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h 1 T r Der Leopoldstag oder Kein Menschenhass und keine Reue. 5 Eine lokale Posse in 3 Aufzügen. von Adolf Bäuerle 1816. 10

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h1 Tr

Der Leopoldstagoder

Kein Menschenhass und keineReue.5

Eine lokale Posse in 3 Aufzügen.von

Adolf Bäuerle1816.

10

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2Adolf Bäuerle

Jennyfer Großauer-Zöbinger (Hrsg.)

h1 Tv Personen.Leopold R e i c h h a r t , ein reicher Landwirth in KlosterneuburgC h r i s t o p h sein Sohn.Tobias von K n o l l , ein Kapitalist aus Wien.P o l y k a r p , sein Sohn. 5K a r o l i n e seine TochterWo h l m a n n , Richter in Klosterneuburg.S a l c h e n , seine TochterF r e y m u t h , ein OffizierH a n n s Bügel, ein Bauernbursche. 10Madame W ü r f e l , Wirthschafterin bei ReichhartLeopold W ü r f e l , ein Strumpfwirker aus Wien.K r a u s ein WachtmeisterDer Wirth beim goldenen HirschMehrere Gäste aus Wien, Musikanten, Bauern 15

(Die Handlung spielt am Leopoldstag in Klosterneuburg, und dauert einenganzen Tag.)|

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3h1 – Der Leopoldstag

http://lithes.uni-graz.at

h1 2r1 ActLandliche Stube bei Reichhart, mit Mittel und Seitenthür.

1. Scene.C h r i s t o p h und mehrere Landleute. Stehen an der Seitenthüre. H a n n s an

der andern Seite etwas im Vordergrunde.5

C h r i s t o p h . Wartet nur und seyd ruhig, macht kein Geräusch,ich höre den Vater kommen. Ich will das Wort führen, ich will ihm inEuern Nahmen zu seinen heutigen Feste Glück wünschen. Tretetzurück, jetzt kom‹m›t er.

2 Scene.10

Vorige. R e i c h h a r t . (aus der Seitenthür)R e i c h h a r t . Was giebt’s denn?C h r i s t o p h . Vater, wir sind da, Ihnen an Ihrem heutigen

Nahmensfeste Glück zu wünschen. Heut ist der glückliche Tag, aufden wir uns schon so lange gefreut haben.15

R e i c h h a r t . Es ist wahr, heute ist Leopoldi, heut’ ist meinNamensfest. Nun, ich dank’ Euch, ich dank Euch von Grund meinesHerzens. Ich weis, daß Ihr mir nichts Uebles wünscht, ich dank’ Euchtausendmahl!

H a n n s . Halt! Das ist nichts! Man muß ja ordentlich gratuliren.20Musje Christoph, so reden Sie doch!

C h r i s t o p h . Tausend Glück’ und Segen, lieber Vater, auf Ihreganze Lebenszeit! noch lange, lange möge Ihnen der heutige Tag inFreude, und Gesundheit wiederkehren, Gott lasse Sie noch viele Jahrevergnügt und heiter seyn, dann werden in diesem Hause Ordnung,25Fleiß und Einigkeit unter uns nicht fehlen.

R e i c h h a r t . Wie es Gott gefällt.H a n n s . O, wenn man nicht in Versen gratulirt, so kann das

unserm Herrgott nicht gefallen. Ich bitt ums Wort, ich hab’ einenSpruch in mir.30

R e i c h h a r t . Nun so rede.|h1 2vH a n n s . (monoton.)

Die schöne ‹Sonne› scheint heut’ gar einen schönen TagLeopoldi heißt das Fest, auf Bruder, gratulirt!Wir wünschen Glück und Freud, und niemahls eine Plag’35Wie’s Vater Leopold von jeher meritirt.Es möge Geld und Gut ihn immerfort erfreu’n,Drauf kommt ein bratner Fisch und auch ein Glasel Wein,Und wenn der Tisch sich biegt, dann werd’n wir lustig seyn.

(er macht einen Kratzfuß, die Bauern ebenfalls)40

R e i c h h a r t . Bravo, mein lieber Hanns! Nun, ich danke herzlich.An gebratenen Fischen und einen guten Wein solls auch nicht fehlen,schenkt mir Gott nur ferner noch Gesundheit und frohen Muth. Ichwerde schon sorgen, daß Ihr heute einen guten Schmaus bekommt; esist gar ein festlicher Tag. Das Leopoldifest ist für jeden Oesterreicher45

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4Adolf Bäuerle

Jennyfer Großauer-Zöbinger (Hrsg.)

ein herrlicher Feyertag, es ist die schöne Erinnerung an den heiligenSchutzpatron des Landes. Kinder, ich werde heute viel Gäste vonWien bekom‹m›en, richtet mir die obern Zimer her; ich erwarte denHerrn von Knoll und seine ganze Familie, vielleicht bringt er nocheinen guten Bekannten aus der Stadt mit, wir wollen uns vorsehen. 5

H a n n s . Ei, ja, die Wiener haben die Klosterneuburger gar gern.Die Gegend ist schön, und der Wein schmekt gut. Ich freue mich,wenn recht viele Gäste kom‹m›en.

R e i c h h a r t . Also tummelt Euch! Hanns, du bist heute meinerechte Hand, du wirst den Keller besorgen. Auch räumt mir Alles 10ordentlich auf, schaft’s die Erdäpfel aus dem Lusthaus, und dieKrautböding aus dem Salletel. In der Kegelbudel steht noch dieHanselbank, die muß auch weg; damit man ein wenig eine Komotionmachen kann, wann’s Essen geschmekt hat. Geh’ Hansel, nimm dichz’samen, damit eine Ehr’ aufheb’. 15

H a n n s . Laßt mich nur sorgen Vater Leopold. – Kom‹m›ts,Leutel, kom‹m›ts. (geht mit den Knechten ab, kehrt aber wieder um.) Herr,ich wünsch, daß’s Fleischessen gut anschlagt.

R e i c h h a r t . Du Narr! das wünscht man ja zu Ostern.H a n n s . Ist auch wahr! (ab.)| 20

h1 3r 3te Scen.R e i c h h a r t . C h r i s t o p h .

R e i c h h a r t . Christoph, was ist’s mit dir? Du bist seit einigerZeit wie ausgewechselt, hängst den Kopf, gehst herum, als wann dirdie Hüner ’s Brot gestohlen hätten. Seitdem, daß du in der Stadt 25warst, bist du nicht mehr zum kennen.

C h r i s t o p h . Mir fehlt nichts, lieber Vater.R e i c h h a r t . Das will ich auch hoffen. Hast du nicht Alles? bin

ich nicht reich? Brauchst du Geld, so darfst du’s nur sagen, und deinVater giebt dir’s. Willst’ ein Reitpferd, so kauf dir eins, willst’ eine 30neue Büchse auf die Schießstatt, ich schenk dir die meinige, sie ist einKunstwerk, mit Perlmutter und Silber ausgelegt. Alles kannst duhaben, aber mach mir kein trauriges Gesicht.

C h r i s t o p h . Ich bin ja lustig.R e i c h h a r t . Einen Teufel bist du lustig. Doch mir fehlt was ein! 35

du bist verliebt! die Richterstochter, die Salerl sticht dir in die Augen.Das Mädel ist sauber, und hat Geld; du hast Recht, sie gefallt mirselber. Heirath sie, der Vater ist ohnehin mein Freund, er wird gern Jasagen.

C h r i s t o p h . Lieber Vater. – 40R e i c h h a r t . Ey ja, ich weiß schon! Der Offizier, der beim

Richter öfters aus und ein geht, der geht dir ins Gehäge. Ja das mußtdu mit dem Mädel ausmachen, den mußt du selber aus dem Sattelheben, da kann ich nichts machen. Auch wird’s keine Kunst seyn, derMensch ist zu mürrisch. Laß den Kopf nicht sinken, die Mädeln sind 45schon so; das Gewand ist ihnen immer lieber als der Mann, einknappe Uniform und hübsch Gold darauf, und das Herz ist weg.Weist du was Christoph? Ich will selber mit der Salerl reden. Ich kannschön reden, ich weis einen ganzen Briefsteller auswendig, das könntedeine selige Mutter bezeugen. – Sey guten Muths, ich will dein 50

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5h1 – Der Leopoldstag

http://lithes.uni-graz.at

Freywerber seyn.C h r i s t o p h . Das wird nichts helfen.|

h1 3vR e i c h h a r t . Es muß helfen, sag’ ich dir. Sieh, ich dein Vater,schau’, ich soll’s nicht sagen, aber was wahr ist, ist wahr, und von derSeite kennst du mich noch nicht – Geh’ nur Christoph, heitere dich5aus, studire die Menschen, lies derweile im Schematismus, es stehenverschiedene Charaktere drin. Heute noch bist du Bräutigam, ichsteh’ dir dafür. Geh, mein Sohn, geh’ in die freie Luft, mach’ deinHerz frey, schieß derweile ein Paar Spatzen und vertreib dir dieGrillen.10

C h r i s t o p h . Ich will sehen, ob unsere Gäste bald kom‹m›en.R e i c h h a r t . Ist mir auch recht, nur mach’ kein trauriges

Gesicht. Bedenk’, daß du ein edler Klosterneuburger bist, die dürfennicht traurig seyn, am wenigsten heute.

C h r i s t o p h . (seufzt, küßt seinen Vater die Hand und geht ab.)15

4. Scen.R e i c h h a r t . (allein.) Das könnte ich brauchen; daß mir der Bub

melancholisch würde, warum nicht gar! Melancholisch! das ist eineansteckende Krankheit. Einen verdorbenen Magen kann man kuriren,aber keine verdorbenen Herzen. Nein, nein! mein einziger Sohn, du20mußt gesund und lustig seyn.

5. Scen.R e i c h h a r t . Madam W ü r f e l . (in einem rosenrothen altmodischen Kleid, am

liebsten von Tafet, ein kleines, ängstliches, geschmackloses Burgerhäubchen auf,todte Blumen auf dem Kopfe, einen ziemlich großen Fächer in der Hand, und25

einen gestickten Ridikül.)Mad: W ü r f e l . Herr Leopold! Gehorsame Dienerin! Ich wünsch

glückseliges neues Jahr zum Namenstag, Glück und Segen, einenBeutel Geld daneben (macht einen steifen Knix.) In der Gnad erhalten.

R e i c h h a r t . Gratias! Darum hab’ ich zu bitten. – Ey der30Tausend, wie haben S’ Ihnen angelegt!

Mad: W ü r f e l . Warum? Alles Ihnen zu Ehren. Ich hab’ heutemeine ganze Garderobe auf mir.|

h1 4rR e i c h h a r t . Gar zu gütig; das verdien’ ich nicht.Mad. W ü r f e l . O, Sie Mann, Sie! Sie verdienen noch mehr als35

das. Sie sind mein Wohlthäter. Sie haben sich um michangenom‹m›en, mir Dach und Fach gegeben, mich gespeist, undgetränkt, mich beschützt, mich so zu sagen geätzt und gepflegt, wieeinen jungen Canarinvogel, sonst wär’ ich vielleicht gar schon einOpfer des Kum‹m›ers, oder verführerische Mannsbilder hätten mein40leichtgläubiges Herz betrogen.

R e i c h h a r t . Daran wird’s nicht gefehlt haben.Mad: W ü r f e l . O, ich bitte Sie, thun Sie mir nicht Unrecht.R e i c h h a r t . Gott behüte! Aber der Wachtmeister Kraus.Mad: W ü r f e l . Ey es kraust sich nicht, lieber Herr Leopold. Es45

ist wahr, der Mensch setzt mir stark zu, aber es ist nichts, ich sag’Ihnen, es ist nichts.

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6Adolf Bäuerle

Jennyfer Großauer-Zöbinger (Hrsg.)

R e i c h h a r t . Werden Sie sich denn nicht mehr mit Ihrem HerrnGemahl vereinigen?

Mad: W ü r f e l . Mit meinem Poldel? – Wie ist mir denn? DemHallodri sein Namenstag ist ja heute auch? – Ach! (seufzt.) LieberPoldel! Ich gratulir dir! (faßt sich) Nein, vereinigen werd’ ich mich nicht 5mehr mit ihm.

R e i c h h a r t . Warum denn nicht?Mad: W ü r f e l . (hochdeutsch.) Er fliehet mich wie den Bösen Feind.R e i c h h a r t . Sie werden es halt darnach gemacht haben?Mad: W ü r f e l . Ich bin wie die gute Stund’ gewesen. Was ist denn 10

das, wenn ein Weib nur manchmal eine kleine Hauswatschenaustheilt? Das ist ein Spiel der Natur ins Gesicht; deshalb muß manein Weib nicht gleich verlassen.

R e i c h h a r t . Ich bedank’ mich für ein solches Spiel der Natur.A‹uch› hör’ ich, daß nicht er Sie, sondern Sie ihn verlassen haben. 15

Mad: W ü r f e l . Freylich ist’s so; aber könnte er darum nichtwieder zu mir zurückkehren? könnt er mich nicht aufsuchen, mirverzeihen, und dann nach Hause führen?|

h1 4v R e i c h h a r t . Das wird er halt nicht mögen.Mad: W ü r f e l . Freylich mag er nicht. 20R e i c h h a r t . Wo ist er denn jetzt?Mad: W ü r f e l . In Wien, wo er immer war.R e i c h h a r t . Und was ist er?Mad: W ü r f e l . Strumpfwirkermeister am Platzel beim silbernen

Zwickel. 25R e i c h h a r t . Den Schild kenn’ ich nicht.Mad: W ü r f e l . O, mir ist er sehr gut bekannt! Ach dieser silberne

Zwickel hat mein Herz mit Riesenkrallen gezwickt! (Pause, sie wischtsich eine Thräne mit komischer Bewegung aus den Augen.) Kennen Siemeinen Mann nicht? Ein lieber Mensch, frisch, wie ein Nußkern, 30lustig, wie ein Pudel, Schnaken hat er in ihm, ganze Nächte, kannman ihm zu hören: Und ein Herz! ein Herz! nachgiebig undausgedehnt wie ein Strumpf.

R e i c h h a r t . Und doch haben Sie in nicht mögen?Mad: W ü r f e l . Ich war dumm, Musie Leopold, ich war dumm, 35

und ohne mir zu schmeicheln, ich bin’s noch.R e i c h h a r t . Widersprechen wär’ eine Grobheit. Doch kom‹m›t

Zeit, kom‹m›t Rath.Mad: W ü r f e l . Hören Sie, ich hab’ an meinen Mann schon die

schönsten Brief geschrieben, ich hab’ ihm schon die besten 40Bothschaften sagen lassen – ’s hat Alles nicht genutzt. Ich hab ihmsogar schon durch meinen Bruder, der Trager auf der Mauth ist, sozureden lassen, daß er ein Paar Tage mußte’ z Haus bleiben, es hatAlles nichts genützt. Er will nichts von mir wissen, sagt er, ich wär’eine treulöse Verrätherin, sagt er, ich hätt’ ihn betrogen, sagt er, das 45schmerzt! (sie affektirt Thränen. Nach einer Pause:) Wissen Sie, MusieLeopold, was es ist? – Ein Marqueur war mein Unglück, der hat michabgeredet, ist mit mir davon gefahren, und das kann halt mein Mannnicht vergessen.

R e i c h h a r t . Ich glaub’s. Ich vergäß’ es auch nicht.| 50h1 5r Mad: W ü r f e l . Ich bin aber nicht gestorben.

R e i c h h a r t . Das ist’s eben.Mad: W ü r f e l . Ich bin ja noch frisch und gesund. Was will den

der Narr? Gar viele Weiber sind ihren Männern davon gegangen und

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7h1 – Der Leopoldstag

http://lithes.uni-graz.at

auf die letzte waren sie froh, daß sie’s wieder kriegt haben. Ich könnteGeschichten erzählen, da ist die meinige noch ein Lustspiel dagegen;doch ich schweige, man kann nicht wissen, ob einem nicht werzuhört. – Auf eins Bau ich. Ich war neulich in der Stadt, wie Siewissen, der Herr Vetter Knoll weis meine Leidensgeschichte, er kennt5meinen Man‹n›, er nim‹m›t ihn mit nach Klosterneuburg, sobald erherauskom‹m›t.

R e i c h h a r t . Was sagen Sie? der Herr Vetter Knoll kom‹m›t jaheute.

Mad. W ü r f e l . Heute? Gott steh’ mir bey, dann kom‹m›t mein10Poldel auch.

R e i c h h a r t . Wer weis? Wenn er erfährt, auf was es abgesehenist –

Mad: W ü r f e l . Kindisch! Mein Mann weiß kein Wort, daß ich inKlosterneuburg bin, er meint, ich bin in Ybs oder in Mauerbach im15Stift.

R e i c h h a r t . Nun denn; so kom‹m›en heute Gäste genug, und eswird noch manchen Spaß geben. Das ist mir recht, ich hab’ den Spaßgern. Und, Madam Würfel, wenn sie wieder gut thun wollen, so willich selbst beitragen, Ihren Gemahl zu versöhnen. Ich will damit nicht20sagen, daß ich Sie gern aus meinem Haus haben möchte, nein, ich binmit Ihnen zufrieden, Sie haben mir meine Wirthschaft gut geführt;aber ich habe eine Herzensfreude, wenn Eheleute in Frieden leben, esist beßer.

Mad: W ü r f e l . Ich sag’s auch. Man heißt mich ohnehin schon die25wilde Eulalia aus Menschenhaß und Reue. Was weiß ich, was dasheißen soll; ich habe mein Leben keinen Menschen gehaßt, amwenigsten die Mannsbilder, und reuen thut mich justament auchnichts.|

h1 5v6. Scen.30

Vorige. H a n n s .H a n n s . (Eilig.) Herr, die Gäste köm‹m›en. Sie steigen schon aus.Mad: W ü r f e l . (freudig) Wer denn? Wer denn? Ist mein Mann

auch dabei?H a n n s . Ich kenn ihn nicht. Es sind ihrer 4. Ein magerer Herr ist35

dabey mit einer großen Nasen und einen gestreiften Frack, vielleichtist’s der.

Mad: W ü r f e l . Der ist’s. Der ist’s! (will fort) der gestreifte Frackwar sein Hochzeitkleid.

R e i c h h a r t . Halt! Wollen Sie hin? Wollen Sie sich alles40verderben? Geschwind in die Kuchel, die Bratspieße gedreht und einePasteten gemacht. Wenn es Zeit ist, treten Sie vor, ich werd’ es Ihnenschon sagen.

Mad: W ü r f e l . Sie haben Recht. Ich dank’ Ihnen, ich dank’Ihnen. Ja, ja ich will mich zurück ziehen. Sie und der Herr Vetter45Knoll leiten alles ein, und wenn mein Mann dann schwach wird,wenn sich sein Strumpfwirkerherz wieder bewegt, dann stürz’ ich ihmin die Arme, und weine unterschiedliche Thränen. (stürzt ab)

R e i c h h a r t . Ich muß doch meine Gäste empfangen. (ab)

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8Adolf Bäuerle

Jennyfer Großauer-Zöbinger (Hrsg.)

7. Scen.H a n n s . (allein) Das sind Geschichten! Nun, mir ist’s recht. Ein

recht hübsches Gesichtel hab’ ich gesehen. Ey die Stadtmädeln, ichhab’ schon lange eine Schneid’ auf sie. Wer weis? Hanns, nimm dichzusamen, vielleicht machst du noch dein Glück. Doch was red’ ich 5denn? Hab ich nicht mein Herz der Richterstochter geschenkt?Freylich weis sie nichts davon; doch meine Blicke haben michverrathen.

8. Scen.H a n n s . K n o l l . P o l y k a r p . K a r o l i n e . (alle reisemaßig gekleidet.) 10

h1 6r R e i c h h a r t . Hernach W ü r f e l . (dieser hat ein rothes türkisches Kappel|untern Hut, einen gestreiften Frack, und einen sogenannten Pauvre ‹darü›ber,

der jedoch offen ist, eine rothe kurze Hose an, unter dem Arm ein Paraplie, in dereinen Hand einen Zöger und in der andern einen Flaschenkeller)

K n o l l . Nun, Gott segne den Eingang in dieses Haus. Victoria! 15da wären wir wieder. Wo ist denn der Herr Würfel? Ey, da sind wirschon.

W ü r f e l . (tritt ein) Vivat! Wer Leopold heißt, soll leben! HerrHauspatron, ich gratulire! Ich hab’ es schon gehört; ich wünsch’Ihnen Alles Erdenkliche, was sie sich selbst wünschen; kom‹m›en sie 20gut nach Haus, meine Empfehlung bitt’ ich – dero wertheFreundschaft erhalten. Punktum! Jetzt wissen Sie alles. Nu, ich binauch ein Leopoldus. Nulle, von Nulle geht auf.

R e i c h h a r t . (will reden)W ü r f e l . Schweigen Sie, ich weiß Alles. Sie sind ein Ehrenmann. 25

Freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen. Und jetzt geniren Sie sichnicht und thun Sie, als wann S’ z’haus wären.

R e i c h h a r t . Gehorsamer Diener!K n o l l . Ihr Diener Herr Vetter! Nun, weil Sie erlaubt haben, daß

ich so frey seyn darf, so bin ich so frey – Kinder, so küßt’s doch dem 30Herrn Vettern d’ Hand. Polikapperl! all’es vite faits ton, devoir! gehenwir ein wenig mit was französischen drunter, weil wir aus der Stadtsind.

P o l i c a r p . (geht linkisch auf ihn zu, und will ihm die Hand küssen.)Guten Appetit, Herr Vetter! 35

R e i c h h a r t . (läßt es nicht zu) Warum nicht gar! Bey mir wirdkeine Hand geküßt. Gott grüß dich, Polykarp.

K n o l l . Nun Line? wirst du gleich? Alles donc busses vous aussiedie Hand!

R e i c h h a r t . Gott bewahre! Wie wird sich ein Landmann von 40einer so schönen Fräule die Hand küssen lassen. Ein Busserl Line, So!(küßt sie) Ey der Tausend, du bist ein schmuckes Mädel worden, seitder Zeit, als ich dich nicht gesehen habe.| Nein, jetzt kann ich dichh1 6v

nicht mehr dutzen. Sie sind ja auf geblüht wie eine Rose!K a r o l i n e . Nennen Sie mich nur du, Herr Vetter, es freut mich 45

herzlich.R e i c h h a r t . Da werd ich stolz mein Linchen!K n o l l . Und weil Sie’s erlaubt haben, Herr Vetter, daß wir einen

guten Freund mit bringen dürfen, so haben wir da unsern lieben

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9h1 – Der Leopoldstag

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Herrn Würfel herausgeschleppt, comprenes vous bien! Doch Sieverstehen nicht französisch. Ich habe die Ehre, Ihnen dengeschicktesten Strumpfwirker aufzuführen, denn es in Wien giebt.

W ü r f e l . Gehorsamer Diener! Ja, wenn Sie einmal was brauchen,ich mach’, auch wasserdichte Strümpf.5

R e i c h h a r t . Mich freut’s, mich freut’s! Nun wollen Sie dennnicht ablegen? Was haben Sie denn da Herr Würfel? EinenFlaschenkeller? Einen Zöger? Glauben Sie denn, daß Sie bei mirnichts zu essen, und zu trinken bekom‹m›en?

W ü r f e l . Ey das weiß ich wohl; doch der Flaschenkeller, und10Zöger sind ja nicht voll, das ist nur Vorsorge. So oft ich auf ’s Landgeh’, nehm’ ich meine kleinen Magazineln mit: Flaschenkeller, undKompagnie ist ein gutes Haus, ich hoff ’, der Herr Vetter werdensschon anfüllen.

R e i c h h a r t . Kom‹m›t mir auch nicht drauf an.15K n o l l . Nun Christoph was machst denn du? Geh’ her zu mir,

sey nicht so scheu: venés chés moi; mon Christophin! du kennst michja von der Stadt aus. Die Paar Tage, die du bei mir warst, haben wiruns gut mit einander vertragen. Geh’ Christoph, nim‹m› meinenPolikarp mit dir, spielt’s mit einander, Kinder, bis wir zum Essen20gehen. Lauft’s einander nach. Polikarp, hast du deinen Ballen bei dir?

P o l i k a r p . Ja Papa (er zieht ihn aus der Tasche und spielt damit)K n o l l . Nun, so habt Ihr ja gleich einen Zeitvertreib. Allons

h1 7rdidonc.| Jagt’s ein wenig im Hof herum, so könnt Ihr hernach aufMittag recht dreinhauen. Oder spielt’s „der Müllner“-Hansel!25

H a n n s . (tritt vor) Ja!K n o l l . Du kannst den Esel machen, vielleicht lös’ ich dich

hernach ab.R e i c h h a r t . Ey, zum Spielen, Herr Vetter, sind die Kinder doch

schon zu groß.30K n o l l . Mein Polikarp spielt den ganzen Tag. Er ist ein recht

lustiger Knab. Ich muß im‹m›er lachen, wenn er, statt in die Schule zugehn, auf der Bastey oder im Stadtgraben „der Letzerl“ spielt.

R e i c h h a r t . Was? Geht der Herr Vetter noch in die Schule?K n o l l . Ja, er geht schon in die zweyte Classe zu St: Anna. Auch35

lernt er schon gut französisch. Das erste Gespräch vom Meidingerkann er perfect. Apropros, Polikarp! C’oment vous porte vous?

P o l i k a r p . Je vous remercie, je me porte bien!K n o l l . Da hören Sie’s jetzt selber.C h r i s t o p h . Kom‹m›en Sie, Herr Vetter und Jungfer Mahm, ich40

will Sie in den Garten führen. Hanns! Sperr uns das Lusthaus auf; dahaben wir eine schöne Aussicht. Kom‹m›en Sie. (Er drückt Carolinenunvermerkt die Hand und geht mit ihr und Polykarp ab) (Hanns folgt ihnen)

K n o l l . Polykarp, gieb acht, du hast dein neues Hoserl an. Steigauf keinen Baum, reiß’ dir kein Loch in’s Gesicht.45

9. Scen.K n o l l . W ü r f e l . R e i c h h a r t .

K n o l l . Der Bub ist mein Stolz, er geräth mir nach; aber dasMädel ist mir zu traurig, sie ist gerade so wie ihre Mutter. Auch ist sienicht ganz gut erzogen, das hat sie von meiner Seligen noch. Den50

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10Adolf Bäuerle

Jennyfer Großauer-Zöbinger (Hrsg.)

ganzen Tag arbeitet sie, hat sie ein Paar Minuten übrig, so ist sie mitdem Kopf in Büchern, oder tappt auf dem Clavier herum. Wenn sienoch was Ordentliches spielte, wollte ich auch nichts sagen, wegen

h1 7v meiner ein Paar Landler und hernach wiederum einen| Eccosaise; soaber leyert sie die Romanze aus Joseph, oder „Aschenbrödel nennt 5man mich“, – heißt meinen Sohn einen Taugenichts, und das kannich alles nicht leiden. Das Mädel hat nicht das geringste Noble. StellenSie sich vor, die Kleider macht sie sich selber, und kochen kann sieauch. Gott weis wer es ihr gelernt hat! Ich erspare freylich dabey; aberdie Leute richten einem aus, und das ist schon heutig’s Tags so 10eingericht’t, daß man auf die am meisten Acht giebt, die am mehrstenschimpfen.

R e i c h h a r t . Ich finde das Ihre Tochter gute Eigenschaftenbesitzt.

W ü r f e l . Das sag’ ich auch, aber mein Herr von Knoll wills nicht 15glauben. Karoline wird einst ein gutes Weib. Ein solches hab ich nichtgehabt.

R e i c h h a r t . (fixirt ihn) Waren Sie verheirathet?W ü r f e l . Leider, und ach, ich bin es noch! Aber ich bin von

meiner Herzliebsten getrennt. Wegen den Ehefrieden lebt sie ein Paar 20Meilen von mir entfernt. So zanken wir uns wenigstens nicht. O HerrVetter, ich hatte eine bittere Gattin‹n›, bei mir war der Gegenstandnicht süß, von meinem Kopulationsstrumpf ist fast täglich eineMasche aufgegangen. Endlich ist ein so großer Riß draus worden, daßich mir nicht mehr zu helfen wußte. Es war ein Glück, daß mein 25Weib selbst ging, daß sie mich verließ; denn, nachdem sie mir bereitsProfessionisten und Handwerker vorgezogen hatte, begab sie sichauch zu einem freyen Künstler und entfloh mit einem Marqueur.

R e i c h h a r t . Und nun wissen Sie nichts von ihr?W ü r f e l . Nichts, als, daß sie noch lebt, und wieder zu mir möcht! 30

aber es ist kein Mensch z’haus. Mein Gewerb empfindet dieWohlthat, daß der Satan fort ist, ich fang schon ordentlich an meineSchulden zu bezahlen, auch hab’ ich seit Jahr und Tag keinen Kreuzermehr in die Apotheken geschickt; wo doch sonst alle Wochenwenigstens zweymahl ein Wundbalsam oder ein Seifengeist ist geholt 35worden.|

h1 8r R e i c h h a r t . (lacht) Hat’s denn – ? (macht die Pantomime desPrügelns)

W ü r f e l . Alle Tag! Und wer war der leidende Theil? Ich!regelmäßig ich, Herr Vetter. Ich lüge nicht, aber solche Waschitäten 40hat noch kein Sterblicher ausgehalten, wie ich. Ey, da müßte man jaein Narr seyn, wenn man das gewöhnen wollt’.

R e i c h h a r t . Von was lebt dann jetzt ihre Frau?W ü r f e l . Das weiß ich nicht, von mir hat sie keinen Kreuzer.

Nun ja, ich werd’ ihr noch eine Pension geben, gewiß, weil sie mich 45so nobel behandelt hat? Wann ich nur ihren Todtenschein hätte,meinetwegen, könnt’ sie hernach leben so lang’ sie wollte.

K n o l l . Der Herr Würfel möchte wieder heirathen.W ü r f e l . Auf der Stelle! Ich weis mir schon eine Parthie, die hat

Geld! Freylich ist sie alt und häßlich, aber sie hat eine ganze 50Schatzkam‹m›er voll von Präziosen, und das ist bei dieser Zeit etwasworüber keine Kritik zu machen ist. Sie ist eine reiche Huterin.Bedenken Sie, wie sich das zunam‹m›enschickt! ich bediene die Füße,Sie den Kopf, also wäre Leib und Seele gut versorgt.

Page 11: h1 Tr Der Leopoldstag oder Kein Menschenhass und keinelithes.uni-graz.at/kasperls_erben/pdfs_erben/ed_baeuerle_leopoldsta… · Reichhar t . Es muß helfen, sag’ ich dir. Sieh,

11h1 – Der Leopoldstag

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R e i c h h a r t . Und ist sie Ihnen geneigt?W ü r f e l . Sie kennt mich noch nicht. Aber das macht nichts;

darauf bin ich schon gefaßt. Ist mir nicht einmal geschehen, das dieWeiber mich bloß gesehen haben, und die Herzen waren weg.

R e i c h h a r t . (zu Knoll) Von der Wiedervereinigung hoffe ich5auch nichts.

K n o l l . Apropos, Herr Vetter, was ich sagen will – lebt der HerrRichter hier im Orte noch? Der Herr Wohlmann?

R e i c h h a r t . Freylich! Und wenn’s Ihnen recht ist, wollen wirihn einwenig besuchen. Ich hab’ ohnehin mit ihm zu reden, wegen10meinem Sohn.

K n o l l . Was soll’s denn mit dem?R e i c h h a r t . Der arme Teufel ist bis über die Ohren in sein

Mädel verliebt, und traut’s sich’s nicht zu sagen.|h1 8vK n o l l . In die Salerl? Ich kenn’ das G’stanzel. Ja das Mädel ist15

nicht übel, sie hat einmal was zu hoffen, ich hab’ selber schon anmeinen Polykarzerl gedacht. Aber der Knab ist noch zu vielSchußpartl, was man in französischen eine Parthie de schusse nennt.Wenn er einmal in die dritte Classe kom‹m›t, und die Gespräche vonMeidingers Gram‹m›är alle auswendig kann, hernach wollen wir sehen20was zu thun ist.

R e i c h h a r t . Ey, wenn Ihr Sohn, Herr Vetter um das schmuckeDing freyt, da muß mein Christoph freylich zurück.

K n o l l . (lacht) Nicht wahr? das ist ein Kerl! so was die Franzoseneinen aimable etourdi nennen. (lacht) Ja mein Fleisch und Blut, nur25eine andere Nasen hat er.

W ü r f e l . (lacht) Mit Verlaub, Herr Vetter, da hab’ ich doch nochsäubere gesehen.

K n o l l . Wo denn? Wo denn? Ich reis’ auf der Stell’ in dieGegend.30

W ü r f e l . Betrachten Sie nur mich. Da schauen Sie den Schwungin der Phisiognomie an, den Adel in den Ellbogen – (wölbt den Arm)

R e i c h h a r t . Ist’s also gefällig meine Herrn, vor Tische einenkleinen Spaziergang zu machen?

W ü r f e l . Halt! warum sind wir denn nach Klosterneuburg35gekom‹m›en?

K n o l l . Um zu gratuliren. (giebt Reichhart die Hand)W ü r f e l . Gut! Gut! Wir haben auch gratuliert. Aber haben Sie

denn auf die Merkwürdigkeiten vergessen? das grosse Faß! derKellermeister mit dem kupferbeschlagenen Gesicht! der merkwürdige40Wirth, der keinen Brunnen im Keller hat, und den Becher der nie leerwird, wenn einer im‹m›er einschenkt. Das müssen wir ja Alles sehen.Kom‹m›en Sie. (alle ab)|

h1 9r10 Scen.Garten mit einem Lusthaus.45

(Der Dekorateur darf nicht vergessen, daß dieses Stück im Herbst am 15te.November spielt.)

H a n n s . P o l y k a r p . (treten auf)

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12Adolf Bäuerle

Jennyfer Großauer-Zöbinger (Hrsg.)

H a n n s . Sie haben sich einmal verkrochen, oder verloren, dabraucht es nichts. Bei der Kegelstatt, waren sie noch alle zwey da, undnun sind sie nirgends mehr zu sehen. Um den Musie Christoph istmir nicht, der find’t sich schon zu recht; weil er da zu Haus ist; aberdie, Mamsel, die Mamsel, geht mir nicht aus dem Kopfe. 5

P o l i k a r p . Du dum‹m›er Bauer! Meine Schwester ist eine Fräule,und keine Mamsell, auf die letzt heißt das Landvolk die Stadtmadelnnoch Jungfern. Nun da kom‹m›et man schön an, den Spott habe siesich schon lang’ verbothen. Jetzt haben wir’s! Du bist Schuld daran,daß wir’s verloren haben, jetzt können wir nicht „der Müllner“ 10spielen, wo du den Esel machst, ich müßt’ ihn gerad’ selbstübernehmen.

H a n n s . Seyn S’so gut; ich weiß mich so nicht recht darin zuschicken.

P o l y k a r p . Ich bin doch recht unglücklich. Der Herr Vetter 15Christoph hätt’ mich auf dem Obstboden von Lusthaus geführt, dahätt’ ich brav Aepfel essen können. Jetzt steh’ ich da, wie der Bärbeim Binenkorb und kann nicht dazu. – Hanns kannst du mich nichtauf den Obstboden führen.

H a n n s . Ich hab’ den Schlüßel nicht; aber wenn Sie Aepfel 20wollen, so will ich Ihnen genug geben, Sie müssen mir aber einenGefallen thun.

P o l y k a r p . Tausend für einen, gieb mir aber nur ein Paar Aepfelher.

H a n n s . (langt aus dem Sack ein Paar Aepfel) Da! Und nun hören 25Sie. Ihre Fräule Schwester, die – (für sich) Courage, Hanns! (laut) die –hören Sie, ich bin nur ein ordinärer Bauer, aber ich krieg’ einmal

h1 9v meine eigene Wirthschaft| bei Meidling am Bach, Wein undObstgärten, Vieh und Felder, ich könnt ein Weib ernären, Siekönnten den ganzen Tag bei mir im Stall und Garten herumjagen. – 30Ihre Fräule Schwester –

P o l y k a r p . Wenn wir dich besuchen möchten? O warum dennnicht? Wo man tractirt wird, sagt mein Papa, da soll man Meilen weitgehen, und mein Papa versteht’s, das darfst du glauben.

H a n n s . Nein Sie verstehen mich nicht. Nicht besuchen, ganz bei 35mir bleiben. Sie dürfen gar nichts mehr lernen, nicht in die Schulegehen.

P o l y k a r p . Auch keine Grammär mehr anschauen?H a n n s . Gar nichts mehr, als essen und trinken.P o l y k a r p . Nun so schau, daß du deine Wirthschaft einmal 40

kriegst. Ich weiß noch ein Paar Kameraden von mir, die zu dirherausgehen; denen ist auch schon das Lernen zu viel, besonders dasFranzösische. –

H a n n s . Lassen Sie ausreden! Ich such’ ein Weib. AufWeihnachten werd’ ich majoren, da giebt mir meine Mutter was liegt 45und steht, verstehen Sie mich? heirathen möcht’ ich gern.

P o l y k a r p . Nun, so heirath’.H a n n s . Ja, wen aber? Es giebt freylich Madeln genug in

Klosterneuburg, sie sind aber alle schon bestellt. Die Stadtmädeln,hab’ ich g’hört, wären oft froh, wen‹n› sie ein Bauer aus der 50Verlegenheit reißt. Ihre Fräulein Schwester –

P o l y k a r p . (beißt ein Stück vom Apfel herab) Meine Schwester willstdu heirathen? Meinetwegen, ich gieb dir meinen Segen.

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13h1 – Der Leopoldstag

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H a n n s . Im Ernst? Glauben Sie, daß ich es wagen darf? Wird Siemich nicht auslachen.

P o l y k a r p . Gott bewahre! Ich weiß ja, wie die Mädeln sind,h1 10rwenn sie| von heirathen hören, lachen sie niemals, als aus Freuden.

Schau, ich soll’s nicht sagen, aber mein Papa, mag die Line nicht, sie5ist ihm zu fad, zu spröd, zu still, zu häuslich; es kann dir gerathen,und einen solchen Landkopf wär’ sie just recht, da könnte sie Tagund Nacht nach Herzenslust arbeiten. Gieb mir noch einen Apfel.

H a n n s . Ja, ja, reden Sie nur aus.P o l y k a r p . Da könnte sie recht unter Küh’ und Ochsen10

herumgehen; denn wenn man will in solcher Gesellschaft seyn, mußman auf ’s Land gehen. Drum red mit meinem Papa; du kannst siehaben, ich gieb meine Einwilligung. Aber die Wirthschaft mußt dukriegen, sonst nehm ich mein Wort zurück! – Hast’ keine Weinber?

H a n n s . Juhe! Wenn ich Hoffnung hab’, so schenk’ ich Ihnen15einen ganzen Korb voll Weinbeer; wanns aber nichts ist –

P o l y k a r p . Da hab’ ich hernach die Weinbeer, und du denKorb. Doch sey getrost, so wirds nicht heißen. Gegenwärtig seyn dieVäter froh, wenn sie ein Mädel anbringen; ich weiß von unsermDoctor, der hat 13 Töchter, und der will keinen Menschen kuriren,20ausser man heirath’t eine Tochter von ihm, und so ist’s bey meinemPapa auch. Ueberdieß hat meine Schwester die höchste Zeit, aufMartini wird sie schon 20 Jahr alt.

H a n n s . Und ich bin 29 Jahr alt. (freudig) Das schick‹t› sichprächtig z’samen! Heissa Hanns! Jetzt geht’s gut! Kom‹m›en Sie, jetzt25wollen wir die Fräule aufsuchen. Wissen Sie was? gehn Sie dort denHügel hinauf, dort übersehen Sie den ganzen grossen Hügel; ich willdaneben gegen die Mühl’n gehen – wer sie zu erst erblickt, der ruftauf den andern hup! hup! O, wie glücklich will ich werden! eineStadtfräule wird mein! Nu die Mädeln da in Klosterneuburg, die30werden schauen! und mein Gerhab, der Herr Reichhart, der wird

h1 10vAugen machen! Ja ja, stekt’s nur die Köpf| z’samen, der Hans ist einverfluchter Kerl! Junger Herr, vergessen Sie nicht: hup! hup! Ich bingleich wieder da. (rennt ab)

11 Scen.35

P o l y k a r p (allein) Hup! hup! Du Dalk! hättest du mir lieber nochwas zum Kiefeln da laßen. Mein Magen thut mir abscheulich weh.Nun ja, das lange Fahren, das beutelt einem weiter nicht aus, und die8 Schallen Kaffeh und die 12 Semeln, die ich gefrühstückt hab! wasgiebt denn das aus? Ich muß nur schauen, daß ich noch etwas zu40beißen bekom‹m›e? – (erblickt das Lusthaus.) Da schaut’s her – Da ist’sLusthaus, und da ist der Obstboden; – und da hint lehnt eine Leiter!Vivat! Die Zw‹et›schbenburg muß ich erobern. (ab)

12. Scen.C h r i s t o p h . K a r o l i n e (kom‹m›en von einer Seite, wo sie die Vorigen nicht45

begegnen konnten)C h r i s t o p h . Der Zufall ist mir günstig, ich bin noch im‹m›er mit

Ihnen allein. Ach, wie hab’ ich mich nach diesen Tag gesehnt! ganze

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14Adolf Bäuerle

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Nächte kon‹n›t ich nicht schlaffen; und wenn ich schlief, so träumteich von Ihnen.

K a r o l i n e . Von mir? Ei wie galant!C h r i s t o p h . Nennen Sie das Wort nicht, es thut mir weh.

Gallant will ich nicht seyn; ich bin ein Landmann, was soll der mit 5Gallantrie, wenn er nur ehrlich ist. Ach, liebes Linchen, – ich bingrundehrlich! bis in’s Innerste meines Herzens laß ich Sie blicken.Fragen Sie nur was da vorgeht, und ich will beichten.

K a r o l i n e . Was geht denn da vor?C h r i s t o p h . Ach ich bin grenzenlos verliebt!| 10

h1 11r K a r o l i n e . Aber doch glücklich?C h r i s t o p h . Wenn ich das wüßte! Mein Mädchen ist nicht

meines Gleichen, und haßt vielleicht das einfache Landleben. Weißich denn ob sie es nicht langweilig finden, nur die Paar Stunden, dieSie hier sind? 15

K a r o l i n e . Ich? lieber Christoph? Ich finde es recht angenehmund hübsch. Aber ich bin ja nicht Ihr Mädchen?

C h r i s t o p h . Ja so! Leider! Leider!K a r o l i n e . Leider? Nu, da wird sich Ihre Schöne bedanken.C h r i s t o p h . Bedanken Sie sich bey sich selber. Ja, es muß 20

heraus. Sie sind es, die ich so gränzenlos liebe!K a r o l i n e . (schweigt still und sieht zur Erde)C h r i s t o p h . Haben Sie denn das nicht gemerkt, wie ich den

langen Weg neben Ihnen hergegangen bin! Ach Linchen, verzeihenSie mir meine Freymüthigkeit, aber ich mußte reden, sonst hätte es 25mir das Herz abgedrückt.

K a r o l i n e . Machen Sie nur keinen Scherz.C h r i s t o p h . Scherz? Mein Him‹m›el! scherzen? Mir stehen die

Thränen in den Augen. Aber Sie möchten gern, daß es Scherz wäre,nicht wahr? Ich bin Ihnen zu ordinär für solchen Ernst. Ah das weiß 30ich schon! Ja, ja, mir fehlt noch viel! Für Sie, liebes Linchen, bin ichzu hölzern, zu albern zu blöde, ich sehe, es ein, ich sollte meineAugen nie zu Ihnen erheben.

K a r o l i n e . Sie thun mir weh. Ihr natürlicher Sinn, Ihrunverdorbenes Herz entschädigen mich für alle die Stadtmaniren, die 35manche eingebildete Thörin‹n› vorziehen mag.

C h r i s t o p h . Sie könnten mir also gut seyn?K a r o l i n e . Von ganzen Herzen.C h r i s t o p h . O, wie glücklich bin ich! Sagen Sie, ist das Ihr

Ernst? 40K a r o l i n e . Mein vollkomener Ernst.C h r i s t o p h . Und Sie könnten mich lieben?K a r o l i n e . Warum denn nicht?|

h1 11v C h r i s t o p h . (platzt heraus) Und etwa auch heirathen?K a r o l i n e . Wir wollen uns noch ein bischen näher betrachten. 45C h r i s t o p h . Das ist gar nicht nöthig.K a r o l i n e . Meinen Sie?C h r i s t o p h . Sie sind gut, ich bin auch gut; Sie sind schön, ich

bin gerade nicht häßlich. Freylich sind unsere Väter Vettern; aberdesto besser, so können sie leichter Brüder werden. 50

K a r o l i n e . Ich bin Ihnen schon lange gut.C h r i s t o p h . Gott sey Dank! So ist mein Glück gemacht! Wie ist

mir denn? In mir glüht es und brennt es, wie ein feuerspeyender Berg;ich muß mir nur Luft machen. Geben Sie mir ihre Hand, da fühlen

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15h1 – Der Leopoldstag

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Sie, wie’s in mir lodert und flam‹m›t. Ach Him‹m›el! Sie sind ja auchbrennheiß! (er zieht sie an sich) Und das Herz klopft Ihnen! – (er umarmtsie) Mir schwim‹m›ts vor den Augen. (er küßt sie) Jetzt ist mir wohl!

13t.-Scene.Vorige. P o l i k a r p . (der indessen vom Lusthaus durch’s Fenster guckte.) dann5

H a n n sP o l i k a r p . (erblickt die Liebenden) O Jegerl! das sag’ ich dem Papa! (erbeißt einen Apfel an.) Das sag’ ich!

H a n n s . (köm‹m›t in demselben Augenblick, als Christoph Karoline küßt.Er will hup! schreyen aber das Wort erstirbt ihm auf der Zunge) (Karoline und10Christoph erschrecken, und der Vorhang fällt)

Ende des ersten Auzugs|

h1 12r2ter-Act.1te Scenne.

Der W i r t h . K r a u s .15

W i r t h . Wie könnt’ ich denn so stolz seyn, lieber Mann! einehrlicher Verdienst schadet ja nicht; ich bezahle ja gut. Es ist nur aufeinen Tag, morgen sind Sie wieder frey.

K r a u s . Genug! Um keinen Preis werde ich Ihnen einen Kellnermachen.20

W i r t h . Wer hat denn aber von einem Kellner gesprochen? Blosvon einem Gehülfen war die Rede. Und wenn Ihnen das Wort auchnicht recht ist, so sagen wir Weinschenks Comiss. Es kom‹m›t ja nurdarauf an, wie man die Sache tauft, und kann ich den Wein taufen, sowirds mir bey Ihnen auch kein Meisterstück brauchen. Die Zufahrt25der Wiener nach Klosterneuburg ist heute ungeheuer, alles strömtherauf, als wenn’s was zu verschenken gäb, und derweile müssens’alles so theuer zahlen, daß wir an Einem Tag das profitiren, was wir’sganze Jahr brauchen – da halten schon wieder ein Paar Fiaker, undeine Janschkische Wurst mit ein paar Dutzend jungen Leuten, und30alles kert bey mir ein. Ich habe nicht Hände genug die Gäste zubedienen. Gehen Sie Herr Wachtmeister, seyn Sie meinWeinschenk-Com‹m›is, und Sie sollen gut honorirt werden.

K r a u s . Ich werde meinen Stand nicht beschimpfen.W i r t h . Wie kindisch! Und wenn S’ einen Kellner machen, was ist35

denn das Uebles? Mancher Kellner sieht einen honett d’ hommegleich, und wird in kurzer Zeit Wirth und Hausherr. Wer die Kunstversteht, der Natur beym Wein nachzuhelfen und Chemie beymRebensaft auszuüben, wer als Wirth hübsch grob ist, kleine Portionen

h1 12vgiebt und große Streiche macht, der wird bald| reich und angesehen.40Schau’n Sie mich an, ich war vor 20 Jahren gar nur Kegelbub undhab’ jetzt Haus und Hof, und solche wie ich giebt’s in Wien vielleichtnoch hundert. Freylich skandalisirt sich die Welt daran, ich habe sogarbemerkt, daß die Dichter so galant sind, uns mit allen möglichen

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16Adolf Bäuerle

Jennyfer Großauer-Zöbinger (Hrsg.)

Grobheiten auf ’s Theater zu bringen, daß nutzt aber auch nichts. Wirgehen hinein, lachen selbst mit, laßen die Leute schimpfen – undzählen unser Geld, hahaha.

K r a u s . Ich wünsch Ihnen Glück dazu. Da sollte Ihr Wirthshausauch lieber beym Strick heißen. 5

W i r t h . Den Schild könnte man über mehrere Wirthshäusersetzen. Doch ich weis gar nicht, wie Sie mir vorkommen? Haben Siemir nicht selber erzählt, daß Sie einmal Marquer waren?

K r a u s . Ja, einmahl; aber jetzt bin ich ein ehrlicher Mann undSoldat. 10

W i r t h . Der Tausend, wie stolz! Nu, nu, so behüt Sie denn Gott,Sie! Sie ehrlicher Mann! Ich bin auch ehrlich, verstehn Sie mich? undwer’s nicht glaubt, den klag’ ich! Wer Haus und Hof hat, ist schonunbedingt ein rechtschaffener Man‹n› und wer zwey Häuser hat ist garbrav. Sie, ich hab’ drey Häuser, das ist bravissimo! – Schaut’s! wie 15stolz! Ich wett’, daß er auf Mittag keinen 4 f Guldenwein trinkt, undwer das nicht kann, soll nicht stolz seyn. (ab)

2t. Scene.K r a u s . (allein) Einmahl ein Marquer oder Kellner gewesen und

mein Leben nicht mehr. Wie dank’ ich’s dem Him‹m›el, daß mich der 20Soldatenstand von diesem betrügerischen Gesindel losrieß; jetzt istmein Gewissen rein und ich schlafe gut.|

h1 13r 3te SceneK r a u s : Madame W ü r f e l

Mad: W ü r f e l . Gut, daß ich dich finde! Ich habe dich schon lang 25überall gesucht. Ich habe nicht lange Zeit, drum höre geschwind eineNeuigkeit.

K r a u s . Madam, ich habe Sie schon oft gebethen, mich mit demzutraulichen du zu verschonen; ich kann das nicht mehr brauchen,unser Verhältniß ist längst abgebrochen. 30

Mad: W ü r f e l . Sey nicht kindisch!K r a u s . Das du lassen Sie mir weg! Es ist eine schöne Zeit

vergangen, als wir so mit einander sprachen. Damahls war ichMarqueur, Sie folgten mir; ich ward Soldat und bekehrte mich, undSie verließen mich. Jetzt da uns der Zufall in Klosterneuburg 35zusam‹m›enführt, weil meine Eskadron da liegt, wollen wir thun, alswenn wir einander ganz fremd wären. Versprechen Sie mir das, ichhabe Sie schon oft darum gebethen.

Mad: W ü r f e l . Aber Schatz, daß ist mir ja recht, ich will, daß du– 40

K r a u s . (fährt auf) Schon wieder du?Mad: W ü r f e l . Daß Sie – will ich sagen – nun recht fremd gegen

mich thäten. Stelle dir vor, – stellen Sie sich vor, mein Mann ist hier,und so Gott will, kehre ich noch heute mit ihm nach Wien zurück.

K r a u s . Das wäre einmal Zeit. 45Mad: W ü r f e l . Ich mein’ es selbst. Also, lieber Kraus, seyn Sie

auf Ihrer Hut, daß Sie mein Man‹n› nicht erblickt, sonst entsteht deralte Groll in ihm und versöhnen uns nicht.

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17h1 – Der Leopoldstag

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K r a u s . Ich kann mich nicht verstecken.Mad: W ü r f e l . Wer will denn das? Nur aus dem Wege gehen.K r a u s . Wie es der Zufall will; begegnet er mir aber in diesem

h1 13vkleinem Nest, so werd ich nicht davon laufen.| Kraus ist vor demFeinde nicht gelofen er wird auch einem solchen Krippenreiter Stand5halten.

Mad: W ü r f e l . (schmeichelt ihm) Mannerl! nur heute mach’ dichunsichtbar. Da hast du 2 Gulden, geh’ in ein Wirthshaus und trink’indessen. (will ihm ein 2 Guldenzettel geben.)

K r a u s . Wollen Sie gleich das Geld einstecken?10Mad: W ü r f e l . Verkriech’ dich nur heute, bis wir versöhnt sind,

und willst du mich dann noch sprechen, so werden wir uns schonnoch sehen.

K r a u s . Kreuz Bataillon! jetzt hab’ ich’s genug! Also nochim‹m›er nicht kurirt? Nein, jetzt will ich Ihren Mann erst aufsuchen,15und ich wette; daß Sie auf gute wege kom‹m›en.

Mad: W ü r f e l . (erschrickt) Herr Wachtmeister, das habe ich nichtverdient.

K r a u s . Noch mehr, aber ich will schweigen, nur gehen Sieaugenblicklich. Doch wozu eine Drohung, die Straße ist weit genug,20ich kann ja gehen. (ab)

4. Scene.Madam: W ü r f e l . (allein) (verblüft) So sind die Männer! So sind Sie

Alle! Jetzt weil ich alt werde, spielt er den Tugendspiegel. Ach warumhab’ ich ihn nicht gespielt, so lang’ ich jung war. Aber ich will mich25auch bessern. Polderl! mein Polderl! was noch von meinem Herzenübrig geblieben ist, soll nun dein seyn und nichts soll dich mehr vonmir trennen. Wenn ich dich nur schon wieder hätte! (ab)

5te-Scen:Fr e y m u t h . S a l c h e n . (ein Gebethbuch in der Hand)30

F r e y m u t h . Bis hieher will ich dich begleiten, bis über die Eckewage ich mich nicht; denn dein Vater könnte mich sehen, du sollst

h1 14rkeinen Verdruß haben. Lebwohl.| Morgen um diese Zeit gehst duwieder in die Kirche, und mich findest du wie heute. Leider, daß wiruns nur so selten sehen dürfen, sehen können, daß ich nur auf35Schleichwegen zu dir darf!

S a l c h e n . Lieber Wilhelm, du bist selbst Schuld daran. DeinStolz, wie es mein Vater nennt, macht dich bei ihm verhaßt, deinMißtrauen schrekte ihn zurück. Es ist aber auch wahr, du bist gar zusonderbar.40

F r e y m u t h . So? Mademoiselle kritisiren mich?S a l c h e n . Sey nicht böse, ich mein es ja gut. Ich weiß, Wilhelm,

du hast schlechte Menschen kennen gelernt, du hast Unglück erlebt,man hat dich betrogen, hintergangen; aber wer that das? gewiß nichtmein Vater, und so viele andere, die dir wohlwollen, und sich nur45darum von dir zurück ziehen, weil du sie anfeindest; – Als mein Vatersagte, meine Tochter hat Zeit zum heirathen, und meine Muttermeinte, man müsse den Mann, dem man sein einziges Kind auf ewig

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übergiebt, recht genau kennen lernen, da fuhrst du gleich auf undsagtest: ich bin ein ehrlicher Mann, ich brauche Ihre Tochter auch garnicht! und gingst davon. Sprich selbst, wer war wohl der feindseligeGesinnte?

F r e y m u t h . Du hast Recht! ich habe schon daran gedacht. Aber 5wie kann ich das gut machen?

S a l c h e n . Vor der Hand sey ruhig; besuch meinen Vater wieder,an Gelegenheit solls dir nicht fehlen. Nach und nach mußt du ihnwieder gewinnen; wenn du mich noch liebst, das ahnet er nicht. Seyvoll zu zuversicht, mein guter Wilhelm. Jetzt muß ich gehen. Leb’ 10wohl.

F r e y m u t h . Wo seh’ ich dich wieder?S a l c h e n . Abends im Hirschen. Ich gehe mit meinen Eltern

dahin, es ist Ball. Lebe wohl. (hüpft ab)F r e y m u t h . Auf Wiedersehen! (will ab) 15

6 Scen.h1 14v Fr e y m u t h . H a n n s . (der schon die lezten Worte gehört| hatte, tritt ihm in

den Weg)H a n n s . Verzeihen S’ Euer Gnaden. Herr Offizir, eine Frage ist

frey. 20F r e y m u t h . Was solls?H a n n s . War das Ihre Schöne?F r e y m u t h . (stutzt) Wer bist du, Bursche?H a n n s . Kennen Sie mich denn nicht? Ich bin der Hanns, da

unten aus dem Reichhartschen Hause, da unten No 11. Wissen Sie 25den‹n› nicht, wo der Türkenschädel auf dem Dach steht und diegrößten Hauswurzen wachsen. Unsern Sohn kennen Sie ja, denChristoph.

F r e y m u t h . Jetzt entsinne ich mich. (mißtrauisch) Wie kom‹m›stdu zu dieser Frage? 30

H a n n s . Euer Gnaden Herr Offizier, von dieser Frage, odervielmehr von der Antwort hängt mein Lebensglück ab. Ich bitt’Ihnen, sagen Sie mir, ob des Richters Salerl Ihre Liebste ist?

F r e y m u t h . Bist du ein Narr, Kerl?H a n n s . Noch nicht, aber weit hab ich nicht mehr hin. Mir ist 35

heute schon ein großes Unglück geschehen. Schauen Sie, ich war bisüber die Ohren in ein Stadtfräulein verliebt; ich weiß nicht ob Sie ’skennen: ihr Vater heißt Knoll, der Bruder ist ein Schroll, aber dasMädel ist ein Engel. Ich bin nicht arm, müssen Sie wissen. DieMaderln hier haben mich die meisten verschmäht; ich denk’ aufs 40heirathen, will meinen Anwurf machen, da hat sie mir der Christoph,Ihr guter Freund, weggefischt, und ich bin wieder so ledig, wie zuvor.

F r e y m u t h . (lacht) Wer hieß dich in ein Stadtfräulein verliebtseyn?

H a n n s . Nun, es sind ja auch Menschen. 45F r e y m u t h . Dir geschieht recht. Was soll es aber mit Salchen?H a n n s . Wenns mit Ihnen nichts ist, hab ich mir gedacht, so

sollte es Sie mit mir probiren. Schauen Sie mich an, ich bin einh1 15r hübscher Mensch. Euer Gnaden Herr Offizier wenn| sie nicht Ihre

Schöne ist, so reden Sie mir ein gutes Wort. 50

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19h1 – Der Leopoldstag

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F r e y m u t h . (für sich) Das kann doch kein Abgesandter desVaters seyn? der Kerl ist zu dumm.

H a n n s . (für sich) Aha! er überlegt. Was gielt’s, ich krieg’s? (laut)Nun Herr Offizier? was hab ich zu hoffen?

F r e y m u t h . Geh’ zu deiner Stadtfräulein, Tölpel, und laß mich5ungeschoren! (ab)

7 Scen.H a n n s (allein) Da haben wir’s! der ist auch verliebt, sonst wär er

nicht so grob. Die Salerl ist auch schon bestelt. O weh! was fang’ ichan? – Ein Weib muß ich kriegen, unter der Ruthen muß ich stehen,10daß bin ich schon gewohnt (will fort), halt! – rächen muß ich mich anden beiden Mädeln, das thu ich nicht anders. Beide haben heimlicheAmouren, das sieht ein Blinder. – Ich sags den Eltern! Bravo! denGedanken hat mir mein kleiner Finger eingeblasen, und alle Mädelnsollen zittern, dem Hans einen Korb zu geben. (ab)15

8 ScenEin Zim‹m›er in Wohlmanns Hause

Wo h l m a n n . R e i c h h a r t . K n o l l . W ü r f e l (sitzen beim Wein)W ü r f e l . (ein wenig benebelt) Nein, jetzt trink’ ich nichts mehr, Herr

Vetter; vor dem Essen so viel Wein, ich bin das nicht gewohnt.20Meiner Treu, der edle Rebensaft steigt mir in’s Capitolium.

Wo h l m a n n . Schäm‹m›en Sie sich, nicht daß Sie so wenigertragen können!

K n o l l . Da bin ich ein anderer Kerl! Bis morgen früh laß ich mireinschenken, und nichts gespür’ ich.|25

h1 15vW ü r f e l . Gott g’segn’s Ihnen, Herr von Knoll; – ich bin weg! Ichweiß schon jetzt nicht, wo ich meinen linken Arm habe.

R e i c h h a r t . Mit Verlaub, Herr Nachbar Richter (er greift nacheinem Glase) noch eine Gesundheit müssen wir trinken. Es lebe derHauspatron! Allons, Freund Würfel! die müssen Sie noch anstoßen.30

W ü r f e l . Herr Vetter, ich kann nimmer mehr.R e i c h h a r t . Sapperment, das wäre unartig! Es lebe der

Hauspatron!K n o l l . Er lebe!W ü r f e l . (stößt an) Das ist aber der Letzte, den ich leben laß.35

(trinkt)K n o l l . Noch eins! Es lebe jeder biedere Mann, der Leopold

heißt.W ü r f e l . Meinetwegen! den Polderln bring’ ich’s auch noch.

(trinkt)40R e i c h h a r t . Es lebe meine Wirthschafterin‹n›!W ü r f e l . (lacht und schaut Reichhart schmunzelnd an.) Ihre

Wirtschafterin? Haben Sie eine Wirthschafterinn? Nu, ich verstehsschon, Sie soll leben! (trinkt) Ich wünschte, daß ich auch eine solcheWirthschafterinn hätte, hä hä hä! (trinkt) Br! der Wein wiedersteht mir45schon.

Page 20: h1 Tr Der Leopoldstag oder Kein Menschenhass und keinelithes.uni-graz.at/kasperls_erben/pdfs_erben/ed_baeuerle_leopoldsta… · Reichhar t . Es muß helfen, sag’ ich dir. Sieh,

20Adolf Bäuerle

Jennyfer Großauer-Zöbinger (Hrsg.)

R e i c h h a r t . Im Ernst? Möchten Sie eine solche Wirthschafterinhaben? (er winkt dem Herrn von Knoll) Sie ist brav und fleißig; ich tretesie Ihnen ab.

W ü r f e l . Ich habe sie noch nicht gesehen. Wie sieht sie dennaus? 5

R e i c h h a r t . Gut, ich kann es nicht anders sagen. Sie ist eineUnglückliche.

W ü r f e l . So? Die unglücklichen Frauenzim‹m›er hab’ ich gern; siehaben meistens eine interssante Lebensgeschichte. Wer ist sie denn?

R e i c h h a r t . Ihr Mann ist ein Strumpfwirker von Wien. 10h1 16r W ü r f e l . Was? Eine Frau ist sie? Und ihr Mann ist mein|

Kollege? Ey da muß ich sie ja kennen?R e i c h h a r t . Das kann wohl seyn.W ü r f e l . Erlauben Sie, daß ich mich ein wenig niedersetzen. –

Wie heißt sie denn? 15R e i c h h a r t . Das ist vor der Hand ein Geheimniß. Sie lebt nicht

mit ihrem Mann, er hat sie verstoßen.W ü r f e l . Die Geschichte sieht ja mir gleich, wie ein Strumpf dem

andern.R e i c h h a r t . Ihr Mann ist auch ein Strumpf. Die Frau ist jetzt 20

brav, dafür steh’ ich gut, und doch will er nichts von ihr wissen.W ü r f e l . Aha, das ist dem Adam Wadelberger die seinige, jetzt

kenn ich mich schon aus.R e i c h h a r t . Wir sollten die Leute wieder zusammenbringen.

Die Frau hat ein wenig geerbt, wir könnten dem Mann aufhelfen – 25W ü r f e l . Nein, nein, da geb’ ich meine Hand nicht dazu, ich

helfe keinem Strumpfwirker auf; ich bin froh, wenn ich was habe.K n o l l . Sie will auch nicht zu dem Herrn Wadelberger, sie will zu

Ihnen, mit sam‹m›t der Erbschaft.W ü r f e l . Zu mir? und sie hat eine Erbschaft? das wäre ja 30

prächtig! Eine Erbschaft ist eine schwache Seite. Ich nehm Sie auf derStelle, der Wadelberger soll hernach thun, was er will.

R e i c h h a r t . Ist das Ihr Ernst?W ü r f e l . Der Wein red’t aus mir, also red’ ich die Wahrheit.K n o l . Wir nehmen Sie beym Wort. 35Wo h l m a n n . (stößt an Reichharts Glas) Es gilt! Ich als Richter bin

Zeuge!W ü r f e l . (stößt an Reichharts Glas) Es gilt! (er gißt das Glas ungeschickt

aus) Es gilt! – Schaut’s, der Wein will mir Kabalen spielen.|h1 16v R e i c h h a r t . Beym Essen sollen Sie sie heute kennen lernen. 40

Aber Ihr Wort nicht zurücknehmen.W ü r f e l . Auf Strumpfwicklerparole! Was ich sage; ist gesagt.K n o l l . Bravo! Wir alle sind Zeugen.W ü r f e l . (steht auf und setzt sich wieder nieder) Wir sind Zeugen, sag’

ich! (steht noch einmahl und wankt) steh, Schim‹m›erl! Wir sind Zeugen, 45sag’ ich! Tausend Sapperment! der Kopf geht mir herum. MitVerlaub, meine Herrn, ich geh’ ein wenig in die freye Luft.

K n o l l . Ich geh’ mit; die Herren haben ohnehin noch was zureden, dann wird’s gerade Zeit zum Essen. Herr Vetter, wir gehendann gerade zu Ihnen. 50

W ü r f e l . (taumelt) Kerzengerade zu Ihnen, Herr Vetter (er hält sichan Knoll an) Und wegen der Wirthschafterin bleibt es da bey.

Wo h l m a n n . Dafür wird der Richter sorgen. Bruder Reichhart,wird’s dir nicht zu viel, so eß’ ich heute bey dir.

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21h1 – Der Leopoldstag

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R e i c h h a r t . Ich hab’ dich schon einladen wollen, dich unddeine Tochter.

W ü r f e l . Nur recht viel Frauenzim‹m›er. Wir wollen heute lustigseyn. Und hernach will ich erst trinken. (wankt mit Knoll ab)

9t Scen.5

Wo h l m a n n . R e i c h h a r t .Wo h l m a n n . Wenn er nichtern wird, weis er nicht mehr, was er

jetzt sprach; doch in der freyen Luft soll er den Klosterneuburgernoch besser empfinden.

R e i c h h a r t . Ich fürchte, wenn er seine treue Ehehälfte10h1 17rwiedersieht,| so wird er plötzlich nichtern seyn. – Doch zu etwas

andern. Bruder, ich hab’ einen einzigen Sohn, er ist brav, gut,arbeitsam, bekommt einmahl mein ganzes Vermögen; ich möchteseyn Freywerber seyn. Du hast eine hübsche Tochter – meinChristoph ist in sie bis zum Sterben verliebt, wie wär es, wen‹n› wir15die Leutchen zusam‹m›en gäben?

Wo h l m a n n . Ist das dein Ernst? Ich sag’ nicht nein. Lieben siesich denn? Ich weiß kein Wort!

R e i c h h a r t . Mein Sohn liebt dein Salchen, das weiß ich gewiß.Wenn deine Tochter an den Offizier nicht mehr denkt, so kann etwas20aus der Mariage werden.

Wo h l m a n n . Ey den Offizier hat sie längst aufgegeben. DerMann war ihr selbst zu stolz, zu hochmüthig. Weiß Gott, was der imKopf hat! Vor ein Paar Jahren wurde er um die Hälfte seinesVermögens durch einen ungerechten Prozeß betrogen, jetzt soll ein25anderer statt ihm Hauptmann geworden seyn, er fühlt sichzurückgesetzt, darüber ist er so mißtrauisch geworden, daß er alleWelt für seine Feinde hält. Ich bin froh, daß sich das Dingzerschlagen hat. Ein unzufriedener Mensch wird selten ein guterEhemann. Ueber dieß will ich mit meiner Tochter nicht so weit30hinaus: sie soll bey der Wirthschaft bleiben. O dein Sohn ist meinStolz, wenn er mein Mädel nimmt.

R e i c h h a r t . Wenn er’s nimmt? Er ist verliebt in sie, daß er nichtsieht, und nicht hört. Erst heute habe ich gefragt, ob ihm die Hühnerdas Brot gestohlen haben? Da bin ich ihm zu Leibe gegangen, und35wie ich Alles errathe, so war das Geheimniß entdekt. Du willigst ein,mein Sohn wird nun wieder lustig werden, wie der Fisch im Wasser.|

h1 17vWo h l m a n n . Ich wundere mich nur über meine Salerl, dieverstockte Sünderinn! ich habe gar nichts gemerkt. – Eben recht, justkom‹m›t sie! Nun warte, ich werde sie gleich aufs Korn nehmen.40

10 Scene.Vorige. S a l c h e n (mit dem Buch).

S a l c h e n . (küßt ihrem Vater die Hand) Guten Morgen HerrReichhart.

R e i c h h a r t . Grüß dich Gott, du Kernmädel! Warst’ heute schon45andächtig?

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22Adolf Bäuerle

Jennyfer Großauer-Zöbinger (Hrsg.)

S a l c h e n . Ja ich habe zum heiligen Leopold gebethet, für euchVater, für Sie, Herr Reichhart, für alle Menschen! Ich habe in derKirche gratulirt, und da (küßt Reichhart) gratulir ich noch einmahl.

R e i c h h a r t . (für sich) Das Teufelsding! sie glaubt, sie hat meinenSohn. (laut) Nun, nun, das Bindband gefällt mir. Ich danke 5schönstens.

Wo h l m a n n . Also für alle Menschen hast du gebethet? Das istbrav! du, schau mich an. Hast du auf deinen heimlichen Liebhabernicht vergessen?

S a l c h e n . (erschrikt) O weh! ich bin verrathen! Was soll ich sagen? 10Wo h l m a n n . Nun, so gib Antwort! Mich schau an! deinen Vater

schau an! – Auf deinen heimlichen Liebhaber hast du nichtvergessen?

S a l c h e n . Lieber Vater –Wo h l m a n n . Freylich heißt er nicht Leopold, aber was thut das? 15

man bethet doch für ihn. Nun, nun, sey nur nicht so verlegen, ichhabe ja nichts darwieder. Ich habe es ja im‹m›er gesagt, daß er brav ist;das kannst du nicht widersprechen. Deine Wahl freut mich. Freylichist er ein Uiber und über, aber du wirst ihm schon den Kopf zurechtsetzten.| 20

h1 18r R e i c h h a r t . Bravo! Mir ist Alles Recht, thu mit ihm, was duwillst. Laß deinen Zorn recht an ihm aus, er wird dir’s auch nichtschenken.

Wo h l m a n n . Ich bin nicht bös darüber, daß du ihn gern hast,(schäckernd) deinen heimlichen Liebhaber; aber der Vater sollte doch 25auch was davon wissen, nicht, daß fremde Leute zu mir in’s Zim‹m›erkom‹m›en –

R e i c h h a r t . Fremd? Sey so gut! Zuletzt wär’ ich gar fremd!Wo h l m a n n . Nun, verwandt müssen wir doch erst werden –

Salerl, schlag’ die Augen nicht nieder; ich bin dir ja nicht entgegen, du 30darfst ihn lieben, du darfst ihn sogar heirathen.

R e i c h h a r t . Nun, das versteht sich.Wo h l m a n n . Aber du mußt ihn aufführen.R e i c h h a r t . Ja aufführen muß sie ihn.Wo h l m a n n . Das mußt du, aus Strafe, weil er ein solcher 35

Hasenfuß ist und keine Kourage hat, und weil er kein Zutrauen zudeinen Vater hat.

R e i c h h a r t . Ihr speißt heute bey mir; er soll neben dir sitzen.S a l c h e n . Vater, ist das Ihr Ernst? Gewiß? er darf kom‹m›en? er

darf heute neben mir sitzen? Vater Leopold, das verdank’ ich Ihnen! 40Tausend, tausend Dank! (sie umarmt ihn) Da muß ich Ihnen noch einBindband geben! (küßt ihn)

R e i c h h a r t . Gib mir noch eins, hernach sind’s drey.S a l c h e n . (küßt ihren Vater) O, was ist das für ein schöner Tag!

Ich bin ausser mir vor Freude! 45R e i c h h a r t . (zu Wohlmann) Nun, die ist doch schön angebrennt.S a l c h e n . Tausend Dank, Vater! Tausend Dank, Herr Reichhart!

das dank’ ich Alles Ihnen!R e i c h h a r t . Das versteht sich! Wenn der Vater nicht wäre, wo

wäre denn das Kind?| 50h1 18v S a l c h e n . (bezieht dieß auf ihren Vater) Freylich, freylich, mein

Vater ist die Hauptsache. Aber Sie Herr Reichhart, Sie haben dochein gutes Wort gesprochen.

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23h1 – Der Leopoldstag

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R e i c h h a r t . Das ist wahr; einen bessern Freywerber hätte deinAmant nicht schicken können.

S a l c h e n . Jetzt muß ich ihn aufsuchen, das muß ich ihmbrühwarm, siedheiß überbringen. Es ist bald 12 Uhr, die Zeit ist kurz.Er sitzt neben mir! Ich muß ihn ja aufführen, nicht wahr, lieber5Vater? nicht wahr Herr Reichhart? Nun bei Tische, das soll heute einJubel werden. Gott sey gedankt, er hat mich erhört, ich habe nichtumsonst gebethet. Er ist mein, Er ist mein! (läuft ab)

11 Scene.Vorige. ohne Salchen.10

R e i c h h a r t . Mit der haben wir Zeit gehabt; der Tausend, meinSohn muß sie tüchtig in die Arbeit genommen haben, die ist ja bisüber die Ohren verliebt! Bruder, da heißt es dazu schauen; wirmüssen bald Hochzeit halten, sonst brennt uns das Haus ab, ehe manlöschen kann.15

Wo h l m a n n . Ich kann mich nicht genug wundern! Ich habe dasMädel mein Leben noch nicht so gesehen. Er ist mein! Er ist meinund zur Thür hinaus. Akkurat, wie meine Alte. Nun, ich wünsch ihreine eben so gute Ehe, wie die meinige.

R e i c h h a r t . Ich steh’ gut für meinen Sohn, mein Blut fließt in20seinen Adern.

12 Scene.Vorige. C h r i s t o p h .

Wo h l m a n n . Da ist er.R e i c h h a r t . Nun, du – wo stekst du denn? Hat sie dich schon25

hergeschickt?h1 19rWo h l m a n n . Alles ist verrathen. Saubere Geschichten muß ich|

hören. Ist das eine Aufführung? Complotte macht man hinter demRichter seinen Rücken? Ich werde dem Christoph nur in den Kotersper‹r›en. Heimliche Liebeshändel? die Eltern wissen nichts davon?30Das ist eine schöne Aufführung.

R e i c h h a r t . Mach’ dir nichts daraus, Christoph, es ist sein Ernstnicht; er ist völlig froh, daß du ein solcher Vocativus bist. Du bistbrav, deine Wahl macht dir Ehre, du hast unsern Segen.

C h r i s t o p h . (verblüft) Vater –35R e i c h h a r t . Verstell’ dich nur, wir wissen Alles. Sie selbst hat es

eingestanden, sie hat es eingestanden, also läug’ er nicht mehr, sonstmachst du mich böse.

C h r i s t o p h . (freudig) War sie den‹n› da?R e i c h h a r t . Nun versteht sich, den Augenblick. Sie geht dich zu40

suchen, du scheuer Hannstampf! das ist eine Schande! ein Mannsbild,ein edler Klosterneuburger, ein Donaukind, und keine Kurage! Siemuß reden, er, der Narr hat kein Herz. Christoph, wenn ich dichnicht gar so gern hätte, ich behaltet das Madel für mich.

C h r i s t o p h . Es ist also schon Alles richtig?45R e i c h h a r t . Alles! Alles!C h r i s t o p h . Und der Vater willigt ein?

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24Adolf Bäuerle

Jennyfer Großauer-Zöbinger (Hrsg.)

Wo h l m a n n . Das hätte er freylich nicht thun sollen; weil Ihr’sso geheim gehalten habt.

R e i c h h a r t . Aber so stelle dich nur nicht so! Sie wird dirohnehin begegnet seyn und alles gesagt haben.

C h r i s t o p h . Ach mein Gott, nein! Niemand ist mir begegnet. 5Ich bin nur hieher gelaufen, um Ihnen zu sagen, daß Madam Würfelfertig ist und Sie zum Essen bitten läßt.

Wo h l m a n n . Also gehen wir. Salerl kom‹m›t schon nach.C h r i s t o p h . Salerl speist auch bei uns? das freut mich!|

h1 19v R e i c h h a r t . Das glaub’ ich, daß es dich freut. Deine Geliebte 10soll neben dir sitzen.

C h r i s t o p h . Neben mir? O, wie glücklich werd’ ich seyn! (küßtdie Hand) Ja ich habe den besten Vater von der Welt.

Wo h l m a n n . Und mit mir spricht der Mosje kein Wort? Bin ichnicht auch gut? Bin ich nicht auch ein guter Vater? 15

C h r i s t o p h . Gewiß, gewiß! Ich will Sie auf meine Hochzeitladen.

Wo h l m a n n . (lacht) Im Ernst? darf ich dabey seyn?C h r i s t o p h . Sie sollen mit meiner Braut vortanzen und mein

Vater soll mit Salchen nachtanzen. 20Wo h l m a n n . Bist du verrückt?R e i c h h a r t . Er weis gar nicht was er spricht.C h r i s t o p h . Ach, ich weiß es recht gut. Ich bin glücklich! Ich

darf mein Mädchen lieben, herzen, heirathen! Kom‹m›en Sie nur, esist die höchste Zeit, das Essen ist schon fertig. 25

Wo h l m a n n . Und Salchen?C h r i s t o p h . Ich will ihr entgegen gehen, ich will sie aufsuchen,

ich will sie zu Tisch führen. Kom‹m›en Sie nur und zögern Sie nicht,ich kann es gar nicht erwarten, neben meiner Braut zu sitzen und imAngesicht unserer Eltern recht froh zu seyn. Das ist ein Leben! das 30hat man doch nur auf dem Lande, da kann man so froh und einigseyn. Mein gutes Weib soll mir gewiß nicht in die Stadt. Juhe! (er küßtseinen Vater und Wohlmann) Der heilige Leopold soll Leben er heißt mitRecht der Schutzpatron der Österreicher, auf mich hat er nichtvergessen. (schnell ab) 35

13 Scen.Vorige. ohne C h r i s t o p h .

R e i c h h a r t . Heute sind die Küsse wohlfeil.Wo h l m a n n . Das heißt eine Liebe.R e i c h h a r t . Wir sind doch recht glückliche Väter, wir wissen 40

h1 20r doch| woran wir sind. Wenn man andere Eltern betrachtet, die niedas Geheimniß ihrer Kinder ergründen, so muß man völlig traurigwerden. Ich hab’s halt gleich errathen.

Wo h l m a n n . Mir als Richter, bleibt auch nichts verborgen.R e i c h h a r t . Ich hab’ es doch früher gewußt. 45Wo h l m a n n . Das wohl; aber ich muß dir aufrichtig sagen, ich

hab’ es schon lange gemerkt.R e i c h h a r t . Im Ernst?Wo h l m a n n . Einen Richter meiner Art, entgeht nichts.R e i c h h a r t . Der erste war aber doch ich. 50

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25h1 – Der Leopoldstag

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Wo h l m a n n . Du hast davon geredet, ich aber habe darangedacht. Nun kom‹m›, Schwiegerpapa.

R e i c h h a r t . Nur voraus, Brautvater!Wo h l m a n n . Großvater hörte ich lieber.R e i c h h a r t . Einen kleinen Christoph –5Wo h l m a n n . Dann ein kleine Sali –R e i c h h a r t . O, wie glücklich werden wir seyn! (beide ab)

14 Scen.(Große Stube bei Reichhart mit Fenster. Im Hintergrund ein reichlich gedeckter

Tisch auf 10 Personen. Wein und Gläser sind aufgepflanzt, in der Mitte ein10großes Bouquet nach Art der Landhochzeiten. W ü r f e l sitzt in einem

Armstuhl und schläft. K n o l l winkt der Madame W ü r f e l zur Thür herein)K n o l l . Kom‹m›en Sie nur herein, Madam, er schläft gut. Der

Wein ist ihm ein wenig in den Kopf gefahren; er wird seinen Rauschgleich verdünstet haben.15

Mad: W ü r f e l . Ich wünschte, daß er einen ewigen Rausch hätte,denn in der Nüchternheit nim‹m›t er mich nicht mehr.

K n o l l . Wir haben ihn schon recht weit. Halb und halb will er Sieh1 20vschon wieder zu sich nehmen; es fehlt nur eine Kleinig|keit, er halt

Sie für eine andere Person. Je vous’ assure, für eine andere Person.20Mad: W ü r f e l . Ist das eine Kleinigkeit? Erlauben Sie, das ist viel!

(sieht nach ihrem Mann) Poldel! Poldel! könnt’ ich dir jetzt im Traumeerscheinen und dein Herz zu meinem Vortheil stim‹m›en.

W ü r f e l . (träumend) Nein, meinem Weib ihre Gesundheit trink’ich nicht!25

K n o l l . Horch! er träumt.Mad: W ü r f e l . Ich glaube von mir.K n o l l . Warten Sie; ich habe gehört, daß man von träumenden

Leuten Geheimniße erfahren kann, wenn man sie leise zupft und siedazu bescheiden fragt. Laisses moi faire, Madame Üresl.30

Mad: W ü r f e l . Das habe ich auch schon gehört. Probiren wir’s.K n o l l . Nur pianno.Mad: W ü r f e l . (geht zu ihrem Mann und zupft ihn leise an der Hand)

Poldy! – Mein Poldy! Grüß dich Gott.W ü r f e l . (im Schlafe) Was willst denn Urschel?35Mad W ü r f e l . Bist noch härb?W ü r f e l . Tous jour! alle Tag!Mad: W ü r f e l . Ich habe aber bereut, ich habe mich gebessert. Ich

will dir wieder Treu seyn, ich will mit dir leben und sterben, ich willdir alles thun, was ich dir am Auge ansehen kann.40

K n o l l . Bst! piano! sag’ ich, piano! nicht so laut!W ü r f e l . (im Schlafe) Urschel, laß mich gehn!Mad: W ü r f e l . Poldy ich habe meine Lebensart geändert, ich seh

meinen Fehler ein, nim‹m› mich immer wieder zu dir.W ü r f e l . (im Schlafe) Ich bin kein Strumpf ohne Zwickel.|45

h1 21rMad: W ü r f e l . (mit stärkerer Stim‹m›e) Ich kom‹m› nicht leer zu dir,was ich verwirthschaftet habe, will ich dir ersetzen. Meine Schwesterdie Greißlerin ist gestorben und hat mir 800f vermacht.

W ü r f e l . (im Schlafe) 800f ? (schnarcht stark und scheint zu erwachen)K n o l l . Geschwind Madame, sonst ist alles verdorben.50

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26Adolf Bäuerle

Jennyfer Großauer-Zöbinger (Hrsg.)

Mad: W ü r f e l . (schlüpft zur Thür hinaus)W ü r f e l . (erwacht) Wo bin ich denn? (reibt sich die Augen) Bey

Ihnen Herr von Knoll? Schönen guten Morgen!K n o l l . Guten Morgen. Nun haben Sie ein wenig geschlafen? das

ist charmant! 5W ü r f e l . (streckt sich) Geschlafen und geträumt. (er beutelt sich vor

Kalte) Mich frirt, daß mir die Zähne klappern. Mir hat von meinemWeibe geträumt. Br! Br!

K n o l l . (verstellt sich) Von Ihrer Frau Gemahlin? Das ist ein gutesZeichen, mon cher. 10

W ü r f e l . (lacht) Ich habe mit ihr gered’t. Sie hat 800f Gulden,hat’s gesagt. Ein närrischer Traum.

K n o l l . Wenn er nur ausging.W ü r f e l . Das könnte ich nicht brauchen. Aber in der Lotterie

will ich ihn setzen; Herr von Knoll setzen Sie mit mir; fünf Nummern 15hab’ ich schon im Kopf. Getrennt und Geschieden ist 69. SchauenSie nur die Zahlen an, wie sie gegen einander schauen. Mein Weib ist43 Jahre alt, da haben wir das zweyte Numer. Ich bin 47 Jahre alt, dasist die dritte, heute ist Leopoldi, da setzen wir den 15ner, und 800Gulden, davon nehmen wir 80 so ist die Quaterne beisam‹m›en. Eine 20Null bleibt noch übrig, können Sies brauchen?|

h1 21v K n o l l . Das ist der Gewinn, lieber Würfel. Nein, nein, seyn siegescheit; denken Sie daran, daß der Traum ausgeht, vereinigen Siesich mit Ihrer Liebsten, das ist der beste Traum.

W ü r f e l . Das ist ein schlechtes Ambo. Zwey Nummern, wie ich 25und mein Weib, sind nicht einmal 4 Gulden werth.

15 S‹c›ene.Vorige. Wo h l m a n n . R e i c h h a r t . P o l y k a r p . K a r o l i n e .

R e i c h h a r t . Wie geht’s Gesundheittrinken? Wie sieht’s mit derWirthschafterin aus? 30

W ü r f e l . Da blei‹b›t es dabey. Glauben Sie, ich weis nichts mehr?R e i c h h a r t . Das Räuscherl ist doch schon verdünst’t?W ü r f e l . Noch nicht ganz; aber so bald ich einen Löffel Supen in

den Leib bekomm’, so soll alles in Ordnung seyn. Wo ist denn dieWirthschafterin? Sie soll einmal auftragen. Herr Vetter ich hab einen 35Moder, ich könnte einen Ochsen fressen. Junger Herr, gehen Sie mirnur gleich auf die Seiten.

R e i c h h a r t . Noch zwey Minuten. Die Kinder fehlen noch.W ü r f e l . Ich setze mich noch indessen, bis die Suppen kom‹m›t.

16 Scene. 40

Vorige. C h r i s t o p h . Hernach Mad: W ü r f e l .C h r i s t o p h . (eilig) Salchen find ich nirgends.R e i c h h a r t . Du bist mir auch ein wakerer Bräutigam. Wo hast

du sie denn gesucht?Wo h l m a n n . Wo steckt denn das Mädel, wenn sie nicht hier im 45

Hause ist?

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27h1 – Der Leopoldstag

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W ü r f e l . Es wird sie die Liebe speisen. Herr Vetter, lassen Sieh1 22rderweile auftragen. Und schauen Sie her,| damit die Wirthschafterinn

gleich überrascht wird, wenn sie eintritt, so bring ich ihr ein Vivatentgegen. (er schenkt sich ein)

R e i c h h a r t . Bravo! Recht so! (schreyt zur Thüre hinaus) Nun, Frau5Urschel herein zu uns. Bringen Sie gleich die Suppe mit.

Mad: W ü r f e l . (von Aussen) Gleich! Gleich!K n o l l . (hat indeß zum Fenster hinaus gesehen) Da kom‹m›t die Salerl

auch mit einem Offizier.Wo h l m a n n . (geht auch zum Fenster) Meiner Seele! Mit dem10

Lieutenant! Was will sie denn mit dem?

17 Scen:Vorige. F r e y m u t h . S a l c h e n .

C h r i s t o p h . (hat sich indeß zu Carolin hingestohlen)P o l y k a r p . (frißt)15W ü r f e l . (hat sich voll Erwartung auf den Stuhl gestellt, und hält ein volles

Glas in der Hand.) (Alles geschieht rasch und fast zur gleichen Zeit.)S a l c h e n . Vater! da ist mein heimlicher Liebhaber. Er will das

Jawort aus ihrem Munde hören.Wo h l m a n n . Was? Mädel, bist du toll? Spielst du Comödi?20F r e y m u t h . Mein Herr –R e i c h h a r t . Was alle Tausend – Christoph, wo bist denn du?C h r i s t o p h . Bey meiner Braut.R e i c h h a r t . Kinder, seyd Ihr ausgewechselt?W ü r f e l . Nun, kom‹m›t den die Wirthschafterin noch nicht bald?25R e i c h h a r t . Ich weis nicht, wie mir geschieht?F r e y m u t h . Also hat man mich wieder hintergangen?P o l y k a r p . Juhe! Jetzt kom‹m›t die Suppen.|

h1 22v18 Scen.Vorige. Mad: W ü r f e l . (tritt mit der Suppenschußel ein) hernach H a n n s .30

W ü r f e l . Vivat, Frau Wirthschafterin! (er erkennt sein Weib) Kreuzdivi domini, das ist mein Weib! (springt herab und will entfliehen, wobey erden Tisch umreißt)

Mad: W ü r f e l . (läßt vor Schreck die Suppenschüssel fallen.) Poldy!Poldy! Mein Poldy!35

A l l e . Was ist das für tolles Zeug?K n o l l . Herr Vetter, die Suppen!P o l y k a r p . Herr Vetter der Wein!H a n n s . (tritt mit der zweyten Trag ein und wird zu Boden geworfen.)W ü r f e l . (weicht seiner Frau aus) Weich’ von mir, Satanas!40Mad: W ü r f e l . (indem sie ihren Mann an der Thüre erwischt) Ich laß

dich nicht los!

(Unter dieser allgemeinen Verwirrung fällt der Vorhang.)|

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28Adolf Bäuerle

Jennyfer Großauer-Zöbinger (Hrsg.)

h1 23r 3ter Act.(Das nehmliche Zim‹m›er, wie zu Ende des zweyten Act’s. Alles liegt noch in

Unordnung)

1 Scen.Wo h l m a n n . R e i c h h a r t . H a n n s . 5

R e i c h h a r t . Einen solchen Konfusions-Nahmenstag habe ichauch noch nicht erlebt. Ich bin nur froh, daß wir das Rindfleisch undden Braten gerettet haben, das andere geb’ ich herzlich gern auf.

H a n n s . Was Rindfleisch, was Braten! Das Rindfleisch hat indeßder Sulterl gestohlen, es war gerade angerichtet für ihn. Und der 10Braten ist verbrennt, wenigstens hats eine so schwarze Rinde wieEbenholz.

R e i c h h a r t . Also haben wir heute nicht einmahl was zu essen.H a n n s . Der Herr muß von vorne an kochen lassen.R e i c h h a r t . O weh! Und die Wirthschafterinn ist beym Teufel! 15Wo h l m a n n . Ich frag’ nichts nach dem Essen, wenn mir nur der

Streich mit meinem Kind nicht passirt wär’. Das ist ein verwünschtesMißverständniß. Der Offizier war ihr heimlicher Liebhaber; ich hab’geglaubt, es ist’s dein Christoph.

R e i c h h a r t . Wo haben wir beide unsere Augen und Ohren 20gehabt!

H a n n s . Ich hab’s gerade noch zur rechten Zeit verrathen wollen.Herr Reichhart, ich hab’ alles gewußt, gerade als wenn es so seynwollte, hab ich kurz zu vor Paar, und Paarweise ertappt. DerChristoph ist der Stadtfräule in den Armen gelegen, der Herr Offizier 25hat mit der Sali g’spirnzelt. Ei die Sali hab’ ich gar oft schon mit

h1 23v ihrem| heimlichen Liebhaber unten an der Donau begegnet.R e i c h h a r t . Was ist nun zu thun, Brau‹t›vater?Wo h l m a n n . Frag mich nicht, Großvater! Wir waren beide mit

Blödheit geschlagen. Aber dem Offizier geb ich mein Mädel nicht, 30eher verheirath’ ich sie an den ersten besten.

H a n n s . Ich nimms auf der Stelle, so darf der Herr Richter nichtlange in Verlegenheit seyn.

Wo h l m a n n . Halt’ dein Maul Dum‹m›kopf !H a n n s . Ey, ich bin nicht dum‹m›. Ich krieg auch einmahl ein 35

Geld und daß ich jetzt diene, daran ist meine Mutter Schuld; warumlaßt sie mich nicht zu Hause den Herrn Spielen.

R e i c h h a r t . Marsch Hannsdampf! Geh’ an deine Arbeit, da liegtAlles herum. Räum auf! denk’ du an etwas anders als an’s heirathen.Marsch, sag’ ich rühr dich vom Fleck. 40

H a n n s . (mit einem Seufzer) Es ist halt schon wieder nichts. (erräumt auf) Nu, da kom‹m›t die Stadtfräule.

2 Scen:Vorige. K a r o l i n e

K a r o l i n e . Herr Vetter, ich muß mir ein Herz nehmen; der 45Christoph steht draußen und weint. Er glaubt Sie zürnen auf ihn.

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29h1 – Der Leopoldstag

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Nicht wahr Herr Vetter, das thun Sie nicht.R e i c h h a r t . Ganz gut bin ich noch nicht.K a r o l i n e . Sie sollen es schon werden. Oder wie, wollen Sie

mich nicht Ihre Tochter nennen? Ey das wäre ja schreklich, wenn einehrliches Wiener Mädchen gar aufs Land reißen müßte, um sich einen5Korb zu holen. Lieber Herr Vetter, ich spiele die verkehrte Welt, ich

h1 24rhalte um den armen Christoph an, ich er|kläre ihm glücklich zumachen – Nun, Ja, oder Nein! Soll ich eine abschlägige Antworterhalten?

R e i c h h a r t . Jungfer Mahm, wie mir der Hagel mein Getreid’10verwüstet hatte, es war mir schrecklich um’s Herz aber dieser Hagelist mir noch ärger.

K a r o l i n e . So? Nun danke gehorsamst! Warum suchte ich auchhier ein Herz wo der Hagel schaden kann.

R e i c h h a r t . Nicht doch, nicht doch! Sie sind mir lieb und15werth; aber was sollen Sie mit meinem Sohn?

K a r o l i n e . Sie wollen lieber Fragen was er mit mir soll? Es wirdim‹m›er besser. Doch ich bin zu weit gegangen. Ein Mädchen meinerArt, daß über alle Stadtvorurtheile hinaus ist, kann nun nicht mehrzurück, oder es muß mit Schimpf abziehen.20

Wo h l m a n n . Wissen Sie was, Fräulein Karoline, nehmen Sieden Offizier, so ist uns Allen geholfen.

H a n n s . (halb laut) Oder mich; ich bin ja auch ein Mannsbild.R e i c h h a r t . Hanns! Marsch hinaus!H a n n s . Gleich! Gleich! Es ist halt schon wieder nichts.25K a r o l i n e . Keine Kränkung, mein Herr! Ich liebe Christoph ich

habe ihn vor einigen Monaten genau kennen gelernt, er liebt michauch, das weis ich, wir können glücklich seyn. Die Wirthschaft füri‹h›r Hause habe ich mir schon besehen, es ist keine Hexerey beiguten Willen. Vor 5 Uhr im Som‹m›er und vor 6 Uhr im Winter des30Morgens aus den Federn seyn; das wäre Ungefahr der Anfang. BeymFedervieh, bei den Kühen, im Obst-Wein, und Gemüsegartenbeschäftigt, verginge der Vormittag. Wo dann die Küche besorgt

h1 24vwerden dürfte,| um ein recht geschmackvollens Mahl einzunehmen.R e i c h h a r t . (horcht hoch auf)35K a r o l i n e . Nach Tische gibt es theils was zu verkaufen, da

kom‹m›en Leute die nach Hafer, Gerste, Stroh, Wein und Früchtefragen; da ist eine junge Frau wieder rüstig bei der Hand, rechnet,schreibt, besorgt Alles, hat die Augen in der Hand, oder sie geht aufsFeld, sieht den Knechten nach, hört, ob’s keine Klagen, keine40Abänderungen giebt. – Oder sie fährt wohl auch manchmal in dieStadt zu den Kaufleuten, oder andern Personen, wo der HausvaterSchuldforderungen einzutreiben hat, und wo sich der Sohn nit gernehinzubringen läßt weil ihm erst neulich so arg mitgespielt wurde.

H a n n s . (horcht und reißt das Maul auf) Die verstehts!45R e i c h h a r t . Weiter Jungfer Tochter! –K a r o l i n e . So kom‹m›t der Abend. Der Hausvater sitzt da, wie

Sie jetzt im Sorgenstruhl, man spricht was es heute gegeben hat, wasgeschehen ist. Die junge Frau nim‹m›t das Wort und rapportirt, derSohn winkt ihr Beifall zu und erzählt von seinen Geschäften. Man50geht zum Abendtisch, denn die Frau auch schon gedeckt hat und –

R e i c h h a r t . Nun? und – ?K a r o l i n e . Setzt sich nieder und ißt.R e i c h h a r t . Weiter! Weiter!

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30Adolf Bäuerle

Jennyfer Großauer-Zöbinger (Hrsg.)

K a r o l i n e . Man spricht bloß von der Wirthschaft so langedavon zu reden ist, dann denkt man auf eine Erheiterung. DerHausvater fragt, was es Neues giebt? Die Frau hat entweder durchFremde im Hause etwas erfahren, oder sie war in der Stadt und hatalle Taschen voll merkwürdigen Begebenheiten. Dann – 5

R e i c h h a r t . Dann legt man sich zu Bette.|h1 25r K a r o l i n e . Noch nicht. Der Hausvater mag ausruhen und

meinetwegen der Sohn, aber die junge Frau hat noch viel zu thun. Siesieht in der Küche Keller und Stall noch einmal nach, ob keine Gluthmehr glim‹m›t ob kein Licht brennt, daß kein Feuer entsteht. Dann – 10

R e i c h h a r t . (steht ganz voll Freude auf) Kom‹m›t ihr der Hausvaterentgegen küßt sie und – nim‹m›t sie selber zur Frau! Wart’ ich werdemeinem Sohn diesen Bissen vergönnen!

H a n n s . (für sich) Da habens wirs! es ist schon wieder nichts!R e i c h h a r t . Wirst du hinaus gehn? 15H a n n s . (geht) In Gottes Nahmen! (mit einem Seufzer) Jetzt bandelt

gar der Alte an. Jetzt ist es gar nichts. (ab)

3te Scene.Vorige ohne Hanns.

R e i c h h a r t . Nein, nein, meine Liebe Mahm, da sie die 20Wirthschaft so gut verstehen, so ist’s mit meinem Sohn nichts! Ichbin selbst in den besten Jahren, ich behalte Sie für mich.

In der Still’ und in der G’ham,Schleicht der Vetter zu der Mahm, sollen die Leute sagen.

Wohlmann, was sagst du Nicht wahr? Ich bin noch ein 25riegelsam‹m›er Mann, die Mahm behalt’ ich für mich, und meinChristoph heirathet die Salerl.

4te Scene.Vorige. C h r i s t o p h . (schleicht sich herein und bleibt rückwärts stehen)K a r o l i n e . Aber bester Herr Vetter wie können sie noch 30

scherzen?R e i c h h a r t . Ich scherze nicht mit dir, du wirst mein Weib! Wer

eher kom‹m›t mahlt eher?C h r i s t o h . Halt, Vater! da hab ich schon gemahlen. So haben

wir nicht gewettet der Hanns hat mir schon alles gesagt.| 35h1 25v R e i c h h a r t . Was willst du? Ich hab’ geglaubt, du stehst vor der

Thür und weinst.C h r i s t o p h . Gott bewahre! Wenn ich aber mein Linchen nicht

bekom‹m›e, so wein ich mir die Augen aus.R e i c h h a r t . Was wäre das? Nein Sapperment, einen blinden 40

Sohn kann ich nicht brauchen – da habt’s einander! seyd glücklichund führt’s mir meine Wirthschaft.

(Christoph und Karoline fliegen einander in die Arme)R e i c h h a r t . Halt! macht’s die Rechnung nicht ohne Wirth! Es

ist ja noch ein Vater da, der gefragt werden muß. 45

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31h1 – Der Leopoldstag

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Wo h l m a n n . Ich! Ich! Was soll denn mit meinem Salchengeschehen?

C h r i s t o p h . Die heirathet ja den Lieutenant.Wo h l m a n n . (böse) Eher soll sie als alte Jungfer sterben!R e i c h h a r t . Hoho! Davon läßt sich mehr reden. Ich meine aber5

einen andern Vater. Den Herrn Vetter Knoll.C h r i s t o p h . (Freudig) Der sagt ja, ich habe mit ihm schon

gesprochen.R e i c h h a r t . Also auf diese Art hast du geweint?C h r i s t o p h . Freudenthränen. Da ist der Vetter selber.10

5te-Scene.Vorige. K n o l l . P o l y k a r p .

K n o l l . Her da geschwind, wer gesegnet seyn will, ich habe nichtlange Zeit. Allons, Kinder, kom‹m›t kniet’s euch geschwind nieder!Frisch je mén vais. Der Strumpfwirker Würfel braucht mich auch15noch.

R e i c h h a r t . Im Ernst Herr Vetter? Sie willigen ein?K n o l l . Das ist mir lieber als was von Mehl; so habe ich meine

Aschenbrödel doch einmal los. (gibt die Hände der Kinder zusamen)Liebts einander, führts euch gut auf, bettet Euch gut, so schlaft’s gut,20kocht’s gut, so esse ich oft bey Euch.|

h1 26rP o l i k a r p . Papa ich bleib’ gleich bei meiner Schwester, ich helfihr wirthschaften. Ich war schon im Stall, die Pferd kennen michschon alle.

K n o l . Nichts da Polykarperl, du gehst wieder mit in die Stadt.25Du mußt in die Schule gehen.

P o l i k a r p . Ey Papa, ich lerne ohnehin nicht.R e i c h h a r t . Geh Wohlmann sey nicht so düster! Schau, bei uns

ist die Freude eingekehrt. Mach’s wie wir, der Lieutenannt ist ja einbraver Mann.30

Wo h l m a n n . Ich brauch’ einen Schwiegersohn für meineWirthschaft.

P o l y k a r p . Ich wär zu brauchen.R e i c h h a r t . Ja zum verwirthschaften, dich kenn’ ich schon.

Denk an den Obstboden.35K n o l l . Macht’s es mit einander aus, ich muß fort. Ein Paar

Würfel warten auf mich, ich werd einen Pasch werfen, so wahr ich einKnoll bin!

6 Scene.Vorige. Fr e y m u t h : S a l c h e n .40

F r e y m u t h . Ich sollte dieses Haus nicht wieder betretten, manhat mich hier grausam getäuscht. In der Meinung Ihre Einwilligungzu erhalten Herr Wohlmann, kam ich hieher, und mußte schimpflichabziehen. Meine Ehre ist tief gekränkt, Salchen schwim‹m›t inThränen, daher bitte ich um Ihre letzte Erklärung.45

R e i c h h a r t . Kinder ihr seyd hier überflußig; aber ich willdableiben.

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32Adolf Bäuerle

Jennyfer Großauer-Zöbinger (Hrsg.)

K n o l l . (zieht Caroline, Christoph und Polykarp mit sich fort.) Kom‹m›t mitmir, mes enfans. (mit ihnen ab.)

F r e y m u t h . Daß wir uns lieben; ist Ihnen nun kein Geheimnißmehr, also – was beschließen Sie?|

h1 26v Wo h l m a n n . Nehmen Sie es nicht übel, aber aus der 5Verbindung mit meiner Tochter kann nichts werden.

S a l c h e n . (weint) Vater!R e i c h h a r t . Nur die Worte wägen ehe man sie ausspricht.Wo h l m a n n . Feinden Sie mich darüber nich an Herr Lieutenant

aber ich hab meine Gründe. 10F r e y m u t h . Die Sie dem ehrlichen Manne wohl sagen können?Wo h l m a n n . O ja. – Sie sind Offizier: was soll aus meiner

Wirthschaft werden? Soll die in fremde Hände kom‹m›en? MeineTochter ist fürs häusliche erzogen, was wird die in der grossen Weltfür eine Rolle spielen? Eine Offiziers Frau, der man auf jeden Schritt 15die Land-Dirne ansieht! Ich, Sie, und das Mädel wir müßten uns alledrey schäm‹m›en.

R e i c h h a r t . Das sind deine Gründe? Nun, da hör man nureinmahl! Will ein Richter seyn, und redt so dum‹m›es Zeugs!

F r e y m u t h . Erlauben Sie mir – 20R e i c h h a r t . Nein Herr Offizier, erlauben Sie mir, ich werde

reden, ich werde da dem Herrn Richter das Urtheil sprechen, ichkann es so gut wie Sie. Fürs erste wegen der Wirthschaft, – die führstdu selber, so gut’s geht, und hast du einmahl genug Geld, so verkaufsie. Wo steht den‹n› das geschrieben, daß du mit der Pflugschaar 25begraben werden sollst? Du bist Richter du must höher hinausdenken, du gehörst unter die Honoratioren, dein Schwiegersohn mußvon rechtswegen mehr seyn, als du, das bringt schon der Stand mit

h1 27r sich. Endlich die Närrische Idee, die du hast, deine| Tochter würdeals Offiziersfrau eine alberne Rolle spielen. Wer hat dir denn das weis 30gemacht? Niemand in der Welt ist so gelehrig als ein Frauenzim‹m›er.Alter gieb deine Einwürfe auf; denk lieber an das Glück deinerTochter. Gieb die Leutchen zusam‹m›en, daß ist gescheiter.

S a l c h e n . O bester Herr Reichhart!R e i c h h a r t . Jetzt werd’ ich doch noch ein Busserl kriegen? 35F r e y m u t h . Herr Wohlmann, Sie wissen wohl, darum; daß sie

reich sind, nehme ich Ihre Tochter nicht; ich habe Gott sey Dankselbst noch ein hübsches Vermögen. Der Staat hat Frieden, ich binnicht nothwendig, ich bitte um meine Entlassung, und will einLandwirth werden. 40

Wo h l m a n n . Im Ernst? Herr Schwiegersohn, das ist ein Wort!R e i c h h a r t . Herr Richter ich gebe meine Stim‹m›e.S a l c h e n . Wilhelm du bist mein!Wo h l m a n n . Salerl, Kinder, jetzt wollen wir zur Mutter und ihr

unsere Angelegenheiten vorbringen. 45F r e y m u t h . Ja, ja, und das gleich.R e i c h h a r t . Wieder eine Hochzeit! Gottlob, ich habe auf das

Essen vergessen. Aber so etwas stillt auch allen Appetit. alle ab.

7 Scene.Vorige. H a n n s . 50

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33h1 – Der Leopoldstag

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H a n n s . Herr Vetter, Sie möchten zu Herrn von Knollkom‹m›en. Der Würfelmeister Strumpf oder wie er heißt, und seineFrau –|

h1 27vR e i c h h a r t . Die sollen auch noch zusam‹m›en kom‹m›en. Ichbin schon bereit. Ja, ja der Vetter von Klosterneuburg hat heute viel5zu thun. Kom‹m›t Kinder! Kom‹m› Wohlmann! Es gilt das Letzte,dann wollen wir zum Essen gehen und das Leopoldsfest feyern. (alleab)

8te Scene.H a n n s . (allein) Hanns du bleibst ledig, es ist kein anderes Mittel.10

In Gottes Nahmen! Jetzt hab’ ich wollen die alte Wirthschafterinheirathen, doch auch mit der ist’s nichts. Schadet nichts; ein Kerl wieich bleibt ledig. Und wenn ich 80 Jahr alt bin, dann laß ich mich fürsGeld sehen. Ein 80 jähriger Junggeselle, das ist noch nicht dagewesen. (will ab) Sapperment, jetzt hab’ ich was vergessen. Beim15Hirschen ist heute Ball im Keller, das hätt’ ich meinem Gerhab sagensollen, dort hätt’ er die Hochzeit feyern können. Geschwind einenTanz muß ich heute doch noch kriegen, wann ich auch kein Weibkrieg? (rennt ab)

9te Scene.20

(Freyer Platz wie im ersten Act.)W ü r f e l . (allein) Nein zu meinem Weibe geh’ ich nicht mehr

zurück, da mag mir Him‹m›el und Hölle zu reden. Glücklich genugbin ich dießmahl entwischt. Wer weiß wo sie mich noch aufsuchenwird. Mir fällt was ein. Ich geh’ unter die Soldaten, sie werden froh25seyn; daß sie einen so hübschen Kerl bekom‹m›en. Friede ist auch,erschossen kann ich nicht werden – dann soll mein Weib machen,was sie will. – Da kom‹m›t gerade ein Wachtmeister auf mich zu.|

h1 28r10te Scene.W ü r f e l . K r a u s .30

W ü r f e l . Herr Wachtmeister, verzeihen Sie mir eine Frage –(erkennt ihn) Him‹m›el steh’ mir bey! Sie sind ja – was seh’ ich? Sie sindja – Täuschen mich meine Augen?

K r a u s . Ja, ja, ich bin der Marqueur, der Ihnen einst dem Bock inden Krautgarten gesetzt hat, ich bin der Johann Kraus, der mit Ihrer35Frau –

W ü r f e l . Reden Sie nicht aus, sonst muß ich mir das Lebennehmen! (mit komisch tragischen Geberden) Sind Sie hieher gekom‹m›en,sich an dem Uibermaß meiner Leiden zu weiden mit Freuden? HerrJohannes, Herr Kraus, Herr Marqueur, Herr Wachtmeister, oder wie40ich Sie nennen soll, Sie haben schrecklich an mir gehandelt!

K r a u s . Herr, vergessen Sie, was geschehen ist, decken Sie einenSchleyer darüber. Ihre Frau ist auf dem Wege der Besserung;verzeihen Sie ihr.

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34Adolf Bäuerle

Jennyfer Großauer-Zöbinger (Hrsg.)

W ü r f e l . Ich ihr verzeihen? Und Sie leben noch? Sind noch dazubei ihr in Klosterneuburg gewesen? O ich 9 mal gefoppter Ehemann!Wie hat mich das Schiksall verfolgt!

K r a u s . Herr nehmen Sie Raison an!W ü r f e l . Herr Wachtmeister, Sie haben mir mein bestes Kleinod 5

genom‹m›en.K r a u s . Sie erhalten es aber wieder zurück.W ü r f e l . Aber wie? Um 7 Jahr älter, auf den ungestim‹m›en See

des Schicksals stark herumgeworfen und von groben Stürmen harth1 28v erschüttert. Nein, Herr Wachtmeister,| das ist nichts! Ich nehme Sie 10

nicht mehr.K r a u s . So lassen Sie’s bleiben, mir ist’s einerley ich habe keinen

Nutzen davon. Leben Sie wohl! (will ab)W ü r f e l . Herr Wachtmeister! Auf ein Wort noch.K r a u s . Was solls. 15W ü r f e l . Wo wollen Sie hin?K r a u s . Zu Ihrer Frau zurück. Sie hat mich Ihnen nachgeschickt,

weil Sie sie fliehen, wie die gebrannten Kinder das Feuer.W ü r f e l . Ich habe mich auch verbrannt.K r a u s . Ich will ihr sagen, daß für sie nichts mehr zu hoffen ist, 20

und damit basta!W ü r f e l . Also sie hat Ihnen zu mir geschickt? Nu keinen bessern

Vertretter hätte sie auch nicht wählen können.K r a u s . Gewiß nicht, denn ich bin von Allem zu gut unterrichtet

von Allem, sag ich! Herr! verstehen Sie mich? Also auch davon, daß 25Sie selbst Schuld sind an der Verwirrung Ihrer Frau.

W ü r f e l . Ah, das geht zu weit! Auf die letzt werd ich Sie wohl garnoch gebetten haben, daß sie mit Ihnen davon gehen soll?

K r a u s . Das nicht, aber nicht viel weniger. Wer war derschwechere Theil aus Ihnen beiden? 30

W ü r f e l . Ich, denn ich hab die meinsten Schläg bekom‹m›en.K r a u s . Das war eben der Anfang Ihres Unglücks. Warum haben

Sie sich so behandeln lassen. Wo einmahl die Achtung aufhört, dafährt die Liebe mit extra post davon.

W ü r f e l . Ja, ja mit der Post ist sie davon gefahren.| 35h1 29r K r a u s . Machen Sie daher einen Mann und sprechen Sie noch

einmal mit ihr.W ü r f e l . Gott soll mich behüten! Ich habe zwar noch keinen

Bissen heute gegessen, aber lieber leide ich noch länger Hunger undgehe auf der Stelle zu Fuß nach Wien. 40

K r a u s . Das ist wieder nichts; es käm ja so heraus, als wenn Siesich fürchteten. Lassen Sie sie daher kom‹m›en, reden Sie ruhig mitihr.

W ü r f e l . Daher unter freyen Him‹m›el?K r a u s . Gerade unter freyen Him‹m›el werden die wichtigsten 45

Sachen ausgemacht. Bey Ihnen ist noch das Gute dabey, daß dieVorübergehenden Sie gleich zur Raison bringen können, wenn Sieetwa zu laut werden dürften.

W ü r f e l . In Gottes Nahmen! ich will mit ihr reden.K r a u s . Ich gehe sie zu holen. Vermeiden Sie allen Exzeß, seyn 50

Sie Mann und nehmen Sie sich ein Beyspiel an mir. (geht ab)

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35h1 – Der Leopoldstag

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11te Scene.W ü r f e l (allein.) Sie wird also kom‹m›en! – Würfel nim‹m› dich

zusam‹m›en, laß keine Komödie mit dir spielen. Wenn sie auch derWachtmeisterische Marqueur nicht mehr mag, wenn sie sich wirklichgebessert hat, so laß dich nicht um den Daum drehen; Strumpfwirker,5sey kein Strumpf, wie du’s einmahl in der Komödie gesehen hast, woauch Einer seiner abtrünnigen Gattin wieder verziehen hat. Dubrachst grad’ nicht grob mit ihr zu seyn; Würfel, bedenk’, sie iststärker, als du, auch ist ein Weib mit der Thür geschlagen. Nein,Würfel sey artig, sey freundlich sogar, das zermalmt, das wurmt! Ha!10

h1 29vich wil‹l› sie schon wurmen| (sieht ihr entgegen) Sie kom‹m›t! Siekom‹m›t! Sie hat ein Schnupftuch in der Hand – sie weint. Ich habeauch ein Schnupfetuch, ich kann auch weinen. (er zieht sein Schnupftuchaus der Tasche.)

12te-Scene.15

W ü r f e l . Mad. W ü r f e l . (hat ein Schnupftuch und eine Schrift in der Hand,wird von R e i c h h a r t , K n o l l und K r a u s heraus geführt und komt

langsam‹m› vorwärts)Mad: W ü r f e l . Lassen Sie mich ich kann schon allein gehen. Ich

war einst stark genug, diesen Mann zu beleidigen, stark genug, gegen20ihn zu sündigen, ich werde auch Kraft haben zu büßen. Verlassen Siemich.

R e i c h h a r t . (leise zu ihr) Wir bleiben in der Nähe. (geht mit Knoll,und Kraus zurück)

Mad: W ü r f e l . (tritt zu ihrem Manne etwas vor) Herr25Strumpfwirkermeister!

W ü r f e l . (mit sanftem Ton) Was willst du von mir liebe Urschel?Mad: W ü r f e l . (fahrt zusamen) Nein, das ist zu viel! Auf diesen

Ton war ich nicht gefaßt! – Musie Würfel, Ihre Gütigkeit zerschneidetmir das Herz! Ich bitte Ihnen seyn Sie grob mit mir, ich habe es oft30verdient.

W ü r f e l . (grob) Nu was giebt’s?Mad: W ü r f e l . Musie Würfel, ich bitte um Vorwürfe, ich habe sie

verdient. Musie Würfel, machen Sie mir Vorwürfe. Ich bitte Sie,werfen Sie mir was vor!35

W ü r f e l . Vorwürfe? Was soll ich mit dir reden, was nicht aufh1 30rmeinem Gesichte steht? – Das ließ, oder buchsta|bier’, wann du

nicht lesen kannst. Siehst diese blassen Wangen? siehst du dieseeingefallenen Augen? Und die Haare schau an! Alle sind mirausgegangen. (tragisch) Du kannst die übrig gebliebenen zählen, wenn40du Zeit hast. (Pause) Nach dem, was zwischen uns zweyen vorgefallenund nachgefallen ist, wirst du einsehen, daß wir uns auf ewig trennenmüssen.

Mad: W ü r f e l . Poldy!W ü r f e l . (stolz und streng) Leopold heiß’ ich! – Trennen sag ich!45Mad: W ü r f e l . (schluchzt)W ü r f e l . Ja, da hilft kein Weinen! du hast es nicht anders wollen.

(vornehm und hochdeutsch.) Deine Thränen seh’ ich nur als Wasser an, siemachen keinen Fleck in’s Schnopftuch.

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36Adolf Bäuerle

Jennyfer Großauer-Zöbinger (Hrsg.)

Mad: W ü r f e l . Ich habe abscheulich bereut, das kann mir derWachtmeister bezeugen. (faßt sich) Wer mich nicht kennt, mußglauben, ich bin mit 50 Jahren auf die Welt gekom‹m›en. MeineJugend ist verlohren.

W ü r f e l . Mir hast du sie nicht aufzuheben gegeben. Genug! wir 5wollen nicht weiter reden, wir trennen uns und meiden uns lebenslänglich. (schwärmerisch) Will man uns einst nach dem Tode in EinGrab zusam‹m›en legen, ich werde nichts drein reden; aber jetzt gehstdu links und ich geh’ rechts.

Mad: W ü r f e l . Ist das dein unabänderlicher Wille? 10W ü r f e l . Mein eisener Entschluß! Madam ich bin ein Man‹n›

geworden, vorher war ich blos ein Lampel – Was hast du da für eineSchrift?

Mad: W ü r f e l . Eine geschriebene. Ich habe die Wäscheaufgeschrieben, die ich dir bei meiner Abreise habe mitgenom‹m›en, 15

h1 30v und die der Marquer getragen hat, damit| dasjenige nicht auf meineRechnung kom‹m›e, was dir vielleicht auch andere Leute gestohlenhaben.

W ü r f e l . Ich will nichts mehr davon wissen. Sechs neue Hemdenund zwey Leintücher hab’ ich mir nachgeschaft. 20

Mad: W ü r f e l . Wir scheiden also durchaus?W ü r f e l . Nein, in keinen Durchhaus, auf der freyen Strasse.Mad. W ü r f e l . Wohlann! starrsinniger Mann! so bleibt mir nichts

mehr übrig, als Abschied zu nehmen – Musie Leopold, ich wünschIhnen eine glückliche Reise! 25

W ü r f e l . Kom‹m›en Sie gut nach Hause, Frau Urschel.Mad. W ü r f e l . Ein Andenken hätte ich gerne noch von Ihnen

gewünscht.W ü r f e l . (greift in die Tasche) Da hast du eine Plutzerbirn, laß sie

nicht verfaulen – (sieht seine Frau an) Und ich? – bekomm ich nichts? 30Mad: W ü r f e l . Ich hab’ nichts?W ü r f e l . Weißt du was? gib’ mir 5 Gulden, ich kauf mir was.Mad: W ü r f e l . (thut es) Mann! Alles was du willst!W ü r f e l . (großmüthig) Genug! Wir scheiden!Mad: W ü r f e l . Aber ohne Groll. 35W ü r f e l . Ohne Groll.Mad: W ü r f e l . Und wenn ich einst aufs Platzel kom‹m› zum

silbernen Zwickel?W ü r f e l . Dort herrschen keine Vorurtheile, dort bist du wieder

Mein. 40Mad: W ü r f e l . Darf ich dich besuchen?W ü r f e l . Du kannst dich anfragen, ob nichts leer ist.Mad. W ü r f e l . Heute ist dein Nahmenstag, ich hab’ dir noch

nicht gratulirt.|h1 31r W ü r f e l . Jetzt nehm’ ich’s nicht mehr an, es ist schon 45

Nachmittag.Mad: W ü r f e l . Also lassen wir’s auf ’s Jahr.W ü r f e l . Lassen wir’s auf ’s Jahr.Mad. W ü r f e l . Noch einen Kuß.W ü r f e l . Hier ist er (küßt sie) Adieu! 50Mad: W ü r f e l . (schluchzt) Adieu! (sie will gehen)W ü r f e l . Halt! Noch eins! Ich hatte heute gerade vor dem

Anrichten, eh’ dir die Suppenschüssel aus der Hand fiel, einensonderbaren Getraum: Du erschienst mir im Schlafe und redetest

Page 37: h1 Tr Der Leopoldstag oder Kein Menschenhass und keinelithes.uni-graz.at/kasperls_erben/pdfs_erben/ed_baeuerle_leopoldsta… · Reichhar t . Es muß helfen, sag’ ich dir. Sieh,

37h1 – Der Leopoldstag

http://lithes.uni-graz.at

kurzweilig mit mir; mir war, als wenn du 800 Gulden von deinerSchwester, der Greislerinn geerbt hättest. War dieß ein bloßesGetraumwerk dahier?

Mad: W ü r f e l . Nein, Wirklichkeit. Ich habe wirklich 800 Guldengeerbt.5

W ü r f e l . Ich frage nicht aus Eigennutz, oder aus Interesse, oderetwa, als wenn ich das Geld gerne haben möchte; aber – besitzest dudiese Sum‹m›e in deinen Händen?

Mad: W ü r f e l . Ja willst du sie?W ü r f e l . (ernst) Warum hast du mir das nicht gleich gesagt?10Mad. W ü r f e l . (freudig) Hättest du mich wieder zu dir

genom‹m›en?W ü r f e l . Dich nicht, aber das Geld. Doch jetzt ist beides zu spät.

(Jetzt schleichen Reichhart, Knoll und Kraus hervor)Mad: W ü r f e l . Mann! verhehle mir nichts! Ich kenn’ ja deine15

Umstände. Wenn du meiner Ehre wieder aufhilfst, so will ich deinenGewerb aufhelfen. Ich habe das Geld mitgebracht. (sie zieht einen PackEinlösungsscheine heraus) Poldel, nimm das Geld und mich dazu.

W ü r f e l . (wankt) Steckt der Satanas seine Klauen nach mir aus?|h1 31vMad: W ü r f e l . Edler Strumpfwirker, wanke nicht! (sie hält ihm das20

Geld hin) 800 Gulden ist kein Spaß! Würfel kannst du mir noch nichtverzeihen? Meine Reue –

W ü r f e l . Geld!Mad: W ü r f e l . Meine Thränen –!W ü r f e l . Geld!25Mad: W ü r f e l . Meine Besserung!W ü r f e l . Geld!Mad: W ü r f e l . Meine 800 Gulden!W ü r f e l . Ja – ich verzeihe dir! (sie stürzen ein ander in die Arme)R e i c h h a r t . (tritt vor) Nun, dem Him‹m›el sey Gedank, das hat30

was gebraucht!W ü r f e l . Ja so darf man mir nicht kom‹m›en. (er steckt das Geld ein)K n o l l . Nun, ich gratulire, Herr Würfel! Je fais mes Compliments

de tout mon coeur!W ü r f e l . Ich will noch einmal auf diesen Würfel setzen.35K n o l l . 800 Gulden haben Sie schon gewonnen.K r a u s . Und eine Frau, die sich gewiß bessern wird.W ü r f e l . Herr Wachtmeister stehen Sie gut?K r a u s . Mit Leib und Seele!W ü r f e l . Hernach kann ich’s schon glauben, wenn Sie gutstehen.40

– Apropos! wo sind denn unsere Kinder?Mad: W ü r f e l . Wir haben ja noch nie welche gehabt.W ü r f e l . Schau! ist richtig! Jetzt war ich in meinem Gedanken bei

der Nachbarinn.R e i c h h a r t . Freunde, Eure Herzen sind in Ordnung, nun laßt45

uns auch auf die Mägen denken. Es ist 4 Uhr, ich hab’ noch keinenBissen gegessen.|

h1 32rW ü r f e l . Ich auch noch nicht.K n o l l . Wir Alle noch nicht.R e i c h h a r t . Ich habe in goldenen Hirschen auftragen lassen.50

Der Wirth hat einen glänzenden Ball im Keller veranstaltet. DieKinder sind schon dort. Kom‹m›t nur alle mit mir.

W ü r f e l . Bravo Herr Vetter! der Tag muß gefeiert werden undwenn alle 800 Gulden drauf gehen sollten. Heute will ich erst recht

Page 38: h1 Tr Der Leopoldstag oder Kein Menschenhass und keinelithes.uni-graz.at/kasperls_erben/pdfs_erben/ed_baeuerle_leopoldsta… · Reichhar t . Es muß helfen, sag’ ich dir. Sieh,

38Adolf Bäuerle

Jennyfer Großauer-Zöbinger (Hrsg.)

lustig seyn. Der Klosterneuburger Elfer soll mich kennen lernen; ichbin mit ihm schon bekannt. Im ganzen verdank’ ich doch dem HerrnVetter Leopold Alles. Vivat! Wenn wir an Ort und Stelle sind, sollGesundheit getrunken werden, und trinken will ich, trinken wie einStrumpf, der in’s Wasser fällt. Kom‹m› Urschel, heute feyern wir den 5zweyten Ehrentag. (Alle ab.)

13. Scene.(Beleuchteter grosser Keller)

Im Hintergrunde ein ungeheueres Faß, über welchen mit transparenter Schrift„Klosterneuburger“ geschrieben steht. Auf einen andern hohen Faß sitzen die 10

Musikanten. Der Keller ist brillant arrangirt.) Viele Gäste. C h r i s t o p h .S a l c h e n . K a r o l i n e . F r e y m u t h . P o l i k a r p . H a n n s . Alle geputzt,

gehen spazieren. An der einen Seite steht eine grosse Tafel für die sämtlichenPersonen des Stücks, der Länge hinauf gedekt. Die Musikanten spielen eine

Minuett nach welcher getanzt wird. Nach einer Pause tretten auch 15R e i c h h a r t , W ü r f e l und seine Frau, K n o l l , Wo h l m a n n und der

W i r t h herein.|h1 32v W i r t h . Plaz genom‹m›en Herr Reichhart! hier ist Ihre Tafel. (Alle

setzen sich gegenseitig.)R e i c h h a r t . Geschwind auftragen lassen, wir haben Appetit. 20W i r t h . Soll gleich Alles in Ordnung seyn. (Die Tafel wird servirt)H a n n s . Mit Verlaub, daß ich allerseits meine Gratulation ankrig?R e i c h h a r t . Bravo Hanns! Nun habt Ihr alle die Gläser in der

Hand? Stoßt an! die drey Brautpaare sollen leben.W ü r f e l . (zu seiner Frau) Da sind wir auch dabey. (Man spielt einen 25

Tusch)A l l e . Vivat! (die Musik geht in einen deutschen Tanz über)W ü r f e l . (springt auf) Der Deutsche soll den heutigen Abend

krönnen. Komm Urschel! Auch mir juckts in den Füßen. (alle schickensich zum tanzen an) 30

W ü r f e l . (tobt) Juhe! Es leben die Poldeln! Es lebe der HerrVetter von Klosterneuburg!

R e i c h h a r t . Ihr tanzt, wir essen derweile (er geht zum Tische, dasGewühl geht fort. Christoph tanzt mit Karoline, Freymuth mit Salchen. Polykarpdreht sich mit Hanns herum. Unter lautem Jubel fallt der Vorhang.) 35

Ende.