    gemeinen Individuum jedes Moment, wie es die konkrete

    51 Dies Ansich - A : Sie

    52 A : sie

    53 darstel l t - A : , als dererste Teil des Systems derselben, darstel lt

    54 Geist lose, das - A :geist lose , oder ist das

    55 A : was

    56 selbst fehlt in A

    57 sich aufstellen w ird - A :au fge ste llt ist

    58 w i r d . . . vorstel l t - A : erscheint als etwas anderes denn als die

    Anleitung des unwissenschaftlichen Bewutse ins zur Wissenschaft

    59 A : A ufg abe aber

    60 selbstbewute Geist - A : Weltgeist

    31

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    31/591

    Form und eigene Gestaltung gewinnt. Dasbesondere Indi

    viduum ist 6 1 der unvollstndige Geist, eine konkrete Gestalt,

    in deren ganzem Dasein eine Bestimmtheit herrschend ist 6 2

    und worin dieanderen nur inverwischten Zgen vorhanden

    sind. In dem Geiste, derhher stehtals einanderer, ist das

    niedrigere konkrete Dasein zu einem unscheinbarenM o mente herabgesunken; was vorher dieSache selbst war, ist

    nur noch eine Spur; ihre Gestalt ist eingehllt und eine ein

    fache Schattierung geworden. Diese Vergangenheit durch

    luft das Individuum, dessen Substanz der hherstehende

    Geist ist, in derWeise,wie der,welcher 6 3 eine hhere Wis

    senschaft vornimmt, die Vorbereitungskenntnisse, die er

    lngst innehat, um sich ihren Inhalt gegenwrtig zumachen,

    durchgeht; er ruft dieErinnerung derselben 6 4 zurck, ohne

    darin sein Interesse undVerweilen zu haben. Der Einzelne

    mu auch dem Inhalte nach die Bildungsstufen des allge

    meinen Geistes durchlaufen 6 5 , aber als vom Geiste schon

    abgelegte Gestalten, als Stufen eines Wegs, der ausgearbeitet

    und geebnet ist; so sehen wi r in Ansehung derKenntnissedas, was infrheren Zeital tern den reifen Geist derMnner

    beschftigte, zu Kenntnissen, bungen und selbst Spielen

    des Knabenalters herabgesunken undwerden in dempd

    agogischen Fortschreiten die wie im Schattenrisse nachge

    zeichnete Geschichte derBildung der Welt erkennen 6 6 . Dies

    vergangene Dasein ist bereits erworbenes Eige nt um des

    allgemeinen Geistes,der dieSubstanz des Individuums undso ihm uerlich erscheinend seine unorganische N a t u r 6 7

    61 A : aber ist

    62 in . . . herrschend ist - A : deren ganzes Dasein einer Bestimmung

    zufllt

    63 in der Weise . . . welcher - A : auf die Art , wie der

    64 A : desselben

    65 Der Einzelnem u . . . durchlaufen - A : Sodurchluft jeder Einzelne

    auch die Bildungsstufen des allgemeinen Geistes

    66 sosehen wir . . . herabgesunken und werden . . . erkennen - A : wie

    wir . . . herabgesunken sehenund . . . erkennen werden

    67 und so ihmuerlich erscheinend seine unorganischeN a t u r - A : od er

    seineunorganische Natur

    3 2

  • 8/12/2019 G.W.F. Hegel. Werke in 20 Bnden. Band 3

    32/591

    ausmacht. - 6 8 D i e Bildung in dieser Rcksicht besteht, von

    der Seite des Individuumsausbetrachtet, darin, da es dies

    Vorhandene erwerbe, seine unorganische Natur in sich zehre

    und frsichin Besitz nehme. Dies ist aber von derSeitedes

    allgemeinen Geistes als der Substanz nichts anderes, als da

    diese sich ihr Selbstbewutsein gibt, ihrWerden undihreReflexion in sich hervorb ringt.

    Die Wissenschaft stellt sowohl diese bildende Bewegung 6 9 in

    ihrer Ausfhrlichkeit und Notwendigkeit als [auch] das,

    was schon zumMomente undEigentum des Geistes herab

    gesunken ist, in seiner Gestaltung dar. DasZiel ist die E in

    sicht des Geistes in das, was dasWissen ist. Die Ungeduld

    verlangt das Unmgliche, nmlich die ErreichungdesZiels

    ohne dieMi t te l . Einesteils ist dieLnge dieses Wegs zu er

    tragen, denn jedes Moment istnotwendig; - andernteilsist

    bei jedem sich zu verweilen, denn jedes ist selbst eine indi

    viduelle ganze Gestalt und wird nur absolut betrachtet,in

    sofern seine Bestimmtheit als Ganzes oder Konkretes oder

    das Ganze in der Eigentmlichkeit dieser Bestimmungbetrachtet wird. - 7 0Wei l dieSubstanz des Individuums, weil

    sogar derWeltgeist dieGedul d gehabt, diese Form en in der

    langen Ausdehnung der Zeit zu durchgehen und die unge-

    68 Die folgende Stelle lautet in A : D i e Bildung des Individuums in dieser

    Rcksicht besteht, von seiner Seite aus betrachtet, darin, da es dies Vor

    handene erwerbe, seine unorganische Natur in sich zehre und fr sich in

    Besitz nehme. Dies ist aber ebensosehr nichts anderes, als da der allge

    meine Geist oder die Substanz sich ihr Se lbstbewutse in gibt oder ihr

    Werden oder ihre Reflexion in sich.

    69 ABC: d iese bildende Bewegung sowohl

    70 Die folgende Stelle lautet in A : Wei l die Substanz des Individuums,

    weil der Weltgeist die Geduld gehabt, dieseFormen in der langen Ausdeh

    nung der Zeit zu durchgehen und die ungeheure Arbeit der Weltgeschichte

    zu bernehmen, und weil er durch keine geringere dasBewu tsei n ber sich

    erreichen konnte, so kann zwar das Individuum nicht mit weniger seine

    Substanz begreifen; inzwischen hat es zugleich geringere M h e , weil an

    sich dies vollbracht, - der Inhalt schon die zur Mgl i chke i t getilgte Wirk

    lichkeit und die bezwungene Unmittelbarkeit ist. Schon ein gedachtes ist er

    Eigentum der In d i v i d u a l i t t ; es ist nicht mehr das Dasein in das Ansich-sein, sondern nur das Ansich in die Form des Frsichseins umzukehren,dessenArt nher zu bestimmen ist.

    33

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    33/591

    heure Arbeit der Weltgeschichte, inwelcher er in jederden

    ganzen Gehalt seiner, dessen sie fhig ist, herausgestaltete,

    zu bernehmen, undweil er durch keine geringere das Be

    wutsein ber sich erreichen konnte, sokann zwa r derSache

    nach das Individuum nicht mit weniger seine Substanz

    begreifen; inzwischen hat es zugleich geringere Mhe, weilan sich dies vollbracht,der Inhalt schon die zurMglichkeit

    getilgte Wirklichkeit, die bezwungene Unm itte lbarke it, die

    Gestaltung bereits auf ihre Abbreviatur, auf die einfache

    Gedankenbestimmung, herabgebracht ist.Schon ein Gedach

    tes, ist derInhalt Eigentum derSubstanz; es ist nicht mehr

    das Dasein in die Form des Ansichseins, sondern nur dasweder mehr blo ursprngliche noch in das Dasein ver

    senkte, vielmehr bereits erinnerte Ansich in die Form des

    Frsichseins umzukehren. Die A r tdieses Tuns istnheran

    zugeben.7 1Was auf demStandpunkte, auf dem wirdiese Bewegung

    hier aufnehmen, am Ganzen erspart ist, ist das Aufheben

    des Daseins; was aber noch brig istund der hheren Umbildung bedarf, ist die Vorstellung und die Bekanntschaft

    mit den Formen. Das in die Substanz zurckgenommene

    Dasein ist durch jene erste Negation nur erst unmittelbar in

    das Element des Selbsts versetzt; dieses ihm erworbene

    Eigentum hat also noch denselben Char ak te r unbegriffener

    71 Der folgende Absatz lautet in A : Was dem Individuum an dieser Be

    wegung erspart ist, ist das Aufheben des Daseins; was aber noch brig ist,

    ist die Vorstellung und die Bekanntschaft mit den Formen. Das in dieSubstanz zurckgenommene Dasein ist durch jene Negation nur erst

    unmittelbar in das Element des Selbsts versetzt; es hat alsonoch denselben

    Charakter der unbegriffenen Unmittelbarkeit oder unbewegten Gleich

    glt igkei t als das Dasein selbst, oder es ist nur in die Vorstellungbergegangen. - Zugleich ist es dadurch ein Bekanntes, ein solches, mit dem

    der Geist fertig geworden, worin daher seine Tt igke i t und somit seinInteresse nicht mehr ist. Wenn die Tt igke i t , die mit dem Dasein fertig

    wird, die unmittelbare oder daseiende Vermittlung und hiermit die Bewe

    gung nur des besonderen, sich nicht begreifenden Geistes ist, so ist dagegen

    das Wissen gegen die hierdurch zustande gekommene Vorstellung, gegen

    dies Bekanntsein gerichtet, ist das Tun des allgemeinen Selbsts und dasInteresse des Denkens.

    34

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    34/591

    Unmittelbarkeit, unbewegter Gleichgltigkeit wie das Da

    sein selbst; dieses ist so nur in die Vorstellung bergegangen.

    - Zugleich ist es damit ein Bekanntes, ein solches, mit dem

    der daseiende Geist fertig geworden, worin daher seine

    Ttigkeit und somit sein Interesse nicht mehr ist. Wenn die

    Ttigkeit, die mit dem Dasein fertig wird, selbst nur die Bewegung des besonderen, sich nicht begreifenden Geistes ist,

    so ist dagegen das Wissen gegen die hierdurch zustande ge

    kommene Vorstellung, gegen dies Bekanntsein gerichtet; es

    ist Tun des allgemeinen Selbsts und das Interesse des Den

    kens.

    Das Bekannte berhaupt ist darum, weil es bekannt ist,

    nicht erkannt. Es ist die gewhnlichste Selbsttuschung wie

    Tuschung anderer, beim Erkennen etwas als bekannt vor

    auszusetzen und es sich ebenso gefallen zu lassen; mit allem

    H in - und Herreden kommt solches Wissen, ohne zu wissen

    wie ihm geschieht, nicht von der Stelle. Das Subjekt und

    Objekt usf., G ot t, Natur , der Verstand, die Sinnlichk eit usf.

    werden unbesehen als bekannt und als etwas Gltiges zugrunde gelegt und machen feste Punkte sowohl des Aus

    gangs als der Rckkehr aus. Die Bewegung geht zwischen

    ihnen, die unbewegt bleiben, hin und her und somit nur auf

    ihrer Oberflche vor. So besteht auch das Auffassen und

    Prfen darin, zu sehen, ob jeder das von ihnenGesagte auch

    in seiner Vorstellung findet, ob es ihm so scheint und bekannt

    ist oder nicht.

    Das Analysieren einer Vorstellung, wie es sonst getrieben

    worden, war schon nichts anderes als das Aufheben der

    Form ihres Bekanntseins. Eine Vorstellung in ihre ursprng

    lichen Elemente auseinanderlegen, ist das Zurckgehen zu

    ihren Momenten, die wenigstens nicht die Form der vor

    gefundenen Vorstellung haben, sondern das unmittelbareEigentum des Selbsts ausmachen. Diese Analyse kommt

    zwar nur zu Gedanken, welche selbst bekannte, feste und

    ruhende Bestimmungen sind. Aber ein wesentliches Moment

    ist dies Geschiedene, Unwirkliche selbst; denn nur darum,

    35

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    35/591

    da das Konk re te sich scheidet und zum Unw ir klic he n

    macht, ist es das sich Bewegende. Die Ttigkeit des Scheidens

    ist die Kraft und Arbeit des Verstandes, der verwunder

    samsten und grten oder vielmehr der absoluten Macht.

    Der Kreis, der in sich geschlossen ruht und als Substanz

    seine Momente hlt, ist das unmittelbare und darum nichtverwundersame Verhltnis. Aber da das von seinem U m

    fange getrennte Akzidentelle als solches, das Gebundene

    und nur in seinem Zusammenhange mit anderem Wirkliche

    ein eigenes Dasein un d abgesonderte Freiheit gewinnt, ist

    die ungeheure Macht des Negativen; es ist die Energie des

    Denkens, des reinen Ichs. Der Tod, wenn wir jene Unwirk

    lichkeit so nennen wollen, ist das Furchtbarste, und das

    Tote festzuhalten das, was die grte Kraft erfordert. Die

    kraftlose Schnheit hat den Verstand, weil er ihr dies zu

    mutet, was sie nicht vermag. Aber nicht das Leben, das sich

    vor dem Tode scheut und von der Verwstung rein bewahrt,

    sondern das ihn ertrgt und in ihm sich erhlt, ist das Leben

    des Geistes. Er gewinnt seine Wahrheit nur, indem er in derabsoluten Zerrissenheit sich selbst findet. Diese Macht ist er

    nicht als das Positive, welches von dem Negativen weg

    sieht, wie wenn wir von etwas sagen, dies ist nichts oder

    falsch, und nun, damit fertig, davon weg zu irgend etwas

    anderem bergehen; sondern er ist diese Macht nur, indem

    er dem Negativen ins Angesicht schaut, bei ihm verweilt.

    Dieses Verweilen ist die Zauberkraft, die es in das Sein umkehrt. - Sie ist dasselbe, was oben das Subjekt genannt

    worden, welches darin, da es der Bestimmtheit in seinem

    Elemente Dasein gibt, die abstrakte, d. h. nur berhaupt

    seiende Unmittelbarkeit aufhebt und dadurch die wahrhafte

    Substanz ist, das Sein oder die Unmittelbarkeit, welche nicht

    die Vermittlung auer ihr hat, sondern diese selbst ist.Da das Vorgestellte Eigentum des reinen Selbstbewutseins

    wird, diese Erhebung zur Allgemeinheit berhaupt ist nur

    die eine Seite, noch nicht die vollendete Bi ldu ng . - Die A r t

    des Studiums der alten Zeit hat diese Verschiedenheit von

    36

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    36/591

    dem der neueren, da jenes die eigentliche Durchbildung des

    natrlichen Bewutseins war. A n jedem Teile seines Daseins

    sich besonders versuchend und ber alles Vorkommende

    philosophierend, erzeugte es sich zu einer durch und durch

    bettigten Allgemeinheit. In der neueren Zeit hingegen fin

    det das Individuum die abstrakte Form vorbereitet; die Anstrengung, sie zu ergreifen und sich zu eigen zu machen, ist

    mehr das unvermittelte Hervortreiben des Innern und ab

    geschnittene Erzeugen des Allgemeinen als ein Hervorgehen

    desselben aus dem Konkreten und der Mannigfaltigkeit des

    Daseins. Jetzt besteht darum die Arbeit nicht so sehr darin,

    das Individuum aus der unmittelbaren sinnlichen Weise zu

    reinigen und es zur gedachten und denkenden Substanz zu

    machen, als vielmehr in dem Entgegengesetzten, durch das

    Aufheben der festen, bestimmten Gedanken das Allgemeine

    zu verwirkl ichen und zu begeisten. Es ist aber weit schwerer,

    die festen Gedanken in Flssigkeit zu bringen, als das sinn

    liche Dasein. Der Grund ist das vorhin Angegebene; jene

    Bestimmungen haben das Ich, die Macht des Ne gativen oderdie reine Wirk li ch keit zur Substanz und zu m Element ihres

    Daseins; die sinnlichen Bestimmungen dagegen nur die un

    mchtige abstrakte Unmittelbarkeit oder das Sein als solches.

    Die Gedanken werden flssig, indem das reine Denken, diese

    innere Unmittelbarkeit, sich als Mome nt erkennt, oder in

    dem die reine Gewiheit seiner selbst von sich abstrahiert,

    - nicht sich weglt, auf die Seite setzt, sondern das Fixeihres Sichselbstsetzens aufgibt, sowohl das Fixe des reinen

    Konkreten, welches Ich selbst im Gegensatze gegen unter

    schiedenen Inhalt ist, als das Fixe von Unterschiedenen, die,

    im Elemente des reinen Denkens gesetzt, an jener Unbe

    dingtheit des Ich Anteil haben. Du rc h diese Bewegung wer

    den die reinen Gedanken Begriffe und sind erst, was sie inWahrheit sind, Selbstbewegungen, Kreise, das, was ihre

    Substanz ist, geistige Wesenheiten.

    Diese Bewegung der reinen Wesenheiten macht die Natur

    der Wissenschaftlichkeit berhaupt aus. Als der Zusammen-

    37

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    hang ihres Inhalts betrachtet, ist sie die Notwendigkeit und

    Ausbreitung desselben zum organischen Ganzen. Der Weg,

    wodurch der Begriff des Wissens erreicht wird, wird durch

    sie gleichfalls ein notwendiges und vollstndiges Werden, so

    da diese Vorbereitung aufhrt, ein zuflliges Philosophie

    ren zu sein, das sich an diese und jene Gegenstnde, Verhltnisse und Gedanken des unvollkommenen Bewutseins,

    wie die Zuflligkeit es mit sich bringt, anknpft oder durch

    ein hin und her gehendes Rsonnement, Schlieen und Fo l

    gern aus bestimmten Gedanken das Wahre zu begrnden

    sucht; sondern dieser Weg wird durch die Bewegung des

    Begriffs die vollstndige Weltl ichkeit des Bewutseins in

    ihrer Notwendigkeit umfassen.

    Eine solche Darstellung macht ferner den ersten Teil der

    Wissenschaft darum aus, weil das Dasein des Geistes als

    Erstes nichts anderes als das Unmittelbare oder der Anfang,

    der Anfang aber noch nicht seine Rckkehr in sich ist. Das

    Element des unmittelbaren Daseins ist daher die Bestimmt

    heit, wodurch sich dieser Teil der Wissenschaft von denanderen unterscheidet. - Die Angabe dieses Unterschiedes

    fhrt zur Errterung einiger fester Gedanken, die hierbei

    vorzukommen pflegen.

    Das unmittelbare Dasein des Geistes, das Bewutsein, hat

    die zwei Momente des Wissens und der dem Wissen negati

    ven Gegenstndlichkeit. Indem in diesem Elemente sich der

    Geist entwickelt und seine Momente auslegt, so kommt ihnen

    dieser Gegensatz zu, und sie treten alle als Gestalten des

    Bewutseins auf. Die Wissenschaft dieses Wegs ist Wissen

    schaft der Erfahrung, die das Bewutsein macht; die Sub

    stanz wird betrachtet, wie sie und ihre Bewegung sein Ge

    genstand ist. Das Bewutsein wei und begreift nichts, als

    was in seiner Erfahrung ist; denn was in dieser ist, ist nurdie geistige Substanz, und zwar als Gegenstand ihres Selbsts.

    Der Geist wird aber Gegenstand, denn er ist diese Bewe

    gung, sich ein Anderes, d. h. Gegenstand seines Selbsts zu

    werden und dieses Anderssein aufzuheben. U n d die Erfah-

    38

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    rung wird eben diese Bewegung genannt, worin das Un

    mittelbare, das Unerfahrene, d. h. das Abstrakte, es sei des

    sinnlichen Seins oder des nur gedachten Einfachen, sich ent

    fremdet und dann aus dieser Entfremdung zu sich zurck

    geht und hiermit jetzt erst in seiner Wirklichkeit und Wahr

    heit dargestellt wie auch Eigentum des Bewutseins ist.Die Ungleichheit, die im Bewutsein zwischen dem Ich und

    der Substanz, die sein Gegenstand ist, stattfindet, ist ihr

    Unterschied, das Negative berhaupt. Es kann als der Man

    gel beider angesehen werden, ist aber ihre Seele oder das

    Bewegende derselben; weswegen einige Alte das Leere als

    das Bewegende begriffen, indem sie das Bewegende zwarals das Negative, aber dieses noch nicht als das Selbst er

    faten. - Wenn nun dies Negative zunchst als Ungleichheit

    des Ichs zum Gegenstande erscheint, so ist es ebensosehr die

    Ungleichheit der Substanz zu sich selbst. Was auer ihr vor

    zugehen, eine Ttigkeit gegen sie zu sein scheint, ist ihr

    eigenes Tun, und sie zeigt sich wesentlich Subjekt zu sein.

    Indem sie dies vollkommen gezeigt, hat der Geist sein Dasein seinem Wesen gleichgemacht; er ist sich Gegenstand, wie

    er ist, und das abstrakte Element der Unmittelbarkeit und

    der Trennung des Wissens und der Wahrheit ist berwunden.

    Das Sein ist absolut vermitte lt ; - es ist substantieller In

    halt, der ebenso unmittelbar Eigentum des Ichs, selbstisch

    oder der Begriff ist. Hiermit beschliet sich die Phnomenologie des Geistes. Was er in ihr sich bereitet, ist das Element

    des Wissens. In diesem breiten sich nun die Momente des

    Geistes in der Form der Einfachheit aus, die ihren Gegen

    stand als sich selbst wei. Sie fallen nicht mehr in den Ge

    gensatz des Seins und Wissens auseinander, sondern bleiben

    in der Einfachheit des Wissens, sind das Wahre in der Form

    des Wahren, und ihre Verschiedenheit ist nur Verschiedenheit des Inhalts. Ihre Bewegung, die sich in diesem Elemente

    zum Ganzen organisiert, ist die Logik oder spekulative

    Philosophie.

    Weil nun jenes System der Erfahrung des Geistes nur die

    39

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    Erscheinung desselben befat, so scheint der Fortgang von

    ihm zur Wissenschaft des Wahren, das in der Gestalt des

    Wahren ist, blo negativ zu sein, und man knnte mit dem

    Negativen als dem Falschen verschont bleiben wollen und

    verlangen, ohne weiteres zur Wahrheit gefhrt zu werden;

    wozu sich mit dem Falschen abgeben? - Wovon schon obendie Rede war, da sogleich mit der Wissenschaft sollte ange

    fangen werden, darauf ist hier nach der Seite zu antworten,

    welche Beschaffenheit es mit dem Negativen als Falschem

    berhaupt hat. Die Vorstellungen hierber hindern vor

    nehmlich den Eingang zur Wahrheit. Dies wird Veranlassung

    geben, vom mathematischen Erkennen zu sprechen, welches

    das unphilosophische Wissen als das Ideal ansieht, das zu

    erreichen die Philosophie streben mte, bisher aber ver

    geblich gestrebt habe.

    Das Wahre und Falsche gehrt zu den bestimmten Gedan

    ken, die bewegungslos fr eigene Wesen gelten, deren eines

    drben, das andere hben ohne Gemeinschaft mit dem an

    dern isoliert und fest steht. Dagegen mu behauptet werden, da die Wahrheit nicht eine ausgeprgte Mnze ist,

    die fertig gegeben und so eingestrichen werden kann. Noch

    gibt es ein Falsches, sowenig es ein Bses gibt. So schlimm

    zwar als der Teufel ist das Bse und Falsche nicht, denn als

    dieser sind sie sogar zum besonderen Subjekte gemacht; als

    Falsches und Bses sind sie nur Allgemeine, haben aber doch

    eigene Wesenheit gegeneinander. - Das Falsche (denn nur

    von ihm ist hier die Rede) wre das Andere, das Negative

    der Substanz, die als Inhalt des Wissens das Wahre ist. Aber

    die Substanz ist selbst wesentlich das Negative, teils als

    Unterscheidung und Bestimmung des Inhalts, teils als ein

    einfaches Unterscheiden, d. h. als Selbst und Wissen ber

    haupt. Man kann wohl falsch wissen. Es wird etwas falschgewut, heit, das Wissen ist in Ungleichheit mit seiner

    Substanz. Al lein eben diese Ungleichheit ist das Unterschei

    den berhaupt, das wesentliches Moment ist. Es wird aus

    dieser Unterscheidung wohl ihre Gleichheit, un d diese ge-

    40

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    wordene Gleichheit ist die Wahrheit. Aber sie ist nicht so

    Wahrheit, als ob die Ungleichheit weggeworfen worden

    wre wie die Schlacke vom reinen Metall , auch nicht einmal

    so, wie das Werkzeug vo n dem fertigen Gefe wegbleibt,

    sondern die Ungleichheit ist als das Negative, als das Selbst

    im Wahren als solchem selbst noch unmittelbar vorhanden.Es kann jedoch darum nicht gesagt werden, da das Falsche

    ein Moment oder gar einen Bestandteil des Wahren aus

    mache. Da an jedem Falschen etwas Wahres sei, - in die

    sem Ausdrucke gelten beide, wie l und Wasser, die un

    mischbar nur uerlich verbunden sind. Gerade um der

    Bedeutung willen, das Moment des vollkommenen Anders

    seinszu bezeichnen, mssen ihre Ausdrcke da, wo ihr A n

    derssein aufgehoben ist, nicht mehr gebraucht werden. So

    wie der Ausdruck der Einheit des Subjekts und Objekts, des

    Endlichen und Unendlichen, des Seins und Denkens usf. das

    Ungeschickte hat, da Objekt und Subjekt usf. das bedeuten,

    was sie auer ihrer Einheit sind, in der Einheit also nicht

    als das gemeint sind, was ihr Ausdruck sagt, ebenso ist dasFalsche nicht mehr als Falsches ein Moment der Wahrheit.

    Der Dogmatismus der Denkungsart im Wissen und im Stu

    dium der Philosophie ist nichts anderes als die Meinung, da

    das Wahre in einem Satze, der ein festes Resultat ist oder

    auch der unmittelbar gewut wird, bestehe. Auf solche Fra

    gen: wann Csar geboren worden, wie viele Toisen ein

    Stadium betrug usf., soll eine nette Antwort gegeben werden, ebenso wie es bestimmt wahr ist, da das Quadrat der

    Hypotenuse gleich der Summe der Quadrate der beiden

    brigen Seiten des rechtwinkligen Dreiecks ist. Aber die

    Natur einer solchen sogenannten Wahrheit ist verschieden

    von der Natur philosophischer Wahrheiten.

    In Ansehung der historischen Wahrheiten, um ihrer ku rz zuerwhnen, insofern nmlich das rein Historische derselben

    betrachtet wird, wird leicht zugegeben, da sie das einzelne

    Dasein, einen Inhalt nach der Seite seiner Zuflligkeit und

    Willkr, Bestimmungen desselben, die nicht notwendig sind,

    4 i

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    betreffen. - Selbst aber solche nackte Wahrheiten, wie die

    als Beispiel angefhrten, sind nicht ohne die Bewegung des

    Selbstbewutseins. U m eine derselben zu kennen, mu viel

    verglichen, auch in Bchern nachgeschlagen oder, auf welche

    Weise es sei, untersucht werden; auch bei einer unmittelbaren

    Anschauung wird erst die Kenntnis derselben mit ihrenGrnden fr etwas gehalten, das wahren Wert habe, ob

    gleich eigentlich nur das nackte Resultat das sein soll, um

    das es zu tun sei.

    Was die mathematischen Wahrheiten betrifft, so wrde noch

    weniger der fr einen Geometer gehalten werden, der die

    Theoreme Euklids auswendig wte, ohne ihre Beweise, ohne

    sie, wie man im Gegensatze sich ausdrcken knn[t]e,

    inwendig zu wissen. Ebenso wrde die Kenntnis , die einer

    durch Messung vieler rechtwinkliger Dreiecke sich erwrbe,

    da ihre Seiten das bekannte Verhltnis zueinander haben,

    fr unbefriedigend gehalten werden. Die Wesentlichkeit

    des Beweises hat jedoch auch beim mathematischen Erkennen

    noch nicht die Bedeutung und Natur, Mo me nt des Resultatesselbst zu sein, sondern in diesem ist er vielmehr vorbei und

    verschwunden. Als Resultat ist zwar das Theorem ein als

    wahr eingesehenes. Ab er dieser hinzugekommene Umstan d

    betrifft nicht seinen Inhalt, sondern nur das Verhltnis zum

    Subjekt; die Bewegung des mathematischen Beweises gehrt

    nicht dem an, was Gegenstand ist, sondern ist ein der Sache

    uerliches Tun. So zerlegt sich die N a t u r des rechtwinkligen

    Dreiecks nicht selbst so, wie es in der Konstruktion darge

    stellt wird, die fr den Beweis des Satzes, der sein Verhltnis

    ausdrckt, ntig ist; das ganze Hervorbringen des Resultats

    ist ein Gang und Mittel des Erkennens. - Auch im philo

    sophischen Erkennen ist das Werden des Daseins als Daseins

    verschieden von dem Werden des Wesens oder der innerenNatur der Sache. Aber das philosophische Erkennen enthlt

    erstens beides, da hingegen das mathematische nur das Wer

    den des Daseins, d. h. des Seins der Natur der Sache im

    Erkennen als solchem darstellt . Frs andere vereinigt jenes

    42

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    auch diese beiden besonderen Bewegungen. Das innere Ent

    stehen oder das Werden der Substanz ist ungetrennt ber

    gehen in das uere oder in das Dasein, Sein fr Anderes,

    und umgekehrt ist das Werden des Daseins das sich Zurck

    nehmen ins Wesen. Die Bewegung ist so der gedoppelte

    Proze und Werden des Ganzen, da zugleich ein jedesdas andere setzt und jedes darum auch beide als zwei An

    sichten an ihm hat; sie zusammen machen dadurch das

    Ganze, da sie sich selbst auflsen und zu seinen Momenten

    machen.

    Im mathematischen Erkennen ist die Einsicht ein fr die

    Sache uerliches Tun; es folgt daraus, da die wahre Sache

    dadurch verndert wird. Das Mi t te l , Kon stru ktio n und Be

    weis, enthlt daher wohl wahre Stze; aber ebensosehr mu

    gesagt werden, da der Inhalt falsch ist. Das Dreieck wird

    in dem obigen Beispiele zerrissen und seine Teile zu anderen

    Figuren, die die Konstr uk ti on an ih m entstehen lt, ge

    schlagen. Erst am Ende wird das Dreieck wiederhergestellt,

    um das es eigentlich zu tun ist, das im Fortgange aus denAugen verloren wurde und nur in Stcken, die anderen

    Ganzen angehrten, vorkam. - Hier sehen wir also auch

    die Negativitt des Inhalts eintreten, welche eine Falschheit

    desselben ebensogut genannt werden mte als in der Be

    wegung des Begriffs das Verschwinden der festgemeinten

    Gedanken.

    Die eigentliche Mangelhaftigkeit dieses Erkennens aber be

    trifft sowohl das Erken nen selbst als seinen Stoff berhaupt.

    - Was das Erke nnen betrifft, so wird frs erste die Not

    wendigkeit der Konstruktion nicht eingesehen. Sie geht nicht

    aus dem Begriffe des Theorems hervor, sondern wird gebo

    ten, und man hat dieser Vorschrift, gerade diese Linien,

    deren unendlich7 2

    andere gezogen werden knnten, zu ziehen, blindlings zu gehorchen, ohne etwas weiter zu wissen,

    als den guten Glauben zu haben, da dies zur Fhrung des

    72" A : u ne nd li ch e

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    Beweises zweckmig sein werde. Hintennach zeigt sich

    denn auch diese Zweckmigkeit, die deswegen nur eine

    uerliche ist, weil sie sich erst hintennach beim Beweise

    zeigt. - Ebenso geht dieser einen Weg, der irgendwo an

    fngt, man wei noch nicht in welcher Beziehung auf das

    Resultat, das herauskommen soll. Sein Fortgang nimmtdiese Bestimmungen und Beziehungen auf und lt andere

    liegen, ohne da man unmittelbar einshe, nach welcher

    Notwendigkeit; ein uerer Zweck regiert diese Bewe

    gung.

    Die Evidenz dieses mangelhaften Erkennens, auf welche die

    Mathematik stolz ist und womit sie sich auch gegen die

    Philosophie brstet, beruht allein auf der Armut ihres

    Zwecks und der Mangelhaftigkeit ihres Stoffs und ist darum

    von einer A r t , die die Phi losophie verschmhen mu. -

    Ihr Zweck oder Begriff ist die Gre. Dies ist gerade das

    unwesentliche, begrifflose Verhltnis. Die Bewegung des

    Wissens geht darum auf der Oberflche vor, berhrt nicht

    die Sache selbst, nicht das Wesen oder den Begriff und istdeswegen kein Begreifen. - Der Stoff, ber den die Mathe

    matik den erfreulichen Schatz von Wahrheiten gewhrt, ist

    der Raum und das Eins. Der Raum ist das Dasein, worein

    der Begriff seine Unterschiede einschreibt als in ein leeres,

    totes Element, worin sie ebenso unbewegt und leblos sind.

    Das Wirkliche ist nicht ein Rumliches, wie es in der Mathe

    matik betrachtet wird; mit solcher Un wi rk li ch kei t, als die

    Dinge der Mathematik sind, gibt sich weder das konkrete

    sinnliche Anschauen noch die Philosophie ab. In solchem

    unwirklichen Elemente gibt es denn auch nur unwirkliches

    Wahres, d. h. fixierte, tote Stze; bei jedem derselben kann

    aufgehrt werden; der folgende fngt fr sich von neuem

    an, ohne da der erste sich selbst zum andern fortbewegteund ohne da auf diese Weise ein notwendiger Zusammen

    hang durch die Natur der Sache selbst entstnde. - Auch

    luft um jenes Pri nz ips und Elements wi ll en - und hierin

    besteht das Formelle der mathematischen Evidenz - das

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    Wissen an der Linie der Gleichheit fort. Denn das Tote, we il

    es sich nicht selbst bewegt, kommt nicht zu Unterschieden

    des Wesens, nicht zur wesentlichen Entgegensetzung oder

    Ungleichheit, daher nicht zum bergange des Entgegen

    gesetzten i n das Entgegengesetzte, nicht zur qual itat iven,

    immanenten, nicht zu r Selbstbewegung. Denn es ist dieGre, der unwesentliche Unterschied, den die Mathematik

    allein betrachtet. Da es der Begriff ist, der den Raum in

    seine Dimensionen entzweit und die Verbindungen derselben

    und in denselben bestimmt, davon abstrahiert sie; sie be

    trachtet z. B. nicht das Verhltnis der Linie zur Flche; und

    wo sie den Durchmesser des Kreises mit der Peripherie ver

    gleicht, stt sie auf die Inkommensurabilitt derselben,

    d. h. ein Verhltnis des Begriffs, ein Unendliches, das ihrer

    Bestimmung entflieht.

    Die immanente, sogenannte reine Mathematik stellt auch

    nicht die Zeit als Zeit dem Rume gegenber, als den zwei

    ten Stoff ihrer Betrachtung. Die angewandte handelt wo hl

    von ihr, wie von der Bewegung, auch sonst anderen wirklichen Di ngen; sie nimmt aber die synthetischen, d. h. Stze

    ihrer Verhltnisse, die durch ihren Begriff bestimmt sind, aus

    der Erfahrung auf und wendet nur auf diese Voraussetzun

    gen ihre Formeln an. Da die sogenannten Beweise solcher

    Stze, als der vom Gleichgewichte des Hebels, dem Ver

    hltnisse des Raums un d der Zeit in der Bewegung des

    Fallens usf., welche sie hufig gibt, fr Beweise gegeben und

    angenommen werden, ist selbst nur ein Beweis, wie gro

    das Bedrfnis des Beweisens fr das Erkennen ist, weil es,

    wo es nicht mehr hat, auch den leeren Schein desselben

    achtet und eine Zufriedenheit dadurch gewinnt. Eine Kr i t ik

    jener Beweise wrde ebenso merkwrdig als belehrend sein,

    um die Mathematik teils von diesem falschen Putze zu reinigen, teils ihre Grenze zu zeigen und daraus die Notwendig

    keit eines anderen Wissens. - Was die Zeit betrifft, von der

    man meinen sollte, da sie, zum Gegenstcke gegen den

    Raum, den Stoff des andern Teils der reinen Mathematik

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    ausmachen wrde, so ist sie der daseiende Begriff selbst. Das

    Prinzip der Gre, des begriff losen Unterschiedes, und das

    Prinzip der Gleichheit, der abstrakten unlebendigen Einheit,

    vermag es nicht, sich mit jener reinen Unruhe des Lebens

    und absoluten Unterscheidung zu befassen. Diese Negativi-

    tt wird daher nur als paralysiert, nmlich als das Eins,zum zweiten Stoffe dieses Erkennens, das, ein uerliches

    Tun, das Sichselbstbewegende zum Stoffe herabsetzt, um

    nun an ihm einen gleichgltigen, uerlichen, unlebendigen

    Inhalt zu haben.

    Die Philosophie dagegen betrachtet nicht [die] unwesent

    liche Bestimmung, sondern sie, insofern sie wesentliche ist;

    nicht das Abstrakte oder Unwirkliche ist ihr Element und

    Inhalt, sondern das Wirkliche, sich selbst Setzende und in

    sich Lebende, das Dasein in seinem Begriffe. Es ist der Pro

    ze, der sich seine Momente erzeugt und durchluft, und

    diese ganze Bewegung macht das Positive und seine Wahr

    heit aus. Diese schliet also ebensosehr das Negative in sich,

    dasjenige, was das Falsche genannt werden wrde, wenn esals ein solches betrachtet werden knnte, von dem zu ab

    strahieren sei. Das Verschwindende ist vielmehr selbst als

    wesentlich zu betrachten, nicht in der Bestimmung eines

    Festen, das vom Wahren abgeschnitten, auer ihm, man

    wei nicht wo, liegen zu lassen sei, so wie auch das Wahre

    nicht als das auf der andern Seite ruhende, tote Positive. Die

    Erscheinung ist das Entstehen und Vergehen, das selbst nicht

    entsteht und vergeht, sondern an sich ist und die Wirklich

    keit und Bewegung des Lebens der Wahrheit ausmacht. Das

    Wahre ist so der bacchantische Taumel, an dem kein Glied

    nicht trunken ist; und weil jedes, indem es sich absondert,

    ebenso unmittelbar [sich] auflst, ist er ebenso die durch

    sichtige und einfache Ruhe. In dem Gerichte jener Bewegungbestehen zwar die einzelnen Gestalten des Geistes wie die

    bestimmten Gedanken nicht, aber sie sind so sehr auch posi

    tive notwendige Momente, als sie negativ und verschwin

    dend sind. - In dem Ganzen der Bewegung, es als Ru he

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    aufgefat, ist dasjenige, was sich in ihr unterscheidet und

    besonderes Dasein gibt, als ein solches, das sich erinnert, auf

    bewahrt, dessen Dasein das Wissen von sich selbst ist, wie

    dieses ebenso unmittelbar Dasein ist.

    Von der Methode dieser Bewegung oder der Wissenschaft

    knnte es ntig scheinen, voraus das Mehrere anzugeben.Ihr Begriff liegt aber schon in dem Gesagten, und .ihre

    eigentliche Darstellung gehrt der Logik an oder ist viel

    mehr diese selbst. Denn die Methode ist nichts anderes als

    der Bau des Ganzen, in seiner reinen Wesenheit aufgestellt.

    Von dem hierber bisher Gangbaren aber mssen wir das

    Bewutsein haben, da auch das System der sich auf das,

    was philosophische Methode ist, beziehenden Vorstellungen

    einer verschollenen Bildung angehrt. - Wenn dies etwa

    renommistisch oder revolutionr lauten sollte, von welchem

    Tone ich mich entfernt wei, so ist zu bedenken, da der

    wissenschaftliche Staat, den die Mathematik herlieh - von

    Erklrungen, Einteilungen, Ax io me n, Reihen vo n Theore

    men, ihren Beweisen, Grundstzen und dem Folgern undSchlieen aus ihnen -, schon in der Meinung selbst wenig

    stens veraltet ist. Wenn auch seine Untauglichkeit nicht deut

    lich eingesehen wird, so wird doch kein oder wenig Gebrauch

    mehr davon gemacht, und wenn er nicht an sich mibilligt

    wird, [so wird er] doch nicht geliebt. Und wir mssen

    das Vorurteil fr das Vortreffliche haben, da es sich in den

    Gebrauch setze und beliebt mache. Es ist aber nicht schwer

    einzusehen, da die Manier, einen Satz aufzustellen, Grnde

    fr ihn anzufhren und den entgegengesetzten durch Grnde

    ebenso zu widerlegen, nicht die Form ist, in der die Wahrheit

    auftreten kann. Die Wahrheit ist die Bewegung ihrer an ihr

    selbst; jene Methode aber ist das Erkennen, das dem Stoffe

    uerlich ist. Darum ist sie der Mathematik, die, wie bemerkt, das begrifflose Verhltnis der Gre zu ihrem Pr in

    zip und den toten Raum wie das ebenso tote Eins zu ihrem

    Stoffe hat, eigentmlich und mu ihr gelassen werden. Auc