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557 Habitateignungsanalyse und innovative GIS-Methodik in der Umweltverträglichkeitsstudie Angela HOF, Elisa MICHEL und Ingo HETZEL Dieser Beitrag wurde nach Begutachtung durch das Programmkomitee als „reviewed paper“ angenommen. Zusammenfassung In der Planungspraxis haben intersubjektiv nachvollziehbare, landschaftsanalytische GIS- Methoden einen geringeren Stellenwert als einfache flächenbezogene Bestandsbewertun- gen. Am Bewertungsverfahren für das Schutzgut Tiere und Pflanzen wird aufgezeigt, wie die Verwendung von Habitatmodellen in der Planung gewinnbringend umgesetzt werden kann. Das hier vorgestellte Verfahren verknüpft eine vergleichsweise gering zeitaufwendi- ge Datenerhebung mit Expertenwissen, um einfache Habitatmodelle und Habitateignungs- karten zu erstellen, die eine sinnvolle Ergänzung flächenbezogener Bewertungsverfahren darstellen können. Die innovative GIS-Methodik operationalisiert die Verwendung von Habitateignungskarten für die Raumwiderstandbewertung in der Umweltverträglichkeits- studie (UVS). Verdeutlicht wird das konkrete Innovations- und Umsetzungspotenzial in der UVS durch einen Methoden- und Ergebnisvergleich, der den Mehrwert der hier vorgestell- ten Herangehensweise herausstellt. 1 Einleitung 1.1 Umweltverträglichkeitsstudie und Innovationspotenziale mit GIS Der Einsatz von Geoinformationssystemen (GIS) ist Standard in der zeitgemäßen Pla- nungspraxis, zwischen den Potenzialen analytischer GIS-Funktionalitäten und ihrer tatsäch- lichen Einbindung im Planungsalltag besteht jedoch meist eine Diskrepanz (vgl. KÖPPEL et al. 2004, LANG & BLASCHKE 2007, RUDNER et al. 2004). Der vorliegende Beitrag stellt konkrete Innovations- und Umsetzungspotenziale durch den landschaftsanalytischen GIS- Einsatz in der Umweltverträglichkeitsstudie (UVS) im Straßenbau vor. Der Planungsverlauf einer UVS umfasst mit Raumanalyse und Auswirkungsprognose zwei konsekutive Arbeitsschritte. Inhalt und Ziel der Raumanalyse ist die flächendeckende Er- fassung, Beschreibung und Bewertung der Schutzgüter, mit dem Ziel, den umweltbedingten Raumwiderstand für das Straßenbauvorhaben zu ermitteln. Dieser Raumwiderstand kann als Kostenoberfläche verstanden werden, wobei Kosten das durch die Straßenbaumaßnah- me zu erwartende räumliche Konfliktpotenzial darstellen. Den Schutzgut bezogenen Be- wertungsverfahren, die dem Raumwiderstand zugrunde liegen, kommt zentrale methodi- sche Relevanz in der UVS zu. Der Raumwiderstand wird in ordinalen Rangstufen (meist vier Rangstufen, z. B. sehr hoch, hoch, mittel, gering) angegeben und in schutzgutbezoge- Strobl, J., Blaschke, T. & Griesebner, G. (Hrsg.) (2011): Angewandte Geoinformatik 2011. © Herbert Wichmann Verlag, VDE VERLAG GMBH, Berlin/Offenbach. ISBN 978-3-87907-508-9. Dieser Beitrag ist ein Open-Access-Beitrag, der unter den Bedingungen und unter den Auflagen der Creative Commons Attribution Lizenz verteilt wird (http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/).

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Habitateignungsanalyse und innovative GIS-Methodik in der Umweltverträglichkeitsstudie

Angela HOF, Elisa MICHEL und Ingo HETZEL

Dieser Beitrag wurde nach Begutachtung durch das Programmkomitee als „reviewed paper“ angenommen.

Zusammenfassung

In der Planungspraxis haben intersubjektiv nachvollziehbare, landschaftsanalytische GIS-Methoden einen geringeren Stellenwert als einfache flächenbezogene Bestandsbewertun-gen. Am Bewertungsverfahren für das Schutzgut Tiere und Pflanzen wird aufgezeigt, wie die Verwendung von Habitatmodellen in der Planung gewinnbringend umgesetzt werden kann. Das hier vorgestellte Verfahren verknüpft eine vergleichsweise gering zeitaufwendi-ge Datenerhebung mit Expertenwissen, um einfache Habitatmodelle und Habitateignungs-karten zu erstellen, die eine sinnvolle Ergänzung flächenbezogener Bewertungsverfahren darstellen können. Die innovative GIS-Methodik operationalisiert die Verwendung von Habitateignungskarten für die Raumwiderstandbewertung in der Umweltverträglichkeits-studie (UVS). Verdeutlicht wird das konkrete Innovations- und Umsetzungspotenzial in der UVS durch einen Methoden- und Ergebnisvergleich, der den Mehrwert der hier vorgestell-ten Herangehensweise herausstellt.

1 Einleitung

1.1 Umweltverträglichkeitsstudie und Innovationspotenziale mit GIS

Der Einsatz von Geoinformationssystemen (GIS) ist Standard in der zeitgemäßen Pla-nungspraxis, zwischen den Potenzialen analytischer GIS-Funktionalitäten und ihrer tatsäch-lichen Einbindung im Planungsalltag besteht jedoch meist eine Diskrepanz (vgl. KÖPPEL et al. 2004, LANG & BLASCHKE 2007, RUDNER et al. 2004). Der vorliegende Beitrag stellt konkrete Innovations- und Umsetzungspotenziale durch den landschaftsanalytischen GIS-Einsatz in der Umweltverträglichkeitsstudie (UVS) im Straßenbau vor.

Der Planungsverlauf einer UVS umfasst mit Raumanalyse und Auswirkungsprognose zwei konsekutive Arbeitsschritte. Inhalt und Ziel der Raumanalyse ist die flächendeckende Er-fassung, Beschreibung und Bewertung der Schutzgüter, mit dem Ziel, den umweltbedingten Raumwiderstand für das Straßenbauvorhaben zu ermitteln. Dieser Raumwiderstand kann als Kostenoberfläche verstanden werden, wobei Kosten das durch die Straßenbaumaßnah-me zu erwartende räumliche Konfliktpotenzial darstellen. Den Schutzgut bezogenen Be-wertungsverfahren, die dem Raumwiderstand zugrunde liegen, kommt zentrale methodi-sche Relevanz in der UVS zu. Der Raumwiderstand wird in ordinalen Rangstufen (meist vier Rangstufen, z. B. sehr hoch, hoch, mittel, gering) angegeben und in schutzgutbezoge-

Strobl, J., Blaschke, T. & Griesebner, G. (Hrsg.) (2011): Angewandte Geoinformatik 2011. © Herbert Wichmann Verlag, VDE VERLAG GMBH, Berlin/Offenbach. ISBN 978-3-87907-508-9. Dieser Beitrag ist ein Open-Access-Beitrag, der unter den Bedingungen und unter den Auflagen der Creative Commons Attribution Lizenz verteilt wird (http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/).

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nen Karten dargestellt (vgl. HLSV 2000, KÖPPEL et al. 2004). In einem letzten Schritt wer-den die einzelnen Raumwiderstandskarten überlagert und nach Bewertungsregeln zu einem übergeordneten Raumwiderstand aggregiert bzw. verrechnet. Der Raumwiderstand einer Fläche leitet sich entweder aus der höchsten Bewertung der sich überlagernden Schutzgut-funktionen ab (Maximalprinzip), oder wird multiplikativ und/oder durch Gewichtung ein-zelner Kriterien berechnet (Mittelwertprinzip).

Bei solchen flächenbezogenen Bewertungsverfahren kommt in den Planungsfällen, bei denen sensible Tier- und Pflanzenarten im Vordergrund stehen, den bereits flächenhaft vorliegenden Biotopdaten eine Schlüsselrolle zu. Die Operationalisierung der zu betrach-tenden Wechselwirkungen und Lebensraumfunktionen muss auf die verschiedenen pla-nungsrelevanten Tierartengruppen (zum Beispiel Avifauna, Insekten, Reptilien, Fledermäu-se) und oftmals auf einzelne Arten abgestimmt werden (vgl. HLSV 2000). Dabei besteht eine wesentliche methodische Herausforderung in der Übertragung punkthaft vorliegender Beobachtungen auf die Biotopfläche. Die zur Abbildung dieser Funktions- und Wechselbe-ziehungen erforderlichen Binnendifferenzierungen der Biotope, beispielsweise durch die Kartierung und Berücksichtigung von Kleinstrukturen und Randlinieneffekten, sprengen den konventionellen Untersuchungsrahmen der Planungspraxis. Die Einbeziehung von Habitateignungskarten in die Raumanalyse mit einem in der Planungspraxis nachvollzieh-baren und anwendbaren Verfahren könnte einen Schritt zur Lösung dieser Problematik darstellen. Die Zielsetzung des vorliegenden Beitrags ist es, dies exemplarisch aufzuzeigen. Habitateignungsanalysen haben zum Ziel, die Beziehungen zwischen Umweltfaktoren und Habitatansprüchen zu formalisieren, um so eine Prognose über die räumliche Verteilung von Arten abgeben zu können (BLASCHKE 2004, LANG & BLASCHKE 2007). Im Folgenden wird die Habitateignungsanalyse als integrative Methode zur Ableitung der räumlichen Konfliktpotenziale für das Schutzgut Tiere und Pflanzen in der UVS vorgestellt. Im Fokus stehen dabei die Darstellung eines innovativen multikriteriellen Bewertungsansatzes und dessen Umsetzungspotenziale im Vergleich zu dem in der Praxis verbreiteten methodischen Ansatz. Der zentrale innovative Aspekt ist, dass für Teilflächen von Biotopen eine mittels Artfundpunkten gewichtete Lebensraumfunktion ermittelt wird (vgl. MICHEL et al. 2010). Die hier vorgestellte multikriterielle GIS-Methodik ermöglicht eine flächenhafte, räumlich explizite Berücksichtigung der planungsrelevanten Tierarten in der Raumwiderstandsbe-wertung. Der Methodenvergleich zeigt, dass dieser Ansatz über schlichte Buffer um Art-fundpunkte zur Ableitung des Raumwiderstands und die einfache Überlagerung von Daten-schichten weit hinausgeht (vgl. Abschnitt 2.4). Während Overlay in der Planungspraxis häufig im Sinne einer Zusammenschau mehrerer Layer verstanden wird (vgl. HLSV 2000, KÖPPEL et al. 2004), dient es hier im Sinne einer Überschneidung (intersect) der Generie-rung neuer Informationen in Orientierung auf ein Analyseziel (LANG & BLASCHKE 2007).

1.2 Zielsetzung: Operationalisierung der Habitateignung in der Raumwider-standsbewertung mit GIS

Die inhaltlichen Anforderungen an die Raumwiderstandsbewertung für das Schutzgut Tiere und Pflanzen bedeuten streng genommen die Betrachtung der individuellen Flächen durch den Filter eines auf die jeweilige planungsrelevante Art angepassten Kriterienkatalogs. „Aufgrund der unregelmäßigen Überlagerung unterschiedlichster Flächengrößen und Funk-tionen (Arealansprüche, Einbiotopbewohner, Biotopkomplexbewohner, etc.) ist eine sche-matische Bewertung nach einheitlichen Kriterien nicht sachgerecht. [...] Die Umsetzung

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von Kartierungsergebnissen in standardisierte Bewertungskriterien erfordert eine Informa-tionsdichte und Zuverlässigkeit der Ergebnisse, die bei dem geringen Stichprobenumfang und der Beschränkung auf meist nur eine Vegetationsperiode im Rahmen einer UVS nicht erzielbar sind.“ (HLSV 2000, S. 21). In der Praxis wird aus Zeit- und Kostengründen daher meist der Kombination aus Expertenwissen und der GIS-gestützten Visualisierung der Vorzug gegeben. Dabei kommt zum Beispiel der Darstellung von Aktionsräumen und der Etablierung von Home Ranges (der Teil des Aktionsraums, in dem sich ein Individuum hauptsächlich aufhält) in Form von Buffern in GIS eine große Bedeutung zu. Der Aktions-raum um Artfundpunkte wird zum zentralen Bewertungskriterium, weshalb diese in der Praxis etablierte Herangehensweise im Folgenden als unikriterielle GIS-Methodik bezeich-net wird. Im Gegensatz dazu berücksichtigt die hier vorgestellte GIS-gestützte multikrite-rielle Methodik die Fundpunkte nicht nur, sondern die Habitateignungsanalyse bildet in Kombination mit weiteren Kriterien zur Beurteilung der Lebensraumfunktion die Grundla-ge der Raumwiderstandbewertung. Die Funktionsweise, die Umsetzung und der sachinhalt-liche Mehrwert dieser multikriteriellen GIS-Methodik werden veranschaulicht. Dieses Verfahren verknüpft eine vergleichsweise gering zeitaufwändige Datenerhebung mit Kenntnissen aus der Literatur, um einfache Habitatmodelle und Habitateignungskarten zu erstellen, die den inhaltlichen Anforderungen der Raumanalyse besser gerecht werden könnten als unikriterielle Vorgehensweisen (vgl. BLASCHKE 2004).

2 Material und Methoden

2.1 Untersuchungsgebiet und Datenaufnahme

Die hier vorgestellte Bewertung und der Methoden- und Ergebnisvergleich basieren auf Daten, die im Rahmen einer universitären Projektstudie im Zeitraum 2008 bis 2010 erhoben wurden (vgl. HETZEL et al. 2011). Masterstudierende führten unter Anleitung Kartierungen zum Schutzgut Tiere und Pflanzen durch. Die faunistische Datenaufnahme umfasste Fle-dermäuse, Vögel, Amphibien, Reptilien und Insekten, wobei die Fundpunkte aus Zeitgrün-den nur Ausschnitte aus den artspezifischen raumzeitlichen Aktionsradien abdecken kön-nen. Die Biotopkartierung erfolgte nach dem Kartierschlüssel Nordrhein-Westfalen für den Außenbereich (LANUV 2007). Die erhobenen Daten wurden in ArcGIS 9 übertragen.

2.2 Raumwiderstand der Biotope und Bewertungsskala

In der Raumanalyse erfolgt eine Raumwiderstandsbewertung der Biotope nach den Bewer-tungskriterien: Repräsentativität, Größe, Seltenheit, Naturnähe und Gefährdung (vgl. HLSV 2000). Das Ergebnis dieser flächenbezogenen Bewertung wurde in eine vierstufige Raum-widerstandsskala überführt (mittlerer Raumwiderstand = 3, hoher = 4, sehr hoher = 5). Bereichen ohne bzw. mit nur geringem Raumwiderstand wurde der Wert 0 zugeordnet.

2.3 Habitateignungsanalyse am Beispiel der Erdkröte

Die Erdkröte (Bufo bufo) gilt als häufiger Vertreter aus der Familie der Kröten (Bufonidae) in Europa, zählt nach Anl. 1 der BArtSchV zu den besonders geschützten Arten und gilt nach der Roten Liste Rhein-Ruhr als gefährdet (SCHLÜPMANN et al. 2010). Ein optimales

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Laichgewässer ist ≥ 50 cm tief und mit Röhrichten, Schilf oder älteren Ästen durchsetzt. Da die Datenaufnahme im Sommer erfolgte, wurden die Fundpunkte nur im Sinne eines Som-merhabitats behandelt. Als geeignete Sommerhabitate werden vor allem krautreiche, offene Wälder, Wiesen oder naturnahe Gärten bevorzugt (GROSSENBACHER 2009). Auch wenn die Erdkröte im engeren Sinne nicht als planungsrelevant gilt, da dies grundsätzlich nur auf streng geschützte Arten und europäische Vogelarten zutrifft (vgl. KIEL 2007), wird sie aufgrund der bedeutenden Lokalpopulation und der regionalen Gefährdungseinstufung hier exemplarisch vorgestellt und als planungsrelevant betrachtet.

Die Zielsetzung ist dabei nicht, ein allgemeingültiges Habitatmodell für die Erdkröte bzw. eine möglichst exakte Habitateignungskarte für das Untersuchungsgebiet zu erstellen, son-dern methodisch aufzuzeigen, wie sich die Raumwiderstandsbewertung verändert, je nach-dem, ob die uni- oder multikriterielle GIS-Methodik Anwendung findet. Aufgrund des Modellcharakters fließen Barrieren nur indirekt über die gekoppelte Habitateignungs- und Raumwiderstandsbewertung mit ein. Da Barrieren grundsätzlich für Amphibien mobilitäts-einschränkend wirken, müssten weitere Feldforschungen und GIS-Analysen für eine expli-zite räumliche Berücksichtigung der Wanderungsbewegungen durchgeführt werden.

2.4 Habitateignungsanalyse und innovative GIS-Methodik in der Umwelt-verträglichkeitsstudie

Der Mehrwert der hier vorgestellten Methodik erschließt sich im Methoden- und Ergebnis-vergleich mit den in der Planungspraxis verbreiteten Herangehensweisen. Es wird gezeigt, welcher Raumwiderstand für das Schutzgut Tiere und Pflanzen resultiert, wenn die Lebens-raumfunktion der Flächen für die Erdkröte nur anhand der Home Ranges um Fundpunkte ermittelt und der Raumwiderstand nur aus dieser Bewertung abgeleitet wird. Diese unikrite-rielle Vorgehensweise und das Resultat werden mit einer multikriteriellen GIS-Methodik und Habitateignungsanalyse zur Ermittlung des Raumwiderstands verglichen (vgl. Abb. 1). Die Ergebnisdarstellung erfolgt auf der Ebene des Raumwiderstands für planungsrelevante Tierarten, hier exemplarisch für die Erdkröte (Abb. 2), und auf der Ebene der übergeordne-ten Raumwiderstandskarte (Abb. 3 und Abb. 4). Bei der übergeordneten Raumwiderstands-karte bewirkt die Beschränkung auf zwei Informationsebenen, dass der Effekt der Binnen-differenzierung durch die räumlich explizite Betrachtung der Habitateignung für die Tierart in Kombination mit einer flächenbezogenen Bewertung (Biotope) deutlich wird und zu-gleich nachvollziehbar und vergleichbar bleibt.

In Anlehnung an eine in der Planungspraxis verbreitete und einfach anwendbare GIS-Methodik wurden mit der Funktion Buffer entsprechend der Home Ranges der Erdkröte 150-m-Aktionsradien um die Fundpunkte an den Laichgewässern gelegt (vgl. GROSSEN-BACHER 2009). Aus diesen Aktionsradien wurden lediglich alle anthropogenen Biotope über die Funktion Erase entfernt und allen Restflächen ein sehr hoher Raumwiderstand zugewiesen. Diese unikriterielle Bewertung setzt die Aktionsradien um Fundpunkte mit bevorzugten Sommerhabitaten und einem hohen Raumwiderstand gleich, potenzielle Habi-tatflächen werden nicht berücksichtigt und das Problem, dass Fundpunkte nur eine Mo-mentaufnahme darstellen, bleibt bestehen (vgl. Abb. 1). Im Gegensatz dazu führt die multi-kriterielle GIS-Methodik autökologische Informationen, Artfundpunkte und Biotoptypen-kartierung in einer Habitateignungsanalyse und Raumwiderstandsbewertung zusammen. Als Eingangsdatensatz diente eine Habitateignungsmodellierung mithilfe des Elektivitäts-

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indizes (vgl. LANG & BLASCHKE 2007), die mit einer literaturgestützten Habitateignungs-analyse über die Funktion Overlay verschnitten wurde (Abb. 1).

Abb. 1: GIS-gestützte Raumwiderstandsbewertung und Habitateignungsanalyse in der UVS mit herkömmlicher (unikriterieller) und innovativer, multikriterieller GIS-Methodik. Die Bewertung der Umweltauswirkungen des potenziellen Straßen-bauvorhabens ergibt einen Raumwiderstand, der das zu erwartende räumliche Konfliktpotenzial darstellt und somit einer Kostenoberfläche gleicht.

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Bei der Berechnung des Elektivitätsindizes werden punkthafte Beobachtungsdaten mit der flächenhaft vorliegenden Ausprägung des Lebensraumes, hier der Biotoptypenkartierung, verschnitten. Anhand einer einfachen statistischen Methode wird in GIS der Zusammen-hang zwischen dem Auftreten einer Art (Revier und Fundpunkte der Erdkröte) und der Ausprägung des Lebensraums (Biotope) quantifiziert. Die Berechnung des Elektivitätsin-dex (E) setzt die beobachtete prozentuale Verteilung von Biotopklassen im Revier (beob-achteter Wert: Pobs) und die prozentuale Verteilung von Biotopklassen im gesamten Unter-suchungsgebiet (erwarteter Wert: Pexp) miteinander ins Verhältnis:

P P

P P

Der Elektivitätsindex hat einen Wertebereich von –1 bis +1, ein hoher Wert zeigt eine gute Habitateignung an (vgl. BLASCHKE & LANG 1997, LANG & BLASCHKE 2007).

Die literaturgestützte Habitateignungsanalyse bewertet Flächen im Hinblick auf die Habi-tatansprüche der Art (vgl. Abschnitt 2.3). Die durch Overlay der Ergebnisse der Habitateig-nungsmodellierung und der literaturgestützten Habitateignungsanalyse ermittelten Habitat-flächen wurden in eine dreistufige ordinale Skala der Habitateignung für die Erdkröte klas-sifiziert (geeignet, bedingt geeignet und ungeeignet). Aus dieser kombinierten Habitateig-nungsanalyse können nun die geeigneten Habitate der Erdkröte abgeleitet und selektiert werden, um in einem weiteren Schritt hinsichtlich ihres Raumwiderstands untersucht zu werden (Abb. 1). Der Kriterienkatalog für die Raumwiderstandsbewertung der potenziellen Habitatflächen wurde in Anlehnung an die gängige Literatur und Leitfäden zur UVS im Straßenbau (vgl. HLSV 2000, KÖPPEL 2004 et al.) herausgearbeitet. Die Kriterien umfassen Größe, Bedeutung, Qualität, Empfindlichkeit und Wiederherstellbarkeit des Lebensraumes; die Empfindlichkeit der Art gegenüber Eingriffen, den Schutzstatus und die Bodenständig-keit der Art; die Artenzahl, die Strukturvielfalt angrenzender Biotope und den Habitatver-bund. Für die Ermittlung des übergeordneten Raumwiderstands wurden in einem finalen Schritt die Ergebnisse der Raumwiderstandsbewertung mit der uni- bzw. multikriteriellen Habitateignungsanalyse für die Erdkröte getrennt voneinander mit der Raumwiderstands-karte der Biotope über die Funktion Overlay verschnitten (vgl. Abb. 1). Neben dem Maxi-malprinzip wurde das in der Planungspraxis verbreitete Mittelwertprinzip angewendet, denn eine gleichgewichtige Überlagerung aller Schutzgüter (Maximalprinzip) führt in der Regel zu einer Belegung des gesamten Untersuchungsraumes mit einem gleichermaßen sehr hohen bzw. hohen Raumwiderstand (vgl. HLSV 2000). Für die Verschneidung der einzelnen Raumwiderstandskarten wurden die jeweiligen feature classes zunächst über den Spatial Analyst in Rasterdaten konvertiert. Über die Funktion Cell statistics wurde dann für jedes Pixel der Maximal- und Mittelwert der überlagerten Datenschichten berechnet. Die gewählte Rasterauflösung beträgt 10 × 10 m. Die Ergebnisse werden im Folgenden der Auflösung des Modells entsprechend in Pixeln angegeben.

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3 Ergebnisse und Diskussion

3.1 Raumwiderstandsbewertung für die Erdkröte

Die unterschiedlichen Herangehensweisen an die Raumwiderstandbewertung der Flächen führen zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen (Abb. 2). Bei der unikriteriellen GIS-Methode wurde allen Biotopflächen innerhalb des Aktionsradius ein sehr hoher Raumwi-derstand zugewiesen und lediglich die anthropogen überprägten Biotoptypen ausgeschnit-ten. Eine Binnendifferenzierung der Flächen wurde nicht erzielt. Die Anzahl der Pixel mit einem sehr hohen Raumwiderstand beträgt 8.274. Bei der multikriteriellen GIS-gestützten Methode wurden über die Aktionsräume hinaus alle potenziellen Sommerhabitate der Erd-kröte in die Bewertung mit einbezogen. Dieses Ergebnis zeigt daher eine deutlich höhere Detailschärfe auf. Die Binnendifferenzierung sowie die Bereiche hoher Konfliktdichte leiten sich direkt aus dieser Information ab. Die Pixelanzahl mit einem sehr hohen Raum-widerstand liegt bei dieser Herangehensweise bei 2.468 und nimmt 4,6 % des Untersu-chungsgebietes ein. Eine hohe Bedeutung für die Erdkröte besitzen 12,7 % der Gesamtflä-che (6.869 Pixel). Die multikriterielle Methode berücksichtigt die Fundpunkte nicht nur, sondern die Habitateignungsanalyse bildet in Kombination mit weiteren Kriterien zur Be-urteilung der Lebensraumfunktion die Grundlage der Raumwiderstandbewertung.

Abb. 2: Ergebnisvergleich der Raumwiderstandsbewertung für die Erdkröte

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3.2 Ergebnisse des Overlay der Raumwiderstandsbewertungen

Abhängig von der Herangehensweise zur Ermittlung des Raumwiderstands ergeben sich folglich auch Unterschiede in der übergeordneten Raumwiderstandsbewertung, welche vor allem bei der Anwendung des Mittelwertprinzips deutlich werden (Abb. 3). Bei der Ver-schneidungsmenge aus dem Raumwiderstand der Biotope mit der unikriteriell ermittelten Habitateignung und Raumwiderstandsbewertung für die Erdkröte sind lediglich innerhalb der Aktionsradien sehr hohe und hohe Raumwiderstände vorzufinden. Mit 5.396 Pixeln liegt der Anteil der Flächen mit einem sehr hohen Raumwiderstand bei 10 % des Untersu-chungsgebietes. Während 379 Pixel einen hohen Raumwiderstand aufweisen, werden Flä-chen außerhalb des Aktionsradius durch die Mittelwertbildung nur mit mittlerem Raumwi-derstand eingestuft.

Abb. 3: Übergeordneter Raumwiderstand – Mittelwertprinzip

Die Raumwiderstandskarte aus der Verschneidung des Raumwiderstands der Biotope mit der multikriteriell ermittelten Habitateignung und Raumwiderstandsbewertung für die Erd-kröte zeigt indes eine deutlich schärfere Binnendifferenzierung. Hier weisen auch Flächen außerhalb des Aktionsradius einen sehr hohen Raumwiderstand auf, während Flächen in-nerhalb des Aktionsradius deutlich differenzierter bewertet werden. Insgesamt liegt der Anteil der Flächen mit einem sehr hohen Raumwiderstand bei 12,9 %, der mit einem hohen bei 3,6 %. Dieser Unterschied in der Binnendifferenzierung wird auch bei der Anwendung des Maximalprinzips deutlich (Abb. 4). So wird bei der Verschneidung des Raumwider-stands der Biotope mit den Aktionsradien der Erdkröte ohne eine weitere Binnendifferen-

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zierung allen Biotopen innerhalb des Aktionsradius ein sehr hoher Raumwiderstand zuge-ordnet. Mit 16.871 Pixeln und 31,4 % ist der Anteil dieser Flächen folglich sehr hoch. Im Gegensatz dazu ergibt die Einbeziehung der multikriteriell ermittelten Habitateignung und Raumwiderstandsbewertung ein differenzierteres Bild der Störanfälligkeit der beiden ex-emplarisch betrachteten Schutzgut-Bestandteile durch das fiktive Straßenbauvorhaben. Die Anzahl der Pixel mit einem sehr hohen Raumwiderstand ist zwar 11 % geringer (15.166), dafür werden aber nur diejenigen Flächen hervorgehoben, die bei Berücksichtigung aller relevanten Kriterien tatsächlich einen sehr hohen Raumwiderstand aufzeigen.

Abb. 4: Übergeordneter Raumwiderstand – Maximalwertprinzip

5 Fazit

Der vorliegende Beitrag erweitert die Diskussion und das Plädoyer für den Einsatz von GIS und Habitateignungsmodellen in der Planungspraxis (vgl. RUDNER et al. 2004). Die hier vorgestellte Methodik verknüpft flächen- und punkthafte Daten und transformiert die Habi-tateignung in die Fläche, um sie in die Ableitung des Raumwiderstands einzubeziehen. Dabei wird die methodische Schwäche der in der Praxis häufig angewendeten Ermittlung des Raumwiderstands nur über Aktionsradien um Artfundpunkte und die einfache Überla-gerung der Datenschichten überwunden. Der Mehrwert einer Einbeziehung der GIS-gestützten Habitateignungsanalyse zum Zwecke einer Binnendifferenzierung der flächen-bezogenen Raumbewertung für das Schutzgut Tiere und Pflanzen wird deutlich: Anstelle des herkömmlichen Ansatzes wird ein intersubjektiv nachvollziehbarer, methodischer An-

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satz vorgestellt, der für Teilflächen von Biotopen eine mittels Artfundpunkten gewichtete Lebensraumfunktion abbildet und diese Habitateignung als Kriterium in die Raumwider-standsbewertung einbezieht. Die Ausführungen zeigen, dass der herkömmliche GIS-Einsatz in der Planungspraxis oft unter den methodischen Möglichkeiten bleibt, da eine Binnendif-ferenzierung der flächenbezogenen Raumbewertung für das Schutzgut Tiere und Pflanzen nicht erzielt wird. Diese methodische Forderung an den GIS-Einsatz in der UVS wird mit der vorgestellten GIS-Methodik besser eingelöst, weil sie die Raumwiderstandsbewertung für das Schutzgut Tiere und Pflanzen GIS-gestützt integrativ zusammenfasst.

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