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MedR 2002, Heft 4 169 AUFSÄTZE Alexander Walter Haftungsverhältnisse in ärztlichen Kooperationsformen nach der Anerkennung der Rechtsfähigkeit von BGB-Gesellschaften Aufgrund des enormen Investitionsbedarfs bei Neugrün- dung und Erhaltung einer Arztpraxis, der Möglichkeit zu kollegialem Austausch, zur Spezialisierung und gegensei- tigen Vertretung bei Krankheit und Urlaub sowie zu fle- xiblerer Arbeitszeiteinteilung bei gleichzeitiger Sicherung von „ständiger Präsenz“ für den Patienten besteht auch bei niedergelassenen Ärzten ein Trend zur Zusammenarbeit 1 . Dabei sind die Möglichkeiten zur dauerhaften ärztlichen Kooperation vielfältig. Ebenso vielfältig sind jedoch auch die rechtlichen Rahmenvorgaben, die über bürgerlich- rechtliche, sozialrechtliche bis zu berufsrechtlichen Rege- lungen reichen, weshalb im Einzelfall die Wahl der ärzt- lichen Kooperationsform sorgfältig - möglichst nach recht- licher 2 und wirtschaftlicher Beratung – getroffen werden sollte. Dieser Beitrag soll untersuchen, inwieweit das BGH- Urteil zur Rechtsfähigkeit der BGB-Gesellschaft vom 29. 1. 2001 3 Einfluss auf diese Wahl hat, wobei die haf- tungsrechtliche Situation der Gesellschafter – und somit der Ärzte – im Mittelpunkt stehen soll. Allgemein umfasst die Haftung des Arztes wegen eines Behandlungsfehlers und wegen Behandlung trotz unterblie- bener Einwilligung oder Aufklärung den daraus resultieren- den materiellen Schaden sowie ein angemessenes Schmer- zensgeld 4 . Dabei umfasst die vertragliche Haftung aus posi- tiver Forderungsverletzung des Behandlungsvertrages der- zeit wegen § 253 BGB 5 lediglich den materiellen Schaden. Schmerzensgeld wird im Rahmen der deliktischen Haftung gewährt. Im Mittelpunkt der Arzthaftung stand und steht daher – jedenfalls solange die geltende Fassung des § 253 BGB Bestand hat – die Haftung aus den §§ 823 ff. BGB. I. Ärztliche Kooperationsformen Arbeiten Ärzte in einer der ärztlichen Kooperationsformen zusammen, so stellt sich die Frage, inwieweit sie für fehler- hafte Behandlungen und Aufklärungspflichtverletzungen eines der beteiligten Ärzte haften müssen. Dabei muss zwi- schen den verschiedenen Kooperationsformen unterschie- den werden 6 . Klar ist lediglich, dass keine der möglichen ärztlichen Kooperationsformen den im Einzelfall fehlerhaft behandelnden Arzt von der ihn selbst treffenden delik- tischen Haftung entlasten kann. 1. Begrifflichkeiten und Möglichkeiten Als Oberbegriff für sämtliche Formen gemeinsamer Aus- übung ärztlicher Tätigkeit fungiert heute die sog. „Grup- penpraxis“ 7 . Die MBO-Ä 1997 8 unterscheidet bei der ge- meinsamen Berufsausübung zwischen Berufsausübungsge- meinschaften (Gemeinschaftspraxis, Ärztepartnerschaft), Organisationsgemeinschaften unter Ärzten (z.B. Praxis- gemeinschaften, Apparategemeinschaften), medizinischen Kooperationsgemeinschaften 9 und dem Praxisverbund 10 , Kap. B § 22 MBO-Ä 1997. An diesen Begrifflichkeiten des Berufsrechts der Ärzte orientiert man sich regelmäßig, so dass zumeist zwischen Gemeinschaftspraxis und Ärztepart- nerschaft unterschieden wird, obgleich auch letztere eine in der Rechtsform der Partnerschaftsgesellschaft betriebene „Gemeinschaftspraxis“ darstellt 11 . 2. Praxisgemeinschaft Bei einer Praxisgemeinschaft beschränkt sich die Zusam- menarbeit auf die sächlichen und personellen Mittel der Praxis; sie ist der Zusammenschluss zweier oder mehrerer Ärzte gleicher oder auch verschiedener Fachrichtung zwecks gemeinsamer Nutzung von Praxisräumen und/oder Praxiseinrichtungen und/oder zwecks gemeinsamer Inan- spruchnahme von Praxispersonal bei sonst selbständiger Praxisführung 12 . Die ärztliche Tätigkeit wird also von jedem Arzt selbständig ausgeübt. Wie in einer Einzelpraxis hat hier jeder Arzt seine eigene Praxis mit eigenem Patien- tenstamm und eigener Karteiführung. Der Behandlungsver- Wiss. Mitarbeiter Alexander Walter, Forschungsstelle für Medizinrecht, Universität Regensburg, D-93040 Regensburg 1) So betrug beispielsweise der Anteil der Gemeinschaftspraxen bei Zahnärzten im Jahre 1999 14,8 % gegenüber lediglich 7,5 % im Jahre 1991, KZBV Jahrbuch 2000. 2) Einen Überblick zur Gestaltung von Gesellschaftsverträgen bei ärztlichen Kooperationsformen gibt Saenger, NZS 2001, 234. 3) BGHZ 146, 341 = NJW 2001, 1056 = MDR 2001, 459 = VersR 2001, 510 = ZIP 2001, 330 = WM 2001, 408. 4) Deutsch, Medizinrecht, 4. Aufl. 1999, Rdnr. 266. 5) § 253 BGB soll durch ein sog. „Zweites Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften“ geändert werden. Künftig soll ein Anspruch auf Schmerzensgeld auch im Rahmen der Ver- tragshaftung möglich sein. Ausführlich hierzu Deutsch, ZRP 2001, 351; Müller, PHi 2001, 119; Freise, VersR 2001, 539; Karc- zewski, VersR 2001, 1070. 6) Die sog. Ärzte-GmbH soll hier unerörtert bleiben, da eine GmbH derzeit keine Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit erhält und es in einigen Bundesländern in den Heilberufsgesetzen ein ausdrückliches Verbot der Ärzte-GmbH gibt, vgl. hierzu BayVerfGH, NJW 2000, 3418. Aufgrund dieser und weiterer Probleme konnte sie sich bislang nicht als ärztliche Kooperations- form etablieren, ausführlich Katzenmeier, MedR 1998, 113; Tau- pitz, NJW 1996, 3033. 7) Uhlenbruck, in: Laufs/Uhlenbruck (Hrsg.), Handbuch des Arzt- rechts, 2. Aufl. 1999, § 18, Rdnr. 6 m.w.N.; vgl. auch Ehmann, MedR 1994, 141, 143. 8) NJW 1997, 3076 ff. 9) Die medizinische Kooperationsgemeinschaft ist ein Zusammen- schluss von Ärzten mit Angehörigen anderer in der MBO-Ä 1997 näher bestimmter Berufsgruppen, Kap. D Nr. 9 MBO-Ä 1997. Diese soll hier nicht weiter vertieft werden. 10) Der Praxisverbund ist ein Zusammenschluss von Ärzten zur Ver- folgung eines Versorgungsziels im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung ohne Bildung einer Berufsausübungs- oder Organisa- tionsgemeinschaft, Kap. D Nr. 11 MBO-Ä 1997. Auch dieser soll nicht weiter interessieren. 11) In diesem Sinne auch Uhlenbruck (Fn. 7), § 18, Rdnr. 13; Saenger, NZS 2001, 234; Hart, Jura 2000, 14, 16. 12) Deutsch (Fn. 4), Rdnr. 84; Uhlenbruck (Fn. 7), § 18, Rdnr. 9.

Haftungsverhältnisse in ärztlichen Kooperationsformen nach der Anerkennung der Rechtsfähigkeit von BGB-Gesellschaften

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Page 1: Haftungsverhältnisse in ärztlichen Kooperationsformen nach der Anerkennung der Rechtsfähigkeit von BGB-Gesellschaften

MedR 2002, Heft 4 169

AU F S Ä T Z E

Alexander Walter

Haftungsverhältnisse in ärztlichen Kooperationsformen nach der Anerkennung der Rechtsfähigkeit von BGB-Gesellschaften

Aufgrund des enormen Investitionsbedarfs bei Neugrün-dung und Erhaltung einer Arztpraxis, der Möglichkeit zukollegialem Austausch, zur Spezialisierung und gegensei-tigen Vertretung bei Krankheit und Urlaub sowie zu fle-xiblerer Arbeitszeiteinteilung bei gleichzeitiger Sicherungvon „ständiger Präsenz“ für den Patienten besteht auch beiniedergelassenen Ärzten ein Trend zur Zusammenarbeit1.Dabei sind die Möglichkeiten zur dauerhaften ärztlichenKooperation vielfältig. Ebenso vielfältig sind jedoch auchdie rechtlichen Rahmenvorgaben, die über bürgerlich-rechtliche, sozialrechtliche bis zu berufsrechtlichen Rege-lungen reichen, weshalb im Einzelfall die Wahl der ärzt-lichen Kooperationsform sorgfältig - möglichst nach recht-licher2 und wirtschaftlicher Beratung – getroffen werdensollte. Dieser Beitrag soll untersuchen, inwieweit das BGH-Urteil zur Rechtsfähigkeit der BGB-Gesellschaft vom 29. 1. 20013 Einfluss auf diese Wahl hat, wobei die haf-tungsrechtliche Situation der Gesellschafter – und somit derÄrzte – im Mittelpunkt stehen soll.

Allgemein umfasst die Haftung des Arztes wegen einesBehandlungsfehlers und wegen Behandlung trotz unterblie-bener Einwilligung oder Aufklärung den daraus resultieren-den materiellen Schaden sowie ein angemessenes Schmer-zensgeld4. Dabei umfasst die vertragliche Haftung aus posi-tiver Forderungsverletzung des Behandlungsvertrages der-zeit wegen § 253 BGB5 lediglich den materiellen Schaden.Schmerzensgeld wird im Rahmen der deliktischen Haftunggewährt. Im Mittelpunkt der Arzthaftung stand und stehtdaher – jedenfalls solange die geltende Fassung des § 253BGB Bestand hat – die Haftung aus den §§ 823 ff. BGB.

I. Ärztliche Kooperationsformen

Arbeiten Ärzte in einer der ärztlichen Kooperationsformenzusammen, so stellt sich die Frage, inwieweit sie für fehler-hafte Behandlungen und Aufklärungspflichtverletzungeneines der beteiligten Ärzte haften müssen. Dabei muss zwi-schen den verschiedenen Kooperationsformen unterschie-den werden6. Klar ist lediglich, dass keine der möglichenärztlichen Kooperationsformen den im Einzelfall fehlerhaftbehandelnden Arzt von der ihn selbst treffenden delik-tischen Haftung entlasten kann.

1. Begrifflichkeiten und MöglichkeitenAls Oberbegriff für sämtliche Formen gemeinsamer Aus-übung ärztlicher Tätigkeit fungiert heute die sog. „Grup-penpraxis“7. Die MBO-Ä 19978 unterscheidet bei der ge-meinsamen Berufsausübung zwischen Berufsausübungsge-meinschaften (Gemeinschaftspraxis, Ärztepartnerschaft),Organisationsgemeinschaften unter Ärzten (z.B. Praxis-gemeinschaften, Apparategemeinschaften), medizinischenKooperationsgemeinschaften9 und dem Praxisverbund10,Kap. B § 22 MBO-Ä 1997. An diesen Begrifflichkeiten desBerufsrechts der Ärzte orientiert man sich regelmäßig, sodass zumeist zwischen Gemeinschaftspraxis und Ärztepart-nerschaft unterschieden wird, obgleich auch letztere eine in

der Rechtsform der Partnerschaftsgesellschaft betriebene„Gemeinschaftspraxis“ darstellt11.

2. PraxisgemeinschaftBei einer Praxisgemeinschaft beschränkt sich die Zusam-menarbeit auf die sächlichen und personellen Mittel derPraxis; sie ist der Zusammenschluss zweier oder mehrererÄrzte gleicher oder auch verschiedener Fachrichtungzwecks gemeinsamer Nutzung von Praxisräumen und/oderPraxiseinrichtungen und/oder zwecks gemeinsamer Inan-spruchnahme von Praxispersonal bei sonst selbständigerPraxisführung12. Die ärztliche Tätigkeit wird also vonjedem Arzt selbständig ausgeübt. Wie in einer Einzelpraxishat hier jeder Arzt seine eigene Praxis mit eigenem Patien-tenstamm und eigener Karteiführung. Der Behandlungsver-

Wiss. Mitarbeiter Alexander Walter, Forschungsstelle für Medizinrecht,Universität Regensburg, D-93040 Regensburg

1) So betrug beispielsweise der Anteil der Gemeinschaftspraxen beiZahnärzten im Jahre 1999 14,8 % gegenüber lediglich 7,5 % imJahre 1991, KZBV Jahrbuch 2000.

2) Einen Überblick zur Gestaltung von Gesellschaftsverträgen beiärztlichen Kooperationsformen gibt Saenger, NZS 2001, 234.

3) BGHZ 146, 341 = NJW 2001, 1056 = MDR 2001, 459 =VersR 2001, 510 = ZIP 2001, 330 = WM 2001, 408.

4) Deutsch, Medizinrecht, 4. Aufl. 1999, Rdnr. 266.5) § 253 BGB soll durch ein sog. „Zweites Gesetz zur Änderung

schadensersatzrechtlicher Vorschriften“ geändert werden. Künftigsoll ein Anspruch auf Schmerzensgeld auch im Rahmen der Ver-tragshaftung möglich sein. Ausführlich hierzu Deutsch, ZRP2001, 351; Müller, PHi 2001, 119; Freise, VersR 2001, 539; Karc-zewski, VersR 2001, 1070.

6) Die sog. Ärzte-GmbH soll hier unerörtert bleiben, da eineGmbH derzeit keine Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeiterhält und es in einigen Bundesländern in den Heilberufsgesetzenein ausdrückliches Verbot der Ärzte-GmbH gibt, vgl. hierzuBayVerfGH, NJW 2000, 3418. Aufgrund dieser und weitererProbleme konnte sie sich bislang nicht als ärztliche Kooperations-form etablieren, ausführlich Katzenmeier, MedR 1998, 113; Tau-pitz, NJW 1996, 3033.

7) Uhlenbruck, in: Laufs/Uhlenbruck (Hrsg.), Handbuch des Arzt-rechts, 2. Aufl. 1999, § 18, Rdnr. 6 m.w.N.; vgl. auch Ehmann,MedR 1994, 141, 143.

8) NJW 1997, 3076 ff.9) Die medizinische Kooperationsgemeinschaft ist ein Zusammen-

schluss von Ärzten mit Angehörigen anderer in der MBO-Ä1997 näher bestimmter Berufsgruppen, Kap. D Nr. 9 MBO-Ä1997. Diese soll hier nicht weiter vertieft werden.

10) Der Praxisverbund ist ein Zusammenschluss von Ärzten zur Ver-folgung eines Versorgungsziels im Rahmen der vertragsärztlichenVersorgung ohne Bildung einer Berufsausübungs- oder Organisa-tionsgemeinschaft, Kap. D Nr. 11 MBO-Ä 1997. Auch dieser sollnicht weiter interessieren.

11) In diesem Sinne auch Uhlenbruck (Fn. 7), § 18, Rdnr. 13; Saenger,NZS 2001, 234; Hart, Jura 2000, 14, 16.

12) Deutsch (Fn. 4), Rdnr. 84; Uhlenbruck (Fn. 7), § 18, Rdnr. 9.

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trag kommt mit dem einzelnen Arzt zustande13. Die Praxis-gemeinschaft dient lediglich der Kooperation zwischenmehreren Praxen in abgegrenzten organisatorischen Aufga-benfeldern14. In der Praxis verbreitet sind beispielsweise diesog. Apparate- oder Laborgemeinschaften. So nutzen beiLaborgemeinschaften die kooperierenden Ärzte gemeinsameine Laboreinrichtung und das Personal zur Erbringung deranfallenden Laboruntersuchungen15.

Als Rechtsform für die Kooperation bietet sich die BGB-Gesellschaft (§§ 705 ff. BGB) an. Wie erwähnt bestehen ver-tragliche Beziehungen des Patienten nur zu dem jeweils be-handelnden Arzt. Die jeweiligen Praxen sind im Außenver-hältnis rechtlich getrennt. Die Praxisgemeinschaft als solchetritt nach außen lediglich in Erscheinung, wenn es um dieBeschaffung und Unterhaltung der gemeinsamen Räumeoder Einrichtung oder die Rechtsbeziehungen zum gemein-sam genutzten Personal geht16. Darüber hinaus ist die Praxis-gemeinschaft eine reine Innengesellschaft, die nicht gegen-über Dritten als Praxisgemeinschaft firmiert17. Eine Haftungder Ärzte einer Praxisgemeinschaft wegen fehlerhafter Be-handlung – oder Behandlung trotz unterbliebener Einwil-ligung oder Aufklärung – durch einen anderen in der Praxis-gemeinschaft kooperierenden Arzt scheidet folglich aus.

3. GemeinschaftspraxisEine Gemeinschaftspraxis wird – sofern nicht die Voraus-setzungen für eine Zusammenarbeit in der Rechtsform derPartnerschaftsgesellschaft erfüllt sind – in der Rechtsformder BGB-Gesellschaft betrieben18. Nach Ansicht des BGHliegt haftungsrechtlich eine Gemeinschaftspraxis vor, wennmehrere Ärzte sich zu einer auch nach außen gemeinsamgeführten Praxis zur Erbringung gleichartiger Leistungenauf einem (oder zumindest einem ähnlichen19) Fachgebietverbunden haben20. Die entsprechende Leistung soll alsovon jedem Arzt der Gemeinschaftspraxis erbracht werdenkönnen21. Dabei liegt eine nach außen gemeinsam geführtePraxis vor, wenn die ärztliche Tätigkeit in gemeinsamenRäumen mit gemeinsamer Praxiseinrichtung, gemeinsamerKarteiführung und Abrechnung sowie mit gemeinsamemPersonal erfolgt. Zudem hat die Gemeinschaftspraxis einengemeinsamen Patientenstamm22. Das Tätigwerden des Arz-tes der Gemeinschaftspraxis erfolgt somit an den Patientender Gesellschaft und für die Gesellschaft23. Liegt nun eineGemeinschaftspraxis nach obiger Definition vor, so bestehtnach der Rechtsprechung des BGH zwischen dem Patien-ten und sämtlichen Ärzten der Gemeinschaftspraxis einevertragliche Beziehung und somit im Vertragsrecht einegesamtschuldnerische Haftung der in der Gemeinschaftspra-xis tätigen Ärzte24. Dies wird damit begründet, dass der Pa-tient die ihm angebotenen Vorteile einer Gemeinschafts-praxis nutzen und in Anspruch nehmen möchte und des-halb zu allen Praxisinhabern in vertragliche Beziehung tre-ten will25. Der Patient kann so grundsätzlich von jedemArzt der Gemeinschaftspraxis die fragliche Leistung verlan-gen, die Gemeinschaftspraxis auch durch jeden Arzt derGemeinschaftspraxis leisten. Schließlich kann ausdrücklich26

vereinbart werden, dass die Behandlung durch einen spe-ziellen Arzt der Gemeinschaftspraxis erfolgen soll27. EineHaftung des Arztes der Gemeinschaftspraxis, der an einerfehlerhaften Behandlung nicht beteiligt war, gegenüberdem Patienten aus unerlaubter Handlung wurde bislang ab-gelehnt, da er dem handelnden Mitgesellschafter gegenübernicht weisungsbefugt war28.

Nach Ansicht des BSG29 können schließlich Ärzte ver-schiedener – zumindest solche verwandter – Fachgebietesog. fachübergreifende Gemeinschaftspraxen bilden, wobeieine Genehmigung zur gemeinschaftlichen Praxisführungnur unter der Einschränkung erteilt wird, dass jeder Arztseine Fachgebietsgrenzen einhält und den Patienten dasRecht auf freie Arztwahl gewährleistet bleibt30.

4. Ärztepartnerschaft 31

Eine gemeinschaftliche Berufsausübung kann seit dem In-krafttreten des Gesetzes über PartnerschaftsgesellschaftenAngehöriger freier Berufe (PartGG)32 am 1. 7. 1995 auch inder Rechtsform der Partnerschaftsgesellschaft erfolgen33.Diese ist eine für die freien Berufe geschaffene Gesell-schaftsform, die der oHG nachempfunden ist. In einer sol-chen Partnerschaftsgesellschaft können sich freiberuflichTätige – also auch Ärzte – zu einer Gesellschaft zusam-menschließen. Die Partnerschaftsgesellschaft kommt durcheinen schriftlichen Partnerschaftsvertrag zustande (§ 3PartGG) und ist zur Eintragung in das Partnerschaftsregisteranzumelden (§ 4 PartGG). Über § 7 II PartGG findet § 124HGB auf die Partnerschaftsgesellschaft Anwendung, waszur Folge hat, dass die Partnerschaft unter ihrem NamenRechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen kannsowie vor Gericht klagen und verklagt werden kann. Siekann Besitzerin und Erbin sein und ist grundrechts- undgrundbuchfähig.

Für Verbindlichkeiten der Partnerschaft haften gemäß § 8 I 1 PartGG neben der Partnerschaftsgesellschaft selbstdie Partner als Gesamtschuldner. Aufgrund der analogenAnwendung von § 31 BGB auf die Partnerschaftsgesell-schaft34 erfasst diese Haftung der Partner auch deliktischeVerbindlichkeiten der Gesellschaft. Schließlich sind nach § 8 I 2 PartGG die §§ 129, 130 HGB entsprechend an-wendbar, so dass auch neu eintretende Partner für Altver-bindlichkeiten der Partnerschaft haften. Seit dem 1. 8. 1998

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13) Zu allem näher Uhlenbruck (Fn. 7), § 18, Rdnr. 9.14) Kap. B § 23 MBO-Ä 1997 spricht demgemäß von einer Organi-

sationsgemeinschaft.15) Rieger, Lexikon des Arztrechts, 1984, Stichwort Laborgemein-

schaft, Rdnr. 1131; zur zahnärztlichen Laborgemeinschaft Scheuff-ler, MedR 1998, 65.

16) Uhlenbruck (Fn. 7), § 18, Rdnr. 10.17) Vgl. nur Uhlenbruck (Fn. 7), § 18, Rdnr. 10; Hart, Jura 2000, 14,

16; aus dem gesellschaftsrechtlichem Schrifttum Schücking, in:Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 1, 1995, § 4,Rdnr. 20; sowie K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 1997, § 58 III b, die von einer „schlicht kooperativen Gesellschaft“sprechen.

18) Zu Einzelheiten, die gesetzliche und vertragliche Regelung be-treffend, vgl. Ehmann, MedR 1994, 141, 143 ff.; Saenger, NZS2001, 234, 235 ff.

19) So Uhlenbruck (Fn. 7), § 18, Rdnr. 12; Ehmann, MedR 1994, 141,145; vgl. auch BGHZ 97, 273, 276 f. = MedR 1986, 321, 322.

20) BGHZ 142, 126, 136 = MedR 1999, 561, 565; BGH, MedR2001, 197, 200.

21) BGHZ 142, 126, 137 = MedR 1999, 561, 565; näher Schinnen-burg, MedR 2000, 311, 312 f.

22) Vgl. nur Uhlenbruck (Fn. 7), § 18, Rdnr. 12; Ehmann, MedR1994, 141, 145, jew. m.w.N.

23) Ehmann, MedR 1994, 141, 145.24) BGHZ 142, 126, 136 = MedR 1999, 561, 564 f.; BGH, MedR

2001, 197, 200; ausführlich und kritisch zum Ganzen Schinnen-burg, MedR 2000, 311.

25) Ausführlich BGHZ 142, 126, 136 = MedR 1999, 561, 565;BGH, MedR 2001, 197, 200.

26) Eine „konkludente Vertragsbegrenzung“ auf einzelne Ärzte derGemeinschaftspraxis ist – wie Rehborn, MDR 1999, 1169, 1170,richtig feststellt – nicht zu befürworten.

27) So bleibt auch das Recht des Patienten auf freie Arztwahl – vgl.Kap. D Nr. 8 Abs. 3 MBO-Ä 1997 – gewährleistet.

28) OLG Köln, VersR 1991, 101.29) BSGE 55, 97 = MedR 1984, 30.30) Näher Ehmann, MedR 1994, 141, 145.31) Ausführlich Schirmer, MedR 1995, 341 ff., 383 ff.32) BGBl. 1994 I S. 1744.33) Die berufsrechtliche Zulässigkeit ergibt sich aus Kap. B § 22,

Kap. D Nr. 9 MBO-Ä 1997.34) Vgl. nur Michalski/Römermann, PartGG, 2. Aufl. 1999, § 8,

Rdnr. 25.

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wird diese strenge Haftung durch § 8 II PartGG n.F.35 be-grenzt36. Danach haftet für berufliche Fehler neben derPartnerschaft nur der jeweils handelnde – bzw. die jeweilshandelnden – Partner persönlich37.

II. Das Urteil des BGH vom 29. 1. 2001 (II ZR 331/00)

Das Urteil des II. Zivilsenats des BGH vom 29. 1. 200138

ist für Praxis und Wissenschaft von immenser Bedeutung39

und hat ein beträchtliches – aber auch geteiltes – Echo inder wissenschaftlichen Diskussion gefunden40. Seine Leitsät-ze lauten wie folgt:

„1. Die (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts besitztRechtsfähigkeit, soweit sie durch Teilnahme am Rechtsverkehr ei-gene Rechte und Pflichten begründet.

2. In diesem Rahmen ist sie zugleich im Zivilprozeß aktivund passiv parteifähig.

3. Soweit der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Ge-sellschaft bürgerlichen Rechts persönlich haftet, entspricht das Ver-hältnis zwischen der Verbindlichkeit der Gesellschaft und der Haf-tung des Gesellschafters derjenigen bei der oHG (Akzessorietät) –Fortführung von BGHZ 142, 315.“

Im ersten Leitsatz41 schließt sich der BGH der bereits inder Literatur herrschenden Auffassung42 an und bestätigt dieRechtsfähigkeit der Außen-GbR43 und damit ihre Fähig-keit, vertragliche und gesetzliche Ansprüche zu erwerben,Schuldnerin solcher Ansprüche zu sein sowie dinglicheRechte zu erwerben44.

Des Weiteren spricht im zweiten Leitsatz45 der BGH derBGB-Gesellschaft die Parteifähigkeit im Zivilprozess zu.Aktivprozesse werden künftig von der durch vertretungsbe-rechtigte Gesellschafter vertretenen Gesellschaft und Passiv-prozesse gegen die ebenso vertretene Gesellschaft geführt.Folglich ist nun zwischen dem Prozess der Gesellschaft unddem Prozess der Gesellschafter zu unterscheiden46.

Die für diesen Beitrag bedeutsame Aussage des BGH fin-det sich im dritten Leitsatz47, nach dem der Gesellschafterfür die Verbindlichkeiten der BGB-Gesellschaft persönlichentsprechend den Regelungen für die oHG – also akzesso-risch – haftet. Diesen Schluss zieht der BGH aus derRechtsfähigkeit der BGB-Gesellschaft. Der Streit um dieGesellschafterhaftung rankte sich bislang darum, ob dieGesellschafterhaftung rechtsgeschäftlich durch persönlicheMitwirkung aller Gesellschafter am Vertragsschluss bzw.durch das Handeln der geschäftsführenden Gesellschafter inVertretung der übrigen Gesellschafter begründet wird48

oder ob eine akzessorische Haftung der Gesellschafter einerBGB-Gesellschaft für Gesellschaftsverbindlichkeiten analog§§ 128, 129 HGB zu bejahen ist49. Mit der Entscheidungvom 29. 1. 2001 hat der BGH für die Außen-GbR die sog.„Doppelverpflichtungstheorie“ abgelehnt50 und festgestellt,dass alle Gesellschafter zumindest für rechtsgeschäftlicheVerbindlichkeiten der BGB-Gesellschaft analog §§ 128,129 HGB akzessorisch haften.

Ähnlich wie im Urteil vom 27. 9. 199951, in dem derBGH letztlich nicht ausdrücklich klärte, ob er der „Dop-pelverpflichtungstheorie“ folgt oder doch die akzessorischeHaftung der Gesellschafter bevorzugt52, hat er im Urteilvom 29. 1. 2001 davon abgesehen, dahingehend ausdrück-lich Stellung zu beziehen, inwieweit die Gesellschafter auchfür gesetzliche – und damit für die hier interessierenden de-liktischen – Verbindlichkeiten der BGB-Gesellschaft per-sönlich haften, wie weit also die akzessorische Haftung derGesellschafter reicht. Dabei sind zwei Fragen zu trennen.Zunächst stellt sich die Frage der analogen Anwendungvon § 31 BGB53, um das Verhalten geschäftsführender Ge-

Walter, Haftungsverhältnisse in ärztlichen Kooperationsformen MedR 2002, Heft 4 171

35) BGBl. 1998 I S. 1877; zu den Neuerungen Römermann, NZG1998, 675.

36) Auch § 8 II PartGG a.F. sah eine Haftungsbeschränkungsmög-lichkeit vor. Diese war jedoch nicht institutionell, sondern ver-tragsrechtlich ausgestaltet. Es bedurfte danach bei Vertragsschlusseiner Haftungsbegrenzungsvereinbarung mit dem Gläubiger. § 8II PartGG a.F. sah sich deshalb von Anfang an heftiger Kritik aus-gesetzt, was in Verbindung mit dem fehlenden Erfolg der Part-nerschaft in der Praxis zur Neuregelung führte, ausführlich Mich-alski/Römermann (Fn. 34), § 8, Rdnrn. 7 f.

37) Zu Einzelheiten Michalski/Römermann (Fn. 34), § 8, Rdnrn. 12 ff.Diese bezeichnen die Haftung treffend als zwischen der unbe-schränkten Haftung aller Gesellschafter – wie bei der oHG – undder Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen – wiebei den Kapitalgesellschaften – stehende „institutionelle Handeln-denhaftung“.

38) BGHZ 146, 341 (weitere Fundstellen in Fn. 3).39) K. Schmidt, NJW 2001, 993, 1003, spricht von einem „Meilen-

stein“, Ulmer, ZIP 2001, 585, vom „Markstein auf dem Wege zurEnträtselung der GbR“, Römermann, DB 2001, 428, meint, der„gordische Knoten“ sei durchschlagen.

40) Genannt seien hier nur K. Schmidt, NJW 2001, 993; Ulmer, ZIP2001, 585; Habersack, BB 2001, 477; Dauner=Lieb, DStR 2001,356; Römermann, DB 2001, 356; Westermann, NZG 2001, 289;Wiedemann, JZ 2001, 661; Reiff, VersR 2001, 515; Gesmann=

Nuissl, WM 2001, 973; Prütting, EWiR 2001, 341; Heil, NZG2001, 300.

41) Näher sub A. I. der Gründe.42) Vgl. zur ausgehend von Otto v. Gierke und der deutschrechtlichen

Gesamthandslehre über Flume, ZHR 136 (1972), 177 ff., zurherrschenden Auffassung in der Literatur erstarkten „Gruppen-lehre“ Ulmer, in: MüKo/BGB, Bd. 5, 3. Aufl. 1997, § 705, Rdnrn. 131 ff.; K. Schmidt (Fn. 17), § 8 III; Wiedemann, WM1994 Sonderbeilage 4, 3, 6 ff.; Grunewald, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2000, Rdnrn. 1 A 98 ff.; Westermann, in: Erman, BGB,10. Aufl. 2000, vor § 705, Rdnrn. 14 ff.; U. Huber, in: FS f. Lut-ter, 2000, S. 107, 122 ff.; sowie mit eingehenden NachweisenMülbert, AcP 199 (1999), 38, 40. Zur Gegenansicht Hueck, Ge-sellschaftsrecht, 19. Aufl. 1991, § 5 I 5; Kraft/Kreutz, Gesell-schaftsrecht, 11. Aufl. 2000, C I 1 d; Zöllner, in: FS f. Kraft, 1998,S. 701; Berndt/Boin, NJW 1998, 2854.

43) Vgl. auch Ulmer, ZIP 2001, 585, 588 f., der sich für den Abschiedvom Terminus der „Teilrechtsfähigkeit“ ausspricht, gleichzeitigaber zutreffend die weiter bestehende sachliche Trennung vongesamthänderisch strukturierten Personengesellschaften und Kapi-talgesellschaften als juristischen Personen hervorhebt.

44) Darüber hinaus sollten nunmehr Markenrechts- und Erbfähigkeitanerkannt sein, vgl. Reiff, VersR 2001, 515, 516; Habersack, BB2001, 477, 479; Ulmer, ZIP 2001, 585, 588 sowie 596. Auch hatder BGH, NJW 2001, 3121, nunmehr die Stellung einer Außen-BGB-Gesellschaft als Kommanditistin anerkannt. Unklar ist we-gen § 47 GBO noch die Grundbuchfähigkeit.

45) Näher sub A. II. der Gründe.46) Ausführlich K. Schmidt, NJW 2001, 993, 999. Dieser Teil der

Entscheidung ist überraschend, da er dem Gegenteil der bisheri-gen Rechtsprechung und herrschenden Auffassung der (prozess-rechtlichen) Literatur entspricht. So ist auch die bisherige wissen-schaftliche Reaktion geteilt, begrüßend beispielsweise Ulmer, ZIP2001, 585, 591; Habersack, BB 2001, 477, 478; Reiff, VersR 2001,515, 516; kritisch hingegen Jauernig, NJW 2001, 2231 f.; Müther,MDR 2001, 461 f.; Heil, NZG 2001, 300 ff.

47) Näher sub B. der Gründe.48) So entschieden in BGHZ 74, 240, 242; 79, 374, 377; 117, 168,

176 f.; 136, 254, 255.49) Vgl. nur K. Schmidt (Fn. 17), § 60 III 2; Flume, Allgemeiner Teil

des Bürgerlichen Rechts, 1. Bd., 1. Teil, Die Personengesell-schaft, 1977, § 16 IV; Grunewald (Fn. 42), Rdnrn. 1 A 104 ff.;Wiedemann, WM 1994 Sonderbeilage 4, 3, 18; Mülbert, AcP 199(1999), 38, 67 ff.; Timm, NJW 1995, 3209, 3215 ff.; Kornblum,Die Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten von Perso-nengesellschaften, 1972, S. 37 ff.

50) Diese war nach K. Schmidt (Fn. 17), § 60 III 4 a cc, „rechtsdog-matisch ein Provisorium“.

51) BGHZ 142, 315.52) So der BGH, sub B. der Gründe; sowie auch Ulmer, ZGR 2000,

339, 343, und nun in ZIP 2001, 585, 596, wo er jedoch ebenfallsvom „konkludenten Abschied von der Doppelverpflichtungs-theorie“ spricht.

53) Dieses Problem war nicht – zumindest nicht direkt – Gegenstandder Entscheidung des BGH.

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sellschafter der BGB-Gesellschaft zuzurechnen54. Bejahtman die analoge Anwendung von § 31 BGB, stellt sich dasProblem, ob die vom BGH entschiedene akzessorischeHaftung der Gesellschafter auch deliktische Verbindlichkei-ten erfasst.

Nach § 31 BGB, der auch im Deliktsrecht anwendbarist55, haftet ein Verein für Schäden, die ein verfassungs-mäßig berufener Vertreter einem Dritten zufügt. Nach all-gemeiner Auffassung ist die Vorschrift bei Personengesell-schaften des Handelsrechts sowie bei Kapitalgesellschaftenentsprechend anwendbar56. Umstritten ist, ob § 31 BGBauch auf die BGB-Gesellschaft und somit auf Gemein-schaftspraxen analog anwendbar ist. Der BGH57 hat ineinem Urteil aus dem Jahr 1966 diese Frage verneint. Erbegründete seine Ansicht damit, dass die BGB-Gesellschaft– anders als die oHG und die KG – zu wenig körperschaft-lich organisiert sei und man die handelnden Gesellschafternicht als ihre „Organe“ bezeichnen könne58. Die herr-schende Auffassung in der Literatur stimmt dem nicht zu59.Die vorgebrachten Gründe sind einleuchtend: Wenn man– schon vor dem Urteil des BGH vom 29. 1. 2001 – dieBGB-Gesellschaft als teilrechtsfähigen Personenverband an-erkannt und zwischen Gesamthandsschulden der Gesell-schaft und Gesamtschulden der Gesellschafter unterschiedenhat, so besteht zwischen dem Maß an körperschaftlicherOrganisation der BGB-Gesellschaft und der Personenhan-delsgesellschaften kein Unterschied. Ohne Rückgriff auf § 31 BGB entstünde bei der BGB-Gesellschaft – aufgrundder Unanwendbarkeit von § 831 BGB auf das Verhältnisder Gesamthand zu den geschäftsführenden Gesellschaftern– die gleiche Haftungslücke wie bei den Personenhandels-gesellschaften60. Eine andere Beurteilung hätte zum Ergeb-nis, dass zwar der handelnde Gesellschafter haftet, dem Ge-schädigten jedoch der Zugriff auf das Gesellschaftsvermö-gen, zu dessen Gunsten die Handlung begangen wordenist, verwehrt wird61. Die Gründe für die analoge Anwen-dung des § 31 BGB kommen um so mehr zum Tragen, alsder BGH nun die Rechtsfähigkeit und Parteifähigkeit derBGB-Gesellschaft bejaht und sich für die akzessorische Haf-tung der Gesellschafter entschieden hat. Diese Annäherungder BGB-Gesellschaft an die offene Handelsgesellschaftnimmt der Argumentation aus BGHZ 45, 311, 312 dieGrundlage. Es ist folglich zu erwarten, dass auch der BGHkünftig § 31 BGB auf die BGB-Gesellschaft analog anwen-den wird62. Demnach erfolgt auch bei der BGB-Gesell-schaft eine Zurechnung des Organverschuldens. Das Ge-sellschaftsvermögen haftet für die von einem Gesellschafterbegangene unerlaubte Handlung.

Überwiegend wird von den Vertretern der „Akzesso-rietätslehre“63 die persönliche Haftung der Gesellschafterfür die so begründeten deliktischen Verbindlichkeiten derGesellschaft analog §§ 128 f. HGB angenommen. Teilweisewurde dagegen vorgebracht, dass dies eine unzulässige per-sönliche Haftung des Gesellschafters für fremdes delik-tisches Verschulden sei64 oder der Gesellschafter hierfür nurinsoweit hafte, als er Entnahmen aus dem Gesellschaftsver-mögen getätigt habe65. Die Mitgesellschafter sind jedochaufgrund ihres Einflusses auf die Auswahl und Tätigkeit der„Organe“ regelmäßig „näher dran“ als der Geschädigte, so-weit es um die Verteilung des Schadensrisikos geht. Auchgehört es zu dem von jedem Gesellschafter übernommenenGeschäftsrisiko, dass bei der Durchführung der Geschäfteunerlaubte Handlungen begangen werden66. Zutreffend er-folgt nach der h.M. deshalb keine Beschränkung der akzes-sorischen Gesellschafterhaftung nach §§ 128 f. HGB imHinblick auf deliktische Ansprüche67. Der BGH äußert sichin dem Urteil vom 29. 1. 2001 hinsichtlich der Außen-GbR nicht zu dieser Frage und stellt ausdrücklich lediglichdie akzessorische Haftung der Gesellschafter für rechtsge-schäftliche Verbindlichkeiten der BGB-Gesellschaft fest68.

Diese Unklarheit beruht letztlich auf einer unglücklichenFormulierung: Im Blickfeld der Entscheidung BGHZ 142,315 zur Beschränkung der Haftung der Gesellschafter einerBGB-Gesellschaft69 standen rechtsgeschäftliche Verbind-lichkeiten. Im Urteil vom 29. 1. 2001 bezieht sich derBGH nun auf das vorgenannte Urteil und stellt fest, dass„soweit“ ein Gesellschafter nach BGHZ 142, 315 persön-lich haftet, das Verhältnis zwischen Gesellschafts- und Ge-sellschafterhaftung der Rechtslage nach §§ 128 f. HGB beider oHG entspricht70. Die vermeintliche Unklarheit hin-sichtlich gesetzlicher Verbindlichkeiten beruht eben darauf,dass im Brennpunkt beider Entscheidungen rechtsgeschäft-liche Verbindlichkeiten standen. Die konsequente Art, inder der BGH sich für die analoge Anwendung der §§ 128 f.HGB auf die BGB-Gesellschaft ausspricht, zeigt jedoch,dass er einen Haftungsgleichlauf zwischen oHG und BGB-Gesellschaft herbeiführen will71. Nur dann ist ein klares undgeschlossenes Haftungsmodell für die BGB-Gesellschaft ge-funden. Der Gesellschafter einer BGB-Gesellschaft haftetfolglich für gesetzliche – und somit auch für deliktische –Verbindlichkeiten der Gesellschaft.

III. Auswirkungen auf die ärztlichenKooperationsformen

Es ist nun zu untersuchen, welche – insbesondere haf-tungsrechtlichen – Auswirkungen das BGH-Urteil vom29. 1. 2001 auf die sub I. dargestellten ärztlichen Koopera-tionsformen hat. Der BGH macht bereits im ersten Leitsatzklar, dass sich das Urteil ausschließlich auf BGB-Außenge-sellschaften bezieht. Innengesellschaften sind nicht betrof-fen72. Im Verhältnis eines in einer Praxisgemeinschaft ko-

172 MedR 2002, Heft 4 Walter, Haftungsverhältnisse in ärztlichen Kooperationsformen

54) Vgl. auch K. Schmidt (Fn. 17), § 60 II 4, III 5 c m.w.N.; Wiede-mann, WM 1994 Sonderbeilage 4, 3, 14; insoweit – unabhängigvom Ergebnis – ungenau BGHZ 45, 311 f.

55) Reuter, in: MüKo/BGB, Bd. 1, 4. Aufl. 2001, § 31, Rdnr. 29.56) Vgl. nur Reuter (Fn. 55), § 31, Rdnrn. 11, 14 m.w.N.57) BGHZ 45, 311.58) BGHZ 45, 311, 312.59) So schon vor BGHZ 146, 341: Fabricius, in: GS f. R. Schmidt,

1966, S. 171, 194; K. Schmidt (Fn. 17), § 60 II 4; Westermann(Fn. 42), § 705, Rdnr. 64; Kornblum (Fn. 49), S. 46; Reuter(Fn. 55), § 31, Rdnr. 15; Flume (Fn. 49), § 16 IV 2; Grunewald(Fn. 42), Rdnr. 1 A 110; auch Ulmer (Fn. 42), § 705, Rdnrn. 217 ff.m.w.N., der schon vor BGHZ 146, 341 damit rechnete, dassauch der BGH künftig § 31 BGB analog auf die BGB-Gesell-schaft anwenden wird.

60) Reuter (Fn. 55), § 31, Rdnrn. 14, 15; Ulmer (Fn. 42), § 705,Rdnrn. 218 f. m.w.N.

61) Kübler, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 1998, § 6 III 4 b.62) So auch K. Schmidt, NJW 2001, 993, 1003; Habersack, BB 2001,

477, 479; Ulmer, ZIP 2001, 585, 597; Wiedemann, JZ 2001, 661,663.

63) Siehe Fn. 49.64) Flume, in: FS f. H. Westermann, 1974, S. 119, 142 f.65) Altmeppen, NJW 1996, 1017, 1021 f. und 1026.66) So zu Recht Grunewald (Fn. 42), Rdnr. 1 A 111.67) Baumbach/Hopt, HGB, 30. Aufl. 2000, § 128, Rdnr. 2;

K. Schmidt, in: Schlegelberger, HGB, Bd. III/1, 5. Aufl. 1992, § 105, Rdnr. 11; Habersack (1997), in: Großkomm./HGB, 4. Aufl.,§ 128, Rdnr. 10; umfangreiche Nachweise bei Altmeppen, NJW1996, 1017, dortige Fn. 1.

68) Sub B. der Gründe.69) BGHZ 142, 315.70) Sub B. der Gründe.71) So auch K. Schmidt, NJW 2001, 993, 999; Reiff, VersR 2001,

515, 516; Habersack, BB 2001, 477, 481; ausführlich Ulmer, ZIP2001, 585, 596 f.; Dauner=Lieb, DStR 2001, 356, 359, konstatiert,dass eine Haftung der Gesellschafter für deliktische Verbindlich-keiten der Gesellschaft nahe liegt.

72) Vgl. nur K. Schmidt, NJW 2001, 993, 1001; Habersack, BB 2001,477, 478 f.

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operierenden Arztes zum Patienten tritt folglich keine Än-derung ein.

Bedeutung hat das Urteil allerdings für in der Rechts-form der BGB-Gesellschaft betriebene Gemeinschaftspra-xen. Zwar ist weiterhin unklar, ob die Entscheidung füralle Außen-BGB-Gesellschaften gilt73 oder ob die Gesell-schaft unternehmenstragend sein muss74 bzw. einer beson-deren Handlungsorganisation und Identitätsausstattung75

bedarf. Jedenfalls stellt die Gemeinschaftspraxis-GbR alsfreiberufliches Unternehmen nach allen Auffassungen eineAußen-BGB-Gesellschaft dar, die das BGH-Urteil be-trifft76. Durch die Ausstattung mit Rechts- und Parteifähig-keit können sich Gemeinschaftspraxen künftig im Rechts-und Prozessverkehr wesentlich leichter bewegen. Die haf-tungsrechtlichen Auswirkungen auf in der Rechtsform derBGB-Gesellschaft betriebene Gemeinschaftspraxen sindhingegen für die kooperierenden Ärzte nachteilig. So er-scheint es möglich, dass die Rechtsprechung künftig – auchfür in der Vergangenheit liegende Sachverhalte – in einerGemeinschaftspraxis verbundene Ärzte für deliktische An-sprüche wegen fehlerhafter Behandlung durch einen ande-ren Arzt der Gemeinschaftspraxis haften lässt. Da sichwegen § 253 BGB geltender Fassung die Haftung des Arz-tes größtenteils auf Ansprüche aus Delikt konzentriert,würde dies eine nicht unerhebliche Steigerung des Haf-tungsrisikos bedeuten. Darüber hinaus wird nunmehr auchin der Literatur die vom BGH nicht ausdrücklich geklärteFrage der analogen Anwendung von § 130 HGB bejaht77.Diese würde dazu führen, dass in eine Gemeinschaftspraxisneu eintretende Ärzte für zum Beitrittszeitpunkt bereits be-gründete rechtsgeschäftliche und gesetzliche Verbindlich-keiten der Gesellschaft – so auch für Schadensersatz- undSchmerzensgeldansprüche wegen fehlerhafter Behandlungdurch Ärzte der Gemeinschaftspraxis – persönlich haften.

Insgesamt bringt das Urteil des BGH vom 29. 1. 2001folglich eine beachtliche Verschärfung der Gesellschafter-haftung in der BGB-Gesellschaft mit sich78. Für die betei-ligten Ärzte und die sie beratenden Rechtsanwälte, denenim Rahmen des Anwaltsvertrags die Pflicht zukommt, eineumfassende Beratung zu bieten und den „sichersten Weg“zu gehen79, stellt sich die Frage, wie sie dieser Haftungs-verschärfung begegnen sollen. Der BGH hat in seinem Ur-teil vom 27. 9. 199980 die Möglichkeit der Haftungsbe-schränkung der Gesellschafter für rechtsgeschäftliche Ver-bindlichkeiten einer BGB-Gesellschaft durch auf den Wil-len der Haftungsbeschränkung hindeutenden Namenszusatz(GbRmbH) verneint81 und damit als Ausweg lediglich dieHaftungsbeschränkung durch eine ausdrückliche Vereinba-rung mit dem Vertragspartner – hier dem Patienten – gelas-sen82. Dass die Mehrzahl der Patienten sich auf eine solcheVereinbarung nicht einlassen würde, bedarf keiner Erörte-rung.

Die Lösung des Problems liegt in der bislang von Ärztennur vereinzelt gewählten Rechtsform der Partnerschaftsge-sellschaft. Zwar erfordert diese einen schriftlichen Vertragund die Eintragung in das Partnerschaftsregister, doch bietetsie mit § 8 II PartGG bei beruflichen Fehlern – sprich feh-lerhafter Behandlung oder Verletzung der Aufklärungs-pflicht – eine gesetzliche Haftungskonzentration auf den je-weils behandelnden Partner (neben der Partnerschaftsgesell-schaft). Der Beweis, dass nur ein bestimmter Arzt die Be-handlung vorgenommen hat, sollte bei ordnungsgemäßerDokumentation nicht schwer fallen. Aus haftungsrechtlicherSicht ist die Partnerschaftsgesellschaft gegenüber der BGB-Gesellschaft nunmehr endgültig die attraktivere Organisa-tionsform für eine ärztliche Gemeinschaftspraxis83. Letztlichbesteht zwar für Ärzte zur Regulierung von Schadensersatz-ansprüchen wegen beruflicher Fehler stets eine Berufshaft-pflichtversicherung, so dass der Arzt als Mitgesellschafterauch bei Beibehaltung der Rechtsform der BGB-Gesell-

schaft für die Gemeinschaftspraxis den Schaden nicht selbsttragen muss. Doch trägt das Risiko der Schadensübernahmedie Berufshaftpflichtversicherung jedes Arztes, der für Fehlereines Mitgesellschafters in Anspruch genommen worden ist.Da sich die Gefahr der Gesamtschuldnerhaftung in diesenFällen dadurch umgehen lässt, dass künftig die Rechtsformder Partnerschaftsgesellschaft gewählt wird, sollte die Ent-scheidung des BGH zur BGB-Gesellschaft die Weichen fürden Durchbruch der Partnerschaftsgesellschaft im Bereichder Gemeinschaftspraxis gestellt haben.

IV. Zusammenfassung

Die Anerkennung der Außen-BGB-Gesellschaft als rechts-fähig hat Auswirkungen auf das Arzthaftungsrecht für in derRechtsform der BGB-Gesellschaft betriebene Gemein-schaftspraxen. So ist zu erwarten, dass die Rechtsprechungkünftig – entsprechend der überwiegenden Auffassung imSchrifttum – § 31 BGB auch auf die BGB-Gesellschaft ana-log anwenden wird. Die konsequente Anwendung der„Akzessorietätslehre“ führt bei analoger Anwendung von § 31 BGB auf die BGB-Gesellschaft zur persönlichen Haf-tung des Gesellschafters für gesetzliche und damit auch de-liktische Verbindlichkeiten der Gesellschaft und somit zurHaftung eines in der Rechtsform der BGB-Gesellschaft ko-operierenden Arztes für die Ansprüche eines Patientenwegen fehlerhafter Behandlung durch einen anderen Arztder Gemeinschaftspraxis. Die bisherigen Äußerungen in derLiteratur befürworten überwiegend eine entsprechendeAnwendung des § 130 HGB, so dass bei Neubeitritt einesGesellschafters überdies eine Haftung für bereits bestehenderechtsgeschäftliche und deliktische Verbindlichkeiten derBGB-Gesellschaft besteht.

Das Urteil führt somit zu einer deutlichen Haftungsver-schärfung für Ärzte, die in einer in der Rechtsform derBGB-Gesellschaft organisierten Gemeinschaftspraxis Gesell-schafter sind. Diese Konsequenz wird vermieden, wenn dieRechtsform einer Ärztepartnerschaft gewählt wird. Auf-grund der in § 8 II PartGG statuierten Handelndenhaftunghaftet dann für eine fehlerhafte Behandlung durch einenArzt neben der Partnerschaft nur dieser persönlich.

Walter, Haftungsverhältnisse in ärztlichen Kooperationsformen MedR 2002, Heft 4 173

73) Habersack, BB 2001, 477, 478 f.; Grunewald (Fn. 42), Rdnr. 1 A106; auch der BGH hat keine weitere Unterscheidung getroffen.

74) K. Schmidt (Fn. 17), § 58 V, 60 III 2; Reiff, VersR 2001, 515, 516 f.75) Ulmer, ZIP 2001, 585, 592 ff.76) Vgl. nur Reiff, VersR 2001, 515, 517; Ulmer, ZIP 2001, 585, 594;

K. Schmidt (Fn. 17), § 58 III 5 b.77) K. Schmidt, NJW 2001, 993, 999; Habersack, BB 2001, 477, 482;

Gesmann=Nuissl, WM 2001, 973, 978; ausführlich Ulmer, ZIP2001, 585, 598; kritisch Westermann, NZG 2001, 289, 294 f.; ab-lehnend Wiedemann, JZ 2001, 661, 664.

78) So auch Ulmer, ZIP 2001, 585, 597.79) Dazu etwa Rinsche, Die Haftung des Rechtsanwalts und des No-

tars, 6. Aufl. 1998, Rdnrn. I 76 ff., I 131 ff., jew. m.w.N. 80) BGHZ 142, 315.81) Auch eine Haftungsbeschränkung durch Hinweise auf Praxis-

schildern, in Wartezimmern sowie auf Briefköpfen etc. ist damitausgeschlossen.

82) Zur Auswirkung von BGHZ 142, 315 auf die Passivlegitimationim Arzthaftungsprozess Schinnenburg, MedR 2000, 311, 313.

83) So schon vor BGHZ 146, 341: Scharlach/Hoffmann, WM 2000,2082, 2088. Anders Römermann, DB 2001, 428, 430, der feststellt,dass die BGB-Gesellschaft für Freiberufler an Attraktivität ge-wonnen hätte. Dem ist nur hinsichtlich der Rechts- und Partei-fähigkeit zuzustimmen. Bezieht man in die Betrachtung die mitder Entscheidung verbundenen haftungsrechtlichen Nachteile fürdie Gesellschafter mit ein, so muss man feststellen, dass die BGB-Gesellschaft als Rechtsform zumindest für ärztliche Gemein-schaftspraxen nicht aufgewertet wurde. Die Ansicht von Römer-mann hat ihre Ursache wohl in einem etwas einseitigen Blick aufdie Kooperation von Rechtsanwälten.