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Herausgegeben vo n de r Deutschen AIDS-Hilfe e.V. DieffenbachstraßeSS, 1000 Berliner 2. Auflage 11/92 Spendenkonten: Deutsch e Apotheker- und Ärzte-Bank, Berlin, Konto 0003500500 (BLZ10090603); Postgiroamt Berlin West, Konto 17900-10 5 (BLZ10010010) . Die D.A.H . ist als gemeinnützig un d mildtätig un d damit besonder s förderungswürdig anerkannt. Spenden sind daher steuerabzugsfähig . Detlev Meyer AIDS UND DIE ANGST Herausgegeben von der Deutschen AIDS-Hilfe e. V. DieffenbachstraBe 33, 1000 Berlin 61 . 2. Auflage 11/92 Spendenkonten: Deutsche Apotheker- und Ärzte-Bank, Berlin, Konto 0003500500 (BLZ10090603) ; Postgiroamt Berlin West, Konto 17900-105 (BLZ 100 10010). Die DAH. ist als gemeinnützig und mildtätig und damit besonders förderungswürdig anerkannt. Spenden sind daher steuerabzugsfähig. DetJev Meyer AIDS UND DIE ANGST

H erausgegeben von der Deutschen AIDS-Hilfe ... · Wünsche halt keine Impfstoffe entdecken und keine Viren besie-gen? Wenn Angst zum wirklichen und wahren Leben gehört, dann könnten

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Page 1: H erausgegeben von der Deutschen AIDS-Hilfe ... · Wünsche halt keine Impfstoffe entdecken und keine Viren besie-gen? Wenn Angst zum wirklichen und wahren Leben gehört, dann könnten

Herausgegeben vo n der Deutschen AIDS-Hilfe e.V.DieffenbachstraßeSS, 1000 Berliner 2 . Auflage 11/92Spendenkonten: Deutsch e Apotheker- und Ärzte-Bank, Berlin,Konto 0003500500 (BLZ10090603);Postgiroamt Berlin West, Konto 17900-105 (BLZ10010010) .Die D.A.H. ist als gemeinnützig un d mildtätig un d damit besonder sförderungswürdig anerkannt. Spenden sind daher steuerabzugsfähig .

Detlev Meyer

AIDS UND DIE ANGST

Herausgegeben von der Deutschen AIDS-Hilfe e. V. DieffenbachstraBe 33, 1000 Berlin 61 . 2. Auflage 11/92 Spendenkonten : Deutsche Apotheker- und Ärzte-Bank, Berlin, Konto 0003500500 (BLZ10090603) ; Postgiroamt Berlin West, Konto 17900-105 (BLZ 100 10010). Die DAH. ist als gemeinnützig und mildtätig und damit besonders förderungswürdig anerkannt. Spenden sind daher steuerabzugsfähig.

DetJev Meyer

AIDS UND DIE ANGST

Page 2: H erausgegeben von der Deutschen AIDS-Hilfe ... · Wünsche halt keine Impfstoffe entdecken und keine Viren besie-gen? Wenn Angst zum wirklichen und wahren Leben gehört, dann könnten

Risiken gab es,ich habe michaber nietesten lassen.Will es auchnicht wissen -aber manchmaleben doch.

Ich habe Angst,infiziert zu sein,gehe aber nichtzum Test, um meineLebensqualität nichtzu mindern, um mirden psychischen Druckzu ersparen.

Wenn ichgesundheitlichnicht okay bin,werde ich oftunsicher, weil ichnicht weiß, was derGrund dafür ist.

n dem »Märchen von einem, der auszog, das Fürchten zulernen« wird von den zwei Söhnen eines Vaters erzählt - ichbitte die Leserinnen des Faltblatts, sich die Freiheit zu

nehmen, die Grimm'schen Personen durch »Mutter« und »Toch-ter« zu ersetzen, falls dies Leseverständnis und Lesebereitschaftbefördern sollte -, »davon war der Älteste klug und gescheit undwußte sich in alles wohl zu schicken, der Jüngste aber war dumm,konnte nichts begreifen und lernen...« Vor allem verstand er sichauf eines nicht: auf das Fürchten, das Gruseln. Ihm war die Angstfremd, und das war ihm nicht recht geheuer: »Mir gruselt's nicht:das wird wohl eine Kunst sein, von der ich auch nichts verstehe.«Da dieses Märchen in einer Zeit spielt, in der das Wünschen nochgeholfen hat, hat es selbstverständlich ein gutes Ende, und dieletzten Worte dieses Lehr- und Lernstücks lauten: »Ja, nun weißich, was gruseln ist.«

Gehört in anderen Märchen zum Happy End die schöne Prinzes-sin und das halbe Königreich, so ist es hier die Angst, die Fähig-keit, Angst zu empfinden, die ein Leben bereichert, vervollkomm-net. Die Moral von der Geschieht' scheint also die zu sein: EinLeben ohne Angst ist nur ein halbes, eines, in dem etwas sehrWichtiges fehlt.

Wie steht es denn nun mit unseren Leben, hier und heute, im»AIDS-Zeitalter«, wo das Wünschen nicht mehr hilft, weilWünsche halt keine Impfstoffe entdecken und keine Viren besie-gen? Wenn Angst zum wirklichen und wahren Leben gehört, dannkönnten wir geradezu frohlocken: Die Angst ist in uns; wirwissen, daß sie in uns ist; wir können sie tausendfach benennen.Also führen wir ein erfülltes, pralles, rundum richtiges Leben, undmit hausväterlichem Stolz - oder gerührt wie eine Glucke - zeigenwir auf unsere Ängste, und eine jede rufen wir bei ihrem Namen.

Da ist die Angst vor dem HIV-Test, d. h. vor dem Testergebnis,was wieder heißt vor dem positiven Ergebnis. Mit dem Bescheid»Negativ« könnten wir schon leben, sicherlich auch nicht angstfrei,aber wir müßten uns um andere sorgen und nicht so sehr um uns.Weil wir die Gewißheit fürchten, lassen wir uns nicht testen, wasunser gutes Recht ist, aber verschafft uns das auch ein gutesGefühl?

Es heißt so schön: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß.Zu dumm, daß dieser Spruch nicht mehr gilt; denn keineswegssind die ungetesteten Schwulen und Lesben, die Drogengebrau-

Risiken gab es, ich habe mich abernie testen lassen. Will es auch nicht wissen -aber manchmal eben doch.

Ich habe Angst, infiziert zu sein, gehe aber nicht zum Test, um meine Lebensqualitätnicht zu mindern, um mir den psychischen Druck zu ersparen.

Wenn ich gesundheitlich nicht okay bin, werde ich oft unsicher, weil ich nicht weiß, was der Grund dafür ist.

I ndem »Märchen von einem, der auszog, das Fürchten zu : l~rnen«.wird von den zwei Söhnen eine~ Vate~s erzä?lt.- ich . bitte die LeserInnen des Faltblatts, sich die Freiheit zu

nehmen, die Grimm'schen Personen durch »Mutter« und »Toch-ter« zu ersetzen, falls dies Leseverständnis und Lesebereitschaft befördern sollte -, »davon war der Älteste klug und gescheit und wußte sich in alles wohl zu schicken, der Jüngste aber war dumm, konnte nichts begreifen und lernen ... « Vor allem verstand er sich auf eines nicht: auf das Fürchten, das Gruseln. Ihm war die Angst fremd, und das war ihm nicht recht geheuer: »Mir gruselt's nicht: das wird wohl eine Kunst sein, von der ich auch nichts verstehe.« Da dieses Märchen in einer Zeit spielt, in der das Wünschen noch geholfen hat, hat es selbstverständlich ein gutes Ende, und die letzten Worte dieses Lehr- und Lernstücks lauten: »Ja, nun weiß ich, was gruseln ist.«

Gehört in anderen Märchen zum Happy End die schöne Prinzes­sin und das halbe Königreich, so ist es hier die Angst, die Fähig­keit, Angst zu empfinden, die ein Leben bereichert, vervollkomm­net. Die Moral von der Geschicht' scheint also die zu sein: Ein Leben ohne Angst ist nur ein halbes, eines, in dem etwas sehr Wichtiges fehlt.

Wie steht es denn nun mit unseren Leben, hier und heute, im »AIDS-Zeitalter«, wo das Wünschen nicht mehr hilft, weil Wünsche halt keine Impfstoffe entdecken und keine Viren besie­gen? Wenn Angst zum wirklichen und wahren Leben gehört, dann könnten wir geradezu frohlocken: Die Angst ist in uns; wir wissen, daß sie in uns ist; wir können sie tausendfach benennen. Also führen wir ein erfülltes, pralles, rundum richtiges Leben, und mit hausväterlichem Stolz - oder gerührt wie eine Glucke - zeigen wir auf unsere Ängste, und eine jede rufen wir bei ihrem Namen.

Da ist die Angst vor dem HIV-Test, d. h. vor dem Testergebnis, was wieder heißt vor dem positiven Ergebnis. Mit dem Bescheid »Negativ« könnten wir schon leben, sicherlich auch nicht angstfrei, aber wir müßten uns um andere sorgen und nicht so sehr um uns. Weil wir die Gewißheit fürchten, lassen wir uns nicht testen, was unser gutes Recht ist, aber verschafft uns das auch ein gutes Gefühl?

Es heißt so schön: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Zu dumm, daß dieser Spruch nicht mehr gilt; denn keineswegs sind die ungetesteten Schwulen und Lesben, die Drogengebrau-

Page 3: H erausgegeben von der Deutschen AIDS-Hilfe ... · Wünsche halt keine Impfstoffe entdecken und keine Viren besie-gen? Wenn Angst zum wirklichen und wahren Leben gehört, dann könnten

Falls ich nun dochpositiv wäre,hätte ich Angst,meinen Partnerzu verlieren,meine Sexualitätals Last zu empfinden.Angst davor,meinen Partneranstecken zu können.

Ich verliere immermehr Freundeund Bekannte undmerke, wie sehr michdas beschäftigt,mich oft auch blockiert.Ich brauche viel vonmeiner Energie, umüber den Verlust vonnahestehenden Menschenhinwegzukommen.

Niemanden zu haben,mit dem ich überSterben und Todreden könnte,

cherlnnen, die Heteras und Heteros - habe ich auch niemandenvergessen? - diese beneidenswerten coolen Typen, die gefeit sindgegen die Angst vor AIDS, die mit beiden Beinen fest im Lebenstehen und keine weichen Knie kennen. Die Ungetesteten habenmit der Ungewißheit zu leben, mit dem Konjunktiv. Das ist dieZeit der Möglichkeit, in der alles denkbar ist, in der mit allemgerechnet werden muß. Alles ist möglich: der Tod des Partnersund sein langes Sterben vorher. Und vorstellbar ist die Angst,dieses Sterben nicht begleiten zu können, nicht die Kraft zu haben,dem Freund, der Freundin beizustehen. Vielleicht kommt der Ekelvor dem Verfall, und vielleicht kommen die Vorwürfe, vielleichtbricht es einfach aus einem heraus: Warum mußtest du auch wieein Wahnsinniger rumficken? Warum mußten es bei dir die hartenDrogen sein? Uns reicht doch auch ein Mann, ein Joint und einBier?

Wir haben Angst, daß uns das Leid der anderen ungerecht macht,ungeduldig, daß wir an uns Seiten entdecken, die wir nie aufschla-gen und lesen wollten. Wie werde ich sein, fragen wir bang, in derfurchtbaren Not? Und dann fragen wir: Wie werden die anderensein, wenn es mich erwischt? Wer wird dann noch da sein, wer zumir halten?

Wir haben Angst, die Traueranzeigen in den Schwulenzeitschriftenzu lesen, aber wir studieren sie mit dem schadenfrohen Interessefrisch Verwitweter, und auch davor fürchten wir uns: daß wirdenken, Glück gehabt, mein Name steht noch nicht in diesenschwarzumränderten Kästchen, an mir ist der Kelch vorüberge-gangen, und meine Freunde leben noch. Und dann blättern wirweiter, verweilen bei den Aktfotos von schönen starken Männernund ängstigen uns, die Angst zu vergessen und fürchten dieZerstreuung.

Schlechten Gewissens schaut der Schwule auf die Bodybuilder,und die Frauen schauen sehnsuchtsvoll auf die Babys. Darf ichdiesen Wunsch denn überhaupt zulassen, darf ich - bei meinemLeben und bei meinem Partner - mir denn ein Kind wünschendürfen? Also doch lieber den Test machen? Vor der Zeugung dieBlutentnahme, und dann warten und brav sein. Nur noch saubereSpritzen und elektronisch geprüfte Kondome? Kein Risiko einge-hen und darauf vertrauen, daß das Blut rein ist? Aber die Angstvor der schlimmen Nachricht ist doch zu groß, und um dieGesundheitsämter und Labors wird ein großer Bogen gemacht.Das täten unsere Gedanken auch zu gern, einen großen Bogenmachen um die Angst, um unsere tausend Ängste. Aber die nistenlicht an einem festen Ort i n unseren TCönfen. Her/en oder Seelen

Falls ich nun doch positiv wäre, hätte ich Angst, meinen Partner zu verlieren, meine Sexualität als Last zu empfinden. Angst davor, meinen Partner anstecken zu können.

Ich verliere immer mehr Freunde und Bekannte und merke, wie sehr mich das beschäftigt, mich oft auch blockiert. Ich brauche viel von meiner Energie, um über den Verlust von nahestehenden Menschen hinwegzukommen.

Niemanden zu haben, mit dem ich über Sterben und Tod reden könnte,

cherlnnen, die Heteras und Heteros - habe ich auch niemanden vergessen? - diese beneidenswerten coolen Typen, die gefeit sind gegen die Angst vor AIDS, die mit beiden Beinen fest im Leben stehen und keine weichen Knie kennen. Die Ungetesteten haben mit der Ungewißheit zu leben, mit dem Konjunktiv. Das ist die Zeit der Möglichkeit, in der alles denkbar ist, in der mit allem gerechnet werden muß. Alles ist möglich: der Tod des Partners und sein langes Sterben vorher. Und vorstellbar ist die Angst, dieses Sterben nicht begleiten zu können, nicht die Kraft zu haben, dem Freund, der Freundin beizustehen. Vielleicht kommt der Ekel vor dem Verfall, und vielleicht kommen die Vorwürfe, vielleicht bricht es einfach aus einem heraus: Warum mußtest du auch wie ein Wahnsinniger rumficken? Warum mußten es bei dir die harten Drogen sein? Uns reicht doch auch ein Mann, ein Joint und ein Bier?

Wir haben Angst, daß uns das Leid der anderen ungerecht macht, ungeduldig, daß wir an uns Seiten entdecken, die wir nie aufschla­gen und lesen wollten. Wie werde ich sein, fragen wir bang, in der furchtbaren Not? Und dann fragen wir: Wie werden die anderen sein, wenn es mich erwischt? Wer wird dann noch da sein, wer zu mir halten? .

Wir haben Angst, die Traueranzeigen in den Schwulenzeitschriften zu lesen, aber wir studieren sie mit dem schadenfrohen Interesse frisch Verwitweter, und auch davor fürchten wir uns: daß wir denken, Glück gehabt, mein Name steht noch nicht in diesen schwarzumränderten Kästchen, an mir ist der Kelch vorüberge­gangen, und meine Freunde leben noch. Und dann blättern wir weiter, verweilen bei den Aktfotos von schönen starken Männern und ängstigen uns, die Angst zu vergessen und fürchten die Zerstreuung.

Schlechten Gewissens schaut der Schwule auf die Bodybuilder, und die Frauen schauen sehnsuchtsvoll auf die Babys. Darf ich diesen Wunsch denn überhaupt zulassen, darf ich - bei meinem Leben und bei meinem Partner - mir denn ein Kind wünschen dürfen? Also doch lieber den Test machen? Vor der Zeugung die Blutentnahme, und dann warten und brav sein. Nur noch saubere Spritzen und elektronisch geprüfte Kondome? Kein Risiko einge­hen und darauf vertrauen, daß das Blut rein ist? Aber die Angst vor der schlimmen Nachricht ist doch zu groß, und um die Gesundheitsämter und Labors wird ein großer Bogen gemacht. Das täten unsere Gedanken auch zu gern, einen großen Bogen machen um die Angst, um unsere tausend Ängste. Aber die nisten nicht ::m pinpm fpstpn Ort in l1nsprpn Könfpn . Hpr7.pn nc!pr Spp!pn.

Page 4: H erausgegeben von der Deutschen AIDS-Hilfe ... · Wünsche halt keine Impfstoffe entdecken und keine Viren besie-gen? Wenn Angst zum wirklichen und wahren Leben gehört, dann könnten

wenn ich wuKte,daß mich das Viruserwischt hat -das macht Angst.

Was wäre, wenn...?Könnte ich mitdieser Wahrheit leben?Was würde ausmeinen Träumen,aus meinen Plänenund Erwartungen?Der Gedanke,sich mit denbeschränktenMöglichkeiten desHier und Jetztbegnügen zu müssen,ist beängstigend.

Mein Leben könntezu sehr von AIDSbestimmt werden.Vielleicht wäre ichunfähig, andereDinge als wichtigund wesentlichanzuerkennen.

Zitate aus einem Seminar der D.A.H.zum Thema »Angst vor AIDS«

sie sind nicht seßhaft, haben keine Anschrift, die wir aus unserenAdressenverzeichnissen streichen könnten. Irgendwo sind dieseÄngste immer, und wenn wir Glück haben, sind sie manchmalnicht gerade dort, wo unsere Gedanken und Gefühle verweilen.

Wie eine Flut ist die Angst, könnte gesagt werden, und dann wärees auch statthaft zu sagen: Es gibt die Gezeiten, es gibt Flut undEbbe. Wenn Ebbe herrscht, könnte weitergesponnen werden,dann ertrinken wir nicht in der Angst, dann müssen wir nicht dieLippen zusammenpressen, um uns vor dem Ersticken zu schützen.Wir könnten dann reden.

Wir müssen es wohl!

Und selbstverständlich und zu niemandes Überraschung folgt andieser Stelle der Hinweis auf die vielfältigen Gesprächsangeboteder AIDS-Hilfen. Und selbstverständlich und zu fast niemandesÜberraschung ist dies eine schöne Gelegenheit, die Angst zuvernachlässigen und ein wenig die Häme zu pflegen.

Da sitzen (bei den AIDS-Hilfen) auf feschen Freischwingern dieVerwalter der Furcht, die Wohlversorgten; da planen die Angestell-ten der Angst die aufbauendsten Wochenend-Serninare in denbehaglichsten Tagungsstätten, und nach dem Vollkost-Mittages-sen werden gruppendynamische Spielchen vorgeschlagen, beidenen durch gemeinsames Händchenhalten die Angst besiegtwerden soll.

Da Häme Seelen-Hygiene ist und Vorurteile - schön dosiert - denGeist entschlacken, muß hier nichts richtiggestellt werden. Wennes nicht so zynisch klänge, könnte man/frau sagen: Love it orleave it!, was wir lax übersetzen mit: Muß ja niemand... Wer abernicht an jedem Finger zehn Männer oder zehn Frauen hat, wernicht darauf vertrauen kann, dann einen aufmerksamen Zuhörer -welchen Geschlechts auch immer - zu finden, wenn das Redennotwendig wird, der sollte schon die nächste AIDS-Hilfe aufsu-chen oder anrufen.

Niemand verspricht, daß die Angst weggeplappert werden kann,daß man sich redend von ihr verabschiedet, aber möglich ist -mehr nicht -, daß der Angst ihre scheinbare Einmaligkeit genom-men werden kann, dieses Gefühl: So wie ich leidet niemand unterihr, und das will niemand wissen.

Wir können miteinander reden - wo auch immer, mit wem auchimmer - und wir können feststellen, daß das hilft.

wenn Ich wuJ,te, daß mich das Virus erwischt hat-das macht Angst.

Was wäre, wenn . .. ? Könnte ich mit dieser Wahrheit leben? Was würde aus meinen Träumen, aus meinen Plänen und Erwartungen? Der Gedanke, sich mit den beschränkten Möglichkeiten des Hier undjetzt begnügen zu müssen, ist beängstigend.

Mein Leben könnte zu sehr von AIDS bestimmt werden. Vielleicht wäre ich unfähig, andere Dinge als wichtig und wesentlich anzuerkennen.

Zitate aus einem Seminar der D.A. H. zum Thema »Angst vor AIDS«

sie sind nicht seßhaft, haben keine Anschrift, die wir aus unseren Adressenverzeichnissen streichen könnten. Irgendwo sind diese Ängste immer, und wenn wir Glück haben, sind sie manchmal nicht gerade dort, wo unsere Gedanken und Gefühle verweilen.

Wie eine Flut ist die Angst, könnte gesagt werden, und dann wäre es auch statthaft zu sagen: Es gibt die Gezeiten, es gibt Flut und Ebbe. Wenn Ebbe herrscht, könnte weitergesponnen werden, dann ertrinken wir nicht in der Angst, dann müssen wir nicht die Lippen zusammenpressen, um uns vor dem Ersticken zu schützen. Wir könnten dann reden.

Wir müssen es wohl!

Und selbstverständlich und zu niemandes Überraschung folgt an dieser Stelle der Hinweis auf die vielfältigen Gesprächsangebote der AIDS-Hilfen. Und selbstverständlich und zu fast niemandes Überraschung ist dies eine schöne Gelegenheit, die Angst zu vernachlässigen und ein wenig die Häme zu pflegen.

Da sitzen (bei den AIDS-Hilfen) auf feschen Freischwingern die Verwalter der Furcht, die Wohlversorgten; da planen die Angestell­ten der Angst die aufbauendsten Wochenend-Seminare in den behaglichsten Tagungsstätten, und nach dem Vollkost-Mittages­sen werden gruppendynamische Spielchen vorgeschlagen, bei denen durch gemeinsames Händchenhalten die Angst besiegt werden soll.

Da Häme Seelen-Hygiene ist und Vorurteile - schön dosiert - den Geist entschlacken, muß hier nichts richtiggestellt werden. Wenn es nicht so zynisch klänge, könnte man/frau sagen: Love it or leave it!, was wir lax übersetzen mit: Muß ja niemand ... Wer aber nicht an jedem Finger zehn Männer oder zehn Frauen hat, wer nicht darauf vertrauen kann, dann einen aufmerksamen Zuhörer­welchen Geschlechts auch immer - zu fmden, wenn das Reden notwendig wird, der sollte schon die nächste AIDS-Hilfe aufsu­chen oder anrufen.

Niemand verspricht, daß die Angst weggeplappert werden kann, daß man sich redend von ihr verabschiedet, aber möglich ist -mehr nicht -, daß der Angst ihre scheinbare Einmaligkeit genom­men werden kann, dieses Gefühl: So wie ich leidet niemand unter ihr, und das will niemand wissen.

Wir können miteinander reden - wo auch immer, mit wem auch immer - und wir können feststellen, daß das hilft.