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Haarcuticula und HaarNserung. Erwiderung auf W. J. Schmidts Arbeit im Archly f. Dermatologie u. Syphilis, Bd. 144, Heft 2: ,,Fehlt gem Haar eine Cutieula (Epidermicula), sin(l (lie Elemente seiner Rinde zopfartig verfiochten. ~" Von W. Frieboes (Restock). Mit 2 Tex~bbiidungen. (Eingegangen am 15. Jgebruar 1924.) Wenn W. J. Schmidt auch diesmal bei mir mehr Sorgfal~, ttisto- technik und Erfahrung vorausgesetzt und selbst vor allem die Unna- sche Epithelfaserfiirbung benutzt h~tte, h~t~e sich der Inhalt seiner Ausfiihrungen auf wenige Zeilen zusammendr~ngen lassen. Wenn ich darauf antworte, so nur deshalb, weft sich seine ganze ,,Beweisffihrung" mit wenigen Wort, en ad absurdum ffihren liiBt. 1. Die Bilder der verschiedenen Entbfindelung sind ja bekannt (Triehorrhexis nodesa, Herzmuskel usw.). Kommentar fiberflfissig, Irrtum darin ausgesehlossen. 2. ,,Man mtil~te die Faserdurchfleehtung aueh im ttaar finden." Das kann man aueh: a) in dem Tell des Haares, we es noch welch is~ (Bulbus und dariiber- liegender Tell) in den meis~en Schnittprgparaten bei richtiger F~rbung sehr sch6n und ohne Miihe; b) in den h6heren Abschnitten, we das Haar kernlos wird und hart ist, ebenfalls, wenn auch gelegentlich schwerer. Beides aus folgenden Grfinden: 1. Abb. 1 (schematisch), weicher, kernhaltiger Haarteil, Gewebs- schnitt. ,,Haarzellen" groB, :Fasermantel sehr schSn zu sehen. Faser- verflechtung wie beim ttautepithel dutch mehrere, aueh seitlich be- naehbarte Zellen meis~ ziemlieh steil-sehr~g hindurchgehend. 2. Abb. 2 (sehematiseh), Faserverlauf nach Kernreduktion bzw. Kernsehwund und physiologischer Kompression und Erstarrung des Haares. Infolge der Kompression und Dehnung des tIaares n~hern sieh die Fasern mehr dem Parallelen und wiirden, wenn sie. nut framer in derselben Zellreihe verliefen und der ,,Kernraum" versehwEnde, sehlieglieh, aneinander vorbeigesehoben, parallel verlaufen. Praktiseh ist das aber nieht so, sondern man sieht framer neeh das flaeh spindelige 31"

Haarcuticula und Haarfaserung

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H a a r c u t i c u l a u n d H a a r N s e r u n g .

Erwiderung auf W. J. Schmidts Arbeit im Archly f. Dermatologie u. Syphilis, Bd. 144, Heft 2: ,,Fehlt gem Haar eine Cutieula (Epidermicula),

sin(l (lie Elemente seiner Rinde zopfartig verfiochten. ~"

Von W. Frieboes (Restock).

Mit 2 Tex~bbiidungen.

(Eingegangen am 15. Jgebruar 1924.)

Wenn W. J. Schmidt auch diesmal bei mir mehr Sorgfal~, ttisto- technik und Erfahrung vorausgesetzt und selbst vor allem die Unna- sche Epithelfaserfiirbung benutzt h~tte, h~t~e sich der Inhalt seiner Ausfiihrungen auf wenige Zeilen zusammendr~ngen lassen. Wenn ich darauf antworte, so nur deshalb, weft sich seine ganze ,,Beweisffihrung" mit wenigen Wort, en ad absurdum ffihren liiBt.

1. Die Bilder der verschiedenen Entbfindelung sind ja bekannt (Triehorrhexis nodesa, Herzmuskel usw.). Kommentar fiberflfissig, I r r tum d a r i n ausgesehlossen.

2. ,,Man mtil~te die Faserdurchfleehtung aueh im t taar finden." Das kann man aueh:

a) in dem Tell des Haares, we es noch welch is~ (Bulbus und dariiber- liegender Tell) in den meis~en Schnittprgparaten bei richtiger F~rbung sehr sch6n und ohne Miihe;

b) in den h6heren Abschnitten, we das Haar kernlos wird und hart ist, ebenfalls, wenn auch gelegentlich schwerer.

Beides aus folgenden Grfinden: 1. Abb. 1 (schematisch), weicher, kernhaltiger Haarteil, Gewebs-

schnitt. ,,Haarzellen" groB, :Fasermantel sehr schSn zu sehen. Faser- verflechtung wie beim t tautepithel dutch mehrere, aueh seitlich be- naehbarte Zellen meis~ ziemlieh steil-sehr~g hindurchgehend.

2. Abb. 2 (sehematiseh), Faserverlauf nach Kernreduktion bzw. Kernsehwund und physiologischer Kompress ion und Erstarrung des Haares. Infolge der Kompression und Dehnung des tIaares n~hern sieh die Fasern mehr dem Parallelen und wiirden, wenn sie. nut framer in derselben Zellreihe verliefen und der , ,Kernraum" versehwEnde, sehlieglieh, aneinander vorbeigesehoben, parallel verlaufen. Praktiseh ist das aber nieht so, sondern man sieht framer neeh das flaeh spindelige

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,,Zellrelief" und den leicht welligen, sich spitzwinklig schneidenden Faserverlauf (vgl. Abb. 2). Dieser wellige Verlauf muS auf der Au3en- seite, d~ er durch N~chbgrfusern nicht gest6rt ist, auch in diesem Stadium deutlich hervortreten (vgl. Abb. 2). I m Fl~chenbild der Au{~enseite ergibt sich d~ ein Mosaikrelief.

3. Haarcuticula: Wenn m~n bei der Schwe~els~ure-Ammoniak- methode zeitlich kontinuierlich die l%esultate der Haarsubstanzauf-

g~ !

Abb. 1. Linke Hdl#e eines Haarteils aus der Gegend der oberen Haarzwiebel. Schematische Zeichnung nach dem, was die Unnaf~rbung im Schnittpr~parat zeigt. Cu = Cuticula. Das im Bild ros~ Gef~rbte soll das weiche ttaar- protoplasm~ darstellen. ,,Haarzellen" groB,

Faserm~tntel gut ausgebildet.

Abb. 2. H6herer ]ast ke~~loser Haarteil. Fase- rung im bereits erstarrten t taarprotoplasma eng zusammengepre~t, u noch deut]ich erkennbar. Cu : Cuticula (rot) ira Teit A dem Haar noch eng anliegend, 16st sich oberhalb desselben yore I-Iaar ab. E = abgebrSckelte Cuticulazellen, z .T. in die ttShe geschoben. Schematische Zeichnung nach dem, was die

Unnasche F~trbung im Schnitt zeigt.

15sung priift, so ergeben sich zwar dieselben Bilder wie bei W. J. Schmidt, nut sind sie in liickenloser Vergleichsserie doch wohl anders zu deuten. Dazu folgendes: Das Haur stelit eine Protoplasmasgule dar, in die das g~nze Haarfaserwerk eingebettet ist. Das ]ertige t t aa r ist im Aufb~u

gen~u so gestaltet wie ein verflochtener runder Docht, den m~n mit KolophoniamlSsung durchtrgnkt und dann hat erstarren lassen. I m unteren Haarteil , wo das Protoplasma welch ist, ist diese weiohga]lertige Protoplasmas~ule in einer ~ls Cuticula aus jedem Anatomiebuch zu

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ersehenden Zellsehale (ZyHndermantel; Abb. 1 und 2 Cu) eingeschlossen. Daher befindet sich noeh jenseits des Faserwerks (vgl. Abb. 1, das rosa Gefi~rbte), also zwisehen genanntem Zylindermantel und Faserwerk eine ganz dfinne Sehicht Protoplasma. Also praktisch" (mikroskopisch gesehen) liegt der Cuticula genannte Zylindermantel gar nicht direkt dem Faserwerk an, gehSrt also dem Haa r nicht an~

Ers tar r t dies Protoplasma in toto, wie es bei bzw. nach Kernsehwund im Haar durch biochemische Vorginge gesehieht, so mu$ natfirlich um das eigentliehe Faserwerk genau wie bei dem mit Kolophonium durch- t r i nk t en runden D0cht eine feine, im Gewebsschnitt und beim freien Haar stets erkennbare t ransparente Zone liegen (vgl. Abb. 2, sti~rkere sehwarze Aul~enlinie), die dem Oberflichenrelief getreu folgt u n d daher das Mosaikbild des Geflechtwerkes naturgetreu wiedergibt (Einker- bungen bei ~ ) . Wenn dies nach W. J. Schmidts Meinung bei meinen Befunden etwas grob war, so muir es an mir liegen: es waren meine eigenen t taare .

Rollt man im Anfang der HaarprotoplasmaauflSsung dutch Schwefel- saure-Ammoniak ein t taar , wie es W: J. Schmidt getan hat, so platzen wie bei jeder Firnisschieht oder bei einem solch kolophoniumdureh- tr~nkten Striek die obers~en Teile der Aul~enschicht als mannigfaltig gestaltete lamell~re Gebilde ab, genau, wie es jeder kennen sollte und wie Abb. 5 bei W. J. Schmidt wiedergibt. Das sind beim Haar homo- gene, noch nicht der Au~lSsung verfallene Aul3enteile der oben erwihnten erstarrten Haarprotoplasmasiule , die entweder nur erstarrtes Proto- . plasma darsteHen oder meistens die obersten Faserlagen des I-Iaar- faserwerks mitenthalten. Lif3t man den AuflSsungsprozel~ dagegen ungestSrt einwirken, so lSst sich diese l~rotoplasmas~ule, insonderheit diese Auf~ensehieht so ziemlieh ganz~aaf, und man wird dann nieht durch diese unzweckm~{~igen Manipulationen get~uscht. Wer es naeh- m a e h e n will, wird es so linden, wenn er nicht yon vornherein ]~ritiklos jedes abplatzende BrSckel oder jeden noch mit Fiil lmasse durehsetzten Faserungsanteil als Cuticulazellen oder Cutieulaanteil, abs tammend yon der sog. Cuticula des unteren Haarteils, ausgeben will.

Zum Studium - - Cuticula oder Nieht-Cuticula - - seien besonders pathologisehe Zust~nde am Haa r empfohlen. So z. B. Einwirken yon unzweekm~f3igen I-Iaarw~ssern usw. auf die Haare.

Ieh babe nun, um dem MiBverstehen ein Ende zu machen, noch schematiseh skizziert, wie m. E. die Sache sich verhi l t . Die in Abb. 1 rosa gezeiehnete weiche Protoplasmas~ule ist in Abb. 2 erstarrt . Die nunmehr als schiitzende Hfille nicht mehr benStigten Cutieulabau- steine (Cu in Abb. 1 und 2) schrumlafen mehr und mehr und werden kernlos, d. h. der aus den Cutieulazellen bestehende Zylindermantel wird diinner und diinner, aber dieser Cuticulamantel liegt noeh im

476 W. Frieboes: ttaarcuticu]a und Haarfaserung.

Bereiche von A dem Haa r dich~ an. In dem fiber A gelegenen Abschnit tB geht die Sehrumpfung welter, der Cuticulazylindermantel zerbrSckelt, man sieht abgesto~ene Cuticulabausteine (E) in der nun beginnenden Follikellichtung (D) und schlielMieh verschwindet bei C auch der letzte Schat ten der Cuticula. - - Wenn man ein Analogon haben will, nehme man den Nagel, da wo er aus dem Nagelfalz herausw~chst. Wie dort kSnnen auch dem ersten Teil des freiaufsteigenden Haares 5fters noeh Fetzen der Cuticularwand genau wie dem Nagel das Eponychium an. h~ngen. Was dem Nagel gilt, darf das Haar ffir sich beanspruchen. Dal~ es so ist, des bin ich gewi6. Wer mir das Gegenteil beweist, dem will ieh reich beugen.

W. J. Schmidt will mir den Fehler zusehieben. Zun~chst soll er beweisen, da~ das, was bei seiner Preparat ion abplatzt , genetisch yon dem abs tammt , was man an dem unteren Teile des Haares als sog. Cuticulazellen sieht. Bis jetzt hat das noeh niemand bewiesen oder glaubhaft maehen k6nnen, es besteht lediglich die Behauptung, es sei 8o.

Solange W. J. Schmidt diesen Beweis schuldig bleibt, da6 die als Cuticula bezeiehneten Zellen im unteren Tefle des Haares auch den oberen Teil als kernlose Lamellen bedecken, also das Haar in seinem ganzen Ver]auf eine Cuticula hat - - und ieh bin gespannt, wie er ihn lfiekenlos ffihren will - - , so wird es nicht zu umgehen sein, dal~ andere Vorstellungen auch zu ihrem Recht kommen, aueh wenn sie dem sog. exakten und empirischen Wissen, was gerade bei der bisherigen ana- tomischen Beschreibung des Haares lauter Hypothesen und unbewiesene Kombinat ionen sind, diametral entgegengesetzt sind.

Als Verzicht auf jede weitere unfruchtbare Diskussion m6chte ich einen Ausspruch des Mathematikers d'Alembert hierhersetzen: ,,Allez en avant et la foi vous viendra."

Ich werde auf weitere Angriffe erst nach Abschlul~ neuer, auf den vorhergehenden VerSffentlichungen ful~enden Arbeiten zusammenfassend antworten.